Einen halben Dollar für meine Privatsphäre - Internetkonzerne verdienen mit den Daten ihrer Nutzer viel Geld, ohne sie dafür zu bezahlen. Eine ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
so. DIGITAL Einen halben Dollar für meine Privatsphäre Internetkonzerne verdienen mit den Daten ihrer Nutzer viel Geld, ohne sie dafür zu bezahlen. Eine Firma aus den USA will das ändern. Das Ergebnis ist ernüchternd. VON MARKUS WERNING
Sonntag, 12. April 2015 vVvvvvv so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre M Die Quelle der Daten (Auswahl) ehr als 6000 Kilometer trennen Matt Hogan und mich. Er arbeitet in New York. Ich lebe in Hannover. Wir kennen uns nicht. Trotzdem kann er sagen, wo GOOGLE TIPPEN SIE AUF DIE LOGOS ich mich regelmäßig aufhalte, mit wem ich befreundet bin Der Konzern hat mit und was mir gefällt. Er weiß auch noch viel mehr über mich. Google+ ein soziales Seit vier Monaten sammelt er alle Informationen, die er im Netzwerk, das mit Facebook vergleich- Internet über mich bekommen kann, und das sind nicht weni- bar ist. Datacoup ge. Er wertet sie sogar aus und bietet sie Firmen an – aber mit ermittelt darüber meinem Einverständnis und meiner Hilfe: Ich habe ihm alle ebenfalls, welches Passwörter verraten, die er für seinen Job braucht. Geschlecht der Nutzer hat. Matt Hogan ist ein Datenhändler. Er unterscheidet sich aller- dings von anderen Vertretern seiner Berufsgruppe: Er bezahlt mich dafür, dass er meine persönlichen Daten sammeln, aus- werten und verkaufen darf. Es ist zwar nicht viel, was er mir dafür gibt, es ist nur ein halber Dollar pro Woche. Aber von Facebook, Twitter oder Google bekomme ich gar nichts, ob- wohl sie dieselben Informationen über mich erheben – und es sind wertvolle Informationen. Nur durch Nutzerdaten wie meine können die großen Internetkonzerne ihren Werbekun- den sagen, wo sie am besten für ihre Produkte werben sollten und wo es sich wahrscheinlich nicht lohnen wird. Dass Face- «
Sonntag, 12. April 2015 vvVvvvv so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre book und Google mit Reklame auf ihren Seiten so viel Geld Der Wert der Daten (Beispiel) verdienen, verdanken sie also auch uns, ihren Kunden. Trotz- dem beteiligen sie uns nicht an ihrem Gewinn. Datacoup hat von mir die Anmeldedaten für vier Dienste erhalten: Facebook, Twitter, Instagram Bisher können wir nichts dagegen tun. Wir verlieren die Kon- und Google+. Deshalb kennt die trolle über unsere Daten, sobald wir uns auf den Seiten der Firma unter anderem von mir: Unternehmen angemeldet haben. Danach können wir we- Geschlecht, Beziehungs-status, Aufent-haltsorte, Freunde, der entscheiden, welche Informationen gesammelt werden, Interessen. Diese Daten sind noch, wer sie verwenden darf und wozu. Das bestimmen al- ihr 0,42 Dollar pro Woche lein Facebook, Google und Co. Dafür werden sie häufig kriti- wert. siert. Jeder Internetnutzer solle an seinen Daten mitverdie- nen, fordert zum Beispiel der amerikanische Informatiker und Schriftsteller Jaron Lanier in seinem jüngsten Buch „Wem ge- hört die Zukunft“ – im vergangenen Jahr hat er den Friedens- preis des deutschen Buchhandels erhalten. Matt Hogan setzt diese Idee um. 0,42 $ Dafür hat er 2012 das Unternehmen Datacoup gegründet. Er spricht vom ersten Marktplatz für persönliche Daten. Ende November habe ich mich darauf angemeldet und Hogans Fir- ma erlaubt, mein Verhalten auf Facebook, Twitter, Instagram sowie Google+ auszuwerten. Sie würde auch gern in ande- «
Sonntag, 12. April 2015 vvvVvvv so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre ren sozialen Netzwerken Informationen über mich sammeln. sonntag interview Noch interessanter wäre für sie, was ich im Internet einkaufe und womit ich es bezahle. Aber auf Linkedin oder Foursquare bin ich nicht angemeldet, ich habe auch kein Konto bei einer amerikanischen Bank, und meine deutsche Kreditkarte ak- ... mit Ulrich Schober, zeptiert Datacoup noch nicht – bisher konzentriert sich das CEO der Schober Group Unternehmen auf seinen Heimatmarkt. Leider. Sonst würde ich mehr Geld bekommen. Bis zu acht Dollar pro Monat verspricht Matt Hogan seinen Kunden für ihre Daten. Die Summe hängt von den Informati- onen ab, die jemand von sich preisgibt. Über sein Facebook- Profil verrät er zum Beispiel, welches Geschlecht er hat und wo er wohnt, über seinen Twitter-Account, welches Gerät er verwendet, und über sein Last-FM-Konto, welche Konzerte »Die Leute werden die Lust verlieren« er schon besucht hat. Für sich allein sind diese Daten wenig wert. Aber sobald sie miteinander kombiniert werden, lassen Die Schober Information Group ist nach eigenen Anga- BITTE SCROLLEN sich Verhaltensmuster darin erkennen und Schlussfolgerun- ben Europas führender Marketing-Service-Dienstleister. gen daraus ziehen. Laut dem Eintrag auf Wikipedia umfasst ihre Daten- bank unter anderem 5,3 Millionen Unternehmens Genau das macht Matt Hogans Firma. Sie analysiert die Da- adressen mit 100 Millionen Zusatzinformationen und ten der Kunden und bietet ihre Marktforschungen anderen 50 Millionen Privatadressen aus Deutschland mit 10 Milliarden Zusatzinformationen. Im Interview erklärt « Unternehmenschef Ulrich Schober, warum er einen an- deren Ansatz als Datacoup verfolgt – zum Beispiel mit
Sonntag, 12. April 2015 vvvvVvv so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre Unternehmen an. Das können Markenhersteller, Händler, Banken oder Mobilfunkanbieter sein. Mithilfe der Analysen bekommen sie eine Ahnung davon, für welche Produkte ihre Zielgruppe sich interessiert und was sie braucht. Deshalb sammelt Matt Hogan auch so viele Daten wie möglich – umso besser lassen sich die Marktforschungen differenzieren: nach Frauen und Männern, nach Singles und Paaren, nach Ange- stellten und Führungskräften. Warum das wichtig ist, macht er an einem Beispiel deutlich: Eine Firma könnte daran interessiert sein, wie oft Frauen in einer bestimmten Altersgruppe das Wort „Kaffee“ auf Face- book erwähnen, wenn sie an demselben Tag mit ihrer Kredit- karte in einem Coffeeshop einen Kaffee bezahlen. Sollte es tatsächlich einen Zusammenhang geben, ließe sich vielleicht DER DATENHÄNDLER die Nachfrage anhand von Facebook-Einträgen abschätzen. Der New Yorker Matt Hogan hat Datacoup Oder die Zufriedenheit der Kundinnen – weil sie anschließend gegründet. Seine Firma kauft Nutzern ihre auf Facebook von ihrem Kaffee schwärmen. privaten Daten ab, wertet sie aus und bie- tet die Analysen anderen Unternehmen Matt Hogan wird solche Fragen vielleicht besser beantworten an, zum Beispiel Markenherstellern oder können als Facebook, Google oder andere Datenhändler, weil Banken. Ihnen können die Marktforschun- gen dabei helfen, mehr über ihre Zielgrup- er Informationen aus verschiedenen Quellen miteinander ver- pen zu erfahren. «
Sonntag, 12. April 2015 vvvvvVv so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre knüpfen kann. Er wird es allerdings auch müssen: Seine jun- Das sammelt Google (Auswahl) ge Firma wird sich neben den großen Konkurrenten nur eta- blieren können, wenn sie auch wertvolle Erkenntnisse liefern PERSONENDATEN STANDORTDATEN Wenn Sie ein Google-Konto Wenn Sie nicht nur ein kann. Dafür müssen genug Menschen auf dem Marktplatz haben, analysiert der Kon- Google-Konto, sondern der persönlichen Daten angemeldet sein, und darüber ist bis- zern, welche Seiten Sie be- auch ein Android-Gerät ha- her nichts bekannt. Matt Hogan schweigt dazu. Im Dezember suchen, und errät Alter, Ge- ben, kann sich Google mer- veröffentlichte er nur ein paar Statistiken über das Alter und schlecht sowie Interessen. ken, wo sie damit waren. das Geschlecht der Nutzer – und demnach könnte er die Fra- ge, wie viele Frauen Kaffee kaufen und auf Facebook darüber schreiben, wahrscheinlich noch gar nicht beantworten. In den ersten Monaten jedenfalls verkauften vor allem Män- ner ihre Daten an Matt Hogan. Ihr Anteil lag damals bei 89 Pro- zent. Vor fünf Monaten konnte seine Firma auch noch nicht für alle Altersgruppes eine Marktanalyse anbieten. Viele Nut- zer waren damals zwischen 25 und 34 Jahre (43 Prozent) oder 18 und 24 Jahre (28 Prozent) alt. Aber immerhin ein Viertel stammte aus der Generation, die nicht mit dem Internet auf- GERÄTE SUCHANFRAGEN gewachsen ist – sie waren also mindestens 35 Jahre alt. Matt Google listet Ihre Handys Google merkt sich, wonach Hogan hatte erwartet, dass gerade sie schwer davon zu über- und Computer auf – sofern Sie im Internet gesucht zeugen sein würden, ihre Daten einem fremden Start-up aus Sie mit ihrem Google-Konto haben. Sie können diese New York zu geben. darauf angemeldet sind. Einträge löschen. «
Sonntag, 12. April 2015 vvvvvvV so.digital Einen halben Dollar für meine Privatsphäre Dafür müssen sie ihm schon vertrauen. Genauso wie alle an- Das sammelt Facebook (Auswahl) deren Kunden. Umso mehr betont er, dass keine Rückschlüs- se auf einzelne Personen möglich seien. Seine Firma verkau- WOHNORT DES NUTZERS GEBURTSDATUM fe keine Rohdaten, sondern biete anderen Unternehmen nur Diese Information ist wich- Relevant für die Eingren- anonymisierte Auswertungen an. Mit welchem Erfolg sie das tig für gezielte Werbung auf zung von Zielgruppen bei Facebook. der gezielten Werbung. tut, verrät er bisher allerdings auch nicht. Auf der Internetsei- te seiner Firma berichtet er von einem großen Interesse der Wirtschaft. Aber unsere Anfrage, ob Datacoup auch schon Datenanalysen verkauft habe, beantwortete er nicht. Es wäre schade, wenn das Modell scheitern sollte. Zwar be- kommen die Internetnutzer auch mit Datacoup nicht die Kon- trolle über ihre Daten zurück. Als Nutzer des Marktplatzes kann ich immer noch nicht entscheiden, was mit ihnen ge- schieht. Ich kann auch nicht verhindern, dass Facebook und Google sie weiterhin kostenlos verwenden. Dafür müsste ich VERBINDUNGEN auf ihre Dienste verzichten. Es ist eben nicht so einfach, das Seiten, die einem gefallen, Internet zu benutzen und Herr über seine Privatsphäre zu blei- werden gespeichert. FREUNDSCHAFTSANFRAGE ben. Aber immerhin verdienen jetzt nicht mehr nur die großen Quelle aller Angaben: Neben Absender, Empfän- Internetkonzerne Geld mit meinen Daten, sondern auch ich. Initiative einer Sammelklage ger, Zeit und Datum wird gegen Facebook, unter Zwar nur einen halben Dollar pro Woche. Aber das ist besser auch gespeichert, ob die europe-vs-facebook.org im als nichts. N Anfrage abgelehnt wurde. Internet.
Sie können auch lesen