Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt

 
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Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
Eingetaucht –
Vielfalt in unseren Meeren
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01                                                                                                                                                                                                                                                          02
         Inhalt                                                                                                           Ein Land – zwei Meere
      2 Ein Land – zwei Meere                                                                                             Nord- und Ostsee – fast gleich und doch verschieden
      3 Codewort: Natura 2000                                                                                             Obwohl sie in Ausdehnung und geographischer Breite
      4 Meeresschutz international                                                                                        ähnlich sind, unterscheiden sich Nord- und Ostsee
      5 Internationale Organisationen                                                                                     deutlich voneinander. Am auffälligsten ist sicherlich
      6 Riffe – fragile Vielfalt mit hartem Kern                                                                          der Tidenhub. Bei Ebbe verhindern an der Nordseeküste
      9 Plankton                                                                                                          häufig große Wattflächen den schnellen Sprung ins
     10 Sandbänke - wo Sand alles ist                                                                                     kühle Nass, während am Ostseestrand meist ein zu-
     13 Sandlückenfauna                                                     1 Grüne Samtschnecke (Elysia viridis)         sätzlicher Schritt schon ausreicht. Aber auch das Was-
     14 Von Lummenland bis Entenhausen                                                                                    ser schmeckt anders, denn der Salzgehalt in der Ostsee
     17 Phytoplankton                                                                                                     ist deutlich geringer als in der Nordsee. Und es gibt
     18 Minimonster der Meere                                            In den nächsten Jahren werden wichtige Ent-      noch weitere Unterschiede, die in dieser Tabelle und
     19 Das überforderte Meer                                            scheidungen in der Meerespolitik getroffen.      auf den folgenden Seiten vorgestellt werden:                          3 Miesmuscheln (Mytilus edulis)
     20 Klimawandel                                                      Der BUND setzt sich dafür ein, dass die Inter-
     21 Fischerei                                                        essen des Meeresnaturschutzes in den Vorder-     Nord- und Ostsee im Vergleich
     22 Plastikmüll                                                      grund gestellt werden. Denn auch kommende        				Nordsee				Ostsee
     23 End- und Rohstofflager Meer                                      Generationen sollen die ganze Faszination von    Größe				575 000 km2			413 000 km2
     25 Gemeinsam etwas bewegen                                          Nord- und Ostsee erleben können.                 davon gehören zu Deutschland 41 034 km2			 15 475 km2
     26 Impressum                                   Nadja Ziebarth, Leiterin des BUND-Meeresschutzbüros                   Tiefe				                    ~ 94 m (max. 725 m) 		    ~ 52 m (max. 459 m)
                                                                                                                          Tidenhub in Deutschland		    200 – 410 cm			           10 – 15 cm
                                                                                                                          Salzgehalt			                32 – 35 ‰			              17 – 8 ‰ (von West nach Ost)
                                                   2 Europäischer Hummer (Homarus gammarus)
                                                                                                                          Wasseraustausch		2 Jahre				25 – 35 Jahre
                                                                                                                          Unter Schutz stehende Fläche 17 967 km2, davon		       7 940 km2, davon
                                                                                                                          				7 909 km2 in der AWZ* 		                           2 468 km2 in der AWZ*
                                                                                                                          Besondere / typische Arten   Wattwurm, Nordseegarnele, Baltische Riesenassel, Miesmuscheln
                                                                                                                          				                         Seezungen, Trottellumme   mit dünneren Schalen, Meeresenten

                                                                                                                          *Die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) beginnt 12 Seemeilen vor der Küste und erstreckt sich bis zu 200 Seemeilen auf das
                                                                                                                          offene Meer hinaus. Innerhalb dieser Zone besitzt der jeweilige Küstenstaat bestimmte Rechte. Dazu gehören z.B. die Genehmigung
                                                                                                                          von Windkraftanlagen oder die Ausweisung von Meeresschutzgebieten. Die AWZ gehört jedoch nicht zum eigentlichen Staatsgebiet.
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03                                                                                                                                                                                                                                          04
     Codewort: Natura 2000                                                                                               Meeresschutz international
     Schutzgebiete vernetzen
     ‚Natura 2000‘ heißt das europäische Schutzgebiets-
     netzwerk, mit dem ökologisch wertvolle Naturräume
     samt der dort lebenden Arten geschützt werden sollen.
     Die Verknüpfung von vielen unterschiedlichen Lebens-
     räumen sichert gerade weit wandernden Tieren wie
     Zugvögeln, bestimmten Säugetieren und Fischen das
     Überleben. Auch die Wiederausbreitung seltener Arten
     wird dadurch unterstützt, und die Biodiversität in      Die richtige Auswahl ist entscheidend
     Europa bleibt erhalten.                                 Was schützenswerte Lebensräume oder Lebewesen
     Inzwischen sind fast 18 % der EU-Fläche als Natura-     sind, wird in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
     2000-Gebiete ausgewiesen. Deutschland trägt mit         (FFH-RL) und in der Vogelschutzrichtlinie (VRL) defi-
     15,4 % seiner Landfläche und sogar 45 % seiner          niert. In der AWZ der Nord- und Ostsee erfüllen die
                                                                                                                      4 Dichter Schiffsverkehr auf der Nordsee
     Meeresfläche zu diesem Schutzgebietsnetzwerk bei.       Lebensräume Riffe und Sandbänke mit ihren typischen
     Der Ausweisung eines Gebietes folgt die Entwicklung     Artengemeinschaften diese Kriterien. Häufig wechseln
     von konkreten Managementplänen, mit denen sicher-       sich diese beiden Lebensraumtypen ab und bilden ein         Global denken und handeln                                Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO)
     gestellt werden muss, dass der derzeitige Umweltzu-     besonders struktur- und artenreiches Lebensraummo-          Meeresschutz ist eine globale Herausforderung, für       Die IMO regelt weltweit alle die Schifffahrt betreffen-
     stand erhalten oder sogar verbessert wird.              saik. Hinzu kommen die ausgewiesenen Vogelschutz-           die internationale Lösungen gefunden werden müssen.      den Belange. In ihr sind alle Länder vertreten, unter
                                                             gebiete, die sich zum Teil mit den FFH-Schutzgebieten       Eines der wichtigen Ziele ist der Aufbau eines weltum-   deren Flaggen Schiffe die Ozeane durchkreuzen. Das
                                                             überschneiden.                                              spannenden Netzwerks aus marinen Schutzgebieten,         Verbot, Plastikabfälle einfach über Bord zu werfen,
                                                             Schweinswal, Seehund, Sterntaucher und Stör sind nur        das mindestens 10 % der Meeresfläche umfassen und        sowie die Vorgaben zur Regulierung von Schiffsabga-
                                                             einige Arten, die durch diese Schutzgebiete besonders       bis 2020 etabliert werden soll.                          sen sind beispielsweise Entscheidungen der IMO. Die
                                                             geschützt werden sollen. Letztendlich profitieren aber      Dies wurde 2010 auf der Vertragsstaatenkonferenz der     Umsetzung solcher Regelungen muss jedoch durch alle
                                                             alle hier vorkommenden Lebewesen vom Erhalt dieser          Biodiversitäts-Konvention in Nagoya in den Maßnah-       Staaten erfolgen.
                                                             Lebensräume.                                                menkatalog zum weltweiten Erhalt der biologischen                           5 Dichter Bewuchs unter Wasser
                                                                                                                         Vielfalt aufgenommen. Bisher stehen jedoch gerade
                                                                                                                         einmal 1,2 % der Meeresfläche unter Schutz. Jetzt
                                                                                                                         müssen den Beschlüssen zügig Taten folgen.
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05
     Internationale Organisationen
     EU-Politik                                                                                                                                                    Riffe – fragile Vielfalt
     Viele Entscheidungen, die einen direkten Einfluss auf
     die Meeresumwelt in Europa haben, werden von der
     EU getroffen. Dazu zählen Chemikalien-, Verkehrs-
                                                                                                                                                                   mit hartem Kern
     und Agrarpolitik genauso wie Umwelt- und Fischerei-
     politik.
     Gerade die Fischereipolitik ist mitentscheidend, ob                   7 Seehund (Phoca vitulina)

     Meeresschutzgebiete jemals eine echte Schutzfunktion
     für alle Meerestiere übernehmen können. Denn wo und        Oslo-Paris-Konvention (OSPAR)
     wie viel gefischt werden darf, entscheiden nicht die       OSPAR bezeichnet ein Abkommen zum Schutz des
     einzelnen Staaten, sondern die EU. Dafür treffen sich      Nordostatlantiks einschließlich der Nordsee. Alle
     einmal jährlich die für Fischerei zuständigen Minister     Nordsee-Anrainerstaaten samt EU verpflichten sich,
     und Ministerinnen, um die Fangquoten auszuhandeln.         die im Abkommen festgelegten Umweltziele zu
     Bisher standen jedoch einer nachhaltigen Fischerei-        erreichen. Eine Kommission koordiniert die Meeres-
     politik oft kurzfristige, einzelstaatliche Interessen im   schutzmaßnahmen und veröffentlicht die Fortschrit-
     Wege, was einige Fischbestände an den Rand des             te regelmäßig in den sogenannten ‚Quality Status
     Zusammenbruchs gebracht hat.                               Reports‘.
     Um dies zukünftig zu verhindern, sollte eine nachhal-
     tige Fischerei jegliche Form von Überfischung, Beifang     Helsinki-Kommission (HELCOM)
     und Lebensraumzerstörung vermeiden.                        Bei der HELCOM treffen sich Vertreter und Vertre-
                                                                terinnen der Ostsee-Anrainerstaaten, um über den
     6 Krabbenkutter
                                                                Zustand der Ostsee, Umweltziele und die Umsetzung
                                                                von Maßnahmen zum Schutze der Ostsee zu ver-
                                                                handeln. Wie bei OSPAR werden die von der Kom-
                                                                mission vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen erst
                                                                verbindlich, wenn sie in nationales Recht der einzel-
                                                                nen Staaten und EU-Recht umgesetzt werden.

                                                                                                                        8 Gefleckter Lippfisch (Labrus bergylta)
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
07                                                                                                                                                                                                                                                            08
     Riffe – fragile Vielfalt mit hartem Kern                                                                   Nordsee        Ostsee                                                       Riffe – fragile Vielfalt mit hartem Kern
                                                                                                                               Schmale Rinnen – große Bedeutung
                                                                                                                               Ausgedehnte Miesmuschelbänke, bewachsen mit gro-
                                                                                                                               ßen Büscheln von Braun- und Rotalgen, bedecken den
                                                                                                                               Grund von Fehmarnbelt und Kadetrinne. Diese beiden
                                                                                                                               unterseeischen Gräben sind für die Ostsee nicht nur
                                                                                                                               wegen ihres Artenreichtums und ihrer ausgedehn-
                                           9                                                                                   ten Algenwälder von großer Bedeutung. Durch diese
                                                                                                                         11
                                                                                                                               Rinnen strömt außerdem salziges, sauerstoffreiches
     Steine – Anker der Riffgemeinschaft                       Sylter Außenriff – das Schweinswal-Paradies                     Nordseewasser in die zentrale Ostsee, auf das viele am
     Die Lebewesen der Riffgemeinschaften sind auf festen      Das Sylter Außenriff ist mit 5 314 km2 das größte               Boden lebende Tiere angewiesen sind. Viele Tiere oder
     Grund, wie bei Helgoland, angewiesen. Dieser ist in den   Schutzgebiet Deutschlands. Der Meeresgrund ist hier             deren Larven nutzen zudem die Strömung, um in ent-         13 Fragile Riffbewohner – Keulen-Seescheiden (Clavelina lepadiformis)

     von Schlick und Sand dominierten südlichen Teilen von     gespickt mit Felsblöcken, die eine der artenreichsten           fernte Regionen vorzudringen.
     Nord- und Ostsee jedoch eine Seltenheit.                  Riffgemeinschaften im deutschen Teil der Nordsee be-                                                        12              Enten am Adlergrund
     Braunalgen, Seescheiden, Miesmuscheln und See-            herbergen. Schwämme, Seenelken und die Tote Manns-                                                         Braunalgen mit Riffe und Sandbänke prägen den Adlergrund. Aller-
     pocken reichen oft schon einzelne Felsen, Steine,         hand, die einzige echte Weichkoralle in Nord- und                                                          Seeigel (Echinus dings sorgt der schon deutlich geringere Salzgehalt des
     Muschelschalen oder auch ein Schiffswrack als feste       Ostsee, kommen in großer Zahl vor. Insgesamt 42 Arten                                                      esculentus)      Wassers dafür, dass hier nur noch wenige charakteristi-
     Grundlage aus, um sich anzusiedeln. Schnell folgen        der Roten Liste lassen sich nachweisen – mehr als in                                                                        sche Meerestiere vorkommen. Süßwasserarten wie die
     Seeigel, Schnecken und Krebse, die hier jetzt genü-       jedem der anderen acht marinen FFH-Schutzgebiete                                                                            Kahnschnecke nehmen die frei gewordenen Nischen
     gend Nahrung und Versteckmöglichkeiten finden. So         der AWZ.                                                                                                                    ein. Im Schlick der Sandbänke verstecken sich zahlrei-
     entsteht ein vielfältiger und artenreicher Lebensraum     Zudem ist das Gebiet vor Sylt ein wichtiger Nahrungs-                                                                       che Muscheln wie Sandklaff- oder Herzmuscheln –
     – wenn er nicht durch Fischerei zerstört oder unter       grund und Kinderstube für tausende Schweinswale und             Riffe der Rönnebank                                         reichhaltige Winternahrung für tausende Meeresenten.
     Schlick erstickt wird.                                    Seehunde. Zusammen mit vielen Seevögeln gehen sie               Dicht mit Muscheln bewachsene Gesteinsblöcke
                                                                                                                                                                                           14 Typische Riffgemeinschaft mit Muscheln und Tang
                                                               hier auf die Jagd nach Sandaalen, Heringen und Sprot-           prägen das Bild der Westlichen Rönnebank. Große
                                                               ten.                                                            Fische wie Dorsche werden vom reichhaltigen Nah-
                                                                                                                               rungsangebot und den vielen Versteckmöglichkeiten
                                                               9 Eine bunte ‚Wiese‘ aus Seenelken (Metridium senile)
                                                                                                                               angelockt. Manchmal lassen sich hier auch vereinzelt
                                                               10 Die Tote Mannshand (Alcyonium digitatum) ist eine harmlose
                                                                                                                               Tiere der nur in der Ostsee vorkommenden Unterart des
                                                                   Weichkoralle
                                                               11 Ein Schweinswal (Phocoena phocoena) beim Luftholen
                                                                                                                               Schweinswals beobachten.
                                                   10
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
09
     Plankton

                                                                                                                                18

                                                                                                                                                                                   Nichts als Sand?

                                                                                                                                 17

                                                                                                               16

 15 Riesenhai (Cetorhinus maximus)                            Leben als Plankton: 16 Schlangensternlarve 17 Kieselalge 18 Ruderfußkrebs

     Das Futter der Riesen                                    und Wale fast ausschließlich von ihnen ernähren. In
     Freischwebende, mikroskopisch kleine Algen und           der Nordsee ist der bis zu 10 Meter lange Riesenhai
     Cyanobakterien, auch Phytoplankton genannt, bilden       der größte Fisch, der mit seinem gewaltigen Maul die
     die Grundlage des Nahrungsnetzes im Meer. Von den        Planktonorganismen aus dem Wasser filtert. Aber auch
     Strömungen getrieben und mit Nährstoffen versorgt,       Schwarmfische wie Heringe, Sprotten und Sandaale
     können sich die Algen bei guten Bedingungen explo-       fressen ausschließlich Zooplankton.
     sionsartig vermehren. Diese sogenannten ‚Algenblüten‘
     sind als grüne Schlieren sogar vom Weltraum aus zu        Plankton
     sehen. Die Algen bilden die Nahrungsgrundlage für un-     Alle Lebewesen, die im Wasser mit der Strömung treiben,
     zählige kleine Ruderfußkrebse, Krill, Flügelschnecken,    werden unter dem Sammelbegriff Plankton zusammen-
     Rädertierchen und die Larven von Fischen und Wir-         gefasst. Dazu gehören Viren, Bakterien, Pilze, einzellige
     bellosen – das Zooplankton. Die Menge dieser kleinen      Algen und Tierchen genauso wie Larven von Fischen und
                                                               Muscheln, kleine Krebse und Quallen mit bis zu 2 Meter
     Tierchen ist so gewaltig, dass sich die größten Fische
                                                               Durchmesser.
                                                                                                                                          19 Gemeiner Seestern (Asterias rubens)
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
11                                                                                                                                                                                                                                         12
     Wo Sand alles ist                                                                                   Nordsee        Ostsee                                                                                    Wo Sand alles ist
     Eine Sandburg so groß wie Sachsen                        Riff aus Sand­                                            Sand voller Leben                                       Die Muschelinsel
     Mit 18 000 km2 ist die Doggerbank die größte Sand-       Auch wenn der Name anderes erwarten lässt, wird           Sandbänke wimmeln vor Leben! Weil es auf dem Sand       Die Oderbank ist ein Paradies für Muscheln, aber auch
     bank der Nordsee. Der 1 624 km2 große deutsche Teil      Borkum-Riffgrund hauptsächlich von ausgedehnten           kaum Versteckmöglichkeiten gibt, haben sich viele       für jene Tiere, auf deren Speiseplan sie stehen. Im
     steht inzwischen unter Schutz. Die Bank zählt zu den     Sandbänken mit nur vereinzelten kleinen Riffen            Lebewesen in den Sand zurückgezogen. Sandklaff-         Herbst und Winter sind es vor allem Meeresenten wie
     fischreichsten Gebieten der Nordsee. Besondere Strö-     geprägt. Von diesem Lebensraummosaik profitieren          muscheln sitzen zuweilen einen halben Meter tief im     Eis-, Samt- und Trauerenten, die vom Muschelreichtum
     mungsverhältnisse lassen Mikroalgen und Zooplankton      besonders die bodenlebenden Arten, das Benthos.           Schlick eingegraben und versorgen sich über einen       profitieren, denn auf der flachen Sandbank sind die
     hier gut gedeihen. Sie bilden die Nahrungsgrundlage      Über 165 Arten konnten schon nachgewiesen werden.         langen Schlauch, den Sipho, mit Nahrung und Sauer-      Schalentiere und Würmer besonders gut erreichbar.
     für die seltenen Riesenhaie genauso wie für die großen   Die Tentakelkronen der Bäumchenröhrenwürmer lugen         stoff. Auch von Ringelwürmern schaut oft nur der Kopf   Die Oderbank erfüllt aber auch noch eine andere wich-
     Herings- und Makrelenschwärme. Doch inzwischen ist       hier noch häufig aus dem Sand. Mit ihnen filtrieren sie   mit den Kiemen aus der Sandröhre. Plattfische bevor-    tige Funktion: Da sie relativ flach ist, bleibt sie von
     das Gebiet stark überfischt. Von den ehemals scheinbar   nach vorbeitreibenden Planktonorganismen. Aber auch       zugen eine andere Taktik. Sie drücken sich flach auf    sogenannten Sauerstoffmangelereignissen (siehe Seite
     unerschöpflichen Dorsch-, Schellfisch- und Schollen-     die seltene Finte kommt hier noch vor. Dieser Wander-     den Untergrund und streuen durch geschickte Flossen-    23) verschont. Sie ist somit eine Art Insel, von der aus
     beständen ist heute nur noch ein Bruchteil übrig.        fisch leidet stark unter der Verbauung und Begradigung    bewegungen Sand über ihren Körper. Fast unsichtbar      sich die Lebewesen wieder ausbreiten können.
                                                              der Flüsse, da er in den Flüssen kaum noch geeignete      verraten dann nur noch zwei kleine Augen Feinden und    Auch als Kinderstube für viele Plattfische und für die
                                       20                     Laichplätze finden kann.                                  Beutetieren, wo sich der Fisch versteckt hat.           Wiederansiedlung des Störs spielt sie eine wichti-
                                                                                                                        Im Vergleich zu Riffgemeinschaften sind die Sandbank-   ge Rolle. Hier sollen die urzeitlichen Störe an Größe
                                                              20 Tentakelkrone vom Bäumchenröhrenwurm                   gemeinschaften zwar artenärmer, dafür aber sehr reich   zulegen, bevor sie zum Laichen zurück in die Flüsse
                                                                 (Lanice conchilega)                                    an Individuen.                                          schwimmen.
                                                              21 Nordseegarnele (Crangon crangon)
                                                                                                                        22 Scholle (Pleuronectes platessa)                      23 Herzmuschel (Cerastoderma edule)
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
13
     Sandlückenfauna
     Die Lückenfüller
     Eine ganz eigene Tierwelt versteckt sich in den Lücken
                                                              starker Trockenheit bilden sie sogenannte ‚Tönnchen‘,
                                                              die selbst einen Aufenthalt im Weltraum unbeschadet
                                                                                                                                  Ein Leben zwischen
                                                                                                                                  Luft und Wasser
     zwischen den Sandkörnern der Strände und Sandbänke.      überstehen können. Sobald freundlichere Lebens-
     Unter dem Mikroskop lassen sich unzählige winzige        bedingungen herrschen, stülpen sie ihre Beine aus
     Würmer, kleine Krebse und Rädertierchen bestaunen.       und marschieren wieder los.
     Über 800 Arten wurden schon im Sand vor Sylt ent-        Kleine Krebse sind in diesem sandigen Lebensraum die
     deckt, und es werden sicherlich noch mehr hinzu-         gefährlichsten Räuber. Doch auch sie müssen sich in
     kommen.                                                  Acht nehmen - denn sobald sie sich aus dem Sand her-
     Ein besonders eindrucksvolles Lebewesen ist das Bär-     vorwagen, sind sie für junge Fische eine leichte Beute.
     tierchen. Die winzigen Achtbeiner sind bestens auf ein   Zahlenmäßig dominieren im Sediment jedoch die
     Leben zwischen Sandkörnern angepasst und ernähren        Fadenwürmer. Allein in einem kleinen Eimer mit nas-
     sich hauptsächlich von kleinen Algen, die sie von den    sem Sand tummeln sich über 1,5 Millionen dieser
     Sandkörnern abweiden. Faszinierend ist ihre enorme       winzigen Würmchen – aneinandergereiht wären sie
     Widerstandsfähigkeit. Bei extremem Frost oder            über einen Kilometer lang.

                                     24                       27 Eingefärbte Tiere in einer Sandprobe
                                     Putzige Lebewesen
                                     – die achtbeinigen
                                     Bärtierchen

 25 Überall zu finden
     - die Fadenwürmer      26 Eine Mikroalge, die auf
                                dem Meeresgrund wächst.

                                                                                                                        28   Basstölpel (Morus bassanus)
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
15                                                                                                                                                                                                                                             16
       Nordsee                                                                                Von Lummenland            bis Entenhausen                                                                                            Ostsee
     Vogelschutz mit Erfolg und Tradition                                                                               Auch Vögel sind wählerisch
     Der Vogelschutz wird in Europa seit 1979 durch die                                                                 Auch in der Vogelwelt unterscheiden sich Nord- und
     EU-Vogelschutzrichtlinie geregelt. Ihr Ziel ist es, die                                                            Ostsee. Die geringere Tiefe der Ostsee macht es den
     über 700 heimischen Vogelarten und deren Lebensräu-                                                                Meeresenten einfach, ihre Hauptnahrung, Muscheln
     me zu schützen.                                                                                                    und Würmer, zu erreichen – ein wichtiger Grund für
     Für besonders gefährdete Arten müssen deshalb Vogel-                                                               Eis-, Samt- und Trauerenten zum Überwintern die Ost-
     schutzgebiete ausgewiesen werden; dazu zählen z.B.                                                                 see anzufliegen. Zudem führt der geringere Salzgehalt
     die für viele Zugvögel wichtigen Rastplätze im Wat-                                                                der Ostsee dazu, dass Miesmuscheln dünnere Schalen             32
     tenmeer. Aber auch fernab der Küsten auf den Meeren                                                                bilden und deshalb leichter zu knacken sind.
     gibt es für viele Seevögel wichtige Rast-, Mauser-,       30 Trottellumme (Uria aalge)                             In der Nordsee liegt Deutschlands einziger Brutplatz          Entenhausen
     Überwinterungs- und Nahrungsgebiete. Die beiden                                                                    für große Seevögel wie Basstölpel, Tordalk, und Trot-         Die Pommersche Bucht ist ein 2 010 km2 großes Vogel-
     Vogelschutzgebiete in der AWZ sind unter anderem von      Lummenland                                               tellumme, die Felseninsel Helgoland. Für kurze Zeit im        schutzgebiet in der Ostsee, das auch die Oderbank und
     besonderer Bedeutung für Stern- und Prachttaucher,        Das Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht bildet     Frühsommer kommen hier tausende Seevögel zusam-               den Adlergrund mit einschließt. Sie ist das wichtigste
     verschiedene Möwenarten, Basstölpel und Meeres-           zusammen mit dem Nationalpark Wattenmeer und             men – alle auf der Suche nach einer kleinen Felsnische        Überwinterungsgebiet für Eis-, Trauer- und Samtenten
     enten.                                                    Helgoland ein riesiges Seevogelparadies. Es über-        mit genügend Platz für ihre Eier.                             vor unserer Küste. Zu Hunderttausenden schwimmen
                                                               schneidet sich in großen Teilen mit dem Sylter Außen-    Pracht- und Sterntaucher überwintern hingegen auf             sie auf den eisfreien Flächen über den Sandbänken und
     29 Erfolgreicher Jäger: Tordalk (Alca torda)
                                                               riff, einem wichtigen Jagdrevier für viele der auf       beiden Meeren. Für sie ist wichtig, eine ungestörte           Riffen. Zur Brut ziehen diese Vögel nach Skandinavien,
                                                               Helgoland brütenden Basstölpel, Trottellummen und        Stelle auf dem Wasser zu finden, von der aus sie nach         Sibirien oder noch weiter in die Arktis. Ähnliche Wan-
                                                               Tordalke. Auch Eissturmvögel kann man hier regel-        kleinen Fischen jagen können. Ähnlich verhält es sich         derungen machen auch die Pracht-, Stern- und Ohren-
                                                               mäßig beobachten. Sie halten sich fast das ganze Jahr    auch mit der größten heimischen Meeresente – der              taucher.
                                                               auf See auf und kommen nur zur Brut an Land. Haupt-      nicht ganz so seltenen Eiderente.
                                                               grund für die Ausweisung dieses Vogelschutzgebietes
                                                                                                                                                    31 Dreizehenmöwe (Rissa
                                                               sind die hier überwinternden Pracht- und Sterntaucher.
                                                                                                                                                       tridactyla)

                                                                                                                                                       Wintergäste:
                                                                                                                                                    32 Eiderente (Somateria
                                                                                                                                                       mollissima) im Anflug
                                                                                                                                                   33 Sterntaucher (Gavia stellata)
                                                                                                                         31                                                             33
Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren - Bund für Umwelt
17                                                                                                                                                                                                                     18
     Phytoplankton                                                                               Minimonster der Meere
     Kleine Organismen mit großer Wirkung                                                        Gespenster der Meere
     Sie fangen die Energie der Sonne ein und wandeln                                            Neben dem Gespensterkrebs sähe ein Tyrannosaurus
     sie in Biomasse um. So bilden sie die Grundlage des                                         rex wie ein freundliches Kuscheltier aus – mit dem
     Nahrungsnetzes der Meere. Die Rede ist von winzigen                                         Unterschied, dass diese Krebse heute immer noch zu
     Algen, die im Wasser als Phytoplankton treiben oder                                         Millionen die Ozeane bevölkern. Sie gehören der Ord-
     am Meeresgrund in dichten Matten wachsen, überall                 34                        nung der Flohkrebse an und werden gerade einmal
     dort, wo sie noch genügend Licht erreicht. Bei guten                                        2 bis 4 cm lang. Auch ihre Lebensweise taugt nicht für
     Bedingungen sind sie schnell so zahlreich, dass sich          34 - 38
                                                                                                 Actionfilme. Gut versteckt auf dicht bewachsenen Stei-
     das Wasser grün, türkis oder blutrot färbt.                   Kleine Kunstwerke
                                                                                                 nen und Tang greifen sie nach vorbeitreibendem Futter,
     Es gibt unzählige Arten von Mikroalgen. Sie sind be-          unter dem Mikroskop
                                                                                                 meist Pflanzenresten, Aas und manchmal einer unvor-
     wehrt mit Kalkpanzern oder Silikat-Skeletten, besitzen        – Mikroalgen aus Nord-        sichtigen Larve. Als Allesfresser sind sie ein wichtiger
     Geißeln zum Schwimmen oder lange Dornen, um Fein-             und Ostsee                    Bestandteil der Riffgemeinschaft. Finden kann man
     de abzuwehren. Ihre ganze Formenvielfalt und Schön-                                         diese skurrilen Gestalten auch in fast jedem größeren
     heit zeigt sich erst unter dem Mikroskop.                                                   Gezeitentümpel.
                                                              35                                                                                            40 Auf Beute lauernde Gespensterkrebse (Phtisica marina)

      Algen als Wettermacher                                                                     39 Baltische Riesenassel (Saduria entomon)
      Algen können Schwefelverbindungen freisetzen, die                                                                                                     Baltische Riesenassel
                                                                                            37
      nach und nach in die Atmosphäre gelangen. Dort                                                                                                        Ein nicht minder skurriles Tier lebt in der Ostsee. Die
      sind sie mitverantwortlich für den typischen Mee-                                                                                                     baltische Riesenassel ist eine Handteller große Ver-
      resgeruch. Sie haben aber auch noch einen anderen                                                                                                     wandte der Kellerassel. Die gepanzerten Tiere durch-
      Effekt: Gelangen diese Schwefelverbindungen in                                                                                                        wühlen Sand und Schlick, immer auf der Suche nach
      höhere Luftschichten, wirken sie als Kondensations-                                                                                                   Aas. Dabei müssen sie sich besonders vor großen
                                                              36
      kerne für Wolken. So könnte die Überdüngung der                                                                                                       Fischen wie Dorschen in Acht nehmen.
      Meere mit Nährstoffen aus der Landwirtschaft unter
      Umständen sogar zu schlechterem Wetter an den                                         38

      Küsten führen.
19                                                                                                                                                                                                                                                             20
     Das überforderte Meer                                                                                                        Klimawandel
     Viel los auf den Ozeanen                                                                                                                                                                         Als Phytoplankton
     Besonders betriebsam geht es auf Nord- und Ostsee zu.                                                                                                                                            stehen sie ganz am
     Immer noch wird nach Öl und Gas gesucht und Sand                                                                                                                                                 Anfang des marinen
     gefördert. Riesige Containerschiffe reihen sich auf                                                                                                                                              Nahrungsnetzes. Ihr
     Schifffahrtsrouten hintereinander. Schon bald werden                                                                                                                                             Verschwinden würde
     sie von Windrädern, jedes höher als der Kölner Dom,                                                                                                                                              das ganze Ökosystem
     gesäumt sein. Und mittendrin die Fischer, die versu-                                                                         43 Auf Kalkalgen wirkt zu viel CO2 zerstörerisch                    empfindlich stören.
                                                                                                                             42
     chen, unseren ständig steigenden Hunger auf Fisch zu                                                                         Der Meereswandel – eine Folge des Klimas                            Ein weiteres durch den 45 Trottellumme (Uria aalge)
     stillen. Dieses Durcheinander an Lärm, Schmutz und                                                                           Seitdem wir Menschen fossile Energieträger nutzen,                  Klimawandel verur-             auf ihrem einzigen Ei.

     Fischereiaktivitäten macht natürlich nicht an der Gren-                Übernutzung: Kumulative Effekte                       greifen wir immer massiver in den Kohlenstoffkreislauf              sachtes Problem sind die stetig früher beginnenden
     ze zu den Schutzgebieten halt. Es ist letztendlich diese               Der dynamische Lebensraum Meer bringt es mit          unseres Planeten ein. Und dies hat Folgen: für das Kli-             Frühlinge und Sommer. Denn wärmeres Wasser be-
     Vielzahl an Belastungen, unter der die Meeresumwelt                    sich, dass die meisten Lebewesen gut an schwierige    ma – und für die Meere.                                             schleunigt die Entwicklung bestimmter Planktonorga-
     leidet.                                                                Lebensbedingungen angepasst sind. Häufig ist es ein   Das Wasser wird wärmer und dehnt sich aus. Zusam-                   nismen, führt aber gleichzeitig auch zu deren frühzei-
     Die Schutzgebiete müssen deshalb den Pflanzen und                      Zusammenspiel mehrerer belastender Faktoren, die      men mit dem Schmelzen der Polkappen führt dies zu                   tigerem Absterben. Viele Vögel und Fische haben ihre
     Tieren einen möglichst ungestörten Lebensraum bieten.                  für das Überleben einer Art zu einer Gefahr werden.   einem raschen Anstieg des Meeresspiegels.                           Brut- bzw. Laichzeiten und Wanderrouten genau auf
     Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es noch einiger                    So müssen z.B. Schweinswale gleich mit mehreren,      Aber das Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre hat                  das Vorkommen dieser Futtertiere abgestimmt. Ver-
     Anstrengung.                                                           von Menschen verursachten Bedrohungen zurecht-        noch einen anderen gefährlichen Effekt. Im Wasser                   schiebt sich nun deren Auftreten zu schnell, haben die
                                                                            kommen. Ihre Nahrung wird weggefischt, der Lärm       gelöst bildet es Kohlensäure. Das Meerwasser wird                   Tiere kaum die Möglichkeit, sich rechtzeitig anzupas-
     41 90 % des Welthandels erfolgt mit Hilfe riesiger Containerschiffe.   stresst sie, und die vielen Schadstoffe im Wasser     dadurch saurer – und dies macht kalkbildenden Le-                   sen – mit der schrecklichen Folge, dass ganze Jahrgän-
     42 Offshore-Windpark                                                   schwächen ihr Immunsystem. Zudem sterben noch         bewesen wie Muscheln und Korallen Probleme. Denn                    ge einer Art verhungern.
                                                                            immer zu viele Tiere in Fischernetzen. Zusätzlich     deren Kalkskelette werden von der Säure angegriffen
                                                                            müssen sie sich an die Folgen des Klimawandels an-    und lösen sich auf. Besonders betroffen sind winzige                 Die Klimaerwärmung kann nur aufgehalten werden,
                                                                            passen. Ein (Über-)Leben unter solchen Bedingungen    Kalkalgen.                                                           wenn wir auf erneuerbare Energien und energie-
                                                                            ist schwierig.                                                                             44                              effiziente Techniken setzen. Aber auch persönlich
                                                                                                                                                                      Forscherinnen untersuchen        müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen,
                                                                            Die Vielzahl an Belastungen macht den schnellen                                           ein Klimaarchiv aus Schlamm.     um unseren CO2-Ausstoß deutlich zu verringern. Das
                                                                                                                                                                      Anhand kleiner Fossilien
                                                                            und effektiven Aufbau eines weltweiten Netzwerks                                                                           sind wir kommenden Generationen schuldig.
                                                                                                                                                                      lässt sich das Klima der
                                                                            an Meeresschutzgebieten unbedingt erforderlich.                                           Vergangenheit rekonstruieren.    Mehr dazu auf www.bund.net.

                                                                   41
21                                                                                                                                                                                                                                                      22
     Fischerei                                                                                                                 Plastikmüll
     Das Ende einer unerschöpflichen Ressource                                                                                 Müllschlucker Ozean
     Die Überfischung ist eines der größten Probleme für                                                                       Rund 5 Millionen Tonnen Plastikmüll werden jährlich
     das Ökosystem Meer geworden. Maifisch, Stör, Witt-                                                                        von Flüssen und Wind in die Meere getragen oder
     ling oder Wildlachs, früher günstige Speisefische, sind                                                                   stammen von Bord der zahlreichen Schiffe. Hinzu kom-
     heute weitestgehend von unseren Speisekarten ver-                                                                         men noch viele Kilometer verlorene Kunststoffnetze
     schwunden, sehr teuer geworden oder stammen aus                                                                           und Leinen von Fischern.
     Massenzuchten. Thunfisch und Aal könnte es bald ähn-                                                                      Das Problem: Plastik baut sich sehr langsam ab und
     lich ergehen. Denn weltweit gelten schon heute 80 %                                                                       setzt dabei giftige Substanzen frei. Diese Eigenschaf-
     der wirtschaftlich genutzten Bestände als überfischt,                                                                     ten sind es, die Plastikmüll zu einer allgegenwärti-                                                                50
     und schon bis 2050, so warnen Wissenschaftler/-innen,                                                                     gen Gefahr in den Meeren und somit auch in den
                                                                                                                                                                                                        49 Plastik am Meeresgrund
                                                                     48 Heringsfang
     könnte sogar ein Großteil der Fischbestände endgültig                                                                     Schutzgebieten machen. Viele Tiere verschlucken                          50 Plastikmüll – eine Gefahr für die Tierwelt
     erschöpft sein.                                                 Dass sich Fischbestände bei nachhaltiger Befischung       kleine schwimmende Plastikteilchen, weil sie diese für
                                                                     auch wieder erholen können, hat sich im kleinen Maß-      Nahrung halten. So findet man bei fast allen an der      Aber auch Kunststoffseile oder verlorengegangene
                                                                     stab schon gezeigt – sogar in Nord- und Ostsee. Einige    Nordseeküste tot angespülten Eissturmvögeln kleine       Fischernetze, sogenannte ‚Geisternetze‘, fordern jähr-
                                                                     Schollen – und Dorschbestände (letztere allerdings nur    Plastikteile in den Mägen.                               lich viele Opfer unter den Meerestieren. Basstölpel
                                                                     in der östlichen Ostsee) nehmen dank niedrigerer Fang-                                                             beispielsweise bauen die bunten Schnüre gerne in ihre
                                                                     quoten wieder etwas zu. Doch damit sich die Situation                                                              Nester ein – eine ständige Gefahr für ihre Jungen, die
     46 Typische Baumkurre für                                       langfristig für alle Fischbestände verbessert, muss die                                                            sich darin leicht verheddern können.
        den Plattfischfang       47 Beifang – sieht so Abfall aus?   Fischerei konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet                                                               Plastikmüll kann aber auch uns Menschen schaden.
                                                                     werden. Dazu gehören Einschränkungen der Fischerei                                                                 Denn beim Abbau des Plastiks werden giftige Sub-
     Ein anderes Problem ist der Beifang, der bis zu 80 %            in den Schutzgebieten ebenso wie ein Verbot von                                                                    stanzen freigesetzt. Diese können sich über die Nah-
     der gefangenen Tiere in einem vollen Netz ausmachen             Grundschleppnetzen und die Einrichtung von Gebieten                                                                rungskette anreichern und landen dann als Fisch oder
     kann. Dazu zählen alle Meerestiere im Netz, die nicht           ganz ohne Fischereiaktivitäten, sogenannten                                                                        Meeresfrüchte wieder auf unseren Tellern – ein unap-
     verwertet werden, darunter zu kleine Jungfische,                ‚no-take zones‘.                                                                                                   petitlicher Kreislauf.
     Krebse, Seesterne, aber auch Haie, Vögel und sogar
     Wale und Robben. Jedes Jahr werden so weltweit                   Auch Sie können etwas gegen die Überfischung tun.                                                                  Müllvermeidung und Recycling sind einfache Lösun-
     ca. 39 Millionen Tonnen Meerestiere gefangen und                 Essen Sie insgesamt weniger Fisch, und kaufen Sie                                                                  gen dieses Problems, bei denen es besonders auf uns
     meist tot wieder über Bord geworfen.                             nur Fische und Meeresfrüchte, die in den aktuellen                                                         49      VerbraucherInnen ankommt. Helfen sie mit.
                                                                      Fischführern der Umweltverbände empfohlen                                                                          Nur so können wir dieses große Problem zu Wasser
                                                                      werden.                                                                                                            und zu Land in den Griff bekommen.
23                                                                                                                                                 24
     End- und Rohstofflager Meer
                                                                                                                                 Gemeinsam etwas
                                                                                                                                        bewegen!

                                                                                                 51
                                                                                                          52
     Blühende Ostsee                                           Meersand als Fundament
     Der übermäßige Einsatz von Kunstdünger und Gülle          Mengenmäßig ist Sand Deutschlands wichtigster Roh-
     in der Landwirtschaft hat zu einem Überschuss an          stoff – und dieser wird auch in der Nord- und Ostsee
     Nährstoffen in den Meeren geführt. Über die Flüsse        abgebaut. Saugschiffe fördern große Mengen des vor
     und den Wind eingetragen, fördern Stickstoff- und         allem für den Bau benötigten Rohstoffs aus dem Meer.
     Phosphatverbindungen die explosionsartige Vermeh-         Ganze Sandbänke samt ihrer komplexen Lebensge-
     rung von Mikroalgen. Es kommt zu sogenannten Al-          meinschaften werden dafür abgetragen und so dauer-
     genblüten – mit schwerwiegenden Folgen für den Rest       haft zerstört. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Die
     der Tier- und Pflanzenwelt. Tang und Seegras erreicht     Sedimentfahnen überdecken auch noch Gebiete in gro-
     durch das von den Algen getrübte Wasser nicht mehr        ßer Entfernung und ersticken die hier lebenden Boden-
     genügend Licht zur Photosynthese, und sie gehen ein.      organismen. Alte Schürfrechte erlauben noch immer
     Für die Tierwelt wird es kritisch, wenn die Mikroalgen    den Sand- und Kiesabbau in den Schutzgebieten - ein
     massenweise absterben und auf den Grund sinken, wo        untragbarer Zustand.
     sie von Bakterien abgebaut werden. Dabei wird der         51 Spezialschiff zum Sandabbau
     lebenswichtige Sauerstoff in den bodennahen Was-          52 Dichter Algenwuchs durch zu viele Nährstoffe
     serschichten verbraucht, so dass den Bodenlebewesen
     die Luft ausgeht. Es entstehen sogenannte ‚tote Zonen‘.    Der Einsatz von Gülle und Kunstdünger in der indus-
     Eine stabile Wasserschichtung, wie sie im Sommer in        triellen Landwirtschaft muss reduziert werden. Mit
     der Ostsee häufig vorkommt, begünstigt das Entstehen       dem Kauf von Bioprodukten fördern Sie eine nach-
     dieser ‚Sauerstoffmangelereignisse‘ zusätzlich.            haltige Landwirtschaft, die ganz auf Kunstdünger
                                                                verzichtet und so zum Schutz von Flüssen, Seen und
                                                                                                                            53
                                                                Meeren beiträgt.
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     Gemeinsam etwas bewegen!                                                                                              Mehr lesen
     Auch Sie können etwas für den Meeresschutz tun.          Was macht der BUND?                                                                                                                                   Neugierig? Wir haben noch mehr aktuelle
     Sie können                                               Der BUND setzt sich für den Erhalt der Artenvielfalt              Die Natur und die Umwelt brauchen Schutz.                                           Materialien zum Thema Meeresschutz:
     • ihren Fischkonsum generell reduzieren und auf Fische   und den Schutz der Umwelt ein. Das BUND-Projekt-                  Deshalb gibt es den BUND.
       und Meeresfrüchte ausweichen, die in den aktuellen     büro Meeresschutz übernimmt dabei die wichtige                    Werden Sie Mitglied.                                                                                                                                                                                                   Bis zum
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       letzten Fisch –
                                                                                                                                                                                                                      EinBlick                                                                                                                         und dann?
       Fischführern der Umweltverbände empfohlen wer-         Aufgabe, die Meeresschutzarbeit im BUND zu koordi-                Jetzt ganz einfach unter: www.bund.net                                                in die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Seevögel
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     an Nord-
                                                                                                                                                                                                                      Nordsee                                                    Robben und Wale     und Ostsee

       den;                                                   nieren und mit eigenen Projekten weiter auszubauen.                                                                                                                                                                in unseren Meeren

     • auf einheimische Süßwasserfische wie (Bio-)Forelle     Unser Anliegen ist es, der breiten Öffentlichkeit das
       oder Karpfen ausweichen;                               faszinierende Ökosystem der Nord- und Ostsee näher           Kontakt
                                                                                                                           BUND-Meeresschutzbüro
     • an Aktionen des BUND, wie z.B. Strandaufräum-          zu bringen. Mit Informations- und Schulmaterialien,          Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
       aktionen, teilnehmen;                                  Ausstellungen und öffentlichen Veranstaltungen zu            Am Dobben 44 • 28203 Bremen Tel: 0421 / 790 02 32
                                                                                                                           nadja.ziebarth@bund.net • www.bund.net
     • die Arbeit des BUND durch eine Mitgliedschaft oder     aktuellen Meeresthemen soll der Meeresschutz stärker
       Spende unterstützen.                                   in den Vordergrund gerückt werden. Mehr dazu finden          Impressum                                                                                  Plastic - it‘s
                                                                                                                                                                                                                                       not fantastic..
                                                                                                                                                                                                                                                          .
                                                                                                                                                                                                                                                                                                Meer ohne Plastik

                                                                                                                           Redaktion: Nadja Ziebarth, BUND-Meeresschutzbüro
     Meer und Land profitieren gleichermaßen davon,           Sie unter www.bund.net/meer.                                 Text: Oliver Hofmann • Gestaltung: Grafik-Atelier Wunder                                                                                                                                                                                      BUND Comic Compe
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 tition

     wenn Sie sich generell umwelt- und klimafreundlich                                                                    Fotos: S. Gust: Titel; 8; 11; 22 l B. Balnis: 1; 2; 40, 56 l P. Kay: 3; 9; 13; 15; 20;
                                                                                                                                                                                                                                                                     er dem

                                                                                                                           21; 23; 47 l E. Körner: 4; 41; 42 l W. Wichmann: 5 l E. Gevaert, Fotolia: 6 l                                     Schülerinn
                                                                                                                                                                                                                                                        en und Schül
                                                                                                                                                                                                                                                         im Meer auf
                                                                                                                                                                                                                                                                      der Spur

     verhalten, indem Sie
                                                                                                                                                                                                                                             Plastikmüll

                                                                                                                           M. Salje: 7 l U. Kunz: 10; 12; 14; 19; 22 l M. Simon: 16 l P. Heck: 18; 26; 34-38 l
     • lokal und umweltfreundlich hergestellte Produkte                                                                    O. Larink: 17 l M. Mach, Bärtierchen-Journal: 24 l S. Sommer: 25 l V. Veit, Sen-
       kaufen;                                                                                                             ckenberg: 27 l H. Odermatt: 28 l M. Bartels: 29 l M. Delpho: 30 l S. Garvie: 31; 45
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             © Michael Englert

                                                                                                                           l J. Anderson: 32 l H. Katzenberger: 33 l I. Podszuck: 39 l G. Langer, AWI: 43 l
     • Plastik- und Verpackungsmüll vermeiden oder um-
                                                                                                                           J. Hauck: 44 l Bioconsult: 46 l C. Zimmermann, vTI: 48 l S. Beilfuß: 49 l U.
       weltgerecht entsorgen;                                                                                              Schlottmann: 50 l P. Hübner, BfN: 51 l Krause & Hübner, BfN: 52 l J. Schmiedel:
     • Bioprodukte kaufen.                                                                                                 53 l N. Ziebarth: 54 l U. van der Meer: 55
                                                                                                                           Herausgeber:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Ich!
     Mehr Tipps finden Sie auf www.bund.net.                                                                               Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)                                                                                                                       Nein ich!
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Streit im Watt
                                                                                                                           Am Köllnischen Park 1 • 10179 Berlin
                                                                                                                           Telefon 0 30 / 27 58 64 - 0 • Fax 27 58 64 - 40
                                                                                                                      55   © BUND-Meeresschutzbüro, 2. Auflage, Bremen 2015, ViSdP Dr. N. Franck
                                                                                                                           Die Herausgabe dieser Broschüre wurde gefördert durch das Bundesamt für                                                                                                       Ein Sachbuch zum Lesen, Vorlesen und Ausprobieren
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Herausgegeben vom BUND-Projektbüro Meeresschutz

                                                                                                                           Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums
                                                              54 Strandaufräumaktion                                       für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
                                                              55 BUND-Nationalparkhäuser – immer einen Besuch wert.        und Bingo! Die Umweltlotterie                                                                Alle Broschüren, Flyer und Bildungsmaterialien zum
                                                                                                                                                                                                                        Bestellen oder als Download unter www.bund.net/meer.

                                                       54
56 Gemeine Sepia
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