ZUR DEBATTE "Mehr Flächen für Windenergie" - natur- und landschaftsverträglich verteilt - Naturschutz und Erneuerbare Energie
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NATURSCHUT RDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landscha ZURDEBATTE „Mehr Flächen für Windenergie“ — natur- und landschaftsverträglich verteilt Zentrale Thesen ❙ Ein weiterer Ausbau der Windenergie an Land ist unstrittig notwendig. Aktuelle Modellrechnungen zur Potenzial- abschätzung berücksichtigen den Natur- und Landschaftsschutz jedoch nur unzureichend. Daher zeichnen sie ein unvollständiges Bild der Verteilung von Flächenpotenzialen in Deutschland. ❙❙ Zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergienutzung ist es wichtig, den Natur- und Landschaftsschutz frühzeitig zu berücksichtigen. Die Lösung von Konflikten ist häufig nicht allein im Rahmen der G enehmigung konkreter Projekte möglich. ❙❙ 3,6 % der Bundesfläche sind auch unter umfassender Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes für die Windenergienutzung geeignet. ❙❙ Dabei sollten die Ausbauziele (Flächenkontingente) für die Länder unterschiedlich ausfallen, da die geeigneten Flächen (Flächenpotentiale) in den Bundesländern ebenso unterschiedlich verteilt sind. ❙❙ Die im F+E Vorhaben „Planspiel EE“ entwickelte Methode ermöglicht eine transparente und nachvollziehbare Ableitung von Flächenpotentialen und -kontingenten anhand von räumlichen Kriterien und übergeordneten Klimaschutzzielen. ❙❙ Die Berechnung von Flächenkontingenten für die Photovoltaiknutzung ist mit der Methode ebenso möglich wie die Adaption auf den nachfolgenden Planungsebenen der Länder und Regionen. Fläche ist die neue Währung der Vor diesem Hintergrund wird der Ruf lauter, den Aus- Energiewende. bau der erneuerbaren Energien bereits auf der Bundes ebene stärker auch räumlich zu steuern (z. B. Stiftung 2021 haben sich der Europarat und das Europaparla- Klimaneutralität 2021). Der Bund solle den Ländern ment auf ein Europäisches Klimagesetz verständigt. Ausbauziele für die Windenergienutzung und damit Die Mitgliedsstaaten haben sich dazu verpflichtet, bis verbundene Flächenkontingente vorgeben. Diese wer- 2050 klimaneutral zu werden und bereits bis 2030 den den aus den übergeordneten Klimaschutzzielen abge- Ausstoß der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um leitet und wären auch für den Ausbau der Photovoltaik mindestens 55 % zu reduzieren. In Deutschland hat das ermittelbar. Konsequenzen für den Ausbau der erneuerbaren Ener- gien und den Naturschutz: Die Ausbauziele werden Dabei ist zu bedenken: Ein bundesweit einheitliches deutlich angehoben, womit die Verfügbarkeit von ge- Flächenziel, wie z. B. der seit langem diskutierte pauscha- eigneten Flächen für Wind- und Solarenergie zur zen le 2 %-Flächenanteil (Bundesverband WindEnergie e.V. tralen Herausforderung der Energiewende wird. Es ist 2011), wird aufgrund der unterschiedlichen räumlichen daher höchste Zeit, die Belange von Naturschutz und Bedingungen nicht in allen Bundesländern gleicher- Landschaftspflege konstruktiv in die notwendigen maßen natur- und landschaftsverträglich zu erreichen Planungs- und Abwägungsprozesse einzubeziehen. sein. Das wird besonders deutlich, wenn man sich kon- kreter mit Eignungskriterien und Konfliktrisiken für Flächen auseinandersetzt.
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN 2 ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt »» Bisher bilden die auf der Bundesebene angewendeten Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden eine neu Kriterien und Methoden die regionalen entwickelte Methode vorgestellt werden, die auf den Flächenpotenziale nur ungenau ab. Vorarbeiten von Riedl et al. (2020) aufbaut. Welche Flächen für eine möglichst natur- und land- schaftsverträgliche Windenergienutzung tatsächlich Flächenpotenziale realistisch bestimmen infrage kommen, wird zusätzlich zur Windhöffigkeit noch durch eine Reihe anderer Kriterien (z. B. Nähe zu Eine exaktere Methode zur raumbezogenen Abschät- Wohngebieten) bestimmt. Um diese Kriterien bereits zung der durch die Windenergienutzung verursachten in einer bundesweiten Betrachtung räumlich, also flä- Konflikte mit Naturschutz und Landschaftspflege und chenbezogen, abzubilden, werden bis heute lediglich deren Einfluss auf die Ermittlung von Flächenpoten sogenannte Ausschlussflächen bestimmt. Inzwischen zialen liefert das F+E Vorhaben „Planspiel EE“. Das liegen erste Studien vor, in denen die Belange von Vorhaben hat die aus dem Ausbau der Windenergie Naturschutz und Landschaftspflege und sich daraus nutzung resultierenden Konfliktrisiken für das gesam- ergebende Nutzungsrestriktionen auf der Bundesebene te Bundesgebiet in einem GIS-Modell abgebildet und über Ausschlussflächen (z.B. Naturschutzgebiete und bewertet (Abbildung 1). Nationalparke) in regionalisierte Potenzialanalysen einbezogen werden (Walter und Wiehe 2018; Stiftung »» Unterschiedliche Konfliktverteilung frühzeitig berück- Klimaneutralität 2021; Umweltbundeamt (UBA) 2013). sichtigen – Naturschutz und Landschaftspflege auf der strategischen Ebene mitdenken Diese Flächenzuweisungen sind jedoch noch nicht optimal. Denn nur weil bestimmte Flächen von vorne Die neue Methode zeigt, dass die Belange von Natur herein ausgeschlossen werden, bedeutet dies nicht, schutz und Landschaftspflege bereits auf Bundesebene dass alle verbleibenden Flächen aus Naturschutzsicht in die Verteilung von Flächenkontingenten einbezogen gleichermaßen gut für die Windenergienutzung ge- werden können und die räumliche Verteilung der Wind eignet sind. Konflikte mit den Belangen von Naturschutz energienutzung damit von Anfang an stärker an den und Landschaftspflege treten regelmäßig auch außer- Kriterien der Natur- und Landschaftsverträglichkeit halb der definierten Ausschlussflächen auf und können ausgerichtet werden kann (vergl. Tabelle 1 und 2). Das später in den Genehmigungsverfahren zu Verzögerun- so erreichte frühzeitige Erkennen und Vermeiden von gen bzw. zum Versagen der Genehmigung führen. Konflikten erhöht die Realisierungschance von Wind energieanlagen im Genehmigungsverfahren deutlich. Bislang fehlen diese Konflikte in den detaillierten Be- rechnungen von Flächenpotenzialen und -kontingen- »» Naturverträgliche Flächenpotenziale bei weitem ten. Die in den bisher vorliegenden Studien (z. B. Walter ausreichend – Flächenkontingente sollten auf und Wiehe 2018; Stiftung Klimaneutralität 2021; Umwelt- Bundesebene festgelegt werden bundeamt (UBA) 2013) berechneten und den Ländern oder Regionen zugewiesenen Flächenkontingente be- Nach der neuen Methode weisen insgesamt 5,5 % der rücksichtigen daher die Belange von Naturschutz und Bundesfläche mit rechtlicher, technischer und wirt- Landschaftspflege nur unzureichend und zeichnen ein schaftlicher Eignung ein sehr geringes bis mittleres falsches Bild von der optimalen Verteilung der Wind Konfliktrisiko auf und kommen damit in großen Teilen energienutzung auf die Bundesländer und Regionen. für die Windenergienutzung in Frage. Etwa 82 % der Dadurch wird eine räumlich-strategische Planung des Fläche Deutschlands ist als Ausschlussfläche einzustu- Ausbaus auf allen Ebenen erschwert und die spätere fen. Außerhalb der Ausschlussflächen besteht auf 12,0 % Umsetzung häufig verzögert. Eine exaktere Methode der Bundesfläche ein hohes oder sehr hohes Risiko von zur Bestimmung vorhandener Flächenpotenziale könnte Konflikten mit Belangen von Naturschutz und Land- dabei helfen, schaftspflege. Eine Genehmigungsfähigkeit von Wind energieanlagen auf diesen Flächen ist zwar nicht kate- ❙❙ viele der heute auszutragenden Konflikte von gorisch auszuschließen, aber unwahrscheinlich und vornherein zu vermeiden, aufgrund der widerstrebenden Belange von Natur- ❙❙ Naturschutz und Landschaftspflege beim Ausbau schutz und Landschaftspflege nicht erstrebenswert. der erneuerbaren Energien stärker als bisher zu berücksichtigen und ❙❙ den Ausbau dadurch stark zu beschleunigen.
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt 3 Abbildung 1: Konfliktrisiken des Ausbaus der Windenergienutzung mit Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege Ausschlussflächen: Ausschluss durch Windhöffigkeit
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN 4 ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt Tabelle 1: Ausschlusskategorien Tabelle 2: Ausschluss- und Restriktionskategorien Angrenzende Bereiche zu Binnenseen 5 m Vogelschutzgebiet (SPA) ohne WEA-sensible Vogelarten 2 Angrenzende Bereiche zu Campingplätzen, Angrenzende Bereiche zu Vogelschutzgebieten (SPA) 5 Einrichtungen für Sport, Freizeit und Erholung 400 m mit WEA-sensiblen Vogelarten 1.000 m Angrenzende Bereiche zu Industrie- und Gewerbegebieten 300 m Angrenzende Bereiche zu Vogelschutzgebieten (SPA) 3 Angrenzende Bereiche zu Kur- und Klinikgebieten 750 m mit WEA-sensiblen Vogelarten, 2.000 m Angrenzende Bereiche zu Mischgebieten 400 m Angrenzende Bereiche zu Vogelschutzgebieten (SPA) 1 mit WEA-sensiblen Vogelarten, 3.000 m Angrenzende Bereiche zu Peilern (DF) der zivilen und militärischen Luftfahrt 3 km FFH-Gebiete ohne WEA-sensible Vogelarten/ Fledermausarten 2 Angrenzende Bereiche zu VOR-Anlagen der zivilen und Angrenzende Bereiche zu FFH-Gebieten mit WEA-sensiblen 5 militärischen Luftfahrt 5 km Vogelarten / Fledermausarten 1.000 m Angrenzende Bereiche zu Wetterradaren des DWD 5 km Angrenzende Bereiche zu FFH-Gebieten mit WEA-sensiblen 3 V ogelarten / Fledermausarten 2.000 m Angrenzende Bereiche zu Wohnen 600 m Angrenzende Bereiche zu FFH-Gebieten mit WEA-sensiblen 1 Angrenzende Bereiche zu Wohnen im Außenbereich 400 m V ogelarten / Fledermausarten 3.000 m Bauschutzbereich des Flughafens Landschaftsschutzgebiete 2 Beschränkte Bauschutzbereiche des Flugplatzes Naturparke 2 im Umkreis von 1.760 m Biosphärenreservate Entwicklungszone (III) 2 Binnenseen Wasserschutzgebiete (WSG) III 2 Biosphärenreservate Zone I und II Ramsar-Gebiete 3 Campingplatz, Einrichtung für Sport, Freizeit und Erholung Angrenzende Bereiche zu Ramsar-Gebieten 1 Europäisches Vogelschutzgebiet (SPA) mit WEA-sensiblen Vogelarten Important Bird Area (IBA) außerhalb von SPA 4 Feuchtgebiete Angrenzende Bereiche zu Important Bird Areas (IBA) 2 außerhalb von SPA FFH-Gebiete mit WEA-sensiblen Vogelarten / Fledermausarten Angrenzende Bereiche zu Nationalparken 3 Fläche besonders starker Neigung Angrenzende Bereiche zu Naturschutzgebieten 2 Fließgewässer Biotopverbund Feuchtlebensräume / Lebensraumnetzwerke 3 Flughäfen und Flugplätze mit länderübergreifender Bedeutung Flugsicherungsanlagen (Radar- und Bodennavigationsanlagen) Biotopverbund Trocken- Waldlebensräume / Lebensraumnetzwerke 1 Freileitungen (Strom) Puffer 135 m mit länderübergreifender Bedeutung Industrie- und Gewerbegebiete Flächen des Grünen Bands Deutschland 3 Kur- und Klinikgebiete Laubwald 4 Mischgebiete Angrenzende Bereich zu Laubwald 3 Nationalparke Nadelwald 3 Naturschutzgebiete Angrenzende Bereiche zu Nadelwald 2 Sonstiges Recht Mischwald 4 Verkehrsinfrastruktur Bundesautobahn 100 m Angrenzende Bereiche zu Mischwald 3 Verkehrsinfrastruktur Schienen und Seilbahnen 150 m Dauergrünland 3 Verkehrsinfrastruktur sonstige Straßen 40 m Offenland außerhalb landwirtschaftlicher Nutzfläche 3 Wasserschutzgebiete (WSG) I + II Flussauen 3 Wohnen im Außenbereich Vogelschlagbezogene Konfliktrisiken 1 Wohnen im Innenbereich Habitate ggü. Windenergie empfindlicher Vogelarten bis (Daten DDA, CORINE, Bernotat 2016) 5 Landschaftsbildbezogene Konfliktrisiken 1 Bewertung von Vielfalt, Eigenart, Schönheit, Naturnähe und bis Erholungswert 5 Konfliktrisikoklassen (KRK) 1: sehr geringes Konfliktrisiko 4: hohes Konfliktrisiko 2: geringes Konfliktrisiko 5: sehr hohes Konfliktrisiko 3: mittleres Konfliktrisiko
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt 5 »» 3,6 % der Fläche der Bundesrepublik für die unterschiedlich zum Tragen kommen. Dieser Effekt Windenergie geeignet sollte bereits von Anfang an in die Überlegungen ein- bezogen werden. Obwohl die Flächen mit einem hohen und sehr hohen Konfliktrisiko sowie die Ausschlussflächen als ungeeig- So unterschiedlich wie die Landschaften Deutschlands net nicht in unserer Berechnung eingestellt wurden und sind auch die Empfindlichkeiten gegenüber den un- für die übrigen Flächen realistische Anteile als Faktoren terschiedlichen Energieträgern. In einigen Landschaf- angesetzt wurden, lassen sich 3,6 % der Fläche der Bun- ten wird z.B. die Stromerzeugung aus Sonne konflikt desrepublik für die Windenergienutzung bereitstellen, ärmer umgesetzt werden können als durch Wind. Dies ohne dass mit größeren Konflikten mit dem Natur könnte mit Hilfe des entwickelten methodischen Kon- schutz und der Landschaftspflege zu rechnen ist. zeptes in die Beurteilung von verschiedenen strategi- schen Ausbauszenarien einbezogen werden. Diese Flächenpotenziale verteilen sich sehr unterschied lich auf die Bundesländer. Nicht alle Bundesländer »» Das methodische Konzept kann auch auf der r egionalen können und sollten daher gleich große Flächenanteile Planungsebene genutzt werden. für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen. Während beispielsweise Nordrhein-Westfalen vor allem Mit Hilfe des neuen Bewertungsansatzes können Bewer- aufgrund des hohen Anteils an Ausschlussflächen tungsgrundlagen für die nachgelagerten Planungsebe- durch die dichte Besiedelung nur auf 1,9 % der Fläche nen der Länder und Regionen erarbeitet werden, die kommt, bietet sich in Sachsen-Anhalt ein weitaus grö- eine angemessene Berücksichtigung von Naturschutz ßeres Flächenpotenzial. und Landschaftspflege beim Ausbau der Windenergie- nutzung ermöglichen. Dafür müssen die bisher zur Ab- »» Steuerung der Windenergienutzung im Einklang mit bildung der naturschutzbezogenen Raumeigenschaf- Naturschutz und Landschaftspflege ten genutzten bundeseinheitlichen Flächenkategorien auf Basis der im jeweiligen regionalen Planungsraum Die Windenergienutzung muss aus Sicht von Natur- verfügbaren Datengrundlagen konkretisiert werden. schutz und Landschaftspflege zwingend dort ausge- Gleichzeitig kann ggf. auch die Wertzuweisung (Kon- baut werden, wo die Konfliktrisiken am geringsten fliktrisikoklassen) auf die regionsspezifischen Verhält- ausfallen. Daher sollten die Bundesländer, die über nisse angepasst werden. So würden den Regionen die größere Flächenanteile mit geringeren Konfliktrisiken Möglichkeit gegeben, entsprechend ihrer individuellen verfügen, größere Anteile ihrer Landesfläche für den planerischen und politischen Rahmenbedingungen Ausbau der Windenergienutzung bereitstellen. Bei der den Ausbau der Erneuerbaren zu gestalten. Festlegung von länderbezogenen Flächenkontingenten sollte bereits auf Bundesebene bestimmt werden, wie Dies würde eine konsistente Einbeziehung der Belan- die Verteilung der Konfliktrisiken in einem Bundes- ge von Naturschutz und Landschaftspflege in die ge- land die Berechnung der Flächenkontingente bestim- stufte Planung der Energiewende ermöglichen und so men soll. das Tempo und die Stringenz der Planungen erhöhen. Dabei ist es zweitrangig, in welchem formalrechtlichen Die errechneten Flächenpotenziale bilden nur die Rahmen dies geschieht. Selbst wenn regionale Vorga- Grundlage für den Verteilungsschlüssel der bundes- ben zu Konfliktrisikoklassen nur informellen Charakter weiten Ausbauziele auf die Bundesländer. Für die kon- hätten, würde das zu einer Forcierung der Planungen krete Umsetzung sind die Länder und Regionen aufge führen. Zudem ist die stringente und nachvollziehbare rufen, durch die räumliche Planung eine Konkretisierung Ableitung von Ausbauzielen einer der zentralen Fakto- mit eigenen Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. ren für die Akzeptanz vor Ort (Hübner et al. 2020). »» Breit angelegten Fachdiskurs über raumbezogene Ausblick Konfliktrisikobewertung initiieren Für die Transformation zu einer klimaneutralen Ener- Unser Vorschlag baut auf einer weitgehend anerkann- gieversorgung spielt der Mix der Energieträger eine ten und durch intensive Recherche belegten fachlichen bedeutende Rolle. Die einzelnen Energiesparten sind Einschätzung von Konfliktrisiken auf. Grundsätzlich mit jeweils spezifischen Wirkungen auf Natur und sind die vorgenommenen Einschätzungen einem Landschaft verbunden, die je nach Region und Raum Fachdiskurs über die Konfliktrisikoklassen zugänglich.
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN 6 ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt Dieser Diskurs sollte geführt werden, um die Gültig- weiterführender Diskurs über den natur- und land- keit und die Akzeptanz der Bewertungsergebnisse zu schaftsbezogenen Verteilungsschlüssel (KRK-Faktoren) erhöhen. Vor dem Hintergrund von politischen und sinnvoll. Für die Weiterentwicklung der Methode ist rechtlichen Veränderungen, z. B. in der neusten Recht- zudem die Ausweitung auf Photovoltaik-Freiflächen sprechung zum Klimaschutzgesetz, ist ebenfalls ein anlagen anzustreben. Tabelle 3: Flächenpotenziale der Länder Konfliktarm (KRK sehr gering Konfliktreich (KRK hoch Bundesland bis mittel) bis sehr hoch überlagernd) Ausschluss Baden-Württemberg 2,1 % 6,7 % 91,2 % Bayern 2,4 % 7,0 % 90,6 % Berlin 0,1 % 2,6 % 97,3 % Brandenburg 10,2 % 20,4 % 69,4 % Bremen 0,2 % 1,1 % 98,8 % Hamburg 0,0 % 1,2 % 98,8 % Hessen 2,7 % 14,6 % 82,7 % Mecklenburg-Vorpommern 6,8 % 21,3 % 71,9 % Niedersachsen 9,2 % 11,8 % 79,0 % Nordrhein-Westfalen 2,7 % 6,9 % 90,4 % Rheinland-Pfalz 2,6 % 14,7 % 82,7 % Saarland 0,3 % 12,1 % 87,6 % Sachsen 4,2 % 12,9 % 82,9 % Sachsen-Anhalt 16,5 % 20,9 % 62,6 % Schleswig-Holstein 6,0 % 9,2 % 84,8 % Thüringen 7,5 % 14,3 % 78,2 % bundesweit 5,5 % 12,0 % 82,5 % Tabelle 4: Realistische Flächenpotenziale der Länder in Abhängigkeit von Konfliktrisiko und KRK-Faktor Konfliktrisiko sehr gering gering mittel Bundesland KRK-Faktor 1 KRK-Faktor 0,8 KRK-Faktor 0,6 Flächenanteil Baden-Württemberg 1 km2 134 km2 343 km2 1,3 % Bayern 14 km 2 325 km 2 743 km 2 1,5 % Berlin
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt 7 Anhang Flächenkontingente sind politische Zielvorgaben, Die Konfliktrisiken werden flächenbezogen ermittelt. die z. B. der Bund den Ländern macht oder die durch Dazu werden die Konflikte mit den Belangen von die Länder an die Regionen gerichtet werden. Seit Naturschutz und Landschaftspflege, die als Geodaten langem wird immer wieder ein pauschales Flächen- bundesweit einheitlich verfügbar sind, abgebildet. kontingent von 2 % der Fläche des jeweiligen Planungs (vgl. Abbildung 1). raums gefordert, das für die Windenergienutzung bereitgestellt werden soll. Methode zur raumbezogenen Prognose und Bewertung von naturschutzbezogenen Konflikt Flächenpotenziale beschreiben den Anteil der Flä- risiken des Ausbaus der Windenergienutzung che eines Landes, der unter definierten Kriterien für auf Bundesebene die Windenergienutzung bereitgestellt werden kann. Die neu entwickelte Methode ermöglicht eine bundes- Aktuell werden noch uneinheitliche Ansätze mit un- weite Raumbewertung, auf deren Grundlage detaillierte terschiedlichen Kriterien und Methoden zur Berech- Aussagen zur Natur- und Landschaftsverträglichkeit nung der Flächenpotenziale angewendet. Einig sind des Zubaus von Windenergieanlagen abgeleitet wer- sich viele WissenschaftlerInnen aber darin, dass an- den können. Die Bewertung ist das Resultat eines stelle von pauschalen Flächenkontingenten, die für iterativen Expertendiskurses und GIS gestützter Raum alle Bundesländer und Regionen gleichermaßen zu analysen. Die nicht von vornherein für die Windener- erfüllen sind, die realen Flächenpotenziale der L änder gienutzung auszuschließenden Flächen werden durch bei den Zielvorgaben berücksichtigt werden müssen. das Modell in ein 25 x 25 m Raster aufgeteilt und jedem Rasterpunkt individuelle Konfliktrisiken auf einer sechs stufigen Skala von „sehr geringe“ bis „sehr hohe“ sowie Als Ausschlussflächen werden Flächen bezeichnet, „sehr hohe, sich überlagernde Konfliktrisiken“ zuge- die aus rechtlichen, technischen oder wirtschaftlichen teilt. Sachliche Grundlage bilden die raumbezogenen Gründen nicht für die Windenergienutzung in Frage Ausprägungen der Naturschutzbelange (Flächen), die kommen. Rechtliche Gründe ergeben sich z. B. aus dem durch als Geodaten bundesweit vorliegende Flächen- BauGB, das vorsieht, das Windenergieanlagen nicht kategorien abgebildet werden. Diese 38 Flächenkate im besiedelten Bereich errichtet werden, sondern im gorien (Typebene) werden zunächst hinsichtlich der baurechtlichen Außenbereich (sogenannte privilegier- Bedeutung (abgeleitet aus Zielen und Rechtsmaßstä- te Vorhaben für den Außenbereich). Tatsächliche Grün- ben des Naturschutzes und der Landschaftspflege) de sind z.B., dass sich Windenergieanlagen nicht auf und Empfindlichkeit (gegenüber den Wirkungen der stark geneigten (in der Regel mehr als 30° Neigungs- Windenergienutzung) der durch sie abgebildeten na- winkel) Flächen errichten lassen. Die wirtschaftlichen turschutzrelevanten Flächeneigenschaften sowie der Gründe werden über die Windhöffigkeit (Flächen mit Abbildungsgenauigkeit bewertet. Diese Bewertung einer Windgeschwindigkeit von < 7m/s in 150 m Höhe) erfolgt sowohl schutzgutbezogen als auch schutzgut abgebildet. übergreifend. Die als Geodatensätze vorliegenden Flä- chenkategorien dienen als Indikator für die Art und das Ausmaß von negativen Veränderungen von Belan- Das Konfliktrisiko beschreibt die Möglichkeit des gen von Naturschutz und Landschaftspflege und dar- Eintretens von Konflikten mit den Belangen von aus resultierenden Konflikten, die mit einer gewissen Naturschutz und Landschaftspflege. Um die Konflikt Wahrscheinlichkeit eintreten würden, wenn auf einer risiken für unterschiedliche Schutzgüter vergleichbar Rasterzelle eine Windenergieanlage errichtet würde einzuschätzen, werden Konfliktrisikoklassen genutzt. (Konfliktrisiken). Durch die Projektion der Flächenkate- Für die räumliche Steuerung der Windenergienutzung gorien in den Raum und deren Überlagerung kann so ist es erforderlich, das Ausmaß der voraussichtlich mit eine raumbezogene Bewertung der aus den Wirkun- einer Nutzung an einem Ort verbundenen Konfliktrisi- gen der Windenergienutzung resultierenden Konflikt ken zu kennen und einen entsprechenden Schlüssel risiken erzeugt werden. zur Verteilung der Kontingente abzuleiten.
NATURSCHUTZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN 8 ZURDEBATTE · „Mehr Flächen für Windenergie“ – natur- und landschaftsverträglich verteilt LITERATUR ❙❙ Bernotat, Dirk; Dierschke, Volker (2016): Übergeordnete Kriterien Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung Projekten und Eingriffen. 3. Fassung. Fachgebiet Landschaftsplanung und Erholungsvorsorge ❙❙ Bundesverband WindEnergie e.V. (Hg.) (2011): Potenzial der An der Wilhelmshöhe 44, 37671 Höxter Windenergienutzung an Land. Kurzfassung. Online verfügbar unter Professor Dr. Boris Stemmer, boris.stemmer@th-owl.de www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/ publikationen-oeffentlich/themen/01-mensch-und-umwelt/03- naturschutz/bwe_potenzialstudie_kurzfassung_2012-03.pdf, zuletzt Bosch & Partner GmbH geprüft am 11.05.2021. Kantstraße 63a, 10627 Berlin ❙❙ Hübner, Gundula; Pohl, Johnnes; Warode, Jan; Gotchev, Boris; Dr. Wolfgang Peters, w.peters@boschpartner.de Ohlhorst, Dörte; Krug, Michael et al. (2020): Akzeptanzfördernde Faktoren erneuerbaren Energien. Bonn: Bundesamt für Naturschutz Öko-Institut e.V. – Büro Berlin (BfN-Skripten, 551). Schicklerstraße 5-7, 10179 Berlin ❙❙ Riedl, Ulrich; Stemmer, Boris; Philipper, Sven; Peters, Wolfgang; Schicketanz, Sven; Thylmann, Miron; Pape, Carsten; Gauglitz, Philip; Dr. Felix Christian Matthes, f.matthes@oeko.de Mülder, Jochen; Westarp, Christian; Moczek, Nicola (2020): Szenarien für den Ausbau der erneuerbaren Energien aus Naturschutzsicht. Bonn: Bundesamt für Naturschutz (BfN-Skripten, 570). ❙❙ Stiftung Klimaneutralität (Hg.) (2021): Wie kann die Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergie an Land schnell und rechtssicher erhöht werden? Ein Regelungsvorschlag. Berlin. Online verfügbar Zwischenergebnisse aus dem FuE-Vorhaben Planspiel zur unter www.stiftung-klima.de/app/uploads/2021/01/2021-01-27- naturverträglichen räumlichen Verteilung der erneuerbaren Flaechen-fuer-Wind-Vorschlag-Stiftung-Klimaneutralitaet.pdf, Energieerzeugung in Beispielregionen zuletzt geprüft am 29.03.2021. Bundesamt für Naturschutz ❙❙ Umweltbundesamt (UBA) (Hg.) (2013): Potenzial der Windenergie FKZ 3519 86 0600 an Land. Studie zur Ermittlung des bundesweiten Flächen- und Ressortforschungsplan 2019 Leistungspotenzials der Windenergienutzung an Land. Online verfügbar Laufzeit: 11/2019 – 7/2021 unter www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/ publikationen/potenzial_der_windenergie.pdf, zuletzt geprüft am 11.05.2021. ❙❙ Walter, Anna; Wiehe, Julia (2018): Naturverträgliche Energieversor- gung aus 100 % erneuerbaren Energien 2050. Bonn – Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz (BfN-Skripten, 501). Online verfügbar un- ter https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/ Skript501.pdf, zuletzt geprüft am 11.05.2021. ZUR DEBATTE Stand 6/2021 Die Reihe ZUR DEBATTE veröffentlicht Thesen aus laufenden Download: www.natur-und-erneuerbare.de/ergebnisse Forschungsvorhaben des Forschungsschwerpunktes Naturschutz Bezugsquelle für gedruckte Exemplare: info@natur-und-erneuerbare.de und Erneuerbare Energien des Bundesamtes für Naturschutz. Bonn-Bad Godesberg, Juni 2021 Bundesamt für Naturschutz Außenstelle Leipzig FG II 4.3 Naturschutz Der institutionelle Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die und erneuerbare Energien Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie Alte Messe 6, 04103 Leipzig für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in den Beiträgen www.natur-und-erneuerbare.de geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des institutionellen Herausgebers übereinstimmen.
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