Einführung in die Trainingslehre
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Einführung in die Trainingslehre Beweglichkeit Stephan Turbanski Institut für Sportwissenschaften Beweglichkeit Definition Fähigkeit, Bewegungen mit großer Schwingungsweite selbst oder unter dem unterstützenden Einfluss äußerer Kräfte in einem oder in mehreren Gelenken auszuführen zu können. Beweglichkeit Synonyme Gelenkigkeit (Struktur des Gelenks Eigenschaft, Bewegungen mit der betreffend) erforderlichen bzw. optimalen Dehnfähigkeit (Muskeln, sowie mit Amplitude auszuführen, welche die Einschränkungen die Sehnen und durch die Gelenksysteme ermöglicht Bänder betreffend) wird. Flexibilität 1
Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit Wesentliche Einflussgrößen Gelenkstruktur (anatomischer Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit Aktionsradius) sollten eher als Unterbegriffe der Beweglichkeit verstanden werden. Dehnfähigkeit (v. a. von der Muskulatur) Wesentliche Einflussgrößen Einflussgrößen Von der elastischen Dehnfähigkeit ist es Der Beweglichkeit liegen komplexe abhängig, wie weit der anatomische Voraussetzungen zu Grunde: Aktionsradius ausgenutzt werden kann. Elastische Eigenschaften von Durch Training kann (fast) ausschließlich die tendomuskuläre Dehnfähigkeit Muskeln, Bändern, Sehnen, beeinflusst werden und nicht die Kapselapparat anatomische Gelenkstruktur. Muskuläre Kraft (der Antagonisten) Einflussgrößen Erscheinungsformen Inter- intramuskuläre Koordination Körper-/ Muskeltemperatur 2
Erscheinungsformen Erscheinungsformen Nach dem muskulären Nach der muskulären Aktionsmodus: Belastungsform: Aktiv Dynamisch Passiv Statisch Erscheinungsformen Erscheinungsformen Nach der Anteil der Gelenksysteme: Nach der Sportartspezifik: Lokal Sportartspezifisch/ speziell (Global)/ Generell Allgemein Passiv - aktiv Passiv - aktiv Passive Beweglichkeit: Aktive Beweglichkeit: Fähigkeit, durch das Einwirken von Fähigkeit, durch die Kontraktion des äußeren Kräften (z. B. durch einen Agonisten einen möglichst großen Partner oder durch den Einsatz der Gelenkwinkel im Antagonisten eigenen Hände) einen möglichst einzunehmen, so dass dieser gedehnt großen Gelenkwinkel einzunehmen. wird. 3
Passiv - aktiv Statisch - Dynamisch Passive und aktive Beweglichkeit: Statische Beweglichkeit: Die passive Beweglichkeit ist größer Fähigkeit, einen möglichst großen als die statische, d. h. es werden hier Gelenkwinkel einzunehmen und größere Gelenkamplituden erreicht. diesen (lange) beizubehalten. Statisch - Dynamisch Statisch - Dynamisch Dynamische und statische Dynamische Beweglichkeit: Beweglichkeit: Fähigkeit, einen möglichst großen Die dynamische Beweglichkeit ist Gelenkwinkel kurzfristig, dynamisch größer als die statische, d. h. es einzunehmen, z. B. durch werden hier größere „Nachfedern“. Gelenkamplituden erreicht. Lokal - (Global)/ Generell Sportartspezifisch - Allgemein Allgemeine Beweglichkeit: Lokale Beweglichkeit: Fähigkeit, in den Beweglichkeit in einem Gelenksystem. Hauptgelenksystemen Bewegungen Global/ Generell: mit einer „normalen“, nicht Sportmotorische Beweglichkeit, an der eingeschränkten Amplitude mehrere Gelenksysteme beteiligt sind. auszuführen. 4
Sportartspezifisch - Allgemein Sportartspezifische Beweglichkeit Sportartspezifische/spezielle Die sportartspezifische Beweglichkeit: Beweglichkeit kann dynamisch und Bei den meisten Sportarten ist eine spezielle, sportart- bzw. statisch sein; und zum anderen disziplinspezifische Beweglichkeit sowohl lokal als auch global/ erforderlich, die über die „normale“ generell. Beweglichkeit hinausgeht. Sportartspezifische Beweglichkeit Hyper- und Hypompbilität In den meisten Sportarten ist Generell ist es sehr schwierig keine maximale, sondern eine Normwerte für die Beweglichkeit optimale Beweglichkeit festzulegen, bzw. zu definieren, notwendig! welche maximalen Gelenkwinkel „normal“ sind (s. o.)! Hyper- und Hypomobilität Hypermobil Hypermobil: Bewegungen, die über die „normale“ Übermäßig ausgeprägte Beweglichkeit. physiologische und anatomische Hyomobilität: Bewegungsgrenze hinausgehen. Eingeschränkte Beweglichkeit 5
Hypermobil Hypermobil Hypermobile Gelenke können durch eine Ursachen: trainingsbedingt, hohe Instabilität charakterisiert sein. traumatisch aber auch genetisch Bei einigen Sportarten muss eine Hypermobilität vorliegen (Turnen, Rhythmische Sportgymnastik, Schwimmen, Hürdensprint)! Hypermobil Hypomobil Hypomobile Gelenke, d. h. eine Hypermobile Gelenke sind somit nicht deutlich eingeschränkte grundsätzlich als pathologisch zu Beweglichkeit, sind oftmals die Folge bezeichnen bzw. können auch sehr von einseitigen Belastungen, stabil sein! Fehlhaltungen und Gelenkimmobilisation. Bedeutung der Beweglichkeit Bedeutung der Beweglichkeit Elementare Voraussetzung für viele Eine gute Beweglichkeit steht in Bewegungsausführungen. Zusammenhang mit der Sie kann sich positiv auf die Entspannungsfähigkeit der Muskulatur. konditionellen Eigenschaften Kraft, Sie kann einen Beitrag leisten zur Schnelligkeit und auf die Koordination allgemeinen Belastungsverträglichkeit. auswirken! 6
Zusammenhang von Beweglichkeit Zusammenhang von Beweglichkeit und Kraft und Kraft Beweglichkeit und Kraft schließen sich nicht gegenseitig aus! Eine größere Beweglichkeit kann sogar Beweglichkeit und Kraft sollten beide den Ausnutzungsgrad der muskulären parallel trainiert werden. Kraftleistungsfähigkeit erhöhen (z. B. durch verlängerte Beschleunigungswege). Zusammenhang von Beweglichkeit Zusammenhang von Beweglichkeit und Kraft und Schnelligkeit Eine eingeschränkte Beweglichkeit Generell erhöht Kräftigung die wirkt sich negativ auf die Stabilität eines Gelenks und Dehnung Schnelligkeit aus, da Bewegungen nur die Beweglichkeit bzw. Mobilität. maximal schnell durchgeführt werden können, wenn sie die Gelenkwinkel- Endstellung nicht erreichen. Zusammenhang von Beweglichkeit Zusammenhang von Beweglichkeit und Schnelligkeit und Ausdauer Es ist somit hinsichtlich der Da die Beweglichkeit Einfluss ausübt Schnelligkeit eine sportartspezifische auf die Technikökonomie, kann sie Beweglichkeitsreserve notwendig sich in gewissen Grenzen auch positiv (auch aus auf die Ausdauerleistungsfähigkeit verletzungsprophylaktischer Sicht). auswirken. 7
Zusammenhang von Beweglichkeit Zusammenhang von Beweglichkeit und Koordination/ Technik und muskuläre Dysbalancen Eine ausreichende Beweglichkeit stellt Durch das regelmäßige Dehnen kraft- eine wesentliche Voraussetzung für oder schnelligkeitsbeanspruchter das Erlernen neuer sportmotorischer Muskeln kann langfristig eine Techniken dar. Muskelverkürzung verhindert werden. Einflussfaktoren auf die Beweglichkeit Einflussfaktoren Alter: Mit zunehmendem Alter nimmt die Beweglichkeit generell ab. Die höchste Beweglichkeit liegt im Kindesalter vor. Ein regelmäßiges Training kann dieser Entwicklung aber entgegenwirken. Einflussfaktoren auf die Einflussfaktoren auf die Beweglichkeit Beweglichkeit Geschlecht: Aufwärmen: Frauen sind im Allgemeinen beweglicher Eine erwärmte Muskulatur ist als Männer – aufgrund des höheren Östrogenspiegels und dem damit dehnfähiger, daher ausführlich einhergehenden höheren Fett- und aufwärmen vor einem intensiven Wassergehalt des Gewebes. Ferner liegt Dehnungsprogramm. meist ein geringerer Muskeltonus vor. 8
Einflussfaktoren auf die Ziele und Effekte des Beweglichkeit Beweglichkeitstrainings Ermüdung: Nach intensiven Belastungen ist die Optimierung der Beweglichkeit eingeschränkt Bewegungsamplitude verringerter ATP-Spiegel (reduzierte „Weichmacherwirkung des ATPs) und erhöhter Muskeltonus Ziele und Effekte des Ziele und Effekte des Beweglichkeitstrainings Beweglichkeitstrainings Optimierung kann bedeuten: Langfristig kann ein regelmäßiges Maximieren (z. B. Rhythmische Sportgymnastik) Beweglichkeitstraining zu einer erhöhten Erweitern (z. B. Hürdensprint, Schwimmen) Toleranz von Dehnungsspannungen Wiederherstellung (in der Rehabilitation) führen und somit eventuell zur Erhalt (um altersbedingten Reduktionen der Verletzungsprophylaxe beitragen. Beweglichkeit entgegenzuwirken) Ziele und Effekte des Ziele und Effekte des Beweglichkeitstrainings Beweglichkeitstrainings Die Vergrößerung der Bewegungsamplitude Eine mögliche Ursache für die ist unumstritten (sowohl als Langzeiteffekt erhöhten Bewegungsamplitude kann als auch in Form eines ad hoc-Effekts) in der erhöhten Toleranz von Dehnung verringert aber nicht den passiven Dehnreizen liegen. Dehnungswiderstand der Muskulatur und Habituation von Nozizeptoren auch nicht den Muskeltonus. 9
Ziele und Effekte des Beweglichkeitstrainings Trainingsmethoden Es wird also kein Muskel oder Sehne wirklich länger durch Beweglichkeitstraining! Trainingsmethoden Basis-Dehnmethoden Man unterscheidet dynamische und Aktiv-dynamisch statische Belastungsformen. Passiv-dynamisch Jede Dehntechnik lässt sich in Aktiv-statisch aktiver und passiver Form Passiv-statisch durchführen. Statisches Dehnen Statisches Dehnen Beim statischen Dehnen wird eine In der Regel kommt es nach etwa 10s Dehnstellung eingenommen und diese Dehnung zu einer für einen bestimmten Zeitraum Spannungsminderung, so dass die (meist 10 bis 60s) gehalten. Dehnposition leicht erweitert werden kann. 10
Statisches Dehnen Aktiv-statische Dehnung Es sollte ein spürbares „Ziehen“ in der Die aktiv-statische Dehnung erfolgt durch die Anspannung des Muskulatur zu vernehmen sein, aber Gegenspielers. keine Schmerzen! Die isometrische Kraft des Gegenspielers Bei einem Schmerzgefühl kommt es zu bestimmt somit die Dehnungsintensität. einer reflektorischen Muskelaktivität, die Im Vergleich zu den anderen Methoden der Dehnung entgegenwirkt. weniger effektiv. Passiv-statische Dehnung Stretching Die Einnahme der Dehnstellung erfolgt bei dieser Methode durch eine externe Langsames Einnehmen (innerhalb von Krafteinwirkung (Partner, aber auch 5 Sekunden) einer Dehnposition und durch die eigenen Hände!) ein nachfolgendes Halten über Im deutschen Sprachraum als mindestens 10 bis zu 60 Sekunden. Dauerdehnung und Stretching bezeichnet. Easy und Development Stretch Dynamisches Dehnen Easy Stretch – Beibehalten der Hier wird zunächst eine submaximale Dehnposition bis das Spannungsgefühl Dehnposition eingenommen und dann leicht abnimmt. mit federnden Bewegungen sukzessiv Development Stretch – Wenn das die maximale Dehnposition erreicht. Spannungsgefühl nachlässt erhöht man die Dehnungsamplitude und hält diese für Diese Methode wurde lange Zeit als weitere 10 bis 30s aufrecht „Zerrgymnastik“ bezeichnet. 11
Dynamisches Dehnen Aktiv-dynamisches Dehnen Die federnden Bewegungen werden Die federnden Bewegungen sind mit hier von dem Gegenspieler initiiert. geringer Geschwindigkeit und kleinen Bei fast allen Sportarten ist eine Amplituden durchzuführen! dynamische Beweglichkeit notwendig und keine statische! Daher hat diese Methode einen hohen Praxisbezug! Passiv-dynamisches Dehnen Weitere Dehnmethoden Die federnden Bewegungen werden hier von einem Partner durchgeführt. Contract-Relax-Methode (Anspannung Diese Methode erfordert eine hohe – Entspannung) Kompetenz des Partners! Aufgrund des Dehnung bei gleichzeitiger Verletzungsrisikos bei unsachgemäßer Kontraktion des Antagonisten Anwendung nur bedingt im Schulsport einzusetzen! Contract-Relax-Methode Contract-Relax-Methode Der zu dehnende Muskel wird unmittelbar vorher maximal (isometrisch) angespannt Hierdurch wird eine so genannte Eigenhemmung des Muskels erzielt, wodurch er sich im Anschluss leichter dehnen lässt. 12
Dehnung bei gleichzeitiger Kontraktion des Antagonisten Kombination Bei maximaler Kontraktion des Antagonisten wird der Agonist in Es kann eine Kombination aus der der seiner Aktivität reflektorisch Contract-Relax-Methode und der nach gehemmt, so dass er der Dehnung folgenden Dehnung bei gleichzeitiger eine geringere Spannung Kontraktion des Antagonisten durchgeführt werden. entgegensetzt. Hinweise zum Beweglichkeitsreserve Beweglichkeitstraining Aufwärmen Der Grenzbereich Beim dynamischen Dehnen keine (Bewegungsamplituden), der bei ruckartigen, sondern kontrollierte und sportlichen Bewegungen nicht in gleichmäßige Bewegungen Anspruch genommen wird. Je größer Keine Ausgleichsbewegungen Keinen Muskel dehnen, der angespannt ist diese Beweglichkeitsreserve, desto Bewegungen technisch korrekt ausführen, v. geringer ist das Verletzungsrisiko. a. dynamische Hinweise zum Beweglichkeitstraining Trainingsparameter - Dehnen 1. Dauer: 20 – 60 Sek. Dehnungsgrad allmählich steigern, nicht 2. Intensität: subjektive Dehngrenze über die Schmerzgrenze hinaus 3. Dichte: keine Angaben in der Literatur! Die zu dehnende Muskulatur sollte nicht 4. Häufigkeit: 1 x pro Woche zum Erhalt & 3 x pro ermüdet sein Woche zur Verbesserung der Beweglichkeit Sowohl Agonisten als auch Antagonisten 5. Umfang: 3 – 5 Wiederholungen gleichermaßen dehnen Es herrscht nach wie vor große Uneinigkeit über die Reizkonfiguration im Training! 13
Physiologische Grundlagen Was wird gedehnt? zum Dehnen Muskel – kontraktille Elemente Bindegewebe (Faszien, Myofibrillen, Endosarkomeres Zytoskelett) Muskelmodell Ruhespannung Ruhetonus / Dehnungsspannung Widerstand des ruhenden bzw. nicht willentlich kontrahierten Muskels, der sich der dehnenden Kraft entgegensetzt Die Ruhespannung steigt mit zunehmender Dehnung an Ruhespannung “The practise of stretching is so widespread […] that it is remarkable that no more basic science background exist” (Dalton et al., 1990) 14
Dehnen als Aufwärmmethode? Aufwärmeffekte Turbanski S. (2003): Stretching zum Aufwärmen? In: SportPraxis (4), S. 4-7. Turbanski S. (2005a): Aufwärmeffekte von Steigerung der Leistungsfähigkeit Stretching in schnellkraftabhängigen Disziplinen. In: Leistungssport (2), S. 20-23. und Verletzungsprophylaxe? Turbanski S. (2005b): Stretchen: ja oder nein? Das Stretching im Aufwärmprogramm der Leichtathleten kritisch betrachtet In: leichtathletiktraining (9+10), S. 2-7. Steigerung der Leistungsfähigkeit Verletzungsprophylaxe Keine wissenschaftliche Studie zeigt einen leistungspotenzierenden Effekt durch Eine Reduktion des Verletzungsrisikos Stretching. In den meisten Untersuchungen durch Dehnung konnte bisher in keiner wird sogar ein negativer, Studie nachgewiesen werden! leistungsreduzierender Effekt auf die Schnell- bzw. Reaktivkraft festgestellt! Vgl. Turbanski (2003, 2005a und b) Vgl. Turbanski (2003, 2005a und b) Dehnen als Aufwärmmethode? Dehnen als Aufwärmmethode? Thesen zum Stretching als Das dynamische Dehnen ist dem Stretching im Aufwärmmethode Aufwärmprogramm von schnellkraftabhängigen Stretching vor Schnellkraftleistungen Disziplinen vorzuziehen! kann zu Leistungseinbußen führen, die Wenn man sich dehnt, dann sollten im sich leistungslimitierend auswirken. Anschluss und vor Beginn des Wettkampfes Ein verletzungsprophylaktischer Effekt noch Bewegungsabläufe mit maximalen des Stretchings ist nicht zu erwarten. Kontraktionen folgen. Vgl. Turbanski (2003, 2005a und b) Vgl. Turbanski (2003, 2005a und b) 15
Dehnübungen (aus: Weineck, 2000) 16
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