Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination mit einem Bodenordnungsverfahren nach dem FlurbG

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Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination mit einem Bodenordnungsverfahren nach dem FlurbG
Fachbeitrag                                  Harnischfeger/Peuke, Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination …

           Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in
           Kombination mit einem Bodenordnungsverfahren
           nach dem FlurbG
           First new Foundation of a Forest Cooperative in Combination
           with a Land Consolidation Procedure according to the FlurbG

                  Andreas Harnischfeger | Jens Peuke

Zusammenfassung                                                         1 Einleitung
Nur in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ist aufgrund spe-
zieller landesgesetzlicher Regelungen die Neugründung von               Seit dem Spätmittelalter ist mit unterschiedlichen Bezeich-
Waldgenossenschaften möglich, um über eine eigentums-                   nungen und Regelungen im Detail die Waldbewirtschaf-
übergreifende Bewirtschaftung die Strukturprobleme im                   tungsform der Waldgenossenschaft beurkundet (hierzu
Kleinprivatwald zu lösen. Denn die Waldgenossenschaft ist               ausführlich Wobst 1971). Dabei ist die jeweilige Waldge-
Gesamthandseigentümer der zu ihr gehörenden Grundstücke,                nossenschaft Gesamthandseigentümer der zu ihr gehören-
während die einzelnen Waldgenossen ideelles Eigentum nach               den Grundstücke, während die einzelnen Waldgenossen in
Bruchteilen an der Waldgenossenschaft als solche innehaben.             der Regel ideelles Eigentum nach Bruchteilen an der Wald-
Die Neugründung einer Waldgenossenschaft kann durch ein                 genossenschaft als solche innehaben. Dieses nicht weiter
Bodenordnungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz                  real teilbare Anteileigentum ist ein grundstücksgleiches
(FlurbG) maßgeblich unterstützt werden. Dies betrifft vor al-           Recht und kann somit verkauft und vererbt werden, was
lem die Legitimation der Grundstückseigentümer einschließ-              die Waldgenossenschaft bis auf den Wechsel in der Person
lich der Vertreterbestellung für unbekannte oder abwesende              des jeweiligen Waldgenossen nicht weiter berührt.
Personen und die Zusammenlegung der Grundstücke der                        Die Eigentumsformen des Gesamthandseigentums der
Waldgenossenschaft. Der Beitrag stellt als Pilotprojekt die erste       Waldgenossenschaft und des Anteileigentums der einzel-
Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination mit                 nen Waldgenossen an ihr ist im Bürgerlichen Gesetzbuch
einem beschleunigten Zusammenlegungsverfahren vor.                      (BGB) und der Grundbuchordnung (GBO) nicht vorge-
                                                                        sehen. Daher lässt die Übergangsregelung in Art. 83 des
Schlüsselwörter: Kleinprivatwald, Waldgenossenschaft, Neu-              Einführungsgesetzes (EGBGB) die mit Inkrafttreten des
gründung, Flurbereinigung, beschleunigte Zusammenlegung,                BGB am 1. Januar 1900 bestehenden Waldgenossenschaf-
Waldneuordnung                                                          ten unberührt. Die Vorschrift lautet »Unberührt bleiben
                                                                        die landesgesetzlichen Vorschriften über Waldgenossen-
Summary                                                                 schaften.«
Only in Thuringia and North Rhine-Westphalia it is possible to             Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Norm
set up forest cooperatives due to special state laws in order to        erlaubt Art. 83 EGBGB den Ländern aber auch, neue lan-
solve the structural problems in small private forests by means of      desgesetzliche Vorschriften in diesem Bereich zu treffen,
cross-ownership management. This is because the forest coop-            welche insbesondere Regelungen zur Neugründung von
erative is the joint owner of the plots belonging to it, while the      Waldgenossenschaften umfassen können (hierzu ausführ-
individual cooperative members have ideal fractional ownership          lich Landesbetrieb Wald und Holz NRW 2010). Von dieser
of the forest cooperative as such. The foundation of a new forest       Ermächtigung haben bisher nur Nordrhein-Westfalen mit
cooperative can be significantly supported by a land readjust-          dem Gemeinschaftswaldgesetz (GemWaldG) und Thürin-
ment procedure according to the German land consolidation               gen mit dem 8. Teil (§§ 38–57) des Thüringer Waldgesetzes
act (Flurbereinigungsgesetz, FlurbG). This concerns above all the       (ThürWaldG) Gebrauch gemacht. Hierdurch wurden in
legitimation of the property owners including the appointment           den beiden Ländern die veralteten, unübersichtlichen und
of representatives for unknown or absent persons and the con-           zum Teil auch unvollständigen Regelungen über Waldge-
solidation of the plots of land of the forest cooperative. As a pilot   nossenschaften einheitlich nach neuzeitlichen Gesichts-
project, the article presents the first new foundation of a forest      punkten gestaltet, die bestehenden Waldgemeinschaften
cooperative in combination with an accelerated land consolida-          alten Rechts als Körperschaften öffentlichen Rechts in
tion procedure.                                                         eine rechtsfähige Form überführt und deren Neugrün-
                                                                        dung ermöglicht (amtliche Begründungen in NRW Land-
Keywords: small private forest, forest cooperative, new founda-         tagsdrucksache 7/3806 vom 30.04.1974 und in Thüringen
tion, land consolidation, accelerated land consolidation, wood-         Landtagsdrucksache 2/3475 vom 16.02.1999). In allen an-
land consolidation                                                      deren Bundesländern können Waldgenossenschaften im

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Harnischfeger/Peuke, Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination …                       Fachbeitrag

Sinne von Art. 83 EGBGB aber nicht neu entstehen, weil        steht. Eine Besonderheit stellen Waldgenossenschaften
bisher keine entsprechenden landesgesetzlichen Regelun-       dar, die vor allem im westlichen und südlichen Thüringen
gen erlassen wurden.                                          beheimatet sind. Hierbei handelt es sich um altrechtliche
   In Thüringen können Eigentümer von im Wesentlichen         Gemeinschaften (Laubholzgenossenschaften, Gerechtig-
zusammenhängenden Waldgrundstücken zum Zwecke der             keitswaldungen, Altwaldgenossenschaften und Interessen-
gemeinschaftlichen Bewirtschaftung und Verwaltung nach        tenwaldungen), die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen
§ 52 ff. ThürWaldG eine Waldgenossenschaft gründen. Die       Gesetzbuchs (BGB) bereits existierten und die ihren Wald
Waldgenossenschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen     seit langer Zeit gemeinschaftlich bewirtschaften.
Rechts, welche die Gesamthandsgemeinschaft gerichtlich           Ca. 100.000 ha des Privatwaldes sind durch Kleinst-
und außergerichtlich vertritt. Die Waldbewirtschaftung        und Kleinflächen geprägt. Dementsprechend hoch ist mit
hat zum Wohle der Allgemeinheit sowie zum Nutzen der          rund 180.000 die Zahl der privaten Waldeigentümer. Als
Mitglieder zu erfolgen. Sie hat den Grundsätzen ordnungs-     forstpolitisch problematisch bezüglich der Waldbewirt-
gemäßer Forstwirtschaft zu entsprechen.                       schaftung und des Forstschutzes erweist sich eine Wald-
   Der Beitrag zeigt anhand der beschleunigten Zusam-         fläche von insgesamt 28.000 ha, deren Eigentum als unge-
menlegung Trusen, wie Verfahren nach dem FlurbG mit           klärt gelten muss. Auch die Bewirtschaftung angrenzender
einem zeitlich parallel verlaufenden Verfahren der Forst-     Waldflächen mit bekannter Eigentumslage ist hiervon in
verwaltung zur Gründung einer Waldgenossenschaft              Teilen beeinträchtigt, sodass eine Waldfläche von insge-
kombiniert werden können, um Strukturmängel im                samt rund 58.000 ha auf diese Weise forstwirtschaftlich
Kleinstprivatwald zu beseitigen und möglichst optimale        »blockiert« und eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung
Bewirtschaftungsbedingungen zu schaffen.                      dort unmöglich ist.
                                                                 Der Staatswald in Thüringen steht zu einem Anteil von
                                                              knapp 90 % im Eigentum von ThüringenForst. Die ver-
                                                              bleibenden Anteile entfallen zum einen auf Flächen der
2	Ausgangslage in Thüringen                                   ehemaligen russischen Streitkräfte in Thüringen und Bun-
                                                              desforst als Flächenmanager der Wälder im Eigentum der
Der Bedarf an Holz ist in den letzten Jahren stetig gewach-   Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
sen. Holz wird nicht nur in der Industrie als natürlicher
Bau- und Werkstoff nachgefragt, es wird auch aufgrund
steigender Energiepreise und der Diskussion um den Kli-
mawandel als Energieträger zunehmend interessanter. Zur       3 Das beschleunigte Zusammenlegungs­
Deckung des wachsenden Holzbedarfes ist die Mobilisie-          verfahren Trusen
rung brachliegender Holzreserven notwendig. Diese sind
in Thüringen im Klein- und Kleinstprivatwald vorhanden.       Zur Lösung der zuvor beschriebenen Probleme eig-
Während im Staats- und Kommunalwald, aber auch im             nen sich in der Regel Verfahren nach dem FlurbG. Im
Großprivatwald in der Regel gute Bewirtschaftungsbedin-       Kleinst­privatwald stößt jedoch die klassische ländliche
gungen vorherrschen, ist der Klein- und Kleinstprivatwald     Bodenordnung aufgrund der vorhandenen Besitzstruk-
oft durch erhebliche Strukturmängel gekennzeichnet.           tur schnell an ihre Grenzen (statt vieler Thiemann et al.
    Auch die Abwehr von Kalamitäten durch Schadinsekten       2016). Am Beispiel der beschleunigten Zusammenlegung
ist im kleinparzellierten Privatwald nur erschwert mög-       Trusen wird nachfolgend eine Methode vorgestellt, wel-
lich. Angesichts der prognostizierten klimatischen Verän-     che die Thü­ringer Flurbereinigungsverwaltung und Thü­
derungen werden Holzschäden durch Witterungseinflüsse         ringenForst zur Kleinstprivatwaldmobilisierung entwickelt
und Schadinsekten deutlich zunehmen, woraus sich zu-          ­haben.
sätzliche Handlungsbedarfe ergeben. Thüringen Forst be-
schreibt auf seiner Homepage (www.thueringenforst.de)
die Waldsituation unter dem Titel »WaldEigentümer« sehr       3.1 Das Zusammenlegungsgebiet
anschaulich. Danach ist Thüringen mit einer Gesamtfläche
von ca. 550.000 ha zu etwa einem Drittel bewaldet. Neben      Das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren (BZV)
dem Körperschaftswald (ca. 16 %) und dem Treuhandwald         Trusen befindet sich in der Gemarkung Trusen, welche
(ca. 4 %) sind die Eigentumsarten Privatwald und Staats-      Teil des Ortsteiles Trusetal der Stadt Brotterode-Trusetal
wald mit jeweils ca. 40 % vorherrschend.                      im Landkreis Schmalkalden-Meiningen südlich des Thü-
    Zur Erklärung sei angemerkt, dass Körperschaftswald       ringer Waldes ist (Abb. 1). In das Verfahren (67 ha) wur-
Wälder sind, die im Eigentum der Gemeinden, der Ge-           den nur Privatwaldbereiche des durch die Boden­reform
meindeverbände und der Zweckverbände sowie sonstiger          (1946) entstandenen kleinparzellierten Bauernwaldes
Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts          mit 127 Flurstücken, verteilt auf 101 Ordnungsnummern
­stehen.                                                      (ca. 400 Eigentümer), einbezogen.
    Beim Privatwald handelt es sich um Wald, der im Eigen-       Durch die vorherrschende Grundstücksstruktur war in
 tum von Privatpersonen oder Personengemeinschaften           diesem Bereich eine zeitgemäße und wettbewerbsfähige

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Fachbeitrag                            Harnischfeger/Peuke, Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination …

                                                                   Aufgrund der eingeschränkten forstwirtschaftlichen
                                                                Nutzbarkeit hatten sich einige Eigentümer in einer Wald-
                                                                gemeinschaft auf der Grundlage des § 22 BGB als wirt-
                                                                schaftlicher Verein zusammengeschlossen, die aber keine
                                                                gesicherte rechtliche Grundlage für die dauerhafte Bewirt-
                                                                schaftung bot. Viele Grundstücke der Waldgemeinschaft
                                                                befanden sich im Eigentum von Erbengemeinschaften, bei
                                                                denen ein Teil der Erben nicht bekannt war. Erträge der
                                                                Waldflächen ohne bekannte Eigentümer wurden auf ein
                                                                Treuhandkonto einbezahlt. Einige Miteigentümergemein-
                                                                schaften setzten sich wegen der Vielzahl von Miteigentü-
                                                                mern sowie der hohen Auseinandersetzungskosten privat-
                                                                rechtlich nicht mehr auseinander.

                                                                3.2 Verfahrensziele

                                                                Angeregt durch einen Bericht in der Presse im Jahr 2012
                                                                über ein Flurbereinigungsverfahren mit ähnlich gelagerten
                                                                Problemen bestand Einigkeit zwischen den Akteuren vor
Abb. 1: Gebietsübersichtskarte der beschleunigten Zusam-        Ort, dass die herrschenden Bewirtschaftungshemmnisse
menlegung Trusen                                                nur mit Hilfe eines Bodenordnungsverfahrens nach dem
                                                                FlurbG, begleitend zur Gründung einer Waldgenossen-
selbstständige Bewirtschaftung durch die einzelnen Eigen-       schaft, beseitigt werden können. Dieses Verfahren sollte
tümer nur eingeschränkt möglich (Abb. 2). Für Wald-             möglichst schnell und kostengünstig sowie ohne den Aus-
besitzer mit größerem Einlagebesitz bestanden unwirt-           bau gemeinschaftlicher Anlagen durchgeführt werden.
schaftliche Verhältnisse, weil der Besitz aus einer Vielzahl       Da durch die Flurbereinigungsbehörde aufgrund feh-
überwiegend nicht aneinander angrenzender Flurstücke            lenden Personals eine zeitnahe Bearbeitung nicht gegeben
bestand, bei deren Bewirtschaftung es zu Problemen kam.         war, wurde der Verband für Landentwicklung und Flur-
Größtenteils war den Besitzern die genaue Lage ihrer Flä-       neuordnung (VLF) Thüringen mit der Vorbereitung und
chen nicht bekannt und die Erschließung rechtlich nicht
gesichert. Gemengelagen unterschiedlicher Eigentümer er-
schwerten die forstwirtschaftliche Nutzung und schafften
Probleme bei der Beseitigung von Kalamitäten sowie der
daraus folgenden Kostenverteilung.

Abb. 2:
Besitzstandskarte im BZV Trusen
vor Beginn des Gründungsverfah-
rens der Waldgenossenschaft
(alter Bestand)

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Durchführung des Verfahrens beauftragt. Im Ergebnis in-       Tab. 1: Kennzahlen zur Eigentümer- und Flurstücksstruktur im
tensiver Vorarbeiten und auf der Grundlage einer Projekt-     BZV Trusen sowie Arrondierung durch Gründung einer Wald-
beschreibung wurde am 23. Oktober 2013 durch das dama-        genossenschaft und Landabfindungsverzichtserklärungen
lige Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung (ALF)         nach § 52 FlurbG
Meiningen (jetzt: Thüringer Landesamt für Bodenmanage-
                                                                                                Anzahl           Anzahl
ment und Geoinformation, Flurbereinigungsbereich Mei-
                                                                                               Ord.-Nrn.       Flurstücke
ningen) das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren
Trusen angeordnet. Im Zuge des Verfahrens sollten die          Verfahrensbeginn                   101              127
verteilt liegenden Grundstücke der noch zu gründenden
Waldgenossenschaft und privater Waldbesitzer zu zweck-         Beitritt Waldgenossen­              48               48
mäßig geformten Waldgrundstücken zusammengelegt und            schaft (WG)
die rechtliche Erschließung aller Flurstücke gewährleistet
                                                               Landverzicht für WG                 11               12
werden.
                                                               Landverzicht für                     1               1
                                                               Teilnehmergemeinschaft
3.3 Verfahrensablauf bis zum Abschluss
    des Gründungsverfahrens                                    Landverzicht für Dritte              2               2

                                                               Zuteilung Neuer Bestand             39               57
Zunächst stand die Eigentümerrecherche im Vordergrund
der Verfahrensbearbeitung. Aufgrund der vielfach veralte-
ten Eintragungen in den Grundbüchern bedurfte es hierzu
aufwändiger Erbenermittlung, die während der gesamten            Im Frühjahr 2015 erfolgte die Bewertung (§ 28 FlurbG)
Verfahrensdauer fortgesetzt wurde. Im Ergebnis dieser ers-    des Waldbodens auf der Grundlage der für Thüringen vor-
ten Arbeiten erfolgte 2014 eine Abfrage bei den bis zu die-   liegenden Standortkartierung der Forstverwaltung sowie
sem Zeitpunkt legitimierten ca. 70 % der Teilnehmer über      deren Bekanntgabe gegenüber den Beteiligten. Unmittel-
das Interesse zur Gründung einer Waldgenossenschaft.          bar daran anschließend wurden die Teilnehmer über ihre
Von den zu Verfahrensbeginn beteiligten 101 Ordnungs-         Abfindungswünsche (§ 57 FlurbG) befragt. In deren Er-
nummern (Ord.‑Nrn.), gründeten 48 die Waldgenossen-           gebnisse weitere ihr Interesse zur Gründung einer Wald-
schaft Trusen. Im weiteren Verfahrensverlauf gaben weite-     genossenschaft bekundeten bzw. Landverzicht nach § 52
re Eigentümer Landverzichterklärungen nach § 52 FlurbG        FlurbG erklärten.
zugunsten anderer Verfahrensbeteiligten ab (Tab. 1).
   Für insgesamt 10 Ordnungsnummern, die nicht legiti-
miert werden konnten, erfolgte eine Vertreterbestellung
nach § 13 Abs. 2 FlurbG durch die Flurbereinigungsbehör-
de bzw. § 119 FlurbG durch das zuständige Landratsamt.

Abb. 3:
Besitzstandskarte im BZV Trusen
nach Abschluss des Gründungs­
verfahrens der Waldgenossenschaft
(alter Bestand)
      = Grundstücke der Wald­
genossenschaft

                                                              © Wißner-Verlag             DVW   | zfv   1/2021 146. Jg.   | 27
Fachbeitrag                            Harnischfeger/Peuke, Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination …

    Die Bewertung des Waldbestandes (wesentliche Be-              Bis auf einen kurzen Wegeabschnitt ((1) in Abb. 4), der
standteile nach § 28 Abs. 2 FlurbG) wurde durch einen ex-      sich im Eigentum der Kommune befand, waren keine wei-
ternen Forstsachverständigen im Mai 2016 erstellt. Es erga-    teren Wege im Verfahrensgebiet rechtlich gesichert. Die
ben sich Bewertungen für den Aufwuchs von bis zu 25 T€/        fehlende rechtliche Sicherung des weiteren Wegeverlaufs
ha für 100‑jährigen Fichtenbestand.                            ((2) in Abb. 4) wurde durch die Ausweisung eines Grund-
    Das Interesse zur Gründung einer Waldgenossenschaft        stücks für den Weg und deren Zuteilung an die Kommune
wurde durch die Flurbereinigungsbehörde als schriftlicher      im Rahmen des Zusammenlegungsplans (§ 100 FlurbG)
Antrag der jeweiligen Eigentümer festgehalten und an die       geregelt. Für die durch die Waldgemeinschaft über die pri-
untere Forstbehörde weitergeleitet, welche nach Prüfung        vaten Waldgrundstücke ausgebauten Wege ((3) in Abb. 4)
der Sach- und Rechtslage das Gründungsverfahren ein-           bedurfte es einer gesonderten Regelung. Da die Kommune
leitete. Das Gründungsverfahren umfasst die Aufstellung        diese nicht in ihr Eigentum übernehmen wollte, wurden
eines Satzungsentwurfs sowie die Einberufung der Grün-         sie als separates Flurstück ausgewiesen und der Waldge-
dungsversammlung. Die Waldgenossenschaft entsteht mit          nossenschaft im Zusammenlegungsplan zugeteilt. Das Er-
der Genehmigung der Satzung durch die oberste Forstbe-         schließungsgebot nach § 44 Abs. 3 FlurbG für die angren-
hörde. Mit der Entstehung der Waldgenossenschaft geht          zenden Grundstücke wird über Grunddienstbarkeiten, die
das Eigentum an den eingebrachten Grundstücken auf die         durch den Zusammenlegungsplan neu begründet wurden,
Mitglieder zur gesamten Hand als Gemeinschaftsvermö-           für die entsprechenden Grundstücke gewährleistet.
gen über (Abb. 3). Die Anteile der Mitglieder am Gemein-          Nach eingehender Prüfung des Zusammenlegungsplans
schaftsvermögen bestimmen sich nach dem forstlichen            durch die obere Flurbereinigungsbehörde konnte dieser
Ertragswert der einzelnen Grundstücke. Mit Abschluss des       am 3. Dezember 2018 genehmigt werden. Mit der Aus-
Gründungsverfahrens beantragt die oberste Forstbehörde         führungsanordnung vom 29. Mai 2019 wurde der Zusam-
im Auftrag der Waldgenossenschaft die Berichtigung des         menlegungsplan zusammen mit seinem Nachtrag I zum
Grundbuchs (Eintragung der Waldgenossenschaft als Ge-          Stichtag 15. September 2019 zur Ausführung gebracht.
meinschaftsvermögen der Anteilsberechtigten).                  Durch einen Nachtrag II (2. Oktober 2019) wurden zwi-
                                                               schenzeitliche Grundbuchänderungen noch in den Zu-
                                                               sammenlegungsplan eingearbeitet. Nach der im November
3.4	Bodenordnung nach dem FlurbG                               2019 erfolgten Katasterberichtigung und der im Mai 2020
                                                               abgeschlossenen Grundbuchberichtigung steht das be-
Die im Zusammenlegungsplan vorgesehenen Abfindungen            schleunigte Zusammenlegungsverfahren Trusen kurz vor
wurden 2017 durch Vereinbarungen (§ 99 FlurbG) mit den         dem Abschluss.
Beteiligten abgestimmt. Dabei wurde in der Regel die Ab-
findung so gestaltet, dass eine Mehr- oder Minderauswei-
sung des Bodens bzw. des Waldbestandes sich gegenseitig
kompensiert.

                                                                                             (1)

                                                                                                   (2)
                                                                                       (3)
                                                                     (3)

                                                     (3)

Abb. 4:
Besitzstandskarte des neuen
Bestands im BZV Trusen
     = Grundstücke der Wald­
genossenschaft

28 | zfv   1/2021 146. Jg.   |   DVW         © Wißner-Verlag
Harnischfeger/Peuke, Erste Neugründung einer Waldgenossenschaft in Kombination …                                     Fachbeitrag

              Schematischer Verfahrensablauf                        der 80 %‑Förderung der förderfähigen Ausführungskosten,
                                                                    musste die Teilnehmergemeinschaft einen Eigenleistungs-
    Einleitung eines beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens       anteil von 4,4 T€ zahlen, der durch die Waldgenossen-
    nach § 91 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)                       schaft getragen wird.
    3 Anhöhrung der Beteiligten
    3 Anordnung der Zusammenlegung
    3 Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft

                                                                    4 Fazit
      Ermittlung der beteiligten im Zusammenlegungsverfahren

                                                                    Die Kombination aus Bodenordnung nach dem Flurbe-
       bekannte Eigentümer               Unbekannte Eigentümer
                                                                    reinigungsgesetz und Gründungsverfahren einer Wald-
                                                                    genossenschaft nach dem Thüringer Waldgesetz ist eine
                                                                    effiziente und nachhaltige Verfahrensweise zur Erschlie-
     Erklärung des beitritts zur            beantragung der         ßung der ungenutzten Holzvorräte im Kleinstprivatwald.
       Waldgenossenschaft                  Vertreterbestellung      Die erfolgreiche Umsetzung dieser Verfahrensweise setzt
    gegenüber der Forstbehörde             nach art. 233 EGbGb
           (gemeinsamer                           beim              allerdings die Zustimmung eines überwiegenden Anteils
        Planwunschtermin)                     Landratsamt           der voraussichtlichen Beteiligten zu dem anvisierten Ziel
                                                                    der »Bildung gemeinschaftlichen Eigentums« voraus. Die-
                                                                    se Zustimmung war in der beschleunigten Zusammenle-
                                       Verzicht auf Landabfindung
        JA!           NEIN!
                                              (§ 52 FlurbG)
                                                                    gung Trusen gegeben, sodass das Verfahrensziel in beein-
                                                                    druckender Weise erfüllt wurde.

      Gründung einer
    Waldgenossenschaft
                                                                    Literatur
    nach § 52 thürWaldG
                                                                    Landesbetrieb Wald und Holz NRW (2010): Der Gemeinschaftswald
                                                                       in Nordrhein-Westfalen. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung
      berichtigung der
                                                                       NRW, Heft 20/2010.
      Grundbücher im                                                Thiemann, K.-H., Mock, J., Schumann, M. (2016): Erste Neugründung
       alten bestand                                                   einer Waldgemeinschaft auf Basis von § 1008 BGB im Flurbereini-
                                                                       gungsverfahren Kell am See. In: zfv – Zeitschrift für Geodäsie, Geo-
                                                                       information und Landmanagement, Heft 6/2016, 141. Jg., 397–406.
    Zusammenlegung der Grundstücke im Zusammenlegungsplan              DOI: 10.12902/zfv-0136-2016.
                                                                    Wobst, A. (1971): Der Markwald – Geschichte, Rechtsverhältnisse,
                                                                       wirtschaftliche und soziale Bedeutung der deutschrechtlichen Ge-
                         ausführungsanordnung                          meinschaftswaldungen in der Bundesrepublik Deutschland, G. Fi-
                                                                       scher Verlag, Stuttgart.

                berichtigung der öffentlichen bücher

                                                                    Kontakt
                           Schlussfeststellung
                                                                    Dipl.-Ing. Andreas Harnischfeger
                                                                    Thüringer Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation
                                                                    Referat 44 – Flurbereinigungsbereich Meiningen
Abb. 5: Schematischer Verfahrensablauf                              Frankental 1, 98617 Meiningen
                                                                    andreas.harnischfeger@tlbg.thueringen.de

   Abb. 5 stellt das Zusammenspiel der Neugründung einer            Dipl.-Ing. Jens Peuke
Waldgenossenschaft nach § 52 ThürWaldG in Kombina-                  Verband für Landentwicklung und Flurneuordnung (VLF) Thüringen
tion mit einem beschleunigtem Zusammenlegungsverfah-                Fachbereich Landentwicklung Meiningen
ren nach § 91 FlurbG nochmals im Überblick dar.                     An den Röthen 4, 98617 Meiningen
                                                                    jens.peuke@vlf.thueringen.de

3.5 Kosten des Verfahrens

Insgesamt sind Ausführungskosten in Höhe von 25 T€ ent-
standen, die hauptsächlich aus Vermessungskosten (Her-              Dieser Beitrag ist auch digital verfügbar unter www.geodaesie.info.
stellung der Verfahrensgrenze, Anzeige der neuen Flurstü-
cke) resultieren. Unter Berücksichtigung des Mehr­erlöses
für das nach § 52 FlurbG aufgebrachte Masseland und

                                                                    © Wißner-Verlag                   DVW    | zfv   1/2021 146. Jg.   | 29
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