Fataler Gesundheitsschutz durch Sportverbote? - Zum Umgang mit Sport und Bewegung in Corona-Zeiten - LEAD.schule

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Fataler Gesundheitsschutz durch Sportverbote? - Zum Umgang mit Sport und Bewegung in Corona-Zeiten - LEAD.schule
Institut für Sportwissenschaft/AB IV

      Fataler Gesundheitsschutz durch
               Sportverbote?

   Zum Umgang mit Sport und Bewegung in
             Corona-Zeiten

         Vortrag bei der Online-Vortragsreihe
„LErnforschung Auf Distanz: Eine Online-Vortragsreihe
                von LEAD für Schule!“
                  24. Februar 2021

               Prof. Dr. Ansgar Thiel
Fataler Gesundheitsschutz durch Sportverbote? - Zum Umgang mit Sport und Bewegung in Corona-Zeiten - LEAD.schule
Der Umgang mit Corona als Unsicherheitsphänomen

•      Die Corona-Pandemie als gesellschaftliches Krisenphänomen
    – Covid-19: eine in mehrfacher Hinsicht gefährliche Krankheit.
    – Covid-19: „eine skandalisierte Krankheit (…) in einer globalisierten Welt, die den Tod ein Stück weit
      verdrängt hat“. (Jörg Vögele, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interview-medizin-historiker-voegele-ueber-corona-wir-
       blicken-auf-eine-skandalisierte-krankheit/26653296.html)

    à Der Umgang mit der „Corona-Pandemie“ ist auch Ausdruck von Überforderung mit einer Situation,
      die nicht zu einer technologisch hochentwickelten Gesellschaft passt.

2 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                                             © 2021 Universität Tübingen
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Der Umgang mit Corona als Unsicherheitsphänomen

•     Politisches Krisenmanagement
    – Verantwortungsübernahme, aber Dialogferne
    – Beschränkung der Expertise auf v.a. Virologen, Epidemiologen und Naturwissenschaftler.
    – Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen werden eher marginalisiert.
    – Konzepte für die Beibehaltung des Sozialen in Zeiten des „Social Distancing“ fehlen.
    – „Entkörperlichungs-Strategien“ des Infektionsschutzes betreffen v.a. auch den Sport.
    – Marginalisierung von körperlicher Aktivität, Spaß und Miteinander ist riskant.

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Welche psychosoziale Folgen hat die Corona-Krise?

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Covid-19 und psychosoziale Folgen

Wahrnehmung der allgemeinen Situation während der Lockdowns

•     Kontakteinschränkungen stören entwicklungspsychologische Prozesse bei
      Jugendlichen (Andresen et al., 2021).
    – Jugend ist eine wichtige Phase des Ausprobierens und sich Ablösens.
    – Direktes persönliches Zusammensein mit Freundinnen und Freunden wird vermisst.
    – Selten feste Partnerschaft, weshalb Kontakt zu Gleichaltrigen besonders wichtig ist.
    – Problem wird dadurch verstärkt, dass nahezu alle Freizeitaktivitäten wegfallen.
Deshalb:
    – Corona-Jahr wird als Jahr der Ohnmacht erlebt.
    – Jugendlichen haben den Eindruck, nicht gesehen, gehört und einbezogen zu werden (Andresen et
      al., 2021).

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Covid-19 und psychosoziale Folgen

•     Besondere psychische Belastung durch Corona-Lockdown
    – Heranwachsende und junge Erwachsene werden psychisch am meisten belastet (Andresen et al.,
      2021).
    – Risikophasen für psychische Krisen sind insbesondere biografische Übergänge (Andresen et al.,
      2021)
    – 85 Prozent der Heranwachsenden: Corona-Krise ist äußerst oder ziemlich belastend (+ 15% im
      Vergleich zum ersten Lockdown) (Ravens-Sieberer et al., 2021), auch die Schule wird als belastend
      angesehen.
    – Ängste, psychosomatische Beschwerden, Gefühle der Einsamkeit, aber auch depressive Symptome
      haben bei Heranwachsenden deutlich zugenommen (Ravens-Sieberer et al., 2021; Stiftung
      Deutsche Depressionshilfe, 2020).

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Covid-19 und psychosoziale Folgen
•     Langfristige Folgewirkungen sind unbekannt
    – „Flitterwochen-Periode“ mit großem sozialen Zusammenhalt am Anfang von gesellschaftlichen
      Krisen -> gilt auch für Covid-19 (https://www.psychiatrictimes.com/view/dear-mental-health-innovators-covid-19-
       honeymoon-almost-over).
    – Langfristig gesehen zeigen erste Studien aus Japan, dass im 2. Lockdown z.B. die Suizidrate rapide
      ansteigt.

    Frage: Wie lange akzeptieren die Heranwachsenden die Einschränkungen noch?

7 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                            © 2021 Universität Tübingen
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8 | Autor/Verfasser/Thema/Rubrik/Titel etc.   © 2010 Universität Tübingen
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9 | Autor/Verfasser/Thema/Rubrik/Titel etc.   © 2010 Universität Tübingen
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Covid-19 und psychosoziale Folgen

„Digitale Sozialität“ als Ausweg

•     Leben in der digitalen Welt als soziale Notwendigkeit
    – Für Jugendliche ist das Smartphone/iPhone gerade in Zeiten von Corona soziale
      Überlebensbedingung.
    – Analoge soziale Peer-Interaktionen werden durch Interaktionen im Rahmen von eGames,
      Whatsapp, Youtube, Netflix etc. ersetzt.
•     Paradox digitaler Sozialität:
    – eGames, Youtube, Whatsapp sind „addiktiv“ und zeitaufwendig.
    – eGames, Youtube, Whatsapp erhöhen Sitzzeiten während der Lockdowns erheblich.
    – Aber man kann auf sie nicht verzichten, da psychologische Folgen einer Isolierung zu groß wären.

10 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                  © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und psychosoziale Folgen

Sport als Coping-Strategie für biopsychosoziale Corona-Folgen?

•     Sport als System analoger sozialer Interaktion
    – Sport ist ein körperfixiertes Sozialsystem.
    – Sport ermöglicht ganzheitliche Erfahrungen.
    – Sport fördert soziale Interaktion.

11 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                            © 2021 Universität Tübingen
Kann Sport die biopsychosozialen Corona-Folgen
kompensieren?

12 | Prof. Dr. Ansgar Thiel           © 2021 Universität Tübingen
Körperliche Aktivität als Risikofaktor bei Covid-19
Covid-19: Organ-/Systembeteiligung jenseits der Lunge

                                               Gupta et al. (2020) Nature Medicine 26: 1017–1032

                                   Aus: Prof. Andreas Nieß, Wissenschaftsforum WLSB, 2020

13 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                          © 2021 Universität Tübingen
Körperliche Aktivität als Risikofaktor bei Covid-19
           SARS-CoV-2 Infektion: Kardiovaskuläres Risiko beim Sport?
           Beschriebene kardiovaskuläre Manifestationen

           - Myokarditis
           - Akutes Koronarsyndrom / Myokardinfarkt
           - Thromboembolische Ereignisse (Peripherie, Lunge)
           - Endothelitis mit zentralen, renalen und pulmonalen Mikroembolien
             Madjjid et al., JAMA Cardiol. 2020 Mar 27; Schellhorn et al., Eur Heart J. 2020 May 20; ehaa448

            Fallberichte mit Auftreten einer schweren Myokarditis und/oder
            plötzlichem Herztod bei ambulant behandelten Patienten*innen
            beschreiben
                                                                                                    Kochi et al., 2020

            13

      à Nach Covid-19-Erkrankung (auch bei milder Symptomatik) vor Trainingsbeginn ärztliche Untersuchung!!!

                                                                                                Aus: Prof. Andreas Nieß, Wissenschaftsforum WLSB, 2020

14 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                                                                © 2021 Universität Tübingen
Körperliche Aktivität als Risikofaktor bei Covid-19
Übertragung beim Sport durch virushaltige Aerosole?

•     Hohes Atemminutenvolumen im Sport als Infektionsrisiko (Prof. Andreas Nieß,
      Wissenschaftsforum WLSB, 2020)
    – Infizierte Personen sind bei körperlicher Belastung möglicherweise besonders starke Virusquellen.
    – Ein erhöhtes Infektionsrisiko bei körperlichen Belastungen in geschlossenen Räumen
      (Fitnessstudio, Hallensport) wird angenommen. Daten sind hier allerdings widersprüchlich.
    – Tatsächliche Virusübertragung über Sport und Bewegung ist bisher noch nicht endgültig geklärt.

15 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                   © 2021 Universität Tübingen
Körperliche Aktivität als Schutzfaktor bei Covid-19
Körperliche Fitness und Covid-19

•     Geringe Fitness als Risikofaktor
    – Geringe Fitness verstärkt Risikofaktoren wie Alter, Adipositas und Diabetes mellitus.
•     Verbesserung der Fitness als Schutzfaktor
    – Regelmäßige körperlicher Aktivität könnte die Immunantwort auf Infektionen auch bei COVID-19
      verbessern.
    – Körperliche Aktivität und Fitness haben hohes präventives Potenzial bei chronischen Krankheiten,
      die als Risikofaktoren für schwere SARS-Cov-2-Verläufe gelten.
à Systematisches gesundheitsorientiertes körperliches Training ist gerade auch
  in Corona-Zeiten bedeutsam
    – Dies gilt für alle Altersgruppen im Hinblick auf den Infektionsschutz
    – Dies gilt insbesondere für Risikopersonen, die am anfälligsten für schwere Verläufe von SARS-Cov-
      2 sind.
Burtscher J, Millet GP, Burtscher M. (2020). Low cardiorespiratory and mitochondrial fitness as risk factors in viral infections: implications for
COVID-19. British Journal of Sports Medicine Published Online First: 24 November 2020. doi: 10.1136/bjsports-2020-103572

16 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                                                       © 2021 Universität Tübingen
Körperliche Aktivität als Schutzfaktor bei Covid-19
Sportliche Betätigung und psychische Gesundheit

•     Sport als „psychosozialer Stabilisator“
    – Zeitstabiles hohes Engagement im Sport (mindestens mittelintensiv) war in einer zweijährigen
      Längsschnittstudie Prädiktor für bessere psychische Gesundheit bei Jugendlichen (Röthlisberger et al
      1997).
    – Sport hatte in dieser Studie gesundheitspsychologisch höhere Effekte als emotionaler Rückhalt oder
      (als Belastungsfaktor) Stress (Röthlisberger et al 1997).
    – Vier Monate Training hatten eine äquivalente Wirkung wie eine medikamentöse, antidepressive
      Behandlung (sogar früher einsetzender antidepressiver Effekt) (Lukowski, 2013).
    – Je öfter pro Woche sich Jugendlichen sportlich betätigen, desto geringer waren „Suizid-Phantasien“
      (Lukowski, 2013).

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Körperliche Aktivität bei Covid – Schutz und Risiko

Das Infektionsschutzparadox

•     Sportverbote zum Schutz der Gesundheit machen potentiell krank
    – Ausgehverbote tragen einerseits zwar zum Infektionsschutz bei, andererseits werden die zu
      schützenden Menschen sozial isoliert, psychisch enorm belastet und bauen auch physisch ab
      (Nieß & Thiel, 2020).
    – Konsequenz: Infektionsschutz kann Krankheitsgefährdung oder Abbau von körperlicher und
      mentaler Fitness bedeuten

18 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                 © 2021 Universität Tübingen
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf das
Bewegungsverhalten aus?

19 | Prof. Dr. Ansgar Thiel               © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und Bewegungsverhalten

Allgemeine Veränderungen von Aktivitätsform und -orten

•     Veränderung der Sporträume
    – Wechsel der Sportart, kürzere und weniger intensive Aktivität (Brandt et al., 2020)
    – „Lokales“ Sportreiben gewinnt an Bedeutung (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2020)
    – Wegfall von „aktiven“ Wegstrecken (RKI, 2020), z.B. zur Schule
•     Veränderung der Alltagsbewegung
    – Natürlicher Bewegungsdrang wird unterbrochen (Holze, 2020).
    – Soziales und räumliches Umfeld (z.B. Aktivität der Eltern, eigenen Garten) gewinnt an Bedeutung
      aufgrund des Fehlens von Schul- und Vereinssport (Kauer-Berk, 2020).

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Covid-19 und Bewegungsverhalten

Veränderung von Bildschirm-, und Bewegungszeit

•     1. Lockdown:
    – Zunahme an Bildschirmzeit (Schmidt,… & Woll et al., 2020)
    – Zunahme von Bewegung, aber Abnahme an Sport (Schmidt,… & Woll et al., 2020).
    – Besonders aktive Jugendliche werden deutlich inaktiver.
•     2. Lockdown: (vgl. Ravens-Sieberer, 2021)
    – Gesundheitsverhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich weiter verschlechtert (mehr Süßigkeiten,
      mehr Sitzzeit).
    – Bildschirmzeit hat noch mehr zugenommen.
    – Anzahl unzureichend aktiver Kinder (bereits vor Lockdown 80%, KJSB, 2020) hat erheblich
      zugenommen.
    – Weiterer durchschnittlicher Rückgang an motorischen Fähigkeiten ist zu erwarten

21 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                  © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und Bewegungsverhalten

Gesundheitliche Risiken der Inaktivität sind erheblich

•     Langfristige gesundheitliche Folgewirkungen
    – Längerfristige Inaktivität führt zu Fitness-Einbußen, Haltungsschäden und z.T. auch zu schwerem
      Übergewicht (Gewichtszunahme bis 30kg bei Jugendlichen im Extremfall)
    – Hypercholesterinämie, Bluthochdruck, Adipositas, Diabetes Typ 2 etc. sind bei extrem inaktiven
      Heranwachsenden teilweise bereits im späten Jugendalter sichtbar (Graf et al., 2013).
    – Bewegungsmangel kann bei Heranwachsenden längerfristig erhebliche negative Einflüsse auf die
      psychische Gesundheit haben (Claussen et al., 2020).

22 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                   © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und Bewegungsverhalten

Folgen für sportliche Leistungsfähigkeit sind groß:

•     Ausdauer nimmt schneller ab als Kraft, schneller wieder auf Ausgangsniveau.
    – Insbesondere bei trainierten Kindern und Jugendlichen führt auch eine mehrmonatige Trainingspause
      nur zu geringem Abbau.
à Aber:
    – Progression des Techniktrainings, insbesondere im unteren ambitionierten Bereich der
      Heranwachsenden, wird behindert.
    – Entwicklung im kognitiven (Taktik) und motivationalen Bereich (selbständiges Training) wird stark
      behindert.
    – Gefahr des Drop-Outs steigt nach langen Pausen.

23 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                     © 2021 Universität Tübingen
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf außerschulische
und schulische Sportangebote aus?

24 | Prof. Dr. Ansgar Thiel             © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und Sport im Verein

Corona und Verein

•     Erster Lockdown führt zu Orientierungslosigkeit
    – Nachwuchssport ist fast völlig zum Erliegen gekommen
    – Online-Angebote sind eher im Fitnessbereich angesiedelt (bei 13,2% der Vereine im 1. Lockdown).
•     Zweiter Lockdown verstärkt Bedrohungserleben
    – Trotz der Entwicklung von Hygienekonzepten flächendeckende Schließung
    – 52,4% der Vereine erwarten für die kommenden zwölf Monaten eine existenzbedrohliche Lage.
    – Erwartung eines verstärkten Ausstiegs junger Menschen aus dem Sport
    – Erwartung eines verstärkten Ausstiegs von ehrenamtlichen und freiwillig Tätigen (z.B. TrainerInnen,
      Jugendwarte)

    à Vereine können Bewegungsmangel im Kindes- und Jugendalter nicht kompensieren.

     WLSB-Studie, 2020 und Wissenschaftsforum WLSB, 2020; Sportentwicklungsbericht, 2021

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Covid-19 und Sportunterricht

Corona und Sportunterricht

•     Möglichkeiten und Grenzen des Sports in der Schule
    – Im ersten Lockdown fast flächendeckender Kompletteinbruch des Sportunterrichts
    – Im zweiten Lockdown deutliche Zunahme an digitalen Sportangeboten in der Schule
    – Hoher Aufwand für Digitalangebote, Lehrende im Fach Sport werden alleine gelassen.
    – Digitale Sportangebote sind häufig Einzelübungen mit dem Ziel der Kompensation des
      Bewegungsmangels.
    – Digitale Sozialität im Sport besteht meist aus (durchaus kreativen und animierenden) Challenges (in
      der Eigenverantwortung der Schüler/innen).
    – Sport- und bewegungsbezogener Bildungsauftrag bleibt im Lockdown teilweise auf der Strecke.
    – Beratung der Schulen und Lehrenden über Infektionsrisiken und Hygienekonzepte für Sport unter
      Anwesenheit fehlt meist.

26 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                    © 2021 Universität Tübingen
Covid-19 und Sportunterricht

Birgt der Sportunterricht zwingend ein hohes Infektionsrisiko?

• Neuere Daten zu Infektionsrisiken:

  – Mehrpersonen-Büro 50% Belegung ohne Maske: R-Wert: 8,0 (Kriegel & Hartmann, 2021)
  – Supermarkt mit Maske: R-Wert: 1,0 (Kriegel & Hartmann, 2021)
  – Oberschule mit 50%-Belegung mit Maske: R-Wert: 2,9
  – Fitness-Studio 50%-Belegung ohne Maske: R-Wert: 3,4 (Kriegel & Hartmann, 2021)
  – Aber: In Fitness-Studios gab es bei bei 115 Mio. Studiobesuchen in 4.360 Anlagen in ganz Europa
    1.288 positive Fälle; R-Wert: 1,12 (Copeland et al., 2021; SafeACTiVE Study)
  – Sporthalle mit 50%-Belegung ohne Maske: R-Wert :1,5 (Kriegel & Hartmann, 2021)

  àSportunterricht im Freien?
  àSportunterricht bei Belegung mit max. 30 Personen in Sporthalle mit Lüftung und Maske?

27 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                © 2021 Universität Tübingen
Hygiene im Sport

https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Pool-Testung-auf-SARS-CoV-2koennte-Testkapazitaet-weltweit-deutlich-steigern-408183.html
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/lueftungsanlagen-100.html
https://www.sport-fuer-sachsen.de/sportnachrichten/detail/schrittweise-wiederaufnahme-des-vereinssports-ab-4-mai/
https://www.haustec.de/klima-lueftung/lueftungstechnik/trotec-mobile-luftreiniger-fuer-infektionsschutz
https://www.tus-hiltrup.de/frische-luft-die-lueftungsanlage-im-tus-zentrum/
Covid-19 und Sportunterricht - Risiken
• Annahme

  – Existierende Hygienekonzepte würden Sportunterricht auch unter körperlicher Anwesenheit
    erlauben.

29 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                              © 2021 Universität Tübingen
Warum hat es der Sport so schwer in der Corona-
Krise?

30 | Prof. Dr. Ansgar Thiel             © 2021 Universität Tübingen
Stellung des Sports in Zeiten von Corona

Politische Wahrnehmung

•     Sport scheint aus politischer Sicht eine nur wenig relevante
      Freizeitbetätigung zu sein.
    – Politik betrachtet den Sport als nur marginal bedeutsam (auch mit Blick auf Gesunderhaltung).

31 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                   © 2021 Universität Tübingen
Stellung des Sports in Zeiten von Corona

Öffentliche und politische Wahrnehmung

•     Ignorieren der negativen Folgen des Bewegungsmangels
    – Fokussierung auf akute Ansteckungsgefahr lässt Risiken des Bewegungsmangels übersehen
    – Bewegungsmangel wird nicht mit kognitiven und sozialen Defiziten in Verbindung gebracht
•     Sportunterricht wird generell zu wenig Bedeutung für Bildung zugemessen
    – Cartesianische Trennung von Körper und Geist ist in Deutschland immer noch nicht überwunden
    – Sportunterricht wird als reines Kompensationssetting angesehen
    – Bildungsgehalt des Sports (auch mit Blick auf gesundes Verhalten) wird ignoriert
    – Fachübergreifendes Potential der Wissensvermittlung und Kompetenzaneignung über Sport und
      Bewegung wird in der Schule immer noch nicht flächendeckend anerkennt.

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Ausblick: Was kann man von Corona lernen?
Sportunterricht braucht mehr Rückendeckung

•     Was kann man von Corona lernen?
    – Politischer Druck der Vertreter des Sports muss größer werden.
    – Lehrende müssen ihre Innovationsfähigkeit sichtbarer machen, brauchen dabei aber Unterstützung.
       à Lehrende könnten proaktiv kreative Lösungen für Angebote und Sportstättennutzung erarbeiten.
       à Politik muss Ideenwettbewerbe ausloben.

    Wenn alles gut läuft:
    à Pandemie kann zu Modernisierungssprüngen führen, auch beim Sportunterricht.

    Aber:
    à Politik muss eine Art „Goldenen Plan der Aktivierung nach Corona“ entwickeln.

33 | Prof. Dr. Ansgar Thiel                                                                             © 2021 Universität Tübingen
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                                Kontakt:

                                Prof. Dr. Ansgar Thiel
                                Institut für Sportwissenschaft,
                                Wilhelmstraße 124, 72074 Tübingen
                                Telefon: +49 7071 29-78417
                                Telefax: +49 7071 29-2078
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34 | Prof. Dr. Ansgar Thiel; Institut für Sportwissenschaft         © 2020 Universität Tübingen
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