Der vielen kleinen Unterschiede - Jugendring Düsseldorf

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Der vielen kleinen Unterschiede - Jugendring Düsseldorf
der vielen kleinen Unterschiede
Der vielen kleinen Unterschiede - Jugendring Düsseldorf
Die Fibel der vielen kleinen Unterschiede von
ANDERS & GLEICH ist eine Art Wörterbuch, das
viele Begriffe zur sexuellen und geschlechtlichen
Vielfalt enthält. Die Fibel liefert keine Definitionen,
sondern Beschreibungen. Denn: Jeder Mensch hat
das Recht, die eigene sexuelle Orientierung und das
eigene Geschlecht so zu definieren, wie er_sie es
empfindet. Deshalb bemühen wir uns möglichst
vielfältige Perspektiven abzubilden, ohne dabei einen
Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.
Der vielen kleinen Unterschiede - Jugendring Düsseldorf
ANDERS & GLEICH klärt über sexuelle und geschlechtliche
Vielfalt auf, fördert Akzeptanz und Wertschätzung von
lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen,
intergeschlechtlichen und queeren Menschen, unterstützt
die Selbsthilfe und Communitys, schafft Aufmerksamkeit
für Diskriminierung und Gewalt und setzt sich konsequent
dagegen ein.

ANDERS & GLEICH bietet:
• Aufklärungsmaterialien (Broschüren, Poster, Postkarten)
• Download-Angebot von Studien, Handreichungen,
  Broschüren etc.
• Beratung zu Inhalten und Veranstaltungen zu
  LSBTIQ*-Themen
• Workshops & Vorträge
• (Medien-)Kooperationen für Veranstaltungen
  und Veröffentlichungen
• Unterstützung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  für die LSBTIQ*-Communitys
• Beratungs- und Angebotsfinder in NRW
• Informationsstände

Mehr Informationen unter: www.aug.nrw
Der vielen kleinen Unterschiede - Jugendring Düsseldorf
INHALT

Grußwort                                                 7    lesbisch / Lesbe                                  36
                                                              Mehrfachzugehörigkeit / Mehrfachdiskriminierung   37
Abkürzung LSBTIQ*                                         9   nichtbinär                                        39
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)               10    normal / Normalität                               41
asexuell / Asexualität                                   11   pansexuell / Pansexualität                        43
bisexuell / Bisexualität                                12    Queer                                             44
cisgeschlechtlich / Cisgeschlechtlichkeit               13    Regenbogenfamilie                                 45
Coming-out                                              15    Regenbogenflagge                                  47
Community                                               16    Rosa Winkel / Schwarzer Winkel                    48
CSD                                                     17    schwul / Schwuler                                 49
Eingetragene Lebenspartnerschaft / Ehe                  19    sexuelle Identität / sexuelle Orientierung        51
Gender / Geschlecht / geschlechtliche Identität         21    trans*                                            52
Heterosexuell / Heterosexualität / Heteronormativität   23    Transgender                                       53
Homofeindlichkeit/ Homophobie / Heterosexismus          25    Transfeindlichkeit / Transphobie / Cissexismus    54
homosexuell / Homosexualität                            27    transsexuell / Transsexualität                    55
Inklusion                                               29    § 175 StGB Homosexuellenverfolgung                57
Inter* / Intergeschlechtlichkeit                        31    Symbole                                           59
intersexuell / Intersexualität                          33    Adressen                                          61
intersektional / Intersektionalität                     35    Impressum                                         66
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GRUSSWORT

„Eigentlich habe ich ja nichts gegen ‚die‘, aber …“ Wie oft hört man       legende Informationen können helfen, Homo- und Transphobie abzu-
diesen Satz? Gemeint mit „die“ sind oft auch Lesben und Schwule. Das       bauen, nicht aneinander vorbeizureden und Schweigen zu brechen.
kleine Wort „die“ stempelt sie ab. Es isoliert sie als „die Anderen“ und   Eine respektvolle Ansprache und korrekte Begriffe, die der Würde des
verhindert die Wahrnehmung ihrer individuellen Persönlichkeit. Be-         Menschen gerecht werden, sind wichtig für ein gutes Miteinander in
nachteiligungen und Diskriminierungen gehören leider immer noch zu         unserer Gesellschaft.
den Alltagserfahrungen von Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben
oder eine andere geschlechtliche Identität haben. Sie erleben noch viel
zu oft Hasstiraden und Bedrohungen – im Netz und auf der Straße.
Und auch die Schimpfworte auf vielen Schulhöfen zeigen, dass bereits
Kinder und Jugendliche diffamierende Wörter übernehmen. Worte, die         Dr. Joachim Stamp
verletzen und ausgrenzen. Was sind die Gründe dafür? Häufig sind es        Minister für Kinder, Familie,
Vorurteile, manchmal irrationale Ängste oder der Hass auf das Anders-      Flüchtlinge und Integration
sein. Mitunter ist es fehlendes Wissen, nicht zuletzt, weil Wörter und     des Landes Nordrhein-Westfalen
deren Bedeutung nicht bekannt sind. Im falschen Kontext benutzt,           Twitter: www.twitter.com/chancennrw / @chancennrw
können sie Haltungen und Handlungen auslösen. Korrektes Vokabular,         Facebook: www.facebook.com/chancennrw
Sensibilität für Identitätsbezeichnungen des Gegenübers und grund-         Instagram: www.instagram.com/chancen_nrw

                                 7                                                                             8
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ABKÜRZUNG LSBTIQ*                                                   ALLGEMEINES
                                                                    GLEICHBEHANDLUNGS-
                                                                    GESETZ (AGG)

                                                                    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, besser bekannt
                                                                    unter dem Namen Antidiskriminierungsgesetz, hat genau
                                                                    dies zum Ziel: Es soll dafür sorgen, dass alle Menschen gleich
Diese Buchstabenkombination steht für: lesbisch, schwul,            behandelt werden – egal, woher sie kommen oder wie alt sie
bisexuell, transgeschlechtlich, intergeschlechtlich und queer.      sind; ob oder an welchen Gott sie glauben; ob sie gehörlos sind
Das Sternchen* (auch Gender-Star genannt) wird ebenso wie           oder im Rollstuhl sitzen; egal, welchem Geschlecht sie angehö-
der Unterstrich_ (auch Gender- Gap genannt) als Platzhalter         ren oder wen sie lieben. Falls sie aus einem dieser Gründe dis-
verwendet, um alle Geschlechter und Identitäten über                kriminiert – also z.B. nicht eingestellt, schlechter bezahlt oder
„männlich“ und „weiblich“ hinaus sichtbar zu machen.                belästigt werden – können sie dagegen klagen. Neben der Dis-
                                                                    kriminierung im Berufsleben soll das Gesetz auch verhindern,
Die Abkürzung LSBTIQ* soll alle geschlechtlichen und nicht-         dass Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen benach-
heterosexuellen Identitäten abbilden. Der Gender-Gap und der        teiligt werden. Wenn also z.B. eine Wohnungsbaugesellschaft
Gender-Star sorgen durch ihre Platzierung im Wort (Akteur_in-       grundsätzlich nicht an Menschen mit Migrationsbiografie ver-
nen oder Akteur*innen) dafür, dass beim Lesen mehr als nur ein      mietet oder eine private Krankenversicherung grundlos höhere
oder zwei Geschlechter mitgedacht werden. In der deutschen          Beiträge von Frauen verlangt, dann ist das ein Fall für das AGG.
Sprache wird meist das generische Maskulinum verwendet, das         Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen wegen der ethnischen
heißt die männliche Form (Akteur) soll für alle gelten, alle mei-   Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
nen, alle ansprechen. Mehrere Studien zur Textwahrnehmung           einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu
haben aber gezeigt, dass die Verwendung der rein männlichen         verhindern oder zu beseitigen.
Form dazu führt, dass Frauen, transgeschlechtliche, inter-          Letzteres ist ein Novum: Mit dem Allgemeinen Gleichbehand-
geschlechtliche und nichtbinäre Menschen nur sehr selten            lungsgesetz, das 2006 verabschiedet wurde, haben Menschen
gedanklich mit einbezogen werden. Wichtig ist deshalb eine          zum ersten Mal die Möglichkeit, sich gegen Diskriminierung
geschlechterbewusste Sprache, die alle einbezieht und dadurch       aufgrund ihrer sexuellen Identität zu wehren. Zwar bestimmt
ihren Beitrag leistet, Geschlechter- und Rollenklischees zu ver-    auch das Grundgesetz in Artikel 3, dass niemand wegen der
meiden. Ausgesprochen werden Gender-Gap und -star durch             oben genannten Merkmale benachteiligt werden darf, aber ein
eine hörbare, kurze Pause zwischen den getrennten Wortteilen.       Merkmal fehlt dabei: die sexuelle Identität.

                                 9                                                                10
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ASEXUELL /                                                        BISEXUELL /
ASEXUALITÄT                                                       BISEXUALITÄT

Asexuelle Menschen haben kein Verlangen nach Sexualität
mit anderen Menschen. Es handelt sich also in der Regel nicht
um eine bewusste Entscheidung, auf Sex zu verzichten, wie sie
z.B. katholische Priester mit dem Zölibat treffen, sondern um
die Abwesenheit sexueller Erregung oder deren Ablehnung.

Auch hier gibt es – wie so oft, wenn es um die sexuelle
Identität geht – verschiedene Varianten. Manche asexuelle
Menschen verlieben sich und möchten körperliche Nähe und
Zärtlichkeit zu ihrem_r Partner_in, haben aber darüber hinaus     Bisexuelle Menschen (nach der lateinischen Vorsilbe
keinerlei Bedürfnis nach Sexualität mit ihm_ihr. Anderen          bi- = zwei) fühlen sich sexuell und/oder emotional zu
ist auch das Gefühl romantischer Liebe fremd. Auch die Art,       Männern und Frauen hingezogen.
ob und wie Asexuelle Erregung erleben, ist unterschiedlich.
Manche empfinden generell keine oder kaum Erregung, andere        Nationaltorhüterin Nadine Angerer hat es so ausgedrückt: „Ich
masturbieren, ohne dass sich ihre Lust dabei auf einen anderen    persönlich bin da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette
Menschen richtet. Wiederum andere empfinden Erregung,             Männer und nette Frauen gibt, und weil ich eine Festlegung
erleben sie aber nicht als angenehm. Weil Menschen, die offen     generell total albern finde.“ Sigmund Freud stellte die These
mit ihrer Asexualität umgehen, häufig auf irritierte Reaktionen   auf, dass im Grunde alle Menschen bisexuell seien, also die
stoßen, haben Asexuelle 2001 in den USA das Asexual Visibility    Fähigkeit besitzen, Männer wie Frauen zu lieben und/oder zu
and Education Network (AVEN) gegründet. Es ist inzwischen zu      begehren. Bisexuelle sind vielen Vorurteilen ausgesetzt, sowohl
einer weltweiten Community angewachsen – seit 2005 existiert      von heterosexueller als auch von homosexueller Seite. Während
auch eine deutsche Website – und soll Akzeptanz gegenüber         Hetero- und auch Homosexualität meist mit Zuneigung, Liebe
asexuellen Lebensweisen schaffen.www.aven-info.de                 und Sexualität assoziiert werden, nehmen viele Menschen
                                                                  Bi-sexualität vor allem oder ausschließlich über die Sexualität
                                                                  wahr. Bisexuelle Menschen werden also oft übersexualisiert
                                                                  definiert oder dargestellt, auch wenn sie selbstverständlich ein
                                                                  ebenso komplexes Gefühlsleben wie Hetero- und Homosexuelle
                                                                  haben. Das führt dazu, dass viele sich nicht outen – aus Angst,
                                                                  nicht anerkannt, nicht ernstgenommen oder nur sexuell wahr-
                                                                  genommen zu werden.

                                11                                                             12
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CISGESCHLECHTLICH /
CISGESCHLECHTLICHKEIT

Cisgeschlechtlichkeit (von der lateinischen Vorsilbe                den Begriff oder machen sich darüber lustig. Das liegt meist
cis- = „diesseits“) ist das Gegenteil von Transgeschlechtlichkeit   daran, dass Cisgeschlechtlichkeit als „die Norm“wahrgenom-
(trans- = jenseits von, über … hinaus). Cisgeschlechtliche          men wird und daher als nicht erwähnenswert gilt. Dies bedeu-
Menschen identifizieren sich mit dem Geschlecht, das ihnen          tet aber auch, dass trans- oder intergeschlechtliche Menschen
bei der Geburt zugewiesen wurde.                                    dadurch zu „von der Norm abweichende“ Menschen gemacht
                                                                    werden und die Privilegien, die cisgeschlechtliche Menschen
Eine Cis-Frau ist also eine Person, die bei der Geburt dem weib-    genießen, unsichtbar gemacht werden (siehe Transphobie /
lichen Geschlecht zugewiesen wurde und sich auch als Frau           Transfeindlichkeit / Cissexismus). Deshalb ist es gut, Cis-
identifiziert. Und ein Cis-Mann ist eine Person, die bei der        geschlechtlichkeit zu benennen, um zu verdeutlichen, dass
Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurde und               es keine Selbstverständlichkeit ist, dass das Geschlecht einer
sich auch als Mann identifiziert. Das Konzept führte der Sexual-    Person dem Geschlecht entspricht, was bei der Geburt ein-
wissenschaftler Volkmar Sigusch 1991 ein. Er wollte damit zum       getragen wurde.
Ausdruck bringen, dass es Cisgeschlechtlichkeit geben muss,
wenn es Transgeschlechtlichkeit gibt.

Die meisten cisgeschlechtlichen Menschen kennen diesen
Begriff für ihr Geschlecht nicht. Einige wehren sich sogar gegen

                                 13                                                              14
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COMING-OUT                                                          COMMUNITY
Coming-out heißt wörtlich „herauskommen“ und meint
den Schritt, mit der eigenen sexuellen Orientierung oder
geschlechtlichen Identität an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der in Deutschland wohl berühmteste Coming-out-Satz stammt
von Klaus Wowereit: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“
sagte der Berliner Politiker, als er 2001 zum Bürgermeister-
Kandidaten gewählt werden sollte. Vorher wollte Wowereit
seine Homosexualität öffentlich machen und wählte dazu die-
sen selbstbewussten Ausspruch. „Ja, wir sind ein Paar!“ erklär-
ten die TV-Moderatorin Anne Will und die Kommunikations-
wissenschaftlerin Miriam Meckel auf Nachfrage der Presse und
beendeten damit 2007 die Heimlichkeit um ihre Beziehung.
Natürlich ist die Öffentlichkeit nicht immer so groß wie bei
Prominenten wie Will oder Wowereit. Für die meisten LSBTIQ*
ist es aber auch ein großer Schritt, „es“ den Eltern, dem Freund_   Community heißt Gemeinschaft – also eine Gruppe von
innen-Kreis oder dem kollegialen Umfeld zu sagen. Eine Ent-         Menschen, die sich in einer vergleichbaren oder ähnlichen
scheidung, die mitunter Mut erfordert. Bevor Menschen diesen        Lebenssituation befinden.
Schritt nach außen gehen können, sollte zunächst das „innere
Coming-out“ abgeschlossen sein, also der Prozess, sich selbst zu    In diesem Fall ist die Community also die Gruppe derjenigen,
erkennen und anzunehmen. Dieser Prozess kann als Jugend-            die aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität
liche_r, aber auch erst im Erwachsenenalter stattfinden und         ähnliche Erfahrungen teilt und in diesem Zusammenhang
durch Personen des Vertrauens unterstützt werden.                   aktiv ist. Zur Community gehört also das Beratungszentrum
Im englischen Sprachraum kommen Menschen übrigens „out of           für Lesben und Schwule genauso wie das Volleyballteam für
the closet“, also „aus dem Schrank“. Dieser Schrank symbolisiert    FLTI* (Frauen, Lesben, Trans*, Inter*), die Selbsthilfegruppe
die Enge und das Eingesperrtsein in den Normen einer Gesell-        für trans*- oder inter*Menschen, der bisexuelle Stammtisch
schaft, die Heterosexualität und das binäre Geschlechtermodell      und das Schwule Museum. Also alle, die sich in irgendeiner
(Mann, Frau) oft als einzig mögliche Lebens- und Liebensmodelle     Form zusammentun und handeln, um Selbstbewusstsein und
betrachtet. Das Coming-out ist ein Prozess, den Menschen            Solidarität zu stärken – oder auch einfach gemeinsam Spaß
selbstbestimmt und in selbst gewählten Schritten gehen. Es ist      zu haben. Im Gegensatz zu dem Begriff „Szene“ wird mit
nicht zu verwechseln mit dem Outing, das meist gegen ihren          dem Begriff „Community“ das Zusammengehörigkeitsgefühl
Willen von Dritten initiiert wird.                                  stärker betont.

                                 15                                                              16
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CSD

Unter seiner Abkürzung CSD ist er mittlerweile wohl besser        bogenparade, in englischsprachigen und romanischen Ländern
bekannt als unter seinem vollen Namen: Christopher Street Day.    wird meist von Gay Pride, Pride Parades oder einfach Pride
                                                                  gesprochen. In Australien sind die Paraden mit der Karne-
Am 28. Juni 1969 setzten sich trans*Personen, Schwule und         valstradition vermischt worden und heißen deswegen Mardi
Lesben gegen eine Razzia der Polizei im Szene-Lokal „Stone-       Gras. Während sich in den 1980er Jahren gerade einmal ein
wall Inn“ in der New Yorker Christopher Street zur Wehr. Lange    paar Hundert Teilnehmende in Metropolen wie Berlin oder
hatten sie die brutale Polizeiwillkür ertragen – an diesem 28.    Köln auf die Straße wagten, nehmen heute Zehntausende an
Juni verbarrikadierten sie sich im „Stonewall Inn“ und sperrten   den Demonstrationen und Paraden teil, die Hunderttausende
die Ordnungskräfte aus. Der mutige und spektakuläre Auf-          Zuschauer_innen anziehen. Während die CSDs in einigen
stand gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und          Ländern einen volksfestähnlichen Charakter haben und sich
trans*Personen ging um die Welt und machte die Christopher        auch beim heterosexuellen Publikum großer Beliebtheit er-
Street berühmt. Seither wird der Christopher Street Day in        freuen, kämpfen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und
vielen Ländern mit Paraden und Straßenfesten gefeiert, um für     Queers in manchen anderen Ländern immer wieder gegen das
Akzeptanz und Anerkennung zu demonstrieren und die eigene         Verbot ihrer Demonstrationen – und gegen massive Angriffe
Lebens- und Liebesform mit Stolz (engl. Pride) zu zeigen.         durch rechtsgerichtete, LSBTIQ*-feindliche Gruppierungen und
                                                                  Staatsmächte.
In Deutschland und der Schweiz ist die Bezeichnung
Christopher Street Day üblich. In Österreich heißt es Regen-

                                 17                                                           18
EINGETRAGENE
LEBENSPARTNERSCHAFT/
EHE

Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft trat im       gab es in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft Ungleich-
August 2001 in Kraft. Danach konnten zwei Menschen gleichen        heiten: Das volle Adoptionsrecht blieb gleichgeschlechtlichen
Geschlechts eine rechtlich verbindliche Partner_innenschaft        Paaren verwehrt (siehe Regenbogenfamilie).
auf Lebenszeit miteinander eingehen. Seit dem 1. Oktober 2017      In einem Urteil des Verfassungsgerichtes im Jahr 2013 heißt
können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten.        es: „Unterschiede zwischen Ehe und Eingetragener Lebenspart-
                                                                   nerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptions-
Das Lebenspartnerschaftsgesetz enthielt zunächst nur wenige        möglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht.“ Trotz des
eheliche Rechte, sondern vor allem die ehelichen Pflichten, wie    Urteils des höchsten deutschen Gerichts wurde diese Diskrimi-
z.B. die Versorgungspflicht. So durften zwar die „Verpartnerten“   nierung zunächst nicht aufgehoben.
einen gemeinsamen Namen tragen und ein_e ausländische_r
Partner_in erhielt ein Aufenthaltsrecht. Alle weiteren Rechte      Am 30. Juni 2017 wurde die Öffnung der Ehe für Lesben und
blieben ihnen aber verwehrt.                                       Schwule im Bundestag beschlossen. Gleichgeschlechtliche
                                                                   Paare können ab Oktober 2017 in Deutschland heiraten und
Im Laufe der letzten Jahre wurde die Eingetragene Lebenspart-      gemeinsam Kinder adoptieren. Nach wie vor bleibt eine Un-
nerschaft der heterosexuellen Ehe immer weiter angeglichen.        gleichheit bestehen: Ein Kind, das durch Insemination in eine
Dazu trugen maßgeblich die Urteile des Bundesverfassungsge-        gleichgeschlechtliche Ehe geboren wird, gilt nicht automatisch
richts bei, das die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher      als Kind beider Partner_innen (siehe Regenbogenfamilie).
Paare – z.B. in der Hinterbliebenenversorgung, im Erbrecht, im
Einkommenssteuerrecht und bei der Sukzessivadoption – für
verfassungswidrig erklärt hat. Auch bei der Familiengründung

                                 19
GENDER/GESCHLECHT/
GESCHLECHTLICHE
IDENTITÄT

In der deutschen Sprache gibt es schlicht keine Entsprechung     ihr Geschlecht angleichen oder ohne eine solche Operation ihr
für das englische Wort „Gender“. Die bloße Übersetzung in        Frausein leben? (siehe Transgeschlechtlichkeit)
„Geschlecht“ reicht nicht aus.                                   Oder: Welchem Geschlecht fühlt sich ein intergeschlechtlicher
                                                                 Mensch zugehörig? (siehe Inter* / Intergeschlechtlichkeit) Oder:
Denn im Englischen gibt es zwei Begriffe für „Geschlecht“, die   Hat ein Mensch vielleicht keines der rechtlich anerkannten
etwas völlig verschiedenes meinen: „Sex“ ist das biologische     Geschlechter („Mann“, „Frau“, „inter / divers“)? (siehe nichtbinär)
Geschlecht, das sich durch die Geschlechtsorgane definieren      Welches Aussehen, welches Verhalten und welche Rolle eine
kann, aber nicht muss (siehe Trans*, Inter*, nichtbinär). Und    Gesellschaft als „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“
Gender meint das „soziale Geschlecht“, das sich unabhängig von   betrachtet und einfordert, oder ob eine Gesellschaft weitere
körperlichen Merkmalen manifestiert. Das soziale Geschlecht      Geschlechter anerkennt, kann demnach je nach Epoche und
muss also nicht dem biologischen Geschlecht entsprechen.         Lebensraum sehr unterschiedlich sein. Im Juni 2011 ver-
                                                                 abschiedete der Menschenrechtsrat der UNO eine Resolution,
Das Geschlecht eines Menschen ist unabhängig vom Körper,         wonach kein Mensch wegen seiner_ihrer Geschlechtsidentität
das heißt, aufgrund der äußeren Erscheinung eines Menschen       (Gender Identity) verfolgt und diskriminiert werden darf.
kann nicht auf das Geschlecht dieses Menschen geschlossen        Das Recht auf die individuelle Geschlechtsidentität ist also
werden. Menschen, deren Körper der gesellschaftlichen Norm       ein Menschenrecht.
für ein bestimmtes Geschlecht entsprechen, gehen häufig
davon aus, dass beides automatisch zusammengehört (z.B.
dass ein Mensch mit einem Körper, der von seinem Umfeld als
“männlich” eingestuft wird, auch männlich sei). Die Art und
Weise, wie ein Mensch sein Geschlecht lebt, kann variieren:
Will eine Person, der bei der Geburt das Geschlecht „männlich“
zugewiesen wurde, die aber eine Frau ist, durch eine Operation

                                21                                                             22
HETEROSEXUELL/
HETEROSEXUALITÄT/
HETERONORMATIVITÄT

Der griechische Begriff „hetero“ bedeutet „verschieden“ oder   Soweit die sprachliche Herkunft. Wer in ein wenige
„ungleich“ (im Gegensatz zu „homo“ = gleich). Heterosexuelle   Jahrzehnte altes Fremdwörterlexikon von 1990 schaut,
Frauen* lieben oder begehren also Männer*, heterosexuelle      entdeckt eine andere Definition: „normale Sexualität“ steht
Männer* lieben oder begehren Frauen*.                          dort unter dem Begriff „Heterosexualität“, und entsprechend
                                                               unter „heterosexuell“: „normal sexuell“. Lange Zeit galt
                                                               Heterosexualität, also Sexualität zwischen Männern und
                                                               Frauen, als Norm. Andere Formen der Sexualität wurden
                                                               dagegen als Abweichung oder gar als Krankheit betrachtet.
                                                               Diese Haltung wird „Heteronormativität“ genannt. Sexuelle
                                                               Identitäten sind allerdings – genau wie geschlechtliche
                                                               Identitäten – vielfältig und gleichwertig. Bewertungen wie
                                                               „normal“ oder „unnormal“ sind hier fehl am Platze, weil sie
                                                               verletzen und diskriminieren (siehe normal / Normalität).

                               23                                                          24
HOMOFEINDLICHKEIT/
HOMOPHOBIE/
HETEROSEXISMUS

Homophobie meint in der Regel alle negativen Einstellungen           meisten Fällen nicht um eine pathologische Angst (Phobie)
gegenüber Lesben und Schwulen, die sich in Vorurteilen und           handelt. Immer öfter werden die Begriffe Homonegativität oder
Abwertung, der Befürwortung von Diskriminierung bis hin zur          Homofeindlichkeit verwendet, um zu verdeutlichen, dass es
Gewaltausübung äußern können.                                        sich um abwertende oder feindliche Einstellungen gegenüber
                                                                     Lesben und Schwulen handelt.
Wissenschaftler_innen stellen sie in eine Reihe mit z.B. Rassis-
mus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit und sehen als            Von einigen wird der Begriff Heterosexismus als noch passen-
Ursache dieser „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“              der empfunden, womit die Abwertung von nicht-heterosexuel-
eine Ideologie der gesellschaftlichen Ungleichwertigkeit. Die        ler Identität, Verhalten, Beziehung oder Gemeinschaft gemeint
Wurzeln der jeweiligen Abwertung haben dabei meist eine              ist. Heterosexismus kann z.B. auch in der Politik oder gesell-
lange gesellschaftlich verankerte Geschichte. Auch Sexual- und       schaftlichen Strukturen eine Rolle spielen. Die International
Geschlechtsrollennormen und religiöse Vorstellungen prägen           Lesbian, Gay, Bisexual, Trans And Intersex Association (ILGA)
die Einstellungen zu Homosexualität. Der Begriff Homophobie          macht die weltweit sehr unterschiedliche rechtliche Situation
wird mittlerweile oft kritisch gesehen, weil es sich in den aller-   von LSBTIQ* u.a. auf digitalen Landkarten sichtbar: www.ilga.org

                                  25                                                              26
HOMOSEXUELL/
HOMOSEXUALITÄT

Der griechische Begriff „homo“ bedeutet „gleich“ (im Gegensatz    International Classification of Diseases (ICD), der internatio-
zu „hetero“ = ungleich, verschieden). Homosexuelle Frauen*        nalen statistischen Klassifikation von Krankheiten. Heute ist
lieben oder begehren also Frauen* (siehe lesbisch) und homo-      Homosexualität in Teilen der Welt als Lebens- und Liebensent-
sexuelle Männer* lieben und begehren Männer* (siehe schwul).      wurf anerkannt. In anderen Teilen scheinen sich Vorurteile und
                                                                  Ablehnung gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen
Der Begriff „Homosexualität“ taucht erstmals Ende des 19. Jahr-   jedoch zu halten oder gar zu verstärken.
hunderts auf, als sich – nach der Kirche und der Justiz – auch
die Medizin und Psychiatrie mit der Liebe zwischen Frauen         Untersuchungen schätzen die Zahl der Menschen, die aus-
bzw. Männern zu befassen begann und sie pathologisierte.          schließlich homosexuell leben, auf fünf bis sieben Prozent.
Von da an dauerte es noch ein Jahrhundert, bis Homosexualität     Die Zahl derjenigen, die sich nicht ausschließlich, aber auch
in Deutschland offiziell nicht mehr als Krankheit oder Verbre-    zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen, scheint erheblich
chen betrachtet wurde: 1969 wurde der § 175 StGB, der sexuelle    größer zu sein (siehe bisexuell, pansexuell).
Beziehungen zwischen Männern unter Strafe stellte, erstmals
abgeschwächt, aber erst 1994 vollständig gestrichen (siehe
§ 175 StGB / Homosexuellenverfolgung). Erst 1992 entfernte die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus der

                                27                                                             28
INKLUSION

„Inklusion“ heißt „Einschluss“. Im Umkehrschluss bedeutet         setzt voraus, dass der gängige Begriff der Normalität im Sinne
das, niemanden auszuschließen. Bei der Idee der Inklusion         von Normensetzung außer Kraft gesetzt wird (siehe normal /
geht es also darum, dass jeder Mensch mit seinen Besonder-        Normalität). Normal ist Vielfalt. Und Vielfalt bereichert: Stu-
heiten – seiner sexuellen Identität, seiner Behinderung, seiner   dien zeigen, dass z.B. die Leistung eines Unternehmens steigt,
Herkunft oder seines Aussehens – ein vollwertiges und akzep-      wenn dort bewusst Menschen mit unterschiedlichen Zuge-
tiertes Mitglied der Gesellschaft ist.                            hörigkeiten angestellt werden (Diversity Management). Der
                                                                  Grund: Ein Team, in dem Menschen arbeiten, die verschiedene
Ein- bzw. ausgeschlossen kann ein Mensch gleich mehrfach          Erfahrungen und daraus folgende Kompetenzen mitbringen,
sein. So kann es z.B. passieren, dass ein Schwarzer schwuler      kann Probleme effektiver lösen. Außerdem verbessert sich das
Mann mehrfach diskriminiert wird: als Schwarzer Deutscher         Klima durch die Anerkennung und Wertschätzung von Viel-
(Rassismus) und als schwuler Mann (Homofeindlichkeit).            falt, was wiederum ebenfalls zu besseren Ergebnissen führt.
Eine Lesbe mit Behinderung kann auf gleich drei Ebenen aus-       Selbstverständlich sollte es bei der Anerkennung von Vielfalt
gegrenzt sein: aufgrund ihres Geschlechts (Sexismus), ihrer       nicht vorrangig um wirtschaftliche Aspekte gehen. Ziel sollte
sexuellen Identität (Homofeindlichkeit) und aufgrund ihrer        sein, die menschliche Vielfalt wertzuschätzen – einfach weil
Behinderung (Behindertenfeindlichkeit; siehe auch Mehrfach-       sie existiert.
zugehörigkeit / Mehrfachdiskriminierung).

Inklusion bedeutet das Gegenteil davon: nämlich die Aufnah-
me jedes Menschen in seine_ihre Gemeinschaft(en). Und das

                                29                                                             30
INTER*/INTER-
GESCHLECHTLICHKEIT

Inter* bezeichnet Menschen, deren angeborene genetische,          Deutschland noch nicht. Das deutsche Personenstandsgesetz,
hormonelle oder körperliche Merkmale weder ausschließlich         wonach in der Geburtsurkunde „männlich“ oder „weiblich“
„männlich“ noch ausschließlich „weiblich“ sind.                   eingetragen werden musste, wurde Ende 2013 geändert.
                                                                  Seither soll der Geschlechtseintrag im Geburtenregister
Die Merkmale können gleichzeitig typisch für diese beiden         bei intergeschlechtlich geborenen Kindern offen gelassen
oder nicht eindeutig für eines von diesen Geschlechtern sein.     werden, wenn Ärzt_innen das Geschlecht nicht „weiblich“
Das kann sich in den sekundären Geschlechtsmerkmalen (z.B.        oder „männlich“ zuordnen können. Ein Beschluss des
Muskelmasse, Haarverteilung, Brüste und Statur) zeigen oder       Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Oktober 2017 forderte
in den primären Geschlechtsorganen (Fortpflanzungsorgane          den Gesetzgeber auf, einen positiven dritten Geschlechtseintrag
und Genitalien) und/oder in chromosomalen Strukturen und          zu schaffen. Im Fokus des BVerfG-Beschlusses steht das
Hormonen. Sehr problematisch ist, dass inter*Menschen             Selbstbestimmungsrecht für alle Menschen, unabhängig von
nach wie vor pathologisiert werden, d.h. sie gelten als „krank“   ihrem Geschlecht. Eine intergeschlechtliche Person hatte
oder „abnorm“. Immer noch unterliegen neugeborene Inter*          geklagt, weil für sie kein korrekter Personenstandseintrag
geschlechtsverändernden Eingriffen ohne deren Einwilligung,       möglich war. Die klageführende Person wurde dabei von der
da sie oftmals im Kindesalter vorgenommen werden. Eine            Kampagne Dritte Option unterstützt. Position der Dritten Option
medizinische Notwendigkeit besteht jedoch meist nicht,            und z.B. auch des Deutschen Instituts für Menschenrechte ist,
denn in der Regel sind inter*Personen völlig gesund. Sie          dass der neue Geschlechtseintrag nicht nur für inter*Menschen
können allerdings später schwer an den psychischen und            zur Verfügung stehen darf, sondern auch für nichtbinäre
physischen Folgen der ärztlichen Eingriffe leiden. Ein Verbot     Menschen (siehe nichtbinär / Nichtbinarität), d.h. für alle
von medizinisch unnötigen operativen Eingriffen, die gegen        Menschen, die weder „weiblich“ noch „männlich“ sind.
das Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoßen, gibt es in    Mehr Informationen unter: www.dritte-option.de

                                 31                                                            32
INTERSEXUELL/
INTERSEXUALITÄT

Ursprünglich medizinischer Sammelbegriff, der betont, dass es      sexuelle Identität (diese Verwechslung kommt auch bei trans-
bei der Ausbildung der menschlichen Geschlechtsmerkmale            geschlechtlichen Menschen vor, siehe transsexuell / Transse-
viele Zwischenstufen zwischen „weiblich“ und „männlich“ gibt.      xualität).Fachleuten zufolge kommen jedes Jahr in Deutschland
                                                                   rund 150 bis 340 Kinder auf die Welt, bei denen „weibliche“ und
Der Begriff Intersexualität wurde 1915/16 von dem Genetiker        „männliche“ Geschlechtsmerkmale vorhanden sind.
Richard Goldschmidt geprägt. 2006 wurde er im medizinischen        Laut Bundesregierung gibt es zwischen 8.000 und 10.000 inter-
Sprachgebrauch international durch DSD (engl.: disorders of        geschlechtliche Menschen in Deutschland – Inter*-Verbände
sex development = Störung der geschlechtlichen Entwicklung)        und -Gruppen schätzen die Zahl sogar ein Zehnfaches höher.
ersetzt. Er ist aber in vielen Zusammenhängen immer noch           Die UNO (United Nations Organization) beziffert den Anteil
gebräuchlich. DSD suggeriert mit dem Begriff „Störung“, dass       intergeschlechtlicher Menschen mit bis zu 1,7 % der Gesamt-
einige Variationen menschlicher Körper „normaler“ und somit        bevölkerung.
wünschenswerter sind als andere. Körper, die diese Norm nicht
erfüllen, gelten aus dieser Perspektive als „untypisch“ oder       Inter*Menschen sind weltweit gesellschaftlich kaum sichtbar,
„gestört“.                                                         denn Intergeschlechtlichkeit ist nach wie vor stark tabuisiert.
                                                                   Aus Angst vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung ste-
Aber „intersexuell“ wird von vielen intergeschlechtlichen          hen viele inter*Personen nicht öffentlich zu ihrer Geschlecht-
Menschen auch als Selbstbezeichnung verwendet. Andere              lichkeit. Ist sie bekannt, sind intergeschlechtliche Menschen
lehnen den Begriff allerdings ab, weil sie sich durch ihn patho-   vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt – gesetzlich, medizi-
logisiert fühlen. Inter*, Intergeschlechtlichkeit oder Zwischen-   nisch und gesellschaftlich.
geschlechtlichkeit werden manchmal auch lieber verwendet,
weil sie nicht den Begriff „sex“ enthalten – weshalb manche        Mehr Informationen unter: www.intersexuelle-menschen.de
fälschlicherweise denken, es gehe bei Intersexualität um die

                                 33                                                             34
INTERSEKTIONAL/                                                   LESBISCH /
INTERSEKTIONALITÄT                                                LESBE

Intersektionalität (von engl. intersection = „Schnittpunkt,       Namensgeberin der lesbischen Liebe ist die Insel Lesbos. Hier
Schnittmenge“) bedeutet, dass verschiedene soziale Kate-          lebte die griechische Dichterin Sappho im 6. Jahrhundert vor
gorien – also z.B. Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Herkunft,   unserer Zeitrechnung und beschrieb in ihren Gedichten die
Religion, Alter, soziale Herkunft – miteinander verwoben sind     Liebe zwischen Frauen.
und deshalb nicht getrennt voneinander betrachtet werden
können. Das heißt, dass auch verschiedene Diskriminierungs-       Zum ersten Mal politisch zu Wort meldeten sich lesbische Frau-
formen wie z.B. Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit           en zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zwar saßen sie zwischen
zusammenhängen und in diesen Zusammenhängen betrachtet            den Stühlen: der männlich dominierten Homosexuellenbewe-
werden müssen.                                                    gung einerseits (siehe schwul / Schwuler) und der Frauenbewe-
                                                                  gung andererseits, die aus Angst vor noch mehr Anfeindungen
Bei einer intersektionalen Betrachtung wird analysiert, wie       keine offene Parteinahme für ihre lesbischen Aktivist_innen
unterschiedliche Diskriminierungsformen zusammenwirken            wagte. Dennoch protestierten einzelne Frauenrechtler_innen
und welche Wechselwirkungen sie haben. Schließlich hat jeder      wie die Schriftstellerin Johanna Elberskirchen dagegen, dass
Mensch mehrere Zugehörigkeiten (siehe Mehrfachzugehörig-          der Homosexuelle als „Psychopath, als entartetes, demoralisier-
keit / Mehrfachdiskriminierung), die zu Ausschlüssen oder Ein-    tes, minderwertiges Subjekt gebrandmarkt“ wird.
schlüssen führen können. Die intersektionale Perspektive kann
als Weiterentwicklung der Geschlechterforschung betrachtet        In der Weimarer Republik organisierten sich Lesben vor allem
werden und ermöglicht es, multiple Ungleichheits- und Unter-      in der Metropole Berlin in „Damenclubs“ und publizieren eigene
drückungsverhältnisse zu analysieren, die über die Kategorie      Lesbenzeitschriften. Die Nationalsozialisten zerstörten die
Geschlecht allein nicht erklärt werden könnten.                   lesbische Lebenswelt nachhaltig. Erst 1970 organisierten sich
                                                                  frauenliebende Frauen im Zuge der Frauen- und der Homosexu-
                                                                  ellenbewegung und nahmen den Kampf für ihre Rechte wieder
                                                                  auf. Seit einigen Jahren ist die Bezeichnung „Lesbe“ sogar in
                                                                  die offizielle Nachrichtensprache eingegangen. Dennoch wird
                                                                  „Lesbe“ in homofeindlichen Kreisen nach wie vor als Schimpf-
                                                                  wort verwendet.

                                35                                                            36
MEHRFACH-
ZUGEHÖRIGKEIT/
MEHRFACH-
DISKRIMINIERUNG

LSBTIQ* können Diskriminierung nicht nur aufgrund ihrer          durch die Aussage: „In ihrem Kulturkreis hat sie keinen echten
sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität           Mann gefunden, deswegen ist sie lesbisch geworden!“ mehrfach
erfahren. Sie haben auch immer eine soziale Herkunft, eine       diskriminiert. Hier verweben sich Rassismus, Homofeindlich-
Hautfarbe, einen Körper mit bestimmten Befähigungen oder         keit und Sexismus: durch die rassistische Abwertung eines
Beeinträchtigungen, ein Alter, eine Nationalität – sprich: sie   „anderen“ Kulturkreises, die lesbenfeindliche Annahme, durch
gehören zu mehreren gesellschaftlichen Gruppen, sind also        einen Umstand „lesbisch werden“ zu können sowie die (hetero)
mehrfachzugehörig.                                               sexistische Haltung, dass eine Frau einen Mann finden müsse.
                                                                 Es ergibt sich eine spezifische Diskriminierungserfahrung, die
Identitäten und Zugehörigkeiten können mit Machtverhält-         nicht mit der Diskriminierung vergleichbar ist, die aus einem
nissen in der Gesellschaft verbunden sein. Anhand dieser         einzigen Grund geschieht. Diese spezifische Diskriminierung
Zugehörigkeiten können sich gesellschaftliche Chancen            wird Mehrfachdiskriminierung genannt.
und der Zugang zu Ressourcen verteilen, wie z.B. zu Bildung,
Arbeit oder Wohnraum.                                            Dass mehrere Diskriminierungsformen nicht getrennt vonein-
Durch die Kombination von verschiedenen Zugehörigkeiten          ander betrachtet werden sollten, weil sie miteinander verwoben
sind LSBTIQ* häufig von mehreren Diskriminierungsformen          sind, damit beschäftigt sich die Intersektionalitätsforschung
wie Rassismus, Sexismus, Altersdiskriminierung, Klassismus       bzw. die intersektionale Betrachtung (siehe intersektional /
usw. gleichzeitig betroffen. Beispielsweise wird eine Person     Intersektionalität).

                                 37                                                          38
NICHTBINÄR

Nichtbinäre Menschen sind weder Frauen noch Männer.                  zu wissen, dass sich manche Bezeichnungen nicht gegenseitig
Binär (von lat. bi = „zwei“) steht hier für das in unserer Gesell-   ausschließen, sondern dass die Zugehörigkeit einer Person
schaft anerkannte System aus zwei Geschlechtern. Nichtbinär          durchaus vielfältig und auch wandelbar sein kann.
ist ein Überbegriff für unterschiedliche Geschlechter.
                                                                     Weil Menschen sehr gewöhnt daran sind, im binären Geschlecht-
Oft wird auch der englische Begriff „nonbinary“ verwendet            ersystem „männlich“ und „weiblich“ zu denken, können sie sich
oder die Kurzform enby (abgeleitet von „nb“ für „nonbinary“).        oft nur schwer davon lösen. Schließlich hat diese Vorstellung
Manche nichtbinäre Geschlechter sind „zwischen männlich              von Geschlecht eine sehr lange gesellschaftliche und rechtliche
und weiblich“, manche völlig unabhängig von diesem Zweier-           Geschichte. Das binäre Konstrukt prägt dadurch maßgeblich
system und manche Geschlechter sind fließend (genderfluid),          die gesellschaftliche Ordnung und das Denken von Menschen.
d.h. nicht dauerhaft festgelegt.Das Geschlecht ist wie bei allen     So fordert u.a. die Kampagne Dritte Option, dass das Recht auf
anderen Menschen auch unabhängig davon, wie der Körper               einen positiven dritten Geschlechtseintrag nicht nur für inter-
aussieht, welcher Geschlechtseintrag im Personalausweis steht        geschlechtliche Menschen gelten soll, sondern für alle, die
oder welche sexuelle Orientierung ein Mensch hat. Manche             weder „männlich“ noch „weiblich“ sind (siehe inter* / Inter-
nichtbinäre Menschen sind inter*, viele nichtbinäre Menschen         geschlechtlichkeit).
sind trans* – dies trifft jedoch nicht auf alle zu. Es ist wichtig

                                  39                                                             40
NORMAL /
NORMALITÄT

Normal kommt von dem lateinischen „norma“: Richtschnur,          wen lieben darf), hat sich die Vorstellung von „Normalität“ in
Maßstab, Regel, Vorschrift. Die Norm steht für allgemein an-     unserer Gesellschaft stark verändert. Heute gilt in dieser Hin-
erkannte Standards in einer Gesellschaft.                        sicht vieles als „normal“, was früher als „abartig“ betrachtet und
                                                                 mit Ächtung, Ausgrenzung oder sogar Gefängnis (siehe § 175
Normen sind jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern verän-      StGB / Homosexuellenverfolgung) bestraft wurde.
dern sich stetig: In den 1950er Jahren war etwa eine Frau in
Hosen ein unerhörter Anblick, ein Mann mit Ohrring ein           Folglich ist es vielversprechend, daran zu arbeiten, dass sich die
Skandal. Heute ist beides kein Thema mehr. Dass offen schwule    gesellschaftlichen Normen weiter verändern – dass sich jeder
Männer hohe politische Ämter bekleiden, wäre noch in den         Mensch in einer Normalität der Vielfalt wiederfinden kann
1990ern undenkbar gewesen, genau wie eine lesbische TV-          (siehe Inklusion).
Moderatorin zur Hauptsendezeit. Was „normal“ ist, ist also
relativ und häufig dem Zeitgeist unterworfen. Nicht nur in
Bezug auf die Geschlechterrollen (also was Menschen sein und
tun dürfen), sondern auch auf die sexuelle Identität (also wer

                                41
PANSEXUELL /                                                        QUEER
PANSEXUALITÄT

                                                                    Queer ist ein offener Begriff, der alle einschließt, die mit ihrem
                                                                    Aussehen und / oder Verhalten heteronormativen Vorstellun-
                                                                    gen nicht entsprechen. „Queer“ kann eine Theorie sein, kann
                                                                    praktisch gelebt werden und Personen oder Bewegungen
                                                                    können sich als „queer“ bezeichnen.

                                                                    Queer entwickelte sich aus einer Kritik an diskriminierenden
                                                                    Ausschlüssen, die auch und gerade in lesbischen und schwulen
                                                                    Communitys herrschten (und herrschen). Im Zusammenhang
                                                                    mit der AIDS-Hysterie versammelten sich Menschen, die in den
                                                                    lesbischen und schwulen Communitys sowie in der Gesamt-
Pansexuelle Menschen lieben und begehren Menschen unab-             gesellschaft diskriminiert wurden – aufgrund ihrer Hautfarbe,
hängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität.        AIDS-Erkrankung, körperlichen Behinderung, trans*-Identität
Pansexualität stellt damit das zweigeschlechtliche Modell           oder ihrer von dominanten Weiblichkeits- oder Männlichkeits-
infrage.                                                            entwürfen abweichenden Identitäten.

Pansexualität ist eine sexuelle Identität, die nicht auf Männer     „Queer“ ist auch ein wissenschaftlich geprägter Begriff, der vor
und Frauen begrenzt ist, sondern auch alle anderen Geschlechter     allem durch die US-amerikanische Wissenschaftlerin Judith
und Geschlechtsidentitäten einschließt. Menschen sind dem-          Butler bekannt wurde. Ihre Queer Theorie gab der feministi-
nach pansexuell, wenn für sie mit jedem Menschen, der als           schen Kritik an der Heteronormativität in den 1990er Jahren
Person zu ihnen passt, Sexualität oder eine Beziehung grund-        einen Namen. Queeres Denken und Handeln fordern die Vor-
sätzlich möglich ist – unabhängig davon, ob die Person sich         stellung heraus, es gäbe nur zwei Geschlechter, die einander
als Mann, Frau, Inter*, Trans*, nichtbinär oder anders definiert.   entgegengesetzt charakterisiert seien und romantisch bzw.
Soweit die enge Definition.                                         sexuell ausschließlich aufeinander bezogen seien. Eine weiter
                                                                    gehende Auslegung des Begriffs stellt grundsätzlich Normie-
Die weite Definition von Pansexualismus kann als Bewegung           rungen und Kategorien in Frage und setzt sich kritisch mit
verstanden werden, die gegen ein vereinfachtes binäres Ge-          Machtverhältnissen jenseits von Sexualität und Geschlecht
schlechterverständnis strebt. Pansexuelle Menschen betrach-         auseinander (z.B. Behinderung, Rassismus, Klassismus).
ten letztlich den Menschen an und für sich und lieben und           Ohne diesen herrschaftskritischen Gehalt wird das Wort oft
begehren nicht in Geschlechterkategorien.                           auch als Überbegriff für LSBTI* verwendet.

                                 43                                                               44
REGENBOGENFAMILIE

Die Definition ist eigentlich ganz einfach: Eine Regenbogen-        tion nach der Geburt adoptieren. Viele Studien belegen, dass
familie ist eine Familie, in der mindestens ein Elternteil les-     es den Kindern in Regenbogenfamilien gut geht und sie sich
bisch, schwul, bisexuell oder pansexuell, trans* oder inter* ist.   sehr gut entwickeln. Die gemeinsame Adoption eines fremden
                                                                    Kindes (Gemeinsame Adoption) wurde für homosexuelle Paare
Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen Regenbogenkin-       in Deutschland mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Eheöff-
der aufwachsen. Die häufigste Form ist ein Frauen*paar, das mit     nung im Oktober 2017 möglich. Ein Kind, das in die Ehe zweier
einem oder mehreren Kindern lebt. Diese Kinder können aus           Frauen* hineingeboren wird, hat aber nicht automatisch zwei
einer vorangegangenen heterosexuellen Beziehung einer oder          gesetzliche Mütter*. Hierfür ist noch eine Änderung des Ab-
beider Partner_innen stammen. In diesen Fällen kann auch            stammungsrechts erforderlich – eine Gesetzeslücke, die es zum
der Vater weiterhin für das Kind eine Rolle spielen. Immer öfter    Schutz der Kinder noch zu schließen gilt. Das Verfahren der
entscheiden sich Frauen*paare auch dafür, ein oder mehrere          Stiefkindadoption diskriminiert und belastet die Familien sehr.
Kinder durch Insemination, also durch eine Samenspende, zu
bekommen. Sie kann von einer Samenbank stammen oder eine            Hinsichtlich der Situation von trans- und intergeschlechtlichen
private Samenspende sein. Im Juli 2018 ist das neue Samen-          Eltern, sowohl was die reproduktionsmedizinische Behandlung
spenderregistergesetz in Kraft getreten. Es regelt die Kenntnis     als auch die angemessene Eintragung der Elternschaft in die
der eigenen Abstammung für alle Kinder, die über Samenspen-         Geburtsurkunde anbelangt, sind noch einige rechtliche Hürden
de entstanden sind.                                                 zu nehmen. Beispielsweise diskriminiert die deutsche Rechts-
Darüber hinaus finden Pflegekinder immer häufiger in Regen-         lage aktuell Transmänner, die gebären, als auch Transfrauen,
bogenfamilien ein neues Zuhause. Und natürlich leben auch           die ihr Sperma in die Zeugung eingebracht haben: Ein Trans-
Männer*paare als Eltern mit Kindern, die dann meist aus             mann wird als Mutter eingetragen, eine Transfrau als Vater.
einer früheren heterosexuellen Beziehung stammen oder als           Denn im deutschen Abstammungsrecht wird die Elternschaft
Pflegekinder angenommen wurden. Manche schwule Paare                nicht im personenstandsrechtlichen Geschlecht der Eltern
gehen den Weg einer Leihmutterschaft im Ausland. Manchmal           eingetragen, sondern mit der Geschlechtsbezeichnung, die bei
entscheiden sich je ein Frauen*- und ein Männer*paar dafür,         der Geburt zugewiesen wurde. Selbst gewählte Eintragungen
gemeinsam eine Familie zu gründen. Der Begriff hierfür ist          als Elternteile – z.B. Mutter, Vater, Fürsorgende_r – wären not-
Queer-Family. Eine rechtliche Absicherung für diese Familien-       wendig, um ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung zu
form, also eine Mehrelternschaft, gibt es bisher nicht. Das ist     verwirklichen, sowohl für nichtbinäre, transgeschlechtliche als
ein Nachteil für Kinder und Eltern. Die rechtliche Situation der    auch intergeschlechtliche Eltern.
Kinder in Regenbogenfamilien hat sich inzwischen verbessert:
Seit 2005 können eingetragene Lebenspartner_innen das leib-         Mehr Informationen zu Regenbogenfamilien auf:
liche Kind des_der Partner_in im Rahmen der Stiefkindadop-          www.regenbogenfamilien-nrw.de

                                 45                                                              46
REGENBOGENFLAGGE                                                  ROSA WINKEL/
                                                                  SCHWARZER WINKEL

Sie ist ein internationales Symbol für die Emanzipations-         Mit dem Rosa Winkel wurden während des National-
bewegung von Lesben und Schwulen und ihren Kampf um               sozialismus homosexuelle Männer als Häftlinge in den
Akzeptanz und Gleichberechtigung.                                 Konzentrationslagern gekennzeichnet.

Sie wurde 1978 in San Francisco von dem amerikanischen            Als KZ-Insassen waren Häftlinge mit dem Rosa Winkel auf der
Künstler Gilbert Baker auf Wunsch schwuler Aktivisten ent-        untersten Stufe der Lagerhierarchie und oft besonders schlim-
worfen, die auf der Suche nach einem positiven Symbol für ihre    men Demütigungen und Misshandlungen ausgesetzt. In den
Aktionen waren. Die Regenbogenflagge hatte zunächst acht          1970er Jahren widmete die Schwulenbewegung den Rosa
Streifen, wobei die acht Farben für Baker die Sexualität, das     Winkel um, indem sie das Zeichen ihrer Unterdrückung
Leben, die Gesundheit, die Sonne, die Natur, die Kunst, die       bewusst trug – und machte es so zu einem stolzen Symbol
Harmonie und die Seele symbolisieren sollten. Als die Flagge      für schwules Selbstbewusstsein. Homosexualität unter Frauen
in die Massenproduktion ging, wurden die Farben aus prakti-       stand in Deutschland nie unter Strafe. In Einzelfällen wurden
schen Gründen auf sechs reduziert.                                aber auch lesbische Frauen in Konzentrationslager eingeliefert
Mit ihren Farben rot-orange-gelb-grün-blau-violett gilt sie       und mit dem Schwarzen Winkel als „Asoziale“ stigmatisiert oder
heute als Zeichen für die bunte Vielfalt der Communitys. Sie      als „Minderwertige“ gekennzeichnet. Bei Frauen waren das in
weht auf den Christopher Street Day-Demonstrationen, pappt        erster Linie ein den Nazis nicht genehmes Sexualverhalten
als Aufkleber auf Autos und Fahrrädern oder in den Schaufens-     wie uneheliche Mutterschaft, lesbische Beziehungen, „sittliche
tern von Geschäften, die zeigen wollen, dass sie „gay friendly“   Verwahrlosung“, „häufig wechselnde Geschlechtspartner“ oder
sind. Mitte 2017 wurde über die Hashtag-Kampagne #MoreCo-         der Vorwurf, eine „pflichtvergessene“ Mutter zu sein (siehe § 175
lorMorePride eine neue Regenbogen-Flagge bekannt, die zu-         StGB Homosexuellenverfolgung).
sätzlich die Farben Braun und Schwarz hat. Sie soll Schwarze
Menschen und Menschen of Color bewusst inkludieren und
sichtbar machen. Es gibt noch etliche weitere Flaggen als
Erkennungs- und Antidiskriminierungssymbole, z.B. für
Intergeschlechtlichkeit, nichtbinäre Menschen und Trans-
geschlechtlichkeit (siehe Übersicht S. 59).

                                 47
SCHWUL/SCHWULER

Ein schwuler Mann* ist homosexuell, sprich: gleichgeschlecht-     Der Nationalsozialismus bereitete der frühen Emanzipations-
lich orientiert. Er liebt und begehrt also Männer*.               bewegung ein brutales Ende. Erst Anfang der 1970er Jahre
                                                                  formierte sich die Schwulenbewegung wieder neu. Ihre Erfolge
Zudem beschreibt „Schwulsein“ auch eine soziale, kulturelle       werden zurückgeworfen, als Mitte der 1980er Jahre mit der
und politische Identität, die sich in dem Zugehörigkeitsgefühl    zunächst als „Schwulenseuche“ gebrandmarkten Immun-
zu anderen Schwulen, sowie deren Gruppen und Initiativen aus-     schwächekrankheit AIDS die Diskriminierung wieder auf-
drückt (siehe Community). Zum ersten Mal organisierten sich       flammte. Aus dieser Bedrohung verstärkte die Schwulenbewe-
schwule Männer Ende des 19. Jahrhunderts. Mit seinem 1897         gung ihren politischen Kampf für Akzeptanz und entwickelte
gegründeten „Wissenschaftlich Humanitären Komitee“ (WHK)          Versorgungsstrukturen wie AIDS-Hilfen, Beratungsstellen und
kämpfte der Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld gegen       Arbeitsgemeinschaften. Weiterhin fordert sie gleiche Rechte,
die Pathologisierung und Kriminalisierung der Homosexuali-        von denen bis heute bereits einige verwirklicht worden sind
tät (siehe § 175 StGB / Homosexuellenverfolgung) und erklärte:    (siehe Eingetragene Lebenspartnerschaft / Ehe).
„Die Homosexualität ist weder Krankheit noch Entartung, noch
Laster noch Verbrechen, sondern stellt ein Stück der Naturord-
nung dar.“ In der Weimarer Republik blühte nicht nur eine bunte
schwule Subkultur, auch Organisationen wie der „Bund für Men-
schenrecht“ setzten sich für Akzeptanz und die Abschaffung
des § 175 StGB ein.

                                49                                                            50
SEXUELLE IDENTITÄT/                                                TRANS*
SEXUELLE
ORIENTIERUNG

Während sich die geschlechtliche Identität auf die Zugehörig-      Das Sternchen ist ein Platzhalter für alle Begriffe, die an die
keit zu einem Geschlecht oder mehreren bezieht, geht es bei        Vorsilbe „trans-“ (lateinisch = jenseits von, über … hinaus) an-
der sexuellen Identität darum, auf welches Geschlecht (oder        gehängt werden können, um die verschiedenen geschlechtli-
welche Geschlechter) sich die emotionalen und sexuellen            chen Identitäten zu beschreiben: Transsexualität, Transgender,
Wünsche eines Menschen richten.                                    Transidentität, Transgeschlechtlichkeit und viele weitere.

Bisexualität, Heterosexualität und Homosexualität sind die         Jede Identität kann in den unterschiedlichsten Ausprägungen
häufigsten sexuellen Orientierungen, wobei diese Grenzen nicht     auftreten – vom reinen Rollenwechsel durch Kleidung über den
bei jedem Menschen klar gezogen werden können. Wie sich die        sozialen Wechsel der geschlechtlichen Rolle, der Einnahme
sexuelle Orientierung entwickelt, ist nicht endgültig erforscht.   von Hormonpräparaten, bis hin zu chirurgischen Eingriffen wie
Es herrscht aber in der Wissenschaft inzwischen weitgehend         beispielsweise der Geschlechtsangleichung an das gefühlte
Konsens darüber, dass dabei sowohl die Veranlagung – also          Geschlecht. Trans* wird hierbei oft als Überbegriff verwendet,
eine genetische oder anderweitig körperliche Disposition – eine    um die unterschiedlichen geschlechtlichen Ausprägungen und
Rolle spielt, als auch eine soziale Komponente. Die Sexualwis-     Identitäten in einem Begriff zusammenzufassen.
senschaft geht mehrheitlich davon aus, dass es sich um eine
unabänderliche Prägung handelt. Je weniger eine Gesellschaft
das Rollen- und Sexualverhalten normiert oder sanktioniert,
desto eher ist es für Menschen denk-, fühl- und lebbar, ihre
sexuelle Identität auch jenseits der mehrheitlichen Hetero-
sexualität und der binären Geschlechtsrollen („Mann“ – „Frau“)
zu leben.

                                 51                                                             52
TRANSGENDER                                                      TRANSFEINDLICHKEIT/
                                                                 TRANSPHOBIE/
                                                                 CISSEXISMUS

                                                                 Wie auch bei Homofeindlichkeit beinhaltet der Begriff
                                                                 Transfeindlichkeit Vorurteile, negative Einstellungen, Stig-
                                                                 matisierung, Abwertung, Verleugnung, Befürwortung von
                                                                 Diskriminierung, Diskriminierung und Gewalt gegenüber
Der Begriff Transgender wird unterschiedlich verwendet.          transgeschlechtlichen Menschen.
Manche Menschen bezeichnen sich als Transgender, wenn            In vielen Ländern der Welt sind trans*Menschen häufig Ge-
ihr soziales Geschlecht (siehe Gender) ein anderes ist als das   walt ausgesetzt und werden sogar ermordet. Das Projekt „Trans
Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, sich      Respect versus Transphobia“ führt Statistiken zu Gewalttaten
aber nicht vollständig körperlich angleichen lassen. Andere      und Morden sowie zur sozialen und rechtlichen Situation in
verwenden Transgender als Überbegriff, ähnlich oder in der-      verschiedenen Ländern und macht diese u.a. auf Landkarten
selben Art wie Trans*.                                           sichtbar: www.transrespect.org.

Da jedoch Transgender auch all diejenigen mit einschließt, die   Die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA)
nicht den Weg einer körperlichen Angleichung gehen, wird er      kommt in ihrem Bericht zur Situation von Trans* in Europa
oft als Abgrenzungsbegriff zu Transsexualität verstanden. Da     2014 zu erschreckenden Ergebnissen: 34 % aller trans*Men-
es innerhalb der Communitys von transgender, transsexuellen,     schen wurden innerhalb der letzten fünf Jahre Opfer von hass-
transgeschlechtlichen und trans* Menschen keine Einigkeit        motivierter Gewalt. Trans*Menschen beklagen in Deutschland
über eine einheitliche Verwendung von Begriffen gibt, ist es     auch einen höheren Anteil von hassmotivierter Belästigung:
besonders wichtig, die Selbstbezeichnung von Menschen zu         26 % der befragten trans*Personen in Deutschland berichten
achten. Wenn also ein Mensch transident ist und sich auch so     von derartigen Übergriffen. Im EU-Schnitt sind es 22 %. Des-
bezeichnet, ist es respektvoll, auch genau diese Bezeichnung     halb sind Aufklärung und Antidiskriminierungsarbeit wichtige
und keine andere zu benutzen, wenn über diese Person ge-         Schritte auf dem Weg, trans*Menschen ein diskriminierungs-
sprochen oder geschrieben wird.                                  und gewaltfreies Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

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