Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Soziologie - Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus des Front National, der Freiheitlichen ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Soziologie WAPS 10 Berivan Ergen / Simon Krause / Johanna Rinne Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus des Front National, der Freiheitlichen Partei Österreichs und der Partei für die Freiheit 2019
Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Soziologie Um seine aktuellen Forschungsergebnisse verstärkt sichtbar zu machen, hat das Institut für Politik- wissenschaft und Soziologie zu Jahresbeginn 2012 die Online-Schriftenreihe WAPS (Würzburger Arbeits- papiere zur Politikwissenschaft und Soziologie) ins Leben gerufen. In WAPS spiegelt sich die gesamte Bandbreite der Forschungsleistung des Instituts wider. Bis Band 8 erschien die Schriftenreihe unter dem Titel „Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung“. Neben MitarbeiterInnen des Instituts steht die Schriftenreihe auch hervorragenden Studierenden offen, die über die Veröffentlichung ihrer beacht- lichen Beiträge an das wissenschaftliche Publizieren herangeführt werden. Prof. Dr. Andreas Göbel (Allgemeine Soziologie) Prof. Dr. Christiane Gross (Quantitative empirische Sozialforschung) Prof. Dr. Hans-Joachim Lauth (Vergleichende Politikwissenschaft / Systemlehre) Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet (Europaforschung / Internationale Beziehungen) © Julius-Maximilians-Universität Würzburg Prof. Dr. Elke Wagner Institut für Politikwissenschaft und Soziologie Wittelsbacherplatz 1 (Spezielle Soziologie) 97074 Würzburg Tel.: +49 931 - 31-84863 Fax: +49 931 - 31-84890 https://www.politikwissenschaft.uni- wuerzburg.de Kontakt: andreas.goebel@uni-wuerzburg.de Alle Rechte vorbehalten. Würzburg 2019. Dieses Dokument wird bereitgestellt durch den Publikationsservice der Universität Würzburg. Universitätsbibliothek Würzburg Am Hubland D-97074 Würzburg Zitation dieser Publikation: Tel.: +49 931 - 31-85906 opus@bibliothek.uni-wuerzburg.de Berivan Ergen/Simon Krause/Johanna Rinne (2019): Eine Diskursanalyse des https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de EU-Skeptizismus des Front National, der Freiheitlichen Partei Österreichs und der Partei für die Freiheit. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Soziologie, Nr. 10, 2019. Würzburg: Universität Würzburg. ISSN: 2193-9179 DOI: 10.25972/OPUS-18091
Bisher publizierte Bände in dieser Reihe: Dickopf, Simon / Hassan, Mira / Künzler, Jan / Renner, Regina (2012): Gerechtigkeitsurteile in einer unterfränkischen Großstadt vor und nach der Finanzkrise. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 1, 2012. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-69396 Lauth, Hans-Joachim / Kauff, Oliver (2012): Demokratiemessung: Der KID als aggregiertes Maß für die komparative Forschung. Empirische Befunde der Regimeentwicklung von 1996 bis 2010. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 2, 2012. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-73033 Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (2013): Was vom europäischen Projekt übrigbleibt... Zerfall oder Neustart? Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 3, 2013. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-83565 Rodrigues, Valerian (2014): Elections and Civil Society in India. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 4, 2014. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-105007 Sackmann, Rosemarie (2014): Bürgerbeteiligung in Stadtentwicklungsprozessen - Wundermittel oder Mogelpackung? Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 5, 2014. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-107185 Lauth, Hans-Joachim (2015): The matrix of democracy: a three-dimensional approach to measuring the quality of democracy and regime transformations. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 6, 2015. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-109665 Gieg, Philipp / Lowinger, Timo / Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (eds.) (2015): Exploring Emerging India - Eight Essays. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 7, 2015. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-119973 Andrea Jonjic / Papy Manzanza Kazeka / Daniel Metten / Flora Tietgen (2016): Die Transnationale Zivilgesellschaft – Hoffnungsträger in der Global Governance?. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Sozialforschung, Nr. 8, 2016. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-130762
Felix Hoffmann (2018): Volksgesetzgebung und politischer Entscheidungsprozess. Würzburger Arbeitspapiere zur Politikwissenschaft und Soziologie, Nr. 9, 2018. Würzburg: Universität Würzburg. URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-161919
WAPS (2019) 10: 1-78 1 Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus des Front National, der Freiheitlichen Partei Österreichs und der Partei für die Freiheit Berivan Ergen/Simon Krause/Johanna Rinne Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojekts des Masterstudiengangs Political and Social Sci- ences am Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europaforschung und Internationale Beziehungen an der Julius-Ma- ximilians-Universität unter Betreuung von Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet im Wintersemester 2017/18. Sie stellt eine gekürzte Fassung der Forschungsarbeit auf dem inhaltlichen Stand von März 2018 dar. Abstract Nach Jahren fortschreitender europäischer Integration, geprägt vom permissive consensus, rückt – durch den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien – die Ablehnung gegenüber der Europäischen Union in den Fo- kus wissenschaftlicher Debatten. Während überwiegend von Euro- oder Europaskeptizismus die Rede ist, fasst dieser Beitrag die Ablehnung gegenüber dem europäischen Integrationsprojekt unter dem präziseren Begriff des EU-Skeptizismus zusammen. In diesem spiegeln sich die drei Kernelemente des Rechtspopu- lismus wider: Populismus, Nativismus und Autoritarismus. Mittels einer Diskursanalyse werden in der vor- liegenden Arbeit die Ausprägungen des EU-Skeptizismus des Front National (FN, Frankreich), der Frei- heitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Partij voor de Vrijheid (PVV, Niederlande) im Zeitraum von 2010 bis Beginn 2018 untersucht. Für die Einordnung und Vergleichbarkeit des EU-Skeptizismus der rechtspopulistischen Parteien wurde ein Kriterienkatalog erarbeitet, der auf die Untersuchung weiterer Par- teien übertragbar ist. Die Ergebnisse zeigen, dass der EU-Skeptizismus nicht nur ideologisch, sondern auch strategisch motiviert ist. Die Aussicht auf Regierungsverantwortung beziehungsweise die faktische Regie- rungsbeteiligung schwächt den bestehenden EU-Skeptizismus ab. Während letzteres auf die FPÖ zutrifft, zeichnen sich PVV und FN durch einen konstant harten EU-Skeptizismus (in Anlehnung an die Unterschei- dung der Kategorien hard und soft von Taggart u. Szczerbiak 2008) aus. Wenngleich sich der harte EU- Skeptizismus rechter Parteien durch die komplizierten Brexitverhandlungen abschwächen könnte, wird weicher EU-Skeptizismus über den geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs hinaus Bestand haben. ______________________ Online publiziert: 23.05.2019 © Institut für Politikwissenschaft und Soziologie (IPS) ______________________
2 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne Autorennotiz Berivan Ergen ist Studentin der Political and Social Sciences (M.A.) sowie des Europarechts (LL.M.Eur.) an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Simon Krause hat sein Studium der Political and Social Sciences (M.A.) an der Julius-Maximilians-Uni- versität Würzburg abgeschlossen und arbeitet bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusam- menarbeit (GIZ) GmbH in Eschborn. Johanna Rinne ist Studentin der Political and Social Sciences (M.A.) und wissenschaftliche Hilfskraft am Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europaforschung und Internationale Beziehungen der Julius-Maximilians-Uni- versität Würzburg.
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 3 A discourse analysis of the EU-scepticism of the National Front, the Austrian Freedom Party and the Party for Freedom Berivan Ergen/Simon Krause/Johanna Rinne Abstract After years of progressive European integration marked by the permissive consensus, the rise of right-wing populist parties has put the opposition towards the European Union at the center of scientific debate. Instead of referring to the widely used but vague term of Euroscepticism, this paper summarizes the rejection of the European integration project under the more precise term of EU-scepticism. EU-scepticism reflects the three core elements of right-wing populism: populism, nativism and authoritarianism. By conducting a dis- course analysis, the characteristics of EU-scepticism of the Front National (FN, France), the Austrian Free- dom Party (FPÖ) and the Party for Freedom (PVV, Netherlands) will be examined for the period from 2010 to the beginning of 2018. To classify and compare EU-scepticism of right-wing populist parties, a list of criteria has been developed, which can be used for further research. The results show that EU-scepticism is not only ideologically but also strategically motivated. The prospect of government responsibility or gov- ernment participation weakens existing EU-scepticism. While the latter applies to the FPÖ, the PVV and FN are characterized by a consistently hard EU-scepticism (based on the distinction between the hard and soft categories established by Taggart u. Szczerbiak 2008). Although hard EU-scepticism could weaken as a result of the complicated Brexit negotiations, soft EU-scepticism will remain a key theme of right-wing parties – even after the exit of the United Kingdom.
4 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................................... 5 1. Einleitung: Ausprägungen des EU-Skeptizismus ............................................................................ 6 2. Populismus und EU-Skeptizismus .................................................................................................... 7 2.1 Definition Populismus ................................................................................................................. 8 2.2 Rechtspopulismus ..................................................................................................................... 10 2.3 EU-Skeptizismus ....................................................................................................................... 11 2.3.1 Positionen und Inhalte des EU-Skeptizismus .................................................................. 11 2.3.2 EU-Skeptizismus und Rechtspopulismus ........................................................................ 13 2.3.3 Modelle des EU-Skeptizismus .......................................................................................... 14 3. Methodisches Vorgehen .................................................................................................................. 15 3.1 Analyse von Diskursen ............................................................................................................. 15 3.2 Auswahl rechtspopulistischer Parteien ................................................................................... 16 3.3 Analysekriterien und Datenauswahl ....................................................................................... 18 4. Untersuchung der EU-skeptischen Diskurse des FN, der FPÖ und der PVV ............................ 19 4.1 EU-Skeptizismus des Front National ...................................................................................... 20 4.2 EU-Skeptizismus der Freiheitlichen Partei Österreichs ........................................................ 31 4.3 EU-Skeptizismus der Partei für die Freiheit .......................................................................... 42 4.4 EU-Skeptizismus des FN, der FPÖ und der PVV im Vergleich............................................ 54 5. Ausblick: EU-Skeptizismus nach 2018........................................................................................... 55 Bibliographie ........................................................................................................................................ 57
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 5 Abkürzungsverzeichnis AfD Alternative für Deutschland EFDD Europa der Freiheit und der Direkten Demokratie EFTA European Free Trade Agreement/Europäische Freihandelsassoziation EFSF Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EG Europäische Gemeinschaften ENF Europa der Nationen und der Freiheit ESM Europäischer Stabilitätsmechanismus EU Europäische Union EZB Europäische Zentralbank FN Front National (Frankreich) FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs FvD Forum voor Democratie/Forum für Demokratie (Niederlande) NATO North Atlantic Treaty Organization/Nordatlantikpakt NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ÖVP Österreichische Volkspartei PESCO Permanent Structured Cooperation/Ständige Strukturierte Zusammenarbeit PS Parti Socialiste/Sozialistische Partei (Frankreich) PVV Partij voor de Vrijheid/Partei für die Freiheit (Niederlande) SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs UKIP United Kingdom Independence Party (Vereinigtes Königreich) VVD Volkspartij voor Vrijheid en Democratie/Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Niederlande)
6 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne 1. Einleitung: Ausprägungen des EU-Skeptizismus „Ich möchte Ihnen allen versichern, dass wir auch auf dieses [...] Szenario vorbereitet sind. Wie Sie wissen, ist die EU nicht nur ein Schönwetterprojekt“ (Tusk 2016). Mit diesen Worten kommentierte Ratspräsident Donald Tusk in einer Presseerklärung das Ergebnis des Referendums vom 23. Juni 2016 über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU). In seiner Aussage nimmt Tusk Bezug da- rauf, dass die lange Geschichte der europäischen Integration neben großen Fortschritten stets auch durch Rückschläge und Umwege gekennzeichnet war. Wie etwa beim gescheiterten Verfassungsvertrag von 2005 bewies die EU in der Vergangenheit durchaus, dass sie mit Einschnitten in den Integrationsprozess umzu- gehen weiß. Dennoch stellt die Entscheidung des britischen Volkes von 2016 eine neue Dimension des Skeptizismus gegenüber der EU dar, wie sie in dieser drastischen Ausprägung bis dato nicht vorhanden und kaum vorstellbar war. Nach Jahren der stetigen Erweiterung und Vertiefung des europäischen Integrations- prozesses markiert der Brexit den ersten drastischen Einschnitt und die Abwendung von dieser Entwick- lung. Die Entscheidung lässt sich in den breiteren Kontext eines EU-skeptischen Diskurses einordnen, der sich in den vergangenen Jahren in fast allen der 28 Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Ausprägungen etabliert hat. Unabhängig von den Ereignissen in Großbritannien konnten EU-skeptische Parteien zuletzt vermehrt Er- folge bei nationalen und europäischen Wahlen erzielen; eine Entwicklung, die jüngst durch ein ebenso gutes Abschneiden EU-skeptischer Parteien bei den Wahlen in Frankreich, Österreich, Deutschland, den Nieder- landen oder in Italien bestätigt wurde. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Zeit der allgemeinen und stillschweigenden Zustimmung zur europäischen Integration, die Phase des sogenannten permissive con- sensus (Lindberg u. Scheingold 1970, S. 277) vorbei ist und der Integrationsdiskurs heute zunehmend von skeptischen Positionen gegenüber der EU bestimmt wird. In der vorliegenden Arbeit werden diese EU-skeptischen Einstellungen genauer untersucht. Der Fokus der Analyse liegt dabei auf den Ausprägungen des EU-Skeptizismus rechtspopulistischer Parteien, da für diese, wie im weiteren Verlauf der Arbeit deutlich gemacht wird, EU-Skeptizismus meist eines der zentralen po- litischen Themen ist. Die empirische Betrachtung rechtspopulistischer Parteien in Europa verdeutlicht je- doch auch, dass nicht alle Parteien in gleichem Maße eine EU-skeptische Position einnehmen, sondern dass die Ausprägungen zwischen Parteien und Mitgliedstaaten variieren. Diese Unterschiede in den EU-skepti- schen Ausprägungen werden im Folgenden genauer untersucht, weshalb die Forschungsfrage der vorlie- genden Arbeit folgendermaßen lautet: Welche Ausprägungen nimmt der EU-Skeptizismus ausgewählter rechtspopulistischer Parteien an? Ziel dieser Arbeit ist es, den EU-skeptischen Diskurs von drei ausgewähl- ten, rechtspopulistischen Parteien in Europa zu untersuchen, um die Kernargumente des EU-Skeptizismus herauszuarbeiten und den Diskurs zu dekonstruieren. Mithilfe eines Kriterienkatalogs soll der EU-Skepti- zismus der Parteien bestimmt und eine Vergleichbarkeit ermöglicht werden. Dabei wird gezeigt, dass sich die EU-skeptischen Argumente der Parteien stark ähneln und dass sich ihre Einstellungen gegenüber der EU abhängig von politischen Ereignissen und aus wahltaktischen Gründen verändern. In der wissenschaftlichen Literatur wird der EU-Skeptizismus bereits seit mehr als 30 Jahren untersucht, wobei vor allem theoretisch-methodische Einordnungen einen zentralen Aspekt des wissenschaftlichen Diskurses bilden. Hierbei ist insbesondere die Arbeit von Taggart und Szczerbiak (2008) zu nennen, die als
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 7 Modellgrundlage der vorliegenden Arbeit herangezogen wird. Weiterhin beschäftigen sich wissenschaftli- che AutorInnen mit der Zunahme EU-skeptischer Positionen in den politischen Systemen Europas1, der Rolle EU-skeptischer Parteien auf europäischer Ebene2, den Ursprüngen des EU-Skeptizismus3 sowie EU- skeptischen Strömungen in einzelnen Ländern.4 Wenngleich in der Literatur häufig von EU-skeptischen Parteien und Einstellungen gesprochen wird, gehen die AutorInnen nur selten im Detail auf die tatsächli- chen Inhalte der Parteien ein. In der vorliegenden Arbeit werden daher die EU-skeptischen Aussagen aus- gewählter rechtspopulistischer Parteien und ihrer VertreterInnen über einen definierten Zeitraum hinweg untersucht, um so die Positionen gegenüber der EU herauszuarbeiten, mögliche Änderungen dieser Positi- onen festzustellen und diese miteinander zu vergleichen. Hierfür werden im folgenden Kapitel zunächst die theoretischen Grundlagen für die spätere Arbeit gelegt, indem die politischen Phänomene des Populismus und Rechtspopulismus theoretisch definiert werden. Weiterhin soll herausgearbeitet werden, was unter dem Begriff EU-Skeptizismus zu verstehen ist und wel- che wissenschaftlichen Modelle existieren, um die EU-skeptischen Einstellungen von Parteien zu messen und zu vergleichen. Im anschließenden Kapitel werden die methodischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit gelegt. Die Untersuchungen werden mittels einer Diskursanalyse durchgeführt, welche den Diskurs des EU-Skeptizismus rechtspopulistischer Parteien durch die Betrachtung von Primär- sowie Sekundär- quellen über einen vorgegebenen Zeitraum wiedergibt und dekonstruiert. Auf dem most similar systems design basierend werden drei rechtspopulistische Parteien aus drei unterschiedlichen europäischen Ländern ausgewählt, die als Fallbeispiele für die Diskursanalyse herangezogen werden. Für die Analyse und De- konstruktion des Diskurses werden aus der Theorie abgeleitete Analysekriterien eingeführt, anhand derer sich der EU-Skeptizismus-Diskurs untersuchen lässt. Im Anschluss an die Diskursanalyse der drei Fallbei- spiele soll ein Vergleich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Untersuchungsobjekte darstellen. Schließlich wird im letzten Kapitel der Arbeit ein Ausblick auf die Zukunft des EU-Skeptizismus gewagt und eingeordnet, inwieweit aktuelle politische Ereignisse wie etwa der Brexit einen Einfluss auf die Rolle EU-skeptischer Parteien in den kommenden Jahren haben könnten. 2. Populismus und EU-Skeptizismus Im folgenden Kapitel werden die Grundlagen für die spätere Analyse der Fallbeispiele geschaffen, indem Merkmale des Phänomens des Populismus sowie die spezifischen Elemente des Rechtspopulismus erläutert werden. Weiterhin soll der Begriff des EU-Skeptizismus definiert sowie unterschiedliche wissenschaftliche Modelle hierzu vorgestellt werden, anhand derer die qualitative Untersuchung der empirischen Fälle erfol- gen kann. 1 Siehe hierzu etwa Brack u. Startin (2015), Leconte (2015), Sitter (2003), Usherwood u. Startin (2013). 2 Siehe hierzu etwa Brack (2013), Brack (2015), Nielsen u. Franklin (2017). 3 Siehe hierzu etwa Hooghe u. Marks (2007), Klein (2016), de Wilde u. Trenz (2012). 4 Siehe hierzu etwa Skinner (2013), Reungoat (2018), Whitaker (2018).
8 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne 2.1 Definition Populismus Der Begriff des Populismus scheint omnipräsent und wird von Mudde und Kaltwasser als einer der am häufigsten, mitunter falsch verwendeten Begriffe innerhalb und außerhalb der Wissenschaft beschrieben (2012, S. 1). Der Mangel einer semantisch präzisen Definition sowie die inhaltliche Ambiguität des Termi- nus führen dazu, dass unterschiedliche Phänomene den Titel Populismus verliehen bekommen (Skendero- vic 2017, S. 41). Populismus wird gleichermaßen verwendet, um linke PräsidentInnen in Lateinamerika sowie linke und rechte PolitikerInnen in Europa und den USA zu charakterisieren (Mudde u. Kaltwasser 2017, S. 1). Daher wird Populismus unter anderem als anpassungsfähiges „Chamäleon“ (Priester 2012) oder „empty hearted“ (Taggart 2000, S. 2) charakterisiert. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung zeigt, dass trotz der inhaltlichen Ambivalenz wiederkehrende Merkmale existieren, die eine Definition des wand- lungsfähigen Phänomens ermöglichen. Von der Begriffsherkunft des Wortes lässt sich bereits auf eines der zentralen Elemente des Populismus – das Volk – schließen (Wolf 2017, S. 3). Zu den zentralen Konzepten des Populismus zählen neben dem des Volkes außerdem die Elite und der allgemeine Wille des Volkes (Mudde u. Kaltwasser 2017, S. 9). Der Volksbegriff des Populismus ist konstruiert und stellt eine verein- fachte Form der Realität dar, mit einem Volk, das sich durch eine vermeintlich homogene Erscheinungs- form kennzeichnet. Die existierenden Klassen-, Bildungs- und daraus resultierenden Interessensunter- schiede werden zugunsten eines vermeintlichen Meinungs- und Interessenskonsens negiert (Spier 2006, S. 37). Ferner wird der Volksbegriff romantisiert – das Volk zeichnet sich durch Tugenden wie Fleiß, Anständig- keit sowie politische Mündigkeit aus (Wolf 2017, S. 10) und wird als schweigende Mehrheit stilisiert, die nun von PopulistInnen vertreten werden soll (Taggart 2000, S. 94; Frölich-Steffen 2006, S. 146). Dies erleichtert die moralische Abgrenzung zwischen dem „reinen Volk“ und der dämonisierten „korrupten Elite“ (Mudde 2014, S. 17; Taggart 2000, S. 94; Mudde u. Kaltwasser 2017, S. 11), die im Populismus als „das Andere“ (Torre 2015, S. 1) konstruiert wird, und deren Eigenschaften den positiven Tugenden des Volkes gegenüberstehen. Die Feindbilder populistischer Gruppierungen variieren abhängig von ihrer ideo- logischen Ausrichtung – inhärent ist dem Populismus jedoch das Feindbild der Elite und des Establish- ments. Zur Elite zählen Personen, die Führungspositionen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Medien und Kunst innehalten – jedoch niemals die PopulistInnen selbst (Mudde u. Kaltwasser 2017, S. 12). Damit einher gehen Vorstellungen wie die einer sich nicht für die Interessen des Volkes einsetzenden Elite oder einer gezielt gegen nationale Interessen der Mitgliedstaaten handelnden EU (vgl. dazu Kap. 2.3.1). Mit der Elitenkritik und der Vorstellung eines homogenen Volkes geht auch das dritte zentrale Element des Populismus einher: das Volk als Souverän. Das Volk soll mittels direkter Demokratie ohne institutionelle und konstitutionelle Begrenzungen herrschen (Mudde 2004, S. 561). Diese Idee wird als positiv präsentiert, da direkte Demokratie ohne die Übertragung von Macht funktioniert (Priester 2012, S. 59). Der repräsen- tativen, von etablierten Parteien „okkupierte[n] Demokratie“ (Priester 2008, S. 20) wird zum einen eine zu starke Distanzierung und zum anderen eine Bevormundung der WählerInnen durch „Experten und Tech- nokraten“ (Priester 2008, S. 20) vorgeworfen. Das Propagieren einer direkten Demokratie wird jedoch durch WissenschaftlerInnen kritisiert, da PopulistInnen für sich beanspruchen, den „authentischen Volks-
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 9 willen“ durch ihre eigene Herkunft und Nähe zum Volk bereits zu kennen (Priester 2012, S. 60). Die Vor- stellung homogener korrupter Eliten einerseits und eines homogenen Volkswillen andererseits wird gegen „die Heterogenität de[s] realen Meinungs- und Willensbildungsprozesses mit ihren mannigfaltigen Interes- sengegensätzen in Stellung gebracht“ (Rensmann 2006, S. 73). Demokratie wird auf einen vermeintlich existierenden – in einer repräsentativen Demokratie jedoch nicht erkennbaren – genuinen Volkswillen be- schränkt (Priester 2008, S. 30; Mény u. Surel 2002, S. 9), eine Simplifizierung, die dem Gegenteil einer pluralistischen Demokratie entspricht; der Alleinvertretungsanspruch des „einzig wahren Volk[es]“ (Müller 2016, S. 42) ist illiberal und antipluralistisch (Frölich-Steffen 2006, S. 146; Wolf 2017, S. 11). Die Kom- bination aus Elitenkritik, Antipluralismus und dem Alleinvertretungsanspruch, kennzeichnen den Populis- mus maßgeblich (Müller 2016, S. 44). Der Politikstil von PopulistInnen kann daher als demagogisch und opportunistisch bezeichnet werden – maßgeblich ist der moralistische, nicht der programmatische Diskurs (Mudde 2004, S. 542). Als zentrale Themen derzeitiger europäischer populistischer Bewegungen gelten neben Antiamerikanis- mus, EU-Skeptizismus, Globalisierungskritik und Migration der befürchtete Identitäts- und Souveränitäts- verlust durch die „Eliten“ des betreffenden Staates (Rensmann 2006, S. 77). Neben dem Feindbild der Elite zählt insbesondere in neueren populistischen Bewegungen auch das der fortschrittlich Denkenden („pro- gressives“) und der sich politisch korrekt Ausdrückenden („politically correct“) zum populistischen Diskurs (Mudde 2004, S. 561). Müller betont jedoch, dass Populismus nicht anhand soziologischer Kriterien oder bestimmter Themen wie Globalisierungs- und Modernisierungskritik festzumachen sei, sondern der Allein- vertretungsanspruch das bestimmende Merkmal des Phänomens ist (2016, S. 20, 29-30.). Populismus wurde in der Vergangenheit schon als Werkzeug von Fortschrittlichen, Reaktionären, Demo- kratInnen, AutokratInnen, der politischen Linken und der politischen Rechten genutzt (Taggart 2000, S. 3). Aufgrund der unterschiedlichen Nutzung populistischer Strategien wird Populismus als dünne Ideologie (thin-centered ideology) (Freeden 1998, S. 750) verstanden (Priester 2012, S. 12; Mudde 2014, S. 17; Pries- ter 2016, S. 533; Decker u. Lewandowsky 2017, S. 29; Wolf 2017, S. 7). Diese dünne Ideologie setzt sich lediglich aus den zuvor genannten zentralen Elementen – dem Volk, der Elite und dem allgemeinen Volks- willen – zusammen (Mudde 2004, S. 17). Priester und Mudde argumentieren daher, dass Populismus im Vergleich zu Ideologien wie Sozialismus und Liberalismus keinen substanziellen Kern (Priester 2012, S. 67) beinhaltet, beziehungsweise nicht in gleichem Maße intellektuell ausdifferenziert ist (Mudde 2004, S. 544) und daher zusätzliche Elemente aus anderen ideologischen Traditionen benötigt (Mudde 2004, S. 544; Priester 2016, S. 533). Passend zum ideologischen Kern nutzen PopulistInnen gezielt emotionale Appelle und simplifizierte Rhetorik, wie die oben genannten Dichotomien (Heinisch 2008, S. 67). Außerdem fallen sie durch radikale Lösungsvorschläge und Tabubrüche, die Nutzung von „common sense“-Argumenten sowie die bewusste Provokation von Angst gegenüber konstruierten Feindbildern auf (Rensmann 2006, S. 66). Ferner kennzeichnet sich Populismus durch eine Unterordnung von Ideologie gegenüber Opportunis- mus und politischer Zweckmäßigkeit (Heinisch 2008, S. 67). Diese Beschaffenheit führt zur Aneignung durch rechte sowie linke Ideologien und wird daher verschieden genutzt.
10 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne 2.2 Rechtspopulismus Während Populismus für sich gesehen als eine von Opportunismus geprägte dünne Ideologie zu qualifizie- ren ist, entsteht Rechtspopulismus durch das Hinzutreten spezifisch-programmatischer Positionen zum Po- pulismus (Spier 2010, S. 27; Wolf 2017, S. 12). Beim Populismus handelt es sich – so die Konzeption von Mudde – um nur eines von mindestens drei Kernelementen der rechtspopulistischen Ideologie (2004, S. 543). Neben dem Populismus zeichnet der Nativismus als Kombination von Nationalismus und Fremdenfeind- lichkeit den Rechtspopulismus als zweites Kernelement aus (Mudde 2015, S. 296). Die Abgrenzung ver- läuft hier horizontal mit der Gegenüberstellung des Volkes und „der Anderen“ oder „der Fremden“. Die Vorstellung einer homogenen Gemeinschaft als identitätsstiftendes Ideal ist dabei kein allein dem rechten Populismus inhärentes Phänomen. Doch während der Linkspopulismus den sozialen Status in den Mittel- punkt rückt und die Inklusion der bisher aus dem politischen und sozialen System Ausgeschlossenen ver- folgt, verweist der rechte Populismus auf ein ethnokulturell homogenes Volk und propagiert die Interessen des so definierten Volkes als einzig wahren Volkswillen (Decker u. Lewandowsky 2017, S. 24; Priester 2016, S. 534). Bei den im Sinne der RechtspopulistInnen Fremden handelt es sich nicht nur um Einwande- rInnen und Zugehörige anderer Religionsgemeinschaften, sondern darüber hinaus auch um MigrantInnen zweiter oder dritter Generation und im Land lebende Minderheiten, die eine Gefahr für die nationale und kulturelle Identität des „heartland“ darstellen (Grabow u. Hartleb 2013b, S. 15) und folglich vom Volksbe- griff der RechtspopulistInnen ausgenommen sind (Bauer 2010, S. 8; Wolf 2017, S. 13; Spier 2010, S. 21; Klein 2011, S. 19). Politische und soziale Teilhaberechte stehen daher nur der autochthonen Bevölkerung zu (Priester 2016, S. 546; Spier 2010, S. 24); der Rechtspopulismus kann als exklusiv und xenophob be- zeichnet werden (Grabow u. Hartleb 2013a, S. 15-16; Wolf 2017, S. 14; Spier 2010, S. 25). Schließlich zieht Mudde den Autoritarismus mit seinen rigiden gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen als drittes konstitutives Merkmal des rechten Populismus heran (2015, S. 296). Der Hang des Rechtspopu- lismus zum Autoritarismus wurzelt in dem Glauben an Ordnung als Grundvoraussetzung der Freiheit (Mudde 2007, S. 145) und schlägt sich in den Vorstellungen zur Familienpolitik, der Selbstorganisation, aber insbesondere im bedingungslosen Willen zur Durchsetzung der angestrebten Gesellschaftsordnung durch unnachgiebige Sanktionierung von Verstößen gegen diese nieder, ganz im Sinne einer klassischen law and order-Doktrin (Spier 2010, S. 25). Zu den konkreten Forderungen der RechtspopulistInnen gehören unter anderem die Verschärfung des Strafrechts und die Beschleunigung der Strafverfahren sowie die per- sonelle Aufstockung der polizeilichen Kräfte (Mudde 2015, S. 296; Spier 2010, S. 25). In diesem starken Sicherheitsbedürfnis des rechten Populismus bricht sich insoweit auch das Ideologem des Nativismus Bahn, als der rechte Populismus Kriminalität vor allem als ein Problem der Straffälligkeit „der Fremden“ wahr- nimmt. Nativismus, in seiner Zusammensetzung aus Nationalismus und Xenophobie einerseits und Autoritarismus andererseits, bildet somit den spezifischen ideologischen Unterbau des rechten Populismus. Die Populari- sierung des Begriffs des Rechtspopulismus, aber auch das tatsächlich zunehmende Auftreten rechtspopu- listischer Strömungen haben über die drei klassischen Kernelemente hinaus die Propagierung weiterer We-
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 11 sensmerkmale mit sich gebracht. Dazu gehören vor allem Charakteristika wie Wirtschafts- und Sozialpro- tektionismus sowie EU- und Euroskeptizismus (Wolf 2017, S. 14). Auch der rechtspopulistischen Bewe- gungen eigene Organisations- und Führungsstil wird als erweiterndes Merkmal herangezogen. Hierin kann jedoch nur partiell eine Erweiterung des Begriffs des Rechtspopulismus gesehen werden, da diese zusätzlichen Merkmale jedenfalls in einem der Kernelemente ihre Wurzel finden und als konkrete Ausprägung zu diesen redundant sind. Für den Wirtschafts- und Sozialprotektionismus sowie den EU- Skeptizismus lässt sich daher feststellen, dass sich diese aus der vertikalen und der horizontalen Abgren- zung des Volkes ableiten. Dies gilt auch für den Organisations- und Führungsstil, der nicht zuletzt auf dem für den Rechtspopulismus prävalenten Kernelement des Autoritarismus beruht. 2.3 EU-Skeptizismus Das Phänomen einer kritischen Haltung von PolitikerInnen und Parteien gegenüber der EU wird in der wissenschaftlichen Literatur bereits seit langem diskutiert und untersucht. Hierbei werden häufig Begriffe wie Europaskeptizismus, EU-Feindlichkeit oder Europaphobie synonym verwendet, wenngleich sich diese sowohl auf unterschiedliche räumliche Gebiete als auch auf differenzierte Stufen und Ursachen des Phäno- mens beziehen. Im Sinne einer passenderen Beschreibung wird in der vorliegenden Arbeit daher der Begriff des EU-Skeptizismus verwendet, der das Phänomen präzise auf den räumlichen Bereich der EU beschränkt und somit Unklarheiten und Verwechslungsgefahren mit dem Bereich der Eurozone oder dem gesamten europäischen Kontinent ausschließt. Weiterhin wird der Begriff Skeptizismus als „Catch-all-Begriff“ (Klein u. Tekin 2016, S. 248) verstanden, der unterschiedliche Einstellungen und Motive vereinen soll, die der Ablehnung von BürgerInnen und Parteien gegenüber der EU zu Grunde liegen. Somit umfasst EU- Skeptizismus feindliche, ablehnende und anderweitige Positionen, die sich gegen die Grundsätze der EU richten. Eine spezifischere Begriffsdefinition, die ausschließt, welche Arten von Kritik nicht als EU-Skep- tizismus, sondern als konstruktive Kritik an der EU gewertet werden, soll in Kapitel 2.3.3 folgen, welches sich mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Modellen von EU-Skeptizismus beschäftigt. 2.3.1 Positionen und Inhalte des EU-Skeptizismus Parallel zu den jeweiligen Entwicklungsschritten der europäischen Integration in den zurückliegenden Jahr- zehnten lässt sich auch die Entstehung einer robusteren Opposition gegenüber dem europäischen Projekt feststellen (Klein 2016, S. 283; Taggart 1998, S. 363). Während bis Ende der 1980er Jahre noch vom so- genannten permissive consensus die Rede war, erstarkten EU-skeptische Einstellungen vor allem auf Ebene der Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich (vgl. Taggart u. Szczerbiak 2013, S. 17; Boomgaarden et al. 2011, S. 242; Hooghe u. Marks 2009, S. 5). Heute ist die von EU-skeptischen Parteien und Personen geäußerte Ablehnung gegenüber der EU im Gegensatz zu früheren Zeiten kein in der Öffent- lichkeit tabuisiertes Thema mehr. So gipfelte die Skepsis an der EU beispielsweise in den vermehrten For- derungen nach nationalen EU-Austrittsreferenden (Brack u. Startin 2015, S. 240) und schließlich auch in dem Brexit-Referendum von 2016 (Klein 2016, S. 283). Während viele der geäußerten Positionen von ihren VertreterInnen nur vage formuliert und erläutert werden, kann in Anlehnung an Leconte zwischen vier
12 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne unterschiedlichen Varianten EU-skeptischer Einstellungen unterschieden werden. Diese sollen im Folgen- den kurz vorgestellt werden. Zunächst wäre die Position des zweckmäßigen EU-Skeptizismus (1) zu nennen. Diese zeichnet sich durch Zweifel an den grundlegenden Vorteilen und Gewinnen aus, welche durch die europäische Integration für die Mitgliedstaaten und die Bevölkerung entstehen und kritisiert hierbei vor allem die durch die EU entste- henden Kosten. Insbesondere in der Zeit nach dem Vertrag von Maastricht und während der Gespräche über die Erweiterungen der EU verstärkten sich diese Sichtweisen und kulminierten in vermehrten Forde- rungen, die nationalen Interessen der jeweiligen Mitgliedstaaten wieder in den Fokus der Politik zu rücken (Leconte 2010, S. 46-50). Die zweite Variante, der politische EU-Skeptizismus (2), definiert sich über eine prinzipielle Ablehnung gegenüber supranationalen Elementen der EU. Ausdruck fand diese Einstellung etwa in der Debatte über die Einführung der Unionsbürgerschaft oder den Diskussionen über eine europä- ische Verfassung sowie in der Kritik eines vermeintlichen demokratischen Defizites innerhalb der EU (Leconte 2010, S. 50-57; Skinner 2013, S. 134). Eine weitere Variante des EU-Skeptizismus basiert auf regionalen und nationalen Wertesystemen (3). Hierbei wird die EU als Gefährdung für traditionelle, natio- nale Werte verstanden, etwa bei Themen wie dem Scheidungsrecht, Abtreibungsrechten oder der Rolle und dem Schutz von Minderheiten innerhalb einer Gesellschaft. Sie gründet vor allem auf der Befürchtung, dass der Integrationsprozess sich neben den ursprünglichen Kernbereichen wie dem gemeinsamen Markt auch auf andere Politikbereiche ausbreitet (spill over) und die EU damit einen stärkeren Einfluss auf nationale Werte nimmt. Solche Argumentationsmuster traten etwa bei den Verhandlungen über die EU-Grundrechte- charta in den Vordergrund der EU-SkeptikerInnen (Leconte 2010, S. 57-61). Schließlich finden sich in der letzten Variante, dem kulturellen EU-Skeptizismus (4), alle jene Einstellungen wieder, die besagen, dass Europa als kultureller Raum nicht existiert, da die Menschen in den europäischen Staaten keine gemein- same Geschichte oder gemeinsame politische Kultur besäßen. Das Argument lautet, dass eine europäische Integration, die tiefer als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum geht, keinen Sinn mache. Weiterhin seien die nationalen Werte, Normen und Einstellungen der europäischen Nationen nicht miteinander vereinbar, wes- halb der Versuch einer Integration der europäischen Länder in eine politische und kulturelle Union sogar schädlich für den Erhalt dieser Werte sei. Demnach wird bei dieser Variante des EU-Skeptizismus auch davon ausgegangen, dass es keine gemeinsame europäische politische Identität geben könne und eine Eu- ropäisierung der Nationen zu verhindern sei. Auch ethnisch orientierte und fremdenfeindliche Einstellun- gen können für eine solche Ablehnung gegenüber Europa eine Rolle spielen (Leconte 2010, S. 61-66; Skin- ner 2013, S. 135). Durch das vermehrte Aufkommen von EU-skeptischen Positionen, die sich in vielen EU-Staaten vor allem nach dem Abschluss der Verträge von Maastricht und später von Lissabon deutlich gezeigt haben (Brack u. Startin 2015, S. 241), veränderte sich dort auch die Parteienlandschaft. Es bildeten sich neue Abspaltun- gen oder gänzlich neue Parteien, die die europäische Integration entweder vollständig ablehnen und den Austritt ihres Landes aus der Union fordern, oder aber ihre derzeitige Form – etwa aufgrund einer ihrer Meinung nach zu großen oder zu geringen Inklusion des Bündnisses – als falsch erachten und daher um- fangreiche Reformen des Status quo einfordern (Taggart 1998, S. 365-368). Dabei entstanden zum einen
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 13 völlig neue Ein-Themen-Parteien (single issue parties), welche ihren Fokus ausschließlich auf die Ableh- nung der EU legen und die sich häufig an den Rändern der nationalen Parteiensysteme finden lassen (Tag- gart 1998, S. 368; Szczerbiak u. Taggart 2008, S. 140). Weiterhin entwickelte sich auch ein neuer Typus von Protestparteien, der den EU-Skeptizismus als Ergänzung für eine allgemeine Kritik an der Funktions- weise des politischen Systems ausnutzte. Durch die Übernahme des EU-Skeptizismus vergrößerten Pro- testparteien den Abstand zu etablierten Parteien und gewannen damit zusätzliche Wähler. Außerdem über- nahmen auch bereits etablierte Parteien, die in ihrer Geschichte bereits an Regierungen beteiligt waren, EU- skeptische Positionen und stellen damit einen dritten Typ dieser Art von Parteien dar. Schließlich ist auch die thematisch-inhaltliche Abspaltung einer EU-skeptischen Fraktion innerhalb einer vorhandenen Partei möglich. Hierbei rückt die Fraktion in ihren Ansichten gegenüber der EU von den eigentlichen Positionen ihrer Partei ab und folgt dabei beispielsweise einem prominenten Mitglied der Partei, welches die Fraktion hinter sich vereint. Es bleibt festzuhalten, dass sich EU-skeptische Einstellungen keiner politischen Ideolo- gie explizit zuordnen lassen, sondern vielmehr eine leere Box (empty box) darstellen (vgl. Sitter 2003, S. 240), in der sich für alle Positionen des politischen Links-Rechts-Spektrums Anschlusspunkte finden lassen (Sitter 2003, S. 240; Leconte 2010, S. 4). Auch wenn daher prinzipiell davon ausgegangen werden kann, dass sich EU-skeptische Positionen an beiden Rändern beziehungsweise in der Peripherie der nationalen Parteienspektren entwickeln (Taggart 1998, S. 372; Leconte 2015, S. 252), zeigt die Empirie der EU, dass vor allem Parteien am rechten Rand EU-skeptische Positionen vertreten (vgl. Werts et al. 2012). Im Ein- klang mit der Forschungsfrage und dem Ziel der vorliegenden Arbeit wird daher im Folgenden der Fokus der Untersuchungen auf die Parteiebene des EU-Skeptizismus (party-based), genauer auf die rechtsorien- tierten EU-skeptischen Parteien gelegt. 2.3.2 EU-Skeptizismus und Rechtspopulismus In der wissenschaftlichen Literatur werden EU-Skeptizismus und Rechtspopulismus häufig in einem Atem- zug genannt, obwohl, wie bereits erwähnt, EU-Skeptizismus in der Theorie keine spezielle Ideologie ver- folgt und auch nicht ausschließlich am rechten äußeren Rand des Parteienspektrums zu finden ist. Anleh- nend an die Ausführungen über den Rechtspopulismus in der vorliegenden Arbeit (siehe hierzu Kapitel 2.2) zeigt sich, dass sich die drei Kernelemente des Rechtpopulismus, also Autoritarismus, Nativismus und Po- pulismus (Mudde 2015, S. 296), ebenfalls in EU-skeptischen Positionen wiederfinden. Beispiele hierfür wären etwa das Anprangern des nationalen Souveränitätsverlusts sowie die Ablehnung der Kompetenzab- gabe nach Brüssel (Autoritarismus) (vgl. Hartleb 2005, S. 21), die Kritik an der Einwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten und aus dem EU-Ausland (Nativismus) (vgl. Wolf 2017, S. 16) sowie die vergleichs- weise einfache Sprache, vage formulierte Lösungsansätze, die Anti-Eliten-Einstellung oder das Erzeugen von politischen Feindbildern (Populismus) (vgl. Klein 2016, S. 290). Eine genauere Betrachtung zeigt, dass sich sowohl EU-skeptische als auch rechtspopulistische Parteien in ihren Anfangsstadien durch einen minimalen politisch-inhaltlichen Kern auszeichnen, der ihnen keinen langfristigen politischen Erfolg beschert (Klein 2016, S. 291). Daher eignen sich diese nach einiger Zeit
14 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne häufig weitere politische Inhalte an (Klein 2016, S. 291). Diese Ausweitung der Themenschwerpunkte er- möglicht es den Parteien häufig, weitere Wählerschichten von sich zu überzeugen. Neben dem Vorhanden- sein einer normativen Komponente, welche sich sowohl bei EU-skeptischen als auch bei rechtspopulisti- schen Parteien finden lässt (Leconte 2010, S. 4), ähneln sich beide ebenfalls in ihrer Ablehnung von gesell- schaftlichen und politischen Eliten sowie der Angst vor einem Verlust der nationalen Identität (Hartleb 2005, S. 25-27). Ebenso ähneln sich auch rhetorische Muster, wie etwa der historisch orientierte Ruf nach der Rückkehr zu dem sogenannten „heartland“ (Taggart 1997, S. 16), also der Wiederherstellung einer glorifizierten, besseren Situation und Position eines Landes, beispielsweise der Zeit vor dessen EU-Beitritt. Auch die bereits erwähnte künstliche Herstellung von Feindbildern und das Zuspitzen dieser Positionen sind Aspekte, in denen sich beide Phänomene sehr ähneln. Die Vielzahl der Parallelen zeigt, dass rechtspopulistische Parteien in Europa mit großer Wahrscheinlich- keit auch EU-skeptische Positionen vertreten. Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird häufig argu- mentiert, dass EU-SkeptikerInnen dazu tendieren, rechtspopulistisch zu sein, wohingegen PopulistInnen nicht unbedingt EU-skeptische Positionen einnehmen müssen (Kaniok u. Havlík 2016, S. 31). Die politi- sche Empirie in der EU zeigt jedenfalls, dass EU-Skeptizismus in allen rechtspopulistischen Parteien der EU des 21. Jahrhunderts prävalent ist (vgl. Vasilopoulou 2018b; Henley 2014). Der EU-Skeptizismus baut auf den schon bestehenden Argumentationsmustern auf und erweitert die inhaltliche Bandbreite der rechts- populistischen Parteien, was deren Erfolgsaussichten bei nationalen und europäischen Wahlen verbessert. 2.3.3 Modelle des EU-Skeptizismus Eine erste begriffliche Einordnung des Phänomens EU-Skeptizismus erfolgte durch Taggart (1998) in sei- nem Aufsatz „A touchstone of dissent: Euroscepticism in contemporary Western European party systems“, in dem er den parteilichen EU-Skeptizismus in Westeuropa untersucht und die Grundlagen für eine kon- zeptionelle Darstellung entwickelt. Darin betrachtet er die Zusammenhänge zwischen der ideologischen Verortung von Parteien in ihren jeweiligen nationalen Parteiensystemen und ihren europapolitischen Ein- stellungen. Bereits in dieser Analyse definiert Taggart EU-Skeptizismus als qualifizierte (contingent or qualified) und unqualifizierte (outright and unqualified) Kritik am europäischen Integrationsprozess (Tag- gart 1998, S. 366). Mit Blick auf die damals bevorstehende Osterweiterung spezifizierte Taggart in Zusam- menarbeit mit Aleks Szczerbiak diese Definition, indem sie abhängig von der Ausprägung erstmalig zwi- schen zwei Formen des EU-Skeptizismus, dem harten und dem weichen („hard/soft“), differenzieren (2002, S. 4). Aufgrund der politikwissenschaftlichen Debatte um die Konzeptualisierung des EU-Skeptizismus, die maßgeblich durch Kritikpunkte von Kopecký und Mudde weiterentwickelt wurde, präzisieren Taggart und Szczerbiak 2009 die Unterscheidung zwischen hartem und weichem EU-Skeptizismus wie folgt. Harter EU-Skeptizismus wird nun definiert als: „[…] a principled opposition to the EU and European integration [that] therefore can be seen in parties who think that their countries should withdraw from membership, or whose policies towards the EU are tantamount to being opposed to the whole project of European integration as it is currently conceived“ (Taggart u. Szczerbiak 2008, S. 2).
Eine Diskursanalyse des EU-Skeptizismus 15 Weicher EU-Skeptizismus wird hingegen verstanden als: „[…] not a principled objection to European integration or EU membership but where concerns on one (or a number) of policy areas leads [sic!] to the expression of qualified opposition to the EU, or where there is a sense that ‘national interest’ is currently at odds with the EU trajectory” (Taggart u. Szczerbiak 2008, S. 2). EU-Skeptizismus sollte vorrangig anhand der Unterstützung oder Ablehnung des Projekts der europäischen Integration sowie anhand der Einstellung gegenüber einer Ausweitung der EU-Kompetenzen gemessen werden (Taggart u. Szczerbiak 2003, S. 7). Er sollte sich dementsprechend primär auf die grundlegende parteiideologische Haltung gegenüber dem Integrationsprozess und nur sekundär auf die möglicherweise opportunistischen Haltungen gegenüber der Mitgliedschaft eines Staates in der EU beziehen. Taggart und Szczerbiak definieren außerdem, welche Formen der Kritik zu keiner der beiden Formen des EU-Skeptizismus zählen und reagieren damit auf den Vorwurf Kopeckýs und Muddes, insbesondere beim weichen EU-Skeptizismus mit allzu umfassenden Begrifflichkeiten zu arbeiten (Taggart u. Szczerbiak 2003, S. 12). Kritik an der EU aufgrund mangelnder Berücksichtigung nationaler Interessen sowie die Kri- tik bestimmter EU-Bereiche soll danach ebenso wenig als EU-Skeptizismus gewertet werden wie die Ab- lehnung einer EU-Erweiterung oder der Vorwurf einer unzureichenden Integration und undemokratischer Strukturen (Taggart u. Szczerbiak 2003, S. 13-17). Einzeln auftretend wird diese Kritik nicht als weicher EU-Skeptizismus gewertet, kumulativ und in Kombination mit einer Ablehnung der Kompetenzerweite- rung sowie dem supranationalen Charakter der EU zählen diese Kritikpunkte jedoch zum weichen EU- Skeptizismus. 3. Methodisches Vorgehen Nachdem im vorangegangenen Kapitel die grundlegenden Konzepte und Argumentationsmuster von rechtspopulistischen, EU-skeptischen Parteien beschrieben und unterschiedliche Modelle für eine Analyse und Klassifizierung solcher Parteien vorgestellt wurden, soll in diesem Kapitel erläutert werden, mit wel- chem methodischen Vorgehen ausgewählte rechtspopulistische Parteien in Bezug auf ihren EU-Skeptizis- mus untersucht werden können. Hierfür wird im Folgenden zunächst die Methode der Diskursanalyse vor- gestellt, welche in der vorliegenden Arbeit angewendet werden soll. Ferner wird der Kriterienkatalog vor- gestellt, anhand dessen die Fallauswahl der drei zu untersuchenden EU-skeptischen Parteien begründet wird. Im letzten Teil dieses Kapitels werden schließlich Analysekriterien vorgestellt, die Aufschluss über die Ausprägungen des EU-Skeptizismus der Fallbeispiele geben können. 3.1 Analyse von Diskursen Wie im vorherigen Kapitel bereits angedeutet, verbreitet sich der EU-Skeptizismus rechtspopulistischer Parteien in der EU vor allem mit Hilfe diskursiver Strömungen, beispielsweise über Reden, Parteipro- gramme, Interviews und mittels diverser anderer Medienformate. Aufgrund dieser besonderen Rolle der Rhetorik bietet es sich an, für die Untersuchung der Ausprägungen des EU-Skeptizismus auf eine Methode
16 B. Ergen, S. Krause, J. Rinne zurückzugreifen, welche diese Muster erfassen und mit unterschiedlichen diskursiven Quellen offen umge- hen kann. Für die Analyse der Fallbeispiele soll in der vorliegenden Arbeit daher die Methode der Dis- kursanalyse verwendet werden. Grundannahme ist, dass die wahrgenommene Realität nicht objektiv gege- ben, sondern das Ergebnis eines Diskurses ist, welcher von Individuen gelenkt und gestaltet werden kann (vgl. Behnke et al. 2010, S. 351). Der Begriff Diskurs wird hierbei als wissenschaftliches Konstrukt ver- standen, unter dem singuläre, das heißt zeitlich und räumlich verstreute Äußerungen in einen übergeordne- ten Zusammenhang gesetzt werden, welcher einer bestimmten Regel oder Struktur unterliegt und als Such- hypothese für die Inhalte des Datenkorpus dient. Dessen Zusammenstellung orientiert sich an dem jeweili- gen wissenschaftlichen Untersuchungsziel, im Fall der vorliegenden Arbeit also an den Ausprägungen des EU-Skeptizismus rechtspopulistischer Parteien. Dabei können unterschiedliche Arten von Daten erfasst werden, beispielsweise Reden, Zeitungsartikel oder Sekundärliteratur, solange bei der Auswahl auf eine übergeordnete Zusammengehörigkeit – im Hinblick auf die Fragestellung – und Relevanz der Daten ge- achtet wird (Keller 2011, S. 83). Nachdem ein für die Beantwortung der Forschungsfrage ausreichender Datenkorpus – dieser kann auch noch während der Analyse erweitert werden – zusammengestellt wurde, beginnt die Untersuchung der aus- gewählten Daten. Dabei ist festzuhalten, dass sich die Methode der Diskursanalyse nicht durch eine spezi- fische wissenschaftliche Technik oder Vorgehensweise auszeichnet, sondern vielmehr in Abhängigkeit von den jeweiligen Untersuchungsgegenständen und der Forschungsfrage an die spezifischen forschungsprag- matischen Umstände der Arbeit anzupassen ist und sich daher einer offenen Forschungslogik bedient (Behnke et al. 2010, S. 352; Breidenstein et al. 2013, S. 111). Für die vorliegende Arbeit soll diese Analyse in einer dreistufigen Form erfolgen. Dabei werden in einem ersten Schritt die ausgewählten Daten struktu- riert und in dem Kontext des Untersuchungsgegenstandes verortet, um sie für die spätere Analyse aufzube- reiten. Durch das Zusammenfassen von einzelnen Textbausteinen zu übergeordneten Kategorien werden die Inhalte des Datenkorpus anschließend verdichtet, um die wesentlichen Aussagen zu komprimieren und isolieren. Diese Feinanalyse dient dazu, den Diskurs thematisch zu gliedern und somit die wesentlichen Argumentationsmuster herauszuarbeiten. Im letzten Schritt der Analyse werden diese inhaltlichen Katego- rien genutzt, um die empirisch gewonnenen Daten mit den theoretischen Grundlagen der Arbeit zu ver- knüpfen und damit den Diskurs zu rekonstruieren. Auf Basis dieser Zusammenführung des theoretischen Wissens und der gegliederten Aussagen des Diskurses soll schließlich die Forschungsfrage beantwortet werden (Keller 2011, S. 97-100). Dabei bleibt anzumerken, dass auch ForscherInnen selbst immer Teil des untersuchten Diskurses bleiben und daher stark kontextgebunden arbeiten, weshalb die durchgeführte Re- konstruktion immer nur eine mögliche Deutung des objektiven Diskurses darstellt (Behnke et al. 2010, S. 352). 3.2 Auswahl rechtspopulistischer Parteien Da in der vorliegenden Arbeit die Ausprägungen des EU-Skeptizismus rechtspopulistischer Parteien unter- sucht und verglichen werden sollen, muss vor der eigentlichen Analyse eine Auswahl an Fällen getroffen werden, anhand derer diese Untersuchung erfolgen kann. Kriterium für die Auswahl der Parteien ist dabei
Sie können auch lesen