Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg

 
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Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
Anaesthesist 2003 · 52:3–22
DOI 10.1007/s00101-002-0436-0                   Leitthema
Redaktion                                       M. A.Weigand · H. J. Bardenheuer · B.W. Böttiger
K. Peter, München                               Klinik für Anaesthesiologie,Universitätsklinikum Heidelberg

                                                Klinisches Management
                                                bei Patienten mit Sepsis

Zusammenfassung                                 on der Letalität septischer Patienten erreicht     z. T. ein evidenzbasiertes Management
                                                werden.Im Gegensatz hierzu weisen neue             des Patienten mit Sepsis. Primäres Ziel
Sepsis und septischer Schock sind trotz Fort-   Daten auf 2 viel versprechende Therapiean-         der vorliegenden Arbeit ist es auf der Ba-
schritten in der Intensivmedizin die Hauptto-   sätzen hin: die niedrig dosierte Therapie mit      sis aktueller Studien und Richtlinien von
desursachen auf den nichtkardiologischen        Hydrokortison und die Gabe von aktiviertem         Expertengremien praktische Empfeh-
Intensivstationen in den westlichen Län-        Protein C [drotrecogin alfa (aktiviert)].Große,    lungen zum klinischen Management bei
dern.Die Sepsis ist die systemische Entzün-     z.T.multizentrische Outcomestudien, insbe-         Patienten mit Sepsis zu geben.
dungsantwort auf eine Infektion, in deren       sondere der letzten beiden Jahre, ermögli-
Folge es oft zu einer Minderperfusion der Or-   chen dem Intensivmediziner heute teilweise            Definition und Epidemiologie
gane und konsekutiv zum Organversagen           ein evidenzbasiertes Management des Pati-             der Sepsis
kommt.Pathogenetisch steht die Aktivie-         enten mit Sepsis.Darüber hinaus stehen mit
rung von Monozyten/Makrophagen und              der niedrig dosierten Hydrokortisontherapie        Die Definition der Sepsis erfolgt derzeit
neutrophilen Granulozyten im Vordergrund.       und der Applikation von aktiviertem Protein        noch nach den im Folgenden aufgeführ-
Hierdurch kommt es zur Freisetzung proin-       C [drotrecogin alfa (aktiviert)] nun erstmals 2    ten Kriterien des American College of
flammatorischer Mediatoren und zu einer         spezifische Therapieansätze der Sepsis zur         Chest Physicians und der Society of Cri-
pathologischen Aktivierung des Gerinnungs-      Verfügung, durch die die Prognose von septi-       tical Care Medicine (ACCP/SCCM) aus
systems.Eckpfeiler des therapeutischen Ma-      schen Patienten weiter verbessert werden           dem Jahr 1992 [26].
nagements des Patienten mit Sepsis sind die     kann.
Herdsanierung, die antimikrobielle Therapie                                                           Systemic inflammatory response
und die supportive Intensivtherapie.Von         Schlüsselwörter                                       syndrome
höchster Priorität zur Optimierung der Or-
ganperfusion sind eine adäquate Volumen-        Sepsis · Septischer Schock · Therapeutisches       Ein „systemic inflammatory response
therapie und, wenn notwendig, die Applika-      Management · Inflammation · Gerinnungs-            syndrome“ (SIRS) kann verschiedene
tion von Katecholaminen.Vasopressor der         system · Hydrokortison · Protein C                 klinische Ursachen haben und ist durch
Wahl ist Noradrenalin.Bevorzugtes Katecho-                                                         mindestens 2 der nachfolgenden Symp-
lamin zur myokardialen Kontraktilitätsstei-                                                        tome definiert:
gerung ist Dobutamin.Hinzu kommen die
Transfusion von Erythrozytenkonzentraten                                                           ◗ Körpertemperatur >38°C oder
(hierbei wird von den meisten Autoren ein                                                            90 Schläge/min,
                                                                                                   ◗ Atemfrequenz >20 /min oder
ve Beatmung sowie die enterale und paren-       von 20–50% aufweisen, sind die Haupt-                PaCO2
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 DOI 10.1007/s00101-002-0436-0                       Leitthema
 M. A.Weigand · H. J. Bardenheuer                      paO2/FiO212.000 Zellen/mm3          und als Standardverlaufsparameter wäh-
 Clinical management of patients                       oder 10% unreife Formen.                       in der klinischen Routine die Tempera-
                                                                                                  tur sowie laborchemisch die Leukozyten-
 Abstract                                              Sepsis                                     zahl und das C-reaktive Protein (CRP)
                                                                                                  herangezogen. Häufig findet sich zusätz-
 Sepsis and septic shock are the leading causes      Eine Sepsis liegt vor, wenn eine mikro-      lich bereits im Frühstadium der Sepsis
 of death in non-cardiological intensive care        biologisch oder klinisch nachgewiesene       ein Abfall der Thrombozytenzahl und
 units in developed countries despite recent         Infektion die Ursache eines SIRS ist.        des AT III. Neue diagnostische Marker
 advances in critical care medicine.Sepsis is the                                                 sind das Prokalzitonin und das Kom-
 systemic inflammatory response to infection,          Schwere Sepsis                             plementspaltprodukt C3a. Eine Überle-
 often associated with hypoperfusion followed                                                     genheit des Prokalzitonin gegenüber
 by tissue injury and organ failure.Activation of    Die schwere Sepsis ist eine Sepsis mit       dem CRP zur Diagnose von septischen
 monocytes/macrophages and neutrophils with          Zeichen der Organdysfunktion, Hypo-          Zuständen konnte bisher in Studien
 consecutive release of proinflammatory media-       perfusion oder Hypotension. Zeichen          nicht überzeugend belegt werden; die Er-
 tors and activation of the coagulation cascade,     der Hypoperfusion sind:                      gebnisse hierzu sind kontrovers. Deshalb
 seem to play a key role in the pathogenesis of                                                   ist derzeit aufgrund der deutlich höhe-
 sepsis.Elimination of the septic focus,antimi-      ◗ Laktatazidose,                             ren Kosten für die Prokalzitonin- gegen-
 crobial therapy and supportive treatment are        ◗ Oligurie
Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
anfällig für Sekundärinfektionen, die
                                                                                        zur sog. Spätletalität der Sepsis beitra-
                                                                                        gen können. Sowohl SIRS als auch CARS
                                                                                        können sich im weiteren Sepsisverlauf
                                                                                        abwechseln. Man spricht dann vom
                                                                                        „mixed antagonistic response syndro-
                                                                                        me“ (MARS).

                                                                                          Dysregulation der Immunantwort

                                                                                        Neue Ergebnisse aus der Grundlagen-
                                                                  Abb. 1  Phasen der   forschung haben in den letzten Jahren
                                                                  Sepsis                zu entscheidenden Erkenntnissen über
                                                                                        die pathophysiologischen Mechanismen
                                                                                        der Sepsis geführt. So wird die Immun-
vasive Verfahren mit bronchoskopisch        von Candida aus primär sterilen Kör-        antwort auf akute bakterielle Infektio-
gewonnenem Probenmaterial gegen-            perflüssigkeiten, wie Blut oder Liquor,     nen vorwiegend durch neutrophile Gra-
über einem nichtinvasiven Vorgehen          ist jedoch im Hinblick auf eine invasive    nulozyten sowie Monozyten/Makropha-
(16,2% vs. 25,8%) nachweisen.Allerdings     Infektion als signifikant zu betrachten     gen vermittelt. Diese werden von den
konnte nicht in allen Studien ein Benefit   [100].                                      eindringenden Mikroorganismen über
für die invasive Diagnostik gezeigt wer-          Prognostisch ungünstig ist das Ver-   spezifische Oberflächenrezeptoren, wie
den [150].                                  sagen mehrerer Organsysteme in der          CD14 und Mitglieder der Toll-like-Re-
     Das gewonnene Probenmaterial           Sepsis. So steigt das durchschnittliche     zeptorfamilie, aktiviert. Die Stimulation
dient zur Durchführung einer Gramfär-       Letalitätsrisiko um 15–20% mit jedem        der Monozyten/Makrophagen führt
bung und dem Ansetzen von Bakterien-        zusätzlichen Organ mit Funktionsversa-      dann in der Sepsis zu einer exzessiven
und Pilzkulturen. Weniger gesichert ist     gen. Kardiovaskuläres und pulmonales        Produktion proinflammatorischer Me-
die Bedeutung der Punktion und Aspi-        Funktionsversagen tritt hierbei früh in     diatoren, wie Tumor-Nekrose-Faktor α
ration von Flüssigkeit bei einem Pleu-      der Sepsis auf. Funktionsstörungen der      (TNF-α), Interleukin-1β (IL-1β),„macro-
raerguss von mehr als einem Zentime-        Gerinnung, des zentralen Nervensys-         phage migration inhibitory factor“
ter Breite zur mikrobiologischen Diag-      tems und das Leberversagen treten           (MIF) [34] und „high mobility group-1“
nostik. Neu auftretende Verschattungen      meist erst Stunden bis Tage nach Sepsis-    (HMG-1) [151], zu einer Hochregulation
in der Röntgenthoraxaufnahme können         beginn auf [104, 160].                      von Adhäsionsmolekülen [155] und
verschiedene Ursachen haben und sind                                                    TREM-1 [28] sowie zur Bildung von Sau-
somit kein sicheres Kriterum einer ven-       Pathophysiologie der Sepsis               erstoffradikalen [156]. Diese überschie-
tilatorassoziierten Pneumonie. Zur wei-                                                 ßende Immunantwort auf eindringen-
teren Diagnostik von Infektionen am           Zyklischer Krankheitsverlauf              de Erreger führt zu den charakteris-
Operationsort sollten Wundabstriche           der Sepsis                                tischen hämodynamischen Veränderun-
durchgeführt werden. Das Verfahren der                                                  gen während Sepsis, Gewebeschädi-
ersten Wahl zur Sicherung einer intraab-    In der frühen Phase der Sepsis steht        gung, Multiorganversagen und letztlich
dominellen Infektion ist die Ultraschall-   SIRS bedingt durch eine Überaktivie-        zum Tod des Patienten.
untersuchung. Die Computertomogra-          rung des nichtspezifischen Immunsys-
phie besitzt zur Diagnose kleinerer In-     tems und das konsekutive Multiorgan-          KardiozirkulatorischeVeränderungen
fektionsfoci allerdings eine höhere Sen-    versagen im Vordergrund (Abb. 1).
sitivität. Darüber hinaus ist mit der       Hauptursache der sog. Frühletalität von     Kardiozirkulatorische Veränderungen in
Computertomographie auch die Detek-         Patienten in dieser Phase ist der kardio-   der Sepsis sind durch intravaskuläre Vo-
tion eines retroperitonealen Abszesses      zirkulatorische Kollaps. Überleben Pati-    lumendepletion, periphere Vasodilatati-
möglich. Die Ischämie des sigmoiden         enten diese frühe Phase aufgrund ver-       on, myokardiale Depression und Perfu-
Kolons als Ursache einer Sepsis, z. B.      besserter Therapiemaßnahmen, so             sionsheterogenitäten im Endstromge-
nach der Operation von Aortenaneurys-       kommt es durch Freisetzung antiinflam-      biet verursacht. Verantwortlich hierfür
men, kann mit Hilfe der Sigmoidosko-        matorischer Faktoren, wie z. B. Interleu-   könnten proinflammatorische Mediato-
pie erkannt werden. Laborchemisch           kin-4 (IL-4), Interleukin-10 (IL-10), In-   ren, wie TNF-α, vasoaktive Faktoren,
stellt Laktat einen sensitiven Marker der   terleukin-1-Rezeptorantagonist (IL-         wie Stickstoffmonoxid (NO) und Endo-
intestinalen Ischämie dar.                  1RA), Kortison und Adenosin, zu einer       thelin, und/oder die Aktivierung ATP-
     Die Unterscheidung zwischen inva-      kompensatorischen antiinflammatori-         sensitiver Kaliumkanäle sein [94]. Die
siver Candidainfektion und Kolonisati-      schen Gegenreaktion (CARS, „compen-         Ausprägung hämodynamischer Verän-
on des Intensivpatienten ist oft schwie-    satory anti-inflammatory response syn-      derungen bei Sepsis reicht bis zum sep-
rig. Allerdings steigt die Wahrschein-      drome“). Bei Überschießen dieser Ge-        tischen Schock. Charakteristisch ist
lichkeit einer invasiven Candidainfekti-    genregulation kann es zu einer Immun-       hierbei eine Störung der mikrovaskulä-
on bei Patienten, die in hohem Maße mit     suppression oder Anergie kommen. In         ren Perfusion bei normalem bis erhöh-
Candida kolonisiert sind. Der Nachweis      dieser Phase ist der Patient besonders      tem Herzindex. Hypotension und globa-

                                                                                                            Der Anaesthesist 1•2003   |5
Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
Leitthema
                                                                                             Mikrothromben, disseminierter intra-
                                                                                             vaskulärer Gerinnung (DIC) und Mikro-
                                                                                             zirkulationsstörungen führen.

                                                                                               Therapie der Sepsis
                                                                                             Die vier Eckpfeiler des therapeutischen
                                                                                             Managements von Patienten mit Sepsis,
                                                                                             die Herdsanierung, die antimikrobielle
                                                                                             Therapie, supportive Maßnahmen und
                                                                                             die spezielle Sepsistherapie, sind in
                                                                      Abb. 2  Gerinnungs-   Abb. 3 dargestellt.
                                                                      aktivierung bei
                                                                      Sepsis                   Herdsanierung

 le Gewebshypoxie können zu Oligurie,         modulin-Komplex katalysiert. Aktivier-         Die Herdsanierung stellt einen wichti-
 Verwirrtheit, verzögerter kapillärer Fül-    tes Protein C entfaltet seine protektiven      gen Eckpfeiler der Sepsistherapie dar.
 lungszeit und Laktatazidose führen. Ins-     Wirkungen in der schweren Sepsis durch         Grundlage ist die aggressive Identifizie-
 besondere die Blutlaktatkonzentratio-        Interaktion mit dem Gerinnungs-/In-            rung des Sepsisherds. Zur Herdsanie-
 nen scheinen hierbei auch prognostisch       flammationssystem. Die klassische Wir-         rung gehören z. B. die Abszessdrainage
 von Bedeutung zu sein [17]. So können        kung des aktivierten Protein C zusam-          sowie die Entfernung von nekrotischem
 in der Sepsis die aerobe Glykolyse mit       men mit seinem Kofaktor Protein S, das         Gewebe oder infiziertem Fremdmateri-
 gesteigerter Laktatproduktion erhöht         entweder frei oder in einem Komplex            al. So sollten zentrale Venenkatheter ent-
 und die Laktatclearance in der Leber er-     mit dem Komplementregulationsprote-            fernt werden, wenn die Einstichstelle
 niedrigt sein [82, 87]. Darüber hinaus ist   in C4bBP zirkuliert, besteht in der Hem-       stark gerötet oder eitrig ist oder aber
 ein Anstieg der Laktatkonzentration in       mung einer überschießenden Throm-              Sepsissymptome ohne definierten In-
 der Sepsis jedoch nicht nur durch eine       binbildung durch Inaktivierung der Fak-        fektionsherd auftreten. Der routinemä-
 Gewebshypoxie bedingt, sie wird häufig       toren Va und VIIIa, die zwei wichtige          ßige Wechsel des zentralen Venenkathe-
 auch durch einen metabolisch zellulären      Faktoren in der Gerinnungskaskade dar-         ters ohne Hinweis auf eine Infektion
 Defekt („cytopathic hypoxia“) in der         stellen [59, 136]. Darüber hinaus fördert      führt jedoch zu keiner Reduktion einer
 Sepsis aggraviert [29, 63].                  aktiviertes Protein C durch Hemmung            katheterbedingten Bakteriämie [83].
                                              von PAI-1 die Fibrinolyse. Pathophysio-             Von großer Bedeutung für die chi-
     Pathologische Gerinnungsaktivierung      logische Veränderungen während einer           rurgische Herdsanierung ist das optima-
     und Inflammation                         Sepsis führen allerdings dazu, dass das        le Timing der Intervention. So muss das
                                              Endothel proinflammatorisch, pro-              Risiko des chirurgischen Eingriffs ge-
 Die Aktivierung des Gerinnungssystems        thrombotisch und antifibrinolytisch            genüber dem Benefit der definitiven Fo-
 ist ein nahezu universelles Phänomen in      wird. So kommt es zu einer Downregu-           kuskontrolle sorgfältig abgewogen wer-
 der Sepsis (Abb. 2). Hierbei besteht eine    lation und Internalisierung von Throm-         den. Die rasche und adäquate Stabilisie-
 sehr enge Beziehung zwischen dem Ge-         bomodulin. Thrombin bindet v. a. an den        rung des Patienten durch supportive
 rinnungssystem und der inflammatori-         Thrombinrezeptor und induziert die Ak-         Maßnahmen, wie die Volumengabe,
 schen Reaktion . So kommt es nach Akti-      tivierung von NFκB sowie die Freiset-          kann in vielen Fällen das perioperative
 vierung von Monozyten zu einer Freiset-      zung von Tissue factor und PAI-1 [47,          Risiko deutlich reduzieren. Die Rolle des
 zung von Gewebsthromboplastin („tis-         166]. Dies kann in der Sepsis zu genera-       Timings der chirurgischen Intervention
 sue factor“) mit nachfolgender Aktivie-      lisierter Fibrinbildung mit der Folge von      für den Outcome septischer Patienten ist
 rung des extrinsischen Gerinnungssys-
 tems und zur Bildung von Thrombin, das
 die Umwandlung von Fibrinogen zu Fi-
 brin katalysiert. Weiterhin produzieren
 aktivierte Monozyten den Inhibitor des
 Plasminogenaktivators („plasminogen
 activator inhibitor-1“, PAI-1). Hierdurch
 kommt es zu einer Hemmung der endo-
 genen Fibrinolyse. Unter physiologi-
 schen Bedingungen erfolgt als kompen-
 satorische Gegenregulation zur Gerin-
 nungsaktivierung nach Bindung von
 Thrombin an Thrombomodulin am
 Endothel die Konversion von Protein C
 zu aktiviertem Protein C. Diese Reakti-        Abb. 3  Eckpfeiler
 on wird durch den Thrombin-Thrombo-            der Sepsistherapie

6|   Der Anaesthesist 1•2003
Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
bisher in Studien zur nekrotisierenden      insuffizienz eine Dosisadaptation ent-      Therapieempfehlungen zur gezielten An-
Fasziitis und zur nekrotisierenden Pan-     sprechend der Kreatininclearance in Be-     tibiotikatherapie bei bekanntem Erreger
kreatitis untersucht worden. Während        tracht gezogen werden.                      ist ebenfalls in den Empfehlungen der
bei nekrotisierender Fasziitis ein früh-         Bei unbekanntem Erreger erfolgt        Paul-Ehrlich-Gesellschaft enthalten [24].
zeitiges Débridement von infiziertem        die Antibiotikatherapie zunächst kalku-          In den letzten Jahren finden sich,
avitalem Gewebe erfolgen sollte, ist bei    liert mit einem Breitspektrumantibioti-     insbesondere bei Intensivpatienten, ver-
nekrotisierender Pankreatitis ein deut-     kum nach den Richtlinien der Paul-Ehr-      mehrt multiresistente Staphylokokken.
lich konservativeres Vorgehen indiziert     lich-Gesellschaft [24]. Azylaminopeni-      Hier können die Glykopeptide Vanco-
[83]. Derzeit empfehlen die meisten Au-     cilline zusammen mit einem β-Lacta-         mycin (Vancomycin®) und Teicoplanin
toren eine rasche operative Sanierung       maseinhibitor, wie das Kombinations-        (Targocid®) eingesetzt werden.Auch bei
nur beim Nachweis von infizierten Pan-      präparat Tazobac® (Piperacillin/Tazob-      diesen Antibiotika sollte ein Drugmoni-
kreasnekrosen [18, 32, 96].                 actam), oder Carbapeneme, wie Imipe-        toring durch Spiegelbestimmung erfol-
     Bei abdominellen Infektionsherden      nem/Cilastatin (Zienam®) und Merope-        gen. Als neue Therapieoption bei multi-
stehen die intraabdominelle Abszess-        nem (Meronem®), allein oder in Kombi-       resistenten Staphylo- oder Enterokok-
drainage und die radiologisch gesteuer-     nation sind bei fast allen, insbesondere    ken steht das Kombinationspräparat
te perkutane Abszessdrainage zur Ver-       nosokomial erworbenen, septischen Zu-       Quinupristin/Dalfopristin (Synercid®)
fügung. Während die perkutane Ab-           ständen mit unbekanntem Erreger in          aus der Gruppe der Streptogramine
szessdrainage bei unilokulären gut defi-    den Therapieempfehlungen enthalten          oder Linezolid (Zyvox®), ein Oxazolidi-
nierten Abszessen zumindest initial         [23, 24]. Carbapeneme sind nur im Falle     non, zur Verfügung. Eine mögliche Stra-
durchgeführt werden kann, sollte bei        der Gallenwege als Infektionsherd nicht     tegie, um zukünftig weitere Resistenzbil-
schlecht definierten Abszessen oder         in den Therapieempfehlungen zur noso-       dungen zu verhindern, stellt das „anti-
beim Vorliegen avitalen Gewebes eine        komialen Sepsis enthalten. Bei unbe-        biotic cycling“ dar. Ob der routinemäßi-
Laparatomie durchgeführt werden. Eine       kanntem Infektionsherd können sowohl        ge Wechsel der Antibiotikaklassen in be-
Laparatomie ist auch dann indiziert,        Azylaminopenicilline/β-Lactamaseinhi-       stimmten Zeitintervallen allerdings zu
wenn sich die Symptome trotz perkuta-       bitor wie auch Carbapeneme mit              einer verminderten Resistenzbildung
ner Abszessdrainage nicht bessern.          Fluorchinolonen der Gruppe 2/3, z. B. Ci-   führt, ist derzeit aufgrund der unzurei-
(Eine detaillierte Diskussion zur Strate-   profloxacin (Ciprobay®) oder Levofloxa-     chenden Datenlage nicht belegt [89].
gie der operativen Herdsanierung ist        cin (Tavanic®), oder mit einem Amino-
nicht Gegenstand dieser Arbeit und          glykosid, z. B. Netilmicin (Certomycin®),     Supportive Maßnahmen
kann z. B. bei Jimenez u. Marshall [83]     kombiniert werden. Die Kombination
oder Danielson u.West [49] nachgelesen      mit einem Aminoglykosid wird auch bei         Hämodynamisches Management
werden.)                                    einer Infektion der Atemwege mit unbe-        des Patienten
                                            kanntem Erreger empfohlen. Handelt es
  Antimikrobielle Therapie                  sich um eine ambulant erworbene Pneu-       Volumentherapie in der Sepsis. Charakte-
                                            monie als Sepsisursache, so ist die Kom-    ristischerweise sind der zentralvenöse
Die adäquate antimikrobielle Therapie       bination mit einem Makrolid, z. B. Ery-     Druck (ZVD) und der pulmonalkapillä-
führt zu einer Reduktion der Letalität      thromycin (Erythrocin®), möglich. Im        re Verschlussdruck (PCWP) deutlich er-
und ist unabdingbare Voraussetzung ei-      Falle einer katheterassoziierten Infekti-   niedrigt. Aus diesem Grund ist der erste
ner Therapie der Sepsis [160].Allerdings    on muss zusätzlich mit einem Glykopep-      Schritt der Sepsistherapie die ausrei-
kann die Antibiotikatherapie durch Frei-    tid, wie Vancomycin (Vancomycin®)           chende Volumengabe. In dieser Initial-
setzung mikrobieller Produkte, wie En-      oder Teicoplanin (Targocid®), therapiert    phase benötigen die meisten Patienten
dotoxin, vorübergehend zu einer Aggra-      werden [24].                                4–6 l Kristalloide oder 1,5–3 l Kolloide,
vierung der Sepsissymptome führen                Antimykotika sollten nicht routine-    um ausreichende kardiale Füllungs-
[115, 137]. Die Kenntnis des Sepsisherds    mäßig zur empirischen Therapie des Pa-      drücke zu erreichen. Die Volumenthera-
und die Gramfärbung sind zunächst die       tienten mit Sepsis eingesetzt werden. Zur   pie sollte neben dem ZVD bzw. PCWP
wichtigsten Anhaltspunkte, um die An-       Behandlung einer Pilzsepsis bei hämo-       anhand von Richtgrößen, wie Blutdruck,
tibiotikatherapie zu beginnen. In der       dynamisch instabilen Patienten sollte bei   Herzfrequenz, Herzindex, linksventriku-
Sepsis werden die Antibiotika prinzipi-     unbekannter Resistenztestung Ampho-         lärem Schlagarbeitsindex, kapillärer
ell hoch dosiert und nur parenteral ein-    tericin B (Amphotericin B®) eingesetzt      Perfusion und Urinproduktion, titriert
gesetzt. Pharmakokinetische und phar-       werden. Bei Candida- oder Aspergillus-      werden. Häufig sind bei Sepsis hoch
makodynamische Daten von Antibioti-         sepsis wird die Kombination mit Flucy-      normale Füllungsdrücke erforderlich. In
ka existieren für den septischen Patien-    tosin (Ancotil®) empfohlen. Die Toxizität   der Studie von Rivers et al. [132] zur frü-
ten, der ein deutlich höheres Vertei-       von Amphotericin B kann durch die Ap-       hen, auf Zielgrößen ausgerichteten The-
lungsvolumen besitzen kann, nur in ge-      plikation zusammen mit Fetten und der       rapie der Sepsis wurde der ZVD durch
ringem Ausmaß. Insbesondere für Ami-        Einstellung hoch normaler Plasmanatri-      frühzeitige Flüssigkeitssubstitution auf
noglykoside sollte deshalb die erforder-    umspiegel reduziert werden.                 Werte von 8–12 mmHg angehoben. Zur
liche Dosis durch Antibiotikaspiegelbe-          Sobald mikrobiologische Daten ver-     weiteren Steuerung der hämodynami-
stimmung angepasst werden. Da viele         fügbar sind, kann die antibiotische The-    schen Therapie kann ein Pulmonaliska-
Antiinfektiva zu einem großen Teil renal    rapie eingeengt werden und richtet sich     theter indiziert sein, insbesondere bei
ausgeschieden werden, muss bei Nieren-      nach dem Erreger. Eine Übersicht der        Patienten mit myokardialer, pulmonaler

                                                                                                             Der Anaesthesist 1•2003   |7
Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
Leitthema
 oder renaler Dysfunktion. Es ist jedoch         tion von Albumin kein Effekt auf die         renalen Hämodynamik bis zur renalen
 unklar, ob hierdurch auch eine Verbes-          Sterblichkeit nachgewiesen werden            Ischämie führen, allerdings liegt bei vo-
 serung der Prognose erreicht werden             [162]. Eine immer noch relevante Indi-       lumentherapierten Patienten mit hy-
 kann [42, 127, 149, 160]. Eine Maximie-         kation für Albumin könnte z. B. die          perdynamen septischen Schock eine an-
 rung des Herzzeitvolumens (HZV) wird            spontane bakterielle Peritonitis bei Pa-     dere pathophysiologische Konstellation
 bei den meisten Patienten bei Werten            tienten mit Leberzirrhose darstellen. So     vor. Hier sistiert die Urinproduktion
 von 12–15 mmHg für den PCWP erreicht            konnten Sort et al. [141] zeigen, dass die   hauptsächlich aufgrund eines vermin-
 [119, 145]. Zur Pufferung einer Azidose         Applikation von 1,5 g/kg Körpergewicht       derten renalen Perfusionsdrucks. Bei
 wird häufig Natriumbikarbonat bei ei-           und Tag Albumin zu einer Verbesserung        diesen Patienten kann Noradrenalin den
 nem pH-Wert unter 7,2 eingesetzt, ob-           der renalen Funktion und einer geringe-      renalen Gefäßwiderstand und die rena-
 wohl benefizielle Effekte auf die Hämo-         ren Letalität führte. Wichtige Eigen-        le Perfusion optimieren und damit zu ei-
 dynamik bei Intensivpatienten mit Lak-          schaften von Albumin könnten hierbei         ner Erhöhung der glomerulären Filtrati-
 tatazidose nicht nachgewiesen werden            seine antioxidativen und antiinflamma-       onsrate und zum Wiedereinsetzen der
 konnten [46].                                   torischen Funktionen sein. So ist Albu-      Urinproduktion führen [145, 149].
                                                 min die größte extrazelluläre Quelle von          Noradrenalin sollte allerdings nur
 Kristalloide vs.Kolloide zur Flüssigkeitssub-   Protein-Thiolen, die bedeutende Funk-        angewandt werden, um Normalwerte
 stitution in der Sepsis? Die Flüssigkeits-      tionen im Redox-Stoffwechsel haben.          bzw. Werte im unteren Normbereich für
 substitution kann mit Kristalloiden, mit             Die Indikation zur Humanalbumin-        den mittleren arteriellen Blutdruck und
 Kolloiden oder mit einer Kombination            gabe und der minimal tolerable Albu-         den systemischen Gefäßwiderstand wie-
 der beiden Lösungen durchgeführt wer-           minplasmaspiegel beim kritisch kran-         derherzustellen. Der Mindestwert für
 den. Während in den USA Kristalloide            ken Patienten bleiben derzeit dem In-        den anzustrebenden mittleren arteriel-
 bevorzugt werden, werden in Europa              tensivmediziner vorbehalten. Die oben        len Blutdruck scheint ca. 60–65 mmHg
 häufig Kolloide eingesetzt. Bisher konn-        dargestellten Studien lassen unseres Er-     zu sein [132, 149]. Dieser Blutdruck reicht
 te jedoch keine Überlegenheit von Kris-         achtens nur die Schlussfolgerung zu,         bei vielen Patienten aus, um ein Wieder-
 talloiden oder Kolloiden gezeigt werden.        dass Albumin als ein Medikament mit          einsetzen der Urinproduktion zu indu-
 Aufgrund sehr begrenzter Erfahrung              spezifischer Wirkung betrachtet werden       zieren. Andere Patienten benötigen al-
 mit der Anwendung von „Small-volume-            sollte, dessen Indikationen z. Z. nicht      lerdings einen mittleren arteriellen Blut-
 resuscitation-Lösungen“ (hyperton-hy-           klar definiert werden können.                druck von mehr als 75 mmHg. Zu be-
 peronkotischen Lösungen) zur Initial-                                                        denken ist, dass bei manchen Patienten
 therapie können hierzu derzeit keine            Katecholamintherapie in der Sepsis. Kann     trotz Normalisierung der hämodynami-
 Empfehlungen gegeben werden.                    durch Gabe von ausreichenden Mengen          schen Variablen aufgrund einer renalen
      Als Kolloide stehen die Hydroxy-           an Flüssigkeit kein adäquater arterieller    Schädigung keine Urinproduktion er-
 ethylstärke (HES), Gelatinepräparate,           Mitteldruck erreicht werden, ist die Ap-     reicht werden kann. Eine vorsichtige Ti-
 Dextrane und verschiedene Albuminprä-           plikation eines Vasopressors indiziert.      tration der Therapie mit Vasopressoren
 parationen zur Verfügung. Derzeit wer-          Als Mittel der Wahl wird Noradrenalin        zur Steigerung des mittleren arteriellen
 den am häufigsten HES und Gelatineprä-          in der Regel in einer Dosierung von          Drucks ist auch deshalb geboten, da es
 parate eingesetzt. Vorteil der kolloidalen      0,2–1,3 µg/kg/min eingesetzt [105, 110,      durch eine zu starke periphere sowie
 Lösungen ist ein deutlich niedrigeres           149]. Noradrenalin, das v. a. α-Adreno-      pulmonale Vasokonstriktion zu einer
 Substitutionsvolumen. Für HES wurde             zeptoren und in geringerem Maße auch         Verschlechterung sowohl der links- als
 außerdem eine Reduktion der endothe-            ß1-Adrenozeptoren stimuliert, erhöht,        auch der rechtsventrikulären Herzfunk-
 lialen Aktivierung gezeigt [55].Allerdings      insbesondere beim hyperdynamen sep-          tion kommen kann.
 fanden Schortgen et al.[134] in einer ran-      tischen Schock, mit niedrigem periphe-            Die Messung des pHi hat aufgrund
 domisierten Studie an 129 septischen Pa-        ren Widerstand den mittleren arteriel-       methodischer Probleme keinen Stellen-
 tienten für HES 200/0,6–0,66 eine erhöh-        len Druck. Dies führt häufig ohne zu-        wert mehr zur hämodynamischen The-
 te Anzahl von akutem Nierenversagen im          sätzliche Applikation von Diuretika zu       rapiesteuerung bei Sepsis [149]. Die Be-
 Vergleich zu einer 3%igen Gelatinelö-           einem Wiedereinsetzen der Urinpro-           stimmung des gastralarteriellen CO2-
 sung.Nichtunterschiedlich waren jedoch          duktion. Früher wurde Noradrenalin           Gaps stellt hier methodisch eine Verbes-
 die Notwendigkeit zum Einsatz eines Nie-        aufgrund der Angst vor potenziell nega-      serung dar; der Nutzen dieses Monito-
 renersatzverfahrens und das Überleben           tiven Auswirkungen auf die renale und        ringverfahrens wird jedoch aufgrund
 der Patienten.                                  intestinale Organfunktion durch Vaso-        geringer Sensitivität und Spezifität kon-
      Für die Applikation von Humanal-           konstriktion in diesen regionalen Ge-        trovers beurteilt [139].
 bumin bei Hypalbuminämie, Hypovolä-             fäßsystemen nur als Mittel der letzten            Lange Zeit wurde Dopamin als be-
 mie und Verbrennungen wurde in einer            Wahl bei Sepsis eingesetzt. Im Gegensatz     vorzugter Vasopressor bei Sepsis einge-
 Metaanalyse von 30 Studien durch die            dazu wird heute die frühe Applikation        setzt. In einer Dosierung kleiner als
 Cochrane Injuries Group Albumin Re-             von Noradrenalin zur Normalisierung          5 µg/kg/min stimuliert es vorwiegend
 viewers sogar eine erhöhte Letalität ge-        des mittleren arteriellen Drucks emp-        dopaminerge DA1-Rezeptoren, die zu ei-
 funden [39]. Entgegen den Ergebnissen           fohlen. Zwar können die vasokonstrik-        ner renalen, mesenterialen und korona-
 der Metaanalyse der Cochrane Injuries           torischen Eigenschaften von Noradrena-       ren Vasodilatation führen. In einer Do-
 Group Albumin Reviewers konnte in ei-           lin beim hypovolämen Patienten zu            sierung von 5–10 µg/kg/min stimuliert
 ner aktuellen Metaanalyse zur Applika-          deutlichen Verschlechterungen der            Dopamin hauptsächlich ß1-Adrenozep-

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Klinisches Management bei Patienten mit Sepsis - Leitthema - Universitätsklinikum Heidelberg
toren. Dies führt zu einem Anstieg der       nell therapierefraktären septischen          und der daraus abgeleiteten Parameter
myokardialen Kontraktilität und der          Schock geführt [57]. Der verbesserten        ist die kontinuierliche Pulskonturanaly-
Herzfrequenz . Über 10 µg/kg/min indu-       Makrozirkulation stehen allerdings po-       se. Für diese Methode konnten Haas et
ziert Dopamin durch α-Adrenozeptor-          tenziell negative Auswirkungen auf die       al. [75] erstmals eine akzeptable Über-
stimulation eine Vasokonstriktion mit        Mikrozirkulation insbesondere im gas-        einstimmung zwischen der kontinuier-
Blutdruckerhöhung. In neueren Studien        trointestinalen Bereich entgegen [56,        lichen Messung des HZV mit der Puls-
zeigten sich jedoch eine Reihe von Ne-       111]. Aus diesem Grund sollte Vasopres-      konturanalyse und der Thermodiluti-
benwirkungen. So kann es unter Dopa-         sin in der Sepsis unseres Erachtens der-     onsmethode mit dem Pulmonaliskathe-
min zu einer Umverteilung des nutriti-       zeit nur bei sonst nichttherapierbarem,      ter beim Patienten mit katecholamin-
ven Blutflusses im Splanchnikusgebiet        katecholaminrefraktärem Schock einge-        pflichtigem septischen Schock zeigen.
von der besonders hypoxiegefährdeten         setzt werden. Die Blockade der NO-Syn-       Wichtige Informationen zur Einschät-
Mukosa zur Muskularis, zu erhöhter Ar-       thase und gleichzeitig der Guanylatzy-       zung der myokardialen Funktion beim
rhythmogenität, zu Funktionsstörungen        klase durch 2 mg/kg Methylenblau [126]       septischen Patienten und zur Therapie-
der Schilddrüse und zu einer Reduktion       ist als rein experimentelle Therapie zu      steuerung können darüber hinaus auch
von Prolaktin kommen; hierdurch kann         betrachten und im Hinblick auf die Er-       mit der transösophagealen Echokardio-
die Lymphozyten- und Makrophagen-            höhung der Letalität durch eine unselek-     graphie gewonnen werden [31].
funktion beeinträchtigt werden [16, 116].    tive NO-Blockade [74] als sehr kritisch            Die hämodynamische Stabilisie-
Daher sollte auch keine routinemäßige        zu bewerten.                                 rung der Makrozirkulation kann in der
niedrig dosierte Dopaminapplikation                In der Sepsis kommt es häufig zu re-   Sepsis auch mit Adrenalin erreicht wer-
zur Nierenprotektion erfolgen. In einer      duzierter myokardialer Kontraktilität,       den. Aufgrund der möglichen deletären
großen randomisierten Multizenterstu-        ventrikulärer Dilatation und verminder-      Verschlechterung der intestinalen Per-
die bei kritisch kranken Patienten mit       ter Ejektionsfraktion, an deren Genese       fusion und des Anstiegs der Blutlaktat-
dem Risiko eines Nierenversagens konn-       multiple Faktoren, wie z. B. TNF-α oder      konzentration sollte Adrenalin aber sehr
te diesbezüglich zudem keine klinisch        IL-1β, beteiligt sind [90, 91].Welche Rol-   zurückhaltend eingesetzt werden [99,
signifikante Protektion hinsichtlich ei-     le hierbei eine myokardiale Nekrose          149]. Eine mögliche Indikation stellt die
ner renalen Dysfunktion gezeigt werden       spielt, wird derzeit noch kontrovers dis-    refraktäre Hypotension oder die schwe-
[15]. In den Empfehlungen der Task           kutiert [165]. Aus diesem Grund benöti-      re Herzinsuffizienz dar [145]. Uner-
Force des American College of Critical       gen einige Patienten, insbesondere die-      wünschte Nebenwirkungen beim Ein-
Care Medicine und der Society of Criti-      jenigen mit vorbestehender Herzinsuf-        satz aller Katecholamine sind Herz-
cal Care Medicine ist Dopamin aller-         fizienz, nach adäquater Volumenthera-        rhythmusstörungen, insbesondere Ta-
dings aufgrund der großen klinischen         pie zusätzlich zu Vasopressoren eine         chykardien. Diese treten v. a. bei Patien-
Erfahrung mit dieser Substanz nach wie       Therapie mit inotropen Substanzen. In-       ten mit unzureichender Flüssigkeitsthe-
vor das Katecholamin der ersten Wahl         dikationen für Inotropika stellen die        rapie auf.
zur Steigerung des Blutdrucks sowohl         eingeschränkte myokardiale Pumpfunk-               Bisher gibt es nur wenige Studien,
bei Erwachsenen als auch bei pädiatri-       tion und/oder ein Herzindex
Leitthema
                                                                                             nem liberalen Transfusionsregime ver-
                                                                                             glichen [80]. Kritisch kranke Patienten
                                                                                             wurden in der restriktiven Transfusions-
                                                                                             gruppe bei einem Hb-Wert
fusionsgruppe (23% vs. 23%) [81]. In der      maximaler Sauerstoffinsufflation. Intu-      abreicht werden, hierdurch wird aller-
Subgruppe von Patienten mit schwerer          bation und Beatmung stellen dabei per        dings der paCO2-Wert weiter erhöht.
ischämischer Herzerkrankung zeigte            se keine Therapie der Lungenschädi-          Eine Alternative zur Bikarbonattherapie
sich jedoch in der liberalen Transfusi-       gung dar. Sie dienen jedoch der Sauer-       der schweren Azidose stellt daher TRIS-
onsgruppe eine nichtsignifikante Letali-      stoffversorgung des Organismus, redu-        Puffer dar. Die Applikation eines PEEP
tätsreduktion.Wichtig scheint es bei kri-     zieren die Aspirationsgefahr bei septi-      führt zu einer deutlichen Verbesserung
tisch kranken Patienten die Transfusion       scher Enzephalopathie und vermindern         des Ventilations-Perfusions-Verhältnis-
von mehr als 15 Tage alten Erythrozyten-      den Sauerstoffverbrauch der Atemmus-         ses und damit zu einer Erhöhung des
konzentraten zu vermeiden, da Marik u.        keln. Dies kann bei Sepsis zur Vermei-       paO2-Werts. Idealerweise sollte das
Sibbald [103] zeigten, dass zwischen          dung eines Missverhältnisses von O2-         PEEP-Level bezogen auf die Druck-Vo-
dem Alter der transfundierten Konser-         Angebot zu O2-Bedarf beitragen. Mög-         lumen-Kurve oberhalb des unteren „in-
ve und der Abnahme des pHi-Werts eine         liche Risiken einer invasiven Beatmung       flection point“ gesetzt werden, da so ein
signifikante Korrelation besteht.             sind das Auftreten einer ventilatorasso-     alveolärer Kollaps in der Exspiration
     Mit den derzeitigen Erkenntnissen        ziierten Pneumonie und eine beat-            vermieden werden kann. Allerdings ist
können folgende Richtgrößen für den           mungsinduzierte Verschlechterung der         die bettseitige Bestimmung der Druck-
Hämoglobinwert bei septischen Patien-         Lungenschädigung.                            Volumen-Kurve derzeit noch sehr
ten formuliert werden: Der minimale                Die Wirksamkeit einer nichtinvasi-      schwierig und wird in der Routine nicht
Hämoglobinwert für septische Patienten        ven Überdruckbeatmung konnte bei             durchgeführt. Softwaremodifikationen
sollte 7–8 g/dl sein; Hämoglobinwerte         Sepsis nicht belegt werden [7, 122]. Aus     der Beatmungsgeräte könnten hier in
von 8–10 g/dl werden von den meisten          diesem Grund und um den Beginn der           Zukunft eine Verbesserung bringen. Um
Experten für diese Patientengruppe            maschinellen Ventilation nicht unnötig       die Lunge durch die Sauerstofftoxizität
empfohlen [145, 149]. Für Patienten mit       zu verzögern, sollte in der Sepsis auf die   nicht weiter zu schädigen, wird eine ar-
schwerer ischämischer Herzerkran-             nichtinvasive Überdruckbeatmung ver-         terielle Sauerstoffsättigung von 88–92%
kung, Ischämiezeichen im EKG, exzessi-        zichtet werden [106]. Die maschinelle        toleriert. Dies entspricht etwa einem
ver Tachykardie oder sehr niedriger ge-       Ventilation sollte, sofern keine Kontrain-   paO2 von 60 mmHg [106, 147, 152].
mischtvenöser Sauerstoffsättigung kann        dikationen vorliegen, primär über einen            Eine weitere Verbesserung der lun-
die Anhebung des Hb-Werts auf über            orotrachealen Tubus begonnen werden.         genprotektiven Beatmungsstrategie
10 g/dl erforderlich sein.                    In einer großen randomisierten Studie        könnte das „Open-lung-Konzept“ dar-
                                              des ARDS-Network [5] konnte eindeutig        stellen [92]. Ziele sind zunächst die al-
  Respiratorischer Support                    die Überlegenheit der Beatmung mit           veoläre Reexpansion atelektatischer Al-
  des Patienten mit Sepsis                    kleinen Tidalvolumina von 6 ml/kg ge-        veoli und das Offenhalten der Alveolen
                                              genüber 12 ml/kg bezogen auf das Ideal-      durch Modifikationen der Beatmungs-
Die Lunge stellt ein häufig betroffenes       gewicht belegt werden (Sterblichkeits-       parameter. Für dieses Konzept zeigten
Organ in der Sepsis dar. So benötigen ca.     rate nach 180 Tagen: 31,0% vs. 39,8%). In    Amato et al. [8] eine Reduktion der Leta-
85% der Patienten ein Beatmungsregime         dieser Studie war die Sepsis mit 27% die     lität bei ARDS durch kleine Tidalvolu-
und 25–42% der Patienten erfüllen die         zweithäufigste Ursache der Lungenschä-       mina, druckkontrollierte Beatmung und
Kriterien des „acute respiratory distress     digung, die zum Studieneinschluss der        einen PEEP oberhalb des unteren Inflek-
syndrome“ (ARDS) [21, 106]. Das ARDS          Patienten führte. Die Wahl des PEEP-Le-      tionspunkts der Druck-Volumen-Kurve,
ist definiert durch akutes Auftreten, bila-   vels erfolgte in dieser Studie anhand ei-    um ein optimales alveoläres Rekruit-
terale Infiltrate im Röntgenbild, einem       nes definierten Protokolls abhängig von      ment sicherzustellen.
paO2/FiO2 ≤200 und einem PCWP                 der inspiratorischen Sauerstoffkonzen-             Liegen keine Kontraindikationen
Leitthema
   ARDS weisen darauf hin, dass eine re-          Serumglukosespiegel
chen Cook et al. [45] die Applikation von
  Tabelle 1
                                                                                                             1 g Sucralfat 4-mal täglich über die Ma-
  Antizytokinstudien als Therapieansatz bei Sepsis                                                           gensonde mit 50 mg Ranitidin 3-mal
                                                                                                             täglich i.v. in einer randomisierten pla-
  Interventionsstrategie          Publikation                 Patientenzahl       Behandlungs-
                                                                                  effektivität [%]
                                                                                                             cebokontrollierten Multizenterstudie an
                                                                                                             1.200 beatmeten Intensivpatienten. Die
  Endotoxinneutralisation         Ziegler et al. [171]           543              +4 (ns)                    Gabe von Ranitidin führte in dieser Stu-
                                  Greenman et al. [73]           486              +1 (ns)                    die zu einer signifikant niedrigeren Inzi-
                                  Schedel et al. [133]            55              +28 (p
Leitthema
   publizierten [120] MONARCS-Studie             Niedrig dosierte Substitutions-             pressoren [12] und antiinflammatorische
   für die Therapie mit einem Anti-TNF-          therapie mit Hydrokortison                  Eigenschaften, wie die Hemmung der in-
   Antikörper bei septischen Patienten                                                       duzierbaren NO-Synthetase, die Vermin-
   eine signifikante Reduktion der Letali-     Aufgrund ihrer antiinflammatorischen          derung von NF-κB und die Reduktion
   tät gezeigt werden.                         Eigenschaften wurden Kortikoide be-           proinflammatorischer Zytokine [11].
        Enttäuschend waren auch viele an-      reits sehr früh auf ihre therapeutische            Kürzlich wurde die bisher größte
   dere Studien zur Blockade proinflam-        Wirkung bei Sepsis untersucht. Die Ana-       Studie zur niedrig dosierten Hydrokor-
   matorischer Mediatoren in der Sepsis.       lyse aller durchgeführten Studien zeigte      tisonsubstitution bei Patienten mit Sep-
   So führte z. B. die Therapie mit Ibupro-    jedoch, dass zumindest die hoch dosier-       sis beendet und publiziert [14]. Im Rah-
   fen [21], einem Antagonisten des Rezep-     te Kortikoidtherapie keinen prognos-          men dieser französischen, randomisier-
   tors für den Plättchen-aktivierenden        tisch günstigen Effekt bei Patienten mit      ten Multizenterstudie wurden 300 Pati-
   Faktor (PAF) [54] und einem Bradykinin-     Sepsis hat [48, 98].                          enten mit septischem Schock innerhalb
   antagonisten [62] zu keiner Reduktion            Im Gegensatz hierzu wird seit An-        von 8 h nach Auftreten des Schocks ein-
   der Letalität. Ebenso ergibt sich derzeit   fang der 90er-Jahre das Konzept der           geschlossen. Anschließend wurde ein
   keine Indikation für die frühe Hämofil-     niedrig dosierten Therapie mit Kortiko-       kurzer Kortikotropinstimulationstest
   tration zur Mediatorelimination bei         steroiden bzw. Hydrokortison im septi-        durchgeführt; hierbei erfolgte die labor-
   Sepsis, solange kein akutes Nierenversa-    schen Schock diskutiert und evaluiert.        chemische Bestimmung der stimulierten
   gen vorhanden ist [41]. Eine Phase-III-     Verwendung finden hier sog. Stressdo-         Kortisolspiegel erst später. Nach Ab-
   Studie, die den Effekt einer NO-Blocka-     sen von Hydrokortison, also Dosierun-         schluss des Tests wurden die Patienten
   de durch L-NAME bei septischen Pati-        gen, wie sie auch physiologischerweise in     entweder mit 50 mg Hydrokortison i.v.
   enten untersuchte, wurde wegen einer        Stresssituationen von den Nebennieren         alle 6 h in Kombination mit 50 µg Fludro-
   signifikant höheren Sterblichleit in der    sezerniert werden. Tierexperimentell          kortison einmal täglich über die Magen-
   L-NAME-Gruppe abgebrochen [74, 114].        lässt sich die protektive Wirkung von en-     sonde oder Placebo für 7 Tage behandelt.
   Ebenso führte die Behandlung septi-         dogenem Kortisol in der Sepsis ein-           Im Kortikotropintest zeigten 76% der Pa-
   scher Patienten mit Wachstumshormo-         drucksvoll nachweisen. Wird der Gluko-        tienten einen Anstieg der stimulierten
   nen zu einer Erhöhung der Letalität         kortikoidrezeptor nach Induktion einer        Kortisolfreisetzung von weniger als
   [144]. Für die meisten anderen Thera-       bakteriellen Peritonitis pharmakologisch      9 µg/dl und wurden als Nonresponder
   pieoptionen, wie z. B. die Gabe von in-     blockiert, so kommt es zu einer signifi-      bezeichnet. In dieser Patientengruppe
   travenösen Immunglobulinen (IVIG),          kant erhöhten Letalität der Tiere (Abb. 6,    konnte durch die Hydrokortison-Fludro-
   existieren keine größeren Studien, die      eigene bisher unveröffentlichte Daten).       kortison-Substitution im Vergleich zu
   deren Einsatz rechtfertigen. Zur Verfü-     Darüber hinaus ist bei septischen Pati-       Placebo eine signifikante Reduktion der
   gung stehen hier reine polyvalente IgG-     enten eine deutliche Reduktion der sti-       Letalität erreicht werden (53% vs. 63%).
   und IgM-angereicherte Immunglobu-           mulierten Kortisolfreisetzung von weni-       Kein signifikanter Unterschied war in
   linpräparate. Jedoch konnte in klini-       ger als 9 µg/dl mit einer Letalität von 87%   der Gruppe der Responder, Patienten mit
   schen Studien bisher keine Überlegen-       vs. 26% in der Gruppe mit adäquatem           einem stimulierten Kortisolanstieg von
   heit der einen oder anderen Präparati-      Kortisolanstieg nach Stimulation assozi-      mehr als 9 µg/dl, vorhanden. Bei der sta-
   on überzeugend gezeigt werden [124]. In     iert [13]. Außerdem konnte in 2 kleinen,      tistischen Analyse aller Patienten ver-
   einer Metaanalyse von 492 Patienten aus     randomisierten Studien ein gewisser be-       fehlte die Therapie mit Hydrokortison-
   11 verschiedenen Studien zur Gabe von       nefizieller Effekt von niedrig dosiertem      Fludrokortison verglichen mit Placebo
   intravenösen Immunglobulinen (IVIgG)        Hydrokortison gezeigt werden. Bollaert        im Hinblick auf die Letalität nur knapp
   konnte zwar eine Reduktion der Letalität    et al. [25] behandelten randomisiert 41       das Signifikanzniveau (55% vs. 61%). Die
   gezeigt werden [6], die Aussagekraft die-   Patienten im septischen Schock mit täg-       Bedeutung von Fludrokortison in der
   ser Studie ist jedoch aufgrund methodi-     lich 300 mg Hydrokortison für 5 Tage          Substitutionstherapie kann aufgrund
   scher Mängel der einbezogenen Studien       bzw. mit Placebo. Sie fanden einen signi-     dieser Daten nicht bewertet werden. Die
   äußerst umstritten. In dieser Metaana-      fikant positiven Effekt der Hydrokorti-       optimale Dosis und Dauer der Hydro-
   lyse nicht enthalten sind die Ergebnisse    sontherapie im Hinblick auf eine hämo-        kortisontherapie sollte in weiteren Stu-
   der SBITS-Studie („score-based immu-        dynamische Stabilisierung innerhalb           dien evaluiert werden.
   noglobulin treatment in sepsis“), in die    von 7 Tagen (68% vs. 21%) und zusätzlich           Zu einer endgültigen Beurteilung
   653 Patienten mit einer definierten         auch einen positiven Trend hinsichtlich       einer Therapie des septischen Patienten
   Schwere der Sepsiserkrankung einge-         der 28-Tage-Überlebensrate (68% vs.           mit Stressdosen von Hydrokortison
   schlossen wurden [159]. In dieser Studie    37%). Im Rahmen einer ähnlichen Unter-        müssen zumindest noch die Ergebnisse
   konnte keine Verbesserung der 28-Tage-      suchung fanden Briegel et al. [30] eine       der derzeit laufenden europäischen Mul-
   Letalität durch die Gabe von intravenö-     deutlich geringere mediane Zeitdauer ei-      tizenterstudie CORTICUS abgewartet
   sen Immunglobulinen im Vergleich zu         ner Therapie mit Vasopressoren (2 Tage        werden.
   Placebo nachgewiesen werden. Auf-           vs. 7 Tage) bei septischen Patienten, die          Aufgrund der Daten scheint derzeit
   grund dieser widersprüchlichen Ergeb-       mit Stressdosen von Hydrokortison be-         die niedrig dosierte Gabe von 50 mg Hy-
   nisse wird außer beim angeborenen Im-       handelt wurden. Potenziell benefizielle       drokortison 4-mal täglich oder die kon-
   mundefekt keine Therapie der Sepsis         Mechanismen einer Hydrokortisonthe-           tiunierliche Infusion von 300 mg Hydro-
   mit intravenösen Immunglobulinen            rapie in der Sepsis sind die Erhöhung der     kortison über 24 h für 5–7 Tage oder evtl.
   empfohlen [36, 159].                        Ansprechbarkeit der Gefäße auf Vaso-          länger mit anschließender langsamer

14 |   Der Anaesthesist 1•2003
recogin alfa (aktiviert) war hierbei so-
                                                                                                      wohl bei Patienten mit einer Protein-C-
                                                                                                      Verminderung bei Studieneinschluss als
                                                                                                      auch bei Patienten mit normalen Prote-
                                                                                                      in-C-Plasmaspiegeln vorhanden.Als Ne-
                                                                                                      benwirkung der Therapie mit drotreco-
                                                                                                      gin alfa (aktiviert) kam es jedoch zu ei-
                                                                                                      nem Anstieg der Rate an schwerwiegen-
                                                                                                      den Blutungen von 2% in der Placebo-
                                                                                                      gruppe auf 3,5% in der Drotrecogin-alfa-
                                                                                                      (aktiviert)-Gruppe. Dieser Unterschied
                                                                                                      erreichte keine statistische Signifikanz.
                                                                                                      Eine begleitende Thromboseprophylaxe
                                                                                                      mit Heparin führte zu keiner Erhöhung
                                                                                                      der Rate an schwerwiegenden Blutun-
Abb. 6  Glukokortikoidrezeptorblockade ist deletär bei akuter bakterieller Peritonitis. Um den
                                                                                                      gen.Allerdings waren nur 27% der in die
Effekt einer Glukokortikoidrezeptorblockade bei Sepsis zu untersuchen, wurde bei weiblichen
C57BL/6-Mäusen eine Zökalligation und Punktion (CLP), wie von uns beschrieben [28] in Ketamin-
                                                                                                      PROWESS-Studie eingeschlossenen Pa-
Rompun-Narkose durchgeführt. Unmittelbar nach der CLP injizierten wir entweder 2,5 mg RU 486          tienten chirurgische Patienten.
(Sigma) oder Placebo intraperitoneal. Nach 7 Tagen war keine mit RU 486 behandelte Maus mehr am            Der positive Effekt von drotrecogin
Leben, im Gegensatz zu 64% in der Placebogruppe (eigene, bisher unveröffentlichte Daten)              alfa (aktiviert) bei schwerer Sepsis kann
                                                                                                      durch seine antithrombotischen, profi-
                                                                                                      brinolytischen, antiinflammatorischen
Dosisreduktion entsprechend dem Be-               nalen Multizenterstudie (PROWESS-                   und antiapoptotischen Eigenschaften
darf der Vasopressoren und der Hämo-              Studie,„protein c worldwide evaluation              erklärt werden (Abb. 7). Die protektiven
dynamik beim Patienten mit katechola-             in severe sepsis“) an 1.690 erwachsenen             Effekte auf die Endothelzelle werden
minpflichtigem septischem Schock ge-              Patienten mit Sepsis und mindestens ei-             hierbei durch die Koaktivierung des
rechtfertigt zu sein [14, 36].                    nem Organversagen evaluiert [22]. Die               endothelialen Protein-C-Rezeptors und
                                                  Gabe von drotrecogin alfa (aktiviert; Xi-           des Protease-aktivierten-Rezeptors ver-
  Modulation des                                  gris®, Eli Lilly and Company) führte hier           mittelt [84, 130]. Als Ausdruck der anti-
  Gerinnungs-/Inflammationssystems                zu einer signifikanten Reduktion der Le-            inflammatorischen Wirkung von drot-
                                                  talität von 30,8% in der Placebogruppe              recogin alfa (aktiviert) zeigte sich in der
Aufgrund der direkten Interaktion des             auf 24,7% in der Drotrecogin-alfa-(akti-            PROWESS-Studie eine signifikante Re-
Gerinnungssystems mit der Inflamma-               viert)-Gruppe. Die Effektivität von drot-           duktion der Interleukin-6-Spiegel.
tionskaskade rückte die pathologische
Gerinnungsaktivierung in der Sepsis als
Ziel einer Therapie in den letzten Jahren
zunehmend in den Fokus [108].
     Klinisch wird die primäre Hämo-
stase mit der Bestimmung der Throm-
bozytenzahl und der Blutungszeit ein-
geschätzt. Die sekundäre Hämostase
wird durch Quick-Wert und PTT über-
wacht. Bei Sepsis kommt es häufig zu ei-
nem deutlichen Abfall von Thrombozy-
ten, AT III und Protein C. Insbesondere
der Protein-C-Spiegel ist ein guter prog-
nostischer Marker für den Outcome
[64, 167] Protein C ist deutlich mehr re-
duziert als andere Gerinnungsfaktoren.
Die enge Korrelation der Protein-C-Re-
duktion mit dem Outcome bei Sepsis
ließ die Applikation von Protein C als            Abb. 7  Wirkungsweise von aktiviertem Protein C.Aktiviertes Protein C entfaltet seine protektiven
mögliche Therapieoption bei diesem                Wirkungen in der schweren Sepsis durch Interaktion mit dem Gerinnungs-/Inflammationssystem.
Krankheitsbild erscheinen. Aufgrund               Neben der klassischen Wirkung als Hemmer einer überschießenden Thrombinbildung durch Inakti-
positiver Ergebnisse im Tierexperiment            vierung von Faktor Va und VIIIa verfügt aktiviertes Protein C durch Inaktivierung des Plasminogen-
                                                  aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) und durch Hemmung der Aktivierung des Thrombin-aktivierbaren-Fibri-
[146] und der placebokontrollierten               nolyse-Inhibitor (TAFI) über pro-fibrinolytische Eigenschaften. Darüber hinaus vermindert aktivier-
Phase-II-Studie wurde die Wirkung von             tes Protein C die Produktion pro-inflammatorischer Faktoren und die in der Sepsis pathologisch ge-
rekombinant hergestelltem, humanem,               steigerte Leukozyten-Endothelinteraktion. Neue in-vitro Daten weisen darüber hinaus auf eine
aktiviertem Protein C [drotrecogin alfa           Endothelprotektion durch Hochregulation der Apoptose inhibierenden Proteine Bcl-2 und cIAP-1
(aktiviert)] in einer großen internatio-          (Inhibitor des Apoptose-Protein-1) hin [22, 84, 130]

                                                                                                                             Der Anaesthesist 1•2003    | 15
Leitthema
        Wie in Abb. 2 dargestellt ist, findet    Jahren (3–72 Jahre) mit Protein-C-Kon-       lässlich interpretiert werden, da Hepa-
   die Umwandlung von Protein C zu akti-         zentrat. Nur 8% dieser Patienten starben     rin kein randomisierter Studienfaktor
   viertem Protein C nach Bindung an den         verglichen mit einer prognostizierten        war. Aufgrund des möglichen Überle-
   Protein-C-Rezeptor und gleichzeitiger         Sterblichkeit von 50%. Außerdem war          bensvorteils von Patienten ohne Hepa-
   Bindung von Thrombin an Thrombo-              mit 12% die Amputationsrate deutlich         rinapplikation durch hoch dosierte AT-
   modulin statt. Somit wäre theoretisch in      unter dem vorhergesagten Risiko von          III-Gabe könnte diese spezifische Sub-
   der Sepsis auch die Substitution von          30%. Allerdings liegt bisher keine (pla-     gruppe Ziel weiterer Untersuchungen
   nichtaktiviertem Protein C möglich, das       cebo)kontrollierte Studie vor, die die Ef-   sein. Aus den vorhandenen Studiener-
   endogen bedarfsadaptiert am Endothel          fektivität einer Substitutionstherapie       gebnissen lässt sich derzeit für diese Pa-
   bei überschießender Gerinnungsakti-           mit Protein-C-Konzentrat bei infekti-        tientensubgruppe nur eine Therapieop-
   vierung aktiviert wird und im Sinne ei-       onsinduzierter Purpura fulminans un-         tion, jedoch keine gesicherte Indikation
   nes negativen Feedback die Gerinnungs-        tersucht hat.                                zur hoch dosierten Substitutionsthera-
   kaskade inhibiert. Diesem Ansatz stehen            Aufgrund seiner antikoagulatori-        pie mit AT III bei Sepsis ableiten.
   allerdings Daten von Faust et al. [61] ge-    schen und antiinflammatorischen Ei-               Die Freisetzung von Tissue factor
   genüber, die die endotheliale Expressi-       genschaften wurde auch die Substituti-       mit nachfolgender Aktivierung des ex-
   on von Thrombomodulin und des Pro-            on von AT III bei Sepsis in einer großen     trinsischen Gerinnungssystems ist ein
   tein-C-Rezeptors bei 21 Kindern mit Me-       Multizenter-Phase-III-Studie untersucht      zentraler Mechanismus der pathologi-
   ningokokkensepsis untersuchten. Im            [153]. In diese doppelblinde, placebokon-    schen Gerinnungsaktivierung in der
   Vergleich zur Kontrollgruppe (Hautbi-         trollierte, randomisierte Studie wurden      Sepsis.Aus diesem Grund wurde der Ef-
   opsien von 5 Kindern während eines            2.314 Patienten mit schwerer Sepsis und      fekt eines künstlich hergestellten „tissue
   chirurgischen Routineeingriffs) war die       septischem Schock eingeschlossen, die        factor pathway inhibitors“ (rTFPI) un-
   Oberflächenexpression sowohl von              entweder 30.000 IU AT III (Aventis Beh-      tersucht. In der Phase-II-Studie zeigte
   Thrombomodulin als auch des Protein-          ring) über 4 Tage oder Placebo erhielten.    sich eine nichtsignifikant niedrigere Le-
   C-Rezeptors erniedrigt. Darüber hinaus        AT III stieg in der Behandlungsgruppe        talität durch rTFPI im Vergleich zu Pla-
   konnte bei 2 Patienten nach Gabe von          im Durchschnitt auf Werte von 180% der       cebo [4]. Die Ergebnisse der Multizen-
   nichtaktiviertem Protein-C-Konzentrat         Norm an, während es in der Placebo-          ter-Phase-III-Studie sind bisher noch
   keine Aktivierung nachgewiesen wer-           gruppe zu keinen signifikanten Verän-        nicht publiziert; die Firma Chiron [38]
   den. Die Autoren folgerten hieraus, dass      derungen kam. Vor der Gabe der Stu-          gab aber bekannt, dass durch die Appli-
   bei schwerer Meningokokkensepsis              dienmedikation waren zwischen AT-III-        kation von rTFPI (Tifacogin, Chiron)
   möglicherweise die Gabe von aktivier-         und Placebogruppe keine signifikanten        keine signifikante Senkung der 28-Tage-
   tem Protein C erforderlich ist, um die ge-    Unterschiede vorhanden; insgesamt            Letalität bei schwerer Sepsis erzielt wer-
   störte endotheliale Funktion und die da-      wiesen mehr als 50% der Patienten            den konnte.
   mit verbundene eingeschränkte Aktivie-        einen AT-III-Spiegel von weniger als              Es bleibt abzuwarten, ob neben der
   rung von Protein C zu umgehen. Diese          60% auf. Trotz dieser deutlichen Anhe-       Gabe von drotrecogin alfa (aktiviert)
   Hypothese wurde jedoch in einem „let-         bung der AT-III-Spiegel in der AT-III-       auch für andere, die Gerinnung modu-
   ter to the editor“ von Hazelzet et al. [79]   Gruppe war kein Unterschied in der 28-       lierende Therapien eine Reduktion der
   kritisiert, die in einer Dosisfindungsstu-    Tage-Letalität zwischen den Gruppen          Sepsisletalität belegt werden kann.
   die mit nichtaktiviertem Protein-C-Kon-       nachweisbar („Intention-to-treat-Aus-
   zentrat eine Aktivierung bei Kindern          wertung“: AT-III-Gruppe 38,9% vs.            Risikostratifizierter Einsatz von drotrecogin
   mit Meningokokkensepsis detektieren           38,7% in der Placebogruppe). In der vor-     alfa (aktiviert) bei Patienten mit schwerer
   konnten. Protein-C-Konzentrat (CE-            definierten Subgruppe von Patienten          Sepsis. Nach umfangreicher Datenana-
   PROTIN®, Baxter) wird aus Plasma ge-          ohne begleitende Heparintherapie war         lyse durch Ärzte und Wissenschaftler der
   wonnen und erhielt die Zulassung von          die 28-Tage-Letalität in der AT-III-Grup-    FDA und intensiven Diskussionen mit ei-
   der Europäischen Zulassungsbehörde            pe nicht signifikant niedriger als in der    ner von der FDA unabhängigen Exper-
   (EMEA) für die Behandlung von Purpu-          Placebogruppe (AT-III-Gruppe 37,8% vs.       tenkommission wurde drotrecogin alfa
   ra fulminans und cumarininduzierter           43,6% in der Placebogruppe). Nach 90         (aktiviert) am 21. November 2001 von der
   Hautnekrosen bei schwerem kongenita-          Tagen konnte in dieser Subgruppe eine        FDA zur Therapie von Patienten mit
   lem Protein-C-Mangel. Die Sicherheit ei-      signifikante Reduktion der Letalität         schwerer Sepsis und einem hohem
   ner Substitutionstherapie mit Protein-        durch AT III erreicht werden (AT-III-        Sterblichkeitsrisiko (z. B bestimmt mit
   C-Konzentrat ist in Fallserien und            Gruppe 44,9% vs. 52,5% in der Placebo-       APACHE-II-Score) bei 10 Für- und 10 Ge-
   „Open-label-Studien“ bei infektionsin-        gruppe). Dies entspricht einer relativen     genstimmen zugelassen [138, 154, 158].
   duzierter Purpura fulminans untersucht        Reduktion der Sterblichkeit von 15%.         Zum ersten Mal überhaupt wurde damit
   bzw. belegt worden [131, 140, 161]. Diese     Dagegen stieg bei Patienten mit beglei-      von der FDA ein Medikament zur An-
   Untersuchungen weisen auf die Effekti-        tender Heparintherapie und AT-III-           wendung auf der Basis eines auf physio-
   vität dieser Substitutionstherapie mit        Gabe das Blutungsrisiko signifikant an       logischen Werten und dem chronischen
   Protein-C-Konzentrat für diese Indika-        (23,8% in der AT-III-Gruppe vs. 13,5% in     Gesundheitsstatus der Patienten beru-
   tion hin. So behandelten White et al.         der Placebogruppe). Der Einfluss einer       henden Scores zugelassen.
   [161] 36 konsekutive Patienten mit Me-        alleinigen Low-dose-Heparinapplikati-             Die geäußerten Bedenken vor der
   ningokokkensepsis und Purpura fulmi-          on auf die 28-Tage-Letalität konnte auf-     Zulassung waren eine etwa in der Mitte
   nans mit einem mittleren Alter von 12         grund der vorliegenden Daten nicht ver-      der Studienlaufzeit durchgeführte und

16 |   Der Anaesthesist 1•2003
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