ERNÄHRUNGSTHERAPIE BEI SARS-COV-2 - VDD-PRAXISLEITFADEN - VDD - EFAD

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VDD

VDD-Praxisleitfaden
Ernährungstherapie
bei SARS-CoV-2
Vorwort

      Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Kolle­             Nur ein intaktes Immunsystem bietet die
      ginnen und Kollegen,                                    Voraussetzungen dafür, Viren auf körper­
                                                              eigene Weise entgegenzutreten. Das lässt
      die COVID­19­Pandemie hat uns gewaltige                 sich durch eine gesundheitsfördernde
      Aufgaben gestellt und wirkt sich nicht nur              Lebensweise mit guter Ernährung und aus­
      auf unser gesamtes privates und berufli­                reichend Bewegung und Schlaf stärken.
      ches Leben und Wohlergehen gravierend                   Basierend auf den DGE­Empfehlungen ent­
      aus, sondern auch auf unsere Interventio­               hält der Leitfaden alle wichtigen Eckpunkte
      nen in der Ernährungstherapie.                          der Ernährung bei ansonsten gesunden
                                                              COVID­19­Patienten, die Mangelsituationen
      Das Corona­Virus SARS­CoV­2 hat sich                    vorbeugt und auch bei evtl. eingeschränk­
      schnell weltweit verbreitet. Die Wissen­                ten Einkaufsmöglichkeiten alltagstauglich
      schaft ist fieberhaft dabei, Mittel und Wege            ist.
      zu finden, damit Menschen mit der neuarti­
      gen COVID­19­Krankheit möglichst unbe­                  → Mittlere oder schwere Verläufe von
      schadet fertig werden können. Jeden Tag                 COVID­19 sind häufig mit Vorerkrankungen
      kommen weitere Erkenntnisse hinzu über                  assoziiert. Viele stehen im Zusammenhang
      Verbreitungswege, Viruslast, Kriterien für              mit ernährungsbedingten Erkrankungen,
      eine Ansteckungswahrscheinlichkeit und                  wie z. B. Adipositas, Diabetes, COPD und
      die besonders vulnerablen Risikogruppen.                Asthma, Herz­/Kreislauferkrankungen,
                                                              Nierenkrankheiten, oder dem Alter oder
      Die Ernährung spielt eine enorm große                   der Multimorbidität von Menschen. Der
      Rolle in diesem Geschehen: Sie hat so­                  Leitfaden trägt die Empfehlungen für die
      wohl bei betroffenen COVID­19­Patienten                 Ernährungstherapie Betroffener zusammen
      in der Akut­ und Rekonvaleszenzphase als                und richtet das Augenmerk besonders auf
      auch bei gesunden „Risikopatienten“ und                 die Verhinderung von Mangelernährung
      Stillenden einen hohen Stellenwert und ist              und Sarkopenie sowie auf ein regelgerech­
      mitverantwortlich für eine gute Prognose.               tes Screening und Assessment des Ernäh­
      Der Verband der Diätassistenten – Deut­                 rungszustandes einer Patientin bzw. eines
      scher Bundesverband e. V. (VDD) hat daher               Patienten. Wichtig ist die optimale Ver­
      einen systematischen Praxisleitfaden Er­                sorgung der Risikopatienten, gerade auch
      nährungstherapie bei SARS­CoV­2 erstellt:               wenn soziale Distanz nötig ist.
      eine Handreichung für die Anwendung in
      der ambulanten und klinischen Praxis der                → Spätestens, wenn ein Klinikaufenthalt
      Ernährungstherapie von leicht oder mit­                 mit oder ohne Beatmung/ Intubation und
      telschwer an COVID­19­ Erkrankten, von                  enteraler oder parenteraler Ernährung er­
      schwer Erkrankten, die in verschiedenen                 forderlich wird, ist eine leitliniengerechte
      Stadien behandelt werden müssen, sowie                  Ernährungstherapie gemäß individueller
      von genesenden Patienten, die einer multi­              Voraussetzungen des Patienten geboten.
      disziplinären Therapie inklusiv zumindest               Das SARS­CoV­2­Virus kann alle Organe
      Ernährungs­ und Physiotherapie während                  angreifen und zu einem Multiorganversa­
      der Rekonvaleszenz bedürfen.                            gen führen. Eine Ernährungsintervention
                                                              mit interdisziplinärem Ansatz ist in dieser
                                                              Situation zwingend.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                           Seite 2
      / Vorwort
VDD
Vorwort

      Der Praxisleitfaden Ernährungstherapie                  Das vorliegende Werk ist ein Handlungs­
      bei SARS­CoV­2 fußt auf nationalen und                  leitfaden für die praktische Umsetzung der
      internationalen medizinischen Leitlinien                Ernährungstherapie in den Alltag. Dass sich
      bzw. Empfehlungen z. B. von ESPEN, GLIM,                Wissenschaft entwickelt und ständig im
      DGEM oder DGE; er ist systematisch auf­                 Fluss ist, dass Wissen Zuwachs erfährt und
      gebaut nach Zielgruppe, jeweiligem Er­                  dadurch modifiziert oder revidiert werden
      nährungsassessment, Ernährungsziel und                  muss, versteht sich von selbst. Insofern
      Ernährungsintervention. Umfangreiche                    wird auch dieser Praxisleitfaden regelmäßig
      Quellenangaben und Links bieten einen                   überprüft und seine Empfehlungen werden
      unschätzbaren Fundus an Hintergrundinfor­               künftig den neuesten wissenschaftlichen
      mation für Kolleginnen und Kollegen und je              Erkenntnissen angepasst.
      nach Zielgruppe auch für Endverbraucher.
      Der Anhang enthält zudem übersetzte                     Und noch ein Wort zur Sprache: Um einen
      Übersichten von internationalen Fachge­                 guten Lesefluss zu ermöglichen, wurde bei
      sellschaften.                                           Personen in einigen Fällen ausschließlich
                                                              die männliche Form gewählt. Wo dies der
      Erarbeitet und konsentiert wurde dieser                 Fall ist, steht sie selbstverständlich stellver­
      Praxisleitfaden von Marleen Meteling­                   tretend für alle Geschlechter.
      Eeken und weiteren Experten des VDD:
      Ursula Lukas, Dennis Papanouskas, Lars
      Selig, Daniela Schweikert, Robert Speer                 Uta Köpcke
      und Matthias Zöpke. Ihnen gebührt                       Präsidentin VDD e. V.
      großer Dank!

        Zitierhinweis:
        Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V. (VDD). VDD­Praxisleitfaden
        Ernährungstherapie bei SARS­CoV­2. Version 27. Mai 2020. Essen: VDD; 2020.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                             Seite 3
      / Vorwort
VDD
Inhaltsverzeichnis

      Vorwort                                                               Seite 2

      Ernährung für Gesunde während der Corona-Pandemie                     Seite 5

      Ernährung für Menschen mit Vorerkrankungen,
      geschwächte oder betagte Menschen, mit größtmöglicher
      Vermeidung sozialer Kontakte während der Corona-Pandemie
      (ambulante Therapie)                                                  Seite 8

      Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren
      COVID-19- Krankheitsverläufen                                         Seite 11

      Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten       Seite 16

      Ernährung von COVID-19-Patienten in der Rekonvaleszenz               Seite 22

      Stillempfehlung während der Corona-Pandemie                          Seite 30

      Ernährung für stillende Mütter während der Corona-Pandemie           Seite 33

      Anhang

      Ernährungsmanagement bei COVID-19 modifizierte
      Abbildung 1 der ESPEN COVID-19-Empfehlungen, 2020                    Seite 37

      Ernährungsmanagement bei COVID-19 modifizierte Tabelle 2,
      ESPEN COVID-19, 2020                                                 Seite 38

      Mangelernährungsscreening nach den GLIM-Kriterien                    Seite 39

      Ernährungsmanagement bei COVID-19: Fragebogen Sarkopenie             Seite 40

      Ernährungsmanagement bei COVID-19: Kriteria Sarkopenie               Seite 41

      Ernährungsmanagement bei COVID-19: multidisziplinäre Zusammenarbeit
      ICF – Bio-psycho-soziales Modell in der Rekonvaleszenz               Seite 42

      Abkürzungsverzeichnis                                                Seite 43

      Impressum                                                            Seite 46

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                  Seite 4
      / Inhaltsverzeichnis
VDD
Ernährung für Gesunde während
      der Corona-Pandemie

              Zielgruppe
      Gesunde Personen, Kinder ab Einführung der
      Familienkost

              Ernährungsziele
      →	Bedarfsgerechte, abwechslungsreiche                   →	Wenn möglich Normalgewicht anstreben
         Ernährung auch unter ggf. erschwerten                    (Menschen mit Adipositas haben ein hohes
         Einkaufsbedingungen durch die Kontakt­                   Risiko auf einen schweren Verlauf)
         einschränkung und unter ggf. verändertem
         Lebens- bzw. Arbeitsrhythmus

              Ernährungs­
              empfehlungen
      Für alle gesunden Menschen ist eine                      →	Ergänzung mit tierischen Lebensmitteln:
      vollwertige Ernährung auf der Basis der                     −	täglich (fermentierte) Milch bzw. Milch­
      DGE-Empfehlungen wichtig.                                      produkte wie Joghurt und Käse
                                                                  −	pro Woche: 1-2 Portionen Fisch, 2-3 Por­
      Dazu gehören (Portionsgrößen altersgerecht                     tionen (fettarmes) Fleisch, 2-3 Portionen
      anpassen):                                                     (fettarmen) Wurst
      →	bedarfsgerecht trinken am Tag, am besten                 −	ab und zu Eier
         Wasser oder andere kalorienfreie Getränke             	oder bei vegetarischer/veganer Ernährung
      →	frisch und abwechslungsreich                             (Kinder und Jugendliche sollten nicht ve­
      →	möglichst 5 Portionen Obst und Gemüse                    gan ernährt werden. Schwangere, die sich
         am Tag: mindestens 3 Portionen Gemüse/                   vegan ernähren, sollten ihre Versorgung
         Hülsenfrüchte und 2 Portionen Obst/Nüsse/                mit kritischen Nährstoffen (wie Vitamin B12,
         Ölsaaten oder Trockenobst (ganze Beeren,                 DHA, Zink, Proteine, Eisen, Kalzium und Jod)
         Nüsse, Mandeln und Erdnüsse erst für Kin­                ärztlich überprüfen lassen und qualifizierte
         der ab 4 Jahre, bis dahin nur in gemahlener              Ernährungsberatung in Anspruch nehmen):
         Form)                                                    −	eine gute Kombination von verschiedenen
      →	bevorzugt Vollkornprodukte (statt raffinierter              pflanzlichen Proteinquellen wie Hülsen­
         Getreideprodukte)                                           früchten, Vollkorngetreide Sojaprodukten,
                                                                     Kartoffeln und Nüssen
                                                                  −	die Kombination von eisenreichen pflanz­
                                                                     lichen Lebensmitteln mit frischem, ggf.
                                                                     gepresstem, Obst
                                                                  −	kalziumreiches Mineralwasser, mit Kalzium
                                                                     angereicherte Lebensmittel

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      / Ernährung für Gesunde während der Corona-Pandemie
VDD
−	fluoridiertes Jodsalz                               Alle Mitarbeiter in den Kliniken sollten
         −	Supplementierung mit Vitamin B12 bei                mit einer vollwertigen Ernährung versorgt
            veganer Ernährung                                   werden.
      →	gesundheitsfördernde Öle wie z. B. Rapsöl
         und daraus produzierte Streichfette, wenige
         verarbeitete Produkte
      →	Zucker und Salz einsparen: wenn ab und zu
         Süßigkeiten und Snacks, dann möglichst in             Um häufiges Einkaufen zu vermeiden, hilft eine
         kleinen Mengen                                        gute Planung und Bevorratung. Die DGE hat
      →	auf das Gewicht achten, Portionsgrößen be­            hierzu Informationen und Rezepte online
         achten und täglich mindestens 30 Minuten              gestellt.
         Bewegung
      →	bei zu wenig täglicher Sonnenbestrahlung in           →	Eine Ernährungsform, Nährstoffpräparate
         Isolationssituationen altersgerechte Vitamin-            oder einzelne Wirkstoffe aus Lebensmit-
         D-Supplementierung                                       teln, die in der Lage sind, das Immunsys-
      →	Schwangere sollen in den ersten 3 Mona­                  tem über die individuelle Stärke hinaus zu
         ten Folsäure (täglich 400 μg) und während                steigern, sind aktuell nicht bekannt. Essen-
         der gesamten Schwangerschaft Jod (täglich                ziell ist neben einer vollwertigen Ernäh-
         100 - 150 μg) supplementieren                            rung ein gesundheitsfördernder Lebensstil
      →	Kleinkinder sollten, bis die altersgerechte              mit täglicher Bewegung, ausreichendem
         Anwendung einer Fluorid-haltigen Zahn­                   Schlaf und mit emotionalem Kontakt zu
         creme verwendet werden kann, täglich                     Bezugspersonen.
         0,25 mg Fluorid supplementiert bekommen,              →	Eine Einnahme von Nahrungsergänzungs-
         jedoch nicht bei Trinkwasser mit > 0,7 mg                mitteln „auf Verdacht“ ist nicht empfeh-
         Fluorid/l                                                lenswert.
      →	Beachtung der Hygieneregeln beim Ein­
         kaufen und bei der möglichst schonenden
         Nahrungszubereitung

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      / Ernährung für Gesunde während der Corona-Pandemie
VDD
Links für Endverbraucher
        https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/20200409_053-054_Degam-Patinfo.pdf
        https://www.bzfe.de/inhalt/familienalltag-in-zeiten-des-coronavirus-35324.html
        https://www.dge.de/presse/pm/schnelle-und-ausgewogene-rezepte-fuer-die-ganze-familie/
        https://www.dge.de/service/gepruefte-in-form-rezepte
        https://www.diabetesde.org/tipps-gesunden-ernaehrung-zeiten-coronavirus
        https://www.diabetesde.org/rezepte
        https://www.dgsp.de/seite/446828/informationen-und-tipps-zur-bewegung-während-der-coronavirus-lage.html
        https://www.gesund-ins-leben.de/ → Für Familien
        https://www.in-form.de/materialien
        https://www.in-form.de/materialien/der-ernaehrungskalender-fuer-eltern/
        https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste.html
        https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/corona-virus-das-wissen-wir/
        https://www.verbraucherzentrale.de/corona-covid19-die-folgen-und-ihre-rechte-45509
        https://www.verbraucherzentrale.de/ernaehrungsempfehlungen-fuer-kinder
        https://www.verbraucherzentrale.de/essen-in-der-familie-45954

        Quellen, Leitlinien und Links
        https://adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/daten/DAG_Positionspapier_Adipositas_und_Covid-19.pdf
        https://www.bda.uk.com/resource/covid-19-corona-virus-advice-for-the-general-public.html
        https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_wer­
            den_-244062.html
        https://www.ble-medienservice.de/3589/ernaehrung-und-lebensstil-vor-und-waehrend-der-schwangerschaft-handlungsempfehlun­
            gen
        https://www.bmel.de/DE/Ministerium/_Texte/corona-virus-faq-fragen-antworten.html
        https://www.dge.de → https://www.fitkid-aktion.de/startseite/ und https://www.schuleplusessen.de/startseite/
        https://doi.org/10.1055/a-1066-4342: Alexy U, Weber S, Hoffmann M, Keller M. Vegane Kinderernährung: Hinweise zur praktischen
            Umsetzung. Aktuel Ernahrungsmed 2020;45(2):93-103.
        https://doi.org/10.1055/a-1117-9490: Biesalski H, Kalhoff H. Kontra vegane Ernährung in kindlichen Wachstumsphasen –
            ein ernährungsmedizinischer Kommentar. Aktuel Ernahrungsmed 2020;45(2):104-13.
        https://doi.org/10.1038/s41430-020-0625-4 Cintoni M, Rinninella E, Annetta MG, Mele MC. Nutritional management in hospital setting
            during SARS-CoV-2 pandemic: a real-life experience. Eur J Clin Nutr 2020;74(5):846-7.
        https://doi.org/10.1007/s15006-020-0480-1 Hauner H. Wie ernähre ich mich am besten in Zeiten der Corona-Pandemie? COVID-19
            und Ernährungsmedizin. MMW Fortschr Med 2020;162(9):57-60.
        http://www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/coronavirus-covid-19
        http://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/nutrition/news/news/2020/3/food-and-nutrition-during-self-quarantine-
            what-to-choose-and-how-to-eat-healthily
        https://www.gesund-ins-leben.de/inhalt/medien-und-materialien-29390.html
        https://www.nnedpro.org.uk/post/combatting-covid-19
        https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html
        https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/coronavirus-was-koennen-nahrungs­
            ergaenzungsmittel-45640

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                                         Seite 7
      / Ernährung für Gesunde während der Corona-Pandemie
VDD
Ernährung für Menschen mit Vorerkrankun-
      gen, geschwächte oder betagte Menschen,
      mit größtmöglicher Vermeidung sozialer
      Kontakte während der Corona-Pandemie
      (ambulante Therapie)

              Zielgruppe
      Hochbetagte Menschen, stark adipöse Men­                           COPD, Asthma, Lebererkrankungen, Nieren­
      schen, Patienten mit chronischen Vorerkran­                        erkrankungen, onkologischen Erkrankungen,
      kungen mit/ohne Immunsuppressiva wie z. B.                         Demenz
      Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

              Ernährungsassessment
      Insbesondere:                                                      formen/spezielle Lebensmittel, Versorgungssi­
      Ernährungssituation (Screening Mangeler-                           tuation/Unterstützung, Gewohnheiten
      nährung: MUST, PG-SGA, MNA®; Screening                             Medizinische Situation
      Sarkopenie: SARC-F; Screening Appetit: VAS                         Labordaten
      für Anorexie; Kriteria Mangelernährung: GLIM;                      Emotionale Situation hinsichtlich Angst, Wun­
      Kriteria Sarkopenie: EWGSOP2), Energie- und                        sche/Bedürfnisse
      Nährstoffbedarf, ggf. notwendige Ernährungs­

              Ernährungsziele
      Die Versorgung mit ausreichender vollwerti­                        an kritischen Nährstoffen wie beispielsweise
      ger bzw. dem Krankheitszustand geschulde­                          Proteinen, muss sichergestellt werden, um das
      ter Ernährung, inklusive der Bedarfsdeckung                        Immunsystem nicht zusätzlich zu schwächen.

              Ernährungsintervention
      Siehe „Ernährung für Gesunde während der                               sollen orale Nahrungssupplemente (ONS)
      Corona-Pandemie“.                                                      eingesetzt werden. ONS sollten mindestens
                                                                             400 kcal Energie und 30 g Protein pro Tag
      Zusätzliche ESPEN COVID-19-Empfehlungen:                               liefern und mindestens einen Monat lang
      →	Falls bei Mangelernährung Beratung und                              eingenommen werden. Die Wirksamkeit und
         Anreicherung von Speisen nicht ausreichen,                          der erwartete Nutzen der ONS sollten ein­
         um die Nahrungsaufnahme zu steigern und                             mal im Monat bewertet werden.
         die Energie- und Proteinziele zu erreichen,

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                     Seite 8
      / Ernährung für Menschen mit Vorerkrankungen, geschwächte oder betagte Menschen, mit größt­
VDD   möglicher Vermeidung sozialer Kontakte während der Corona-Pandemie (ambulante Therapie)
→	Bei Mangelernährung sollte eine ausreichen­                         Durchschnitt haben laut Geriatrie-Professor
         de Versorgung mit Vitaminen und Mineral­                            Marcel Olde Rikkert Menschen ≥ 80 Jahre
         stoffen durch Supplementierung mit der                              eine Körpertemperatur von 35 bis 36 Grad
         empfohlenen altersgemäßen Tagesmenge                                Celsius. Eine achtzigjährige Person, die nor­
         sichergestellt werden.                                              malerweise eine Körpertemperatur von 35
      →	Es sollte auf regelmäßige körperliche Aktivi­                       Grad Celsius hat, kann deshalb bei 37 Grad
         täten/Mobilisationsübungen (täglich > 30                            Celsius schon Fieber haben, ihre Temperatur
         Min. oder jeden 2. Tag > 1 Stunde) geachtet                         liegt aber unter der allgemeinen Fieber­
         werden, unter Einhaltung der Hygienemaß­                            grenze von 38 Grad Celsius. Bei Hochbe­
         nahmen bei Aktivitäten außer Haus.                                  tagten können eher atypische Beschwerden
                                                                             für eine COVID-19-Infektion, aber typische
      Weitere Bemerkungen VDD:                                               Beschwerden für diese Patienten, wie ein
      →	Hilfen für die Versorgung mit ausreichender,                        Sturz, eine akute Verwirrtheit, Dehydratation,
         vollwertiger Ernährung könnten sein:                                Synkope oder ein akuter Funktionsverlust
         −	Wochenplan erstellen und Bevorratung                             als Alarmsignal gesehen werden
            mit Lebensmitteln                                                (Olde Rikkert et al., 2020).
         −	Einkauf durch andere Personen organisie­
            ren, Einkaufsservice nutzen                                  →	Eine Ernährungsform, Nährstoffpräparate
         −	Tiefkühlprodukte, Dosen, ggf. Liefer­                           oder einzelne Wirkstoffe aus Lebensmit-
            service oder Essen-auf-Rädern nutzen                            teln, die in der Lage sind das Immunsystem
      →	CAVE bei Adipositas: „Versteckter Hun-                             über die individuelle Stärke hinaus zu stei-
         ger“ – Mikronährstoffmangel, dem nach-                             gern, sind aktuell nicht bekannt. Essenziell
         gegangen und der entsprechend therapiert                           ist neben einer vollwertigen Ernährung ein
         werden sollte (Astrup & Bügel, 2019).                              gesundheitsfördernder Lebensstil mit täg-
      →	Hochbetagte, noch selbstständig lebende                            licher Bewegung, ausreichendem Schlaf
         Menschen können trotz „Nein“ bei allen                             und mit emotionalem Kontakt zu Bezugs-
         Schlüsselfragen für eine mögliche COVID-                           personen.
         19-Infektion doch infiziert sein. Dies ist in der               →	Eine Einnahme von Nahrungsergänzungs-
         ambulanten Therapie zu berücksichtigen. Im                         mitteln „auf Verdacht“ ist nicht empfeh-
                                                                            lenswert.

              Monitoring/Evaluation
      Im Allgemeinen besteht die Notwendigkeit des
      regelmäßigen Monitorings (telefonisch, tele­
      medizinisch) der Funktionalität im alltäglichen
      Leben, zum Screening auf Mangelernährung/
      Sarkopenie und zur Optimierung von krank­
      heitsrelevanten Werten wie Gewicht, BMI, Kör­
      perzusammensetzung, Plasmaglukose etc.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                        Seite 9
      / Ernährung für Menschen mit Vorerkrankungen, geschwächte oder betagte Menschen, mit größt­
VDD   möglicher Vermeidung sozialer Kontakte während der Corona-Pandemie (ambulante Therapie)
Links für Endverbraucher
        https://www.deutsche-alzheimer.de/ueber-uns/presse/aktuelles-zur-corona-krise/haeufige-fragen-und-antworten-zu-corona-und-de­
            menz.html
        https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/leitlinien/patienten-leitlinien.html
        https://www.europeanlung.org/de/qa-covid-19/
        https://www.fitimalter-dge.de/fileadmin/user_upload/medien/Mangelernaehrung_im_Alter.pdf
        https://www.kfh.de/fuer-patienten/informationen-zur-corona-pandemie/
        https://www.leberhilfe.org/coronavirus/
        https://www.was-essen-bei-krebs.de/2020/04/02/coronavirus-tipps-fuer-die-versorgung-und-die-zeit-zu-hause/
        https://www.was-essen-bei-krebs.de/2020/04/03/richtige-lagerung-von-lebensmittelvorraeten/

        Quellen, Leitlinien und Links
        https://adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/daten/DAG_Positionspapier_Adipositas_und_Covid-19.pdf
        https://pneumologie.de/aktuelles-service/covid-19/?L=0
        https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=213454: Dreher et al. Charakteristik von 50 hospitalisierten COVID-19 Patienten mit und ohne
            ARDS
        https://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html
        https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2020/20200403_Positionspapier_COVID19_fi­
            nal_1.pdf
        https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/leitlinien/praxisempfehlungen
        https://www.dgem.de/leitlinien
        https://doi.org.10.1001/jamacardio.2020.1329: AlGhatrif et al. The Dilemma of Coronavirus Disease 2019, Aging, and Cardiovascular
            Disease: Insights From Cardiovascular Aging Science.
        https://doi.org/10.1038/s41366-018-0143-9: Astrup A, Bügel S. Overfed but undernourished: recognizing nutritional inadequacies/defi­
            ciencies in patients with overweight or obesity. Int J Obes (Lond) 2019;43(2):219-32.
        https://doi.org.10.1055/s-0037-1618928: Kromeyer-Hauschild K, Moss A, Wabitsch M. Referenzwerte für den Body-Mass-Index für
            Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Deutschland. Anpassung der AGA-BMI-Referenz im Altersbereich von 15 bis 18 Jahren.
            Adipositas 2015;9(3):123-7.
        https://www.espen.org/guidelines-home → https://doi.org/10.1016/j.clnu.2020.03.022 (ESPEN COVID-19)
        https://www.fitimalter-dge.de/fachinformationen/medien/
        https://www.nrc.nl/nieuws/2020/05/13/tachtigers-waren-een-blinde-vlek-bij-coronavirus-a3999551: Weeda F, Olde Rikkert MGM.
            Interview Marcel Olde Rikkert Hoogleraar Ouderengeneeskunde: ‚Tachtigers blinde vlek bij Coronavirus‘. [Interview Marcel Olde
            Rikkert, Professor Geriatrie: ‚Die Achtziger fielen beim Coronavirus durch das Screeningnetz‘]. NRC-Handelsblad, 14.05.2020.
        https://www.ntvg.nl/artikelen/atypisch-beeld-van-covid-19-bij-oudere-patienten: Olde Rikkert MGM, et al. [Atypisches Bild von CO­
            VID-19 bei älteren Patienten]. Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 2020;164(D5004):1-7.
        https://www.vdd.de/fileadmin/downloads/Leitfaden_Prävention/LEKuP.PDF

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                                         Seite 10
      / Ernährung für Menschen mit Vorerkrankungen, geschwächte oder betagte Menschen, mit größt­
VDD   möglicher Vermeidung sozialer Kontakte während der Corona-Pandemie (ambulante Therapie)
Ernährung für Menschen mit
      leichteren bis mittelschweren
      COVID-19-Krankheitsverläufen

              Zielgruppe
      Leichtere bis mittelschwere Verläufe (Patienten
      auf Normal-Station)

              Ernährungsassessment
      Insbesondere:                                                        Müdigkeit und Muskelschwäche, Schluck­
      Ernährungssituation hinsichtlich Mangelernäh­                        störungen, Übelkeit); Hindernisse hinsichtlich
      rung (Screening Mangelernährung: NRS 2002;                           Versorgung
      Screening Sarkopenie: SARC-F; Screening                              Medizinische Situation hinsichtlich respira­
      Appetit: VAS für Anorexie; Kriteria Mangeler-                        torischer-/Lungenkondition, Atemnot/Sauer­
      nährung: GLIM; Kriteria Sarkopenie: EWGS­                            stoffversorgung, Vigilanz und Schutzreflexe,
      OP2), Energie- und Nährstoffbedarf, Körper­                          kardiologischer und neurologischer Symptome,
      zusammensetzung (BMI, Taillenumfang, FFM,                            Nieren- und Leberfunktion, Onkologie
      FFMI); Hindernisse hinsichtlich Nahrungsauf­                         Labordaten bzgl. Blutzucker, Blutdruck, Entzün­
      nahme/Nährstoffaufnahme (Anorexie, Bauch­                            dungswerten, Insulin, Plasmaproteinen,
      schmerzen, Blutverlust, Diarrhö (Frequenz,                           Vitamin D, Vorerkrankung(en); ggf. bzgl. Refee­
      Bristol-Stuhl-Skala), Erbrechen, Geruchs- und                        ding-Syndrom (Phosphat, Elektrolyte)
      Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, Ma­                              Emotionale Situation hinsichtlich Angst, De­
      genatonie/Magenentleerungsstörung, extremer                          pression, Wünschen, Bedürfnissen

              Ernährungsziele
      →	Ausgleich des erhöhten Protein- und Ener­                         →	Priorisierung der Ernährungsziele, bedingt
         giebedarfs, ggf. bei bereits vorbestehender                          durch bestehende Vorerkrankungen
         Mangelernährung/Katabolie zur Erhaltung                           →	Ggf. Vermeiden des Refeeding-Syndroms
         der Muskelmasse                                                   →	Anpassung des Ernährungsmanagements
      →	Reduktion der Proteinverluste und Erhaltung                          an die Symptomatik und ggf. an notwendige
         bzw. Verbesserung der Immunkompetenz                                 Sauerstofftherapie (NIV-Maske, Sauerstoff­
                                                                              helm)

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                       Seite 11
      / Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren COVID-19- Krankheitsverläufen
VDD
Ernährungsintervention
      ESPEN COVID-19 Empfehlungen zur Optimie-                             Ergänzende Practice-based-Empfehlungen
      rung des Ernährungszustandes:                                        (NESPEN/NDIC/BDA/VDD):
      →	Personbezogene Energie- und Proteinziele                          →	Diätassistenten sollten von Anfang an (ggf.
         auf der Basis der ESPEN-Leitlinien für klini­                        telefonisch) in die stationäre Behandlung
         sche Ernährung (ESPEN-COVID-19):                                     einbezogen werden.
         Geschätzter Energiebedarf                                         →	Diätetische Prinzipien anderer Erkrankungen
         = REE von 18-20 kcal/kg KG/Tag + Aktivitäts-                         sollten bei der Berechnung der bedarfsge­
         und ggf. Stressfaktor bzw.                                           rechten Ernährung weiterhin beachtet wer­
         = 27 kcal/kg KG/Tag bei polymorbiden                                 den, wie beispielsweise laktosereduzierte,
         Patienten > 65 Jahren bzw.                                           allergenfreie oder adaptierte Konsistenzen.
         = 30 kcal/kg KG/Tag bei polymorbiden                              →	Täglich 6 einfache, kleine, proteinreiche
         Patienten mit schwerer Mangelernährung                               Mahlzeiten anbieten, wovon beispielsweise
         oder auch bei älteren Patienten ≥ 65 Jahren;                         2-3 ONS sind.
         Geschätzter Proteinbedarf                                         	CAVE: schwierig durch strikte Isolations-
         = 1 g Protein/kg KG/Tag bei älteren Patienten                        maßnahmen, reduzierten Personalkontakt
         ≥ 65 Jahren, bzw.                                                    und Knappheit an Personenschutzmateria-
         = ≥ 1 g Protein/kg KG/Tag bei polymorbiden                           lien. Standard/Vorgangsweise mit Ärzten
         Patienten, bzw.                                                      und Pflege definieren.
         = 0,8-1,0 g Protein/kg aktuelles KG/Tag bei                       →	Bedarfsgerechte Flüssigkeitszufuhr mit
         Nierenpatienten mit (Risiko für) Mangel­                             Korrektion bei Fieber, Erbrechen und Diarrhö
         ernährung ohne Dialysepflicht.                                       zur Vorbeugung einer Dehydratation.
         Bei Adipositas sollte für den Proteinbedarf                       →	Zum Erhalt der oralen Nahrungsaufnahme
         ein adaptiertes Körpergewicht (= Idealge­                            benötigen die Patienten Unterstützung, in­
         wicht + (aktuelles Gewicht – Idealgewicht) ×                         dem beispielsweise das Essen geschnitten
         0,33) eingesetzt werden. Idealgewicht (kg) =                         wird oder Brot und Brötchen bestrichen und
         48,4 + 77,0 × (Körpergröße (m) – 1,50 m)                             belegt werden. Insbesondere strohhalmgän­
      →	Bei Mangelernährung sollte eine ausreichen­                          gige, joghurtartige oder mit der Zunge am
         de Versorgung mit Vitaminen und Mine­                                Gaumen zerdrückbaren Speisen sind ge­
         ralstoffen durch Supplementation mit der                             eignet, z. B. Joghurt, Brei, Milch, Buttermilch,
         empfohlenen altersgemäßen Tagesmenge                                 Frischsäfte und Mischgetränke, Smoothies.
         sichergestellt werden.                                            →	Bei aktiver Beatmung mit einer nicht-invasi­
      →	Orale Nahrungssupplemente (ONS) sollen                               ven Beatmungsmaske (NIV-Maske) wird das
         eingesetzt werden, wenn Ernährungsbera­                              Trinken durch einen Strohhalm mithilfe eines
         tung und Nahrungsmittelanreicherung nicht                            Keilstückes empfohlen, um einen schnellen
         ausreichen, um die Nähstoffaufnahme zu                               Abfall der Sauerstoffsättigung beim Aus­
         erhöhen und den Bedarf zu decken. ONS                                setzen der Beatmung durch das vorüber­
         sollten mindestens 400 kcal Energie und                              gehend Ablegen der Maske vorzubeugen.
         30 g Protein pro Tag liefern.                                        Bei nasaler High-Flow-Therapie (NHF) kann
      →	Wenn der Nährstoffbedarf (absehbar) nicht                            gegessen und getrunken werden.
         mit oraler Ernährung abgedeckt werden                             	CAVE: reduzierte Lebensmittelaufnahme
         kann, sollte (zusätzlich) enterale Ernährung                         bzw. Nahrungsdichte, unzureichende Ener-
         (EN) zugeführt werden. Vor Beginn der EN                             gie-/Bedarfsdeckung ⊲ Einsatz ONS
         Kontrolle auf Risiko für das Refeeding-Syn­
         drom. Parenterale Ernährung (PN) sollte er­
         wogen werden, wenn die EN unzureichend
         oder kontraindiziert ist.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                          Seite 12
      / Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren COVID-19- Krankheitsverläufen
VDD
→	Risiko-Alters-/Patientengruppe: ab statio­                        →	Sondennahrung kontinuierlich mit niedriger
         närer Aufnahme orale Trinknahrung sup­                               Flussrate über Pumpe applizieren. Sonden­
         plementieren. Beginn mit 2 x 60-100 ml                               nahrung langsam einschleichen (10-20 ml/h)
         Trinknahrung (mindestens 300 kcal/Tag).                              und bis Zielvolumen standardisiert (täglich
         Steigerung bei guter Verträglichkeit bis                             um 10-20 ml/h) steigern. Bei jejunaler Son­
         mindestens 400 kcal/Tag und ≥ 30 g Protein.                          denlage bevorzugt mit normokalorischer
         Vitamin-D-Supplementierung in Abhängig­                              Sondennahrung mit 1,0 bis 1,3 kcal beginnen,
         keit des Vitamin-D-Status und der Vitamin-D-                         dadurch Steigerung der intestinalen Verträg­
         Aufnahme mit ONS.                                                    lichkeit und Reduktion der Dumping-Gefahr.
      →	Versorgung mit Trinkbechern/Tassen aus                               Grundsätzlich: die Flussrate sollte jejunal
         Plastik oder mit leichtem Gewicht.                                   125 ml/h nicht übersteigen.
                                                                           →	Produktauswahl: u. a. abhängig vom Körper­
      Ergänzende Practice-based-Bemerkungen/                                  gewicht, Unterscheidung zwischen Normal­
      Empfehlungen (NESPEN/NDIC/BDA/VDD) zur                                  gewicht und Übergewicht/Adipositas:
      enteralen Ernährung:                                                    −	Bei Normalgewicht (aktuellem Körper­
      →	Personbezogene Energie- und Proteinziele                                gewicht): hochkalorisch: 1,3-2 kcal/ml,
         auf der Basis der DGEM-Leitlinien für klini­                            proteinreich: 20 Energieprozent Protein,
         sche Ernährung bzw. LEKuP.                                              ggf. mit Ballaststoffen.
      →	Als Alternative zu Proteinzielen in g/kg KG/                         −	Bei Übergewicht/Adipositas gilt das Ideal­
         Tag ist eine genauere Berechnung des                                    gewicht (Möglichkeit 1 (DGEM): [Ideal­
         Proteinbedarfes, insbesondere bei überge­                               gewicht (kg) = 48,4 + 77,0 × (Körpergröße
         wichtigen/adipösen Personen, möglich auf                                (m) – 1,50 m)], Möglichkeit 2 (NESPEN):
         der Basis der fettfreien Masse (FFM) (1,2 g                             das Körpergewicht gehörend zum BMI
         Protein/kg FFM gleichen nach Ishibashi et                               von 27,5 kg/m²): isokalorisch: 1 kcal/ml,
         al. 1998 ≈ 1,0 g Protein/kg KG, bei Krankheit:                          protein­reich: 20 Energieprozent Protein,
         1,5 g Protein/kg FFM gleichen ≈ 1,2 g Prote­                            ggf. mit Ballaststoffen.
         in/kg KG und 1,9 g Protein/kg FFM gleichen                           −	Spezielle Sondennahrung mit angepasster
         ≈ 1,5 g Protein/kg KG).                                                 Kohlenhydrate-Fett-Ratio bei Mukoviszi­
      	Wenn eine Messung der FFM durch z. B.                                    dose und Lungenerkrankungen, um den
         bioelektrische Impedanzanalyse nicht mög­                               respiratorischen Quotient zu verbessern.
         lich ist, kann die FFM mit der Formel von                               Ggf. Sondennahrung mit Ballaststoffen bei
         Gallagher berechnet werden (Velzeboer et                                persistierender Diarrhö oder Obstipation.
         al., 2017). Siehe für automatische Berech­                        		CAVE: Ballaststoffhaltige bzw. mit
         nung: https://zakboekdietetiek.nl/gallagher/                            Ballaststoffen angereicherte Sonden-
         (Lengte = Körpergröße, Gewicht = Gewicht,                               nahrungen sollten in der Akutphase (auf
         Geslacht = Geschlecht, Vrouw = Frau, Man =                              der ICU) bzw. bei Hochrisiko-Patienten
         Mann, Leeftijd = Alter, niet-Aziatische perso­                          (Darmischämie, Paralyse) nicht einge-
         nen = nicht-asiatische Personen, Aziatische                             setzt werden.
         personen = asiatische Personen).                                  →	Beim Vorliegen eines Risikos für das Refee­
      →	Bei einer NIV-Maske (mit Port oder Keilstück)                        ding-Syndrom sollte nach dem konsensus­
         ist eine nasogastrale Sondenlage bei Patien­                         basierten Algorithmus für stationäre Patien­
         ten mit ausreichender Vigilanz möglich.                              ten von Aubry et al. Aktuel Ernahrungsmed
      →	Patienten sind häufig länger als eine Woche                          2019 bzw. nach dem Refeeding-Syndrom-
         sauerstoffbedürftig. Wenn Patienten keine                            PDF des Kantonspitals Aarau oder ggf. auch
         ausreichende(n) Vigilanz/Schutzreflexe                               nach krankenhausinternen Protokollen vor­
         haben, sollte frühzeitig die Anlage einer                            gegangen werden.
         nasojejunalen Sonde, ggf. mit einer monitor­
         basierten bettseitigen Anlage der Sonde,
         thematisiert werden, um unterstützend
         ernähren zu können. Bei einem Sauerstoff­
         helm ist sowohl eine nasogastrale als auch
         eine nasojejunale Sonde möglich.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                       Seite 13
      / Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren COVID-19- Krankheitsverläufen
VDD
Monitoring/Evaluation
      Practice-based-Empfehlungen
      (NESPEN/NDIC/BDA/VDD)                                                   Im Allgemeinen sind eine frühzeitige
      →	Tägliche Überprüfung der Einnahme der                                Evaluation des Ernährungszustandes, der
         Mahlzeiten und ggf. der Zusatzernährung/                             gastrointestinalen Funktionen und des
         ONS.                                                                 Aspirationsrisikos sowie der rechtzeitige
      →	Regelmäßige Kontrolle der Proteinzufuhr                              Start einer bedarfsgerechten (ggf. ente-
         und der Energiezufuhr, z. B. am Tag 3-4 der                          ralen/parenteralen) Ernährungstherapie
         Aufnahme um die Intervention der oralen                              wichtig für die Prognose des Patienten.
         Ernährung/ONS zu evaluieren und frühzeitig
         enterale Ernährung einzusetzen (Nahrungs­
         aufnahme < 65 % des Bedarfs).
      →	Patienten mit Ernährungssonde: Häufigere/
         striktere Kontrolle des gastralen Residualvo­
         lumens. Bei anhaltender Magenentleerungs­
         störung sollte zügig auf eine nasojejunale
         Sondenlage gewechselt werden.
      →	Individuelles Proteinziel (ca. 1,3 g/kg KG/
         Tag) bei vollständiger Sondennahrung nicht                        →	PN sollte nur zugeführt werden, wenn EN
         erreicht? Sondierung durch Proteinmodul                              nicht umsetzbar ist (z. B. wenn > 5 Tage nicht
         ergänzen.                                                            realisierbar).
      →	Kontrolle auf Beschwerden durch die Ernäh­                        →	Monitoring des Gewichtes/Gewichtsverlau­
         rung: Wird hochmolekulare Sondennahrung                              fes, der Funktionalität und Körperzusammen­
         nicht vertragen, dann sollte niedermoleku­                           setzung, des Krankheitsverlaufs (bilaterale
         lare Sondennahrung (Di-/Oligopeptid/MCT)                             Pneumonie, Thrombopenie), der Urinfarbe
         eingesetzt werden. Als Folge der viralen                             und des Urinvolumens (wenn Katheter).
         Infektion und/oder der antiviralen bzw. anti-                     →	Monitoring des Blutzuckers, Insulins, der
         infektiösen Medikamente ist eine nachhaltig                          Sauerstoffversorgung, Nieren- und Leber­
         negative Balancestörung des Darmmikrobi­                             werte, Entzündungswerte, Plasmaproteine,
         oms mit Reduktion der intestinalen Probioti­                         ggf. bzgl. des Refeeding-Syndroms (Phos­
         ka wie Lactobacillus und Bifidobakterien zu                          phat, Elektrolyte: Tag 1-3: täglich, Tag 4-6: je­
         erwarten.                                                            den zweiten Tag, Tag 7-10: 1-2 x pro Woche).

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                           Seite 14
      / Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren COVID-19- Krankheitsverläufen
VDD
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      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                                                   Seite 15
      / Ernährung für Menschen mit leichteren bis mittelschweren COVID-19- Krankheitsverläufen
VDD
Ernährung von intensivmedizinisch
      betreuten COVID-19-Patienten

              Zielgruppe
      Intensivmedizinisch betreute COVID-19-Pa­
      tienten in den Phasen: frühe Akutphase, späte
      Akutphase und Post-Akutphase, mit Sauerstoff­
      therapie oder mechanischer Beatmung

              Ernährungsassessment
      Siehe Assessment für Menschen mit leichteren                            kungen) und weitere Komplikationen
      bis mittelschweren COVID-19-Krankheitsverläu­                           Zusätzliche Labordaten bzgl. Harnstoff, Werte
      fen + Beatmungsform, Ressourcen(einschrän­                              von Triglyzeriden im Plasma

              Ernährungsziele
      Siehe Ziele für Menschen mit leichteren bis mit­                        Zusätzliche Ziele:
      telschweren COVID-19-Krankheitsverläufen                                →	Anpassung des Ernährungsmanagements
                                                                                 an die Symptomatik und Sauerstoffthera­
                                                                                 pie (NIV-Maske, (High-)Flow-Nasenkanüle
                                                                                 (HFCN), Sauerstoffhelm/Intubation)
                                                                              →	Reduktion der Mortalität

       ICU ≈ Tag 1 - 3                               ICU ≈ Tag 2 - 4                                ICU/Station > 7 Tage
       Frühe Akutphase                               Späte Akutphase                                Chronische/Post-Akutphase

       →	Energie: < 70 % des ge­                    →	Energie: 70 % des ge­                       →	Energie: 80-100 % des ge­
          schätzten oder gemesse­                       schätzten oder 80-100 %                        schätzten oder gemesse­
          nen Bedarfs*                                  des gemessenen Bedarfs**                       nen Bedarfs*
       →	Protein: die Proteinmenge,                 →	Protein: schrittweise Steige­               →	Protein: mindestens
          die erreicht wird mit der zu­                 rung bis 1,3 g/kg KG/Tag**                     1,3 g/kg KG/Tag**
          geführten Energie

        * Gemessener Energiebedarf mithilfe indirekter Kalorimetrie, wenn hygienebedingt möglich; VCO2 oder VO2.
            Geschätzter Energiebedarf nach Vorgaben DGEM/ESPEN-LL. Notfallzeiten-Schätzung: 20 kcal/kg KG/Tag.
        ** Proteinziel: Bei Adipositas sollte ein adaptiertes Körpergewicht (= Idealgewicht + (aktuelles Gewicht – Idealgewicht) × 0,33) ein­
             gesetzt werden. Idealgewicht (kg) = 48,4 + 77,0 × (Körpergröße – 1,50 m). Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ohne
             Dialysepflicht: 0,8-1,0 g Protein/kg KG/Tag.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                                           Seite 16
      / Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten
VDD
Ernährungsintervention
      (ESPEN COVID-19)

       ICU ≈ Tag 1 - 3                             ICU ≈ Tag 2 - 4                      ICU/Station > 7 Tage
       Frühe Akutphase                             Späte Akutphase                      Chronische/Post-Akutphase
       Von NIV-Maske/HFCN Über-                    Mechanische Beatmung                 Weiterhin mechanische Be-
       gang auf mechanische Beat-                                                       atmung; Mögliche Extuba-
       mung, wenn nach 2 Stunden                                                        tion und Rückverlegung auf
       ungenügender Sauerstoffsät-                                                      Station
       tigung
       Verschlechterung des res-                   Multiorganversagen möglich           Persistierende Organdysfunk-
       piratorischen Status; akutes                                                     tion; Progressive Erholung
       Atemnot-Syndrom (ARDS);                                                          nach Extubation
       möglicher Schock
       →	Festlegung des Energie­                  →	Bevorzugt frühzeitige             →	Siehe die Empfehlungen
          ziels und der Kalorien­                     enterale Ernährung (EN),             unter Späte Akutphase
          zufuhrrate, wenn möglich                    innerhalb von 24 Std., ziel­      →	Untersuchung auf Dyspha­
          mithilfe der indirekten                     gerechte Proteinzufuhr               gie, wenn möglich orale
          Kalorimetrie oder der                    →	EN sollte mit einer naso­            Ernährung/konsistenzadap­
          CO2-Produktion (VCO2,                       gastralen Sonde begonnen             tierte Kost einsetzen; wenn
          Beatmungsgerät) oder des                    werden; bei Patienten mit            der Schluckakt als unsicher
          O2-verbrauchs (VO2, Lun­                    gastrointestinaler Intoleranz        beurteilt wird, sollte durch
          genarterienkatheter)                        nach prokinetischer The­             eine Sonde enteral oder
       →	Festlegung des Proteinziels                 rapie oder bei Patienten             ggf. parenteral ernährt wer­
          und der Protein-/Aminosäu­                  mit einem hohen Risiko auf           den
          ren-Zufuhrrate                              Aspiration ist eine nasojeju­     →	Erhöhung der Proteinzufuhr
       →	Bei NHF oder nicht-inva­                    nale Sondenanlage indiziert          bis 100 % des Bedarfs
          siver Beatmung, sollten                  →	Wenn zielgerechte EN              →	(Hinzufügung bzw. langsa­
          Kalorien/Proteine oral oder                 während der ersten Woche             me Steigerung der Mobi­
          enteral oder, falls nicht                   auf der ICU (absehbar) nicht         lisationsübungen durch
          möglich, parenteral zuge­                   toleriert wird, sollte von Fall      Physiotherapie)
          führt werden                                zu Fall die Einleitung einer
       Bei schwerer Mangelernäh-                      (peripheren) parenteralen
       rung zusätzlich:                               Ernährung (PN) erwogen
       →	Engmaschige Überwachung                     werden. (CAVE: Volumen-
          von Zeichen des Refeeding-                  probleme bei peripherer
          Syndroms, insbesondere                      PN ⊲ zügig zentrale PN)
          Hypophosphatämie                         Bei schwerer Mangelernäh-
       →	Bei niedrigem Phosphat­                  rung zusätzlich:
          spiegel sollten Vitamin B1               →	PN sollte niedrig dosiert und
          und Phosphat supplemen­                     progressiv gestartet werden,
          tiert und die Kalorienzufuhr                wenn EN kontraindiziert
          mit 30 % des gemessenen                     oder unzureichend ist
          Energie-bedarfs gestar­                  →	Weiterhin aufmerksame Be­
          tet werden, während 2-3                     obachtung von Zeichen des
          Tagen sollte das Energieziel                Refeeding-Syndroms, die
          50-70 % des geschätzten                     Kalorienzufuhr sollte ent­
          Bedarfs sein                                sprechend der individuellen
                                                      metabolischen Toleranz
                                                      gesteigert werden

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                     Seite 17
      / Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten
VDD
Siehe die Bemerkungen/Empfehlungen (NE­                               mit anschließender langer Rekonvaleszenz/
      SPEN/NDIC/BDA/VDD) zur enteralen Ernährung                            Rehabilitationsphase, in der zumindest
      unter Ernährung für Menschen mit leichteren-                          Ernährungstherapie und Physiotherapie not­
      mittelschweren COVID-19 Krankheitsverläufen                           wendig sind.
                                                                         →	Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 haben
      Ergänzende Practice-based Bemerkungen/                                ein höheres Risiko auf schwere Erkrankung,
      Empfehlungen (NESPEN/NDIC/BDA/VDD):                                   wobei sehr hohe Insulindosen erforderlich
      →	Oft ist die Bauchlage bzw. 135°-Lagerung                           sein könnten. Dies sollte bei enteraler/par­
         erforderlich, um die Sauerstoffsättigung des                       enteraler Ernährung berücksichtigt werden.
         Blutes zu verbessern. Bauchlage mit gastra­                     →	Nicht-ernährungsbedingte energieliefernde
         ler Sonde ist bei ausreichender Vigilanz und                       Substrate wie Propofol (Sedierung), Zitrat
         engem Monitoring möglich, in der Regel wird                        (bei kontinuierlicher venovenösen Hämofil­
         das Bett, bei stabilem Kreislauf, in einem                         tra-tion (CVVH)) und Glukose (bei kontinuier­
         z. B. 30°-Winkel aufgestellt. Die Flussrate                        licher Dialyse) sollten bei der Berechnung
         sollte individuell ausgetestet und gesteigert                      der Gesamtenergiezufuhr berücksichtigt
         werden (klinikeigene Vorgaben beachten).                           werden.
      →	Corona-Patienten unterscheiden sich hin­                        	CAVE: bei Multiorganversagen/kritisch
         sichtlich des Stressstoffwechsels primär                           kranken Patienten kann Propofol 50-60 g
         nicht von anderen internistischen ICU-Pa­                          Fett bzw. bis zu einem Drittel der Gesamt-
         tienten, für welche die DGEM empfiehlt,                            energiezufuhr pro Tag liefern.
         mit 75 % des Energieziels zu beginnen.                          →	Die DGEM empfiehlt in der Akutphase und
         Geschätztes Energieziel nach DGEM, wenn                            chronischen Phase 1,0 g Protein bzw. 1,2 g
         indirekte Kalorimetrie nicht möglich ist,                          Aminosäuren pro kg aktuellem Körper­
         bei nicht adipösen kritisch kranken Patien­                        gewicht für nicht adipöse kritisch kranke
         ten (BMI < 30 kg/m²): 24 kcal/kg aktuelles                         Patienten (BMI < 30 kg/m²). In der Rekonva­
         Körpergewicht/Tag. Bei adipösen kritisch                           leszenzphase kann der Bedarf noch darüber
         kranken Patienten (BMI ≥ 30 kg/m²) können                          liegen (1,2-1,5 g Protein/kg aktuelles KG/
         als Alternative zum Energieziel von 60 %                           Tag). Für Patienten mit Nierenersatzthe­
         des gemessenen Umsatzes die folgenden                              rapie gelten die gleichen Empfehlungen,
         Formeln verwendet werden:                                          wobei die Kompensierung für den Verlust
         −	bei einem BMI zwischen 30 und 50 kg/m²:                         an Aminosäuren bei kontinuierlicher/inter­
            11-14 kcal/aktuelles KG/Tag,                                    mittierender Nierenersatztherapie berück­
         −	bei einem BMI > 50 kg/m²: 22-25 kcal/                           sichtigt werden muss (→ ca. 1,7 g Protein/kg
            ideales KG/Tag. Idealgewicht (kg) = 48,4 +                      KG/Tag). Für Patienten mit Nierenerkrankun­
            77,0 × (Körpergröße (m) – 1,50 m).                              gen ohne Dialysepflicht werden 0,8-1,0 g
      	In der frühen und späten Akutphase sollte                           Protein/kg KG/Tag empfohlen. Bei adipösen
         die Hyperalimentation (Gefahr der Hypergly­                        kritisch kranken Patienten (BMI ≥ 30 kg/m²)
         kämie) vermieden werden. In der Post-Akut­                         sollte das Proteinziel bei 1,5 g/kg (bzw. 1,8 g/
         phase gilt es die Hypoalimentation (Gefahr                         kg Aminosäuren) Idealgewicht/Tag liegen
         der Mangelernährung, CAVE: Sarkopenie)                             und bei Adipositas mit Dialysetherapie bei
         zu vermeiden. Die Balance der Bedürfnisse                          2,0-2,5 g Protein/kg Idealgewicht/Tag. Ideal­
         zwischen Sepsis/Kreislaufstabilität und pul­                       gewicht (kg) = 48,4 + 77,0 × (Körpergröße (m)
         monalem Risiko für Flüssigkeitseinlagerung                         – 1,50 m).
         bildet die Herausforderung.
      →	Die Zeit der mechanischen Beatmung bei
         COVID-19-Patienten kann > 14 Tage, bis zu
         4 Wochen dauern. Dies bedeutet ein sehr
         hohes Risiko für die Verschlechterung des
         Ernährungszustandes bzw. einen hohen
         Verlust an Muskelmasse, -kraft und -funktion,

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                        Seite 18
      / Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten
VDD
Als Alternative ist eine genauere Berechnung                        −	Bei Krankenhausaufnahme schlechter Er­
         des Proteinbedarfes, insbesondere bei über­                           nährungszustand: nach 3-5 Tagen fehlen­
         gewichtigen/adipösen Personen, möglich auf                            der Energiebedarfsdeckung
         der Basis der fettfreien Masse (FFM) (1,2 g                        −	Ältere Menschen mit einem hohen Risiko
         Protein/kg FFM gleichen nach Ishibashi et al.                         für Aspiration oder Patienten mit ersicht­
         1998 ≈ 1,0 g Protein pro kg KG, bei Krankheit:                        licher abdominaler Distension (Ileus)
         1,5 g Protein/kg FFM gleichen ≈ 1,2 g Protein                         können vorübergehend durch parenterale
         pro kg KG, 1,9 g Protein/kg FFM gleichen                              Ernährung versorgt werden.
         ≈ 1,5 g Protein pro kg KG). Wenn eine Mes­                         −	Italienische Ernährungsprotokolle schla­
         sung der FFM durch z. B. bioelektrische                               gen vor, in Notfallsituationen mit sehr
         Impedanzanalyse nicht möglich ist, kann die                           vielen Patienten, ggf. direkt für supporti­
         FFM mit der Formel von Gallagher berechnet                            ven PN zu wählen, wenn eine ausreichen­
         werden (Velzeboer et al., 2017).                                      de Energiezufuhr mit oraler Ernährung 2
         Siehe für automatische Berechnung: https://                           Tage nicht gelingt. Genannte Gründe sind
         zakboekdietetiek.nl/gallagher/ (Lengte =                              u. a., dass häufig vorkommende Diarrhö
         Körpergröße, Gewicht = Gewicht, Geslacht =                            (als Folge antiretroviraler Therapie) und
         Geschlecht, Vrouw = Frau, Man = Mann, Leef­                           Magen-Darm-Störungen die Nährstoffab­
         tijd = Alter, niet-Aziatische personen = nicht-                       sorption und Toleranz für eine EN bein­
         asiatische Personen, Aziatische personen =                            trächtigen können. Auch kann eine naso­
         asiatische Personen).                                                 gastrale Sonde Luftleckage verursachen
      →	Die Extubation in der Post-Akutphase ist mit                          und damit die Sauerstofftherapie negativ
         anschließender Schluckproblematik, die die                            beeinflussen, insbesondere wenn speziel­
         Nahrungsaufnahme negativ beeinflussen                                 le NIV-Masken mit Port fehlen (Brugliera et
         kann, verbunden. Der Diätassistent sollte in                          al., 2020; Caccialanza et al., 2020).
         die anschließende Therapiephase einbezo­                        →	Beim Vorliegen eines Risikos für das Refee­
         gen werden.                                                        ding-Syndrom sollte nach dem konsensus­
      →	Empfehlung zum Start einer supportiven                             basierten Algorithmus für stationäre Patien­
         parenteraler Ernährung (PN) (begleitend zur                        ten von Aubry et al. Aktuel Ernahrungsmed
         enteralen Ernährung):                                              2019 bzw. nach dem Refeeding-Syndrom-
         −	Bei Krankenhausaufnahme guter Ernäh­                            PDF des Kantonspitals Aarau oder ggf. auch
             rungszustand: nach 7 Tagen fehlender                           nach krankenhausinternen Protokollen vor­
             Energiebedarfsdeckung                                          gegangen werden.

              Nebenwirkungen                                               des Appetits haben. Bei der Kombination Lo­
                                                                           pinavir/Ritonavir (HIV-Medikamente) kann Dia­
              Medikation von                                               betes mellitus entwickelt werden oder eine
              COVID-19-Patienten                                           bestehende Diabetes mellitus entgleisen.
                                                                         	Es wird nach vielen weiteren Medikamenten
              (NESPEN/NDIC)                                                wie Remdesivir (Hemmstoff der RNA-Poly­
                                                                           merase des Virus) und Beta-Interferon (MS-
                                                                           Medikament) geforscht, siehe die Website
      Spezifische Medikation bei                                           der forschende Pharma-Unternehmen vfa.
      COVID-19-Patienten:
      →	Im Rahmen von (randomisiert kontrollier­                        Interaktionen
         ten) Studien können mäßig-schwer- und                           →	Interaktionen von Lopinavir/Ritonavir mit
         schwerkranken Patienten Medikation off-la­                         anderen Medikamenten, deren Plasmakon­
         bel verabreicht/zugeführt bekommen. Die­                           zentration beispielsweise ansteigen kann
         se Medikation kann Nebenwirkungen wie                              wie z. B. bei Statinen und Immunsuppressi­
         Magen-Darmbeschwerden und Beeinflussung                            va, sind möglich. Siehe Handbook COVID-19
                                                                            der Zhejiang University.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                      Seite 19
      / Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten
VDD
Monitoring/Evaluation
      Practice-based-Empfehlungen                                        →	Monitoring des Gewichtes/Gewichtsver­
      (NESPEN/NDIC/BDA/VDD)                                                 laufes, der Körperzusammensetzung, des
      →	Tägliche Überprüfung der Einnahme der                              Krankheitsverlaufs (Verschlechterung des
         Mahlzeiten und ggf. der Zusatzernährung/                           respiratorischen Status; akutes Atemnot-
         oralen Nahrungssupplementierung. Täg­                              Syndrom (ARDS); möglicher Schock; Multi­
         liche Kontrolle der tatsächlich zugeführten                        organversagen), der Urinfarbe und des
         Substrat- und Flüssigkeitsmenge. Es wird                           Urinvolumens.
         grundsätzlich ein restriktives Flüssigkeitsma­                  →	Monitoring des Blutzuckers, Insulins, der
         nagement empfohlen. Wenn möglich sollten                           Atemnot/Sauerstoffversorgung, Nieren- und
         eine „ständige“ Versorgung mit Infusions­                          Leberwerte, Entzündungswerte, Plasmapro­
         flüssigkeit, ein hohes Volumen bei enteraler                       teine, Harnstoff, Phosphat, Elektrolyte, Werte
         Ernährung und ein Flüssigkeitsbolus bei                            von Triglyzeriden.
         niedrigem Blutdruck vermieden werden, ggf.                      →	Ggf. Monitoring des Risikos für Refeeding-
         Wechsel auf konzentrierte Sondennahrung/                           Syndrom: Tag 1-3: täglich, Tag 4-6: jeden
         Volumenbeschränkung bei EN/PN.                                     2. Tag, Tag 7-10: 1-2 x pro Woche.
      →	Patienten mit Ernährungssonde: Häufigere/                       →	Die frühzeitige Evaluation des Ernährungs­
         striktere Kontrolle des gastralen Residualvo­                      zustandes innerhalb von 24 Std. auf der ICU,
         lumens. Bei anhaltender Magenentleerungs­                          der gastrointestinalen Funktionen und des
         störung zügig auf eine nasojejunale Sonden­                        Aspirationsrisikos sowie der rechtzeitige
         lage wechseln.                                                     Start einer bedarfsgerechten enteralen/par­
      →	Individuelles Proteinziel bei vollständiger EN                     enteralen Ernährungstherapie sind wichtig
         nicht erreicht? Sondierung durch Proteinmo­                        für die Prognose des Patienten.
         dul ergänzen.
      →	Kontrolle auf Beschwerden durch die Ernäh­
         rung: Wird hochmolekulare Sondennahrung
         nicht vertragen, dann sollte niedermoleku­
         lare Sondennahrung (Di-/Oligopeptid/MCT)
         eingesetzt werden. Als Folge der viralen
         Infektion und/oder der antiviralen bzw. anti-
         infektiösen Medikamente ist eine nachhaltig
         negative Balancestörung des Darmmikrobi­
         oms mit Reduktion der intestinalen Probioti­
         ka wie Lactobacillus und Bifidobakterien zu
         erwarten.

      VDD-Praxisleitfaden Ernährungstherapie bei SARS-CoV-2                                                      Seite 20
      / Ernährung von intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten
VDD
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