Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien im Gebäudebereich
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien im Gebäudebereich Studie im Auftrag des Verbandes für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. Peter Mellwig, Dr. Martin Pehnt, Julia Lempik Heidelberg 2021 ifeu Wilckensstraße 3 69120 Heidelberg Telefon +49 (0)6 221. 47 67 - 0 E-Mail ifeu@ifeu.de www.ifeu.de
Danksagung: Das ifeu bedankt sich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber VDPM. ifeu dankt zudem Martin Lohrmann für inspirierende Gespräche und Überlegungen im Zusammenhang mit Wärmenetz-Projekten zum Thema „Niedertemperatur-Wärme“.
1 Inhalt 1 Inhalt 2 Abbildungsverzeichnis 4 Tabellenverzeichnis 7 2 Zusammenfassung 8 3 Hintergrund 12 3.1 Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand: Balance aus erneuerbaren Energien und Energieeffizienz 12 3.2 Vorgehensweise 13 4 Türöffner-Funktion für erneuerbare Energien 14 5 Wann ist ein Gebäude „fit für Erneuerbare“? 16 5.1 Einfluss der Vorlauftemperatur auf Wärmepumpen 17 5.2 Einfluss der Vorlauftemperatur auf Wärmenetze 19 5.3 Einfluss der Brauchwassererwärmung auf die Vorlauftemperatur 21 5.4 „NT-ready“ – ein neuer Standard 21 6 Analyse von Maßnahmen zur Absenkung der Heiztemperaturen 22 6.1 Auswahl von Praxisobjekten 22 6.2 Modellierung der Modernisierungsvarianten 26 6.2.1 Einfamilienhaus 1 27 6.2.2 Einfamilienhaus 2 29 6.2.3 Mehrfamilienhaus 1 32 6.2.4 Mehrfamilienhaus 2 33 6.3 Kostenvergleich 35 6.4 Definition von NT-Ready 37 7 Robustheit effizienter Gebäudehüllen: eine dynamische Modellierung 41 7.1 Erfahrungen aus der Praxis 41 7.2 Resilienz durch Gebäudeeffizienz: Simulation 43 7.2.1 Auskühlungsverhalten von Gebäuden 44 7.2.2 Einfluss von Pufferspeichern 47 7.2.3 Robustheit gegen Fehlbedienung oder Defekt 48
8 Quercheck Graue Energie 50 9 Drei Vorschläge für ein Maßnahmenpaket „NT-ready“ und „EE Fit“ 52 9.1.1 Integration der NT-Readiness und EE Fitness als proaktives Beratungselement in den Sanierungsfahrplan und die Energieberatung 53 9.1.2 Erweiterung der Förderung 56 9.1.3 Anforderung EE Fit und NT-ready für die schlechtesten Gebäude 57 Literaturverzeichnis 59 10 Anhang 60 10.1 Checkliste NT-Ready und EE Fit 60
4 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis Fraunhofer ISE (2020)) 9 Abbildung 2: Beispielhafte Abfolge einer Gebäudesanierung: gezielte Vorbereitung mit NT-ready-Maßnahmen, Wechsel zu erneuerbaren Energien, klimaneutrales Gebäude in der Zukunft 11 Abbildung 3: Zielsetzung und Narrativ des Projekts 13 Abbildung 4: Türöffner-Funktionen für erneuerbare Energien und zusätzliche Nutzen von Energieeffizienz 15 Abbildung 5: Sortierte Außentemperaturen im Jahresverlauf (eigene Darstellung auf Basis DWD) 17 Abbildung 6: Gemessene Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis Fraunhofer ISE) 18 Abbildung 7: Berechnete Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis VDI 4650) 18 Abbildung 8: Beispielhafter Temperaturverlauf in einem Wärmenetz vom Erzeuger bis zum Verbraucher (Quelle dme consult 2021) 19 Abbildung 9: Beispielhafte Leistungszahlen einer Großwärmepumpe in Abhängigkeit von der Ausgangstemperatur (Quelle: Lohrmann 2021) 20 Abbildung 10: Vergleich der Verluste und Kosten von Niedertemperatur- Wärmenetzen ausgehend von den Vorlauftemperaturen in den angeschlossenen Objekten (Quelle: Lohrmann 2021) 20 Abbildung 11: Beispielabbildung Einfamilienhaus 1 (IWU 2015) 23 Abbildung 12: Heizkörper im Einfamilienhaus 1 23 Abbildung 13: Abbildung des Beispielgebäudes Einfamilienhaus 2, Baujahr 1995 (Quelle: EEI (2021)) 24 Abbildung 14: Beispielgebäude Mehrfamilienhaus 1, Baujahr 1955 – vor und während der Modernisierung 25 Abbildung 15: Beispielgebäude Mehrfamilienhaus 2, Baujahr 1995 (Quelle: EEI 2021) 25 Abbildung 16: Vorgehensweise der Modellrechnungen 26 Abbildung 17: Verhältnis von Heizlast der Räume und Heizleistung der Heizkörper in einem Mehrfamilienhaus 27 Abbildung 18: Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von den Modernisierungspaketen 1 – 16 (Tabelle 1) und Heizkörpern im EFH 1 29
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 5 Abbildung 19: Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von den Modernisierungspaketen 1 – 16 (Tabelle 1) und Heizkörpern im EFH 2 31 Abbildung 20: Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von den Modernisierungspaketen 1 – 16 (Tabelle 1) und Heizkörpern im MFH 1 33 Abbildung 21: Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von den Modernisierungspaketen 1 – 16 (Tabelle 1) und Heizkörpern im MFH 2 34 Abbildung 22: Kostenvergleich (Investitionskosten Wärmeerzeuger und Dämm- Maßnahmen (energiebedingte Mehrkosten), Wartungs-, Heiz-, Hilfsenergiekosten der Varianten pro Nutzungsjahr 36 Abbildung 23: Zwei Handlungsfelder für NT-ready: Dämm-Maßnahmen und Wärmeverteilung 38 Abbildung 24: NT-ready als Zwischenschritt zum klimaneutralen Gebäude 39 Abbildung 25: Beispielhafte Abfolge einer schrittweisen Gebäudemodernisierung: gezielte Vorbereitung mit NT-ready- Maßnahmen, Wechsel zu erneuerbaren Energien, klimaneutrales Gebäude in der Zukunft 40 Abbildung 26: Häufigkeit der berichteten Probleme 42 Abbildung 27: Häufigkeit von Antworten, ob bessere Dämmung Probleme verhindert oder vermindert hätte 43 Abbildung 28: Beispiel einer Heizungsanlage im Simulationsmodell Polysun (Quelle: Vela Solaris) 44 Abbildung 29: Temperaturverlauf der Raum- und Außentemperatur in der Simulation des ungedämmten Ist-Zustands. Die Achse für die Raumtemperatur befindet sich links, die der Außentemperatur rechts 45 Abbildung 30: Auskühlung eines Einfamilienhauses bei Ausfall der Heizung für verschiedene Dämmzustände während der kältesten Wintertage 45 Abbildung 31: Auskühlung eines Einfamilienhauses bei Ausfall der Heizung für verschiedene Dämmzustände bei durchschnittlichen Temperaturen der Heizperiode 46 Abbildung 32: Stromerzeugung und Stromverbrauch in Deutschland im Winter 2021; grün: Auskühlungsdauern von ungedämmten und hocheffizienten Gebäuden (Quelle: Agora-Energiewende 2021) 47 Abbildung 33: Auskühlung eines Einfamilienhauses mit gedämmter Außenwand (WDVS) bei Abschaltung der Heizung mit und ohne Speicher 47 Abbildung 34: Elektrische Leistungsaufnahme der Wärmepumpe in einem Einfamilienhaus bei einer Raumtemperatur von 23°C für verschiedene Dämm-Standards 49 Abbildung 35: Treibhausgas-Emissionen durch Modernisierungsmaßnahmen und durch den Betrieb der Heizungsanlage 51 Abbildung 36: Bewertung verschiedener Ideen zur Einführung von NT- Readiness und EE Fitness in das Gebäudeinstrumentarium auf dem 1. Workshop am 12.12.2020 53
6 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu Abbildung 37: Integration von NT-ready in den iSFP 54 Abbildung 38: Auszug aus dem Informationsblatt NT-Ready und EE fit 55 Abbildung 39: Häufigkeitsverteilung der Effizienzklassen nach Effizienzklassen des deutschen Wohngebäudebestandes; Quelle: BMWi 2020 nach dena/ifeu/prognos et al. 2019) 58
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 7 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Berechnete Vorlauftemperaturen für die 16 Modernisierungspakete im EFH 1 28 Tabelle 2: Berechnete Vorlauftemperaturen für die 16 Modernisierungspakete im EFH 2 31 Tabelle 3: Berechnete Vorlauftemperaturen für die 16 Modernisierungspakete im MFH 1 32 Tabelle 4: Berechnete Vorlauftemperaturen für die 16 Modernisierungspakete im MFH 2 34 Tabelle 5: Auskühlungsdauer von 20°C auf 18°C in Stunden bei Abschaltung der Heizung bei verschiedenen Außentemperaturen 46 Tabelle 6: Auskühlungsdauer von 20°C auf 18°C in Stunden bei Abschaltung der Heizung bei verschiedenen Außentemperaturen bei einem Einfamilienhauses mit gedämmter Außenwand (WDVS) mit Speicher und ohne Speicher 48 Tabelle 7: Prüfpunkte für die EE Fitness und NT-Readiness 55 Tabelle 8: Fördersätze für Einzelmaßnahmen im BEG 56 Tabelle 9: Fördersätze für Einzelmaßnahmen im BEG: Neuer Vorschlag (geänderte Werte grau hinterlegt) 57
8 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 2 Zusammenfassung Der Öl- oder Gaskessel geht kaputt, eine neue Heizung muss her. Schaut man auf die Klima- ziele, ist klar, dass die neue Heizung erneuerbar sein muss. Die nächste Chance zum Wechsel kommt erst in 15 bis 20 Jahren. Doch in der Praxis ist längst nicht jedes Gebäude für Erneu- erbare vorbereitet. Oft sind es die hohen erforderlichen Temperaturen im Heizungssystem, die den Wechsel blockieren. Dabei muss ein Gebäude gar nicht vollständig modernisiert sein, um erneuerbar beheizt zu werden. Um die Chance zum Wechsel nicht zu verpassen, reichen oft wenige gezielte Maß- nahmen – Dämmungen und Verbesserungen der Heizverteilung. Sie sind die Türöffner, die den Einbau erneuerbarer Heizsysteme ermöglichen. Das ifeu – Institut für Energie- und Um- weltforschung hat im Auftrag des VDPM diese „Enabler“ untersucht und sie zu einem neuen „NT-ready“-Standard zusammengeführt. NT steht dabei für Niedertemperatur. Wenn ein Gebäude NT-ready ist, hat es noch weitere Vorteile über die Türöffner-Funktion hinaus. Die Robustheit gegenüber Fehlern steigt, die Systemdienlichkeit im Stromnetz nimmt zu und die Gesamtbilanz ist auch unter Einbeziehung der grauen Energie positiv. Auf die Vorlauftemperatur kommt es an Die Vorlauftemperatur des Heizungssystems – also die Temperatur, die der Wärmeerzeuger bereitstellen muss – ist eine zentrale Größe, wenn es um den Einbau von erneuerbaren Hei- zungen geht. Die Vorlauftemperatur wirkt sich auf die verschiedenen erneuerbaren Tech- nologien unterschiedlich aus: Wärmepumpen funktionieren mit einer Vorlauftemperatur von 35°C um rund 14% Prozent effizienter als bei 55°C. Oberhalb von 55°C ist der Betrieb in der Regel we- niger sinnvoll. Ein Energieberater oder erfahrener Heizungsbauer würde in diesen Fällen in der Regel von einer Wärmepumpe abraten. Der Kollektor-Wirkungsgrad von Solarthermie-Anlagen steigt, wenn sie bei niedri- gen Temperaturen betrieben werden. Dadurch kann der Ertrag - besonders bei Flachkollektoren - um ein Vielfaches gesteigert werden. Die Vorlauftemperatur ist ein wesentlicher Einfluss auf die Verteilungsverluste von Wärmenetzen (Fernwärme) und damit auf ihre Wirtschaftlichkeit. Auch in Wärme- netzen können Wärmepumpen und Solarthermie bei niedrigen Temperaturen bes- ser betrieben werden. Die Netztemperatur kann umso weiter abgesenkt werden, je niedriger die Temperaturanforderungen der einzelnen angeschlossenen Gebäude sind. In Brennwert-Heizkesseln setzt der Brennwertbetrieb erst unter 56°C (Erdgas) bzw. 47°C (Heizöl) ein. Bei höheren Temperaturen bleibt der effizienzsteigernde Effekt aus. Auch im Bereich fossiler Energieträger lohnt es sich also, wenn ein Gebäude NT-ready ist. Für Holzheizungen ist die Vorlauftemperatur nicht in erster Linie wichtig, da sie ohne Probleme hohe Temperaturen bereitstellen können. Allerdings werden die
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 9 nachwachsenden Energieträger künftig vor allem im Verkehr und in Hochtempera- turprozessen gebraucht. Wenn Gebäude also mit Holz heizen, sollten sie möglichst effizient sein. Abbildung 1: Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis Fraunhofer ISE (2020)) NT-ready – ein neuer Standard NT-ready ist eine eindeutige Aussage, dass ein Gebäude für erneuerbare Energien vorberei- tet ist. NT-ready ist die Eintrittskarte in die erneuerbare Welt, das heißt es ist der Mindest- standard, ab dem erneuerbare Wärme in der Regel sinnvoll ist. Natürlich können Gebäude auch ohne NT-ready erneuerbar beheizt werden, aber erst NT-ready sorgt dafür, dass Tech- nik und Energieverbräuche (Kosten) im grünen Bereich bleiben. Gebäude, die NT-ready sind, können den nächsten anstehenden Austausch des Heizkessels für den Wechsel zu erneuer- baren Energien nutzen. NT-ready ist ein Zwischenziel für Gebäude, das den Weg hin zu ei- nem klimaneutralen Zustand erleichtern soll. Auch nach Erreichen von NT-ready müssen Gebäude weiter verbessert werden. NT-ready ist ausdrücklich kein klimaneutraler Zielzustand. Aber es ist die Mindestanforderung, die Ein- trittsschwelle, um überhaupt den Umstieg auf erneuerbare Energie im Gebäudebereich zu ermöglichen. Durch künftige Verbesserungen der Gebäude kann die Vorlauftemperatur vo- raussichtlich noch weiter abgesenkt werden, so dass die erneuerbaren Wärmeerzeuger dann optimal betrieben werden können. Ab wann ist ein Gebäude NT-ready? Der NT-ready-Standard muss auf der einen Seite den einwandfreien und kostengünstigen Betrieb von erneuerbaren Heizungen gewährleisten und soll auf der anderen Seite für mög- lichst viele Gebäude möglichst einfach zu erreichen sein. Beide Voraussetzungen werden mit der Anforderung erfüllt: Gebäude sind NT-ready, wenn Maßnahmen der Wärmedäm- mung, Heizkreisoptimierung oder effizienten Warmwasserbereitung soweit vollzogen sind, dass mit einer maximalen Heizwasser-Vorlauftemperatur von 55°C die von den
10 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu Raumnutzern geforderte Raumtemperatur gewährleistet ist. Das bedeutet, dass im Jah- resmittel eine deutlich niedrigere Vorlauftemperatur zu erwarten ist. Dies erfordert ggf. auch ein Umdenken bei der Warmwasserbereitung. Auch dafür gibt es jedoch technische Lösungen. Wie erreicht man NT-ready? Die Vorlauftemperatur einer Heizung hängt von zwei Größen ab: von der Heizlast der Räume Das ist die benötigte Leistung, damit der Raum am kältesten Tag warm bleibt. Sie ist abhängig von der Fläche und der Dämmung der Außenflächen. von der Heizleistung der Heizkörper Das ist die Wärmemenge, die ein Heizkörper oder eine Flächenheizung an den Raum abgeben. Sie ist abhängig von der Heizkörperart und -größe. Grundsätzlich muss die Wärmeverteilung immer an den Wärmebedarf angepasst werden – nicht andersherum. Daher ist es stets sinnvoll, den Weg zum NT-ready-Standard mit Dämm- Maßnahmen zu beginnen. Abbildung 2 zeigt, wie die Vorlauftemperaturen an einem Bei- spielgebäude – einem Einfamilienhaus von 1977 - abhängig von den durchgeführten Maß- nahmen sinkt. 1. Ist-Zustand Dach und oberste Geschossdecke wurden bereits im Jahr 2010 gedämmt. Unter der Keller- decke gibt es eine alte, dünne Dämmung. Die Heizkörper sind großzügig dimensioniert; eine Vorlauftemperatur von 63°C wäre ausreichend, jedoch hat das bisher niemand detailliert berechnet und so läuft die Heizung mit 70°C. 2. Dämmung der Außenwand Die Fassade ist nach 44 Jahren unansehnlich und soll erneuert werden. Bei dieser Gelegen- heit wird gleich ein Wärmedämmverbundsystem aufgebracht. Im Zuge der BEG-Förderung musste auch ein hydraulischer Abgleich durchgeführt werden. Eine Vorlauftemperatur von 57°C reicht nun aus. 3. Optimierung der Wärmeverteilung Der hydraulische Abgleich ergibt, dass der Heizkörper im Bad die Höhe der Vorlauftempera- tur vorgibt. Er wird gegen einen hohen Handtuchtrockner ausgetauscht. Die Heizkörper wer- den an den Thermostatventilen abgeglichen, Heizungsregelung und Pumpe auf die neuen Vorgaben eingestellt. Die Vorlauftemperatur sinkt auf 53°C; das Gebäude ist jetzt NT-ready. 4. Einbau einer Wärmepumpe Die nächste Chance zum Umstieg auf erneuerbare Energien wird genutzt. Die Wärmepumpe läuft nur mit einer JAZ von 2,8, aber stößt damit schon 30% weniger CO2 aus als ein Gas- brennwertkessel. Durch den künftig immer weiter wachsenden Anteil von erneuerbarem Strom steigen die Einsparungen jährlich weiter.
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 11 5. Klimaneutrales Gebäude In den verbleibenden Jahren bis 2045 werden weitere Instandhaltungserfordernisse ge- nutzt, um das Gebäude vollständig zu dämmen. Nun kann die Vorlauftemperatur auf 41°C gesenkt werden und die JAZ der Wärmepumpe steigt auf effiziente 3,4. Abbildung 2: Beispielhafte Abfolge einer Gebäudesanierung: gezielte Vorbereitung mit NT-ready-Maßnahmen, Wechsel zu erneuerbaren Energien, klimaneutrales Gebäude in der Zukunft NT-ready im instrumentellen Rahmen Der NT-ready-Standard kann gut in den instrumentellen Rahmen aufgenommen werden: - Beratung: NT-ready sollte als ein Zwischenziel formal in den individuellen Sanie- rungsfahrplan (iSFP) aufgenommen werden - Förderung: denkbar ist ein NT-ready-Bonus in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ähnlich dem iSFP-Bonus - Ordnungsrecht: NT-ready könnte ein Erfüllungstatbestand für Gebäude der beiden schlechtesten Effizienzklassen G und H werden und damit die absehbaren EU-An- forderungen an minimum energy performance standards (MEPS) erfüllen. Langfristige Ziele wie die Klimaneutralität des Gebäudebestands erfordern langfristige Pla- nung. NT-ready ist ein weiteres Hilfsmittel auf diesem Weg.
12 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 3 Hintergrund 3.1 Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand: Balance aus erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Die Ambitionen der Klimaschutzziele im Gebäudebereich in Deutschland wurden durch den Klimaschutzplan 2050 im Jahr 2016 gegenüber dem Energiekonzept von 2010 nochmal ge- steigert. Das Ziel für 2030, die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors auf 70 Mio. Tonnen zu senken, ist außerordentlich ambitioniert (BMU 2016). Die Europäische Gebäude- richtlinie verlangt für 2050 den nahezu klimaneutralen Gebäudebestand (EPBD 2018). Der Klimapakt von 2021 hat die Ziele für 2030 weiter verschärft und eine vollständige Treibhaus- gasneutralität für das Jahr 2045 festgeschrieben (BMU 2021). Es ist unstrittig, dass für dieses ambitionierte Ziel sowohl Verbrauchsreduktionen durch bau- lichen Wärmeschutz als auch erneuerbare Energien in großem Maßstab erforderlich sind. Über das möglichst kostenoptimale Verhältnis von Effizienz und erneuerbaren Energien gab es bisher jedoch noch keinen Konsens. So wurde auch die Meinung vertreten, man könne einen Mangel an Energieeffizienz mit erneuerbaren Energien und synthetischen Gasen (Power-to-Gas) ausgleichen. In extremerer Ausprägung war die Rede von „Dämmwahn“, „Volksverdämmung“ und vom Volk der „Dichter und Dämmer“. Dass Energieeffizienz der Gebäudehülle volkswirtschaftliche Vorteile hat, wurde ausführlich von ifeu gemeinsam mit dem Fraunhofer IEE und Consentec in einer Studie für die Agora Energiewende untersucht (ifeu et al. 2018). Durch eine Kopplung von vier Modellen wurden die volkswirtschaftlichen Vorteile einer Kombination aus hoher Effizienz und erneuerbaren Energien herausgearbeitet: die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten sind günstiger, wenn man effiziente Gebäudestandards mit erneuerbaren Energien koppelt, Infrastruktur-Auf- wendungen sind geringer, Importrisiken und Preisvolatilität werden reduziert und die nati- onale Wertschöpfung erhöht. Da erneuerbare Energien nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, hat die Gesamtwärme- nachfrage einen hohen Einfluss darauf, in welchem Maß und mit welcher Verbreitung sie eingesetzt werden können. Viele erneuerbare Energien können überhaupt nur in effizienten Gebäuden sinnvoll und wirtschaftlich eingesetzt werden. Das bedeutet, dass das Potenzial von erneuerbaren Energien im Gebäudebereich durch Effizienz erst erschlossen werden kann. Das gilt für die Gesamtpotenziale ebenso wie für den dynamischen Pfad zu ihrer Er- schließung – also den Hochlauf der Märkte. Viele erneuerbare Heizungstechnologien müs- sen im Zuge der Wärmewende einen ambitionierten Markthochlauf vollbringen. Wenn nicht ausreichend effiziente Gebäude im Bestand sind, können die Steigerungsraten der Erneuer- baren nicht erreicht werden. Dämmungen haben jedoch einen Vorsprung vor den Erneuer- baren – sowohl hinsichtlich des zeitlichen Bestehens im Markt als auch der Marktdurchdrin- gung. Aufgrund der bestehenden Kapazitäten könnten sie einen stark wachsenden Markt ohne Probleme abdecken. Dagegen gibt es manche Versorgungsalternativen bisher nur im
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 13 Pilotmaßstab. Ihr mittelfristiger Hochlauf und ihre Kosten sind ungewiss. Volkswirtschaftlich schafft Effizienz eine höhere Robustheit und Resilienz. 3.2 Vorgehensweise Diese Studie verfolgt keinen volkswirtschaftlichen, sondern einen einzelwirtschaftlichen An- satz. Sie untersucht aus Sicht des einzelnen Entscheiders – des Gebäudeeigentümers –, wie stark im einzelnen Gebäude eine Steigerung der Energieeffizienz die Nutzungsmöglichkeiten von erneuerbaren Energien und Niedertemperatur-Wärmenetzen steigern kann. Eine Däm- mung der Gebäudehülle macht das Gebäude, zusammen mit einer Heizungsoptimierung, „niedertemperatur-ready“ (kurz: „NT-ready“). Das bedeutet, dass das Gebäude vorbereitet ist für den Einbau von erneuerbaren Energien. Wenn der Heizkessel das Ende seiner Nut- zungszeit erreicht, kann die Chance zum Wechsel ergriffen werden. Abbildung 3: Zielsetzung und Narrativ des Projekts Das Projekt zeigt auf Basis von Praxisobjekten, wie sehr die Effizienz der Gebäudehülle und die Dämmung der Außenwand den erneuerbaren Energien „die Tür öffnet“(Abbildung 4). Die Studie stellt zunächst die technischen Zusammenhänge dar und zeigt, auf welche Weise die einzelnen erneuerbaren Energiequellen von einer höheren Gebäudeeffizienz profitieren. In Beispielberechnungen werden die limitierenden Faktoren für die einzelnen erneuerbaren Energien identifiziert und der jeweilige Einfluss der Gebäudeeffizienz herausgearbeitet. Der Einfluss unterschiedlicher Dämmniveaus wird aufgezeigt. Dies soll unter anderem klärend wirken in der Diskussion um eine Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes für Be- standsgebäude (GEG). Über die Türöffner-Funktion hinaus zeigt die Studie anhand von Modellberechnungen, dass effiziente Gebäude weniger fehleranfällig sind, dass sie Strom- und Wärmenetze entlasten können und dass die graue Energie, die in den Baustoffen steckt, durch die hohen Einspa- rungen bei weitem aufgewogen wird.
14 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 4 Türöffner-Funktion für erneuerbare Energien Die Vorlauftemperatur des Heizungssystems – also die Temperatur, die der Wärmeerzeu- ger bereitstellen muss – ist eine zentrale Größe, wenn es um den Einbau von erneuerbaren Heizungen geht. Gebäudeeffizienz und Vorlauftemperatur stehen nur mittelbar in Zusam- menhang. Die Vorlauftemperatur einer Heizung hängt von zwei Größen ab: von der Heizlast der Räume. Das ist die benötigte Leistung, damit der Raum am kältesten Tag warm bleibt. Sie ist abhängig von der Fläche und der Dämmung – also der Effizienz - der Außenflä- chen. von der Heizleistung der Heizkörper. Das ist die Wärmemenge, die ein Heizkörper oder eine Flächenheizung an den Raum abgibt. Sie ist abhängig von der Heizkörperart und -größe. Die Vorlauftemperatur wird anhand der Heizkurve idealerweise so eingestellt, dass der Heiz- körper genau so viel Wärme abgibt wie der Raum bei der gewünschten Innentemperatur verliert. Soll die Vorlauftemperatur gesenkt werden kann also entweder ein größerer Heiz- körper installiert oder eine bessere Dämmung aufgebracht werden. Betrachtet man nicht nur einen einzelnen Raum, sondern ein ganzes Gebäude, so führt die ausgewogene Mi- schung aus Dämm- und Heizungsmaßnahmen am effektivsten zum Ziel. Ein Gebäude ist ein System aus Hülle und Haustechnik. Für eine Optimierung müssen beide Bereiche zusam- menspielen. Eine effiziente Gebäudehülle ermöglicht ein Absenken der Vorlauftemperatur und wirkt da- mit für viele erneuerbare Energien wie ein Türöffner: Ein Haupthindernis für den Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden ist die erforderliche Vorlauftemperatur im Heizungssystem. Wärmepumpen funktio- nieren mit einer Vorlauftemperatur von 35°C um rund 14% Prozent effizienter als bei 55°C. Oberhalb von 55°C ist der Betrieb in der Regel weniger sinnvoll. Durch eine Umrüstung von statischen Heizkörpern auf eine Flächenheizung kann die Vorlauf- temperatur zwar grundsätzlich gesenkt werden, jedoch ist die Umrüstung aufwän- dig und die Heizleistung dieser Systeme reicht unter Umständen nicht aus, um un- gedämmte Bestandsgebäude ausreichend zu beheizen. Durch Effizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle wird die Heizlast des Gebäudes vermindert. Je nach Ambiti- onsgrad der Dämm-Maßnahmen kann das Gebäude entweder mit einer Flächen- heizung beheizt werden oder auch mit den vorhandenen Heizkörpern. Der Kollektor-Wirkungsgrad von Solarthermie-Anlagen steigt, wenn sie bei niedri- gen Temperaturen betrieben werden. Das liegt daran, dass sie einen Teil der er- zeugten Wärme wieder an die Umgebung verlieren. Je wärmer sie sind, desto höher sind die Verluste. Insbesondere bei Flachkollektoren steigt der Ertrag bei niedrige- ren Temperaturen um ein Vielfaches. Gleichzeitig steigt auch der solare Deckungs-
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 15 grad. In ungedämmten Gebäuden beträgt er meist weniger als 10 Prozent. Je effizi- enter die Gebäudehülle ist, desto höher kann der Beitrag der Solarthermie für die Raumwärme sein. Auch ohne saisonale Speicher werden hier Deckungsgrade von 20 bis 30 Prozent erreicht. Gerade während der Übergangszeiten kann die Solar- thermie die Beheizung dann weitgehend allein übernehmen. In Brennwert-Heizkesseln setzt der Brennwertbetrieb erst unter 56°C (Erdgas) bzw. 47°C (Heizöl) ein. Bei höheren Temperaturen bleibt der effizienzsteigernde Effekt aus. Deshalb ist es auch im Bereich fossiler Energieträger (Gas, Öl) sinnvoll, dass Gebäude NT-ready sind. Niedertemperaturwärmenetze machen erneuerbaren Energien und Abwärme- quellen für viele Gebäude überhaupt erst nutzbar. Gleichzeitig sind die thermischen Verteilungsverluste weit geringer als in konventionellen Fernwärmenetzen. Limitie- render Faktor für das bereitzustellende Temperaturniveau ist jedoch die Tempera- turanforderung in den einzelnen angeschlossenen Gebäuden. Ohne effiziente Ge- bäudehüllen sind niedrige Heizungstemperaturen und Niedertemperaturwärme- netze nicht umsetzbar. Für Holzheizungen ist die Vorlauftemperatur nicht in erster Linie wichtig, da sie ohne Probleme hohe Temperaturen bereitstellen können. Allerdings werden die nachwachsenden Energieträger künftig vor allem im Verkehr und in Hochtempera- turprozessen gebraucht. Wenn Gebäude also mit Holz heizen, sollten sie möglichst effizient sein. Abbildung 4: Türöffner-Funktionen für erneuerbare Energien und zusätzliche Nutzen von Energieeffizienz
16 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 5 Wann ist ein Gebäude „fit für Erneuerbare“? Eine klare Abgrenzung, ab wann ein Gebäude fit für Erneuerbare ist, ist hilfreich für die Kom- munikation mit Bauherren, für die Gewährung von Fördermitteln oder auch um rechtliche Anforderungen daran zu knüpfen. Aus technischer Perspektive ist diese Grenze weniger scharf, sondern eher ein Übergangsbereich. Wenn im Folgenden eine eindeutige Grenze für den Einbau von erneuerbaren Energien hergeleitet wird, darf sie also nicht als Ausschluss- kriterium verstanden werden. Gebäude sind individuell verschieden und es sind Fälle denk- bar, in denen erneuerbare Energien auch oberhalb des Grenzwertes sinnvoll eingesetzt wer- den können. Der Grenzwert ist vielmehr als Hilfestellung und Orientierung zu verstehen, damit erneuerbare Anlagen in der überwiegenden Mehrzahl der Gebäude in einem tech- nisch und wirtschaftlich zufriedenstellenden Bereich laufen. Der Grenzwert muss auf der einen Seite den einwandfreien und kostengünstigen Betrieb von erneuerbaren Heizungen gewährleisten und soll auf der anderen Seite für möglichst viele Gebäude möglichst einfach zu erreichen sein, damit sie den Wechsel vollziehen. Infobox: Auslegungstemperatur und tatsächliche Temperatur im Heizungssystem Wie in Kapitel 4 gezeigt, ist die Vorlauftemperatur des Heizungssystems eine sehr aussagekräftige Größe für den Einbau von erneuerbaren Energien. In den meisten Heizungssystemen wird sie jedoch in Abhängigkeit von der Außentemperatur erhöht oder abgesenkt. Es ist also zunächst zu spezifizieren, welche Vorlauftemperatur genau gemeint ist. Heizungsplaner legen die Anlagen so aus, dass alle Räume auch am kältesten Tag des Jahres warm werden. Die Berechnungsnorm DIN EN 12831 gibt für alle Postleitzahlenbereiche in Deutschland die jeweiligen Auslegungsaußentemperaturen vor. Sie stellen den Zwei-Tages- Mittelwert der neun kältesten Tage in den Jahren 1995 bis 2012 dar. Weil die Heizungsanlagen auf diese seltenen Außentemperaturen ausgelegt sind, sind sie für durchschnittlich kalte Wintertage überdimensioniert. Die Heizungsregelungen reagieren darauf, indem sie die Vorlauftemperatur entsprechend absenken. Das bedeutet, die Heizungsanlagen laufen über 97% der Zeit mit deutlich geringeren Temperaturen.
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 17 Abbildung 5: Sortierte Außentemperaturen im Jahresverlauf (eigene Darstellung auf Basis DWD) Wenn in diesem Projekt von der Vorlauftemperatur gesprochen wird, ist die Auslegungs- temperatur bei Normbedingungen gemeint. Sie ist eine eindeutig normierte Größe und da- mit eine gute Grundlage für rechtliche Instrumente. Es ist aber zu beachten, dass die tat- sächlichen Vorlauftemperaturen im Jahresmittel deutlich geringer sind. 5.1 Einfluss der Vorlauftemperatur auf Wärmepumpen Wärmepumpen nutzen Umweltwärme aus der Luft, dem Erdreich oder dem Grundwasser mit Temperaturen zwischen -2 und 12°C. Sie heben diese niedrigen Temperaturen unter Einsatz von Strom auf ein Temperaturniveau, das für Heizung und Warmwasserbereitung nutzbar ist, an. Je höher sie die Temperatur anheben müssen, desto ineffizienter funktionie- ren sie. Das durchschnittliche Verhältnis von erzeugter Wärme zu eingesetztem Strom wird als Jahresarbeitszahl (JAZ) bezeichnet. Je geringer der Temperaturhub, desto höher die JAZ und desto effizienter läuft die Wärmepumpe. In einem Forschungsprojekt wurden 56 reale Wärmepumpen vermessen (ISE 2020). Abbil- dung 6 zeigt die gemessenen JAZ in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur. Es wird deut- lich, dass die höchsten JAZ bei niedrigen Temperaturen erreicht werden. Mit jedem Grad mehr verschlechtert sich die JAZ um rund 0,1. Die Grafik zeigt aber auch, dass Wärmepum- pen technisch gesehen auch mit höheren Temperaturen betrieben werden können, wobei eine JAZ von 2,0 einen doppelt so hohen und damit meist unwirtschaftlichen Stromver- brauch bedeutet wie eine JAZ von 4,0.
18 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu Abbildung 6: Gemessene Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis Fraunhofer ISE) Dieser Zusammenhang wird auch in der Berechnungsvorschrift für Wärmepumpen, VDI 4650, dargestellt. Abbildung 7 zeigt die berechnete Abhängigkeit der JAZ von der Vorlauf- temperatur für zwei Beispiel-Wärmepumpen. Die Unterschiede zu den gemessenen Werten in Abbildung 6 ergeben sich daraus, Abbildung 7dass im Feldtest unterschiedliche Wärme- pumpen-Typen in unterschiedlichen Anlagenkonfigurationen untersucht wurden. Die Erd- reich-Wärmepumpe mit einer Vorlauftemperatur von 65°C hat nicht bestimmungsgemäß funktioniert und wurde auf Grund von technischen Problemen in der Studie von ISE 2020 nicht ausgewertet. Abbildung 7: Berechnete Jahresarbeitszahlen in Abhängigkeit von der Vorlauftemperatur (eigene Darstellung auf Basis VDI 4650)
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 19 In beiden Abbildungen ist die Temperaturabhängigkeit nahezu linear. Es sind keine Brüche zu erkennen, die ggf. eine Grenz-Vorlauftemperatur anzeigen würden. Auffällig ist jedoch, dass alle Wärmepumpen im Feldtest bis auf eine (und den nicht gewerteten Ausreißer) un- terhalb von 55°C betrieben werden. Rechnerisch ist ihre JAZ bei 55°C um 14% geringer als bei 35°C – und damit der Verbrauch um 14% höher. 5.2 Einfluss der Vorlauftemperatur auf Wärmenetze In der Vergangenheit wurden Wärmenetze häufig mit Temperaturen von 95 bis 120°C be- trieben. Die hohen Temperaturen ermöglichen es, hohe Wärmemengen und Leistungen zu übertragen. Die Wärmeerzeuger – vornehmlich fossile Heizwerke und Heizkraftwerke – konnten diese hohen Temperaturen leicht bereitstellen. Nachteil sind die hohen Vertei- lungsverluste von rund 15%. Erneuerbare Wärmenetze werden mit solarer Nahwärme, Tiefengeothermie oder Großwär- mepumpen betrieben. Niedrige Systemtemperaturen erhöhen bei all diesen Wärmeerzeu- gern die Wirkungsgrade bzw. ermöglichen erst ihren Einsatz. Die Systemtemperaturen rich- ten sich stets nach den Temperaturanforderungen in den angeschlossenen Gebäuden. Ge- lingt es, die Vorlauftemperatur in den Gebäuden auf 55°C zu begrenzen, müssen die Wär- meerzeuger nur etwa 70°C bereitstellen. Viele erneuerbare Energiequellen können auf die- sem Temperaturniveau hocheffizient genutzt werden. Beispielhaft zeigt Abbildung 9, wie die Leistungszahlen einer Großwärmepumpe bei steigenden Temperaturen abnehmen. Die Verteilungsverluste sind in einem Niedertemperaturnetz ebenfalls geringer. Abbildung 8: Beispielhafter Temperaturverlauf in einem Wärmenetz vom Erzeuger bis zum Verbraucher (Quelle dme consult 2021)
20 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu Abbildung 9: Beispielhafte Leistungszahlen einer Großwärmepumpe in Abhängigkeit von der Ausgangstemperatur (Quelle: Lohrmann 2021) Abbildung 10 zeigt eine überschlägige Kalkulation für ein Niedertemperatur-Wärmenetz. Die Vorlauftemperaturen in den angeschlossenen Gebäuden werden variiert. Bei 65°C sum- mieren sich die höheren Verteilverluste und die schlechtere JAZ zu einem 23 Prozent höhe- ren Wärmepreis auf im Vergleich zu einem Netz, das nur 55°C bereitstellt. Abbildung 10: Vergleich der Verluste und Kosten von Niedertemperatur-Wärmenetzen ausgehend von den Vorlauftemperaturen in den angeschlossenen Objekten (Quelle: Lohrmann 2021) In einem Niedertemperatur-Wärmenetz kann es erforderlich sein, dass es im Sommer, wenn aufgrund der geringen Wärmeabnahme die Umlaufgeschwindigkeit des Kreislaufwassers langsam und der Temperaturverlust auf dem Weg zum letzten Anschlussnehmer etwas höher ist, mit höheren Temperaturen betrieben wird. Im Winter, wenn die Wärmeabnahme
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 21 und damit auch die Umlaufgeschwindigkeit höher ist, kann es mit etwas geringerer Vorlauftemperatur betrieben werden. Um die Vorlauftemperaturen in den angeschlossenen Gebäuden zu senken, müssen die Einstellungen der Heizkurven geprüft werden. Es kann auch ein Austausch von kritischen Heizkörpern nötig werden. 5.3 Einfluss der Brauchwassererwärmung auf die Vorlauftemperatur Neben der Erzeugung von Raumwärme erwärmen die Wärmeerzeuger auch das Brauchwas- ser. Der Anteil des Brauchwassers an der gesamten Wärmeerzeugung liegt in ungedämmten Altbauten bei etwa 18 Prozent. In zukunftsorientierten Gebäuden dagegen ist der Raum- wärmebedarf so gering, dass das Brauchwasser bis zu 50 Prozent ausmacht. Die Temperatur des Brauchwassers hängt einerseits von den Bedürfnissen der Nutzer ab. In der Regel rei- chen ihnen 45°C aus. In sehr vielen Anlagen muss die Temperatur jedoch mindestens 60°C betragen, damit das Wasser hygienisch einwandfrei bleibt. Damit besteht die Gefahr, dass die NT-ready-Bemühungen für niedrige Heizungstemperaturen von der Brauchwasserer- wärmung zunichtegemacht werden. Es stehen aber mehrere technische Lösungen bereit, um die Brauchwassertemperatur ab- zusenken: Mikrofiltration, Frischwasserstationen, elektrische Nacherhitzung oder – bei ge- ringem Wasserverbrauch – auch elektrische Durchlauferhitzer sind Maßnahmen, die je nach individuellen Erfordernissen eingesetzt werden können. Auch die regelmäßige Legionellen- schutz-Schaltung in Mehrfamilienhäusern kann effizient durch eine Nacherhitzung erfolgen. Es kann wesentlich effizienter sein, den Hauptwärmeerzeuger oder ein Wärmenetz nicht auf diese Spitzentemperatur auszulegen, sondern sie mit anderen Maßnahmen zu gewährleis- ten. 5.4 „NT-ready“ – ein neuer Standard Um die technischen Anforderungen an die maximale Vorlauftemperatur griffiger auszudrü- cken und auch für Laien verständlich zu machen, definieren wir in dieser Studie einen neuen Standard: „Niedertemperatur-ready“ oder kurz „NT-ready“. NT-ready ist eine eindeutige Aussage, dass ein Gebäude für erneuerbare Energien, insbe- sondere Wärmepumpen, vorbereitet ist. Gebäude, die NT-ready sind, können den nächsten anstehenden Austausch des Heizkessels für den Wechsel zu erneuerbaren Energien nutzen. NT-ready ist ein Zwischenziel für Gebäude, das den Weg hin zu einem klimaneutralen Zu- stand erleichtern soll. Auch nach Erreichen von NT-ready müssen Gebäude weiter verbes- sert werden. NT-ready ist ausdrücklich kein Zielzustand. Durch künftige Verbesserungen der Gebäude kann die Vorlauftemperatur voraussichtlich noch weiter abgesenkt werden, so dass die erneuerbaren Wärmeerzeuger dann optimal betrieben werden können. In Kapitel 6 werden Musterrechnungen an vier Bestandsgebäuden gezeigt. Damit wird die Grenze, ab der NT-Readiness erreicht wird, abgeleitet.
22 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 6 Analyse von Maßnahmen zur Absenkung der Heiztemperaturen Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze: Die Vorlauftemperaturen lassen sich bereits durch wenige Dämm-Maßnahmen und geziel- ten Heizungsaustausch senken. Die Vorlauftemperaturen im Ausgangszustand und nach Durchführung von Maßnahmen hängen stark von den Gegebenheiten des einzelnen Gebäu- des ab: Dabei ist entscheidend, ob die installierten Heizflächen knapp oder großzügig be- messen sind und wie der Modernisierungszustand der Hüllflächenbauteile ist. In Mehrfami- lienhäusern hat die Außenwanddämmung eine deutlich höhere Relevanz für die NT-Readi- ness. In Einfamilienhäusern sind auch andere Maßnahmen recht wirksam (Dach, Kellerde- cke, …). Durch die Senkung der Vorlauftemperatur ist der Einsatz z. B. einer Wärmepumpe auch bei bestehenden Heizkörpern möglich. 6.1 Auswahl von Praxisobjekten Für die Berechnungen und Modellierungen, die in diesem Projekt durchgeführt wurden, wurden vier reale Bestandsgebäude ausgewählt. Sie stehen beispielhaft für einen hohen Anteil des deutschen Gebäudebestands und zeigen reale Probleme auf, mit denen die Ak- teure in der Praxis konfrontiert sind. Die relevanten Basisdaten der Beispielgebäude wurden zusammengestellt (U-Werte, Flächen, Heizkörperflächen usw.) und damit die Grundlagen für die Modellberechnungen geschaffen. Einfamilienhaus 1 Das Gebäude wurde im Jahr 1978 errichtet (Abbildung 11). Es wurden noch keine energeti- schen Modernisierungen durchgeführt. Die Gebäudehülle entspricht dem typischen Wär- meschutz-Standard dieser Zeit. Die Außenwände bestehen aus Mauerwerk und sind innen und außen verputzt. Die Fenster sind Isolierglasfenster mit Holzrahmen. Das Satteldach hat raumseitig eine Holzschalung mit Putzträger und Putz. Eine eigens eingebaute Dämmschicht gibt es nicht. Der Spitzboden ist beheizt. Er wurde mit Gipskarton und einer dünnen Zwi- schensparrendämmung ausgebaut. Der Wärmeschutz entspricht etwa dem der übrigen Dachflächen. Das Gebäude ist nicht unterkellert. Auf der Bodenplatte aus Beton ist eine zwei Zentimeter starke Polystyroldämmung und eine Estrichschicht. Das Einfamilienhaus wurde bislang mit einem Ölkessel beheizt, der auch das Trinkwasser erwärmt. Die Wärme wird mit Plattenheizkörpern aus dem Errichtungsjahr an die Räume abgegeben. Der Heizkessel soll durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Alternativ wird ein Gas-Brennwertkessel mit So- larthermie dargestellt, der mittelfristig mit synthetischem Gas (Power to Gas - PtG) betrie- ben wird. Dieser Gebäudetyp ist repräsentativ für 6 % der Wohnfläche in Deutschland.
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 23 Abbildung 11: Beispielabbildung Einfamilienhaus 1 (IWU 2015) Abbildung 12: Heizkörper im Einfamilienhaus 1 Einfamilienhaus 2 Das freistehende Einfamilienhaus wurde 1995 gebaut und entspricht diesem Wärmestan- dard1. Es fanden noch keine Modernisierungen am Gebäude statt. Das Gebäude hat zwei Geschosse und ist nicht unterkellert. Das Pultdach sowie die verputzten Außenwände haben eine Dämmschicht, die dem Standard des Baujahres entspricht. Die Südfassade ist großflä- chig verglast. Das Einfamilienhaus wurde bislang mit einem 1995 eingebauten Gas-Brenn- wertkessel beheizt, der auch das Trinkwasser erwärmt. An den Außenwänden sind Platten- heizkörpern angebracht. Der Außenputz ist bereits beschädigt zum Teil verfärbt. Außerdem zeigen die Fenster Un- dichtigkeiten, sodass mindestens die Dichtung ersetzt werden muss. Der Heizkessel soll –––––––––––––––– 1 Quelle: EEI Energie Effizienz Institut 2021
24 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Für das Gebäude wird durch einen Energieberater ein Sanierungsfahrplan erstellt. Dieser Gebäudetyp ist repräsentativ für 4 % der Wohnfläche in Deutschland. Abbildung 13: Abbildung des Beispielgebäudes Einfamilienhaus 2, Baujahr 1995 (Quelle: EEI (2021)) Mehrfamilienhaus 1 Das Gebäude wurde 1955 als Mehrfamilienhaus erbaut. Der bauliche Wärmeschutz ent- spricht der Baualtersklasse. Die Außenwände bestehen aus monolithischem Mauerwerk und sind außen und innen verputzt. Das Flachdach mit Bitumenbahnen ist in einem guten Zustand, jedoch noch ohne Dämmschicht. Das Gebäude hat Stahlbetondecken mit Tritt- schalldämmung und Estrich im ursprünglichen Zustand. Es ist voll unterkellert. Der Keller ist nicht beheizt und wird für die Haustechnik und als Lager-/Mieterkeller genutzt. Das 5. Ober- geschoss ist als Staffelgeschoss ausgebildet und wird als Wohnfläche und als Waschküche sowie Trockenraum genutzt. Die Wohnfläche umfasst ca. ein Drittel der Grundfläche. Bei den Fenstern handelt es sich um Verbundfenster mit Holzrahmen, die ebenfalls 1955 einge- setzt wurden und nicht modernisiert wurden. Die Fenster sind in einem guten Zustand, ha- ben aber keine Dichtungen. Das Treppenhaus sowie Teile des 5. Obergeschosses sind teil- weise einfachverglast. Die Eingangstür ist eine gealterte Holztür mit einem großen verglas- ten Bereich, die ebenfalls 1955 eingebaut wurde. An dem Gebäude befinden sich einige Wärmebrücken. Besonders hervorzuheben sind die Rollladenkästen an den meisten Fens- tern und die Balkonplatten ohne thermische Trennung. Es gibt keine Heizkörpernischen. Die Beheizung erfolgt über den zentralen Konstanttemperatur-Kessel mit Heizöl. Die Brauchwassererwärmung erfolgt dezentral mit elektrischen Durchlauferhitzern. Außer ei- nem Austausch des Brenners wurden noch keine wärmetechnischen Verbesserungen durch- geführt. Der Heizkessel soll aufgrund seines Alters durch einen Nahwärmeanschluss ersetzt werden. Das Stadtwerk plant ein Nahwärmenetz mit einem niedrigen Temperaturniveau von 60°C, weil dadurch die Abwärme eines nah gelegenen Produktionsbetriebs genutzt wer- den kann. Zusätzlich ist eine Luft-Großwärmepumpe vorgesehen, die in diesem Tempera- turbereich besonders effizient funktioniert. Das Gebäude repräsentiert ca. 4 % der Wohnfläche in Deutschland.
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 25 Abbildung 14: Beispielgebäude Mehrfamilienhaus 1, Baujahr 1955 – vor und während der Modernisierung Mehrfamilienhaus 2 Das Mehrfamilienhaus wurde 1995 gebaut. Es handelt sich um ein freistehendes Gebäude mit Fenster- und Türöffnungen nach Osten und Westen. Auf der Westseite (lärmgeschützte Hof-Seite) sind Balkone angebracht. Diese wurden wärmebrückenarm nach damaligem Stand der Technik eingebaut. Alle anderen Bauteile entsprechen dem Baustandard aus dem Baujahr. Die Fenster sind 2-fach verglast. Die Außenwände bestehen aus monolithischem Mauerwerk. Sie sind nach außen gedämmt und außen und innen verputzt. Das Satteldach ist gedämmt. Der Boden ist vollständig unterkellert, der Keller ist nicht beheizt. Ein Gas- Brennwertkessel beheizt das Gebäude und erzeugt das Trinkwarmwasser. Es soll zukünftig an ein nahgelegenes Niedertemperatur-Nahwärmenetz angeschlossen werden und muss dafür vorbereitet werden. Das Gebäude repräsentiert ca. 3 % der Wohnfläche in Deutschland. Abbildung 15: Beispielgebäude Mehrfamilienhaus 2, Baujahr 1995 (Quelle: EEI 2021)
26 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu 6.2 Modellierung der Modernisierungsvarianten Die ausgewählten Beispielgebäude werden modellhaft mit verschiedenen Varianten moder- nisiert, um festzustellen, wie weit und mit welchen Maßnahmen die Vorlauftemperatur ab- gesenkt werden kann. Das Ziel ist, aus diesen Versuchen heraus, den NT-ready Standard zu definieren. Abbildung 16 zeigt die einzelnen Schritte der Modellrechnung. In Schritt 1 wird nach VDI 4650 die Wärmepumpe ausgelegt mit dem Ziel die mögliche NT-ready-Vorlauftemperatur möglichst einzugrenzen. In Schritt 2 wird die Gebäudehülle modernisiert und Maßnahmen an der Wärmeverteilung vorgenommen, um die Auswirkungen auf die Vorlauftemperatur abzubilden. In Schritt 3 wird der Energiebedarf berechnet, um den Einfluss von NT-ready zu zeigen. • Wärmepumpenauslegung Schritt 1: • Ziel: Eingrenzen der NT-Ready-Vorlauftemperatur VDI 4650 • Berechnung von Änderungen an der Hülle und der Wärmeverteilung Schritt 2: • Auswirkung auf die Vorlauftemperatur OPTIMUS • Ziel: Ambitionsgrad der Maßnahmen aufzeigen • Berechnung des Energiebedarfs der Maßnahmen aus Schritt 2 Schritt 3: • Ziel: Einfluss von NT-Ready zeigen 18599 Abbildung 16: Vorgehensweise der Modellrechnungen Für die Modellgebäude werden 16 verschiedene Modernisierungsmaßnahmen (Dämmung der Außenwand, Austausch der Fenster, Kellerdeckendämmung, Dämmung der obersten Geschossdecke) definiert und anschließend die Auswirkungen auf den Heizwärmebedarf des Gebäudes, der Heizlast des Raumes und das erforderliche Vorlauf-Temperaturniveau der vorhandenen Heizkörper berechnet. Die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen wer- den unterschiedlich kombiniert. Alle Modernisierungsvarianten werden in zwei verschiede- nen Dämmstandards gerechnet: Entweder entsprechen die U-Werte der Bauteile den An- forderungswerten im GEG oder denen der KfW/BEG-Einzelmaßnahmen. Im Ergebnis dieser Berechnungen kann ein NT-ready-Maßnahmenpaket definiert werden, ein erforderliches Paket an Maßnahmen für die Beheizung des Gebäudes mit niedrigen Tem- peraturen, ohne neue Flächenheizungen verlegen zu müssen, was vielfach in Bestandsge- bäuden nicht möglich ist.
ifeu Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien 27 Im nächsten Schritt wird die Effizienzsteigerung für verschiedene Heizungssysteme quanti- fiziert. Mit dieser Analyse kann die Frage beantwortet werden: „Um wie viel effizienter kön- nen erneuerbare Energien durch Energieeffizienz genutzt werden?“ Damit wird insgesamt die doppelte Kosteneinsparung durch Effizienz transparent gemacht: Energieeinsparung durch Senkung des Nutzwärmebedarfs und Energieeinsparung durch Steigerung der Effizi- enz der Heizung. Abbildung 17 zeigt Heizlast und Heizleistung für die Räume von Mehrfamilienhaus 1. In ei- nem idealen Gebäude hätten alle Heizkörper genau die Leistung, die der Heizlast des Raums entspricht. Im Diagramm würden sie genau auf der Linie liegen. In der Praxis sind die Heiz- körper meist größer. Sie liegen im Diagramm unterhalb der Linie. Sie könnten ihren Raum auch mit einer geringeren Vorlauftemperatur heizen. Es gibt jedoch stets einige Heizkörper, deren Leistung nur wenig größer als die Last ist – oder sogar kleiner (oberhalb der Linie). Diese ungünstigsten Heizkörper sind der Flaschenhals, der die Vorlauftemperatur für das gesamte Heizungssystem bestimmt. 3000 2500 Heizlast je Raum [W] 2000 1500 1000 500 0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 Heizleistung des Radiators [W] Abbildung 17: Verhältnis von Heizlast der Räume und Heizleistung der Heizkörper in einem Mehrfamilienhaus In den Modellrechnungen werden die Heizkörper stufenweise ausgetauscht: zuerst der inef- fizienteste/neuralgischste Heizkörper, dann die fünf schlechtesten. In den Mehrfamilien- häusern befinden sich mehr Heizkörper als in den Einfamilienhäusern, daher wird hier zu- sätzlich das schlechteste Drittel der Heizkörper ausgetauscht. 6.2.1 Einfamilienhaus 1 Das Einfamilienhaus 1 wird modellhaft mit verschiedenen Maßnahmen an der Gebäude- hülle modernisiert. Diese werden mit einem gezielten Heizungsaustausch und einem hyd- raulischen Abgleich kombiniert. Tabelle 1 zeigt die berechneten Vorlauftemperaturen, die sich nach den Modernisierungen einstellen. Die vier Modernisierungsmaßnahmen (Außen- wand, Außenwand und Fenster/Türen, Dach/oberste Geschossdecke, Keller/unterer Gebäu- deabschluss) werden unterschiedlich kombiniert. Im unsanierten Ist-Zustand erreicht das Gebäude eine Vorlauftemperatur von 63°C. Dabei wird unterstellt, dass die Heizkörper hydraulisch abgeglichen sind und die Heizkurve korrekt
28 Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien ifeu eingestellt wurde. Im Realbetrieb ohne hydraulischen Abgleich ist die Vorlauftemperatur jedoch höher und liegt bei ca. 70°C. Eine Dämmung der Außenwand mit U-Werten nach GEG lässt die Vorlauftemperatur um 6 K auf 57°C absinken. Eine bessere Dämmung nach BEG-Standard senkt die Temperatur auf 56°C ab. Eine Kombination der Modernisierungsmaßnahmen Außenwand und Fenster/Tü- ren und einer Dämmung des Satteldachs lässt die Temperatur auf 48°C (GEG) oder 46°C (BEG) sinken. Den größten Effekt erzielt eine Dämmung der gesamten Hüllfläche. Die Tem- peratur sinkt auf 47°C (GEG) oder 45°C (BEG). Das Gebäude erreicht nach der Dämmung nach BEG den Effizienzhaus-55-Standard. In einem zweiten Schritt wird gemessen, wie hoch die Absenkung der Vorlauftemperatur ist, wenn die Heizkörper hydraulisch abgeglichen werden und einzelne Heizkörper ausgetauscht werden. Der ungünstige Heizkörper befindet sich im EFH 1 im Badezimmer im ersten Obergeschoss. Die Heizlast des Raumes ist zu hoch für den Heizkörper - er ist unterdimensioniert. Durch einen Wechsel, z B. zu einem hohen Handtuchtrockner, sinkt die Vorlauftemperatur bei al- len Modernisierungsmaßnahmen um durchschnittlich 2 K. Werden noch weitere vier Heiz- körper (die fünf ungünstigsten Heizkörper) ausgetauscht sinkt die Temperatur gegenüber dem Ist-Zustand um durchschnittlich 6 K. Varianten Effizienz- Außenwand, Dach, Kellerdecke, Außenwand keine Austausch Austausch niveau Fenster, Dachfenster, Kellerwände, Anlagen- des un- der fünf un- Türen Gauben, Bodenplatte maßnahmen günstigsten günstigsten oberste Heizkörpers Heizkörper Geschoss- decke Modernisierungspakete Einzelp. Vorlauftemperatur [°C] Ist-Zustand unsaniert 63 59 55 1 x 54 53 48 2 x 59 57 51 3 x 63 58 54 EnEV / GEG 4 x x 47 47 44 5 x x 55 54 51 6 x x 54 53 48 7 x x x 47 42 42 8 x 56 54 51 9 x 53 53 47 10 x 58 56 51 Einzelmaßnahmen 11 x 63 58 54 KfW / BEG 12 x x 46 45 41 13 x x 54 54 50 14 x x 53 53 45 15 x x x 45 41 41 16 x 56 54 51 Tabelle 1: Berechnete Vorlauftemperaturen für die 16 Modernisierungspakete im EFH 1 Die maximale Absenkung der Vorlauftemperatur ist möglich, wenn Dämm-Maßnahmen und Austausch der fünf ungünstigsten Heizkörper kombiniert werden. Das Gebäude erreicht den Effizienzhaus-55-Standard und die Vorlauftemperatur sinkt um 22 K auf 41°C. Abbildung 18 ist eine grafische Übersetzung von Tabelle 1 und zeigt den Einfluss der Dämm- Maßnahmen und des Heizkörper-Austauschs auf die Vorlauftemperatur. Die einzelnen
Sie können auch lesen