Es führen viele Wege in den Jura

Die Seite wird erstellt Titus-Stefan Wolf
 
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Es führen viele Wege in den Jura
Es führen viele Wege in den Jura
Wird ein Segelflug vom Belpmoos aus in den Jura ins Auge gefasst, so stellt sich in
der Regel die Frage, ob der Jura nach einem Schlepp in den Gantrisch oder
Richtung Falkenfluh via Emmental – Napf – Langenthal erreicht werden soll, oder ob
die Querung des Mittellandes, womöglich gleich im Schleppflug, über Bellechasse in
die Region Chasseral – Neuenburg erfolgt. Heute fassten wir eine dritte Möglichkeit
ins Auge, nämlich eine Querung aus der Region Gruyère Richtung Moudon und
Yverdon. Für weniger Erfahrene PilotInnen ist wohl die Querung über Bellechasse
die einfachere, denn die Distanz ist relativ kurz und mit Bellechasse findet sich ein
geeignetes Aussenlandefeld, falls etwas nicht wie erwünscht verlaufen sollte.
Weitere sichere Aussenlandemöglichkeiten bieten sich danach am Fuss des
Chasserals und weiter westlich im Val de Ruz, zwischen Vue des Alpes und
Chaumont. Dasselbe gilt ebenfalls für den Rückflug aus dem Jura Richtung Bern.

Unentschieden bestiegen Küre und ich die „Delta Quebec“ und ich war ganz froh,
endlich wieder mal auf meinem Lieblingsplatz sitzen zu dürfen, nämlich hinten und
damit näher am Schwerpunkt.
Der Schlepp Anfang Nachmittag brachte uns an den Leiterlipass und obwohl der
Jura bereits gut aussah und wir ja hatten, den Freiburger Voralpen entlang Richtung
Rochers de Naye zu folgen, ließen wir es uns nicht nehmen, sogleich über den Pass
einen Abstecher ins Simmental zu machen, da das Wolkenbild auch nicht gerade
abstoßend wirkte... Küre war froh, endlich wieder mal den vorderen Sitz belegen zu
können und freute sich bereits an der Schwidenegg der ganz anständigen Thermik.

Danach zog es uns magischerweise gen Süden und nach zwei weiteren klassischen
Thermiktankstellen glitten wir frohen Mutes über den Sanetschpass ins Wallis –
natürlich immer noch mit dem Juraflug im Hinterkopf. Nichtsdestotrotz ging’s nach
der Passquerung nach links das Wallis hinauf. Wie die nächsten Bilder zeigen, ließen
die Bedingungen nichts zu wünschen übrig.
Es führen viele Wege in den Jura
Ein vorausahnender Blick in Richtung Martigny

Wir kamen zügig voran und trotz der guten Bedingungen hatten wir kaum Kontakt mit
anderen Piloten, bis wir in der Region des Eggishorn mehreren Gleitschirmen
ausweichen mussten.
Es führen viele Wege in den Jura
Vorbei an Leukerbad ...

... und bald darauf eine kurzen Blick ins Lötschntal ...
Es führen viele Wege in den Jura
... und weiter, der herrlichen Berg- und Luftlandschaft entlang gleitend.

Genau, es war ja Freitag und deshalb wussten wir uns privilegiert. Nach einem
Studium des Aletschgletschers, respektive dessen, was von diesem einstigen
Eisgiganten übrig bleibt, flogen wir ebenso zügig das Wallis hinunter Richtung
Martigny. Im Rückblick noch einmal die Sicht auf Brig:
Es führen viele Wege in den Jura
Auch die Aeroarcheologie kam nicht zu kurz, wie folgendes Bild zeigt:

Wir war das noch mit dem Jura? Denselben Weg zurück? Oder über den
Lötschenpass Richtung Niederhorn – Napf – etc.? Nicht zu vergessen, die Gemmi
und den Rawylpass? Keine langen Diskussionen, das Wallis sieht gut aus und wir
fliegen stramm gegen Martigny. Am Pas de Cheville vorbei zeigt sich dann nördlich
des Grand Muveran der erste Blick in Richtung Jura und Genfersee:
Es führen viele Wege in den Jura
Die Querung sollte also in am Moléson vorbei in Richtung Yverdon erfolgen, denn es
sah so aus, als dass wir über diese Route bis zum Jurasüdfuss mit drei bis vier
Aufwinden rechnen konnten. Allein dem Rätsel der ersichtlichen Wolken-Sphinx
kamen wir nicht auf die Spur – diese saß bequem auf ihrem Cumulus-Sofa und
genoss die schöne Aussicht Richtung Osten...

Auch in Moudon finden sich immer mal wieder verlässliche Aufwinde:
Yverdon als sicherer Landeort, falls die Thermik einmal versagen sollte.

Doch wie kann man die überwältigende Sicht auf den Jura beschreiben, kontrastiert
durch die großen Juraseen, welche der Thermikentwicklung zwar nicht wohlgesinnt
sind, über welchen sich jedoch bei Nordwest-Lagen oder im abendlichen Jorand
immer mal wieder tragende Linien oder gar regelrecht entwickelte Wellenaufwinde
finden lassen? Die Route in Richtung Nordosten ist bereits vorgezeichnet.
Also endlich am Jura angekommen – es führen viele Wege nach Rom – musste Küre
zuerst den passenden Aufwind ausgraben, doch einmal auf der Arbeitshöhe von
1’900-2’200 m angekommen, kamen wir flott und ohne weiteres Kreisen bis nach
Balsthal. Da sich über dem Emmental und in Richtung Voralpen die ersten
Überentwicklungen breit machten ließen wir den Weiterflug zum letzten Boxenstopp
nach Gösgen aus und glitten via über Herzogenbuchsee nach Burgdorf ab und
erhielten mit etwas Geduld die Freigabe für den Einflug von Osten her in die CTR
Bern.
Eine schöne Überraschung und damit einen emotionalen Höhepunkt des Tages
erlebten wir über der Vue des Alpes – die vier kleinen schwarzen Punkte vor uns
entpuppten sich rasch als gefiederte Kameraden: Je zu zweit flogen die
eindrücklichen Geier auf unserem Kurs, wenn auch nicht ganz so schnell und
bestimmt mit anderem Ziel. Wenige Meter von unserem Winglet entfernt ließen sie
sich nicht beeindrucken, drehten kurz den Kopf mit einem Blick, als wäre auch für
uns das Segeln zwischen Himmel und Erde das Selbstverständlichste auf der Welt...
Vermutlich handelte es sich um Gänsegeier oder um den selteneren Mönchsgeier.

SZ
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