Politische Parteien in Österreich - historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung
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historisch-politische bildung Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung Politische Parteien in Österreich
Impressum Impressum historisch-politische bildung Redaktion dieser Nummer Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Alois Ecker, Klaus Edel, Bettina Paireder, Harald Ruiss, Sozialkunde und Politischer Bildung Hanna-Maria Suschnig N° 4, 2011 Gestaltungskonzept Edition Fachdidaktikzentrum Geschichte und Politische Vinzenz Luger, www.vinzenz-luger.com Bildung Katharina Ralser, www.katharinaralser.at Herausgegeben vom Fachdidaktikzentrum für Geschichte, Gestaltung Sozialkunde und Politische Bildung der Universität Wien. Marianne Oppel, Weitra Herausgeber/innen Cover Robert Beier, Alois Ecker, Klaus Edel, Andrea Ennagi, © Katharina Ralser, www.katharinaralser.at; vga Harald Ruiss, Hanna-Maria Suschnig alle: Fachdidaktikzentrum für Geschichte, Sozialkunde und Online-Version Politische Bildung der Universität Wien www.didactics.eu/index.php?id=1626 Berggasse 7, 1090 Wien T: +43-1-4277-40012, F: +43-1-4277-40014 Anmerkung der Herausgeber/innen fdzgeschichte@univie.ac.at Die Texte, Unterrichtsmaterialien und Kopiervorlagen http://fdzgeschichte.univie.ac.at wurden von den Autor/innen in Eigenverantwortung erar- beitet und spiegeln deren persönliche Grundhaltungen und Wissenschaftlicher Beirat didaktische Zugänge wider. G. Diendorfer, I. Ecker, P. Dusek, A. Germ, G. Heiß, T. Hellmuth, P. Hladschik, A. Ivanisevic, O. Rathkolb, H. Sickinger, A. Sperl, B. Steininger, S. Tillinger-Deutsch, C. Vielhaber, B. Weninger, F. Wenninger Vertrieb & Bestellung für Lehrkräfte Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraße 5, 1010 Wien service@politik-lernen.at Die wissenschaftliche Vorarbeit zur vorliegenden Broschüre www.politik-lernen.at wurde aus den Mitteln des BMUKK finanziert. ISBN 978-3-902783-03-5 2 No 4 / 2011
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 4 Editorial Politische Plakate 7 Hinweise zur 51 Fachwissenschaftlicher Teil Umsetzung im Unterricht 51 1. Das Plakat als (zeit-)historische Quelle Politische Parteien in Österreich 55 2. Wahlplakate im Wandel der Zeit 9 Fachwissenschaftlicher Teil 57 Literatur 9 1. Hauptsächliche Funktionen politischer Parteien 59 Fachdidaktischer Teil 10 2. Geschichte des österreichischen Parteiensystems 59 1. Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung didaktischer Szenarien 14 3. Parteiorganisationen 59 2. Implementierung des Kompetenzmodells 15 4. Die Wähler/innen 59 3. Lernziele 17 Literatur 59 4. Lehrplanbezug 18 Anhang 61 Unterrichtsbeispiele 21 Fachdidaktischer Teil 61 Plakatanalyse 62 Plakate richtig deuten können 21 1. Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung 64 Politische Parteien in der Ersten Republik und ihre didaktischer Szenarien Rezeption in Wahlplakaten 66 Standorte von Wahlplakaten bei Nationalrats-/Landtags- 21 2. Implementierung des Kompetenzmodells wahlen inklusive Feldforschung 68 Alternative Formen von Wahlwerbung 21 3. Lernziele 70 Plakate analysieren – Geschichte verstehen 22 4. Lehrplanbezug 73 Material Kopiervorlagen und Lösungsvorschläge 23 Unterrichtsbeispiele 23 Tagesablauf eines Abgeordneten 94 Literatur 24 Österreichische Parteien der Gegenwart und ihre Grundhaltungen zu aktuellen Themen 95 Autor/innen 26 Vergleich der Eigen- und Fremdwahrnehmung von Parteien 97 Glossar 28 Internet- und Web 2.0-Auftritte der politischen Parteien für Jugendliche 99 Tabellen und Grafiken 30 Der Wahlkampf der Parteien im Internet 31 Migration im Spiegel der Politik 100 Bildquellen 33 Material Kopiervorlagen und Lösungsvorschläge No 4 / 2011 3
Editorial EDITORIAL Laut einer am 21.1.2011 veröffentlichten Sonntagsfrage des der Autor mit den historischen Wurzeln und den Organi- Instituts für Markt- und Sozialanalysen IMAS lagen SPÖ, sationsstrukturen der österreichischen Parteien. (Vgl. Ecker, Edel ÖVP und FPÖ nahezu gleichauf (26%, bzw. je 25%). Die und Suschnig 2010, 6) Ein Abschnitt befasst sich mit den Wähler/ Grünen konnten sich von 10,4 auf 13% leicht verbessern, innen und ihrer Bindung an bestimmte Parteien und dem während das BZÖ von 10,7 auf 8% in der Umfrage gesunken Wandel in Struktur und Wahlverhalten, wie er seit den 80er- ist. (Vgl. DiePresse.com 2011; IMAS 2011) Damit hat der Erosionspro- Jahren des 20. Jahrhunderts feststellbar ist. zess der Großparteien und das gleichzeitige Wachstum des dritten (nationalen) Lagers (FPÖ) eine neue Phase erreicht, In einer von Spiegel Online veröffentlichten Umfrage vom denn statt zwei Großparteien und einer Kleinpartei exis- Jänner 2008 wird bereits die steigende Bedeutung des Inter- tieren nun nur mehr drei mittelgroße Parteien. Dabei war nets gegenüber traditionellen Informationskanälen sichtbar, die österreichische Parteienlandschaft nach 1945 jahrzehn- (Vgl. Patalong 2008) wobei dies besonders bei den 18–29-Jähri- telang relativ stabil. ÖVP und SPÖ behaupteten bis gegen gen deutlich wird. Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 Ende der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts einen Wähler/in- nutzte Barack Obama ganz wesentlich das Internet und Web nenanteil von mehr als 40%, wobei die SPÖ 1979 mit 51%, 2.0-Tools und konnte sich damit über seine Mitbewerber/ die ÖVP 1945 mit 49,8% jeweils ihr Maximum in der Wäh- innen in der Vorwahl und seinen Gegenkandidaten einen ler/innengunst erzielten. (Vgl. IMAS 2011, Tab. 1a) für das Wahlergebnis wesentlichen Vorsprung sichern. (Vgl. Talbot 2008) Das dritte, nationale Lager (VdU), das erstmals 1949 bei Besonders beeindruckend war, wie Obama auf Facebook bei Wahlen zugelassen wurde, erreichte 11,7%. (Vgl. IMAS 2011, Tab. der Zahl der Unterstützer/innen überlegen gegen McCaine 1a; Pelinka 1988, 37) Die daraus nach dem Abzug der Alliierten in Führung lag. (Vgl. Patalong 11.02.2008) Im österreichischen Na- 1956 hervorgegangene FPÖ erreichte bei den Nationalrats- tionalratswahlkampf von 2008 verlegten sich die einzelnen wahlen zwischen 6,5% (1956) und 9,7% (1986), wobei das Parteien ebenfalls auf das Internet und Web 2.0, doch fällt absolute Tief 1983 bei 5% lag. Erst der Kurswechsel zu einer die Analyse der Tools und Aktivitäten nicht sehr schmei- rechtspopulistischen Politik unter dem neuen Obmann Jörg chelhaft aus, Interaktivität wurde fast nicht genutzt. (Vgl. Zeger Haider brachte den deutlichen Stimmenzuwachs auf das 2008) bisherige Maximum von 26,9% (1999). Die Koalition mit der ÖVP (2000–2006) offenbarte das Dilemma von popu- Schüler/innen sind auch in der 8. Schulstufe in hohem Maß listischen Forderungen und realpolitischen Sachzwängen mit Web 2.0-Anwendungen vertraut, doch fehlt es ihnen bzw. führte zur Abspaltung der regierungsorientierten Teile mitunter an einem reflektierten und kritischen Umgang. der Partei unter Jörg Haider in Form des BZÖ und damit zu (Vgl. Adam 2011) Mit dem Erlass vom 27.10.2010 an die Lan- einem massiven Rückschlag in der Wähler/innengunst. (Vgl. desschulräte bzw. den Stadtschulrat von Wien, „Initiative Sickinger, id 1534, IMAS 2011, Tab. 1a) Der Tod Jörg Haiders (2008) und Web 2.0 – soziale IT-Netze sinnvoll nutzen“, möchte das der politische Aufstieg von Heinz-Christian Strache haben Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur diese die Karten neu gemischt. Das BZÖ hat bis auf Kärnten keine Situation verbessern. Zielsetzung ist die „Vermittlung von nennenswerte Basis und hat seither bei allen Regionalwah- Medienkompetenz und eine Sensibilisierung der Schulpart- len außer in Kärnten (mit 17 Mandaten stärkste Partei) den ner“. (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2010) In diesem Einzug in den Landtag verfehlt, während die FPÖ mit Aus- Sinne ist eine Auseinandersetzung der Schüler/innen mit nahme der Steiermark reüssieren bzw. deutliche Gewinne den Internet- bzw. Web 2.0-Präsentationen und Angeboten verbuchen konnte. (Vgl. Steininger 2010, 17) der Parteien ein wichtiger Beitrag dazu. Diese Entwicklungen und die Erweiterung der Parteien- Die Präsenz der österreichischen Parteien im öffentlichen landschaft in der Zweiten Republik werden im Artikel von Raum wird aber weiterhin durch Plakate geprägt. Diese sind Hubert Sickinger dargestellt. Informationen zur Frage, ein Massenmedium, das – in großer Zahl und über einen was eine Partei kennzeichnet und welche Funktionen sie längeren Zeitraum affichiert – möglichst viele Adressat/in- hat, sind ebenso Bestandteil dieses Beitrags. Im historisch- nen erreichen soll und damit zu einem Medium mit maxi- politischen Unterricht wird die „Vergangenheit“ als eine in maler Reichweite wird. (Vgl. Leonhard 2001, 1771) Plakate sind da- die Gegenwart und Zukunft nachwirkende Form des kul- bei nicht bloß Bilder oder Kunstwerke, sondern sie dienen turellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen mit ihren stilistischen Besonderheiten ganz bewusst einem Handelns begriffen und in diesem Sinne beschäftigt sich Zweck. (Vgl. Schneider, 52010, 277) Im Speziellen geht es in dem 4 No 4 / 2011
Editorial Artikel von Klaus Edel um politische Plakate, die entweder Unterrichtsablaufs wird auch in jedem Beispiel eine Mög- Wahl-, Propaganda- oder sozialkritische Plakate sein kön- lichkeit der Ertragssicherung und der Rückkoppelung an- nen. geboten. Jedoch wurde in diesem Zusammenhang bewusst auf genaue Vorgaben von Stundenbildern verzichtet, die Großen Wert legten die Parteien in den letzten Jahren so- Unterrichtsvorschläge zeigen vielmehr exemplarisch Wege wohl bei ihrer Innen- wie Außenwirkung auf „corporate auf, wie die Themenbereiche und Arbeitsaufgaben an die je- identity“, ein einheitliches wieder erkennbares Design. Im weilige Zielgruppe angepasst werden können. Dabei wurde aktuellen Trend ist die Gestaltung von Plakaten Teil eines großer Wert auf Praxisnähe gelegt. Ein Großteil der Materi- multimedialen Gesamtkonzepts. Bestimmte Elemente tau- alien wird auch als Kopiervorlagen (teilweise inklusive Lö- chen in den verschiedenen Medien immer wieder auf, inno- sungsblätter) angeboten. vative werden mit bereits bekannten oder redundanten Ele- menten verknüpft. Das Plakat dient damit als flankierende Das vorliegende Heft gliedert sich in zwei thematische Ab- Unterstützung für andere Werbemittel. (Vgl. Leonhard 2001, 1771f ) schnitte: politische Parteien in Österreich und politische Plakate. In den fachdidaktischen Teilen werden einerseits Anregungen geboten, wie das Thema „politische Parteien“ Aufbau der Themendossiers im Unterricht umgesetzt werden kann, andererseits werden Vorschläge zur Arbeit mit politischen Plakaten gemacht, Die Themendossiers werden von interdisziplinär zusam- bei denen die Schüler/innen erfahren, welche Informatio mengesetzten Teams von Wissenschafter/innen und Fach- nen Wahlplakate liefern, wenn sie als (zeit-)historische didaktiker/innen nach einem einheitlichen didaktischen Quelle betrachtet werden. Ebenso gibt es Beispiele zum Konzept entwickelt. Die Dossiers bieten den Schüler/innen forschenden Lernen zum Thema „Einsatz von Wahlplaka- vielfältige Möglichkeiten strukturelles Denken zu entwi- ten bzw. wie sich Parteien auf ihnen präsentieren“. Ein Teil ckeln, darüber zu reflektieren und eigenverantwortlich in der vorliegenden Unterrichtseinheiten wurde im Zuge eines neuen Situationen erfolgreich anzuwenden. Sie sind theo- Fachdidaktik-Projektkurses (geleitet von Hubert Sickinger, rie- und forschungsgeleitet, prozessorientiert, medial un- Hanna-Maria Suschnig, Sonia Tillinger-Deutsch) von Stu- terstützt sowie modular einsetzbar von der 8. bis zur 13. dierenden (René Hanzlik, Andreas Peterseil, Paul Ruhal- Schulstufe. tinger, Wolfgang Zeilinger) entworfen und im Unterricht erprobt. Jedes Dossier besteht aus einer fachwissenschaftlichen und einer didaktisch-methodischen Einführung in den The- Die Redaktion hofft, dass das vorliegende vierte Heft der menbereich für Lehrer/innen, wobei die Verknüpfung der Themendossiers eine sinnvolle Bereicherung für die Pla- jeweiligen historischen Perspektive mit der gegenwärtigen nung und Durchführung des historisch-politisch bildenden politischen Situation im Vordergrund steht. Im Anschluss Unterrichts darstellt. Über Ihre Anregungen und kritischen daran folgt eine Reihe von konkreten Anregungen zur Ergänzungen freut sich die Redaktion (p.A. hanna-maria. Unterrichtsgestaltung, wie das Thema ausgehend von der suschnig@univie.ac.at). Erlebniswelt der Schüler/innen umgesetzt werden kann. Neben der prozesshaften Beschreibung eines möglichen Alois Ecker, Klaus Edel, Hanna-Maria Suschnig No 4 / 2011 5
Editorial LITERATUR (22/07/2011) Adam Hans (Hg.) (2011). Immer mehr Schüler Pelinka, Anton (1988). Abstieg des Parteien- in sozialen Netzwerken. Online unter: http:// staates – Aufstieg des Parlamentarismus. Zum www.informatikserver.at/index.php/component/ Wandel des österreichischen Parteiensystems. content/article/15/19067-immer-mehr-schueler- In: Pelinka, Anton; Plasser, Fritz (Hg.) (1988). in-sozialen-netzwerken (01/07/2011) Das österreichische Parteiensystem. Studien zu Politik und Verwaltung Bd. 22. Wien, Köln, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Graz. 35–52. Kultur (Hg.) (2010). Erlass Initiative Web 2.0 – soziale IT-Netze sinnvoll nutzen. Online unter: Schneider, Gerhard (52010). Das Plakat. In: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/19754/ Pandel, Hans-Jürgen; Schneider, Gerhard (Hg.) web_2_0_erlass.pdf (01/07/2011) (2010). Handbuch Medien im Geschichtsunter- richt. Schwalbach/Ts. 295–348. DiePresse.com (Hg.) (2011, 21. Jänner). Um- frage: FPÖ schafft Anschluss an „Großparteien“. Sickinger, Hubert. Politische Parteien in Öster- Online unter: http://diepresse.com/home/poli- reich. Online unter: http://www.didactics.eu/ tik/innenpolitik/627076/Umfrage_FPOe-schafft- fileadmin/pdf/Sickinger_Parteien.pdf Anschluss-an-Grossparteien?from=suche.intern. (07/12/2011) portal (10/02/2011) Steininger, Barbara (2010). Landtagswahlen und Ecker, Alois; Edel, Klaus; Suschnig Hanna- Landtage in Österreich. In: Fachdidaktikzent- Maria (2010). Orientierung zur historisch-po- rum für Geschichte, Sozialkunde und Politische litischen Bildung. In: Fachdidaktikzentrum für Bildung der Universität Wien (Hg.) (2010). Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung Landtagswahlen und Landtage in Österreich. der Universität Wien (Hg.) (2010). Landtags- historisch-politische bildung. Themendossiers wahlen und Landtage in Österreich. historisch- zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und politische bildung. Themendossiers zur Didaktik Politischer Bildung, 2010 (1), Wien. 15–21. von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung, 2010 (1), Wien. 5–13. Talbot, Davis (2008). Das Geheimnis seines Er- folgs. Technology Review. Online unter: http:// Imas-International (Hg.) (2011). Imas Interna- www.heise.de/tr/artikel/Das-Geheimnis-seines- tional Report Nr. 2, Januar 2011. Abschied von Erfolges-275770.html (10/02/2011) Wählern und Milieus. Online unter: http://www. imas.at/content/download/623/2957/version/1/ Zeger, Hans G. (2008). Langweilig, antiquiert, file/2-2011.pdf (10/02/2011) peinlich – Internetwahlkampf NRW‘08. Online unter: http://www2.argedaten.at/ Leonhard, Joachim-Felix (2001). Medienwis- php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT- senschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der ARGEDATEN&s=61923vcr (10/02/2011) Medien und Kommunikationsformen Teil 2. Berlin. Online unter: http://books.google.at/ books?id=J8caWe6p8egC&pg=PA1771&lpg=PA 1771&dq=Reichweite+von+Wahlplakaten&sour http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalratswahl_ ce=bl&ots=P-OHEBukIN&sig=87tvjBfPSqn2e9f in_%C3%96sterreich_2008 (10/2/2011) KvoD2lRwJ71U&hl=de&ei=pRdZT DNGKswbtwailCw&sa=X&oi=book_re- http://www.wissenswertes.at/index. sult&ct=result&resnum=4&ved=0CDIQ6AE wAw#v=onepage&q=Reichweite%20von%20 Wahlplakaten&f=false (10/02/2011) Patalong, Frank (2008, 11. Februar). Obama boomt im Internet. Online unter: http://www. spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,534397,00.html 6 No 4 / 2011
Hinweise zur Umsetzung im Unterricht Hinweise zur Umsetzung im Unterricht Klaus Edel, Hubert Sickinger Das Thema „politische Parteien“ lässt sich in unterschied Im Unterricht kann vertiefend auf weiterführende Quellen lichen Unterrichtskontexten bearbeiten. Im Zeitgeschichte- zurückgegriffen werden. Hier bieten sich an parteioffiziellen Unter richt liegen die Anknüpfungspunkte für die Dar Texten zweierlei Quellen an: stellung von Parteien dadurch nahe, dass grundlegende Das grundlegende Politikverständnis (die offizielle „Par- Verfassungs- und politische Systementscheidungen immer teiideologie“) wird für längere Zeiträume in Grundsatz- auch Entscheidungen der Parteien waren (Ausrufung der programmen dokumentiert. Alle derzeit im Nationalrat Republik 1918, Verfassung 1920/Verfassungsnovelle 1929, vertretenen Parteien haben derartige Grundsatzprogram- Zerstörung der Demokratie 1933/34 und deren Wiederbe- me verabschiedet (ÖVP 1995, FPÖ 1997, SPÖ 1998, Grüne gründung 1945, EU-Beitritt 1995 etc.). Parteien waren seit 2001, BZÖ 2010), die auch auf den Webseiten der Partei- 1918 stets entscheidende (wenngleich nicht die einzigen en zu finden sind. Für bestimmte Themen und anhand von einflussreichen) politische(n) Akteure, sie prägen die po- Wahlen werden auch Programme für bestimmte Politikfel- litische Praxis der Verfassungsinstitutionen (Parlamente, der und Wahlprogramme beschlossen, die ebenfalls online Regierungen auf Bundes- und Landesebene, die Politik in zugänglich sind. der jeweiligen Gemeinde). Für beide Arten von Texten gilt, dass sie zwar nicht not- Besonders geeignete Anlässe für die vertiefte Beschäftigung wendigerweise in konkreten Situationen oder für einzelne mit Parteien bilden Wahlen, anhand derer die Schüler/in- Politiker/innen handlungsanleitend sind (oder Parteifunk- nen motiviert werden können, die Wahlkämpfe von Partei- tionär/innen tatsächlich bekannt sein müssen). Es handelt en anhand von Wahlplakaten, Inseraten und Medienauftrit- sich allerdings um gut geeignete, sorgfältig durchdachte und ten zu analysieren. Für langfristige historische Vergleiche formulierte Textsorten für die Analyse des parteioffiziellen bieten v.a. Wahlplakate eine besonders eindrückliche visu- Selbstverständnisses und der grundlegenden Ausrichtung elle Quelle – da der historische Wandel von Parteiaussagen, der jeweiligen Partei. Beide Typen von Programmen bieten der symbolischen Selbst- und Gegnerdarstellung und der sich auch anhand aktueller politischer Themen zur Analyse historische Kontext hier sehr gut sichtbar werden (Beispiel: von Parteistandpunkten an. die Militanz der innenpolitischen Auseinandersetzung der Ersten Republik wird anhand von Plakaten besonders ein- drucksvoll „begreifbar“). Literatur Unter Wahlstrateg/innen wird Plakaten heute nur mehr Frick, Lothar (Hg.) (2009). Politische Plakate. Von der Weimarer Republik bis zur jungen Bundesrepublik. Politik und Unterricht. Zeitschrift für die eine geringe Werbewirksamkeit zugemessen, als strategisch Praxis der Politischen Bildung 2009 (2-3). Stuttgart. entscheidend werden Fernsehauftritte und geschickte The- mensetzung gegenüber Massenmedien betrachtet.1 Sie bie- Filzmaier, Peter; Karmasin, Matthias; Klepp, Cornelia (2006). Politik und ten dennoch einen Ausgangspunkt für Eigenrecherche für Medien – Medien und Politik. Wien. Schüler/innen. Plakate sind ein Teil der Lebenswelt der Ler- Plasser, Fritz (2010). Politik in der Medienarena. Praxis politischer Kom- nenden, der Umgang mit ihnen ermöglicht es, die Medien- munikation in Österreich. Wien. kompetenz der Schüler/innen ebenso wie die historischen und politisch bildenden Kompetenzen zu fördern. Dabei geht es um die Analyse und Dechiffrierung politischer Wer- bestrategien und um die kritische Einschätzung von Ein- fluss und Wirkung der visuellen und verbalen Botschaften. Die Schüler/innen sollen aber auch in der Lage sein, Urhe- ber/innen und Adressat/innen einer Botschaft sowie deren Interessen zu benennen und sich eine eigene Meinung zu bilden. (Vgl. Frick 2009, 15) 1 Zur Politikdarstellung und politischen Parteistrategien in modernen Mediende- mokratien existiert mittlerweile ausführliche Literatur auch zu Österreich: Vgl. etwa Filzmaier et al. 2006; Plasser 2010. No 4 / 2011 7
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich php?id=parteien-oesterreich (10/02/2011) Politische Parteien tikfelder und Wahlprogramme beschlossen, die ebenfalls online zugänglich sind. Hubert Sickinger Für beide Arten von Texten gilt, dass sie zwar nicht not- wendigerweise in konkreten Situationen oder für einzelne Das Thema „politische Parteien“ lässt sich in unterschiedlichen Politiker/innen handlungsanleitend sind (oder Parteifunk- Unterrichtskontexten bearbeiten. Im Zeitgeschichte-Unter tionär/innen tatsächlich bekannt sein müssen). Es handelt richt liegen die Anknüpfungspunkte für die Darstellung von sich allerdings um gut geeignete, sorgfältig durchdachte und Parteien dadurch nahe, dass grundlegende Verfassungs- und formulierte Textsorten für die Analyse des parteioffiziellen politische Systementscheidungen immer auch Entschei- Selbstverständnisses und der grundlegenden Ausrichtung dungen der Parteien waren (Ausrufung der Republik 1918, der jeweiligen Partei. Beide Typen von Programmen bieten Verfassung 1920/Verfassungsnovelle 1929, Zerstörung der sich auch anhand aktueller politischer Themen zur Analyse Demokratie 1933/34 und deren Wiederbegründung 1945, von Parteistandpunkten an. EU-Beitritt 1995 etc.). Parteien waren seit 1918 stets ent- scheidende (wenngleich nicht die einzigen einflussreichen) politische(n) Akteure, sie prägen die politische Praxis der Politische Plakate Verfassungsinstitutionen (Parlamente, Regierungen auf Klaus Edel Bundes- und Landesebene, die Politik in der jeweiligen Ge- meinde). Plakate sind ein Teil der Lebenswelt der Lernenden, der Umgang mit ihnen ermöglicht es, die Medienkompetenz Besonders geeignete Anlässe für die vertiefte Beschäftigung der Schüler/innen ebenso wie die historischen und politisch mit Parteien bilden Wahlen, anhand derer die Schüler/in- bildenden Kompetenzen zu fördern. Dabei geht es um die nen motiviert werden können, die Wahlkämpfe von Partei- Analyse und Dechiffrierung politischer Werbestrategien en anhand von Wahlplakaten, Inseraten und Medienauftrit- und um die kritische Einschätzung von Einfluss und Wir- ten zu analysieren. Für langfristige historische Vergleiche kung der visuellen und verbalen Botschaften. Die Schüler/ bieten v.a. Wahlplakate eine besonders eindrückliche visu- innen sollen aber auch in der Lage sein, Urheber und Ad- elle Quelle – da der historische Wandel von Parteiaussagen, ressat/innen einer Botschaft sowie deren Interessen zu be- der symbolischen Selbst- und Gegnerdarstellung und der nennen und sich einen eigenen Standpunkt zu bilden. (Vgl. historische Kontext hier sehr gut sichtbar werden (Beispiel: Frick 2009, 15). die Militanz der innenpolitischen Auseinandersetzung der Ersten Republik wird anhand von Plakaten besonders ein- drucksvoll „begreifbar“). Literatur Unter Wahlstrateg/innen wird Plakaten heute nur mehr Frick, Lothar (Hg.) (2009). Politische Plakate. Von der Weimarer Republik eine geringe Werbewirksamkeit zugemessen, als strategisch bis zur jungen Bundesrepublik. Politik und Unterricht. Zeitschrift für die entscheidend werden Fernsehauftritte und geschickte The- Praxis der Politischen Bildung 2009 (2-3). Stuttgart. mensetzung gegenüber Massenmedien betrachtet.1 Sie bie- ten dennoch einen Ausgangspunkt für Eigenrecherche für Filzmaier, Peter; Karmasin, Matthias; Klepp, Cornelia (2006). Politik und Medien – Medien und Politik. Wien. Schüler/innen. Im Unterricht kann vertiefend auf weiter- führende Quellen zurückgegriffen werden. Hier bieten sich Plasser, Fritz (2010). Politik in der Medienarena. Praxis politischer Kom- an parteioffiziellen Texten zweierlei Quellen an: munikation in Österreich. Wien. Das grundlegende Politikverständnis (die offizielle „Partei- ideologie“) wird für längere Zeiträume in Grundsatzpro- grammen dokumentiert. Alle derzeit im Nationalrat ver- tretenen Parteien mit Ausnahme des BZÖ haben derartige Grundsatzprogramme beschlossen (ÖVP 1995, FPÖ 1997, SPÖ 1998, Grüne 2001), die auch auf den Webseiten der Parteien zu finden sind. Für bestimmte Themen und anhand von Wahlen werden auch Programme für bestimmte Poli- 1 Zur Politikdarstellung und politischen Parteistrategien in modernen Mediende- mokratien existiert mittlerweile ausführliche Literatur auch zu Österreich: vgl. etwa Filzmaier et al. 2006; Plasser 2010. 8 No 4 / 2011
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich Politische Parteien in Österreich Hubert Sickinger 1. Hauptsächliche Funktionen politischer Parteien Partei zumindest in die Kandidat/innenliste aufgenommen wurden. Die Parteien haben somit ein Monopol bei der Re- 1.1 Parteien als zentrale Akteure bei Wahlen krutierung von Nationalratsabgeordneten. Ähnlich stellt Parteien sind das wichtigste verbindende Element zwischen sich die Situation auch für Landtagsabgeordnete und Ge- den demokratisch bestellten Verfassungsinstitutionen – meinderät/innen dar: Auch hier haben letztlich die Parteien Parlamenten und Regierungen auf Bundes-, Landes- und die zentrale Rolle bei der Auswahl der Kandidat/innen, und Gemeindeebene – und der Bevölkerung.2 Sie haben dabei trotz Vorzugsstimmensystem ist normalerweise die von der zwar kein Monopol, da auch Interessenverbände (z.B. der Partei vorgenommene Reihung auf der Kandidat/innenliste Österreichische Gewerkschaftsbund, die Kammern) wirt- entscheidend für die tatsächliche Mandatsvergabe. schaftliche und gesellschaftliche Interessen artikulieren und zu Forderungsprogrammen bündeln und damit an politi- Es gibt hunderte politische Parteien in Österreich, die in schen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das zentrale unterschiedlicher Intensität aktiv sind. Von überregionaler Merkmal politischer Parteien besteht im Unterschied zu Bedeutung sind allerdings nur die fünf Parteien, welche die Verbänden aber darin, dass sie sich an Parlamentswahlen Wahl in den Nationalrat geschafft haben (SPÖ, ÖVP, FPÖ, beteiligen. Parteien sind dadurch die Organisationen, wel- BZÖ, Grüne) sowie einzelne bundesweit aktive Kleinpartei- che die Auswahl der Mitglieder der Parlamente – und damit en (wie die KPÖ und das Liberale Forum). In Einzelfällen indirekt der Regierungen – bestimmen. haben zuletzt nicht-etablierte Parteien die Wahl in einzelne Landtage geschafft (die Liste Fritz in Tirol, die KPÖ in der Der österreichische Nationalrat wird nach dem System Steiermark), in Gemeinderäten haben Namenslisten – die der Verhältniswahl gewählt. Dabei existieren drei Stufen der meist von der lokalen Bekanntheit ihrer Repräsentant/in- Mandatszuweisung3: nen leben – größere Chancen. • 43 Regionalwahlkreise bilden die unterste Ebene, umfas- sen mehrere Verwaltungsbezirke, zu vergeben sind 1–8 Die Gründung einer politischen Partei ist denkbar einfach: Mandate (im Durchschnitt 4–5 Mandate) Im Wesentlichen reicht die Hinterlegung der Statuten im • neun Landeswahlkreise Innenministerium und deren Veröffentlichung in einer pe- • ein Bundeswahlkreis riodischen Druckschrift. Die Beteiligung an Wahlen stellt allerdings beträchtliche Hürden dar (z.B. Sammeln von Un- Um Mandate zu erlangen, muss eine Partei alternativ zu- terstützungserklärungen, die im Gemeindeamt abgegeben mindest ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis werden müssen), vor allem aber kosten Wahlkämpfe viel erreichen oder bundesweit zumindest vier Prozent der Geld. Parteien brauchen somit Unterstützer/innen (zahlrei- gültigen Stimmen erhalten. In den Regional- und Landes- che Aktivist/innen, Wahlhelfer/innen), Kandidat/innen, die wahlkreisen gibt es für die Wähler/innen die Möglichkeit, für bestimmte Themen und Interessen in der Wählerschaft die Reihung der Kandidat/innen über Vorzugsstimmen zu stehen, und finanzielle Ressourcen. Sie benötigen kontinu- verändern. (Im Regionalwahlkreis genügt ein Sechstel der ierliche Aufmerksamkeit der Massenmedien, die sektiere- Stimmenzahl der Partei für eine Kandidatin/einen Kandi- rische „Splitterparteien“ von vornherein kaum erwarten daten für deren/dessen Vorreihung. Auf Landesebene reicht können. die halbe Wahlzahl, das ist die halbe Stimmenzahl, die für ein Mandat erforderlich ist.) Aber auch in diesen Fällen ei- 1.2 Österreichs Parteien als politisch-gesellschaftliche ner personalisierten Stimmabgabe ist Voraussetzung, dass „Lager“ erfolgreiche Vorzugsstimmenkandidat/innen von ihrer Parteien sind zumindest in Österreich nicht auf die be- 2 Es gibt eine Unmenge an Literatur zu politischen Parteien. Eine kompakte Einfüh- reits genannten Kernfunktionen der Beteiligung an Wah- rung in zentrale Themen der Parteienforschung bietet etwa Saalfeld 2007. Die wich- len, Präsentation von Programmen und Rekrutierung der tigsten österreichischen Parteien werden im führenden Handbuch des politischen Systems Österreichs beschrieben (Dachs et al. 2006, Teil III: Parteiensystem) – mit Bei- in Parlamenten und Regierungen aktiven Politiker/innen trägen von Ucakar (SPÖ), Müller (ÖVP), Luther (FPÖ, BZÖ), Dachs (Grüne) und Liegl beschränkt. Vor allem die beiden Großparteien, SPÖ und (Kleinparteien). Als gut lesbaren, knappen aktuellen Überblick zum österreichischen Parteiensystem vgl. Pelinka 2005. ÖVP (bzw. deren Vorgänger in der Ersten Republik, die So- 3 Genauere Informationen zum Wahlsystem auf Bundesebene sind unter http:// zialdemokratische Arbeiterpartei und die Christlichsoziale www.bmi.gv.at/wahlen/ (15/04/2011) zu finden. Partei), waren historisch Teil politisch-weltanschaulicher No 4 / 2011 9
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich „Lager“, die ihre Aufgabe in der umfassenden Einbindung tischen Angebots ist auch auf die Wähler/innenschaft der der einzelnen Individuen, deren politischer Sozialisation Parteien einzugehen. und Mobilisierung und nicht zuletzt v.a. in den ersten Jahr- zehnten der Zweiten Republik auch in Patronageleistungen erblickten (Vermittlung von Arbeitsplätzen im öffentlichen 2. Geschichte des österreichischen Parteiensystems Sektor, günstigen Gemeinde- und Genossenschaftswoh- nungen u.Ä.).4 Als Erbschaft dieser mittlerweile stark aufge- 2.1 Monarchie und Erste Republik weichten „Lagerstruktur“ stützen sich ÖVP und SPÖ immer Parteien im heutigen Verständnis – mit nennenswerten noch auf ca. ein Achtel der Wahlberechtigten als Mitglieder, Mitgliederzahlen und einer dauerhaften Organisation was international einen Spitzenwert darstellt und eben nur sowie stabilen Fraktionen im Parlament (Parlamentsklubs) – historisch erklärbar ist, sie sind zugleich aber auch mit ein- entstanden in Österreich im letzten Vierteljahrhundert der schlägigen Negativimages (Vorwürfen der geradezu sprich- Monarchie. wörtlichen „Parteibuchwirtschaft“) konfrontiert. Daneben • Die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, existierte seit dem 19. Jahrhundert ein kleineres deutsch- der historischen Vorläuferin der SPÖ, in Form einer Ei- nationales „Lager“. Die spätere Verstrickung der meisten nigung unterschiedlicher Strömungen durch Viktor Ad- Funktionäre der deutschnationalen Parteien in den Natio- ler datiert 1889. nalsozialismus prägt die Wahrnehmung der Nachfolgepar- • Die Christlichsoziale Partei, historische Vorläuferin der teien (FPÖ und BZÖ) teilweise bis heute.5 ÖVP, wurde 1891 vom späteren Wiener Bürgermeister Karl Lueger gegründet. Die Geschichte der Parteien stellt somit einen Schlüsselfak- • Auf eine noch ältere Tradition können nur liberale und tor für die Erklärung auch des gegenwärtigen Parteiensys- deutschnationale Parteien – historisch die Vorläufer der tems dar, durch die Behandlung der Parteien im Geschichts- Deutschnationalen der Ersten Republik und der Frei- unterricht ab dem späten 19. Jahrhundert kann somit auch heitlichen nach 1945 – verweisen. Diese entstanden ab ein essentieller Beitrag zur politischen Bildung vermittelt 1867 (Beginn der konstitutionellen Monarchie) im nach werden. Die Erklärungskraft der Parteigeschichte bezieht einem sehr eingeschränkten Kurienwahlsystem gewähl- sich dabei auf folgende Ebenen: ten Abgeordnetenhaus und bestanden im Wesentlichen • Parteien werden von den Wähler/innen normalerweise aus losen Vereinigungen gleichgesinnter Abgeordneter, nicht auf Basis einer genauen Kenntnis ihrer Programme kannten also noch keine Parteiorganisationen außerhalb gewählt: Wahlverhalten basiert zum Großteil auf Images des Parlaments. Bekanntester und umstrittenster Reprä- der Parteien (und ihrer Spitzenrepräsentant/innen), die zu sentant der Deutschnationalen im späten 19. Jahrhun- einem beträchtlichen Teil auch historisch gewachsen sind. dert war Georg Ritter von Schönerer. • Auch die Wahrnehmung der konkurrierenden Parteien bzw. das Politikbild der aktiven Mitglieder, Funktionär/ Voraussetzung für die Bildung von Parteien war die Durch- innen und gewählten Mandatar/innen ist durch die jewei- setzung der konstitutionellen Monarchie, die mit der De- lige Geschichte des eigenen „Lagers“ stark geprägt. zemberverfassung 1867 abgeschlossen wurde. Voraus- setzung der Durchsetzung der außerhalb des Parlaments Im Folgenden soll daher zunächst ein knapper Überblick entstandenen Massenparteien gegenüber den liberalen und über die Geschichte des österreichischen Parteiensystems nationalen „Honoratiorenparteien“ war die Ausweitung des geboten werden. Die Personalauswahl („Elitenrekrutie- Wahlrechts, das zunächst ein eng begrenztes Kurienwahl- rung“) der Parteien ist weiters durch ihre internen Struktu- recht war, 1897 um eine allgemeine Wählerkurie erweitert ren, d.h. ihren Aufbau und ihre internen Machtverhältnis- und 1907 durch ein allgemeines und gleiches Wahlrecht für se geprägt, weshalb anschließend die Parteiorganisationen Männer ersetzt wurde. Frauen erhielten erst 1918 das Wahl- behandelt werden. Als Ergebnisse sowohl der historischen recht.6 Entwicklung als auch des aktuellen personellen und thema- Auch nach 1867 wurden Parteien vom monarchischen Ob- rigkeitsstaat zunächst polizeistaatlich überwacht und im 4 Vgl. zur Patronage im österreichischen Parteiensystem Müller 1988. Falle revolutionärer Zielsetzungen vehement bekämpft. 5 Vgl. zu den Parteien der Ersten Republik die Beiträge von Maderthaner (Sozial- Parteien entwickelten sich daher vorerst außerhalb des demokratie), Staudinger et al. (Christlichsoziale Partei), Ehmer (KPÖ, Dostal (DNV), Burkert (Landbund) und Jagschitz (NSDAP) im „Handbuch des politischen Systems 6 Eine ausführliche Untersuchung der Entwicklung des Wahlrechts in Österreich (bis Österreich: Erste Republik“ (Tálos et al. 1995). in die frühen 1980er-Jahre) bietet Ucakar 1985. 10 No 4 / 2011
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich Vereinsrechts und wiesen anfangs eher lose Organisations- te intern zerstritten. Die Regierung agierte deshalb in der strukturen auf. Am Beispiel der Sozialdemokratischen Ar- Praxis meist auf Basis von Notverordnungen am (nicht ein- beiterpartei können die schwierigen Ausgangsbedingungen berufenen) Parlament vorbei. Erst 1918 mit dem Zusam- veranschaulicht werden: menbruch des bisherigen Regimes als Folge der Niederlage • Ihre Basis bildete die unterprivilegierte städtische Ar- im Ersten Weltkrieg wurden die Parteien die zentralen Ak- beiterklasse – die damals noch keine 48-Stunden-Woche teure im politischen System. Die 1920 beschlossene Verfas- und Sechstagewoche, keinen Achtstunden-Arbeitstag sung war ein Kompromiss der großen Parteien, die neu ge- kannte (diese Forderungen wurden erst 1918/1919 schaffene parlamentarische Republik war parteienstaatlich durchgesetzt). dominiert. 1918 bis 1920 bildeten die beiden Großparteien • Aufgrund des sehr eng gefassten Wahlrechts handelte es eine Koalition. 1920 ging die Sozialdemokratische Arbeiter- sich (auch im eigenen Selbstverständnis) um eine außer- partei (SDAPÖ) in Opposition, während die Christlichsozi- parlamentarische Kampforganisation mit revolutionärer ale Partei ab diesem Zeitpunkt mit wechselnden Koalitions- (marxistischer) Weltanschauung. partnern (den kleineren deutschnationalen Parteien DNVP, • „Halblegaler“ Status: Vor dem 1. Weltkrieg waren der- dem Landbund, den Heimwehren) regierte („Bürger- artige politische Parteien im Grunde von den monar- block“). Nur in Wien verfügten die Sozialdemokraten über chischen kontinentaleuropäischen Obrigkeitsstaaten eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten, die für eine auch allenfalls geduldet, aber nicht explizit erlaubt. Erst ab international viel beachtete Kommunalpolitik (kommunaler Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Männer- Wohnbau, Kulturpolitik etc.) genützt werden konnte. wahlrechts waren Parteien zumindest indirekt de facto anerkannt (weshalb die SDAP in den Jahren 1907–1909 Die Konflikte zwischen den Parteien betrafen einerseits ihren Parteiapparat neu organisieren und konsolidieren die Lastenverteilung der Problembewältigung der zerrüt- konnte). teten Nachkriegswirtschaft (Österreich als Kernland der • Diesen Parteien stand eine geschlossene Abwehrfront „cisleithanischen“ Reichshälfte der Monarchie hatte eine von militant entschlossenen Kräften um Thron und Altar überproportionale Bürokratie „geerbt“, die Industrie hatte und den Besitzenden gegenüber – wo sie politisch auf- durch neue Zollschranken der Nachfolgestaaten der Mon- traten, wurden sie von den herrschenden Kräften auch archie Absatzmärkte verloren, in den Anfangsjahren verlor ideologisch auf das Schärfste bekämpft. der Mittelstand durch eine galoppierende Inflation seine Er- sparnisse etc.). Österreich erreichte erst 1929, unmittelbar Die zunächst ablehnende Haltung der Obrigkeit traf al- vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, annähernd wieder lerdings nicht nur die Sozialdemokratie. Auch die Christ- die Wirtschaftsleistung von vor dem Krieg. Andererseits lichsoziale Partei wurde – aufgrund ihrer zu Beginn stark lagen auch die ideologischen Ziele der Parteien diametral antikapitalistischen Rhetorik und ihres ausgeprägten An- auseinander: Demokratie bildete eigentlich nur die Spielre- tisemitismus – seitens des Kaiserhauses vorerst abgelehnt. gel für den politischen Prozess, kaum einen Wert an sich. Erst in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wuchs die Die Parteien vertraten divergente politisch-gesellschaftliche Christlichsoziale Partei, die ihre soziale Basis v.a. im Klein- Leitbilder: Seitens der Christlichsozialen waren dies vor al- bürgertum (prominentestes Beispiel: Wien in der Zeit Karl lem die Umsetzung der moralischen und machtpolitischen Luegers, dessen Wahlerfolge auf einem ungleichen Kurien- Ziele der katholischen Kirche (etwa im Erziehungswesen wahlrecht basierten, das Arbeiter stark benachteiligte) und und im Familienrecht) und zunehmend auch ständestaat- der Landbevölkerung hatte, in die Rolle einer potentiellen liche und autoritäre Gesellschafts- und Politikziele, seitens konservativen Reichspartei hinein. der Sozialdemokratie waren dies austromarxistische Ziel- setzungen eines demokratischen Sozialismus. An die lang- Die neuen Massenparteien setzten sich mit der Durchset- fristige Überlebensfähigkeit des Kleinstaates glaubte in der zung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts Ersten Republik nur eine Minderheit, die kleinen deutsch- gegen die früheren Honoratiorenparteien durch. Auf dem nationalen Parteien vertraten einen Anschluss an das Deut- Gebiet des heutigen Österreich wurden die Sozialdemokra- sche Reich im Vergleich mit CSP und SDAPÖ (die den „An- ten und Christlichsozialen bereits vor dem Ersten Weltkrieg schluss“ erst 1933 nach Hitlers Machtergreifung verwarfen) die stärksten Parteien. Diese verfügten allerdings nur über mit besonderer Vehemenz. geringen tatsächlichen Einfluss: Das Parlament hatte in der konstitutionellen Monarchie keinen Einfluss auf die Bildung Organisatorisch gab es markante Unterschiede zwischen den der Regierung und war aufgrund der Nationalitätenkonflik- Parteien. Die SDAPÖ war auch von den Mitgliederzahlen No 4 / 2011 11
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich eine Massenpartei: Verfügte sie 1913 in Cisleithanien laut he-Bankrott und Verstaatlichung der Credit-Anstalt und Parteitagsbericht über ca. 142.000 Mitglieder, so stieg die- hoher Arbeitslosigkeit) überforderte angesichts der Pola- se Zahl in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bereits auf risierung der Lagerparteien die Problemlösungsfähigkeit 330.000, 1929 und 1932 weist der Parteitagsbericht jeweils der noch jungen Demokratie, und Wahlergebnisse auf Lan- ca. 650.000 Mitglieder aus, davon ca. 400.000 in Wien. Im des- und Gemeindeebene ab 1932 zeigten, dass die bishe- „Roten Wien“ war damit ein Viertel der Bevölkerung bzw. rigen kleineren deutschnationalen Regierungsparteien ihre jede zweite Arbeiterin/jeder zweite Arbeiter Mitglied der Stimmen zunehmend an die NSDAP verloren. Die christ- Partei. Zu diesem Zeitpunkt war auch sehr bemerkenswert, lichsoziale Regierung nützte daher am 3. März 1933 eine dass bereits ein knappes Drittel der sozialdemokratischen Abstimmungspanne im Nationalrat zur Ausschaltung des Parteimitglieder Frauen waren. Die hohen Mitgliederzahlen Parlamentarismus, zur schrittweisen Ausschaltung verfas- zeigen, dass es der Sozialdemokratie gelungen war, eine um- sungsstaatlicher Institutionen und zum schrittweisen Ver- fassende „Gegengesellschaft“ zur katholisch-konservativen bot konkurrierender Parteien (1933 zunächst der NSDAP Mehrheitsgesellschaft aufzubauen, die sich nicht nur in der und KPÖ, im Februar 1934 der SDAPÖ). Die Folge waren Partei selbst erschöpfte: Ziel war (durchaus analog und als 1934 zwei Bürgerkriege (gegen die Sozialdemokraten im Gegenstück zur katholischen Kirche) der Aufbau eines um- Februar und der NS-Putschversuch im Juli) mit jeweils fassenden Vereinsnetzwerks und komplementärer kommu- hunderten Toten. Oppositionelle parteipolitische Tätigkeit naler Dienste, um es den eigenen Anhängern zu ermögli- war ab 1933 bzw. 1934 nur noch in der Illegalität gegen den chen, ihr gesamtes Leben („von der Wiege bis zur Bahre“, „christlichen Ständestaat“ möglich, der in der politischen d.h. von der sozialdemokratischen Kinderkrippe bis zum Praxis eher eine Regierungsdiktatur mit polizeistaatlicher Bestattungsverein „Die Flamme“) im Rahmen der Sozialde- Unterdrückung der Opposition und dem nur eingeschränkt mokratie zu verbringen. erfolgreichen Versuch der (auch erzwungenen) Mobilisie- rung von Unterstützung bzw. Akklamation durch mono- Die Christlichsoziale Partei war in der Ersten Republik der polistische Massenorganisationen wie die Vaterländische politische Arm der katholischen Kirche. Sie konnte sich da- Front darstellte. 1938 wurde der Ständestaat durch den Ein- her weitgehend auf deren Unterstützung verlassen und dar- marsch der Truppen des Deutschen Reichs beendet.7 Die auf verzichten, selbst eine massenhafte Mitgliederbasis und folgende NS-Diktatur 1938–45 war bei der Verfolgung tat- ein eigenes dichtes Vereinsnetzwerk aufzubauen. Die CSP sächlicher oder vermeintlicher Gegner/innen des Regimes war stark föderalistisch mit je nach Bundesland differie- weitaus konsequenter und erfolgreicher. Dennoch konnten renden Strukturen organisiert. In der 1933/34 schrittweise nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ die beiden durch die christlichsoziale Regierung errichteten Diktatur Großparteien erstaunlich rasch an ihre personellen und teil- ging sie de facto in der neu geschaffenen Einheitspartei Va- weise auch organisatorischen Traditionen von vor 1933 bzw. terländische Front auf (und wurde schließlich auch formal 1938 anknüpfen. aufgelöst). Die Politik der Ersten Republik war in hohem Maße pola- 2.2 Zweite Republik risiert, auch von einem beträchtlichen Ausmaß politisch Die historische Erblast der Entwicklung der 1920er- und motivierter Gewalt an der gesellschaftlichen Basis ge- 1930er-Jahre samt Bürgerkrieg und „autoritärem Stände- prägt. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, dass in den staat“ belastete auch nach 1945 das Verhältnis zwischen den 1920er-/1930er-Jahren im Naheverhältnis zu den Parteien Großparteien. Anders als vor 1934 bzw. 1938 wurden diese bzw. politischen „Lagern“ auch bewaffnete paramilitärische Gegensätze allerdings nicht mehr offen als Gegensatz von Verbände (Republikanischer Schutzbund, Heimwehren, Regierung und Opposition ausgetragen, stattdessen bilde- Frontkämpferverbände) existierten. Ab 1927 – Menetekel ten ÖVP und SPÖ 1945 eine große Koalition (bis 1947 unter der Radikalisierung war der Brand des Justizpalastes und Einschluss auch der KPÖ, die sich bei den Nationalrats- und der Einsatz von Waffengewalt gegen die Demonstrant/ Landtagswahlen 1945 allerdings als Kleinpartei erwies). innen durch die Polizei mit über 90 Toten und hunderten Für diese gemeinsame Politik war sicherlich hilfreich, dass Verletzten – verschärfte sich diese Polarisierung zusehends, zahlreiche Spitzenfunktionäre des Jahres 1945 in der Zeit insbesondere die Heimwehren (zeitweilig Koalitionspartner des „Anschlusses“ in deutschen Konzentrationslagern die der Christlichsozialen) orientierten sich nach dem Vorbild Erfahrung gemeinsamer Verfolgung durch das national- Mussolinis nun offen am Faschismus. Die Bewältigung der 7 Vgl. zum (austrofaschistischen) „Ständestaat“ Tálos/Neugebauer 2005, zur NS-Herr- Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre (samt Beina- schaft in Österreich Tálos et al. 2000. 12 No 4 / 2011
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich sozialistische Deutsche Reich machen mussten (der vielzi- auch Mitglied in einer der Großparteien) war allerdings tierte „Geist der Lagerstraße“). Wichtiger war freilich die nicht nur durch eine hohe Identifikation mit diesen Partei- Notwendigkeit, in dem 1945–55 in vier Besatzungszonen en bedingt, sondern auch durch die gerade sprichwörtliche aufgeteilten Österreich die staatliche Einheit zu retten (ins- „Parteibuchwirtschaft“ (Vgl. Müller 1988): In den ersten Jahrzehn- besondere eine Eingliederung der sowjetischen Besatzungs- ten der Zweiten Republik war der Zugang zu Arbeitsplät- zone in den neu gebildeten kommunistischen Staatenblock zen in der Verwaltung oder den großen Sektor staatlicher durch eine Teilung wie in Deutschland zu verhindern) und Wirtschaftsunternehmen überwiegend mit der Notwen- den Wiederaufbau der zunächst zerrütteten Nachkriegs- digkeit einer Parteimitgliedschaft verbunden, dasselbe galt wirtschaft zu ermöglichen. bis in die 1980er-Jahre auch für den Zugang zu günstigen Darüber hinaus bestand das einigende Band – das zu ei- Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Die parteipo- ner Fortführung der Koalition noch ein weiteres Jahrzehnt litische Patronage bezog sich somit nicht nur auf wirtschaft- nach Wiedererlangung der völligen Souveränität 1955 führ- liche oder administrative Führungsfunktionen (wo sie bis te – aber eben in den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit heute eine wichtige Rolle spielt), sondern sehr weitgehend und dem massiven wechselseitigen Misstrauen gegenüber auch auf untergeordnete Funktionen. Umgekehrt bedeutete den Absichten des Koalitions„partners“ im Falle von des- die Nichtmitgliedschaft in ÖVP oder SPÖ (oder zumindest sen möglicher Alleinregierung. Die „Lösung“ des fortwir- in parteipolitisch klar zugeordneten Vorfeldorganisatio- kenden Konflikts bestand stattdessen in einer Machtteilung nen) deutlich verminderte berufliche und gesellschaftliche und einer durchaus wörtlich zu nehmenden Teilung der Chancen, zumindest im gesamten Staatssektor. Erst seit den Republik in eine „schwarze“ und eine „rote“ Einflusssphäre, 1980er-Jahren geriet die „Parteibuchwirtschaft“ auf breiter die (in Anlehnung an die vergangene österreichisch-unga- Basis unter starke öffentliche Kritik und wurde auch als rische Doppelmonarchie) ironisch auch als „Reichshälften“ Folge der damaligen Krise der verstaatlichen Industrie (die bezeichnet wurden. Der Konsens bestand darin, wichtige zu starkem Personalabbau und Privatisierungen führte) zu- (wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitische) Entschei- mindest im Bereich der Subaltern- bzw. Versorgungspatro- dungen nur gemeinsam zu treffen, wobei in die wirtschafts- nage großteils aufgegeben. politische Entscheidungsfindung auch die Kammern und der ÖGB eingebunden wurden: Neben der großen Koali- Eine Vertretung des deutschnationalen Lagers konnte erst tion entwickelte sich (auch aufgrund der Uneinigkeit der wieder ab 1949 kandidieren. Der VdU (Verband der Unab- Parteien ab Mitte der 1950er-Jahre in wirtschaftspolitischen hängigen) präsentierte sich vor allem als Vertreter der ehe- Themen) eine zunehmend intensive Kooperation der Groß- maligen Nationalsozialist/innen, die zu diesem Zeitpunkt verbände in Form der Sozialpartnerschaft. von der Entnazifizierung betroffen waren, seine Nachfolge- partei, die 1956 nach Abzug der Alliierten gegründete FPÖ, Die beiden bis in die 1990er-Jahre dominanten Großpartei- präsentierte sich noch prononcierter „national“ und kam en, SPÖ und ÖVP, waren jeweils die Nachfolger von SDAPÖ (auch deshalb) jahrzehntelang über den Status einer poli- und CSP der Zwischenkriegszeit. Allerdings verstand sich tisch marginalisierten Kleinpartei nicht hinaus. Erst ab 1970 nur die SPÖ auch offiziell als Nachfolgepartei, reaktivierte (parlamentarische Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsre- die Organisationsstruktur der Ersten Republik und konnte gierung) wurde die FPÖ als potentielle Koalitionspartnerin auch bald wieder die alten Mitgliederzahlen erreichen. Die der Großparteien eingestuft. Aber erst ab 1986 – nach dem ÖVP stellte hingegen trotz personeller Kontinuitäten eine Zwischenspiel einer wenig erfolgreichen kleinen Koalition Neugründung dar – die auch aufgrund des (zunächst v.a. of- mit der SPÖ und einem anschließenden Kurswechsel unter fiziellen) Rückzugs der katholischen Kirche aus der Parteipo- Jörg Haider zu einer radikal rechtspopulistischen Partei – litik nötig wurde. Die ÖVP musste ab 1945 daher neue Mit- stieg die FPÖ zu einer mittelgroßen Partei auf, die 1999 so- gliederstrukturen aufbauen, was ihr über einen indirekten gar die ÖVP knapp nach Stimmen überholen konnte. Nach Parteiaufbau über Bünde (Bauernbund, Wirtschaftsbund, dem Eintritt in eine Regierung mit der ÖVP (2000–2006) Arbeiter- und Angestelltenbund), die faktisch zugleich Inte- stießen die populistischen Forderungen an die realpoliti- ressenvertretungen darstellten, sehr rasch auch gelang. schen Grenzen der Machbarkeit und Durchsetzbarkeit, was deutliche Rückschläge und eine Abspaltung der regierungs- Die daraus resultierende, im internationalen Vergleich den orientierten Teile der Partei in Form des BZÖ zur Folge hat- absoluten Spitzenwert markierende Mitgliederdichte der te. Erst in der Opposition gegen eine erneute große Koaliti- Parteien (in den 1950er- bis zu den frühen 1980er-Jahren on erlebte der Nationalpopulismus einen Wiederaufstieg. war mehr als ein Viertel der wahlberechtigten Bevölkerung No 4 / 2011 13
Fachwissenschaftlicher Teil Politische Parteien in Österreich Als einziger tatsächlich „neuen“, da nicht in der gesellschaft- meinsamen Auftretens (gleichermaßen bei Regierungs- wie lichen „Lagerstruktur“ wurzelnden Partei, gelang nach 1945 Oppositionsparteien) durch die Parlamentsfraktionen auch den Grünen ab Mitte der 1980er-Jahre eine dauerhafte Eta- im internationalen Vergleich sehr strikt, was auch dar- blierung. Sie zogen erstmals 1986 in den Nationalrat ein, an abgelesen werden kann, dass ein von der Fraktion ab- schafften es aber erst 2004 auch in allen Landtagen vertre- weichendes Abstimmungsverhalten einzelner Mandatar/ ten zu sein. Die Grünen verstanden sich anfangs als parla- innen nur außerordentlich selten vorkommt (Stichwort mentarischer Arm der Umwelt-, aber auch Friedens- und „Klubzwang“).8 Frauenbewegung sowie von Bürger/inneninitiativen, stell- ten sich in der Frühphase auch das Ziel, eine basisdemokra- SPÖ und ÖVP sind beinahe flächendeckend in fast allen tische Partei ohne langfristig amtierende Berufspolitiker/ Gemeinden mit lokalen Parteiorganisationen (Ortsorgani- innen zu schaffen, entwickelten sich in der Folge aber eher sationen, Sektionen bzw. Ortsteilgruppen, Stützpunkten) zu einer linksliberalen Partei mit starken Mitentscheidungs- vertreten. Deren Arbeit wird üblicherweise auf Ebene der möglichkeiten der Funktionär/innenbasis. Bezirksparteiorganisationen koordiniert und unterstützt, die auch über hauptberuflich angestelltes Personal (Bezirks- Eine in den 1990er-Jahren vorübergehend erfolgreiche libe- parteisekretär/innen, Büropersonal) verfügen. Auf Landes- rale Partei (das Liberale Forum) konnte sich dem gegenüber und Bundesebene sind die Parteiorganisationen personell nicht dauerhaft in den Parlamenten behaupten. besonders stark ausgebaut. Auf allen Ebenen existierten als willensbildende Organe gewählte Obleute, Vorstände und breiter besetzte Ausschüsse sowie nur vergleichsweise sel- 3. Parteiorganisationen ten zusammentretende Parteitage, wobei letztere nach den Statuten die obersten Organe darstellen. Nur auf unterster Einige der etablierten Parteien sind Großorganisationen, Ebene existieren Vollversammlungen der Mitglieder. Die deren Angestelltenzahl und finanzieller Umsatz durchaus Organe der „übergeordneten“ Ebenen werden durch die mit Großunternehmen vergleichbar sind. Zugleich sind weiter unten angesiedelten, näher bei den Mitgliedern ange- Parteien aber Freiwilligenorganisationen, die maßgeblich siedelten Parteiorganisationen beschickt: Die innerparteili- auf unentgeltliche Mitarbeit ihrer Mitglieder und Funkti- che Demokratie ist eine Funktionär/innendemokratie. onär/innen angewiesen sind. Die Organisationssoziologie moderner Parteien weist ihnen somit eine hybride Natur zu: Neben die territoriale Gliederung tritt eine berufliche Glie- Sie sind gleichermaßen ehrenamtliche Organisationen (die derung durch Teil- oder Sonderorganisationen. Bei der ÖVP für die Aktiven unter ihren Mitgliedern und ihre kleineren ist diese Gliederung aufgrund ihrer „bündischen Struktur“ Funktionär/innen auch eine Art Clubleben Gleichgesinn- besonders stark ausgeprägt: Bis 1972 war automatisch mit ter zur Verfügung stellen), zugleich sind sie hauptberuflich der Mitgliedschaft in einer Teilorganisation (von denen betriebene spezialisierte Agenturen des Machterwerbs, wie Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB mit Abstand am an professionellen und kostenintensiven Wahlkämpfen so- einflussreichsten sind, daneben existieren noch Teilorgani- wie permanenter Öffentlichkeitsarbeit abgelesen werden sationen für Jugend, Frauen und Senioren) eine Parteimit- kann. Parteien bieten Angebote zur politischen Beteiligung gliedschaft verbunden und sogar nur auf diesem Umweg von Mitgliedern und Interessierten, sie stellen (sofern sie möglich. Erst seit den 1980er-Jahren muss auch ausdrück- über entsprechende Regierungsfunktionen oder Kontakte lich der ÖVP selbst formell beigetreten werden. Bis heute zu Entscheidungsträger/innen verfügen) mit ihren Abge- werden bei der ÖVP die Mitglieder fast ausschließlich durch ordneten, Bezirkssekretär/innen etc. aber zugleich auch die Teilorganisationen erfasst und betreut, die Funktionär/ Interventions- und Patronageangebote für Mitglieder und innen haben in diesen ihre politische „Hausmacht“, das in- mögliche Wähler/innen zur Verfügung und üben damit nerparteiliche Leben spielt sich großteils in den „Bünden“ auch (durchaus problematische) gesellschaftliche Macht ab. Auf diese Weise wurden innerparteilich zugleich die aus. Nicht zuletzt sind sie – über ihre Parlamentsklubs Wirtschaftsstrukturen der Frühphase der Zweiten Repub- und Gemeinderatsfraktionen – auch die koordinierenden lik reproduziert und teilweise bis heute erhalten: Dass der Institutionen für ihre in öffentliche Ämter gewählten Bauernbund (neben dem weniger einflussreichen Senio- Mandatar/innen (Abgeordnete, Gemeinderät/innen), die renbund) die mitgliederstärkste Teilorganisation (noch vor zumindest auf der Bundesebene und teilweise auch der ÖAAB und Wirtschaftsbund) ist, hat maßgeblich zur sehr Landesebene Politik hauptberuflich betreiben. In der öster 8 Vgl. zu den österreichischen Abgeordneten die umfassende Studie von Müller et reichischen politischen Praxis ist diese Steuerung des ge- al. 2001. 14 No 4 / 2011
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