Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Förderung demokratischer Bildung
im Kindes- und Jugendalter
Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts


Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,

im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeiten
wir jeden Tag daran, das Leben für Kinder, Jugendliche, Frauen, Familien,
Seniorinnen und Senioren und die Engagierten in unserem Land besser zu
machen. Damit wir das auch in Zukunft tun können, bitten wir regelmäßig
Expertinnen und Experten um Analysen und Empfehlungen. So entstehen
die Berichte der ­Bundesregierung für fünf große Politikfelder: der Engage-
mentbericht, der Familienbericht, der Altersbericht, der Gleichstellungs­
bericht sowie der Kinder- und Jugendbericht.

Das Thema des 16. Kinder- und Jugendberichts ist die Förderung demokrati-
scher Bildung im Kindes- und Jugendalter. Damit lenkt dieser Bericht die
Aufmerksamkeit auf einen nach meiner Überzeugung besonders wichtigen
Bildungsbereich – mit dem fortwährenden Auftrag, junge Menschen für die
Demokratie zu gewinnen und zu befähigen.

Auf rund 600 Seiten liefert der 16. Kinder- und Jugendbericht detaillierte Erkennt-
nisse über die vielfältigen sozialen Räume, in denen junge Menschen politische
Bildung erleben. Ob in der Familie, in Kita, Schule und Ausbildung, in außerschu-
lischen Jugendbildungsstätten; beim politischen oder gesellschaftlichen Engage-
ment oder auch in der Bundeswehr – politische Bildung findet in der gesamten
Kindheit und Jugend statt. Viele Beteiligte tragen Verantwortung für zeitgemäße
und jugendgerechte Angebote. Gleichzeitig schildert der Bericht die Herausforde-
rungen, mit denen unsere Demokratie konfrontiert ist, und er fordert ein klares
Bekenntnis der Politik: Eine an Demokratie und Menschenrechten orientierte
politische Bildung ist unverzichtbar.

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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts


      Der 16. Kinder- und Jugendbericht schafft eine ausgezeichnete Grundlage, um
      die politische Bildung für junge Menschen zu bilanzieren und weiterzuentwickeln.
      In dieser Broschüre haben wir die zentralen Erkenntnisse und Empfehlungen für
      Sie zusammengefasst.

      Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. Franziska Giffey
      Bundesministerin für Familie, Senioren, ­Frauen und Jugend

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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts


Inhalt
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder:
Warum jetzt über politische Bildung reden?                                   7

Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen
des 16. Kinder- und Jugendberichts                                          11

Politische Bildung ist demokratische Bildung                                15

Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt    19

Politische Bildung ist ein Recht aller jungen Menschen                      29

Politische Bildung ist mehr als Extremismusprävention                       30

Politische Bildung ist transnational                                        31

Politische Bildung und politische Mitsprache gehören zusammen               32

Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik                     33

Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung     35

Die Beteiligung junger Menschen am Kinder- und Jugendbericht                37

Mitglieder der Sachverständigenkommission
für den 16. Kinder- und Jugendbericht                                       39

Die Kinder- und Jugendberichterstattung der Bundesregierung                 41

Bestellung und Download der Kinder- und Jugendberichte                      43

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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden?

Demokratie braucht mehr demo-
kratische Bildung, oder: Warum jetzt
über politische Bildung reden?

Der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundes­          Demokratie muss immer wieder aktiv praktiziert
regierung richtet die Aufmerksamkeit auf die           und vertreten werden, junge Menschen müssen
Förderung demokratischer Bildung im Kindes-            für die Demokratie gewonnen und zur Demo­
und Jugendalter. Es ist das erste Mal, dass ein        kratie befähigt werden. Demokratische Bildung
Kinder- und Jugendbericht sich in dieser Breite        richtet sich an alle: an diejenigen, die Interesse
mit dem Thema befasst. Damit macht die Bundes-         haben, aber weiteres Wissen sowie Erfahrung be-
regierung deutlich, dass sie eine besondere Ver-       nötigen, an diejenigen, die sich bislang kaum für
antwortung von Politik, Fachpraxis und Gesell-         gesellschaftliche und politische Themen interes-
schaft für die politische Bildung junger Menschen      sieren, und auch an diejenigen, die mit extremis­
sieht. Sie greift dabei zugleich eine Forderung des    tischen, rassistischen und demokratiefeindlichen
15. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregie-        Gedanken sympathisieren.
rung auf. Dieser hatte sich mit den Herausforde-
rungen der Lebensphase Jugend beschäftigt und          Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung
mit Nachdruck für eine deutlich verstärkte politi-     eine unabhängige Sachverständigenkommission
sche Bildung mit neuen, attraktiven Formen der         gebeten, das breite Feld der demokratischen Bil-
Vermittlung demokratischer Werte und Praktiken         dung im Kindes- und Jugendalter zu beschreiben,
plädiert.                                              Entwicklungsbedarfe aufzuzeigen und Empfeh-
                                                       lungen zu formulieren. Die Kommission sollte
                                                       dabei soweit als mög­lich den aktuellen Forschungs-
                                                       stand aufbereiten.

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Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden?

Darüber hinaus sollten alle Altersgruppen, von         Die Sachverständigenkommission für den
Kindern bis zu jungen Erwachsenen, und die             16. ­Kinder- und Jugendbericht sieht die Demo­
unterschiedlichen Gelegenheiten und Angebote           kratie als Lebensform (im Sinne einer Kultur des
politischer Bildung berücksichtigt werden: Funda-      sozialen Zusammenlebens), als Gesellschaftsform
mente demokratischen Verhaltens werden bereits         (im Sinne einer demokratischen Zivilgesellschaft
im Kindesalter gelegt und dort unter anderem           und einer freien und vielfältigen Öffentlichkeit)
durch Institutionen der frühkindlichen Bildung         sowie als Herrschaftsform (im Sinne eines Staats,
vermittelt. Gleichermaßen zu betrachten waren          dessen Funktionen und Aufgaben auf politischer
alle weiteren relevanten Bildungskontexte unter        Gleichheit und politischen Beteiligungsrechten
dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe, die schu­        der Bevölkerung basieren) durch tiefgreifende ge-
lische (Ganztags-)Bildung, die berufliche und          sellschaftliche Entwicklungen herausgefordert.
hochschulische Bildung sowie programm- und             Diese Entwicklungen, im Bericht als „Megatrends“
projektförmige Angebote. Eine besondere Akzen-         bezeichnet, beeinflussen nicht nur das Aufwach-
tuierung sollte auf der außerschulischen Jugend-       sen junger Menschen, sondern prägen auch das
bildung und der Jugend(verbands)arbeit liegen.         „gesellschaftliche Aufgabenportfolio für die heuti-
Der Bericht sollte auch Aussagen über die demo-        ge junge Generation“ (Kapitel 1). Gleichzeitig er-
kratiebildenden Einflüsse von Familien, von            weisen sie sich als Herausforderungen für die
gleichaltrigen jungen Menschen und von digi­           politische Bildung. Im Bericht näher beschrieben
talen Medien treffen.                                  werden die Ambivalenzen der Globalisierung, der
                                                       Klimawandel und die Umweltzerstörung, Flucht
Die Sachverständigenkommission für den                 und Migration, die Ambivalenzen der Digitalisie-
16. ­Kinder- und Jugendbericht ist diesem Auftrag      rung, die Folgen des demografischen Wandels
nachgekommen und liefert eine differenzierte           sowie Aufrüstung und Krieg(sgefahr).
Zusammenschau der unterschiedlichen sozialen
Räume – einschließlich der digitalen Welten, in        Zudem sieht der Bericht die Demokratie mit
denen junge Menschen politische Bildung erleben.       Herausforderungen und Krisenphänomenen kon-
Zugleich schlägt der Bericht Brücken zwischen          frontiert, die „mit unterschiedlichem Ausmaß ihre
den Praxisfeldern und Angeboten politischer            Substanz gefährden könnten“ (Kapitel 1). Dazu
Bildung, markiert Gemeinsamkeiten und Unter-           gehören vor allem jene Gruppierungen, die die
schiede und benennt die absehbaren Heraus­             Demokratie ablehnen, sie unterhöhlen oder sie
forderungen.                                           sogar offen angreifen. In den Sozialwissenschaften

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Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts
Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden?

wird in diesem Zusammenhang mitunter etwas
sperrig, aber zutreffend von gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit, von pauschalisierenden
Ablehnungskonstruktionen, von autori­tärem
Nationalismus, Rechtsextremismus und -populis-
mus sowie religiös kontextualisierten Demokratie-
gefährdungen gesprochen. Verwiesen wird auch
auf den Linksextremismus und den in der Öffent-
lichkeit immer wieder sogenannten Islamismus –
wobei die Kommission deutlich macht, dass beide
Begriffe nicht unumstritten sind.

Außerdem widmet sich der Bericht verbrei­teten
Phänomenen, die für die repräsentative Demo­
kratie eine ernst zu nehmende Herausforderung
darstellen, weil sie ihre Glaubwürdigkeit und
Geltung infrage stellen. Dazu gehören eine Ver-
drossenheit gegenüber Parteien sowie gegenüber
Politikerinnen und Politikern und ein Gefühl
eigener politischer Machtlosigkeit.

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Demokratie braucht mehr demokratische Bildung, oder: Warum jetzt über politische Bildung reden?

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Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

Auf einen Blick: zentrale Erkennt-
nisse und Empfehlungen des
16. Kinder- und Jugendberichts

Um ihre Aufgaben in Anbetracht der benannten           Pluralismus, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit,
gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausfor-        Gewaltenteilung und Minderheitenschutz orien-
derungen erfüllen zu können, braucht die politi-       tiert (Kapitel 2). Der 16. Kinder- und Jugendbericht
sche Bildung im Kindes- und Jugendalter zweifel-       fordert die Unterstützung und ein deutliches Be-
los mehr Gewicht. Entsprechend fordert der             kenntnis der politisch Verantwortlichen zu einer
Bericht eine Aufwertung und Stabilisierung des         an Demokratie und Menschenrechten orientier-
Praxisfeldes sowie eine breitere Verankerung           ten politischen Bildung.
politischer Bildung für junge Menschen.
                                                       2. Politische Bildung findet während der
Die Sachverständigenkommission für den                 ­gesamten Kindheit und Jugend statt.
16. ­Kinder- und Jugendbericht formuliert folgende      Junge Menschen erleben politische Bildung in
zentrale Erkenntnisse und damit verbundene              sehr verschiedenen, für das Aufwachsen wichtigen
Empfehlungen:                                           sozialen Räumen und alltäglichen Bezügen, von
                                                        der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenen-
1. Politische Bildung ist demokratische Bildung.        alter. Viele Akteurinnen und Akteure tragen Ver-
Politische Bildung kann nicht neutral sein, denn        antwortung für zeitgemäße und jugendgerechte
die Orientierung junger Menschen an demokrati-          Angebote. Der Bericht analysiert politische Bil-
schen Werten und die Entwicklung kritischer             dung unter anderem in Familie, Kindertagesbe-
Urteilskraft ist ihr vornehmstes Ziel. Politische       treuung, Schule und Ganztagsbildung, beruflicher
Bildung ist demnach ein Prozess der Bildung von         Bildung, Hochschulen, Kinder- und Jugendarbeit,
Mündigkeit, der sich am „unhintergehbaren Kern“         parteinaher Jugendbildung, Protesten und sozia-
der Demokratie mit Prinzipien wie Gleichheit,           len Bewe­gungen, Freiwilligendiensten, Bundes-

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Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

wehr und Medien beziehungsweise digitalen               4. Politische Bildung ist mehr als Extremismus-
Welten. Politische Bildung besteht dabei nicht nur      prävention.
im Erwerb von Wissen über politische und gesell-        Der 16. Kinder- und Jugendbericht wendet sich
schaftliche Institutionen und ihre Funktionen;          gegen eine Verkürzung des Auftrags der politi-
politische Bildung ist also mehr als ein theoreti-      schen Bildung auf Extremismusprävention. Denn
scher Lernstoff. Sie wird vielmehr verstanden als       darin besteht die Gefahr, dass zentrale Prinzipien
ein vielschichtiger Bildungsprozess, der neben          politischer Bildung aufgegeben werden: vor allem,
dem Wissenserwerb Erfahrungen und Emotionen,            ergebnisoffene Angebote für alle jungen Men-
praktisches Handeln und die Aneignung der eige-         schen zu machen, die an ihren Ressourcen (und
nen Welt miteinschließt. Letztendlich geht es           nicht an ihren Defiziten) ansetzen.
um die Ausbildung politischer Analyse-, Urteils-
und Handlungsfähigkeit.                                 5. Politische Bildung ist transnational.
                                                        Der 16. Kinder- und Jugendbericht kritisiert, dass
3. Politische Bildung ist ein Recht aller jungen        politische Bildung zu häufig allein in national-
Menschen.                                               staatlichen Kategorien gedacht wird und plädiert
Das Recht junger Menschen auf politische Bildung        für mehr transnationale Bildungserfahrungen.
lässt sich aus geltendem Recht ableiten, muss je-       Das gilt insbesondere mit Blick auf Europa. Dabei
doch verbindlicher eingelöst und stärker veran-         gilt es, die Stärken und Vorteile der europäischen
kert werden – zum Beispiel in allen Landesverfas-       Einigung ebenso zu würdigen wie die aktuellen
sungen und in Gestalt der UN-Kinderrechte im            Herausforderungen kritisch zu diskutieren.
Grundgesetz. Zudem sollten Organisationen jun-
ger Menschen mit Migrationsbiografien, People           6. Politische Bildung und politische Mitsprache
of Color und postmigrantische Akteurinnen und           gehören zusammen.
Akteure als Anbieterinnen und Anbieter politi-          Eine fundierte politische Bildung in Verbindung
scher Bildung stärker anerkannt und ausgebaut           mit wirkungsvollen Beteiligungsmöglichkeiten
werden. Für junge Menschen mit Behinderungen            trägt dazu bei, junge Menschen für die Demo­
und Beeinträchtigungen muss die barrierefreie           kratie zu gewinnen und zu befähigen. Beteiligung
Teilhabe an politischer Bildung zur weithin             überall dort, wo junge Menschen aufwachsen,
etablierten Realität werden.                            ist ein zentrales und unverzichtbares Prinzip.

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Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

Empfohlen wird eine Absenkung des gesetzlichen         Darüber hinaus bemängelt der Bericht fehlende
Wahlalters auf allen Ebenen auf 16 Jahre. Zudem        Mitwirkungsmöglichkeiten für junge Menschen in
müssen Erfahrungen mit Beteiligung immer auch          Krisensituationen und eine verkürzte Sichtweise
daraufhin bedacht werden, was junge Menschen           auf junge Menschen in ihrer Rolle als Schülerin-
lernen, wenn sie sich politisch beteiligen.            nen und Schüler. Auch wird auf die existenziellen
                                                       Herausforderungen für die Träger und Einrich-
7. Politische Bildung für junge Menschen               tungen außerschulischer politischer Bildung
ist ­Jugendpolitik.                                    verwiesen.
Politische Bildung muss die Rechte, aber auch die
Lebenswelten und Interessen junger Menschen            Der Bericht identifiziert zudem Lernanlässe,
berücksichtigen – im öffentlichen Diskurs und          die sich für die politische Bildung aus der Pande-
in ihren eigenen Angeboten. Zudem weist der            mie ergeben – zum Beispiel mit Blick auf die
Bericht auf die Unterschiede zwischen Jugend-          Grundrechte und die Möglichkeiten ihrer Ein-
und Erwachsenenbildung hin und empfiehlt               schränkung in Notstands- und Seuchenschutz­
dringend, die fachliche Eigenständigkeit politi-       situationen. Auch die Europäische Union und
scher Bildung für junge Menschen zu stärken            Nationalstaatlichkeit in Krisenzeiten sind im
und weiterzuentwickeln.                                Rahmen politischer Bildung zu debattieren
                                                       ebenso wie zum Beispiel die Rolle demokratischer
8. Corona schafft Herausforderungen und                und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten. Zum
­Lernanlässe für politische Bildung.                   Thema gemacht werden müssen auch Anknüp-
 Die Corona-Pandemie und die Strategien zu             fungsmöglichkeiten und Ausbreitungsprozesse
 ihrer Bewältigung werden im Bericht als „Stress-      von Verschwörungstheorien im Rahmen pande-
 test für die offene demokratische Gesellschaft“       mischer Ereignisse.
 (Kapitel 1 und 16) bezeichnet. Als Herausforderun-
 gen für die politische Bildung werden vor allem
 eingeschränkte und ungleiche Bildungschancen
 benannt. Auch der mit der Pandemie verbundene
 Digitalisierungsschub in den verschiedenen Bil-
 dungskontexten wird durchaus kritisch gesehen.

                                                                                                         13
Auf einen Blick: zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des 16. Kinder- und Jugendberichts

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Politische Bildung ist demokratische Bildung

Politische Bildung ist
demokratische Bildung

Wenn ganz selbstverständlich von Politik, von        Diesem Verständnis von Politik stellt die Kommis-
Demokratie, von Bildung oder auch von politi-        sion einen dreidimensionalen Demokratiebegriff
scher beziehungsweise demokratischer Bildung         zur Seite:
die Rede ist, bleibt häufig unklar, was genau
gemeint ist. Es ist ein Verdienst des 16. Kinder-    1. Mit der formalen Dimension der Demokratie
und Jugendberichts, angesichts der meist schil-         gemeint ist die Art und Weise, wie jeweils allge­
lernden Verwendung dieser einschlägigen Begriffe        mein verbindliche Regeln zustande kommen
hilfreiche Klärungsvorschläge gemacht zu haben.         und festgelegt, gegebenenfalls auch infrage
                                                        gestellt werden. Der Blick wird dabei vor allem
Demnach kann Politik verstanden werden als              auf Verfahrensaspekte wie Beteiligung, Reprä-
„Gesamtheit der Aktivitäten und Strukturen, die         sentation, Wettbewerb verschiedener Konzepte
auf die Herstellung, Durchsetzung und Infrage­          und Diskursivität gelegt.
stellung allgemein verbindlicher und öffentlich
relevanter Regelungen in und zwischen Gruppie-       2. Mit der substanziellen Dimension werden die
rungen von Menschen abzielt“ (Kapitel 2). Die           unhintergehbaren demokratischen Prinzipien
Betonung liegt dabei auf den gemeinsam geschaf-         in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.
fenen beziehungsweise zu schaffenden Regelun-           Von Bedeutung sind hierbei vor allem das
gen. Dabei ist mitzudenken, dass es im politischen      Gleichheitsprinzip, die Rechtsstaatlichkeit, die
Prozess immer auch um den Gewinn und Erhalt             Gewaltenteilung und damit die Begrenzung
von Macht zur Durchsetzung von Interessen geht          von Macht, die Menschenrechte und der
und dass das Ringen der politischen Akteurinnen         Schutz von Minderheiten sowie die Anerken-
und Akteure auch die Bearbeitung sozialer               nung von Pluralität.
Konflikte bedeutet.

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Politische Bildung ist demokratische Bildung

3. Die prozesshafte Dimension weist darauf hin,        Stärkung von Toleranz gegenüber anderen Mei-
   dass Demokratie nicht nur eine historische          nungen und Lebensformen, die Befähigung zu
   Errungenschaft darstellt, sondern dass Demo-        Kompromissen und zur Akzeptanz mehrheitlicher
   kratie selbst historischen Wandlungsprozessen       Entscheidungen bei Wahrung von Minderheiten-
   und Veränderungen unterliegt und deshalb            rechten und rechtsstaatlichen Prinzipien gehören
   immer neu ausgehandelt werden muss                  dazu. Der Bericht fordert die Unterstützung und
   (Kapitel 2).                                        ein deutliches Bekenntnis der politisch Verant-
                                                       wortlichen zu einer an Demokratie und Men-
Der Bericht lotet auch die Begriffe Bildung, Erzie-    schenrechten orientierten politischen Bildung.
hung, Aneignung, Lernen, Didaktik und Sozialisa-
tion aus. Die politische Sozialisation wird dabei      Der Staat trägt zur Reproduktion seiner eigenen
„als das lebenslange – bewusste und unbewusste –       politisch-kulturellen Voraussetzungen bei, indem
Lernen und als die Persönlichkeitsbildung der          er zivilgesellschaftliche Angebote zur politischen
Individuen in Bezug auf den Gegenstand ‚Politik‘       Bildung fördert, denn diese spiegeln die weltan-
gefasst“ (Kapitel 2). Dieses Verständnis politischer   schauliche und parteiliche Vielfalt der Gesellschaft
Sozialisation zieht sich gleichsam als roter Faden     wider. Gerade angesichts gesellschaftlicher Spal-
durch den Bericht und bezeichnet einen sich über       tungstendenzen ist es wichtig, Räume und Foren
die gesamte Kindheit und Jugend sowie das junge        für den Austausch über gemeinsame Fragen des
Erwachsenenalter erstreckenden Prozess.                Zusammenlebens zu fördern. Wichtig sind dabei
                                                       klare Leitplanken, wie sie bereits 1976 als Ergebnis
Vor dem Hintergrund einer Definition von Bil-          einer politikdidaktischen Tagung im Beutels­
dung als Prozess von Vermittlung und (Selbst-)         bacher Konsens vereinbart wurden, also:
Aneignung konturiert der Bericht die Konzepte
„politische Bildung“ und „demokratische Bildung“       1. Überwältigungsverbot (keine Indoktrination),
und kommt zu dem Schluss, dass eine klare Ab-
grenzung nicht zielführend ist. Vielmehr wird die      2. Kontroversitätsgebot (Beachtung kontroverser
Orientierung junger Menschen an demokrati-                Positionen),
schen Werten und die Entwicklung kritischer
Urteilskraft zum vornehmsten Ziel politischer          3. Befähigungsauftrag (Befähigung der Lernen-
Bildung erklärt. Politische Bildung ist demnach           den, politische Situationen zu analysieren, ihre
ein Prozess der Bildung von Mündigkeit. Das               eigenen Interessen zu erkennen und diese
Erlernen einer offenen Diskussionskultur, die             Interessen auch zu vertreten).

16
Politische Bildung ist demokratische Bildung

Politische Bildung soll demnach den an den
Prinzipien des Grundgesetzes orientierten, enga-
gierten und offenen Austausch fördern, dabei
auch antidemokratische oder menschenfeindliche
Aussagen benennen und Kinder und Jugendliche
in ihrer Widerstandskraft gegenüber entsprechen-
den Strömungen stärken.

Im Unterschied zur plural zivilgesellschaftlichen
sollte sich staatlich verantwortete politische Bil-
dung weltanschaulich und parteipolitisch nicht
positionieren. Politische Bildung ist deshalb aber
nicht neutral oder gar auszuklammern. Im Gegen-
teil: Die staatlich verantwortete politische Bildung
ist angehalten, für die demokratischen Prinzipien,
die Menschenrechte und ihre grundrechtlichen
Konkretisierungen einzutreten.

                                                                                                 17
Politische Bildung ist demokratische Bildung

18
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Politische Bildung findet
während der gesamten
Kindheit und Jugend statt

Junge Menschen erleben politische Bildung in            lich beeinflussbar und müssen daher differenziert
sehr verschiedenen, für das Aufwachsen wichtigen        betrachtet werden.
sozialen Räumen, von der frühen Kindheit bis ins
junge Erwachsenenalter. Mit sozialen Räumen             Politische Bildung besteht nicht nur darin, Wissen
weniger gemeint sind – wie man vielleicht vermu-        über demokratische Institutionen und ihre Wir-
ten würde – konkrete, geografisch-physikalische,        kungszusammenhänge zu erwerben, sondern
gleichsam abgegrenzte Örtlichkeiten oder Orga­          politische Bildung muss dazu beitragen, dass
nisationen. Vielmehr geht es darum, wie junge           junge Menschen eine demokratische Haltung,
Menschen und andere Akteurinnen und Akteure             eine eigene begründete Meinung und eine Bereit-
in den jeweiligen sozialen Räumen handeln, wie          schaft sowie die Fähigkeit entwickeln, sich zu
sie sie (mit-)gestalten und für sich nutzen. Nicht      beteiligen und demokratisch zu engagieren. Der
das Klassenzimmer als solches interessiert, son-        16. Kinder- und Jugendbericht untersucht deshalb
dern die Prozesse, die darin stattfinden; diese sind    nicht nur, inwiefern Demokratie Gegenstand in
einerseits in einer bestimmten Weise vorgeprägt         den Bildungsangeboten ist; der Blick wird auch
und müssen andererseits auch mit Leben gefüllt          auf die Frage gelenkt, wie demokratisch die
und mitgetragen werden. Dieser Ansatz rückt die         Bildungsstrukturen selbst sind beziehungsweise
Erfahrungen, die Themen und das Handeln von             ob die Räume eher hierarchisch und funktional
Kindern und Jugendlichen in den verschiedenen           strukturiert sind und welche Beteiligungsmög-
Räumen in den Mittelpunkt und weist immer               lichkeiten sie eröffnen oder versperren. Ein ebenso
auch auf die Grenzen und Konflikte hin, die sich        wichtiger Aspekt ist die Frage, inwiefern junge
daraus gegebenenfalls ergeben. Auch wenn es viele       Menschen ihre Lernprozesse selbst gestalten oder
Überschneidungen zwischen diesen Räumen gibt,           sogar als politisch Handelnde auftreten.
sind sie doch fachlich und politisch unterschied-

                                                                                                          19
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Auf diese Weise ermöglicht der Bericht eine             nehmen Einfluss auf ihre politischen Orientie­
präzisierte Fachdiskussion und liefert erstmalig        rungen und Verhaltensweisen, wenn beispiels­
eine umfassende und gleichsam systematische             weise persönliche Erlebnisse der Großeltern- und
Betrachtung der sozialen Räume junger Men-              Elterngeneration weitergegeben werden.
schen, in denen politische Bildung stattfindet.
                                                        Der Bericht schließt sich der Kritik daran an, dass
                                                        Bildungschancen in Deutschland nach wie vor zu
Familie                                                 stark an die Bildungshintergründe der Eltern und
                                                        die Lebensumstände der Familie gekoppelt sind.
Der Familie kommt für das Aufwachsen junger             Das hat auch Folgen hinsichtlich der Frage, welche
Menschen eine wesentliche Rolle zu. Und das gilt        für die eigene politische Haltung wichtigen Erfah-
auch für die politische Bildung. Besonders in den       rungen Kinder und Jugendliche in ihren Familien
ersten Lebensjahren ist die Familie der zentrale        machen (können).
Ort für die Betreuung, Bildung und Erziehung von
Kindern. Eltern initiieren Lernprozesse im Alltag       Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin,
und legen den Grundstein für den weiteren               dass es bei der Unterstützung und Begleitung des
Lebens- und Bildungsweg ihrer Kinder. Zugleich          Familienalltags – zum Beispiel durch die Angebote
sind Kinder in unterschiedliche Bildungszusam-          der Familienbildung – noch unausgeschöpfte
menhänge und -einrichtungen eingebunden                 Möglichkeiten gibt. Über die vertrauten Themen
(zum Beispiel Kinder­tagesbetreuung, Schule), die       wie gewaltfreie Erziehung, demokratische Erzie-
partnerschaftlich mit Familien zusammenarbeiten         hungsstile und Stärkung der Selbstwirksamkeit
sollten.                                                hinaus wäre zu diskutieren, welche Angebote die
                                                        Familien und ihre Netzwerke jeweils bräuchten,
Der Einfluss von Familien auf die politische Sozia-     um so etwas wie einen demokratischen Alltag
lisation junger Menschen beginnt bei der Heraus-        leben zu können. In diesem Zusammenhang sei es
bildung grundlegender Werte und Haltungen, wie          auch wichtig, Eltern und Familien zu betrachten,
zum Beispiel Rücksicht, Solidarität, Anteilnahme        die von antidemokratischen Orientierungen und
und Umgang mit Fremdem. Kinder und Jugend-              damit einhergehenden Verhaltensweisen ihrer
liche machen im Familienalltag aber auch konkre-        Kinder betroffen sind oder selbst extremistische
te Erfahrungen von Mitbestimmung und Familien           Einstellungen vertreten.

20
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Kindertagesbetreuung                                   Schule und Ganztags-
Unabhängig von den Möglichkeiten in den Eltern-        bildung
häusern fördert frühkindliche Bildung die Ent-
wicklung der Kinder und trägt zu gleichen Start-       Schule ist die pädagogische Institution, die im
bedingungen und Teilhabechancen von Anfang             Bildungsverlauf von allen Kindern und Jugend-
an bei. Die Kindertagesbetreuung hat als erster        lichen durchlaufen wird; damit kommt ihr eine
Bildungs- und Erziehungsort außerhalb der              Schlüsselrolle bei der Vermittlung politischen
Familie auch den Auftrag, Kinder auf das Zusam-        Wissens und demokratischer Werte zu. Schule
menleben in einer vielfältigen, demokratisch           zählt zu den zentralen Orten demokratischer
verfassten Gesellschaft vorzubereiten.                 Bildung: in Form eines speziell ausgewiesenen
                                                       Unterrichtsfachs, als Querschnittsaufgabe in allen
In Kindertageseinrichtungen und der Kinder­            Fächern, als Bildungsprinzip der Schule und als
tagespflege werden erste Grundsteine für demo-         Strukturprinzip im Rahmen einer demokrati-
kratische Bildung gelegt. Wichtig dabei ist, dass      schen Schulentwicklung.
Kinder ernst genommen werden, dass ihre Rechte
geachtet werden und dass ihre Anliegen Gehör           Der 16. Kinder- und Jugendbericht attestiert der
finden. Die Erfahrung, selbstwirksam sein zu           Schule in allen Bereichen politischer Bildung
können und anerkannt zu werden, ist dabei              Defizite. So wird darauf hingewiesen, dass politi-
zentral. Dazu gehört, dass Kinder im Alltag betei-     sche Bildung in den einzelnen Bundesländern mit
ligt werden und erleben, dass sie ihn mitgestalten     unterschiedlichem Stundenumfang und zu häufig
können. Kinderrechte, Demokratiebildung und            fachfremd unterrichtet wird. Empfohlen wird die
Partizipation sollten daher fester Bestandteil des     Sicherstellung einer Mindeststundenzahl von
pädagogischen Alltags sein und entsprechende           zwei Wochenstunden in allen weiterführenden
Gewichtung in den Bildungsplänen der Länder,           Schularten durchgängig von Klasse 5 bis 10 sowie
in der Ausbildung von Fachkräften sowie bei der        eine Überarbeitung der inhaltlichen Bildungs­
Qualitätssicherung und -entwicklung früher             vorgaben. Auch in Grundschulen werden die
Bildung finden.                                        Möglichkeiten politischer Bildung bislang nicht
                                                       ausreichend genutzt. Zudem sollte politische

                                                                                                         21
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Bildung Bestandteil der Ausbildung aller Lehr-          Unterricht in politischer Bildung haben als Gym-
kräfte unabhängig von ihren gewählten Fächern           nasiastinnen und Gymnasiasten. Dass Schülerin-
sein. Außerdem sollte die Einstellung von Lehr-         nen und Schüler je nach Bundesland und Schulart
kräften für Sachunterricht, Politik und Geschichte      einen geringeren oder größeren Anteil an politi-
ebenso vorangetrieben werden, wie dies in den           scher Bildung erfahren, ist aus Sicht der Kommis-
letzten Jahren für die sogenannten MINT-Fächer          sion nicht vereinbar mit der Bedeutung dieses
erfolgte.                                               Fachs und dem Recht aller jungen Menschen auf
                                                        politische Bildung.
In einigen Bundesländern wird der politischen
Bildung auch in den Sekundarstufen I und II im          Politische Bildung in und an Schule ist aber nicht
Gymnasium sehr wenig Unterrichtszeit gewährt            allein auf den Unterricht beschränkt; genauso
und drei Viertel der Bundesländer sehen für die         wichtig dafür ist auch eine demokratische Schul-
Jahrgangsstufen 5 und 6 überhaupt keine politi-         kultur einschließlich wirksamer Mitbestimmung
sche Bildung vor. Zum Teil beginnt der entspre-         durch die Schülerinnen und Schüler.
chende Unterricht erst in Klasse 9 oder sogar 10.
Die Kommission kritisiert, dass in neun Bundes-         Eine besondere Herausforderung besteht darin,
ländern Schülerinnen und Schüler der nicht­             politische Bildung nachhaltig in Ganztagsschulen
gymnasialen Sekundarstufe I derzeit weniger             zu verankern. Zu den unterrichtlichen Inhalten,
                                                        wie sie die Lehrpläne vorsehen, kommen hier
                                                        Angebote am Nachmittag. Dafür ist nicht nur eine
                                                        verstärkte Kooperation zwischen außerschuli-
                                                        schen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und
                                                        Schulen nötig, sondern auch die Entwicklung
                                                        neuer Formate – vor allem in der Grundschule. So
                                                        kann die politische Kinder- und Jugendbildung
                                                        über Projekttage, Projektwochen oder andere
                                                        zeitlich befristete Angebote hinaus zum Tragen
                                                        kommen.

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Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Berufliche Bildung                                     Hochschulen
Zwischen politischer und beruflicher Bildung           An Hochschulen findet politische Bildung nicht
besteht ein enger Zusammenhang, der sich gerade        nur dort statt, wo etwa Politikwissenschaften oder
für junge Menschen beim Berufseinstieg mit             Geschichte studiert wird. Um Hochschulen als
konkreten politischen Fragen, etwa zum Steuer-         politische (Bildungs-)Räume zu stärken, empfiehlt
system und zur Steuerverwendung sowie zur              der 16. Kinder- und Jugendbericht ausreichend
sozialen Sicherung, verbindet. Die in den Rahmen-      Freiräume für eigene politische Bildungserfah­
lehrplänen der Kultusministerkonferenz für die         rungen der Studierenden, eine verfasste Studie-
beruflichen Schulen durchaus vorgesehene politi-       rendenschaft, eine stärkere Beteiligung der akade-
sche Bildung steht in der Praxis und im Rahmen         mischen Selbstverwaltung in studentischen
der Abschlussprüfungen jedoch zu sehr im               Angelegenheiten und ein allgemeinpolitisches
Schatten der beruflichen Ausbildungsfächer.            Mandat der Studierendenvertretungen. Die Kom-
                                                       mission empfiehlt zudem, politische Bildung in
Große Bedeutung für (arbeits-)politische Bildung       den Curricula aller Studiengänge zu verankern.
haben Gewerkschaften, die sich nicht auf betrieb-      Außerdem sieht sie es als Aufgabe der Hochschu-
liche Interessenvertretung beschränken. Es ist         len an, sich als offene Räume, in denen gesell-
wichtig, diese Angebote stärker auch auf junge         schaftliche Konflikte verhandelt werden, zu be-
Menschen in nicht tariflich gebundenen Kleinbe-        greifen und dafür angemessene Grundsätze und
trieben, befristet Beschäftigte, junge Erwachsene      Umgangsweisen zu entwickeln.
ohne qualifizierten Schulabschluss und Ausbil-
dung sowie Jugendliche in Übergangssystemen            Mit Blick auf die Forschung und Lehre über
auszurichten. Vor dem Hintergrund der in den           politische Bildung und Demokratiebildung stellt
Bundesländern unterschiedlich geregelten               die Kommission fest, dass sie nicht systematisch
Rechtsansprüche auf Bildungsurlaub empfiehlt           und in sehr unterschiedlichen Wissenschaftsdiszi-
der Bericht zudem ein Bundesweiterbildungs­            plinen erfolgt und dass ein kontinuierlicher und
gesetz mit bundesweit geltenden Freistellungs­         umfassender Austausch zwischen Wissenschaft
ansprüchen zu (politischen) Bildungszwecken.           und Praxis fehlt. Das gilt insbesondere für das Feld
                                                       der außerschulischen politischen Bildung und für
                                                       interdisziplinäre Themen (zum Beispiel politische
                                                       Medienbildung).

                                                                                                         23
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Kinder- und Jugend-                                     16. Kinder- und Jugendbericht bemängelt jedoch
                                                        eine schwach ausgeprägte Kooperation sowie
arbeit                                                  gegenseitige Kenntnis- und Bezugnahme. Vor dem
                                                        Hintergrund einer zurückgehenden Zahl der Ein-
Der 16. Kinder- und Jugendbericht widmet der            richtungen der außerschulischen politischen
Kinder- und Jugendarbeit und ihren unterschied-         Jugendbildung, insbesondere der Jugendbildungs-
lichen Angebotsformen einen breiten Raum und            stätten, wird empfohlen, neben den befristeten
spricht ihr einen großen Beitrag zur politischen        Förderprogrammen wie „Demokratie leben!“
Bildung von Kindern und Jugendlichen zu.                auch die etablierten und rechtlich abgesicherten
                                                        Regelstrukturen in diesem Bereich auszubauen.
Die Kinder- und Jugendarbeit ist sehr vielgestaltig.
Dazu gehören außerschulische Bildungsstätten,           Ausführlich widmet sich der Bericht der außer-
die Jugendverbände (von der Jugendfeuerwehr             schulischen politischen Jugendbildung, der
über Pfadfindergruppen und Umweltverbände bis           Kinder- und Jugendverbandsarbeit und der
hin zu politischen Jugendorganisationen), die           offenen Kinder- und Jugendarbeit. In der Summe
offene Kinder- und Jugendarbeit (zum Beispiel           eröffnen diese drei Praxisfelder, wie auch die
Jugendclubs und mobile Angebote im öffentlichen         anderen Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit,
Raum), die internationale Kinder- und Jugend-           vielfältige, an den Bedarfen und Interessen der
arbeit, die kulturelle Kinder- und Jugendbildung        jungen Menschen orientierte Möglichkeiten der
und die Kinder- und Jugendarbeit im Sport.              politischen Bildung und des praktischen Erlebens
Gemeinsam sind all diesen Angeboten pädagogi-           von Demokratie – zum Beispiel in Form weitge-
sche Ansprüche und Prinzipien wie Offenheit,            hend selbst organisierter und verantworteter
Freiwilligkeit, Selbst- und Mitbestimmung sowie         Formen der Freizeitgestaltung. Politische Bildung
Lebenswelt- und Sozialraumorientierung. Gleich-         wird in diesen Feldern meist in drei Formen
zeitig sind die Grenzen zwischen den verschiede-        ermöglicht: als konzeptionell geplante politische
nen Handlungsfeldern fließend.                          Bildung, als situativ anlassbezogene politische
                                                        Bildung und als Ausdruck einer Praxis, die auf den
Politische Bildung findet in allen Praxisfeldern der    oben genannten Prinzipien, vor allem Interessen-
Kinder- und Jugendarbeit statt – wenn auch mit          orientierung, Freiwilligkeit und Beteiligung,
deutlich unterschiedlichen Akzentsetzungen. Der         basiert.

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Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Parteinahe Jugend-                                      ihres Engagements etwa bei Fridays for Future
                                                        und in den LSBTTIQ*-Bewegungen (lesbisch,
bildung                                                 schwul, bisexuell, transsexuell, trans*, inter* und
                                                        queer/questioning) machen.
Parteien, ihre Jugendorganisationen und die
parteinahen Stiftungen sind laut 16. Kinder- und        Der Bericht empfiehlt, solche Engagementfor-
Jugendbericht „natürliche Räume, an denen               men, Organisationen und Bildungsträger, die den
Politik thematisiert und gestaltet wird“. Der           demokratischen Werten verpflichtet sind, stärker
Bericht stellt fest, dass die politische Bildung von    zu unterstützen. Vorgeschlagen wird, ihnen Platt-
jungen Menschen innerhalb der Parteiarbeit eine         formen zur Vernetzung und öffentliche Räume
untergeordnete und bei den Parteijugendorgani-          als Treffpunkte zur Verfügung zu stellen und
sationen größtenteils eine instrumentelle Rolle         barriere­frei zu informieren, zum Beispiel wie eine
mit dem vorrangigen Ziel der Nachwuchsgewin-            Demonstration angemeldet werden kann und was
nung spielt. Den parteinahen Stiftungen wird            dabei zu beachten ist.
attestiert, dass sie einen wichtigen Beitrag für die
politische Bildung von Jugendlichen und Erwach-
senen leisten, jedoch zu wenig miteinander und          Freiwilligendienste
dem gesamten Feld der politischen Jugendbildung
kooperieren.                                            Freiwilligendienste für junge Menschen sind eine
                                                        besondere Form des bürgerschaftlichen Engage-
                                                        ments in vielfältigen sozialen, ökologischen,
Proteste und soziale                                    internationalen und entwicklungspolitischen
                                                        Einsatzfeldern. Freiwilligendienste unterliegen
Bewegungen                                              festen Regeln, sind befristet und strukturieren den
                                                        Alltag der jungen Teilnehmenden. Zugleich sind
Große Potenziale für die politische Bildung von         die Freiwilligendienste als Lerndienste gestaltet –
jungen Menschen sieht der Bericht auch in               durch die praktische Arbeit in der Einsatzstelle
sozialen Bewegungen und Protestformationen.             ergeben sich vielfältige (politische) Bildungsmög-
Beschrieben werden politische Bildungs- und             lichkeiten.
Lernerfahrungen, die junge Menschen im Zuge

                                                                                                          25
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Der Freiwilligendienst setzt eine pädagogische          seit 1956 gibt es eine Wehrbeauftragte beziehungs-
Begleitung voraus, zum Beispiel in Seminaren zur        weise einen Wehrbeauftragten des Deutschen
Vor- und Nachbereitung. Diese haben das Ziel,           Bundestages, an die oder den sich Soldatinnen
„soziale, kulturelle und interkulturelle Kompeten-      und Soldaten mit allen Anliegen direkt wenden
zen zu vermitteln und das Verantwortungsbe-             können. Die Bundeswehr ist der parlamentari-
wusstsein für das Gemeinwohl zu stärken“. So ist        schen Demokratie also in besonderer Weise
es im Jugendfreiwilligendienstegesetz festgelegt.       verpflichtet.
Die Regelungen im Bundesfreiwilligendienst sind
vergleichbar.                                           Seit Aussetzen der Wehrpflicht und vor dem Hin-
                                                        tergrund aktueller internationaler und nationaler
Der 16. Kinder- und Jugendbericht empfiehlt,            Herausforderungen befindet sich die Bundeswehr
noch mehr zu unternehmen, damit alle jungen             in einem Veränderungsprozess. Nicht zuletzt auf-
Menschen unabhängig von Herkunfts- oder                 grund der bestehenden gesellschaftlichen Reprä-
Bildungsbiografien sowie individuellen Beein-           sentationslücken innerhalb der Bundeswehr
trächtigungen einen Freiwilligendienst leisten          sollten laut Bericht die Aktivitäten für den zivil-
können. Zudem empfiehlt der Bericht, die Beteili-       militärischen Dialog gestärkt werden. Es sei auch
gungsrechte von Freiwilligen auszuweiten und            wichtig, dass sich die Bundeswehr als Teil der
sich aktuell und trägerübergreifend über gemein-        staatlichen Ordnung vorstellt und ihre Berufs­
same Kernziele politischer Bildung im Freiwilli-        bilder mit Blick auf die erforderliche Nachwuchs-
gendienst zu verständigen. Eine weitere Empfeh-         gewinnung auch in Schulen präsentiert; jedoch
lung: Die Träger der Freiwilligendienste sollten        sollte aus Sicht der Berichtskommission das
ebenso wie die Bundeswehr mit ihren Jugend­             Mandat der Jugendoffiziere nicht über die reine
offizieren in allen Bundesländern die Möglichkeit       Information hinausreichen (keine Werbung
bekommen, in den Schulen präsent zu sein.               beziehungsweise Rekrutierung).

                                                        Eine weitere Empfehlung des 16. Kinder- und
Bundeswehr                                              Jugendberichts besteht in einer systematischen
                                                        Beobachtung und Erfassung extremistischer
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das            Einstellungen in der Bundeswehr, begleitet von
heißt, der Deutsche Bundestag hat die Entschei-         einer auf die demokratischen Grundwerte orien-
dungshoheit über den Verteidigungshaushalt und          tierten politischen Bildung für alle Dienstgrad-
über Einsätze im Ausland. Das Grundgesetz sieht         gruppen.
zudem einen Verteidigungsausschuss vor und

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Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

Medien/Digitale Welten                                  Der Bericht beschreibt zudem das Dilemma,
                                                        dessen sich die politische Bildung gewahr sein
Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer           müsse, wenn sie kommerzielle und in Bezug auf
im hohen Maße digitalisierten Gesellschaft auf.         den Datenschutz und die Wahrung der Privat-
Sie bewegen sich gleichzeitig in der analogen wie       sphäre unsichere Plattformen und Kanäle kriti­
auch in unterschiedlichen digitalen Welten. Das         siere, gleichwohl aber selbst nutze, um junge
gilt ebenso für die politische Bildung. Entspre-        Menschen, zum Beispiel mithilfe der sozialen
chend empfiehlt der 16. Kinder- und Jugend­             Medien, zu erreichen.
bericht eine konsequente Verschränkung von
politischer Bildung und kritischer Medienbildung.       Politische Medienbildung ist auch auf die Unter-
Diese politische Medienbildung soll sich mit            stützung der öffentlich-rechtlichen Medien
medial bedingten wirtschaftlichen und gesell-           angewiesen; diese sollten ihre Angebote für
schaftlichen Prozessen auseinandersetzen, ver­          Kinder und Jugendliche in Umfang und Qualität
änderte Öffentlichkeiten durch neue Medien-             dringend weiterentwickeln.
strukturen reflektieren und Optionen der
Selbstermächtigung eröffnen.

Ein kritischer und kompetenter Umgang mit
digitalen Medien ist demnach grundlegend für
politische Bildung. Es ist wichtig, dass junge
Menschen in der Lage sind, digitale Medien selbst-
organisiert, reflektiert und kreativ zu nutzen. Die
Förderung der Medienkompetenz spielt hier eine
wesentliche Rolle. Außerdem mahnt der Bericht
eine Reform des gesetzlichen Kinder- und Jugend-
medienschutzes an. Damit soll vor allem die
Anbieterverantwortung gestärkt werden, um
Interaktionsrisiken wie Cybermobbing und Hate
Speech im Internet wirksam zu begegnen.

                                                                                                          27
Politische Bildung findet während der gesamten Kindheit und Jugend statt

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Politische Bildung ist ein Recht aller jungen Menschen

Politische Bildung ist ein Recht
aller jungen Menschen

Der 16. Kinder- und Jugendbericht leitet ein Recht    Förderung entsprechender Strukturen auf Bundes-
aller jungen Menschen auf politische Bildung aus      ebene (zum Beispiel über den Kinder- und Jugend-
ihrem Recht auf Förderung ihrer Entwicklung           plan des Bundes oder die Bundeszen­trale für
und auf Erziehung zu einer eigenverantwortli-         politische Bildung) wäre aus Sicht der Kommis-
chen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit          sion zum einen ein sichtbares politisches Signal
(§ 1 SGB VIII) sowie aus dem über die UN-Kinder-      der Anerkennung, zum anderen würde es die
rechte verbrieften Recht auf Bildung ab. Empfoh-      Vernetzung mit den anderen Akteurinnen und
len wird, dieses Recht auf politische Bildung in      Akteuren erleichtern.
allen Landesverfassungen zu verankern – und
zwar dergestalt, dass die Mündigkeit der Bürge­       Dass politische Bildung die Fähigkeiten zur poli­
rinnen und Bürger sowohl durch ein eigenes            tischen Partizipation und zur Gestaltung von
Unterrichtsfach als auch durch außerschulische        demokratischen Prozessen fördert, gilt unein­
politische Bildung gefördert werden muss. Zudem       geschränkt auch für junge Menschen mit Behin­
sollten die Kinderrechte im Grundgesetz veran-        derungen und Beeinträchtigungen. Politische
kert werden.                                          Bildung muss deshalb als eine wesentliche Voraus­
                                                      setzung zur Wahrnehmung der politischen Rechte
Organisationen junger Menschen mit Migrations-        im Sinne des Artikels 29 der UN-Behinderten-
biografien, People of Color und postmigrantische      rechtskonvention verstanden werden. Die barrie-
Akteurinnen und Akteure als Anbieterinnen und         refreie Teilhabe junger Menschen mit Behinde-
Anbieter politischer Bildung sollten stärker aner­    rungen und Beeinträchtigungen an politischer
kannt und ausgebaut werden. Eine dauerhafte           Bildung ist jedoch bislang nur die Ausnahme.

                                                                                                         29
Politische Bildung ist mehr als Extremismusprävention

Politische Bildung ist mehr als
Extremismusprävention

Der 16. Kinder- und Jugendbericht wendet sich             Vordergrund gerückt und nicht die Möglichkeiten,
gegen eine Verkürzung des Auftrags der politi-            Interessen und Bedarfe junger Menschen. Ergeb-
schen Bildung auf Extremismusprävention. Dabei            nisoffene Angebote für alle jungen Menschen
ist unstrittig, dass erfolgreiche politische Bildung      wären dann kaum mehr möglich.
sich auch gegen jegliche Form des Extremismus
wendet. Allerdings besteht die Gefahr, wenn man           Mit anderen Worten: Politische Bildung ist keine
politische Bildung allein auf den Aspekt der Extre-       „gesellschaftspolitische Feuerwehr“ (Kapitel 10
mismusprävention fokussiert, dass zentrale Prin-          und 21) – ihre fortdauernde Notwendigkeit be-
zipien politischer Bildung aufgegeben werden.             gründet sich vielmehr darin, dass Demokratie und
Zum Beispiel würden dann eher die möglichen               demokratisches Verhalten von jeder Generation
Probleme, Defizite und Gefährdungen in den                neu gelernt und eingeübt werden müssen.

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Politische Bildung ist transnational

Politische Bildung ist transnational

Aus der Sicht des 16. Kinder- und Jugendberichts     gilt insbesondere mit Blick auf Europa. Dabei geht
beschäftigt sich politische Bildung in Deutsch-      es nicht nur darum, das Wissen über die EU, ihre
land zu häufig allein mit Themen, die sich auf       Strukturen und Verfahren zu erweitern, sondern
Deutschland beziehen, also zum Beispiel dem          Europa als politischen Gestaltungsraum mit all
politischen System der Bundesrepublik. Auch die      seinen Widersprüchlichkeiten zu erfahren und die
ersten konkreten politischen Erfahrungen bezie-      entsprechenden Kompetenzen zu erwerben.
hen sich üblicherweise auf diesen Bereich. Zu-
gleich ist Deutschland aber auch Mitglied der        Zum Aspekt der Transnationalität gehört auch,
Europäischen Union und als Teil der Weltgemein-      Migration als eine gesellschaftliche Normalität
schaft vielfältig mit anderen Ländern verflochten.   und ein kontinuierliches Element in der deut-
Damit dies alles nicht abstrakt und fremd bleibt     schen und europäischen Geschichte darzustellen.
(das „ferne Brüssel“), plädiert die Kommission für   Der politische Umgang mit Migration ist deshalb
mehr transnationale Bildungserfahrungen. Das         ein wichtiges Thema politischer Bildung.

                                                                                                        31
Politische Bildung und politische Mitsprache gehören zusammen

Politische Bildung und politische
Mitsprache gehören zusammen

Politische Bildung muss mit politischer Beteili-       wird entsprechend auch eine Absenkung des
gung Hand in Hand gehen. Eine fundierte politi-        gesetzlichen Wahlalters auf allen Ebenen auf
sche Bildung in Verbindung mit wirkungsvollen          16 Jahre.
Beteiligungsmöglichkeiten trägt dazu bei, junge
Menschen für die Demokratie zu gewinnen und            Der Bericht stellt gleichzeitig fest, dass Partizi­
sie zur demokratischen Teilhabe sowie zum Ein-         pation zwar eine notwendige, „aber noch keine
satz für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu            hinreichende Voraussetzung für politische Bil-
befähigen.                                             dungsprozesse“ (Kapitel 21) ist. Vielmehr müssten
                                                       Erfahrungen mit Beteiligung immer auch darauf-
Kinder und Jugendliche sollten ihre sozialen           hin reflektiert werden, was junge Menschen
Räume wirksam mitgestalten und über reale Kon-         lernen, wenn sie sich politisch beteiligen.
flikte und Probleme mitentscheiden. Empfohlen

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Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik

Politische Bildung für junge
Menschen ist Jugendpolitik

Der 16. Kinder- und Jugendbericht empfiehlt,            zu reduzieren. Förderprogramme der politischen
politische Bildung als wichtigen Bestandteil einer      Bildung sollten verstärkt daraufhin überprüft wer-
jeden Jugendpolitik sowohl in den Kommunen als          den, ob sie die Bedingungen des Aufwachsens und
auch auf Länder- und Bundesebene zu verankern.          die Lebenswelten junger Menschen ausreichend
                                                        berücksichtigen und ob sie geeignet sind, Politik
Die Kommission positioniert sich sehr klar, indem       für Kinder und Jugendliche konkret erlebbar zu
sie fordert, dass politische Bildung im Kindes- und     machen.
Jugendalter die Rechte, Interessen und Bedürf­
nisse junger Menschen berücksichtigt – im öffent-       Zudem weist der Bericht auf die Unterschiede
lichen sowie jugendpolitischen Diskurs und auch         zwischen Jugend- und Erwachsenenbildung hin
in ihren eigenen Angeboten und Strukturen. Es           und empfiehlt dringend, die fachliche Eigenstän-
gehört zu den Aufgaben politischer Bildung,             digkeit politischer Bildung für junge Menschen
Benachteiligungen und Ausschlüsse bei Bildung           zu stärken und weiterzuentwickeln.
und politischer Teilhabe sichtbar zu machen und

                                                                                                           33
Politische Bildung für junge Menschen ist Jugendpolitik

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Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung

Corona schafft Herausforderungen
und Lernanlässe für politische
Bildung

Die Corona-Pandemie und die Strategien zu ihrer        Ein weiteres großes Problem sieht die Kommis-
Bewältigung werden vom 16. Kinder- und Jugend-         sion in der unzureichenden Mitwirkung junger
bericht als „Stresstest für die offene demokrati-      Menschen an den sie betreffenden Entscheidun-
sche Gesellschaft“ (Kapitel 1.1.3) bezeichnet. Der     gen in der Krise sowie in fehlenden altersgerech-
Bericht analysiert die Herausforderungen und           ten Informationen, vor allem für Jugendliche.
Lernanlässe, die sich für die politische Kinder-       Kritisiert wird eine verkürzte Sichtweise auf junge
und Jugendbildung aus der Pandemie ergeben.            Menschen in ihrer Rolle als Schülerinnen und
                                                       Schüler.
Geschildert werden erhebliche Einschränkungen
der politischen (Selbst-)Bildungsprozesse junger       Auch existenzielle Herausforderungen für Träger
Menschen und es wird festgestellt, dass beste­         und Einrichtungen außerschulischer politischer
hende soziale Ungleichheiten in Bezug auf die          Bildung durch die pandemisch bedingten Schlie-
Bildungschancen durch die Eindämmungsmaß­              ßungsanordnungen und Einschränkungen
nahmen nicht nur sichtbarer wurden, sondern            werden benannt. Sie ergeben sich vor allem aus
auch verstärkt worden seien. Auch der mit der          abgesagten oder nur sehr eingeschränkten Semi-
Pandemie verbundene Digitalisierungsschub in           naren, Projekten, Bildungsmaßnahmen oder
den verschiedenen Bildungskontexten junger             internationalen Begegnungen, aus langfristig
Menschen wird durchaus kritisch gesehen: Nach          abgesagten Klassenfahrten und Kooperationsver-
Ansicht der Kommission verstärkt er soziale            anstaltungen mit außerschulischen Akteuren
Gefälle, geht zulasten des Datenschutzes, treibt       außerhalb und in der Schule.
Daten-Kommerzialisierung voran und ist kein
Ersatz für gemeinsame Erfahrungen und persön-
liche Begegnungen.

                                                                                                         35
Corona schafft Herausforderungen und Lernanlässe für politische Bildung

Für Corona als Lernanlass für politische Bildung        um die Themen Europäische Union oder Natio-
sieht die Kommission zahlreiche Anknüpfungs-            nalstaatlichkeit im Rahmen der politischen
punkte: An erster Stelle genannt werden die             Bildung in Krisenzeiten zu debattieren. Auch die
Grundrechte und die Möglichkeiten ihrer Ein-            Rolle und die Einflussmöglichkeiten demokrati-
schränkung, die Gewaltenteilung und die Ange-           scher und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten
messenheit und Dauer von Einschränkungen in             und wissenschaftlicher Expertinnen und Experten
Notstandssituationen. Nationalstaatliche Allein-        sind zu betrachten. Offengelegt werden könnten
gänge, Grenzschließungen und Bemühungen                 auch Anknüpfungsmöglichkeiten und Ausbrei-
um gemeinsame europäische Antworten auf wirt-           tungsprozesse von Verschwörungstheorien im
schaftliche Folgen werden als Anlass gesehen,           Rahmen pandemischer Ereignisse. Ein weiteres
                                                        wichtiges Thema sieht der Bericht in Diskriminie-
                                                        rungen und sogenannten Othering-Prozessen
                                                        (Corona als „China-Seuche“, die überwiegend
                                                        „Alte“ und „Kranke“ befalle und so weiter), die
                                                        bestimmte soziale, oft bereits marginalisierte
                                                        Gruppen durch die Einteilung in „wir“ und „die
                                                        anderen“ entfremde. Auch der Zusammenhang
                                                        von Demokratie und Kapitalismus ließe sich
                                                        anhand der Pandemie kritisch diskutieren, etwa
                                                        bezogen auf die marktförmige Organisation des
                                                        Gesundheitssystems. Nicht zuletzt werden in
                                                        der Corona-Krise zahl­reiche Werte-Dilemmata
                                                        sichtbar, an die in der politischen Bildung ange-
                                                        knüpft werden könnte.

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