Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung

 
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historisch-politische bildung
Themendossiers zur Didaktik von Geschichte,
Sozialkunde und Politischer Bildung

Politische Parteien
in Österreich
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Impressum

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historisch-politische bildung                                  Redaktion dieser Nummer
Themendossiers zur Didaktik von Geschichte,                    Alois Ecker, Klaus Edel, Bettina Paireder, Harald Ruiss,
Sozialkunde und Politischer Bildung                            Hanna-Maria Suschnig
N° 4, 2011
                                                               Gestaltungskonzept
Edition Fachdidaktikzentrum Geschichte und Politische          Vinzenz Luger, www.vinzenz-luger.com
Bildung                                                        Katharina Ralser, www.katharinaralser.at

Herausgegeben vom Fachdidaktikzentrum für Geschichte,          Gestaltung
Sozialkunde und Politische Bildung der Universität Wien.       Marianne Oppel, Weitra

Herausgeber/innen                                              Cover
Robert Beier, Alois Ecker, Klaus Edel, Andrea Ennagi,          © Katharina Ralser, www.katharinaralser.at; vga
Harald Ruiss, Hanna-Maria Suschnig
alle: Fachdidaktikzentrum für Geschichte, Sozialkunde und      Online-Version
Politische Bildung der Universität Wien                        www.didactics.eu/index.php?id=1626
Berggasse 7, 1090 Wien
T: +43-1-4277-40012, F: +43-1-4277-40014                       Anmerkung der Herausgeber/innen
fdzgeschichte@univie.ac.at                                     Die Texte, Unterrichtsmaterialien und Kopiervorlagen
http://fdzgeschichte.univie.ac.at                              wurden von den Autor/innen in Eigenverantwortung erar-
                                                               beitet und spiegeln deren persönliche Grundhaltungen und
Wissenschaftlicher Beirat                                      didaktische Zugänge wider.
G. Diendorfer, I. Ecker, P. Dusek, A. Germ, G. Heiß,
T. Hellmuth, P. Hladschik, A. Ivanisevic, O. Rathkolb,
H. Sickinger, A. Sperl, B. Steininger, S. Tillinger-Deutsch,
C. Vielhaber, B. Wenin­ger, F. Wenninger

Vertrieb & Bestellung für Lehrkräfte
Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule
Helferstorferstraße 5, 1010 Wien
service@politik-lernen.at                                      Die wissenschaftliche Vorarbeit zur vorliegenden Broschüre
www.politik-lernen.at                                          wurde aus den Mitteln des BMUKK finanziert.

                                                               ISBN 978-3-902783-03-5

2   No 4 / 2011
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

4	Editorial                                                         Politische Plakate
7	Hinweise zur                                                51    Fachwissenschaftlicher Teil
	Umsetzung im Unterricht
                                                              51 1. Das Plakat als (zeit-)historische Quelle

     Politische Parteien in Österreich                        55 2. Wahlplakate im Wandel der Zeit

9    Fachwissenschaftlicher Teil                              57 Literatur

9    1. Hauptsächliche Funktionen politischer Parteien        59    Fachdidaktischer Teil
10 2. Geschichte des österreichischen Parteiensystems         59 1. Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung
                                                                 didaktischer Szenarien
14 3. Parteiorganisationen
                                                              59 2. Implementierung des Kompetenzmodells
15 4. Die Wähler/innen
                                                              59 3. Lernziele
17 Literatur
                                                              59 4. Lehrplanbezug
18	Anhang
                                                              61 Unterrichtsbeispiele
21   Fachdidaktischer Teil                                    61 Plakatanalyse
                                                              62 Plakate richtig deuten können
21 1. Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung                  64 Politische Parteien in der Ersten Republik und ihre
   didaktischer Szenarien                                        Rezeption in Wahlplakaten
                                                              66 Standorte von Wahlplakaten bei Nationalrats-/Landtags-
21 2. Implementierung des Kompetenzmodells                       wahlen inklusive Feldforschung
                                                              68 Alternative Formen von Wahlwerbung
21 3. Lernziele                                               70 Plakate analysieren – Geschichte verstehen

22 4. Lehrplanbezug                                           73 Material
                                                                 Kopiervorlagen und Lösungsvorschläge
23	Unterrichtsbeispiele
23 Tagesablauf eines Abgeordneten                             94 Literatur
24 Österreichische Parteien der Gegenwart und
   ihre Grundhaltungen zu aktuellen Themen                    95	Autor/innen
26 Vergleich der Eigen- und Fremdwahrnehmung
   von Parteien                                               97    Glossar
28 Internet- und Web 2.0-Auftritte der politischen Parteien
   für Jugendliche                                            99    Tabellen und Grafiken
30 Der Wahlkampf der Parteien im Internet
31 Migration im Spiegel der Politik                           100   Bildquellen
33 Material
   Kopiervorlagen und Lösungsvorschläge

                                                                                                               No 4 / 2011   3
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Editorial

EDITORIAL

Laut einer am 21.1.2011 veröffentlichten Sonntagsfrage des                der Autor mit den historischen Wurzeln und den Organi-
Instituts für Markt- und Sozialanalysen IMAS lagen SPÖ,                   sationsstrukturen der österreichischen Parteien. (Vgl. Ecker, Edel
ÖVP und FPÖ nahezu gleichauf (26%, bzw. je 25%). Die                      und Suschnig 2010, 6) Ein Abschnitt befasst sich mit den Wähler/
Grünen konnten sich von 10,4 auf 13% leicht verbessern,                   innen und ihrer Bindung an bestimmte Parteien und dem
während das BZÖ von 10,7 auf 8% in der Umfrage gesunken                   Wandel in Struktur und Wahlverhalten, wie er seit den 80er-
ist. (Vgl. DiePresse.com 2011; IMAS 2011) Damit hat der Erosionspro-      Jahren des 20. Jahrhunderts feststellbar ist.
zess der Großparteien und das gleichzeitige Wachstum des
dritten (nationalen) Lagers (FPÖ) eine neue Phase erreicht,               In einer von Spiegel Online veröffentlichten Umfrage vom
denn statt zwei Großparteien und einer Kleinpartei exis-                  Jänner 2008 wird bereits die steigende Bedeutung des Inter-
tieren nun nur mehr drei mittelgroße Parteien. Dabei war                  nets gegenüber traditionellen Informationskanälen sichtbar,
die österreichische Parteienlandschaft nach 1945 jahrzehn-                (Vgl. Patalong 2008) wobei dies besonders bei den 18–29-Jähri-
telang relativ stabil. ÖVP und SPÖ behaupteten bis gegen                  gen deutlich wird. Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008
Ende der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts einen Wähler/in-                 nutzte Barack Obama ganz wesentlich das Internet und Web
nenanteil von mehr als 40%, wobei die SPÖ 1979 mit 51%,                   2.0-Tools und konnte sich damit über seine Mitbewerber/
die ÖVP 1945 mit 49,8% jeweils ihr Maximum in der Wäh-                    innen in der Vorwahl und seinen Gegenkandidaten einen
ler/innengunst erzielten. (Vgl. IMAS 2011, Tab. 1a)                       für das Wahlergebnis wesentlichen Vorsprung sichern. (Vgl.
                                                                          Talbot 2008)
     Das dritte, nationale Lager (VdU), das erstmals 1949 bei             Besonders beeindruckend war, wie Obama auf Facebook bei
Wahlen zugelassen wurde, erreichte 11,7%. (Vgl. IMAS 2011, Tab.           der Zahl der Unterstützer/innen überlegen gegen McCaine
1a; Pelinka 1988, 37) Die daraus nach dem Abzug der Alliierten            in Führung lag. (Vgl. Patalong 11.02.2008) Im österreichischen Na-
1956 hervorgegangene FPÖ erreichte bei den Nationalrats-                  tionalratswahlkampf von 2008 verlegten sich die einzelnen
wahlen zwischen 6,5% (1956) und 9,7% (1986), wobei das                    Parteien ebenfalls auf das Internet und Web 2.0, doch fällt
absolute Tief 1983 bei 5% lag. Erst der Kurswechsel zu einer              die Analyse der Tools und Aktivitäten nicht sehr schmei-
rechtspopulistischen Politik unter dem neuen Obmann Jörg                  chelhaft aus, Interaktivität wurde fast nicht genutzt. (Vgl. Zeger
Haider brachte den deutlichen Stimmenzuwachs auf das                      2008)
bisherige Maximum von 26,9% (1999). Die Koalition mit
der ÖVP (2000–2006) offenbarte das Dilemma von popu-                      Schüler/innen sind auch in der 8. Schulstufe in hohem Maß
listischen Forderungen und realpolitischen Sachzwängen                    mit Web 2.0-Anwendungen vertraut, doch fehlt es ihnen
bzw. führte zur Abspaltung der regierungsorientierten Teile               mitunter an einem reflektierten und kritischen Umgang.
der Partei unter Jörg Haider in Form des BZÖ und damit zu                 (Vgl. Adam 2011) Mit dem Erlass vom 27.10.2010 an die Lan-
einem massiven Rückschlag in der Wähler/innengunst. (Vgl.                 desschulräte bzw. den Stadtschulrat von Wien, „Initiative
Sickinger, id 1534, IMAS 2011, Tab. 1a) Der Tod Jörg Haiders (2008) und   Web 2.0 – soziale IT-Netze sinnvoll nutzen“, möchte das
der politische Aufstieg von Heinz-Christian Strache haben                 Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur diese
die Karten neu gemischt. Das BZÖ hat bis auf Kärnten keine                Situa­tion verbessern. Zielsetzung ist die „Vermittlung von
nennenswerte Basis und hat seither bei allen Regionalwah-                 Me­dienkompetenz und eine Sensibilisierung der Schulpart-
len außer in Kärnten (mit 17 Mandaten stärkste Partei) den                ner“. (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2010) In diesem
Einzug in den Landtag verfehlt, während die FPÖ mit Aus-                  Sinne ist eine Auseinandersetzung der Schüler/innen mit
nahme der Steiermark reüssieren bzw. deutliche Gewinne                    den Internet- bzw. Web 2.0-Präsentationen und Angeboten
verbuchen konnte. (Vgl. Steininger 2010, 17)                              der Parteien ein wichtiger Beitrag dazu.

Diese Entwicklungen und die Erweiterung der Parteien-                     Die Präsenz der österreichischen Parteien im öffentlichen
landschaft in der Zweiten Republik werden im Artikel von                  Raum wird aber weiterhin durch Plakate geprägt. Diese sind
Hubert Sickinger dargestellt. Informationen zur Frage,                    ein Massenmedium, das – in großer Zahl und über einen
was eine Partei kennzeichnet und welche Funktionen sie                    längeren Zeitraum affichiert – möglichst viele Adressat/in-
hat, sind ebenso Bestandteil dieses Beitrags. Im historisch-              nen erreichen soll und damit zu einem Medium mit maxi-
politischen Unterricht wird die „Vergangenheit“ als eine in               maler Reichweite wird. (Vgl. Leonhard 2001, 1771) Plakate sind da-
die Gegenwart und Zukunft nachwirkende Form des kul-                      bei nicht bloß Bilder oder Kunstwerke, sondern sie dienen
turellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen            mit ihren stilistischen Besonderheiten ganz bewusst einem
Handelns begriffen und in diesem Sinne beschäftigt sich                   Zweck. (Vgl. Schneider, 52010, 277) Im Speziellen geht es in dem

4    No 4 / 2011
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Editorial

Artikel von Klaus Edel um politische Plakate, die entweder           Unterrichtsablaufs wird auch in jedem Beispiel eine Mög-
Wahl-, Propaganda- oder sozialkritische Plakate sein kön-            lichkeit der Ertragssicherung und der Rückkoppelung an-
nen.                                                                 geboten. Jedoch wurde in diesem Zusammenhang bewusst
                                                                     auf genaue Vorgaben von Stundenbildern verzichtet, die
Großen Wert legten die Parteien in den letzten Jahren so-            Unterrichtsvorschläge zeigen vielmehr exemplarisch Wege
wohl bei ihrer Innen- wie Außenwirkung auf „corporate                auf, wie die Themenbereiche und Arbeitsaufgaben an die je-
identity“, ein einheitliches wieder erkennbares Design. Im           weilige Zielgruppe angepasst werden können. Dabei wurde
aktuellen Trend ist die Gestaltung von Plakaten Teil eines           großer Wert auf Praxisnähe gelegt. Ein Großteil der Materi-
multimedialen Gesamtkonzepts. Bestimmte Elemente tau-                alien wird auch als Kopiervorlagen (teilweise inklusive Lö-
chen in den verschiedenen Medien immer wieder auf, inno-             sungsblätter) angeboten.
vative werden mit bereits bekannten oder redundanten Ele-
menten verknüpft. Das Plakat dient damit als flankierende            Das vorliegende Heft gliedert sich in zwei thematische Ab-
Unterstützung für andere Werbemittel. (Vgl. Leonhard 2001, 1771f )   schnitte: politische Parteien in Österreich und politische
                                                                     Plakate. In den fachdidaktischen Teilen werden einerseits
                                                                     Anregungen geboten, wie das Thema „politische Parteien“
	Aufbau der Themendossiers                                           im Unterricht umgesetzt werden kann, andererseits werden
                                                                     Vorschläge zur Arbeit mit politischen Plakaten gemacht,
Die Themendossiers werden von interdisziplinär zusam-                bei denen die Schüler/innen erfahren, welche Informatio­
mengesetzten Teams von Wissenschafter/innen und Fach-                nen Wahlplakate liefern, wenn sie als (zeit-)historische
didaktiker/innen nach einem einheitlichen didaktischen               Quelle betrachtet werden. Ebenso gibt es Beispiele zum
Konzept entwickelt. Die Dossiers bieten den Schüler/innen            forschenden Lernen zum Thema „Einsatz von Wahlplaka-
vielfältige Möglichkeiten strukturelles Denken zu entwi-             ten bzw. wie sich Parteien auf ihnen präsentieren“. Ein Teil
ckeln, darüber zu reflektieren und eigenverantwortlich in            der vorliegenden Unterrichtseinheiten wurde im Zuge eines
neuen Situationen erfolgreich anzuwenden. Sie sind theo-             Fachdidaktik-Projektkurses (geleitet von Hubert Sickinger,
rie- und forschungsgeleitet, prozessorientiert, medial un-           Hanna-Maria Suschnig, Sonia Tillinger-Deutsch) von Stu-
terstützt sowie modular einsetzbar von der 8. bis zur 13.            dierenden (René Hanzlik, Andreas Peterseil, Paul Ruhal-
Schulstufe.                                                          tinger, Wolfgang Zeilinger) entworfen und im Unterricht
                                                                     erprobt.
Jedes Dossier besteht aus einer fachwissenschaftlichen und
einer didaktisch-methodischen Einführung in den The-                 Die Redaktion hofft, dass das vorliegende vierte Heft der
menbereich für Lehrer/innen, wobei die Verknüpfung der               Themendossiers eine sinnvolle Bereicherung für die Pla-
jeweiligen historischen Perspektive mit der gegenwärtigen            nung und Durchführung des historisch-politisch bildenden
politischen Situation im Vordergrund steht. Im Anschluss             Unterrichts darstellt. Über Ihre Anregungen und kritischen
daran folgt eine Reihe von konkreten Anregungen zur                  Ergänzungen freut sich die Redaktion (p.A. hanna-maria.
Unterrichtsgestaltung, wie das Thema ausgehend von der               suschnig@univie.ac.at).
Erlebniswelt der Schüler/innen umgesetzt werden kann.
Neben der prozesshaften Beschreibung eines möglichen                 Alois Ecker, Klaus Edel, Hanna-Maria Suschnig

                                                                                                                      No 4 / 2011   5
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Editorial

LITERATUR                                          (22/07/2011)

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in sozialen Netzwerken. Online unter: http://      staates – Aufstieg des Parlamentarismus. Zum
www.informatikserver.at/index.php/component/       Wandel des österreichischen Parteiensystems.
content/article/15/19067-immer-mehr-schueler-      In: Pelinka, Anton; Plasser, Fritz (Hg.) (1988).
in-sozialen-netzwerken (01/07/2011)                Das österreichische Parteiensystem. Studien
                                                   zu Politik und Verwaltung Bd. 22. Wien, Köln,
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und        Graz. 35–52.
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soziale IT-Netze sinnvoll nutzen. Online unter:    Schneider, Gerhard (52010). Das Plakat. In:
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/19754/           Pandel, Hans-Jürgen; Schneider, Gerhard (Hg.)
web_2_0_erlass.pdf (01/07/2011)                    (2010). Handbuch Medien im Geschichtsunter-
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DiePresse.com (Hg.) (2011, 21. Jänner). Um-
frage: FPÖ schafft Anschluss an „Großparteien“.    Sickinger, Hubert. Politische Parteien in Öster-
Online unter: http://diepresse.com/home/poli-      reich. Online unter: http://www.didactics.eu/
tik/innenpolitik/627076/Umfrage_FPOe-schafft-      fileadmin/pdf/Sickinger_Parteien.pdf
Anschluss-an-Grossparteien?from=suche.intern.      (07/12/2011)
portal (10/02/2011)
                                                   Steininger, Barbara (2010). Landtagswahlen und
Ecker, Alois; Edel, Klaus; Suschnig Hanna-         Landtage in Österreich. In: Fachdidaktikzent-
Maria (2010). Orientierung zur historisch-po-      rum für Geschichte, Sozialkunde und Politische
litischen Bildung. In: Fachdidaktikzentrum für     Bildung der Universität Wien (Hg.) (2010).
Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung     Landtagswahlen und Landtage in Österreich.
der Universität Wien (Hg.) (2010). Landtags-       historisch-politische bildung. Themendossiers
wahlen und Landtage in Österreich. historisch-     zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und
politische bildung. Themendossiers zur Didaktik    Politischer Bildung, 2010 (1), Wien. 15–21.
von Geschichte, Sozialkunde und Politischer
Bildung, 2010 (1), Wien. 5–13.                     Talbot, Davis (2008). Das Geheimnis seines Er-
                                                   folgs. Technology Review. Online unter: http://
Imas-International (Hg.) (2011). Imas Interna-     www.heise.de/tr/artikel/Das-Geheimnis-seines-
tional Report Nr. 2, Januar 2011. Abschied von     Erfolges-275770.html (10/02/2011)
Wählern und Milieus. Online unter: http://www.
imas.at/content/download/623/2957/version/1/       Zeger, Hans G. (2008). Langweilig, antiquiert,
file/2-2011.pdf (10/02/2011)                       peinlich – Internetwahlkampf NRW‘08.
                                                   Online unter: http://www2.argedaten.at/
Leonhard, Joachim-Felix (2001). Medienwis-         php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-
senschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der        ARGEDATEN&s=61923vcr (10/02/2011)
Medien und Kommunikationsformen Teil 2.
Berlin. Online unter: http://books.google.at/
books?id=J8caWe6p8egC&pg=PA1771&lpg=PA
1771&dq=Reichweite+von+Wahlplakaten&sour           http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalratswahl_
ce=bl&ots=P-OHEBukIN&sig=87tvjBfPSqn2e9f           in_%C3%96sterreich_2008 (10/2/2011)
KvoD2lRwJ71U&hl=de&ei=pRdZT
DNGKswbtwailCw&sa=X&oi=book_re-                    http://www.wissenswertes.at/index.
sult&ct=result&resnum=4&ved=0CDIQ6AE
wAw#v=onepage&q=Reichweite%20von%20
Wahlplakaten&f=false (10/02/2011)

Patalong, Frank (2008, 11. Februar). Obama
boomt im Internet. Online unter: http://www.
spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,534397,00.html

6    No 4 / 2011
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Hinweise zur Umsetzung im Unterricht

Hinweise zur Umsetzung im Unterricht
Klaus Edel, Hubert Sickinger

Das Thema „politische Parteien“ lässt sich in un­ter­schied­                            Im Unterricht kann vertiefend auf weiterführende Quellen
lichen Unterrichtskontexten bearbeiten. Im Zeitgeschichte-                              zurückgegriffen werden. Hier bieten sich an parteioffiziellen
Unter­ richt liegen die Anknüpfungspunkte für die Dar­                                  Texten zweierlei Quellen an:
stellung von Parteien dadurch nahe, dass grundlegende                                   Das grundlegende Politikverständnis (die offizielle „Par-
Verfassungs- und politische Systementscheidungen immer                                  teiideologie“) wird für längere Zeiträume in Grundsatz-
auch Entscheidungen der Parteien waren (Ausrufung der                                   programmen dokumentiert. Alle derzeit im Nationalrat
Republik 1918, Verfassung 1920/Verfassungsnovelle 1929,                                 vertretenen Parteien haben derartige Grundsatzprogram-
Zerstörung der Demokratie 1933/34 und deren Wiederbe-                                   me verabschiedet (ÖVP 1995, FPÖ 1997, SPÖ 1998, Grüne
gründung 1945, EU-Beitritt 1995 etc.). Parteien waren seit                              2001, BZÖ 2010), die auch auf den Webseiten der Partei-
1918 stets entscheidende (wenngleich nicht die einzigen                                 en zu finden sind. Für bestimmte Themen und anhand von
einflussreichen) politische(n) Akteure, sie prägen die po-                              Wahlen werden auch Programme für bestimmte Politikfel-
litische Praxis der Verfassungsinstitutionen (Parlamente,                               der und Wahlprogramme beschlossen, die ebenfalls online
Regierungen auf Bundes- und Landesebene, die Politik in                                 zugänglich sind.
der jeweiligen Gemeinde).
                                                                                        Für beide Arten von Texten gilt, dass sie zwar nicht not-
Besonders geeignete Anlässe für die vertiefte Beschäftigung                             wendigerweise in konkreten Situationen oder für einzelne
mit Parteien bilden Wahlen, anhand derer die Schüler/in-                                Politiker/innen handlungsanleitend sind (oder Parteifunk-
nen motiviert werden können, die Wahlkämpfe von Partei-                                 tionär/innen tatsächlich bekannt sein müssen). Es handelt
en anhand von Wahlplakaten, Inseraten und Medienauftrit-                                sich allerdings um gut geeignete, sorgfältig durchdachte und
ten zu analysieren. Für langfristige historische Vergleiche                             formulierte Textsorten für die Analyse des parteioffiziellen
bieten v.a. Wahlplakate eine besonders eindrückliche visu-                              Selbstverständnisses und der grundlegenden Ausrichtung
elle Quelle – da der historische Wandel von Parteiaussagen,                             der jeweiligen Partei. Beide Typen von Programmen bieten
der symbolischen Selbst- und Gegnerdarstellung und der                                  sich auch anhand aktueller politischer Themen zur Analyse
historische Kontext hier sehr gut sichtbar werden (Beispiel:                            von Parteistandpunkten an.
die Militanz der innenpolitischen Auseinandersetzung der
Ersten Republik wird anhand von Plakaten besonders ein-
drucksvoll „begreifbar“).                                                               Literatur

Unter Wahlstrateg/innen wird Plakaten heute nur mehr                                    Frick, Lothar (Hg.) (2009). Politische Plakate. Von der Weimarer Republik
                                                                                        bis zur jungen Bundesrepublik. Politik und Unterricht. Zeitschrift für die
eine geringe Werbewirksamkeit zugemessen, als strategisch
                                                                                        Praxis der Politischen Bildung 2009 (2-3). Stuttgart.
entscheidend werden Fernsehauftritte und geschickte The-
mensetzung gegenüber Massenmedien betrachtet.1 Sie bie-                                 Filzmaier, Peter; Karmasin, Matthias; Klepp, Cornelia (2006). Politik und
ten dennoch einen Ausgangspunkt für Eigenrecherche für                                  Medien – Medien und Politik. Wien.
Schüler/innen. Plakate sind ein Teil der Lebenswelt der Ler-
                                                                                        Plasser, Fritz (2010). Politik in der Medienarena. Praxis politischer Kom-
nenden, der Umgang mit ihnen ermöglicht es, die Medien-
                                                                                        munikation in Österreich. Wien.
kompetenz der Schüler/innen ebenso wie die historischen
und politisch bildenden Kompetenzen zu fördern. Dabei
geht es um die Analyse und Dechiffrierung politischer Wer-
bestrategien und um die kritische Einschätzung von Ein-
fluss und Wirkung der visuellen und verbalen Botschaften.
Die Schüler/innen sollen aber auch in der Lage sein, Urhe-
ber/innen und Adressat/innen einer Botschaft sowie deren
Interessen zu benennen und sich eine eigene Meinung zu
bilden. (Vgl. Frick 2009, 15)
1
   Zur Politikdarstellung und politischen Parteistrategien in modernen Mediende-
mokratien existiert mittlerweile ausführliche Literatur auch zu Österreich: Vgl. etwa
Filzmaier et al. 2006; Plasser 2010.

                                                                                                                                                    No 4 / 2011   7
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Fachwissenschaftlicher Teil
Politische Parteien in Österreich
php?id=parteien-oesterreich (10/02/2011)
    Politische Parteien
                                                                                        tikfelder und Wahlprogramme beschlossen, die ebenfalls
                                                                                        online zugänglich sind.
    Hubert Sickinger
                                                                                        Für beide Arten von Texten gilt, dass sie zwar nicht not-
                                                                                        wendigerweise in konkreten Situationen oder für einzelne
Das Thema „politische Parteien“ lässt sich in unterschiedlichen
                                                                                        Politiker/innen handlungsanleitend sind (oder Parteifunk-
Unterrichtskontexten bearbeiten. Im Zeitgeschichte-Unter­
                                                                                        tionär/innen tatsächlich bekannt sein müssen). Es handelt
richt liegen die Anknüpfungspunkte für die Darstellung von
                                                                                        sich allerdings um gut geeignete, sorgfältig durchdachte und
Parteien dadurch nahe, dass grundlegende Verfassungs- und
                                                                                        formulierte Textsorten für die Analyse des parteioffiziellen
politische Systementscheidungen immer auch Entschei-
                                                                                        Selbstverständnisses und der grundlegenden Ausrichtung
dungen der Parteien waren (Ausrufung der Republik 1918,
                                                                                        der jeweiligen Partei. Beide Typen von Programmen bieten
Verfassung 1920/Verfassungsnovelle 1929, Zerstörung der
                                                                                        sich auch anhand aktueller politischer Themen zur Analyse
Demokratie 1933/34 und deren Wiederbegründung 1945,
                                                                                        von Parteistandpunkten an.
EU-Beitritt 1995 etc.). Parteien waren seit 1918 stets ent-
scheidende (wenngleich nicht die einzigen einflussreichen)
politische(n) Akteure, sie prägen die politische Praxis der
                                                                                           Politische Plakate
Verfassungsinstitutionen (Parlamente, Regierungen auf
                                                                                           Klaus Edel
Bundes- und Landesebene, die Politik in der jeweiligen Ge-
meinde).
                                                                                        Plakate sind ein Teil der Lebenswelt der Lernenden, der
                                                                                        Umgang mit ihnen ermöglicht es, die Medienkompetenz
Besonders geeignete Anlässe für die vertiefte Beschäftigung
                                                                                        der Schüler/innen ebenso wie die historischen und politisch
mit Parteien bilden Wahlen, anhand derer die Schüler/in-
                                                                                        bildenden Kompetenzen zu fördern. Dabei geht es um die
nen motiviert werden können, die Wahlkämpfe von Partei-
                                                                                        Analyse und Dechiffrierung politischer Werbestrategien
en anhand von Wahlplakaten, Inseraten und Medienauftrit-
                                                                                        und um die kritische Einschätzung von Einfluss und Wir-
ten zu analysieren. Für langfristige historische Vergleiche
                                                                                        kung der visuellen und verbalen Botschaften. Die Schüler/
bieten v.a. Wahlplakate eine besonders eindrückliche visu-
                                                                                        innen sollen aber auch in der Lage sein, Urheber und Ad-
elle Quelle – da der historische Wandel von Parteiaussagen,
                                                                                        ressat/innen einer Botschaft sowie deren Interessen zu be-
der symbolischen Selbst- und Gegnerdarstellung und der
                                                                                        nennen und sich einen eigenen Standpunkt zu bilden. (Vgl.
historische Kontext hier sehr gut sichtbar werden (Beispiel:
                                                                                        Frick 2009, 15).
die Militanz der innenpolitischen Auseinandersetzung der
Ersten Republik wird anhand von Plakaten besonders ein-
drucksvoll „begreifbar“).
                                                                                        Literatur

Unter Wahlstrateg/innen wird Plakaten heute nur mehr
                                                                                        Frick, Lothar (Hg.) (2009). Politische Plakate. Von der Weimarer Republik
eine geringe Werbewirksamkeit zugemessen, als strategisch                               bis zur jungen Bundesrepublik. Politik und Unterricht. Zeitschrift für die
entscheidend werden Fernsehauftritte und geschickte The-                                Praxis der Politischen Bildung 2009 (2-3). Stuttgart.
mensetzung gegenüber Massenmedien betrachtet.1 Sie bie-
ten dennoch einen Ausgangspunkt für Eigenrecherche für                                  Filzmaier, Peter; Karmasin, Matthias; Klepp, Cornelia (2006). Politik und
                                                                                        Medien – Medien und Politik. Wien.
Schüler/innen. Im Unterricht kann vertiefend auf weiter-
führende Quellen zurückgegriffen werden. Hier bieten sich                               Plasser, Fritz (2010). Politik in der Medienarena. Praxis politischer Kom-
an parteioffiziellen Texten zweierlei Quellen an:                                       munikation in Österreich. Wien.
Das grundlegende Politikverständnis (die offizielle „Partei-
ideologie“) wird für längere Zeiträume in Grundsatzpro-
grammen dokumentiert. Alle derzeit im Nationalrat ver-
tretenen Parteien mit Ausnahme des BZÖ haben derartige
Grundsatzprogramme beschlossen (ÖVP 1995, FPÖ 1997,
SPÖ 1998, Grüne 2001), die auch auf den Webseiten der
Parteien zu finden sind. Für bestimmte Themen und anhand
von Wahlen werden auch Programme für bestimmte Poli-
1
   Zur Politikdarstellung und politischen Parteistrategien in modernen Mediende-
mokratien existiert mittlerweile ausführliche Literatur auch zu Österreich: vgl. etwa
Filzmaier et al. 2006; Plasser 2010.

8    No 4 / 2011
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Fachwissenschaftlicher Teil                                                                Politische Parteien in Österreich

Politische Parteien in Österreich
Hubert Sickinger

    1. Hauptsächliche Funktionen politischer Parteien                                      Par­tei zumindest in die Kandidat/innenliste aufgenommen
                                                                                           wurden. Die Parteien haben somit ein Monopol bei der Re-
   1.1 Parteien als zentrale Akteure bei Wahlen                                            krutierung von Nationalratsabgeordneten. Ähnlich stellt
Parteien sind das wichtigste verbindende Element zwischen                                  sich die Situation auch für Landtagsabgeordnete und Ge-
den demokratisch bestellten Verfassungsinstitutionen –                                     meinderät/innen dar: Auch hier haben letztlich die Parteien
Parlamenten und Regierungen auf Bundes-, Landes- und                                       die zentrale Rolle bei der Auswahl der Kandidat/innen, und
Gemeindeebene – und der Bevölkerung.2 Sie haben dabei                                      trotz Vorzugsstimmensystem ist normalerweise die von der
zwar kein Monopol, da auch Interessenverbände (z.B. der                                    Partei vorgenommene Reihung auf der Kandidat/innenliste
Österreichische Gewerkschaftsbund, die Kammern) wirt-                                      entscheidend für die tatsächliche Mandatsvergabe.
schaftliche und gesellschaftliche Interessen artikulieren und
zu Forderungsprogrammen bündeln und damit an politi-                                       Es gibt hunderte politische Parteien in Österreich, die in
schen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das zentrale                                  unterschiedlicher Intensität aktiv sind. Von überregionaler
Merkmal politischer Parteien besteht im Unterschied zu                                     Bedeutung sind allerdings nur die fünf Parteien, welche die
Verbänden aber darin, dass sie sich an Parlamentswahlen                                    Wahl in den Nationalrat geschafft haben (SPÖ, ÖVP, FPÖ,
beteiligen. Parteien sind dadurch die Organisationen, wel-                                 BZÖ, Grüne) sowie einzelne bundesweit aktive Kleinpartei-
che die Auswahl der Mitglieder der Parlamente – und damit                                  en (wie die KPÖ und das Liberale Forum). In Einzelfällen
indirekt der Regierungen – bestimmen.                                                      haben zuletzt nicht-etablierte Parteien die Wahl in einzelne
                                                                                           Landtage geschafft (die Liste Fritz in Tirol, die KPÖ in der
   Der österreichische Nationalrat wird nach dem System                                    Steiermark), in Gemeinderäten haben Namenslisten – die
der Verhältniswahl gewählt. Dabei existieren drei Stufen der                               meist von der lokalen Bekanntheit ihrer Repräsentant/in-
Mandatszuweisung3:                                                                         nen leben – größere Chancen.
• 43 Regionalwahlkreise bilden die unterste Ebene, umfas-
   sen mehrere Verwaltungsbezirke, zu vergeben sind 1–8                                    Die Gründung einer politischen Partei ist denkbar einfach:
   Mandate (im Durchschnitt 4–5 Mandate)                                                   Im Wesentlichen reicht die Hinterlegung der Statuten im
• neun Landeswahlkreise                                                                    Innenministerium und deren Veröffentlichung in einer pe-
• ein Bundeswahlkreis                                                                      riodischen Druckschrift. Die Beteiligung an Wahlen stellt
                                                                                           allerdings beträchtliche Hürden dar (z.B. Sammeln von Un-
Um Mandate zu erlangen, muss eine Partei alternativ zu-                                    terstützungserklärungen, die im Gemeindeamt abgegeben
mindest ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis                                         werden müssen), vor allem aber kosten Wahlkämpfe viel
erreichen oder bundesweit zumindest vier Prozent der                                       Geld. Parteien brauchen somit Unterstützer/innen (zahlrei-
gültigen Stimmen erhalten. In den Regional- und Landes-                                    che Aktivist/innen, Wahlhelfer/innen), Kandidat/innen, die
wahlkreisen gibt es für die Wähler/innen die Möglichkeit,                                  für bestimmte Themen und Interessen in der Wählerschaft
die Reihung der Kandidat/innen über Vorzugsstimmen zu                                      stehen, und finanzielle Ressourcen. Sie benötigen kontinu-
verändern. (Im Regionalwahlkreis genügt ein Sechstel der                                   ierliche Aufmerksamkeit der Massenmedien, die sektiere-
Stimmenzahl der Partei für eine Kandidatin/einen Kandi-                                    rische „Splitterparteien“ von vornherein kaum erwarten
daten für deren/dessen Vorreihung. Auf Landesebene reicht                                  können.
die halbe Wahlzahl, das ist die halbe Stimmenzahl, die für
ein Mandat erforderlich ist.) Aber auch in diesen Fällen ei-                                   1.2 Österreichs Parteien als politisch-gesellschaftliche
ner personalisierten Stimmabgabe ist Voraussetzung, dass                                       „Lager“
erfolgreiche Vorzugsstimmenkandidat/innen von ihrer                                        Parteien sind zumindest in Österreich nicht auf die be-
2
  Es gibt eine Unmenge an Literatur zu politischen Parteien. Eine kompakte Einfüh-
                                                                                           reits genannten Kernfunktionen der Beteiligung an Wah-
rung in zentrale Themen der Parteienforschung bietet etwa Saalfeld 2007. Die wich-         len, Präsentation von Programmen und Rekrutierung der
tigsten österreichischen Parteien werden im führenden Handbuch des politischen
Systems Österreichs beschrieben (Dachs et al. 2006, Teil III: Parteiensystem) – mit Bei-   in Parlamenten und Regierungen aktiven Politiker/innen
trägen von Ucakar (SPÖ), Müller (ÖVP), Luther (FPÖ, BZÖ), Dachs (Grüne) und Liegl          beschränkt. Vor allem die beiden Großparteien, SPÖ und
(Kleinparteien). Als gut lesbaren, knappen aktuellen Überblick zum österreichischen
Parteiensystem vgl. Pelinka 2005.                                                          ÖVP (bzw. deren Vorgänger in der Ersten Republik, die So-
3
  Genauere Informationen zum Wahlsystem auf Bundesebene sind unter http://
                                                                                           zialdemokratische Arbeiterpartei und die Christlichsoziale
www.bmi.gv.at/wahlen/ (15/04/2011) zu finden.                                              Partei), waren historisch Teil politisch-weltanschaulicher

                                                                                                                                            No 4 / 2011   9
Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
Fachwissenschaftlicher Teil                                                            Politische Parteien in Österreich

„Lager“, die ihre Aufgabe in der umfassenden Einbindung                                tischen Angebots ist auch auf die Wähler/innenschaft der
der einzelnen Individuen, deren politischer Sozialisation                              Parteien einzugehen.
und Mobilisierung und nicht zuletzt v.a. in den ersten Jahr-
zehnten der Zweiten Republik auch in Patronageleistungen
erblickten (Vermittlung von Arbeitsplätzen im öffentlichen                                 2. Geschichte des österreichischen Parteiensystems
Sektor, günstigen Gemeinde- und Genossenschaftswoh-
nungen u.Ä.).4 Als Erbschaft dieser mittlerweile stark aufge-                             2.1 Monarchie und Erste Republik
weichten „Lagerstruktur“ stützen sich ÖVP und SPÖ immer                                Parteien im heutigen Verständnis – mit nennenswerten
noch auf ca. ein Achtel der Wahlberechtigten als Mitglieder,                           Mitgliederzahlen und einer dauerhaften Organisation
was international einen Spitzenwert darstellt und eben nur                             sowie stabilen Fraktionen im Parlament (Parlamentsklubs) –
historisch erklärbar ist, sie sind zugleich aber auch mit ein-                         entstanden in Österreich im letzten Vierteljahrhundert der
schlägigen Negativimages (Vorwürfen der geradezu sprich-                               Monarchie.
wörtlichen „Parteibuchwirtschaft“) konfrontiert. Daneben                               • Die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei,
existierte seit dem 19. Jahrhundert ein kleineres deutsch-                                der historischen Vorläuferin der SPÖ, in Form einer Ei-
nationales „Lager“. Die spätere Verstrickung der meisten                                  nigung unterschiedlicher Strömungen durch Viktor Ad-
Funktionäre der deutschnationalen Parteien in den Natio-                                  ler datiert 1889.
nalsozialismus prägt die Wahrnehmung der Nachfolgepar-                                 • Die Christlichsoziale Partei, historische Vorläuferin der
teien (FPÖ und BZÖ) teilweise bis heute.5                                                 ÖVP, wurde 1891 vom späteren Wiener Bürgermeister
                                                                                          Karl Lueger gegründet.
Die Geschichte der Parteien stellt somit einen Schlüsselfak-                           • Auf eine noch ältere Tradition können nur liberale und
tor für die Erklärung auch des gegenwärtigen Parteiensys-                                 deutschnationale Parteien – historisch die Vorläufer der
tems dar, durch die Behandlung der Parteien im Geschichts-                                Deutschnationalen der Ersten Republik und der Frei-
unterricht ab dem späten 19. Jahrhundert kann somit auch                                  heitlichen nach 1945 – verweisen. Diese entstanden ab
ein essentieller Beitrag zur politischen Bildung vermittelt                               1867 (Beginn der konstitutionellen Monarchie) im nach
werden. Die Erklärungskraft der Parteigeschichte bezieht                                  einem sehr eingeschränkten Kurienwahlsystem gewähl-
sich dabei auf folgende Ebenen:                                                           ten Abgeordnetenhaus und bestanden im Wesentlichen
• Parteien werden von den Wähler/innen normalerweise                                      aus losen Vereinigungen gleichgesinnter Abgeordneter,
   nicht auf Basis einer genauen Kenntnis ihrer Programme                                 kannten also noch keine Parteiorganisationen außerhalb
   gewählt: Wahlverhalten basiert zum Großteil auf Images                                 des Parlaments. Bekanntester und umstrittenster Reprä-
   der Parteien (und ihrer Spitzenrepräsentant/innen), die zu                             sentant der Deutschnationalen im späten 19. Jahrhun-
   einem beträchtlichen Teil auch historisch gewachsen sind.                              dert war Georg Ritter von Schönerer.
• Auch die Wahrnehmung der konkurrierenden Parteien
   bzw. das Politikbild der aktiven Mitglieder, Funktionär/                            Voraussetzung für die Bildung von Parteien war die Durch-
   innen und gewählten Mandatar/innen ist durch die jewei-                             setzung der konstitutionellen Monarchie, die mit der De-
   lige Geschichte des eigenen „Lagers“ stark geprägt.                                 zemberverfassung 1867 abgeschlossen wurde. Voraus-
                                                                                       setzung der Durchsetzung der außerhalb des Parlaments
Im Folgenden soll daher zunächst ein knapper Überblick                                 entstandenen Massenparteien gegenüber den liberalen und
über die Geschichte des österreichischen Parteiensystems                               nationalen „Honoratiorenparteien“ war die Ausweitung des
geboten werden. Die Personalauswahl („Elitenrekrutie-                                  Wahlrechts, das zunächst ein eng begrenztes Kurienwahl-
rung“) der Parteien ist weiters durch ihre internen Struktu-                           recht war, 1897 um eine allgemeine Wählerkurie erweitert
ren, d.h. ihren Aufbau und ihre internen Machtverhältnis-                              und 1907 durch ein allgemeines und gleiches Wahlrecht für
se geprägt, weshalb anschließend die Parteiorganisationen                              Männer ersetzt wurde. Frauen erhielten erst 1918 das Wahl-
behandelt werden. Als Ergebnisse sowohl der historischen                               recht.6
Entwicklung als auch des aktuellen personellen und thema-
                                                                                       Auch nach 1867 wurden Parteien vom monarchischen Ob-
                                                                                       rigkeitsstaat zunächst polizeistaatlich überwacht und im
4
    Vgl. zur Patronage im österreichischen Parteiensystem Müller 1988.                 Falle revolutionärer Zielsetzungen vehement bekämpft.
5
  Vgl. zu den Parteien der Ersten Republik die Beiträge von Maderthaner (Sozial-       Parteien entwickelten sich daher vorerst außerhalb des
demokratie), Staudinger et al. (Christlichsoziale Partei), Ehmer (KPÖ, Dostal (DNV),
Burkert (Landbund) und Jagschitz (NSDAP) im „Handbuch des politischen Systems          6
                                                                                         Eine ausführliche Untersuchung der Entwicklung des Wahlrechts in Österreich (bis
Österreich: Erste Republik“ (Tálos et al. 1995).                                       in die frühen 1980er-Jahre) bietet Ucakar 1985.

10       No 4 / 2011
Fachwissenschaftlicher Teil                                       Politische Parteien in Österreich

Vereinsrechts und wiesen anfangs eher lose Organisations-         te intern zerstritten. Die Regierung agierte deshalb in der
strukturen auf. Am Beispiel der Sozialdemokratischen Ar-          Praxis meist auf Basis von Notverordnungen am (nicht ein-
beiterpartei können die schwierigen Ausgangsbedingungen           berufenen) Parlament vorbei. Erst 1918 mit dem Zusam-
veranschaulicht werden:                                           menbruch des bisherigen Regimes als Folge der Niederlage
• Ihre Basis bildete die unterprivilegierte städtische Ar-        im Ersten Weltkrieg wurden die Parteien die zentralen Ak-
   beiterklasse – die damals noch keine 48-Stunden-Woche          teure im politischen System. Die 1920 beschlossene Verfas-
   und Sechstagewoche, keinen Achtstunden-Arbeitstag              sung war ein Kompromiss der großen Parteien, die neu ge-
   kannte (diese Forderungen wurden erst 1918/1919                schaffene parlamentarische Republik war parteienstaatlich
   durch­gesetzt).                                                dominiert. 1918 bis 1920 bildeten die beiden Großparteien
• Aufgrund des sehr eng gefassten Wahlrechts handelte es          eine Koalition. 1920 ging die Sozialdemokratische Arbeiter-
   sich (auch im eigenen Selbstverständnis) um eine außer-        partei (SDAPÖ) in Opposition, während die Christlichsozi-
   parlamentarische Kampforganisation mit revolutionärer          ale Partei ab diesem Zeitpunkt mit wechselnden Koalitions-
   (marxistischer) Weltanschauung.                                partnern (den kleineren deutschnationalen Parteien DNVP,
• „Halblegaler“ Status: Vor dem 1. Weltkrieg waren der-           dem Landbund, den Heimwehren) regierte („Bürger-
   artige politische Parteien im Grunde von den monar-            block“). Nur in Wien verfügten die Sozialdemokraten über
   chischen kontinentaleuropäischen Obrigkeitsstaaten             eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten, die für eine auch
   allenfalls geduldet, aber nicht explizit erlaubt. Erst ab      international viel beachtete Kommunalpolitik (kommunaler
   Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Männer-              Wohnbau, Kulturpolitik etc.) genützt werden konnte.
   wahlrechts waren Parteien zumindest indirekt de facto
   anerkannt (weshalb die SDAP in den Jahren 1907–1909            Die Konflikte zwischen den Parteien betrafen einerseits
   ihren Parteiapparat neu organisieren und konsolidieren         die Lastenverteilung der Problembewältigung der zerrüt-
   konnte).                                                       teten Nachkriegswirtschaft (Österreich als Kernland der
• Diesen Parteien stand eine geschlossene Abwehrfront             „cisleithanischen“ Reichshälfte der Monarchie hatte eine
   von militant entschlossenen Kräften um Thron und Altar         überproportionale Bürokratie „geerbt“, die Industrie hatte
   und den Besitzenden gegenüber – wo sie politisch auf-          durch neue Zollschranken der Nachfolgestaaten der Mon-
   traten, wurden sie von den herrschenden Kräften auch           archie Absatzmärkte verloren, in den Anfangsjahren verlor
   ideologisch auf das Schärfste bekämpft.                        der Mittelstand durch eine galoppierende Inflation seine Er-
                                                                  sparnisse etc.). Österreich erreichte erst 1929, unmittelbar
Die zunächst ablehnende Haltung der Obrigkeit traf al-            vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, annähernd wieder
lerdings nicht nur die Sozialdemokratie. Auch die Christ-         die Wirtschaftsleistung von vor dem Krieg. Andererseits
lichsoziale Partei wurde – aufgrund ihrer zu Beginn stark         lagen auch die ideologischen Ziele der Parteien diametral
antikapitalistischen Rhetorik und ihres ausgeprägten An-          auseinander: Demokratie bildete eigentlich nur die Spielre-
tisemitismus – seitens des Kaiserhauses vorerst abgelehnt.        gel für den politischen Prozess, kaum einen Wert an sich.
Erst in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wuchs die             Die Parteien vertraten divergente politisch-gesellschaftliche
Christlichsoziale Partei, die ihre soziale Basis v.a. im Klein-   Leitbilder: Seitens der Christlichsozialen waren dies vor al-
bürgertum (prominentestes Beispiel: Wien in der Zeit Karl         lem die Umsetzung der moralischen und machtpolitischen
Luegers, dessen Wahlerfolge auf einem ungleichen Kurien-          Ziele der katholischen Kirche (etwa im Erziehungswesen
wahlrecht basierten, das Arbeiter stark benachteiligte) und       und im Familienrecht) und zunehmend auch ständestaat-
der Landbevölkerung hatte, in die Rolle einer potentiellen        liche und autoritäre Gesellschafts- und Politikziele, seitens
konservativen Reichspartei hinein.                                der Sozialdemokratie waren dies austromarxistische Ziel-
                                                                  setzungen eines demokratischen Sozialismus. An die lang-
Die neuen Massenparteien setzten sich mit der Durchset-           fristige Überlebensfähigkeit des Kleinstaates glaubte in der
zung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts                Ersten Republik nur eine Minderheit, die kleinen deutsch-
gegen die früheren Honoratiorenparteien durch. Auf dem            nationalen Parteien vertraten einen Anschluss an das Deut-
Gebiet des heutigen Österreich wurden die Sozialdemokra-          sche Reich im Vergleich mit CSP und SDAPÖ (die den „An-
ten und Christlichsozialen bereits vor dem Ersten Weltkrieg       schluss“ erst 1933 nach Hitlers Machtergreifung verwarfen)
die stärksten Parteien. Diese verfügten allerdings nur über       mit besonderer Vehemenz.
geringen tatsächlichen Einfluss: Das Parlament hatte in der
konstitutionellen Monarchie keinen Einfluss auf die Bildung       Organisatorisch gab es markante Unterschiede zwischen den
der Regierung und war aufgrund der Nationalitätenkonflik-         Parteien. Die SDAPÖ war auch von den Mitgliederzahlen

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eine Massenpartei: Verfügte sie 1913 in Cisleithanien laut     he-Bankrott und Verstaatlichung der Credit-Anstalt und
Parteitagsbericht über ca. 142.000 Mitglieder, so stieg die-   hoher Arbeitslosigkeit) überforderte angesichts der Pola-
se Zahl in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bereits auf      risierung der Lagerparteien die Problemlösungsfähigkeit
330.000, 1929 und 1932 weist der Parteitagsbericht jeweils     der noch jungen Demokratie, und Wahlergebnisse auf Lan-
ca. 650.000 Mitglieder aus, davon ca. 400.000 in Wien. Im      des- und Gemeindeebene ab 1932 zeigten, dass die bishe-
„Roten Wien“ war damit ein Viertel der Bevölkerung bzw.        rigen kleineren deutschnationalen Regierungsparteien ihre
jede zweite Arbeiterin/jeder zweite Arbeiter Mitglied der      Stimmen zunehmend an die NSDAP verloren. Die christ-
Partei. Zu diesem Zeitpunkt war auch sehr bemerkenswert,       lichsoziale Regierung nützte daher am 3. März 1933 eine
dass bereits ein knappes Drittel der sozialdemokratischen      Abstimmungspanne im Nationalrat zur Ausschaltung des
Parteimitglieder Frauen waren. Die hohen Mitgliederzahlen      Parlamentarismus, zur schrittweisen Ausschaltung verfas-
zeigen, dass es der Sozialdemokratie gelungen war, eine um-    sungsstaatlicher Institutionen und zum schrittweisen Ver-
fassende „Gegengesellschaft“ zur katholisch-konservativen      bot konkurrierender Parteien (1933 zunächst der NSDAP
Mehrheitsgesellschaft aufzubauen, die sich nicht nur in der    und KPÖ, im Februar 1934 der SDAPÖ). Die Folge waren
Partei selbst erschöpfte: Ziel war (durchaus analog und als    1934 zwei Bürgerkriege (gegen die Sozialdemokraten im
Gegenstück zur katholischen Kirche) der Aufbau eines um-       Februar und der NS-Putschversuch im Juli) mit jeweils
fassenden Vereinsnetzwerks und komplementärer kommu-           hunderten Toten. Oppositionelle parteipolitische Tätigkeit
naler Dienste, um es den eigenen Anhängern zu ermögli-         war ab 1933 bzw. 1934 nur noch in der Illegalität gegen den
chen, ihr gesamtes Leben („von der Wiege bis zur Bahre“,       „christlichen Ständestaat“ möglich, der in der politischen
d.h. von der sozialdemokratischen Kinderkrippe bis zum         Praxis eher eine Regierungsdiktatur mit polizeistaatlicher
Bestattungsverein „Die Flamme“) im Rahmen der Sozialde-        Unterdrückung der Opposition und dem nur eingeschränkt
mokratie zu verbringen.                                        erfolgreichen Versuch der (auch erzwungenen) Mobilisie-
                                                               rung von Unterstützung bzw. Akklamation durch mono-
Die Christlichsoziale Partei war in der Ersten Republik der    polistische Massenorganisationen wie die Vaterländische
politische Arm der katholischen Kirche. Sie konnte sich da-    Front darstellte. 1938 wurde der Ständestaat durch den Ein-
her weitgehend auf deren Unterstützung verlassen und dar-      marsch der Truppen des Deutschen Reichs beendet.7 Die
auf verzichten, selbst eine massenhafte Mitgliederbasis und    folgende NS-Diktatur 1938–45 war bei der Verfolgung tat-
ein eigenes dichtes Vereinsnetzwerk aufzubauen. Die CSP        sächlicher oder vermeintlicher Gegner/innen des Regimes
war stark föderalistisch mit je nach Bundesland differie-      weitaus konsequenter und erfolgreicher. Dennoch konnten
renden Strukturen organisiert. In der 1933/34 schrittweise     nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ die beiden
durch die christlichsoziale Regierung errichteten Diktatur     Großparteien erstaunlich rasch an ihre personellen und teil-
ging sie de facto in der neu geschaffenen Einheitspartei Va-   weise auch organisatorischen Traditionen von vor 1933 bzw.
terländische Front auf (und wurde schließlich auch formal      1938 anknüpfen.
aufgelöst).

Die Politik der Ersten Republik war in hohem Maße pola-           2.2 Zweite Republik
risiert, auch von einem beträchtlichen Ausmaß politisch        Die historische Erblast der Entwicklung der 1920er- und
motivierter Gewalt an der gesellschaftlichen Basis ge-         1930er-Jahre samt Bürgerkrieg und „autoritärem Stände-
prägt. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, dass in den         staat“ belastete auch nach 1945 das Verhältnis zwischen den
1920er-/1930er-Jahren im Naheverhältnis zu den Parteien        Großparteien. Anders als vor 1934 bzw. 1938 wurden diese
bzw. politischen „Lagern“ auch bewaffnete paramilitärische     Gegensätze allerdings nicht mehr offen als Gegensatz von
Verbände (Republikanischer Schutzbund, Heimwehren,             Regierung und Opposition ausgetragen, stattdessen bilde-
Frontkämpferverbände) existierten. Ab 1927 – Menetekel         ten ÖVP und SPÖ 1945 eine große Koalition (bis 1947 unter
der Radikalisierung war der Brand des Justizpalastes und       Einschluss auch der KPÖ, die sich bei den Nationalrats- und
der Einsatz von Waffengewalt gegen die Demonstrant/            Landtagswahlen 1945 allerdings als Kleinpartei erwies).
innen durch die Polizei mit über 90 Toten und hunderten        Für diese gemeinsame Politik war sicherlich hilfreich, dass
Verletzten – verschärfte sich diese Polarisierung zusehends,   zahlreiche Spitzenfunktionäre des Jahres 1945 in der Zeit
insbesondere die Heimwehren (zeitweilig Koalitionspartner      des „Anschlusses“ in deutschen Konzentrationslagern die
der Christlichsozialen) orientierten sich nach dem Vorbild     Erfahrung gemeinsamer Verfolgung durch das national-
Mussolinis nun offen am Faschismus. Die Bewältigung der        7
                                                                 Vgl. zum (austrofaschistischen) „Ständestaat“ Tálos/Neugebauer 2005, zur NS-Herr-
Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre (samt Beina-      schaft in Österreich Tálos et al. 2000.

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Fachwissenschaftlicher Teil                                      Politische Parteien in Österreich

sozialistische Deutsche Reich machen mussten (der vielzi-        auch Mitglied in einer der Großparteien) war allerdings
tierte „Geist der Lagerstraße“). Wichtiger war freilich die      nicht nur durch eine hohe Identifikation mit diesen Partei-
Notwendigkeit, in dem 1945–55 in vier Besatzungszonen            en bedingt, sondern auch durch die gerade sprichwörtliche
aufgeteilten Österreich die staatliche Einheit zu retten (ins-   „Parteibuchwirtschaft“ (Vgl. Müller 1988): In den ersten Jahrzehn-
besondere eine Eingliederung der sowjetischen Besatzungs-        ten der Zweiten Republik war der Zugang zu Arbeitsplät-
zone in den neu gebildeten kommunistischen Staatenblock          zen in der Verwaltung oder den großen Sektor staatlicher
durch eine Teilung wie in Deutschland zu verhindern) und         Wirtschaftsunternehmen überwiegend mit der Notwen-
den Wieder­aufbau der zunächst zerrütteten Nachkriegs-           digkeit einer Parteimitgliedschaft verbunden, dasselbe galt
wirtschaft zu ermöglichen.                                       bis in die 1980er-Jahre auch für den Zugang zu günstigen
    Darüber hinaus bestand das einigende Band – das zu ei-       Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Die parteipo-
ner Fortführung der Koalition noch ein weiteres Jahrzehnt        litische Patronage bezog sich somit nicht nur auf wirtschaft-
nach Wiedererlangung der völligen Souveränität 1955 führ-        liche oder administrative Führungsfunktionen (wo sie bis
te – aber eben in den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit         heute eine wichtige Rolle spielt), sondern sehr weitgehend
und dem massiven wechselseitigen Misstrauen gegenüber            auch auf untergeordnete Funktionen. Umgekehrt bedeutete
den Absichten des Koalitions„partners“ im Falle von des-         die Nichtmitgliedschaft in ÖVP oder SPÖ (oder zumindest
sen möglicher Alleinregierung. Die „Lösung“ des fortwir-         in parteipolitisch klar zugeordneten Vorfeldorganisatio-
kenden Konflikts bestand stattdessen in einer Machtteilung       nen) deutlich verminderte berufliche und gesellschaftliche
und einer durchaus wörtlich zu nehmenden Teilung der             Chancen, zumindest im gesamten Staatssektor. Erst seit den
Republik in eine „schwarze“ und eine „rote“ Einflusssphäre,      1980er-Jahren geriet die „Parteibuchwirtschaft“ auf breiter
die (in Anlehnung an die vergangene österreichisch-unga-         Basis unter starke öffentliche Kritik und wurde auch als
rische Doppelmonarchie) ironisch auch als „Reichshälften“        Folge der damaligen Krise der verstaatlichen Industrie (die
bezeichnet wurden. Der Konsens bestand darin, wichtige           zu starkem Personalabbau und Privatisierungen führte) zu-
(wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitische) Entschei-    mindest im Bereich der Subaltern- bzw. Versorgungspatro-
dungen nur gemeinsam zu treffen, wobei in die wirtschafts-       nage großteils aufgegeben.
politische Entscheidungsfindung auch die Kammern und
der ÖGB eingebunden wurden: Neben der großen Koali-              Eine Vertretung des deutschnationalen Lagers konnte erst
tion entwickelte sich (auch aufgrund der Uneinigkeit der         wieder ab 1949 kandidieren. Der VdU (Verband der Unab-
Parteien ab Mitte der 1950er-Jahre in wirtschaftspolitischen     hängigen) präsentierte sich vor allem als Vertreter der ehe-
Themen) eine zunehmend intensive Kooperation der Groß-           maligen Nationalsozialist/innen, die zu diesem Zeitpunkt
verbände in Form der Sozialpartnerschaft.                        von der Entnazifizierung betroffen waren, seine Nachfolge-
                                                                 partei, die 1956 nach Abzug der Alliierten gegründete FPÖ,
Die beiden bis in die 1990er-Jahre dominanten Großpartei-        präsentierte sich noch prononcierter „national“ und kam
en, SPÖ und ÖVP, waren jeweils die Nachfolger von SDAPÖ          (auch deshalb) jahrzehntelang über den Status einer poli-
und CSP der Zwischenkriegszeit. Allerdings verstand sich         tisch marginalisierten Kleinpartei nicht hinaus. Erst ab 1970
nur die SPÖ auch offiziell als Nachfolgepartei, reaktivierte     (parlamentarische Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsre-
die Organisationsstruktur der Ersten Republik und konnte         gierung) wurde die FPÖ als potentielle Koalitionspartnerin
auch bald wieder die alten Mitgliederzahlen erreichen. Die       der Großparteien eingestuft. Aber erst ab 1986 – nach dem
ÖVP stellte hingegen trotz personeller Kontinuitäten eine        Zwischenspiel einer wenig erfolgreichen kleinen Koalition
Neugründung dar – die auch aufgrund des (zunächst v.a. of-       mit der SPÖ und einem anschließenden Kurswechsel unter
fiziellen) Rückzugs der katholischen Kirche aus der Parteipo-    Jörg Haider zu einer radikal rechtspopulistischen Partei –
litik nötig wurde. Die ÖVP musste ab 1945 daher neue Mit-        stieg die FPÖ zu einer mittelgroßen Partei auf, die 1999 so-
gliederstrukturen aufbauen, was ihr über einen indirekten        gar die ÖVP knapp nach Stimmen überholen konnte. Nach
Parteiaufbau über Bünde (Bauernbund, Wirtschaftsbund,            dem Eintritt in eine Regierung mit der ÖVP (2000–2006)
Arbeiter- und Angestelltenbund), die faktisch zugleich Inte-     stießen die populistischen Forderungen an die realpoliti-
ressenvertretungen darstellten, sehr rasch auch gelang.          schen Grenzen der Machbarkeit und Durchsetzbarkeit, was
                                                                 deutliche Rückschläge und eine Abspaltung der regierungs-
Die daraus resultierende, im internationalen Vergleich den       orientierten Teile der Partei in Form des BZÖ zur Folge hat-
absoluten Spitzenwert markierende Mitgliederdichte der           te. Erst in der Opposition gegen eine erneute große Koaliti-
Parteien (in den 1950er- bis zu den frühen 1980er-Jahren         on erlebte der Nationalpopulismus einen Wiederaufstieg.
war mehr als ein Viertel der wahlberechtigten Bevölkerung

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Als einziger tatsächlich „neuen“, da nicht in der gesellschaft-   meinsamen Auftretens (gleichermaßen bei Regierungs- wie
lichen „Lagerstruktur“ wurzelnden Partei, gelang nach 1945        Oppositionsparteien) durch die Parlamentsfraktionen auch
den Grünen ab Mitte der 1980er-Jahre eine dauerhafte Eta-         im internationalen Vergleich sehr strikt, was auch dar-
blierung. Sie zogen erstmals 1986 in den Nationalrat ein,         an abgelesen werden kann, dass ein von der Fraktion ab-
schafften es aber erst 2004 auch in allen Landtagen vertre-       weichendes Abstimmungsverhalten einzelner Mandatar/
ten zu sein. Die Grünen verstanden sich anfangs als parla-        innen nur außerordentlich selten vorkommt (Stichwort
mentarischer Arm der Umwelt-, aber auch Friedens- und             „Klubzwang“).8
Frauenbewegung sowie von Bürger/inneninitiativen, stell-
ten sich in der Frühphase auch das Ziel, eine basisdemokra-       SPÖ und ÖVP sind beinahe flächendeckend in fast allen
tische Partei ohne langfristig amtierende Berufspolitiker/        Gemeinden mit lokalen Parteiorganisationen (Ortsorgani-
innen zu schaffen, entwickelten sich in der Folge aber eher       sationen, Sektionen bzw. Ortsteilgruppen, Stützpunkten)
zu einer linksliberalen Partei mit starken Mitentscheidungs-      vertreten. Deren Arbeit wird üblicherweise auf Ebene der
möglichkeiten der Funktionär/innenbasis.                          Bezirksparteiorganisationen koordiniert und unterstützt,
                                                                  die auch über hauptberuflich angestelltes Personal (Bezirks-
Eine in den 1990er-Jahren vorübergehend erfolgreiche libe-        parteisekretär/innen, Büropersonal) verfügen. Auf Landes-
rale Partei (das Liberale Forum) konnte sich dem gegenüber        und Bundesebene sind die Parteiorganisationen personell
nicht dauerhaft in den Parlamenten behaupten.                     besonders stark ausgebaut. Auf allen Ebenen existierten als
                                                                  willensbildende Organe gewählte Obleute, Vorstände und
                                                                  breiter besetzte Ausschüsse sowie nur vergleichsweise sel-
    3. Parteiorganisationen                                       ten zusammentretende Parteitage, wobei letztere nach den
                                                                  Statuten die obersten Organe darstellen. Nur auf unterster
Einige der etablierten Parteien sind Großorganisationen,          Ebene existieren Vollversammlungen der Mitglieder. Die
deren Angestelltenzahl und finanzieller Umsatz durchaus           Organe der „übergeordneten“ Ebenen werden durch die
mit Großunternehmen vergleichbar sind. Zugleich sind              weiter unten angesiedelten, näher bei den Mitgliedern ange-
Parteien aber Freiwilligenorganisationen, die maßgeblich          siedelten Parteiorganisationen beschickt: Die innerparteili-
auf unentgeltliche Mitarbeit ihrer Mitglieder und Funkti-         che Demokratie ist eine Funktionär/innendemokratie.
onär/innen angewiesen sind. Die Organisationssoziologie
moderner Parteien weist ihnen somit eine hybride Natur zu:        Neben die territoriale Gliederung tritt eine berufliche Glie-
Sie sind gleichermaßen ehrenamtliche Organisationen (die          derung durch Teil- oder Sonderorganisationen. Bei der ÖVP
für die Aktiven unter ihren Mitgliedern und ihre kleineren        ist diese Gliederung aufgrund ihrer „bündischen Struktur“
Funktionär/innen auch eine Art Clubleben Gleichgesinn-            besonders stark ausgeprägt: Bis 1972 war automatisch mit
ter zur Verfügung stellen), zugleich sind sie hauptberuflich      der Mitgliedschaft in einer Teilorganisation (von denen
betriebene spezialisierte Agenturen des Machterwerbs, wie         Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB mit Abstand am
an professionellen und kostenintensiven Wahlkämpfen so-           einflussreichsten sind, daneben existieren noch Teilorgani-
wie permanenter Öffentlichkeitsarbeit abgelesen werden            sationen für Jugend, Frauen und Senioren) eine Parteimit-
kann. Parteien bieten Angebote zur politischen Beteiligung        gliedschaft verbunden und sogar nur auf diesem Umweg
von Mitgliedern und Interessierten, sie stellen (sofern sie       möglich. Erst seit den 1980er-Jahren muss auch ausdrück-
über entsprechende Regierungsfunktionen oder Kontakte             lich der ÖVP selbst formell beigetreten werden. Bis heute
zu Entscheidungsträger/innen verfügen) mit ihren Abge-            werden bei der ÖVP die Mitglieder fast ausschließlich durch
ordneten, Bezirkssekretär/innen etc. aber zugleich auch           die Teilorganisationen erfasst und betreut, die Funktionär/
Interventions- und Patronageangebote für Mitglieder und           innen haben in diesen ihre politische „Hausmacht“, das in-
mögliche Wähler/innen zur Verfügung und üben damit                nerparteiliche Leben spielt sich großteils in den „Bünden“
auch (durchaus problematische) gesellschaftliche Macht            ab. Auf diese Weise wurden innerparteilich zugleich die
aus. Nicht zuletzt sind sie – über ihre Parlamentsklubs           Wirtschaftsstrukturen der Frühphase der Zweiten Repub-
und Gemeinderatsfraktionen – auch die koordinierenden             lik reproduziert und teilweise bis heute erhalten: Dass der
Institutionen für ihre in öffentliche Ämter gewählten             Bauernbund (neben dem weniger einflussreichen Senio-
Mandatar/innen (Abgeordnete, Gemeinderät/innen), die              renbund) die mitgliederstärkste Teilorganisation (noch vor
zumindest auf der Bundesebene und teilweise auch der              ÖAAB und Wirtschaftsbund) ist, hat maßgeblich zur sehr
Landesebene Politik hauptberuflich betreiben. In der öster­       8
                                                                    Vgl. zu den österreichischen Abgeordneten die umfassende Studie von Müller et
reichischen politischen Praxis ist diese Steuerung des ge-        al. 2001.

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