ENERGIEEFFIZIENZ UND RECHENZENTREN IN DEUTSCHLAND: WELTWEIT FÜHREND ODER LÄNGST ABGEHÄNGT? EINE NERZ-STUDIE ZUR ENTWICKLUNG DES ...

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ENERGIEEFFIZIENZ UND RECHENZENTREN IN DEUTSCHLAND: WELTWEIT FÜHREND ODER LÄNGST ABGEHÄNGT? EINE NERZ-STUDIE ZUR ENTWICKLUNG DES ...
Energieeffizienz und
Rechenzentren in Deutschland:
Weltweit führend oder längst
abgehängt?

Eine NeRZ-Studie zur Entwicklung des
Rechenzentrumsmarktes in Deutschland

- Kurzfassung -

Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH
Dr. Ralph Hintemann, Dr. Severin Beucker, Simon Hinterholzer
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ENERGIEEFFIZIENZ UND RECHENZENTREN IN DEUTSCHLAND: WELTWEIT FÜHREND ODER LÄNGST ABGEHÄNGT? EINE NERZ-STUDIE ZUR ENTWICKLUNG DES ...
Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des Kooperationsnetzwerks „Netzwerk
energieeffiziente Rechenzentren“ (NeRZ) vom Borderstep Institut erstellt. Die
Studie basiert auf verschieden Quellen, insbesondere:

   •   Umfassende Recherche der bisher vorhandenen Informationen zu
       Rechenzentren in der Literatur und in sonstigen Quellen, insbesondere
       Daten von Analysten wie Techconsult, Gartner und IDC

   •   Modellierung: Nutzung des umfassendes Borderstep-Strukturmodell der
       Rechenzentrumslandschaft in Deutschland

   •   Online-Befragung von RZ-Betreibern

   •   Strukturierte Interviews mit ausgewählten RZ-Experten

NeRZ wird unterstützt von:

Verfasser: Dr. Ralph Hintemann, Dr. Severin Beucker, Simon Hinterholzer
Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, Berlin
Clayallee 323, 14169 Berlin
Stand: 27. März 2018 – redaktionell überarbeitete Version
Die Studie ist auch verfügbar unter www.ne-rz.de

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Innovation und
Energieeffizienz
für Rechenzentren

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Studie

Energieeffizienz und Rechenzentren in
Deutschland
Weltweit führend oder längst abgehängt?

- Kurzfassung -

Inhalt
1.    Einleitung ........................................................................................................................ 5
2.    Aktuelle Entwicklungen des Rechenzentrumsmarktes in Deutschland ............. 6
     2.1     Entwicklung der Investitionen in Rechenzentren ............................................ 6
     2.2     Struktur der Rechenzentren in Deutschland .................................................... 8
     2.3     Rechenzentren in Deutschland im internationalen Vergleich ....................... 9
3.    Energieeffizienz in deutschen Rechenzentren ...................................................... 12
     3.1     Entwicklung des Energiebedarfs der Rechenzentren in Deutschland ...... 12
     3.2     Maßnahmen und Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz ............. 13
Quellenangaben .................................................................................................................. 16

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1. Einleitung

   Rechenzentren stellen als ein zentrales Element der digitalen Infrastruktur eine
   Basis für die Wirtschaft der Zukunft dar. Schon heute sichern sie mehr als
   200.000 Arbeitsplätze in Deutschland (Hintemann & Clausen, 2014) und es
   kommen jedes Jahr neue Arbeitsplätze hinzu. Die Investitionen in Rechen-
   zentrumsinfrastruktur in Deutschland wachsen aktuell jährlich um ca. 10%. Die
   Mehrheit der Rechenzentrumsbetreiber in Deutschland will ihr Rechenzentrum
   auch in den nächsten Jahren erweitern. Allerdings entwickelt sich die Rolle
   Deutschlands im internationalen Vergleich mittel- bis langfristig nicht so positiv.
   Der Anteil Deutschlands am weltweiten Rechenzentrumsmarkt sinkt
   kontinuierlich.

   Auch wenn Deutschland hinsichtlich der meisten Standortfaktoren wie eine
   sichere Stromversorgung, eine gute Anbindung an das Internet sowie Daten-
   schutz und Rechtssicherheit gut dasteht, werden von den Rechenzentrum-
   betreibern doch deutliche Nachteile bei den hohen Strompreisen und den zu lange
   dauernden Genehmigungsprozessen gesehen. Außerdem wird bemängelt, dass
   Rechenzentren in Deutschland nur wenig Aufmerksamkeit auf Ebene der
   politischen Entscheider genießen und dass es in Deutschland anders als in
   anderen Nationen keine klare Strategie zur Förderung des Rechenzentrums-
   standortes gibt.

   Die deutschen Rechenzentren gehören zu den energieeffizientesten Rechen-
   zentren weltweit. Sie konnten ihre Energieeffizienz in den letzten drei Jahren noch
   einmal deutlich verbessern und sind in diesem Technologiefeld weltweit führend.
   Dennoch steigt der Energiebedarf der Rechenzentren in Summe in Deutschland
   kontinuierlich an. Neue Technologien, die zu einer deutlichen Verbesserung der
   Energieeffizienz führen können, werden immer noch zu zögerlich eingesetzt.

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2. Aktuelle Entwicklungen des Rechenzentrumsmarktes in
   Deutschland

   2.1 Entwicklung der Investitionen in Rechenzentren

   Der Rechenzentrumsmarkt in Deutschland entwickelt sich gut. Fast täglich wird in
   den Medien über neu geplante, neu gebaute oder eröffnete Rechenzentren
   berichtet.

   Auf Basis verfügbarer Marktdaten und mit Hilfe des Borderstep-Bestandsmodells
   für die Rechenzentrumslandschaft in Deutschland ist es möglich, die jährlichen
   Investitionen in die Rechenzentrumsinfrastruktur in Deutschland zu berechnen.
   Wie Abbildung 1 zeigt, sind diese Investitionen in den vergangenen Jahren
   deutlich angestiegen, die Wachstumsrate betrug im Jahr 2016 wie in den zwei
   Vorjahren jeweils ca. 10%. Im Jahr 2017 werden die Investitionen voraussichtlich
   die eine-Milliarde-Euro-Grenze überschreiten. Die Investitionen in die IT-Hardware
   der Rechenzentren, also die Server-, Speicher- und Netzwerkinfrastruktur betrugen
   im Jahr 2016 ca. 7,3 Mrd. €.

   Abbildung 1: Entwicklung der Investitionen in Rechenzentrumsinfrastruktur (ohne IT) in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2016
                und Prognose für 2017

   Quelle: Borderstep 2017

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Dieser deutliche Wachstumstrend wird auch durch die im Jahr 2017
durchgeführte Umfrage bei Rechenzentrumsbetreibern bestätigt. Vierzig Prozent
der Befragten geben an, dass die IT-Fläche ihrer Rechenzentren in den
vergangenen zwei Jahren größer geworden ist. Bei 28% der Befragten ist die
Fläche sogar um mehr als ein Viertel gestiegen. Das aktuell starke Wachstum der
Rechenzentrumskapazitäten ist insbesondere durch die voranschreitende
Digitalisierung begründet. Es werden immer mehr Daten erfasst und verarbeitet.
Cisco geht davon aus, dass sich die weltweit in Rechenzentren gespeicherte
Datenmenge im Zeitraum 2015 bis 2020 um mehr als den Faktor fünf auf 915
Exabyte erhöht. Um die zunehmende Datenmenge zu verarbeiten, wird sich die
Workload in den Rechenzentren im genannten Zeitraum fast verdreifachen (Cisco,
2016).

Das Rechenzentrumswachstum findet vor allem im Segment des Cloud
Computings statt (Abbildung 2). Vor allem große amerikanische Cloud-Anbieter
bauen aktuell Rechenzentrumskapazitäten in Deutschland auf und nutzen dabei
in der Regel die Angebote von Colocation-Dienstleistern. Dieser Trend liegt in dem
Wunsch deutscher Unternehmen begründet, ihre Daten nicht ins Ausland zu
geben. Drei Viertel der deutschen Unternehmen erwarten von ihrem Cloud-
Anbieter, dass er seine Rechenzentren ausschließlich in Deutschland betreibt
(KPMG & Bitkom, 2016).

Abbildung 2   Entwicklung der Rechenzentrumsflächen (IT-Fläche) in Deutschland und Anteil Cloud Rechenzentren von 2010 bis
              2020 (ab 2017 Prognose)

Quelle: Borderstep 2017

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Durch die Diskussionen um die Snowden-Affäre und durch das Urteil des EU-
Gerichtshofs zu Safe-Harbour wurde das Wachstum der Rechenzentrums-
kapazitäten in Deutschland weiter verstärkt (Hintemann, 2017). Nach Angaben
des Digital Hub FrankfurtRheinMain wirkt sich aktuell auch der Brexit auf den
Rechenzentrumsmarkt aus und fördert insbesondere die Investitionen in neue
Rechenzentren im Raum Frankfurt. (Digital HUB, 2017).

Auch für die Zukunft kann mit deutlich steigendem Wachstum der Rechenzen-
trumsbranche in Deutschland gerechnet werden. Fast 60% der von Borderstep
befragten Rechenzentrumsbetreiber wollen ihr Rechenzentrum in den nächsten
zwei Jahren erweitern. Etwa 40% werden Ersatzinvestitionen vornehmen und nur
4% planen keine Investitionen. Der Digital Hub geht von einem deutlich verstärkten
Wachstum im Raum Frankfurt aus und korrigierte im laufenden Jahr seine
Schätzung der jährlichen Investitionssummen von 200 Millionen Euro auf 350
Millionen Euro. Bis 2019 soll die Rechenzentrumsfläche in Frankfurt von aktuell
etwa 500.000 m2 auf über 600.000 m2 steigen (Digital HUB, 2017).

Auch mittelfristig gehen viele Betreiber von einem weiteren Wachstum ihres
Rechenzentrums aus. Fünfzig Prozent der Befragten geben an, dass in ihrem
Rechenzentrum im Jahr 2025 voraussichtlich mehr physische Server installiert
sein werden als heute.

2.2 Struktur der Rechenzentren in Deutschland

Weltweit ist ein klarer Trend zu immer mehr großen Rechenzentren festzustellen.
Cisco geht davon aus, dass sich die weltweite Zahl der sehr großen, sogenannten
Hyperscale-Rechenzentren zwischen 2015 und 2020 von 259 auf 485 fast
verdoppelt und dass im Jahr 2020 knapp 50% aller Server in diesen Rechen-
zentren installiert sein werden (Cisco, 2016). Auch in Deutschland ist der Trend zu
immer mehr großen Rechenzentren festzustellen (Hintemann & Clausen, 2016).
Nach Schätzungen von Borderstep wurden in den vergangenen vier Jahren etwa
20 neue Rechenzentren mit mehr als 5.000 m 2 IT-Fläche in Deutschland
aufgebaut.

Bei den sehr großen Rechenzentren handelt es sich in insbesondere um Cloud-
und Colocation-Rechenzentren. Vor allem der Markt der Colocation-
Rechenzentren boomt. Bis zum Jahr 2020 wird voraussichtlich 40% an der
Gesamt-IT-Fläche deutscher Rechenzentren von Colocation-Betreibern
angeboten. Aber auch der Eigenbetrieb von Rechenzentren hat weiterhin hohe
Bedeutung. 93 % der IT-Verantwortlichen in mittelständischen Unternehmen
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halten den Betrieb von eigenen Rechenzentren für wichtig (Nebuloni & Olah,
2014). In der durchgeführten im Rahmen dieser Studie Expertenbefragung wurde
mehrfach bestätigt, dass aktuell gerade mittelständische Unternehmen
zusätzliche Rechenzentrumskapazitäten aufbauen – oft auch im Eigenbetrieb.
Borderstep geht davon aus, dass sich die Zahl der kleinen Rechenzentren (bis 100
m2) in Deutschland in den letzten drei Jahren etwas erhöht hat und bei ca. 50.000
liegt. Durch den Trend zu sogenannten Edge-Rechenzentren wird das Wachstum
der Zahl kleiner Rechenzentren in den kommenden Jahren voraussichtlich noch
verstärkt. Mit Edge-Rechenzentren sind meist kleine dezentrale Rechenzentren
gemeint, welche die künftig großen anfallenden Datenmengen durch das Internet-
of-Things schon nah an der Datenquelle verarbeiten sollen.

Der Rechenzentrums-Standort Frankfurt Rhein/Main wird nach Einschätzung aller
befragten Experten seine herausragende Rolle in Deutschland auch in Zukunft
beibehalten bzw. noch weiter ausbauen. Durch die starke Finanzbranche und vor
allem durch den DE-CIX ist Frankfurt oft die erste Wahl insbesondere für
internationale Rechenzentrumsbetreiber. DE-CIX ist der nach Datendurchsatz in
Spitzenzeiten größte Internet-Austauschknoten der Welt (Digital HUB, 2017).

2.3 Rechenzentren in Deutschland im internationalen
    Vergleich

Im internationalen Vergleich wächst der deutsche Rechenzentrumsmarkt nur
durchschnittlich. Langfristig nimmt seine Bedeutung sogar mehr und mehr ab.
War im Jahr 2010 noch fünf Prozent der international vorhandenen IT-Fläche in
Rechenzentren in Deutschland, so wird dieser Anteil nach einer Prognose von
Borderstep bis 2020 auf vier Prozent sinken. So wachsen beispielsweise die
Serverzahlen in den USA deutlich schneller als in Deutschland. Während sie in
Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2017 um knapp 25 Prozent gestiegen
sind, wuchsen nach Berechnungen von Borderstep die Serverzahlen in den USA
im gleichen Zeitraum um fast 60%. Auch der Anteil Westeuropas am
internationalen Rechenzentrumsmarkt nimmt kontinuierlich ab: Gemessen an der
IT-Fläche von 25% im Jahr 2010 auf 21% im Jahr 2020. Die Prognose wird in der
Tendenz durch die Analysen von Cisco bestätigt. Lag der Anteil Westeuropas an
der weltweiten Workload der Rechenzentren im Jahr 2013 noch bei 27%, so geht
Cisco für 2020 nur noch von einem Anteil von 17,5% aus (Cisco, 2014, 2016).

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Abbildung 3: Entwicklung der IT-Fläche in Rechenzentren weltweit (Berechnung Borderstep)

Quelle: Borderstep 2017

Wie oben darstellt, wachsen gerade im Frankfurter Raum die Rechenzentrums-
kapazitäten aktuell sehr dynamisch. Dennoch gibt es andere Regionen in Europa,
in denen die Rechenzentren noch schneller wachsen. Hier ist vor allem der
Großraum Amsterdam zu nennen. Nach Angaben der Analysten von CBRE sind
hier - gemessen an der Stromleistung - im Jahr 2016 mehr als eineinhalb mal so
viel neue Kapazitäten geschaffen worden wie im Frankfurter Raum. Auch das
Colocation-Angebot im Großraum London ist zumindest bis 2016 deutlich stärker
gewachsen; im Jahr 2016 wurden in London 43% mehr neue Kapazitäten
aufgebaut als in Frankfurter Raum (CBRE Global Corporate Services, 2017).

Zur internationalen Position des deutschen Rechenzentrumsmarktes wurde in der
Umfrage bei Rechenzentrumsbetreibern die Einschätzung zu verschiedenen
Standortfaktoren in Deutschland abgefragt. Die Antworten zeigen, dass
Deutschland aktuell bei den als besonders wichtig eingeschätzten Standort-
faktoren „Zuverlässige Stromversorgung“, „Anbindung an Internetknoten“,
„Datenschutz“ und „Rechtssicherheit“ als sehr gut im internationalen Vergleich
bewertet wird. Deutliche Wettbewerbsnachteile werden bei den Strompreisen und
den Genehmigungsprozessen gesehen (Abbildung 4). Auch diese Standort-
faktoren werden als wichtig bis sehr wichtig angesehen. In den Experten-
interviews wurde hierzu erläutert, dass die Nachteile bei diesen beiden
Standortfaktoren ein wesentlicher Grund dafür sind, dass in Deutschland

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praktisch keine sehr großen Mega- bzw. sogar Hyperscale-Rechenzentren von
internationalen Cloud-Anbietern aufgebaut werden. Diese werden in Europa vor
allem in Skandinavien oder den Niederlanden errichtet. (Cloer, 2015; Erlinger,
2017; Melanchthon, 2011; Quandt, 2014; Windeck, 2013). Eine Ausnahme bildet
das Microsoft Cloud Rechenzentrum im Biere, das von T-Systems betrieben wird
(Bayer, 2015). Ein Grund für die Ansiedlung der großen Rechenzentren in
Skandinavien und den Niederlanden ist auch, dass diese Länder jeweils klare
Strategien zur Stärkung des nationalen Rechenzentrumsstandortes besitzen und
die Ansiedlung von neuen Rechenzentren fördern.

Abbildung 4: Einschätzung der Standortfaktoren für Rechenzentren in Deutschland (Befragung)

Quelle: Borderstep 2017

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3. Energieeffizienz in deutschen Rechenzentren

   3.1 Entwicklung des Energiebedarfs der Rechenzentren
       in Deutschland

   Der Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland nimmt kontinuierlich zu –
   trotz aller Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Im Jahr 2016
   benötigten die Server und Rechenzentren insgesamt 12,4 Mrd. kWh an Strom –
   das sind 4,2 % mehr als im Jahr 2015 (Abbildung 5). Neben den Servern hat
   zunehmend auch die Datenspeicherung (Storage) einen hohen Anteil am
   Energiebedarf. Während der Energiebedarf der ca. 2,3 Millionen Server in
   Deutschland im Jahr 2016 um knapp 4 % anstieg, stieg der Energiebedarf der
   Storage-Systeme um fast 7 %. Damit sind Storage-Systeme bereits für ein Drittel
   des Energiebedarfs der IT in Rechenzentren verantwortlich. Die Rechenzentrums-
   infrastruktur (Kühlung, Klimatisierung, Stromversorgung, etc.) benötigt mit etwa 5
   Mrd. kWh immer noch einen sehr hohen Anteil der Energie.

   Abbildung 5: Entwicklung des Energiebedarfs der Server und Rechenzentren in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2016

   Quelle: Borderstep (Hintemann, 2017)

   Auch wenn neue gebaute Rechenzentren hinsichtlich der Infrastruktur in der
   Regel sehr effizient sind, macht sich dies im Gesamtbestand noch nicht

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nachhaltig bemerkbar. Gemessen wird die Energieeffizienz der Rechenzentrums-
infrastruktur meist mit dem Kennwert Power Usage Effectivness (PUE). Der PUE-
Wert gibt an, wieviel Energie das Rechenzentrum insgesamt im Verhältnis zum
Energiebedarf der IT-Komponenten benötigt. Ein PUE-Wert von zwei bedeutet,
dass im Rechenzentrum genauso viel Energie für die Infrastruktur benötigt wie für
die IT-Komponenten. Der theoretisch optimale PUE-Wert ist eins. Neu gebaute
Rechenzentren haben oft einen PUE-Wert von unter 1,5. Die Rechenzentren in
Deutschland hatten im Jahr 2015 durchschnittlich einen PUE-Wert von 1,8. Zum
Vergleich: Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche PUE-Wert der deutschen
Rechenzentren noch bei 1,98 (Stobbe et al., 2015).

Auch in Zukunft ist von steigenden Energiebedarfen der Rechenzentren
auszugehen. In einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie wird prognostiziert, dass der Energiebedarf der Rechenzentren bis
zum Jahr 2025 auf 16,4 Mrd. kWh ansteigen wird (Stobbe et al., 2015). Diese
Prognose wird auch durch die Befragung der Rechenzentrumsbetreiber bestätigt.
Fast 50% der Befragten gehen davon aus, dass der Energiebedarf ihres
Rechenzentrums bis zum Jahr 2025 weiter ansteigen wird. Sechzehn Prozent
vermuten sogar, dass ihr Rechenzentrum dann einen um mehr als 25% höheren
Energiebedarf hat als heute.

3.2 Maßnahmen und Potenziale zur Steigerung der
    Energieeffizienz

Vor dem Hintergrund des steigenden Energiebedarfs der Rechenzentren
gewinnen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz zunehmende
Bedeutung. Dieses Bewusstsein ist mittlerweile auch bei den Rechenzentrums-
betreibern in Deutschland weit verbreitet. Haben im Jahr 2007 in einer Befragung
der Experton-Group noch 93% der befragten verantwortlichen IT-Manager
zugeben müssen, dass sie den Energiebedarf ihres Rechenzentrums nicht kennen
(Fujitsu Siemens Computers, 2008), so kannten in der aktuellen Befragung 83%
ihren Stromverbrauch; 76% konnten auch Auskünfte über den PUE-Wert geben.

Energieeinsparungen wurden in den vergangenen Jahren vor allem durch
Maßnahmen an den Servern und an der Kühlung/Klimatisierung/Lüftung erreicht
(Abbildung 6). Als Einzelmaßnahmen dominierten bei Servern die Server-
virtualisierung und die Beschaffung energieeffizienter Server. Im Bereich der
Kühlung, Klimatisierung und Lüftung waren die Einhausung von Kalt- oder

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Warmgang sowie die Nutzung der Freien Kühlung die am häufigsten ergriffenen
Maßnahmen.

Abbildung 6: Bereits ergriffene Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz (Befragungsergebnis)

Quelle: Borderstep 2017

Auch in Zukunft sehen die Rechenzentrumsbetreiber hohe Potenziale vor allem
bei den Servern und im Bereich der Kühlung, Klimatisierung und Lüftung.
Zusätzlich wollen fast 50% der Befragten ein Energiemanagementsystem für ihr
Rechenzentrum einführen. Ebenfalls 50% sehen mittlere bis sehr hohe
Einsparpotenziale durch Abwärmenutzung.

Auf die Frage, warum bisher kaum die Abwärme der Rechenzentren genutzt wird,
wurde von mehr als der Hälfte der Befragten die mangelnde Wirtschaftlichkeit
angeführt. Etwas mehr als 40% sahen keine geeigneten Abnehmer für die Wärme.
Im Vergleich zu anderen Ländern verhindern in Deutschland die hohen
Stromkosten für Wärmepumpenstrom die Wirtschaftlichkeit der Abwärme-
nutzung. Mit EEG-Umlage und sonstigen Abgaben wird in Deutschland mehr als
20 Cent pro kWh für Wärmepumpenstrom bezahlt (Bundesverband Wärmepumpe
e.V., 2017). In Schweden werden von Rechenzentren dagegen Strompreise
zwischen drei und vier Cent pro kWh bezahlt. Es ist also wenig verwunderlich,
dass dort die Abwärme der Rechenzentren sehr systematisch genutzt wird
(Reveman & Ostler, 2016).

Waren Rechenzentrumsbetreiber in der Vergangenheit vor allem dafür bekannt,
dass sie sehr zurückhaltend beim Einsatz neuer Technologien in ihrem
Rechenzentrum agieren (Hintemann & Clausen, 2014), so scheint sich aktuell –
zumindest bei einigen Betreibern – ein Einstellungswandel zu vollziehen. Neue

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Lösungen wie die kombinierte Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung im Rechenzentrum
oder der Einsatz von Wasser zur direkten Kühlung der IT-Komponenten (Hot Fluid
Computing) finden mehr und mehr Interesse bei den Rechenzentrumsbetreibern.

Bereits 15% der Befragten nutzen die Technik der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung
oder erwägen den kurzfristigen Einsatz, weitere 22% sind grundsätzlich am
Einsatz der Technik interessiert. Bei Thema Hot Fluid Computing gaben 17% der
Befragten an, die Technik bereits zu nutzen oder den kurzfristigen Einsatz zu
erwägen. Weitere 14% sind grundsätzlich am Hot Fluid Computing interessiert.
Allerdings schlossen auch 40% der Befragten Wasser in ihrem Rechenzentrum
kategorisch aus.

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Quellen

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           12.12.2015. Verfügbar unter: http://www.computerwoche.de/a/microsoft-baut-eine-deutsche-cloud-
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           unter: https://www.waermepumpe.de/politik/energiepreise/
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