Europa GASP, ESVP und ihre Instrumente - Ein Überblick - Deutscher Bundestag

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Europa GASP, ESVP und ihre Instrumente - Ein Überblick - Deutscher Bundestag
Europa

               GASP, ESVP und ihre Instrumente – Ein Überblick

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Europäische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP) entwickeln sich seit Ende der 90iger Jahre sehr dynamisch. Den
formulierten   militärischen und zivilen Planzielen entsprechend werden handlungsfähige
Strukturen aufgebaut und Einrichtungen geschaffen. Die Entwicklungen sind von einem breiten
Konsens getragen und im Einklang mit den im Verfassungsvertrag angelegten Bestimmungen.
Die parlamentarische Kontrolle verbleibt in dem intergouvernemental ausgestalteten Bereich
auch weiterhin maßgeblich bei den nationalen Parlamenten.

Entwicklung der GASP und der ESVP                  nente der GASP hin zu einer Europäischen
Seit 1970 kooperierten die Mitgliedstaaten der     Sicherheits- und Verteidigungspolitik eröffnet.
Europäischen Gemeinschaften (EG) im Bereich        Mit der „Erklärung des Europäischen Rats zur
der Außenpolitik durch das Instrument der Euro-    Stärkung der GASP“ von Köln im Juni 1999
päischen Politischen Zusammenarbeit und nor-       wurde der Aufbau einer operativen und
mierten diese Praxis 1987 in der Einheitlichen     eigenständigen ESVP als integraler Bestandteil
Europäischen Akte. Nach dem Ende der bipola-       der GASP eingeleitet. Ziel war es, der EU in
ren Konfrontation wurde diese Zusammenarbeit       Bezug auf internationale Konfliktverhütung und
durch den Vertrag von Maastricht (1993) in         Krisenbewältigung Handlungsfähigkeit zu ver-
einen einheitlichen institutionellen und rech-     leihen. Vor allem sollte ein autonomes
tlichen Rahmen gefasst und um eine sicherheits-    militärisches Eingreifen bei internationalen Krisen
politische Komponente erweitert. Die dadurch in    ermöglicht werden, allerdings einschränkend nur
die EU-Verträge integrierte außen- und sicher-     „in den Fällen, in denen die NATO als Ganzes
heitspolitische Säule der Europäischen Union       nicht beteiligt ist“, um eine Konkurrenzsituation
hat in den vergangenen Jahren zusehends an         zu vermeiden.
Kohärenz und Handlungsfähigkeit gewonnen.
Anders als der Bereich des Gemein-                 Aufgaben
schaftsrechtes (erste Säule) und der in diesem     Im Juni 1992 einigten sich die Mitgliedsstaaten
Rahmen durchgeführten gemeinsamen Politiken        darauf, die Organisation der Westeuropäischen
ist die GASP intergouvernemental ausgestaltet.     Union (WEU) wieder zu beleben und sie
Der Vertrag von Amsterdam (1999) sah die           insbesondere zur Erfüllung folgender, auch als
schrittweise Festlegung einer gemeinsamen          „Petersberg-Aufgaben“ bezeichneter Missio-
europäischen Verteidigungspolitik vor. Mit Ein-    nen zu befähigen: Humanitäre Einsätze, Ret-
führung des Amtes des Hohen Repräsentanten         tungsmaßnahmen in Katastrophenfällen, frie-
für die GASP, derzeit wahrgenommen von             denserhaltende Einsätze und Kampfeinsätze zur
Javier Solana („Mr. GASP“), sollte der Außen-      Bewältigung von Krisen sowie friedens-
politik mehr Wirksamkeit und Profil verliehen      schaffende    Maßnahmen.      Die     politischen
werden.     Eine     seinerzeit  ebenfalls   neu   Beschlüsse von Petersberg sind inzwischen
geschaffene „Strategieplanungs- und Frühwarn-      auch Gegenstand der ESVP und seit 2000 mit
einheit“ soll ihn unterstützen. Nachdem die        dem Vertrag von Nizza in Art. 17 Abs. 2 EU in
britische Regierung auf dem französisch-           die vertraglichen Grundlagen der Union
britischen Gipfeltreffen im Dezember 1998 in St.   aufgenommen. Somit erfolgte durch die Inte-
Malo ihre traditionelle Haltung, die Nordat-       gration der ehemaligen WEU-Aufgaben in den
lantische Vertragsorganisation (NATO) sei allein   Vertrag eine genauere Bestimmung möglicher
Garant für die Sicherheit und Verteidigung         Einsätze im Bereich des nicht-militärischen und
Europas, aufgab, war der Weg zum Ausbau der        militärischen Krisenmanagements der EU.
sicherheits- und verteidigungspolitischen Kompo-   Neben den operativen Aufgaben der WEU hat
                                                   die EU auch deren nachgeordnete Einrichtungen

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(Satellitenzentrum in Torrejón, Institut für               schusses für auswärtige Angelegenheiten ein
Sicherheitsstudien in Paris) übernommen. Der               Unterausschuss        für     Sicherheit    und
WEU verbleiben Residualfunktionen im Hinblick              Verteidigung. Dieser Ausschuss nimmt durch
auf die Parlamentarische Versammlung und die               Information und Diskussion de facto in weiten
Beistandsverpflichtung in Art. 5 WEU-Vertrag.              Bereichen zumindest eine parlamentarische
Dieser normiert – anders als Art. 5 des NATO-              „Begleitung“ in diesem Bereich wahr. Er ist
Vertrages – eine Beistandsverpflichtung der                auch mit dem Kontakt zu den nationalen
Mitgliedstaaten und stellt insoweit eine                   parlamentarischen      Verteidigungsausschüssen
weiterreichende Vertragspflicht dar.                       betraut.
                                                           Formell erfolgt die Beteiligung des EP an der
Akteure                                                    GASP nach Art.21 EU im Wesentlichen im Wege
Der Europäische Rat (ER) legt die Grundsätze               von drei Instrumenten. Zum einen unterrichten
und allgemeinen Leitlinien der GASP fest. Er be-           Ratsvorsitz und Kommission das EP regelmäßig
schließt einstimmig politisch bindende Gemein-             über die aktuellen Entwicklungen in der GASP.
same Strategien, die die außen- und                        Zum anderen hört der Ratsvorsitz das EP zu den
sicherheitspolitische Linie der EU bestimmen.              wichtigsten Aspekten und grundlegenden
Zentrales Gremium im Bereich der GASP                      Weichenstellung der GASP und achtet auf eine
einschließlich der ESVP ist der Rat „Allgemeine            gebührende Berücksichtigung der Auffassungen
Angelegenheiten und Außenbeziehungen“                      des EP. Diese Konsultationsverpflichtung er-
(Rat), der auf Grundlage der vom Europäischen              streckt sich nur auf die Grundentscheidungen
Rat bestimmten allgemeinen Richtlinien Gemein-             der GASP und nicht auf einzelne GASP-Aktivi-
same Standpunkte und Gemeinsame Ak-                        täten. Schließlich führt das EP seinerseits eine
tionen annehmen kann. In Gemeinsamen                       jährliche Aussprache über die Fortschritte bei
Standpunkten (politisch bindend) werden poli-              der Durchführung der GASP durch und bezieht
tische Konzepte für bestimmte Fragen geogra-               dabei auch Themen der ESVP in seine Be-
phischer oder thematischer Art festgelegt. Die             ratungen ein und kann Anfragen und
völkerrechtlich bindenden Gemeinsamen Aktio-               Empfehlungen an den Rat und die Kommission
nen werden verabschiedet, wenn die Union in                richten. Während dem Rat daran gelegen ist, die
einer spezifischen Situation operativ tätig werden         intergouvernementale Ausrichtung der GASP zu
will. Beschlüsse im Rahmen der GASP folgen                 wahren, ist das EP bestrebt, seine Einfluss-
grundsätzlich dem Einstimmigkeitsprinzip. Davon            möglichkeiten auf die inhaltliche Gestaltung der
kann bei Gemeinsamen Standpunkten oder                     GASP zu erweitern.
Aktionen abgewichen werden, wenn diesen eine
einstimmig beschlossene Strategie zugrunde                 Finanzierung
liegt. Darüber hinaus können vom Rat einstimmig            Das Haushaltsrecht ermöglicht dem EP eine
völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse oder               eingeschränkte Einflussnahme. Finanzausgaben
politisch bindende Erklärungen angenommen                  im Rahmen des GASP gehen zwar grundsätzlich
werden.                                                    zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes und
                                                           werden als nichtobligatorische Ausgaben
Parlamentarische Mitwirkung                                eingeordnet, hinsichtlich derer das EP über weit
An der Mitwirkung des Europäischen Parlaments              reichende Befugnisse verfügt. Allerdings sind
(EP) im Bereich der GASP hat sich aufgrund des             Maßnahmen mit militärischen oder verteidi-
intergouvernementalen         Charakters      seit         gungspolitischen Bezügen, deren Kosten nach
Maastricht wenig geändert. In den vergemein-               dem Bruttonationaleinkommen auf die Mit-
schafteten Politikbereichen dagegen hat sich das           gliedstaaten verteilt werden, den haushalts-
EP der Rolle eines Mit-Gesetzgebers genähert.              rechtlichen Befugnissen des EP entzogen. Der
In den Mitgliedstaaten gehört die nationale                ATHENA-Mechanismus ist nur ein Beispiel dafür,
Außen- und Sicherheitspolitik überwiegend in die           dass die budgetäre Kontrolle sowohl dem EP wie
Sphäre der Exekutive, in der sich die parla-               auch den nationalen Parlamenten nur in Teilen
mentarische Mitwirkung weitgehend auf Kontroll-            möglich ist.
befugnisse beschränkt. Die Schwäche der
Parlamente im Bereich der Außenpolitik wird in             Die ESVP nach dem Verfassungsvertrag
der Regel dadurch relativiert, dass die Regierun-          Durch den Vertrag über eine Verfassung für
gen als primäre außenpolitische Akteure vom                Europa (VVE) sollen die Handlungsoptionen der
Vertrauen einer Parlamentsmehrheit abhängig                Europäischen Union im Bereich der ESVP
sind. Ein solches Verhältnis besteht indes nicht           erweitert und konzeptionell angepasst werden.
zwischen Rat und EP. Gleichwohl hatte sich das             Unabhängig von der weiteren Entwicklung zur
EP frühzeitig um die Entwicklung eines sicher-             Zukunft des Vertrages kommt ihm insbesondere
heitspolitischen Profils bemüht und einen Aus-             im Bereich der Sicherheit und Verteidigung eine
schuss für Sicherheit und Abrüstung als Unter-             Vorwirkung zu. So wurden im Vertrag angelegte
ausschuss des damaligen Politischen Aus-                   neue Instrumente für eine größere operative
schusses eingesetzt.                                       Wirksamkeit der europäischen Verteidigung ge-
Zu Beginn der 6. Wahlperiode des EP (2004-                 schaffen. Die im Vertrag vorgesehene Euro-
2009) konstituierte sich innerhalb des EP-Aus-             päische Verteidigungsagentur (EDA) wurde

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bereits 2004 eingerichtet. Die ebenfalls vorge-              drücklich unberührt bleibt, kommt der Bei-
sehene Solidaritätsklausel zur gegenseitigen                 standsklausel primär politische Bedeutung zu.
Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen                 Was die parlamentarische Kontrolle angeht, so
von terroristischen Anschlägen und Katastro-                 ließe der Vertrag die Beteiligung des EP an der
phen wurde unter dem Eindruck der Anschläge                  ESVP grundsätzlich unverändert. Die Unterrich-
in Madrid im März 2004 vorab aktiviert. Sie ist bis          tungs- und Anhörungspflicht obliegt de lege
zum Inkrafttreten des Vertrages politisch, aber              ferenda dem Europäischen Außenminister, der
nicht rechtlich bindend.                                     auf die gebührende Berücksichtigung der Auffas-
Die im VVE getroffenen Neuregelungen zur                     sungen des EP zu achten hätte. Die bisher
GASP und ESVP waren und sind von breiter Zu-                 einmal jährlich stattfindende Aussprache über
stimmung getragen. Künftige Überlegungen,                    die Fortschritte bei der Durchführung der GASP
konsensuale Teilbereiche des Vertrages in der                würde zweimal im Jahr stattfinden und sich
einen oder anderen Form umzusetzen, werden                   ausdrücklich auch auf die ESVP erstrecken.
diesen Bereich umfassen. Deshalb lohnt ein
kurzer Ausblick auf die beabsichtigten                       Die Europäische Sicherheitsstrategie
Regelungen: Auch wenn der VVE keine                          Mit der von dem Hohen Vertreter Javier Solana
gemeinsame europäische Verteidigung etabliert,               ausgearbeiteten und vom ER im Dezember 2003
so eröffnet er – wie bereits das geltende Recht in           angenommenen Europäischen Sicherheitsstra-
Art. 17 Abs. 1 EU – die Option, dass der                     tegie „Ein sicheres Europa in einer besseren
Europäische Rat einen Beschluss über die                     Welt“ wurde erstmals ein umfassendes Konzept
Festlegung einer gemeinsamen Verteidi-                       für die Sicherheitspolitik der EU formuliert. Die
gungspolitik fasst, den die Mitgliedstaaten ge-              Strategie sieht die EU als globalen Akteur, der
mäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften                Verantwortung „für die globale Sicherheit und für
annehmen. Die Union könnte sich so längerfristig             eine bessere Welt“ tragen soll. Die Zielsetzungen
zu einem kollektiven Sicherheitssystem ent-                  von GASP und ESVP konkretisierend, fordert sie
wickeln. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten             ein aktiveres außenpolitisches Handeln der EU
grundsätzlich verpflichtet, zivile und militärische          mit verbesserten Fähigkeiten und mit mehr
Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der               Kohärenz sowie die Zusammenarbeit mit
vom Rat festgelegten Ziele zur Verfügung zu                  Partnern. Militärische Kapazitäten werden
stellen. Die gegenwärtige Differenzierung der                verstanden als Mittel im Zusammenspiel mit
Handlungsformen im Bereich der GASP in ge-                   zivilen Krisenpräventions- und Krisenbewälti-
meinsame Strategien, Aktionen und Standpunkte                gungsmechanismen.
sieht der VVE nicht vor. An ihre Stelle treten als           Die Strategie trägt dem veränderten sicherheits-
„Europäische Beschlüsse über Aktionen und                    politischen Umfeld insbesondere nach dem
Standpunkte“ bezeichnete Sekundärrechtsakte.                 11. September Rechnung. Sie basiert auf einem
Für Ratsbeschlüsse über militärische Missionen               umfassenden Sicherheitsbegriff und identi-
gilt wie bisher das Prinzip der Einstimmigkeit.              fiziert als Hauptbedrohungen den Terrorismus,
Signifikanteste Neuerung im Bereich der GASP                 die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,
ist die Einrichtung des Amtes eines Euro-                    Regionalkonflikte, "gescheiterte" Staaten sowie
päischen Außenministers. Im Rahmen seiner                    organisierte Kriminalität. Mit neuen Aufgaben wie
Doppelfunktion als Vorsitzender im Rat für                   gemeinsamen Entwaffnungsoperationen oder
Außenbeziehungen und Mitglied der Kommission                 Unterstützung von Drittländern im Kampf gegen
führt er die GASP. Er verfügt über ein eigenes,              den Terrorismus werden die Petersberg-Auf-
wenn auch nicht exklusives Vorschlagsrecht für               gaben funktional und geografisch erweitert und
Initiativen im Bereich GASP einschließlich der               präzisiert (so genannte Petersberg-Plus-Auf-
ESVP. Ihm soll ein eigener Europäischer Aus-                 gaben). Das präventive Gesamtinstrument der
wärtiger Dienst zuarbeiten.                                  EU wird betont, der Einsatz militärischer Gewalt
Der Verfassungsvertrag sieht darüber hinaus                  als letztes Mittel nicht ausgeschlossen. Die EU
neue Flexibilisierungsinstrumente im sicher-                 bekennt sich zu einer Weltordnung auf der
heitspolitischen Bereich in Form der „Ständig                Grundlage eines wirksamen Multilateralismus
Strukturierten     Zusammenarbeit“      und     der          und der Stärkung internationaler Organisationen
„Gruppenbildung“ vor. Im Rahmen des ersten                   (insbesondere der UN) und des Völkerrechts.
Instruments      können     jene    Staaten,     die
anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf ihre                 Das Markenzeichen der ESVP – Die zivile
militärischen Fähigkeiten erfüllen, weitergehende            Komponente
Verpflichtungen eingehen. Letzteres sieht die                Charakteristikum der ESVP ist der parallele und
Kooperation einer Gruppe von Mitgliedstaaten                 ausgewogene Aufbau von militärischen wie auch
bei der Durchführung von Missionen vor.                      nicht-militärischen Fähigkeiten. So wurde vom
Eine Beistandsklausel war wegen ihres                        Europäischen Rat in Feira (Juni 2000) und
Verhältnisses zu den Beistandsklauseln im                    ergänzt in Göteburg (Juni 2001) die Ausge-
NATO- und WEU-Vertrag im Verfassungs-                        staltung der zivilen Fähigkeiten der ESVP
konvent kontrovers diskutiert worden. Da der                 beschlossen. Ein Ausschuss für die zivilen
besondere Charakter der Sicherheits- und                     Aspekte der Krisenbewältigung (CIVCOM), der
Verteidigungspolitik einiger Mitgliedstaaten aus-            das Politische und Sicherheitspolitische Komitee

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(PSK) berät, wurde eingerichtet. Bis 2003 zu              identifiziert werden, insbesondere in den
erreichende zivile Planziele in Form bestimmter           Bereichen strategischer Transport (Luft- und
Einsatzreserven in den Bereichen Polizei,                 Seetransport über größere Distanzen), strate-
Rechtsexperten, Zivilverwaltung und Katastro-             gische Aufklärung und Führungsfähigkeiten.
phenschutz wurden beschlossen. In quantitativer           Darüber hinaus sind auch Defizite hinsichtlich
Hinsicht war das Planziel durch die Zusagen               Verfügbarkeit sowie der Interoperabilität der
ziviler Kräfte der Mitgliedstaaten bereits 2002           verschiedenen nationalen Kontingente vor-
erfüllt. Zur weiteren Verbesserung und Aus-               handen.
weitung der zivilen Fähigkeiten wurde im Juni             Mit dem European Capability Action Plan
2004 ein ziviler Aktionsplan verabschiedet.               (ECAP), der die Verteidigungsanstrengungen der
Im Dezember 2004 formulierte der ER als neues             Mitgliedstaaten aufeinander abstimmen soll,
ziviles Planziel das Civilian Headline Goal               wurde 2001 vom ER ein Plan zur Überwindung
2008. Das zivile Aufgabenspektrum der ESVP                der Fähigkeitslücken beschlossen. Sein Ansatz
wird durch die Fähigkeit zum Monitoring von               basiert auf Freiwilligkeit und dezentraler Ko-
Krisen und durch die fachliche Unterstützung der          ordination. Deshalb ist seine Durchsetzungskraft
Sonderbeauftragten der EU ergänzt. Die Hand-              beschränkt und den Modernisierungsbemüh-
lungsfelder werden um Bereiche wie Demobili-              ungen sind Grenzen gesetzt.
sierung und Reform des Sicherheitssektors                 Wohl deshalb setzte der ER im März 2003 den
ergänzt. Zur Verbesserung der Qualität ziviler            bereits in Nizza entwickelten Mechanismus zur
Fähigkeiten wurden Anforderungen an Personal              Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der
und Ausrüstung der Mitgliedstaaten formuliert,            militärischen      Fähigkeitsziele   (Capability
eine zukünftig engere Zusammenarbeit und                  Development Mechanism/CDM) ein. Im
Abstimmung mit dem militärischen Bereich                  Rahmen des CDM wird überprüft, ob die
gefordert sowie die Beschleunigung der                    militärischen Erfordernisse den definierten
Reaktionszeiten angestrebt.                               politischen Aufgaben entsprechen und ob die
So wurde, um die Entsendegeschwindigkeit zu               Erfordernisse gegebenenfalls geändert werden
erhöhen, im Juni 2005 die Bereitstellung so               müssen, um neue Aufgaben erfüllen zu können.
genannter Civilian Response Teams be-                     Dabei erfasst ein Requirements Catalogue die
schlossen. Sie sollen ähnlich kurzfristig wie die         quantitativen und qualitativen Erfordernisse für
schnell verlegbaren Polizeigruppen (Rapid                 die Ausführung der Aufgaben. Ein Force
Deployable Police Elements) zum Einsatz                   Catalogue beinhaltet die nationalen Beiträge im
kommen. Außerhalb des ESVP Rahmens kann                   Lichte der erforderlichen Fähigkeiten. Auf
die EU auf die European Gendarmerie Force,                Grundlage eines Vergleichs des Requirements
gebildet von Italien, Frankreich, Spanien,                Catalogue mit dem Force Catalogue und einer
Portugal und Griechenland, zurückgreifen.                 entsprechenden qualitativen Prüfung entsteht
                                                          der Progress Catalogue. Er gibt Auskunft über
Aufbau von militärischen Fähigkeiten                      den aktuellen Stand der verfügbaren Fähigkeiten
Als erster praktischer Schritt zur Verwirklichung         und der vorhandenen Defizite. Als seinerzeitiges
der ESVP gilt das Helsinki Headline Goal von              Ergebnis stellte im Mai 2003 der ER fest, „dass
1999. Die EU-Mitgliedstaaten wollten bis 2003             die EU nunmehr im gesamten Spektrum der
aus nationalen Kontingenten eine Schnelle                 Petersberg-Aufgaben einsatzfähig ist, wobei es
Eingreiftruppe der EU (European Rapid                     Einschränkungen und Zwänge durch anerkannte
Reaction Force/ERRF) zur internationalen                  Lücken gibt“. Diese Einschränkungen bezogen
Krisenbewältigung im Rahmen des gesamten                  sich auf die Verlegungszeit und Einsätze im
Spektrums der Petersberg-Aufgaben aufstellen.             „oberen Einsatzspektrum“ der Petersberg-
Diese Truppe sollte etwa 60.000 Mann umfassen             Aufgaben (d.h. bei hochintensiven Kampfhand-
und innerhalb von 60 Tagen und mindestens für             lungen), insbesondere wenn die EU „parallele
ein Jahr einsatzfähig sein. Es handelt sich um            Operationen“ durchführt.
keine integrierte Truppe, sondern vielmehr um             Um den in der ESS formulierten veränderten
einen so genannten „Pool“ aus nationalen Streit-          sicherheitspolitischen Anforderungen im Rahmen
kräften, auf den im Bedarfsfall – unter Voraus-           des Krisenmanagement gerecht zu werden, aber
setzung der Zustimmung der Mitgliedstaaten –              auch angesichts der fortbestehenden qualitativen
zurückgegriffen werden kann.                              Mängel, wurde im Juni 2004 auf dem Gipfel-
Bereits im November 2000 verpflichteten sich die          treffen in Brüssel als neues Planziel das
Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis zu                 Headline Goal 2010 definiert. Bis zum Jahre
nationalen Beiträgen. Auf einer Beitragskonfe-            2010 wollen die EU-Mitgliedstaaten in der Lage
renz wurde die erforderliche Anzahl von Truppen           sein, das auch in den Verfassungsvertrag ein-
von den Mitgliedstaaten zugesagt (100.000                 geflossene Spektrum der Petersberg-Plus-
Soldaten, 400 Luftfahrzeuge, 100 Schiffe) und in          Aufgaben abzudecken. Unter der Berücksichti-
dem      Helsinki-Streitkräfte-Katalog (Helsinki          gung der realen Erfordernisse der Krisenbe-
Force Catalogue) aufgelistet. Obwohl das                  wältigung liegt der Fokus auf der Verbesserung
Headline Goal zwar quantitativ (über)erfüllt              qualitativer Aspekte der militärischen Fähig-
wurde, konnte eine Reihe von erheblichen                  keiten. Dabei stehen seit diesem Leitziel die
qualitativen Fähigkeitslücken (capability gaps)           Themen der Interoperabilität sowie der

                                                                          Nr. 44/06 (18. September 2006)
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Durchhalte- und der Einsatzfähigkeit im Zentrum             Operational Capability“ wurde 2005 erreicht. Laut
der Bemühungen. Als Methode zur effektiveren                Präsidentschaftsbericht des Europäischen Rates
Verwendung der vorhandenen Mittel werden das                vom 12. Juni 2006 haben die Mitgliedstaaten
Zusammenlegen von militärischen Fähigkeiten                 sich verpflichtet, die erforderliche Anzahl von
(Pooling) sowie Aufgabenteilung und Aufgaben-               „Battlegroup packages“ für 2007, 2008 und 2009
spezialisierung (asset sharing) gefordert. Konse-           zur Verfügung zu stellen. Außerdem ist
quenterweise erfolgt - wie im CDM gefordert -               sichergestellt, dass die EU ab Januar 2007 die
auch eine Aktualisierung des Helsinki Headline              Fähigkeit hat, zwei Battlegroup-Operationen
Catalogue. Er wird ersetzt durch einen                      nahezu gleichzeitig durchzuführen. Somit soll die
Requirements Catalogue, der den Erfordernissen              volle Einsatzfähigkeit (Final Operational
der Petersberg-Plus-Aufgaben entspricht.                    Capability/FOC) ab 2007 gegeben sein.
Eine entscheidende Rolle bei der Erfüllung des              Eine wichtige Rolle in diesem Konzept hat der so
Headline Goal 2010 kommt der im Juli 2004 ge-               genannte Force Generation Process. Die
schaffenen Europäischen Verteidigungsagen-                  Bereitschaft eines Mitgliedsstaates, Kräfte für
tur (European Defence Agency/EDA) zu. Sie soll              Battlegroups zu stellen, wird im Rahmen einer
den Bedarf an künftiger Ausrüstung bestimmen,               halbjährlichen „Battle Group Coordination
einheitliche Standards der militärischen Fähig-             Conference“ angezeigt. Eine Nation fungiert
keiten festlegen und Fähigkeitslücken identifi-             jeweils als Lead-Nation und übernimmt damit die
zieren. Beauftragt mit der Koordinierung und                Gesamtverantwortung für die Battlegroup. Die
Weiterentwicklung der europäischen rüstungs-                weitere Ausplanung und Bereitstellung der Kräfte
industriellen Basis und der Militärtechnologie soll         erfolgt dann in nationaler Verantwortung. Dies
die Rüstungsagentur zu größerer Effizienz der               umfasst sowohl die Identifizierung der Kräfte, als
eingesetzten Ressourcen beitragen. „Peer                    auch ihr Training und die Zertifizierung der
pressure“ soll die Mitgliedstaaten dazu bewegen,            Einsatzfähigkeit. Nach Abschluss dieses Prozes-
militärische Anschaffungen nicht nur auf der                ses meldet die Lead-Nation die Einsatzbereit-
Basis nationaler Erwägungen zu machen.                      schaft der Battlegroup an die EU.
Trotz der Anstrengungen im Bereich der militär-
ischen Fähigkeitsentwicklung stellen die halb-              Institutionen der ESVP
jährlich    vorzulegenden      Fortschrittsberichte         Die seit dem Kölner Gipfel 1999 angedachten
(Capabilities Improvement Chart) bisher aber                ständigen politischen und militärischen Gremien
nur bescheidene Erfolge fest. Der jüngste Bericht           und Strukturen, die die politische und strate-
beispielsweise zeigt, dass von 62 identifizierten           gische Leitung von Operationen im Rahmen der
Fähigkeitslücken lediglich 7 geschlossen wurden             ESVP gewährleisten sollen, wurden 2000 auf
und sich bei fünf die Situation verbessert hat.             dem Europäischen Rat von Nizza „innerhalb des
Experten zufolge mangelt es der ESVP daher                  Rates“ geschaffen. Ein Politisches und Sicher-
immer noch an den notwendigen militärischen                 heitspolitisches Komitee (PSK), mit Vertretern
Kapazitäten für durchhaltefähige Einsätze im                möglichst auf Botschafterebene, befasst sich mit
oberen Aufgabenspektrum.                                    allen Fragen der GASP – einschließlich der
                                                            ESVP – und soll die politische Kontrolle und
Die EU-Battle-Groups                                        strategische Leitung von Operationen zur
Als wichtiger Schritt zur Verwirklichung der                Krisenbewältigung unter der Verantwortung des
militärischen Handlungsfähigkeit und mittlerweile           Rates wahrnehmen. Ein EU-Militärausschuss
Baustein des Headline Goal 2010 kann das                    (die Generalstabschefs der Streitkräfte bzw. die
Battlegroup-Konzept gesehen werden. Basie-                  militärischen Vertreter der Mitgliedstaaten) berät
rend auf einem britisch-deutsch-französischen               das PSK in militärischen Fragen des Krisen-
Vorschlag beschloss der ER im Juni 2004 die                 managements und soll alle militärischen
Aufstellung von so genannten Battlegroups. Sie              Aktivitäten leiten. Ein EU–Militärstab (EUMS),
stellen eine besondere Form von schnellen                   der als Teil des Generalsekretariates dem Hohen
Eingreifkräften für die Krisenreaktion dar und              Vertreter für die GASP untersteht, befasst sich
sollen     im   gesamten      Aufgabenspektrum              mit der Frühwarnung, der Lagebeurteilung und
eingesetzt werden. Konzeptionell handelt es sich            der strategischen Planung.
um zwei innerhalb von fünf bis zehn Tagen                   Allerdings verfügt die EU nicht über eine eigene
einsatzfähige hochmobile Einheiten in der Stärke            integrierte Kommandostruktur zur operativen
eines Bataillons (etwa 1500 Mann) plus                      Planung und Durchführung von militärischen
Unterstützungskräfte, die über einen Zeitraum               Operationen. Diese Aufgabe wird entweder von
von bis zu 120 Tagen operieren können.                      fünf durch einige Mitgliedsstaaten zur Verfügung
Gedacht für unabhängige Einsätze oder für die               gestellten nationalen Oberkommandos oder aber
erste Phase einer größeren Operation sollen sie             von Führungsstrukturen der NATO wahrge-
hauptsächlich, aber nicht ausschließlich auf                nommen, auf die im Rahmen des so genannten
Anfrage der VN eingesetzt werden.                           Berlin–Plus–Abkommens (2003) zurückge-
2004 erklärten 13 EU-Staaten, Kapazitäten für               griffen werden kann. Zur Verbesserung der Vor-
Battlegroups zur Verfügung stellen zu wollen,               bereitung von EU-Operationen unter Rückgriff
weitere Staaten wollten so genannte Nischen-                auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten wurden zudem
kapazitäten beisteuern. Eine so genannte „Initial           eine EU-Zelle beim NATO-Hauptquartier SHAPE

                                                                            Nr. 44/06 (18. September 2006)
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sowie NATO-Verbindungselemente beim EUMS                     grundlagen für die Verbesserung der militär-
eingerichtet.                                                ischen Fähigkeiten liefern.
Um dem dualen Ansatz von zivilen und                         Darüber hinaus arbeitet die EU an einer „Long
militärischen Elementen der Krisenintervention               Term Vision“, um Trends nach 2010 für die
der EU gerecht zu werden und die beiden Di-                  künftige Fähigkeitsentwicklung zu identifizieren.
mensionen miteinander zu verknüpfen, wurde
2005 beim Militärstab eine zivil-militärische Pla-           ESVP Missionen
nungszelle eingerichtet. Sie soll – als                      Bislang konnte die EU sich auf 16 ESVP-
Schnittstelle – Sachkompetenz für die Zusam-                 Missionen verständigen, wobei vier (davon drei
menführung von militärischem und zivilem                     zivile) bereits abgeschlossen sind. Es handelt
Bereich von EU-Operationen entwickeln sowie                  sich bei dem überwiegenden Teil der Missionen
die Fähigkeit der EU zur strategischen Planung               um Einsätze mit zivilem Charakter, lediglich vier
für das Krisenmanagement stärken.                            der 16 Operationen sind militärischer Natur.
Zur Planung und Durchführung von autonomen                   Die erste Militäroperation fand 2003 zur
zivilen Operationen bzw. Operationen mit einer               Stabilisierung der Lage in Mazedonien (unter
zivilen Komponente und für militärische                      Rückgriff auf NATO-Mittel und Fähigkeiten) statt.
Operationen in zahlenmäßig begrenztem Um-                    Mit der Fortsetzung der NATO-geführten SFOR-
fang, für die keine nationalen Hauptquartiere                Operation in Bosnien und Herzegowina als
identifiziert werden können, hat der Europäische             Mission „Althea“ im Dezember 2004 übernahm
Rat im Dezember 2004 außerdem die Ein-                       die EU ihre bisher größte militärische Operation
richtung eines EU-Operationszentrums inner-                  (ca. 7000 Soldaten). Im Rahmen der jüngsten
halb der zivil-militärischen Zelle beschlossen.              militärischen Mission „EUFOR RD CONGO“
Dieses sich noch im Aufbau befindliche Opera-                beschloss der Rat (in diesem Falle in der
tionszentrum soll Anfang 2007 wirksam sein.                  Besetzung       der     EU-Innenminister)     als
                                                             „Gemeinsame Aktion“ am 27. April 2006 nach
Aktuelle     Anstrengungen        zum   Aufbau               der Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat
militärischer Fähigkeiten                                    die Entsendung von rund 1700 Soldaten aus 17
Gegenwärtig wird im Rahmen des CDM zur                       Mitgliedstaaten zur Absicherung der Wahlen in
Erreichung des Headline Goal 2010 die Er-                    der Demokratischen Republik Kongo.
fassung der militärischen Beiträge der EU-Mit-               Beispiele für Missionen im zivilen Bereich sind
gliedstaaten vorangetrieben. Auf der Grundlage               Beobachtermissionen wie in Aceh zur Um-
einer durch die österreichische Ratspräsident-               setzung des Friedensabkommens (AMM),
schaft erfolgten Zusammenstellung der ge-                    Unterstützung beim Aufbau von Polizeistrukturen
meldeten Beiträge der Mitgliedstaaten soll bis               wie in den Palästinensischen Gebieten (EUPOL
Ende 2006 der Streitkräftekatalog (Force Cata-               COPPS) oder Unterstützung bei der Reform des
logue) entstehen. Die dann ab 2007 folgende                  staatlichen Sicherheitsbereichs in der DR Kongo
qualitative Analyse soll präzisere Auskunft über             (EUSEC).
qualitative und quantitative Fähigkeitslücken
geben und wird daher konkrete Handlungs-

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Tel.: (030) 227-32444, E-mail: vorzimmer.wd2@bundestag.de;
Heike Baddenhausen, Ref. Johannes Dietrich, Fachbereich WD 11 – Europa, Tel.: (030) 227-33614, E-mail:
vorzimmer.wd11@bundestag.de

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