Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeiten wir jeden Tag daran, das Leben für Kinder, Jugendliche, Frauen, Familien, Seniorinnen und Senioren und die Engagierten in unserem Land besser zu machen. Damit wir das auch in Zukunft tun können, bitten wir regelmäßig Expertinnen und Experten um Analysen und Empfehlungen. So entstehen die Berichte der Bundesregierung für fünf große Politikfelder: der Engage- mentbericht, der Familienbericht, der Altersbericht, der Gleichstellungs bericht sowie der Kinder- und Jugendbericht. Das Thema des 16. Kinder- und Jugendberichts ist die Förderung demokrati- scher Bildung im Kindes- und Jugendalter. Damit lenkt dieser Bericht die Aufmerksamkeit auf einen nach meiner Überzeugung besonders wichtigen Bildungsbereich – mit dem fortwährenden Auftrag, junge Menschen für die Demokratie zu gewinnen und zu befähigen. Auf rund 600 Seiten liefert der 16. Kinder- und Jugendbericht detaillierte Erkennt- nisse über die vielfältigen sozialen Räume, in denen junge Menschen politische Bildung erleben. Ob in der Familie, in Kita, Schule und Ausbildung, in außerschu- lischen Jugendbildungsstätten; beim politischen oder gesellschaftlichen Engage- ment oder auch in der Bundeswehr – politische Bildung findet in der gesamten Kindheit und Jugend statt. Viele Beteiligte tragen Verantwortung für zeitgemäße und jugendgerechte Angebote. Gleichzeitig schildert der Bericht die Herausforde- rungen, mit denen unsere Demokratie konfrontiert ist, und er fordert ein klares Bekenntnis der Politik: Eine an Demokratie und Menschenrechten orientierte politische Bildung ist unverzichtbar. 3
Der 16. Kinder- und Jugendbericht schafft eine ausgezeichnete Grundlage, um die politische Bildung für junge Menschen zu bilanzieren und weiterzuentwickeln. In dieser Broschüre haben wir die zentralen Erkenntnisse und Empfehlungen für Sie zusammengefasst. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Mit freundlichen Grüßen Dr. Franziska Giffey Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 4
Inhalt Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? 7 Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts 11 Politische Bildung ist demokratische Bildung 15 Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt 19 Politische Bildung ist ein Recht aller jungen Menschen 29 Politische Bildung ist mehr als Extremismusprävention 30 Politische Bildung ist transnational 31 Politische Bildung und politische Mitsprache gehören zusammen 32 Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik 33 Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung 35 Die Beteiligung junger Menschen am Kinder- und Jugendbericht 37 Mitglieder der Sachverständigenkommission für den 16. Kinder- und Jugendbericht 39 Die Kinder- und Jugendberichterstattung der Bundesregierung 41 Bestellung und Download der Kinder- und Jugendberichte 43 5
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? Demokratie braucht mehr demo- kratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? Der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundes Demokratie muss immer wieder aktiv praktiziert regierung richtet die Aufmerksamkeit auf die und vertreten werden, junge Menschen müssen Förderung demokratischer Bildung im Kindes- für die Demokratie gewonnen und zur Demo und Jugendalter. Es ist das erste Mal, dass ein kratie befähigt werden. Demokratische Bildung Kinder- und Jugendbericht sich in dieser Breite richtet sich an alle: an diejenigen, die Interesse mit dem Thema befasst. Damit macht die Bundes- haben, aber weiteres Wissen sowie Erfahrung be- regierung deutlich, dass sie eine besondere Ver- nötigen, an diejenigen, die sich bislang kaum für antwortung von Politik, Fachpraxis und Gesell- gesellschaftliche und politische Themen interes- schaft für die politische Bildung junger Menschen sieren, und auch an diejenigen, die mit extremis sieht. Sie greift dabei zugleich eine Forderung des tischen, rassistischen und demokratiefeindlichen 15. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregie- Gedanken sympathisieren. rung auf. Dieser hatte sich mit den Herausforde- rungen der Lebensphase Jugend beschäftigt und Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung mit Nachdruck für eine deutlich verstärkte politi- eine unabhängige Sachverständigenkommission sche Bildung mit neuen, attraktiven Formen der gebeten, das breite Feld der demokratischen Bil- Vermittlung demokratischer Werte und Praktiken dung im Kindes- und Jugendalter zu beschreiben, plädiert. Entwicklungsbedarfe aufzuzeigen und Empfeh- lungen zu formulieren. Die Kommission sollte dabei soweit als möglich den aktuellen Forschungs- stand aufbereiten. 7
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? Darüber hinaus sollten alle Altersgruppen, von Die Sachverständigenkommission für den Kindern bis zu jungen Erwachsenen, und die 16. Kinder- und Jugendbericht sieht die Demo unterschiedlichen Gelegenheiten und Angebote kratie als Lebensform (im Sinne einer Kultur des politischer Bildung berücksichtigt werden: Funda- sozialen Zusammenlebens), als Gesellschaftsform mente demokratischen Verhaltens werden bereits (im Sinne einer demokratischen Zivilgesellschaft im Kindesalter gelegt und dort unter anderem und einer freien und vielfältigen Öffentlichkeit) durch Institutionen der frühkindlichen Bildung sowie als Herrschaftsform (im Sinne eines Staats, vermittelt. Gleichermaßen zu betrachten waren dessen Funktionen und Aufgaben auf politischer alle weiteren relevanten Bildungskontexte unter Gleichheit und politischen Beteiligungsrechten dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe, die schu der Bevölkerung basieren) durch tiefgreifende ge- lische (Ganztags-)Bildung, die berufliche und sellschaftliche Entwicklungen herausgefordert. hochschulische Bildung sowie programm- und Diese Entwicklungen, im Bericht als „Megatrends“ projektförmige Angebote. Eine besondere Akzen- bezeichnet, beeinflussen nicht nur das Aufwach- tuierung sollte auf der außerschulischen Jugend- sen junger Menschen, sondern prägen auch das bildung und der Jugend(verbands)arbeit liegen. „gesellschaftliche Aufgabenportfolio für die heuti- Der Bericht sollte auch Aussagen über die demo- ge junge Generation“ (Kapitel 1). Gleichzeitig er- kratiebildenden Einflüsse von Familien, von weisen sie sich als Herausforderungen für die gleichaltrigen jungen Menschen und von digi politische Bildung. Im Bericht näher beschrieben talen Medien treffen. werden die Ambivalenzen der Globalisierung, der Klimawandel und die Umweltzerstörung, Flucht Die Sachverständigenkommission für den und Migration, die Ambivalenzen der Digitalisie- 16. Kinder- und Jugendbericht ist diesem Auftrag rung, die Folgen des demografischen Wandels nachgekommen und liefert eine differenzierte sowie Aufrüstung und Krieg(sgefahr). Zusammenschau der unterschiedlichen sozialen Räume – einschließlich der digitalen Welten, in Zudem sieht der Bericht die Demokratie mit denen junge Menschen politische Bildung erleben. Herausforderungen und Krisenphänomenen kon- Zugleich schlägt der Bericht Brücken zwischen frontiert, die „mit unterschiedlichem Ausmaß ihre den Praxisfeldern und Angeboten politischer Substanz gefährden könnten“ (Kapitel 1). Dazu Bildung, markiert Gemeinsamkeiten und Unter- gehören vor allem jene Gruppierungen, die die schiede und benennt die absehbaren Heraus Demokratie ablehnen, sie unterhöhlen oder sie forderungen. sogar offen angreifen. In den Sozialwissenschaften 8
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? wird in diesem Zusammenhang mitunter etwas sperrig, aber zutreffend von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von pauschalisierenden Ablehnungskonstruktionen, von autoritärem Nationalismus, Rechtsextremismus und -populis- mus sowie religiös kontextualisierten Demokratie- gefährdungen gesprochen. Verwiesen wird auch auf den Linksextremismus und den in der Öffent- lichkeit immer wieder sogenannten Islamismus – wobei die Kommission deutlich macht, dass beide Begriffe nicht unumstritten sind. Außerdem widmet sich der Bericht verbreiteten Phänomenen, die für die repräsentative Demo kratie eine ernst zu nehmende Herausforderung darstellen, weil sie ihre Glaubwürdigkeit und Geltung infrage stellen. Dazu gehören eine Ver- drossenheit gegenüber Parteien sowie gegenüber Politikerinnen und Politikern und ein Gefühl eigener politischer Machtlosigkeit. 9
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden? 10
Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts Auf einen Blick: zentrale Erkennt- nisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts Um ihre Aufgaben in Anbetracht der benannten Pluralismus, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausfor- Gewaltenteilung und Minderheitenschutz orien- derungen erfüllen zu können, braucht die politi- tiert (Kapitel 2). Der 16. Kinder- und Jugendbericht sche Bildung im Kindes- und Jugendalter zweifel- fordert die Unterstützung und ein deutliches Be- los mehr Gewicht. Entsprechend fordert der kenntnis der politisch Verantwortlichen zu einer Bericht eine Aufwertung und Stabilisierung des an Demokratie und Menschenrechten orientier- Praxisfeldes sowie eine breitere Verankerung ten politischen Bildung. politischer Bildung für junge Menschen. 2. Politische Bildung findet während der Die Sachverständigenkommission für den gesamten Kindheit und Jugend statt. 16. Kinder- und Jugendbericht formuliert folgende Junge Menschen erleben politische Bildung in zentrale Erkenntnisse und damit verbundene sehr verschiedenen, für das Aufwachsen wichtigen Empfehlungen: sozialen Räumen und alltäglichen Bezügen, von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenen- 1. Politische Bildung ist demokratische Bildung. alter. Viele Akteurinnen und Akteure tragen Ver- Politische Bildung kann nicht neutral sein, denn antwortung für zeitgemäße und jugendgerechte die Orientierung junger Menschen an demokrati- Angebote. Der Bericht analysiert politische Bil- schen Werten und die Entwicklung kritischer dung unter anderem in Familie, Kindertagesbe- Urteilskraft ist ihr vornehmstes Ziel. Politische treuung, Schule und Ganztagsbildung, beruflicher Bildung ist demnach ein Prozess der Bildung von Bildung, Hochschulen, Kinder- und Jugendarbeit, Mündigkeit, der sich am „unhintergehbaren Kern“ parteinaher Jugendbildung, Protesten und sozia- der Demokratie mit Prinzipien wie Gleichheit, len Bewegungen, Freiwilligendiensten, Bundes- 11
Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts wehr und Medien beziehungsweise digitalen 4. Politische Bildung ist mehr als Extremismus- Welten. Politische Bildung besteht dabei nicht nur prävention. im Erwerb von Wissen über politische und gesell- Der 16. Kinder- und Jugendbericht wendet sich schaftliche Institutionen und ihre Funktionen; gegen eine Verkürzung des Auftrags der politi- politische Bildung ist also mehr als ein theoreti- schen Bildung auf Extremismusprävention. Denn scher Lernstoff. Sie wird vielmehr verstanden als darin besteht die Gefahr, dass zentrale Prinzipien ein vielschichtiger Bildungsprozess, der neben politischer Bildung aufgegeben werden: vor allem, dem Wissenserwerb Erfahrungen und Emotionen, ergebnisoffene Angebote für alle jungen Men- praktisches Handeln und die Aneignung der eige- schen zu machen, die an ihren Ressourcen (und nen Welt miteinschließt. Letztendlich geht es nicht an ihren Defiziten) ansetzen. um die Ausbildung politischer Analyse-, Urteils- und Handlungsfähigkeit. 5. Politische Bildung ist transnational. Der 16. Kinder- und Jugendbericht kritisiert, dass 3. Politische Bildung ist ein Recht aller jungen politische Bildung zu häufig allein in national- Menschen. staatlichen Kategorien gedacht wird und plädiert Das Recht junger Menschen auf politische Bildung für mehr transnationale Bildungserfahrungen. lässt sich aus geltendem Recht ableiten, muss je- Das gilt insbesondere mit Blick auf Europa. Dabei doch verbindlicher eingelöst und stärker veran- gilt es, die Stärken und Vorteile der europäischen kert werden – zum Beispiel in allen Landesverfas- Einigung ebenso zu würdigen wie die aktuellen sungen und in Gestalt der UN-Kinderrechte im Herausforderungen kritisch zu diskutieren. Grundgesetz. Zudem sollten Organisationen jun- ger Menschen mit Migrationsbiografien, People 6. Politische Bildung und politische Mitsprache of Color und postmigrantische Akteurinnen und gehören zusammen. Akteure als Anbieterinnen und Anbieter politi- Eine fundierte politische Bildung in Verbindung scher Bildung stärker anerkannt und ausgebaut mit wirkungsvollen Beteiligungsmöglichkeiten werden. Für junge Menschen mit Behinderungen trägt dazu bei, junge Menschen für die Demo und Beeinträchtigungen muss die barrierefreie kratie zu gewinnen und zu befähigen. Beteiligung Teilhabe an politischer Bildung zur weithin überall dort, wo junge Menschen aufwachsen, etablierten Realität werden. ist ein zentrales und unverzichtbares Prinzip. 12
Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts Empfohlen wird eine Absenkung des gesetzlichen Darüber hinaus bemängelt der Bericht fehlende Wahlalters auf allen Ebenen auf 16 Jahre. Zudem Mitwirkungsmöglichkeiten für junge Menschen in müssen Erfahrungen mit Beteiligung immer auch Krisensituationen und eine verkürzte Sichtweise daraufhin bedacht werden, was junge Menschen auf junge Menschen in ihrer Rolle als Schülerin- lernen, wenn sie sich politisch beteiligen. nen und Schüler. Auch wird auf die existenziellen Herausforderungen für die Träger und Einrich- 7. Politische Bildung für junge Menschen tungen außerschulischer politischer Bildung ist Jugendpolitik. verwiesen. Politische Bildung muss die Rechte, aber auch die Lebenswelten und Interessen junger Menschen Der Bericht identifiziert zudem Lernanlässe, berücksichtigen – im öffentlichen Diskurs und die sich für die politische Bildung aus der Pande- in ihren eigenen Angeboten. Zudem weist der mie ergeben – zum Beispiel mit Blick auf die Bericht auf die Unterschiede zwischen Jugend- Grundrechte und die Möglichkeiten ihrer Ein- und Erwachsenenbildung hin und empfiehlt schränkung in Notstands- und Seuchenschutz dringend, die fachliche Eigenständigkeit politi- situationen. Auch die Europäische Union und scher Bildung für junge Menschen zu stärken Nationalstaatlichkeit in Krisenzeiten sind im und weiterzuentwickeln. Rahmen politischer Bildung zu debattieren ebenso wie zum Beispiel die Rolle demokratischer 8. Corona schafft Herausforderungen und und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten. Zum Lernanlässe für politische Bildung. Thema gemacht werden müssen auch Anknüp- Die Corona-Pandemie und die Strategien zu fungsmöglichkeiten und Ausbreitungsprozesse ihrer Bewältigung werden im Bericht als „Stress- von Verschwörungstheorien im Rahmen pande- test für die offene demokratische Gesellschaft“ mischer Ereignisse. (Kapitel 1 und 16) bezeichnet. Als Herausforderun- gen für die politische Bildung werden vor allem eingeschränkte und ungleiche Bildungschancen benannt. Auch der mit der Pandemie verbundene Digitalisierungsschub in den verschiedenen Bil- dungskontexten wird durchaus kritisch gesehen. 13
Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts 14
Politische Bildung ist demokratische Bildung Politische Bildung ist demokratische Bildung Wenn ganz selbstverständlich von Politik, von Diesem Verständnis von Politik stellt die Kommis- Demokratie, von Bildung oder auch von politi- sion einen dreidimensionalen Demokratiebegriff scher beziehungsweise demokratischer Bildung zur Seite: die Rede ist, bleibt häufig unklar, was genau gemeint ist. Es ist ein Verdienst des 16. Kinder- 1. Mit der formalen Dimension der Demokratie und Jugendberichts, angesichts der meist schil- gemeint ist die Art und Weise, wie jeweils allge lernden Verwendung dieser einschlägigen Begriffe mein verbindliche Regeln zustande kommen hilfreiche Klärungsvorschläge gemacht zu haben. und festgelegt, gegebenenfalls auch infrage gestellt werden. Der Blick wird dabei vor allem Demnach kann Politik verstanden werden als auf Verfahrensaspekte wie Beteiligung, Reprä- „Gesamtheit der Aktivitäten und Strukturen, die sentation, Wettbewerb verschiedener Konzepte auf die Herstellung, Durchsetzung und Infrage und Diskursivität gelegt. stellung allgemein verbindlicher und öffentlich relevanter Regelungen in und zwischen Gruppie- 2. Mit der substanziellen Dimension werden die rungen von Menschen abzielt“ (Kapitel 2). Die unhintergehbaren demokratischen Prinzipien Betonung liegt dabei auf den gemeinsam geschaf- in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. fenen beziehungsweise zu schaffenden Regelun- Von Bedeutung sind hierbei vor allem das gen. Dabei ist mitzudenken, dass es im politischen Gleichheitsprinzip, die Rechtsstaatlichkeit, die Prozess immer auch um den Gewinn und Erhalt Gewaltenteilung und damit die Begrenzung von Macht zur Durchsetzung von Interessen geht von Macht, die Menschenrechte und der und dass das Ringen der politischen Akteurinnen Schutz von Minderheiten sowie die Anerken- und Akteure auch die Bearbeitung sozialer nung von Pluralität. Konflikte bedeutet. 15
Politische Bildung ist demokratische Bildung 3. Die prozesshafte Dimension weist darauf hin, Stärkung von Toleranz gegenüber anderen Mei- dass Demokratie nicht nur eine historische nungen und Lebensformen, die Befähigung zu Errungenschaft darstellt, sondern dass Demo- Kompromissen und zur Akzeptanz mehrheitlicher kratie selbst historischen Wandlungsprozessen Entscheidungen bei Wahrung von Minderheiten- und Veränderungen unterliegt und deshalb rechten und rechtsstaatlichen Prinzipien gehören immer neu ausgehandelt werden muss dazu. Der Bericht fordert die Unterstützung und (Kapitel 2). ein deutliches Bekenntnis der politisch Verant- wortlichen zu einer an Demokratie und Men- Der Bericht lotet auch die Begriffe Bildung, Erzie- schenrechten orientierten politischen Bildung. hung, Aneignung, Lernen, Didaktik und Sozialisa- tion aus. Die politische Sozialisation wird dabei Der Staat trägt zur Reproduktion seiner eigenen „als das lebenslange – bewusste und unbewusste – politisch-kulturellen Voraussetzungen bei, indem Lernen und als die Persönlichkeitsbildung der er zivilgesellschaftliche Angebote zur politischen Individuen in Bezug auf den Gegenstand ‚Politik‘ Bildung fördert, denn diese spiegeln die weltan- gefasst“ (Kapitel 2). Dieses Verständnis politischer schauliche und parteiliche Vielfalt der Gesellschaft Sozialisation zieht sich gleichsam als roter Faden wider. Gerade angesichts gesellschaftlicher Spal- durch den Bericht und bezeichnet einen sich über tungstendenzen ist es wichtig, Räume und Foren die gesamte Kindheit und Jugend sowie das junge für den Austausch über gemeinsame Fragen des Erwachsenenalter erstreckenden Prozess. Zusammenlebens zu fördern. Wichtig sind dabei klare Leitplanken, wie sie bereits 1976 als Ergebnis Vor dem Hintergrund einer Definition von Bil- einer politikdidaktischen Tagung im Beutels dung als Prozess von Vermittlung und (Selbst-) bacher Konsens vereinbart wurden, also: Aneignung konturiert der Bericht die Konzepte „politische Bildung“ und „demokratische Bildung“ 1. Überwältigungsverbot (keine Indoktrination), und kommt zu dem Schluss, dass eine klare Ab- grenzung nicht zielführend ist. Vielmehr wird die 2. Kontroversitätsgebot (Beachtung kontroverser Orientierung junger Menschen an demokrati- Positionen), schen Werten und die Entwicklung kritischer Urteilskraft zum vornehmsten Ziel politischer 3. Befähigungsauftrag (Befähigung der Lernen- Bildung erklärt. Politische Bildung ist demnach den, politische Situationen zu analysieren, ihre ein Prozess der Bildung von Mündigkeit. Das eigenen Interessen zu erkennen und diese Erlernen einer offenen Diskussionskultur, die Interessen auch zu vertreten). 16
Politische Bildung ist demokratische Bildung Politische Bildung soll demnach den an den Prinzipien des Grundgesetzes orientierten, enga- gierten und offenen Austausch fördern, dabei auch antidemokratische oder menschenfeindliche Aussagen benennen und Kinder und Jugendliche in ihrer Widerstandskraft gegenüber entsprechen- den Strömungen stärken. Im Unterschied zur plural zivilgesellschaftlichen sollte sich staatlich verantwortete politische Bil- dung weltanschaulich und parteipolitisch nicht positionieren. Politische Bildung ist deshalb aber nicht neutral oder gar auszuklammern. Im Gegen- teil: Die staatlich verantwortete politische Bildung ist angehalten, für die demokratischen Prinzipien, die Menschenrechte und ihre grundrechtlichen Konkretisierungen einzutreten. 17
Politische Bildung ist demokratische Bildung 18
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Junge Menschen erleben politische Bildung in lich beeinflussbar und müssen daher differenziert sehr verschiedenen, für das Aufwachsen wichtigen betrachtet werden. sozialen Räumen, von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Mit sozialen Räumen Politische Bildung besteht nicht nur darin, Wissen weniger gemeint sind – wie man vielleicht vermu- über demokratische Institutionen und ihre Wir- ten würde – konkrete, geografisch-physikalische, kungszusammenhänge zu erwerben, sondern gleichsam abgegrenzte Örtlichkeiten oder Orga politische Bildung muss dazu beitragen, dass nisationen. Vielmehr geht es darum, wie junge junge Menschen eine demokratische Haltung, Menschen und andere Akteurinnen und Akteure eine eigene begründete Meinung und eine Bereit- in den jeweiligen sozialen Räumen handeln, wie schaft sowie die Fähigkeit entwickeln, sich zu sie sie (mit-)gestalten und für sich nutzen. Nicht beteiligen und demokratisch zu engagieren. Der das Klassenzimmer als solches interessiert, son- 16. Kinder- und Jugendbericht untersucht deshalb dern die Prozesse, die darin stattfinden; diese sind nicht nur, inwiefern Demokratie Gegenstand in einerseits in einer bestimmten Weise vorgeprägt den Bildungsangeboten ist; der Blick wird auch und müssen andererseits auch mit Leben gefüllt auf die Frage gelenkt, wie demokratisch die und mitgetragen werden. Dieser Ansatz rückt die Bildungsstrukturen selbst sind beziehungsweise Erfahrungen, die Themen und das Handeln von ob die Räume eher hierarchisch und funktional Kindern und Jugendlichen in den verschiedenen strukturiert sind und welche Beteiligungsmög- Räumen in den Mittelpunkt und weist immer lichkeiten sie eröffnen oder versperren. Ein ebenso auch auf die Grenzen und Konflikte hin, die sich wichtiger Aspekt ist die Frage, inwiefern junge daraus gegebenenfalls ergeben. Auch wenn es viele Menschen ihre Lernprozesse selbst gestalten oder Überschneidungen zwischen diesen Räumen gibt, sogar als politisch Handelnde auftreten. sind sie doch fachlich und politisch unterschied- 19
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Auf diese Weise ermöglicht der Bericht eine nehmen Einfluss auf ihre politischen Orientie präzisierte Fachdiskussion und liefert erstmalig rungen und Verhaltensweisen, wenn beispiels eine umfassende und gleichsam systematische weise persönliche Erlebnisse der Großeltern- und Betrachtung der sozialen Räume junger Men- Elterngeneration weitergegeben werden. schen, in denen politische Bildung stattfindet. Der Bericht schließt sich der Kritik daran an, dass Bildungschancen in Deutschland nach wie vor zu Familie stark an die Bildungshintergründe der Eltern und die Lebensumstände der Familie gekoppelt sind. Der Familie kommt für das Aufwachsen junger Das hat auch Folgen hinsichtlich der Frage, welche Menschen eine wesentliche Rolle zu. Und das gilt für die eigene politische Haltung wichtigen Erfah- auch für die politische Bildung. Besonders in den rungen Kinder und Jugendliche in ihren Familien ersten Lebensjahren ist die Familie der zentrale machen (können). Ort für die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern. Eltern initiieren Lernprozesse im Alltag Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, und legen den Grundstein für den weiteren dass es bei der Unterstützung und Begleitung des Lebens- und Bildungsweg ihrer Kinder. Zugleich Familienalltags – zum Beispiel durch die Angebote sind Kinder in unterschiedliche Bildungszusam- der Familienbildung – noch unausgeschöpfte menhänge und -einrichtungen eingebunden Möglichkeiten gibt. Über die vertrauten Themen (zum Beispiel Kindertagesbetreuung, Schule), die wie gewaltfreie Erziehung, demokratische Erzie- partnerschaftlich mit Familien zusammenarbeiten hungsstile und Stärkung der Selbstwirksamkeit sollten. hinaus wäre zu diskutieren, welche Angebote die Familien und ihre Netzwerke jeweils bräuchten, Der Einfluss von Familien auf die politische Sozia- um so etwas wie einen demokratischen Alltag lisation junger Menschen beginnt bei der Heraus- leben zu können. In diesem Zusammenhang sei es bildung grundlegender Werte und Haltungen, wie auch wichtig, Eltern und Familien zu betrachten, zum Beispiel Rücksicht, Solidarität, Anteilnahme die von antidemokratischen Orientierungen und und Umgang mit Fremdem. Kinder und Jugend- damit einhergehenden Verhaltensweisen ihrer liche machen im Familienalltag aber auch konkre- Kinder betroffen sind oder selbst extremistische te Erfahrungen von Mitbestimmung und Familien Einstellungen vertreten. 20
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Kindertagesbetreuung Schule und Ganztags- Unabhängig von den Möglichkeiten in den Eltern- bildung häusern fördert frühkindliche Bildung die Ent- wicklung der Kinder und trägt zu gleichen Start- Schule ist die pädagogische Institution, die im bedingungen und Teilhabechancen von Anfang Bildungsverlauf von allen Kindern und Jugend- an bei. Die Kindertagesbetreuung hat als erster lichen durchlaufen wird; damit kommt ihr eine Bildungs- und Erziehungsort außerhalb der Schlüsselrolle bei der Vermittlung politischen Familie auch den Auftrag, Kinder auf das Zusam- Wissens und demokratischer Werte zu. Schule menleben in einer vielfältigen, demokratisch zählt zu den zentralen Orten demokratischer verfassten Gesellschaft vorzubereiten. Bildung: in Form eines speziell ausgewiesenen Unterrichtsfachs, als Querschnittsaufgabe in allen In Kindertageseinrichtungen und der Kinder Fächern, als Bildungsprinzip der Schule und als tagespflege werden erste Grundsteine für demo- Strukturprinzip im Rahmen einer demokrati- kratische Bildung gelegt. Wichtig dabei ist, dass schen Schulentwicklung. Kinder ernst genommen werden, dass ihre Rechte geachtet werden und dass ihre Anliegen Gehör Der 16. Kinder- und Jugendbericht attestiert der finden. Die Erfahrung, selbstwirksam sein zu Schule in allen Bereichen politischer Bildung können und anerkannt zu werden, ist dabei Defizite. So wird darauf hingewiesen, dass politi- zentral. Dazu gehört, dass Kinder im Alltag betei- sche Bildung in den einzelnen Bundesländern mit ligt werden und erleben, dass sie ihn mitgestalten unterschiedlichem Stundenumfang und zu häufig können. Kinderrechte, Demokratiebildung und fachfremd unterrichtet wird. Empfohlen wird die Partizipation sollten daher fester Bestandteil des Sicherstellung einer Mindeststundenzahl von pädagogischen Alltags sein und entsprechende zwei Wochenstunden in allen weiterführenden Gewichtung in den Bildungsplänen der Länder, Schularten durchgängig von Klasse 5 bis 10 sowie in der Ausbildung von Fachkräften sowie bei der eine Überarbeitung der inhaltlichen Bildungs Qualitätssicherung und -entwicklung früher vorgaben. Auch in Grundschulen werden die Bildung finden. Möglichkeiten politischer Bildung bislang nicht ausreichend genutzt. Zudem sollte politische 21
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Bildung Bestandteil der Ausbildung aller Lehr- Unterricht in politischer Bildung haben als Gym- kräfte unabhängig von ihren gewählten Fächern nasiastinnen und Gymnasiasten. Dass Schülerin- sein. Außerdem sollte die Einstellung von Lehr- nen und Schüler je nach Bundesland und Schulart kräften für Sachunterricht, Politik und Geschichte einen geringeren oder größeren Anteil an politi- ebenso vorangetrieben werden, wie dies in den scher Bildung erfahren, ist aus Sicht der Kommis- letzten Jahren für die sogenannten MINT-Fächer sion nicht vereinbar mit der Bedeutung dieses erfolgte. Fachs und dem Recht aller jungen Menschen auf politische Bildung. In einigen Bundesländern wird der politischen Bildung auch in den Sekundarstufen I und II im Politische Bildung in und an Schule ist aber nicht Gymnasium sehr wenig Unterrichtszeit gewährt allein auf den Unterricht beschränkt; genauso und drei Viertel der Bundesländer sehen für die wichtig dafür ist auch eine demokratische Schul- Jahrgangsstufen 5 und 6 überhaupt keine politi- kultur einschließlich wirksamer Mitbestimmung sche Bildung vor. Zum Teil beginnt der entspre- durch die Schülerinnen und Schüler. chende Unterricht erst in Klasse 9 oder sogar 10. Die Kommission kritisiert, dass in neun Bundes- Eine besondere Herausforderung besteht darin, ländern Schülerinnen und Schüler der nicht politische Bildung nachhaltig in Ganztagsschulen gymnasialen Sekundarstufe I derzeit weniger zu verankern. Zu den unterrichtlichen Inhalten, wie sie die Lehrpläne vorsehen, kommen hier Angebote am Nachmittag. Dafür ist nicht nur eine verstärkte Kooperation zwischen außerschuli- schen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und Schulen nötig, sondern auch die Entwicklung neuer Formate – vor allem in der Grundschule. So kann die politische Kinder- und Jugendbildung über Projekttage, Projektwochen oder andere zeitlich befristete Angebote hinaus zum Tragen kommen. 22
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Berufliche Bildung Hochschulen Zwischen politischer und beruflicher Bildung An Hochschulen findet politische Bildung nicht besteht ein enger Zusammenhang, der sich gerade nur dort statt, wo etwa Politikwissenschaften oder für junge Menschen beim Berufseinstieg mit Geschichte studiert wird. Um Hochschulen als konkreten politischen Fragen, etwa zum Steuer- politische (Bildungs-)Räume zu stärken, empfiehlt system und zur Steuerverwendung sowie zur der 16. Kinder- und Jugendbericht ausreichend sozialen Sicherung, verbindet. Die in den Rahmen- Freiräume für eigene politische Bildungserfah lehrplänen der Kultusministerkonferenz für die rungen der Studierenden, eine verfasste Studie- beruflichen Schulen durchaus vorgesehene politi- rendenschaft, eine stärkere Beteiligung der akade- sche Bildung steht in der Praxis und im Rahmen mischen Selbstverwaltung in studentischen der Abschlussprüfungen jedoch zu sehr im Angelegenheiten und ein allgemeinpolitisches Schatten der beruflichen Ausbildungsfächer. Mandat der Studierendenvertretungen. Die Kom- mission empfiehlt zudem, politische Bildung in Große Bedeutung für (arbeits-)politische Bildung den Curricula aller Studiengänge zu verankern. haben Gewerkschaften, die sich nicht auf betrieb- Außerdem sieht sie es als Aufgabe der Hochschu- liche Interessenvertretung beschränken. Es ist len an, sich als offene Räume, in denen gesell- wichtig, diese Angebote stärker auch auf junge schaftliche Konflikte verhandelt werden, zu be- Menschen in nicht tariflich gebundenen Kleinbe- greifen und dafür angemessene Grundsätze und trieben, befristet Beschäftigte, junge Erwachsene Umgangsweisen zu entwickeln. ohne qualifizierten Schulabschluss und Ausbil- dung sowie Jugendliche in Übergangssystemen Mit Blick auf die Forschung und Lehre über auszurichten. Vor dem Hintergrund der in den politische Bildung und Demokratiebildung stellt Bundesländern unterschiedlich geregelten die Kommission fest, dass sie nicht systematisch Rechtsansprüche auf Bildungsurlaub empfiehlt und in sehr unterschiedlichen Wissenschaftsdiszi- der Bericht zudem ein Bundesweiterbildungs plinen erfolgt und dass ein kontinuierlicher und gesetz mit bundesweit geltenden Freistellungs umfassender Austausch zwischen Wissenschaft ansprüchen zu (politischen) Bildungszwecken. und Praxis fehlt. Das gilt insbesondere für das Feld der außerschulischen politischen Bildung und für interdisziplinäre Themen (zum Beispiel politische Medienbildung). 23
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Kinder- und Jugend- 16. Kinder- und Jugendbericht bemängelt jedoch eine schwach ausgeprägte Kooperation sowie arbeit gegenseitige Kenntnis- und Bezugnahme. Vor dem Hintergrund einer zurückgehenden Zahl der Ein- Der 16. Kinder- und Jugendbericht widmet der richtungen der außerschulischen politischen Kinder- und Jugendarbeit und ihren unterschied- Jugendbildung, insbesondere der Jugendbildungs- lichen Angebotsformen einen breiten Raum und stätten, wird empfohlen, neben den befristeten spricht ihr einen großen Beitrag zur politischen Förderprogrammen wie „Demokratie leben!“ Bildung von Kindern und Jugendlichen zu. auch die etablierten und rechtlich abgesicherten Regelstrukturen in diesem Bereich auszubauen. Die Kinder- und Jugendarbeit ist sehr vielgestaltig. Dazu gehören außerschulische Bildungsstätten, Ausführlich widmet sich der Bericht der außer- die Jugendverbände (von der Jugendfeuerwehr schulischen politischen Jugendbildung, der über Pfadfindergruppen und Umweltverbände bis Kinder- und Jugendverbandsarbeit und der hin zu politischen Jugendorganisationen), die offenen Kinder- und Jugendarbeit. In der Summe offene Kinder- und Jugendarbeit (zum Beispiel eröffnen diese drei Praxisfelder, wie auch die Jugendclubs und mobile Angebote im öffentlichen anderen Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit, Raum), die internationale Kinder- und Jugend- vielfältige, an den Bedarfen und Interessen der arbeit, die kulturelle Kinder- und Jugendbildung jungen Menschen orientierte Möglichkeiten der und die Kinder- und Jugendarbeit im Sport. politischen Bildung und des praktischen Erlebens Gemeinsam sind all diesen Angeboten pädagogi- von Demokratie – zum Beispiel in Form weitge- sche Ansprüche und Prinzipien wie Offenheit, hend selbst organisierter und verantworteter Freiwilligkeit, Selbst- und Mitbestimmung sowie Formen der Freizeitgestaltung. Politische Bildung Lebenswelt- und Sozialraumorientierung. Gleich- wird in diesen Feldern meist in drei Formen zeitig sind die Grenzen zwischen den verschiede- ermöglicht: als konzeptionell geplante politische nen Handlungsfeldern fließend. Bildung, als situativ anlassbezogene politische Bildung und als Ausdruck einer Praxis, die auf den Politische Bildung findet in allen Praxisfeldern der oben genannten Prinzipien, vor allem Interessen- Kinder- und Jugendarbeit statt – wenn auch mit orientierung, Freiwilligkeit und Beteiligung, deutlich unterschiedlichen Akzentsetzungen. Der basiert. 24
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Parteinahe Jugend- ihres Engagements etwa bei Fridays for Future und in den LSBTTIQ*-Bewegungen (lesbisch, bildung schwul, bisexuell, transsexuell, trans*, inter* und queer/questioning) machen. Parteien, ihre Jugendorganisationen und die parteinahen Stiftungen sind laut 16. Kinder- und Der Bericht empfiehlt, solche Engagementfor- Jugendbericht „natürliche Räume, an denen men, Organisationen und Bildungsträger, die den Politik thematisiert und gestaltet wird“. Der demokratischen Werten verpflichtet sind, stärker Bericht stellt fest, dass die politische Bildung von zu unterstützen. Vorgeschlagen wird, ihnen Platt- jungen Menschen innerhalb der Parteiarbeit eine formen zur Vernetzung und öffentliche Räume untergeordnete und bei den Parteijugendorgani- als Treffpunkte zur Verfügung zu stellen und sationen größtenteils eine instrumentelle Rolle barrierefrei zu informieren, zum Beispiel wie eine mit dem vorrangigen Ziel der Nachwuchsgewin- Demonstration angemeldet werden kann und was nung spielt. Den parteinahen Stiftungen wird dabei zu beachten ist. attestiert, dass sie einen wichtigen Beitrag für die politische Bildung von Jugendlichen und Erwach- senen leisten, jedoch zu wenig miteinander und Freiwilligendienste dem gesamten Feld der politischen Jugendbildung kooperieren. Freiwilligendienste für junge Menschen sind eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engage- ments in vielfältigen sozialen, ökologischen, Proteste und soziale internationalen und entwicklungspolitischen Einsatzfeldern. Freiwilligendienste unterliegen Bewegungen festen Regeln, sind befristet und strukturieren den Alltag der jungen Teilnehmenden. Zugleich sind Große Potenziale für die politische Bildung von die Freiwilligendienste als Lerndienste gestaltet – jungen Menschen sieht der Bericht auch in durch die praktische Arbeit in der Einsatzstelle sozialen Bewegungen und Protestformationen. ergeben sich vielfältige (politische) Bildungsmög- Beschrieben werden politische Bildungs- und lichkeiten. Lernerfahrungen, die junge Menschen im Zuge 25
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Der Freiwilligendienst setzt eine pädagogische seit 1956 gibt es eine Wehrbeauftragte beziehungs- Begleitung voraus, zum Beispiel in Seminaren zur weise einen Wehrbeauftragten des Deutschen Vor- und Nachbereitung. Diese haben das Ziel, Bundestages, an die oder den sich Soldatinnen „soziale, kulturelle und interkulturelle Kompeten- und Soldaten mit allen Anliegen direkt wenden zen zu vermitteln und das Verantwortungsbe- können. Die Bundeswehr ist der parlamentari- wusstsein für das Gemeinwohl zu stärken“. So ist schen Demokratie also in besonderer Weise es im Jugendfreiwilligendienstegesetz festgelegt. verpflichtet. Die Regelungen im Bundesfreiwilligendienst sind vergleichbar. Seit Aussetzen der Wehrpflicht und vor dem Hin- tergrund aktueller internationaler und nationaler Der 16. Kinder- und Jugendbericht empfiehlt, Herausforderungen befindet sich die Bundeswehr noch mehr zu unternehmen, damit alle jungen in einem Veränderungsprozess. Nicht zuletzt auf- Menschen unabhängig von Herkunfts- oder grund der bestehenden gesellschaftlichen Reprä- Bildungsbiografien sowie individuellen Beein- sentationslücken innerhalb der Bundeswehr trächtigungen einen Freiwilligendienst leisten sollten laut Bericht die Aktivitäten für den zivil- können. Zudem empfiehlt der Bericht, die Beteili- militärischen Dialog gestärkt werden. Es sei auch gungsrechte von Freiwilligen auszuweiten und wichtig, dass sich die Bundeswehr als Teil der sich aktuell und trägerübergreifend über gemein- staatlichen Ordnung vorstellt und ihre Berufs same Kernziele politischer Bildung im Freiwilli- bilder mit Blick auf die erforderliche Nachwuchs- gendienst zu verständigen. Eine weitere Empfeh- gewinnung auch in Schulen präsentiert; jedoch lung: Die Träger der Freiwilligendienste sollten sollte aus Sicht der Berichtskommission das ebenso wie die Bundeswehr mit ihren Jugend Mandat der Jugendoffiziere nicht über die reine offizieren in allen Bundesländern die Möglichkeit Information hinausreichen (keine Werbung bekommen, in den Schulen präsent zu sein. beziehungsweise Rekrutierung). Eine weitere Empfehlung des 16. Kinder- und Bundeswehr Jugendberichts besteht in einer systematischen Beobachtung und Erfassung extremistischer Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das Einstellungen in der Bundeswehr, begleitet von heißt, der Deutsche Bundestag hat die Entschei- einer auf die demokratischen Grundwerte orien- dungshoheit über den Verteidigungshaushalt und tierten politischen Bildung für alle Dienstgrad- über Einsätze im Ausland. Das Grundgesetz sieht gruppen. zudem einen Verteidigungsausschuss vor und 26
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt Medien/Digitale Welten Der Bericht beschreibt zudem das Dilemma, dessen sich die politische Bildung gewahr sein Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer müsse, wenn sie kommerzielle und in Bezug auf im hohen Maße digitalisierten Gesellschaft auf. den Datenschutz und die Wahrung der Privat- Sie bewegen sich gleichzeitig in der analogen wie sphäre unsichere Plattformen und Kanäle kriti auch in unterschiedlichen digitalen Welten. Das siere, gleichwohl aber selbst nutze, um junge gilt ebenso für die politische Bildung. Entspre- Menschen, zum Beispiel mithilfe der sozialen chend empfiehlt der 16. Kinder- und Jugend Medien, zu erreichen. bericht eine konsequente Verschränkung von politischer Bildung und kritischer Medienbildung. Politische Medienbildung ist auch auf die Unter- Diese politische Medienbildung soll sich mit stützung der öffentlich-rechtlichen Medien medial bedingten wirtschaftlichen und gesell- angewiesen; diese sollten ihre Angebote für schaftlichen Prozessen auseinandersetzen, ver Kinder und Jugendliche in Umfang und Qualität änderte Öffentlichkeiten durch neue Medien- dringend weiterentwickeln. strukturen reflektieren und Optionen der Selbstermächtigung eröffnen. Ein kritischer und kompetenter Umgang mit digitalen Medien ist demnach grundlegend für politische Bildung. Es ist wichtig, dass junge Menschen in der Lage sind, digitale Medien selbst- organisiert, reflektiert und kreativ zu nutzen. Die Förderung der Medienkompetenz spielt hier eine wesentliche Rolle. Außerdem mahnt der Bericht eine Reform des gesetzlichen Kinder- und Jugend- medienschutzes an. Damit soll vor allem die Anbieterverantwortung gestärkt werden, um Interaktionsrisiken wie Cybermobbing und Hate Speech im Internet wirksam zu begegnen. 27
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Politische Bildung ist ein Recht aller jungen Menschen Politische Bildung ist ein Recht aller jungen Menschen Der 16. Kinder- und Jugendbericht leitet ein Recht Förderung entsprechender Strukturen auf Bundes- aller jungen Menschen auf politische Bildung aus ebene (zum Beispiel über den Kinder- und Jugend- ihrem Recht auf Förderung ihrer Entwicklung plan des Bundes oder die Bundeszentrale für und auf Erziehung zu einer eigenverantwortli- politische Bildung) wäre aus Sicht der Kommis- chen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sion zum einen ein sichtbares politisches Signal (§ 1 SGB VIII) sowie aus dem über die UN-Kinder- der Anerkennung, zum anderen würde es die rechte verbrieften Recht auf Bildung ab. Empfoh- Vernetzung mit den anderen Akteurinnen und len wird, dieses Recht auf politische Bildung in Akteuren erleichtern. allen Landesverfassungen zu verankern – und zwar dergestalt, dass die Mündigkeit der Bürge Dass politische Bildung die Fähigkeiten zur poli rinnen und Bürger sowohl durch ein eigenes tischen Partizipation und zur Gestaltung von Unterrichtsfach als auch durch außerschulische demokratischen Prozessen fördert, gilt unein politische Bildung gefördert werden muss. Zudem geschränkt auch für junge Menschen mit Behin sollten die Kinderrechte im Grundgesetz veran- derungen und Beeinträchtigungen. Politische kert werden. Bildung muss deshalb als eine wesentliche Voraus setzung zur Wahrnehmung der politischen Rechte Organisationen junger Menschen mit Migrations- im Sinne des Artikels 29 der UN-Behinderten- biografien, People of Color und postmigrantische rechtskonvention verstanden werden. Die barrie- Akteurinnen und Akteure als Anbieterinnen und refreie Teilhabe junger Menschen mit Behinde- Anbieter politischer Bildung sollten stärker aner rungen und Beeinträchtigungen an politischer kannt und ausgebaut werden. Eine dauerhafte Bildung ist jedoch bislang nur die Ausnahme. 29
Politische Bildung ist mehr als Extremismusprävention Politische Bildung ist mehr als Extremismusprävention Der 16. Kinder- und Jugendbericht wendet sich Vordergrund gerückt und nicht die Möglichkeiten, gegen eine Verkürzung des Auftrags der politi- Interessen und Bedarfe junger Menschen. Ergeb- schen Bildung auf Extremismusprävention. Dabei nisoffene Angebote für alle jungen Menschen ist unstrittig, dass erfolgreiche politische Bildung wären dann kaum mehr möglich. sich auch gegen jegliche Form des Extremismus wendet. Allerdings besteht die Gefahr, wenn man Mit anderen Worten: Politische Bildung ist keine politische Bildung allein auf den Aspekt der Extre- „gesellschaftspolitische Feuerwehr“ (Kapitel 10 mismusprävention fokussiert, dass zentrale Prin- und 21) – ihre fortdauernde Notwendigkeit be- zipien politischer Bildung aufgegeben werden. gründet sich vielmehr darin, dass Demokratie und Zum Beispiel würden dann eher die möglichen demokratisches Verhalten von jeder Generation Probleme, Defizite und Gefährdungen in den neu gelernt und eingeübt werden müssen. 30
Politische Bildung ist transnational Politische Bildung ist transnational Aus der Sicht des 16. Kinder- und Jugendberichts gilt insbesondere mit Blick auf Europa. Dabei geht beschäftigt sich politische Bildung in Deutsch- es nicht nur darum, das Wissen über die EU, ihre land zu häufig allein mit Themen, die sich auf Strukturen und Verfahren zu erweitern, sondern Deutschland beziehen, also zum Beispiel dem Europa als politischen Gestaltungsraum mit all politischen System der Bundesrepublik. Auch die seinen Widersprüchlichkeiten zu erfahren und die ersten konkreten politischen Erfahrungen bezie- entsprechenden Kompetenzen zu erwerben. hen sich üblicherweise auf diesen Bereich. Zu- gleich ist Deutschland aber auch Mitglied der Zum Aspekt der Transnationalität gehört auch, Europäischen Union und als Teil der Weltgemein- Migration als eine gesellschaftliche Normalität schaft vielfältig mit anderen Ländern verflochten. und ein kontinuierliches Element in der deut- Damit dies alles nicht abstrakt und fremd bleibt schen und europäischen Geschichte darzustellen. (das „ferne Brüssel“), plädiert die Kommission für Der politische Umgang mit Migration ist deshalb mehr transnationale Bildungserfahrungen. Das ein wichtiges Thema politischer Bildung. 31
Politische Bildung und politische Mitsprache gehören zusammen Politische Bildung und politische Mitsprache gehören zusammen Politische Bildung muss mit politischer Beteili- wird entsprechend auch eine Absenkung des gung Hand in Hand gehen. Eine fundierte politi- gesetzlichen Wahlalters auf allen Ebenen auf sche Bildung in Verbindung mit wirkungsvollen 16 Jahre. Beteiligungsmöglichkeiten trägt dazu bei, junge Menschen für die Demokratie zu gewinnen und Der Bericht stellt gleichzeitig fest, dass Partizi sie zur demokratischen Teilhabe sowie zum Ein- pation zwar eine notwendige, „aber noch keine satz für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu hinreichende Voraussetzung für politische Bil- befähigen. dungsprozesse“ (Kapitel 21) ist. Vielmehr müssten Erfahrungen mit Beteiligung immer auch darauf- Kinder und Jugendliche sollten ihre sozialen hin reflektiert werden, was junge Menschen Räume wirksam mitgestalten und über reale Kon- lernen, wenn sie sich politisch beteiligen. flikte und Probleme mitentscheiden. Empfohlen 32
Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik Der 16. Kinder- und Jugendbericht empfiehlt, zu reduzieren. Förderprogramme der politischen politische Bildung als wichtigen Bestandteil einer Bildung sollten verstärkt daraufhin überprüft wer- jeden Jugendpolitik sowohl in den Kommunen als den, ob sie die Bedingungen des Aufwachsens und auch auf Länder- und Bundesebene zu verankern. die Lebenswelten junger Menschen ausreichend berücksichtigen und ob sie geeignet sind, Politik Die Kommission positioniert sich sehr klar, indem für Kinder und Jugendliche konkret erlebbar zu sie fordert, dass politische Bildung im Kindes- und machen. Jugendalter die Rechte, Interessen und Bedürf nisse junger Menschen berücksichtigt – im öffent- Zudem weist der Bericht auf die Unterschiede lichen sowie jugendpolitischen Diskurs und auch zwischen Jugend- und Erwachsenenbildung hin in ihren eigenen Angeboten und Strukturen. Es und empfiehlt dringend, die fachliche Eigenstän- gehört zu den Aufgaben politischer Bildung, digkeit politischer Bildung für junge Menschen Benachteiligungen und Ausschlüsse bei Bildung zu stärken und weiterzuentwickeln. und politischer Teilhabe sichtbar zu machen und 33
Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik 34
Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung Die Corona-Pandemie und die Strategien zu ihrer Ein weiteres großes Problem sieht die Kommis- Bewältigung werden vom 16. Kinder- und Jugend- sion in der unzureichenden Mitwirkung junger bericht als „Stresstest für die offene demokrati- Menschen an den sie betreffenden Entscheidun- sche Gesellschaft“ (Kapitel 1.1.3) bezeichnet. Der gen in der Krise sowie in fehlenden altersgerech- Bericht analysiert die Herausforderungen und ten Informationen, vor allem für Jugendliche. Lernanlässe, die sich für die politische Kinder- Kritisiert wird eine verkürzte Sichtweise auf junge und Jugendbildung aus der Pandemie ergeben. Menschen in ihrer Rolle als Schülerinnen und Schüler. Geschildert werden erhebliche Einschränkungen der politischen (Selbst-)Bildungsprozesse junger Auch existenzielle Herausforderungen für Träger Menschen und es wird festgestellt, dass beste und Einrichtungen außerschulischer politischer hende soziale Ungleichheiten in Bezug auf die Bildung durch die pandemisch bedingten Schlie- Bildungschancen durch die Eindämmungsmaß ßungsanordnungen und Einschränkungen nahmen nicht nur sichtbarer wurden, sondern werden benannt. Sie ergeben sich vor allem aus auch verstärkt worden seien. Auch der mit der abgesagten oder nur sehr eingeschränkten Semi- Pandemie verbundene Digitalisierungsschub in naren, Projekten, Bildungsmaßnahmen oder den verschiedenen Bildungskontexten junger internationalen Begegnungen, aus langfristig Menschen wird durchaus kritisch gesehen: Nach abgesagten Klassenfahrten und Kooperationsver- Ansicht der Kommission verstärkt er soziale anstaltungen mit außerschulischen Akteuren Gefälle, geht zulasten des Datenschutzes, treibt außerhalb und in der Schule. Daten-Kommerzialisierung voran und ist kein Ersatz für gemeinsame Erfahrungen und persön- liche Begegnungen. 35
Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung Für Corona als Lernanlass für politische Bildung um die Themen Europäische Union oder Natio- sieht die Kommission zahlreiche Anknüpfungs- nalstaatlichkeit im Rahmen der politischen punkte: An erster Stelle genannt werden die Bildung in Krisenzeiten zu debattieren. Auch die Grundrechte und die Möglichkeiten ihrer Ein- Rolle und die Einflussmöglichkeiten demokrati- schränkung, die Gewaltenteilung und die Ange- scher und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten messenheit und Dauer von Einschränkungen in und wissenschaftlicher Expertinnen und Experten Notstandssituationen. Nationalstaatliche Allein- sind zu betrachten. Offengelegt werden könnten gänge, Grenzschließungen und Bemühungen auch Anknüpfungsmöglichkeiten und Ausbrei- um gemeinsame europäische Antworten auf wirt- tungsprozesse von Verschwörungstheorien im schaftliche Folgen werden als Anlass gesehen, Rahmen pandemischer Ereignisse. Ein weiteres wichtiges Thema sieht der Bericht in Diskriminie- rungen und sogenannten Othering-Prozessen (Corona als „China-Seuche“, die überwiegend „Alte“ und „Kranke“ befalle und so weiter), die bestimmte soziale, oft bereits marginalisierte Gruppen durch die Einteilung in „wir“ und „die anderen“ entfremde. Auch der Zusammenhang von Demokratie und Kapitalismus ließe sich anhand der Pandemie kritisch diskutieren, etwa bezogen auf die marktförmige Organisation des Gesundheitssystems. Nicht zuletzt werden in der Corona-Krise zahlreiche Werte-Dilemmata sichtbar, an die in der politischen Bildung ange- knüpft werden könnte. 36
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