Frauen ermitteln - Land Salzburg

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Frauen ermitteln - Land Salzburg
Frauen
                                                          ermitteln
                                                          Die weibliche Perspektive
                                                           in Exekutive und Justiz

                  Kriminalistik und Frauen
                  Die Entwicklung der letzten 100 Jahre

                  Frauen bei der Polizei
                  Drei Jahrzehnte Gleichberechtigung

                  Hilfe und Selbsthilfe
© SHUTTERSTOCK

                  Was tun bei Verbrechen?

                 www.salzburg.gv.at/frauen                                      4_2021
Frauen ermitteln - Land Salzburg
editorial

    Frauen im Einsatz

                                                                                            I
                                                  Andrea Klambauer                             n den letzten Jahren haben Frauen viele gängige Geschlechter­
                                               Landesrätin für Frauen
                                               und Chancengleichheit
                                                                                               rollen durchbrochen. Polizistinnen sind aus unserem
                                                                                               Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Staatsanwältinnen,
                                                                                            Richterinnen und Rechtsanwältinnen sind schon längst
                                                                                            Normalität. Das ist gut so, und ich freue mich über diese Ent­
                                                                                            wicklung. Die tatsächliche Gleichstellung der Frau ist allerdings
                                                                                                  auch in diesen Bereichen noch nicht gegeben.

                                                                                                          In den Führungsebenen von Polizei und Justiz
                                                                                                            sind Frauen noch immer die Minderheit.
                                                                                                             Die Rahmenbedingungen dafür sind stark auf
                                                                                                              Männer zugeschnitten. Die ersten Frauen in die­
                                                                                                              sen männerdominierten Organisationen können
                                                                                                             bestätigen, wie groß die Vorurteile waren und
    inhalt                                                                                                  wie hart dieser Weg erarbeitet werden musste.
                                                                                                          Doch Frauen und Männer unterscheiden sich ledig­
    03_Standpunkt
    Landespolizeidirektor Bernhard Rausch                                                              lich über verschiedene Fähigkeiten und Neigungen,
                                                                                                  die individuell sehr unterschiedlich sein können.
    04_Frauen ermitteln
    In der Realität und im Kriminalroman
                                                                                            Ich bin deshalb der Überzeugung, dass wir noch mehr tun
    07_Zahlen
    Frauenanteile in den einzelnen Berufsgruppen                                            ­ üssen, um die geschlechterspezifische Zuordnung von Berufen
                                                                                            m
                                                                                            zu durchbrechen. Ein Volksschullehrer ist dann genauso selbst­
    08_Uniform für alle!                                                                    verständlich wie eine Polizeidirektorin.
    Seit 30 Jahren sind Frauen bei der
    Polizei den Männer gleichgestellt
                                                                                            In meinem Bereich fördere ich deshalb seit Jahren Programme
    10_Jeder Verlust ein Einzelfall
    Gerichtsmedizinerin im Ruhestand                                                        wie MINT oder die Finanzakademie – Frauen und Geld.
    Edith Tutsch-Bauer über ihr bewegtes Berufsleben                                        Doch vor allem gilt: Frauen und Mädels, traut euch und
    12_Was tun?                                                                             habt Mut. Und unterstützt einander auf diesem Weg, denn
    Zivilcourage und Selbsthilfe für                                                        Frauensolidarität können wir gut gemeinsam leben.
    Zeuginnen und Opfer von Gewalt                                                          Meine Unterstützung habt ihr!
    14_Salzburgs erste Gendarmeriebeamtin
    Chefinspektorin Ariane Winkler

    16_Service
                                                                               © WILDBILD

    Kriminologie studieren

    impressum

    if:informativ & feministisch. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen und Männer.
    Herausgeberin: Abteilung 2: Kultur, Bildung, Gesellschaft und Sport des Amtes der Salzburger Landesregierung vertreten durch Mag.a Eva Veichtlbauer
    Redaktion: Ursel Nendzig Salzburg-Redaktion: Ute Dorau Verlagsort: Salzburg Lektorat: Angelika Hierzenberger-Gokesch
    Artdirection und Produktion: Martin Renner, rennergraphicdesign Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frauen“ Corporate Print für das Amt der Salzburger
    Landesregierung, Referat 2/05: Frauen, Diversität, Chancengleichheit. Adresse: Michael-Pacher-Str. 28, 5020 Salzburg, Tel.: 0662/8042-4041, frauen@salzburg.gv.at
    Druck & Herstellerin: Samson Druck GmbH Auflage: Salzburg 5.100, Gesamtauflage 15.800 Herstellungsort: St. Margarethen im Lungau
    DSGVO-Hinweis: Sehr geehrte Bezieherinnen und Bezieher, mit 25. 5. 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Als Bezieherin/Bezieher haben Sie uns personenbe-
    zogene Daten zur Verfügung gestellt, die wir im Rahmen der Erfüllung Ihres Bezugswunsches verarbeiten. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten ist uns wichtig.
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  2 if: 4_2021
Frauen ermitteln - Land Salzburg
standpunkt

                                                 3 FRAGEN AN …
                                                                                                                                            Frauen im Polizeidienst unverzichtbar
                                                 Veronika Obereger
                                                 Gruppeninspektorin und
                                                 Betriebsleiterin Handwerk                                                                  I n den 1990er-Jahren erkannte man, dass es vor allem in
                                                                                                                                              kriminalpolizeilichen Belangen – sei es bei Jugend- und
                                                                                                                                            ­Sexualstraftaten oder aber bei der Ermittlung anderer
                                                 in der Justizanstalt Salzburg
                                                                                                                                             strafrechtlicher Delikte – Vorteile bringen kann, die Sicht-
                                                                                                                                             weise und Expertise von Frauen einzubringen. Nicht zu ver-
                                                 Was ist Ihre Aufgabe in der Justizanstalt?
                                                                                                                                             gessen die Präventionsarbeit unserer Mitarbeiterinnen in all
                                                 Ich bin im Betriebsbereich tätig und leite einen Arbeits­
                                                                                                                                             diesen Belangen. Zudem erkannte man die Notwendigkeit,
                                                 betrieb für Frauen. Wir waschen, bügeln und reparieren                                      bei Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen
                                                 die Uniformen und die Arbeitskleidung der Bediensteten.                                     vollwertige geschlechtergleiche Exekutivbedienstete zur
                                                 Außerdem stellen wir verschiedene Häkel-, Stricksachen                                      Verfügung zu haben. Neben diesen pragmatischen Aspekten
                                                 sowie Zirbenpolster, Acrylbilder und – je nach Geschick­                                    tat es der Exekutive auch intern gut, sich entsprechend zu
                                                 lichkeit der Frauen – vieles mehr her.                                                      öffnen und letztendlich ebenso in der Geschlechterfrage
                                                                                                                                             ein Abbild der Bevölkerung darzustellen.
                                                 Warum haben Sie den Beruf gewählt, was sind für Sie
                                                 die schönsten Erlebnisse und Momente?                                                      Bei einem aktuellen Personalstand von insgesamt 2.028 Be-
                                                                                                                                            diensteten in der Landespolizeidirektion Salzburg beträgt
                                                 Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil ich gerne mit Menschen
                                                                                                                                            der Frauenanteil 24,8 Prozent. 450 dieser Mitarbeiterinnen
                                                 zu tun habe, weil er vielseitig, interessant und nie langweilig
                                                                                                                                            sind Exekutivbedienstete, stehen also im direkten Kontakt
                                                 ist. Schöne Momente sind, wenn man sieht, dass man ein-
                                                                                                                                            mit der Bevölkerung. Im Verwaltungsdienst beträgt der
                                                 fach nur durch Zuhören oder das richtige Wort im richtigen
                                                                                                                                            Frauenanteil 55 Prozent.
                                                 Moment den Menschen auffangen oder ihm Mut machen
                                                 kann. Oder wenn Insassinnen und Insassen nach ihrer Ent-                                   Für mich sind Frauen aus der Polizeiarbeit heute nicht mehr
                                                 lassung einen Brief schreiben und sich genau dafür bedanken.                               wegzudenken. Die positiven Erfahrungen der vergangenen
                                                                                                                                            Jahrzehnte konnten auch die Zweifel der letzten Skeptiker
                                                 Wo liegen Ihrer Ansicht nach besonders für Frauen in                                       zerstreuen. Ich freue mich über jede neue Bewerbung zur
                                                 ­diesem Bereich die größten Herausforderungen?                                             Salzburger Polizei. Um vor allem Frauen verstärkt für diese
                                                 Eine große Herausforderung in unserem Beruf ist es, als ­                                  Tätigkeit zu interessieren, veranstalten wird jährlich den
                                                 Frau in einer nach wie vor sehr männerorientierten Welt zu                                 ­sogenannten Girls’ Day, informieren Mädchen auf der
                                                                                                                                             ­Berufsinformationsmesse und bei zahlreichen weiteren
                                                 bestehen und bestimmte Dinge, wie beispielsweise Gedan-
                                                                                                                                              ­Veranstaltungen.
                                                 ken an grausame Gewaltverbrechen, nicht mit nach Hause
                                                 zu nehmen, sondern sie mit Supervision und eigens dafür
                                                                                                                                            Faktisch fungieren alle unsere Polizistinnen tagtäglich mit
                                                 ­geschultem Personal aufzuarbeiten.
                                                                                                                                               ihrem ausgezeichneten Einschreiten als Aushänge­
                                                                                                                                                   schilder und Werbeträger für die Salzburger Polizei.
                                                                                                                                                      Darin begründete sich vielfach die Bewerbungs-
                                                                                                                                                        intention unserer Polizistinnen zum Eintritt in
                                                                                                                                                         diesen schönen, abwechslungsreichen und
                                                                                                                                                          spannenden Beruf.

                                                                                                                                                              Bernhard Rausch
                                                                                                                                                             Landespolizeidirektor

                                                            N   K T UND K
                                                                         O
                                                         PU
                                                                                M
                                                     F

                                                                                  MA
                                                  AU

                                                             31                              Femizide 2020
© JA SALZBURG, LANDESPOLIZEIDIREKTION SALZBURG

                                                                                          31 Frauen waren unter den 43 Mordopfern des Jahres 2020 in Österreich.
                                                                                         Nirgendwo sonst in Europa übersteigt die Zahl der weiblichen Opfer die der männli-
                                                                                        chen. Am häufigsten handelt es sich bei dem Mörder um den Ehemann der Getöteten.
                                                                                      Ein Grund mehr, warum es so positiv ist, dass sich immer mehr Frauen für Berufe in den
                                                                                   Bereichen Sicherheit, Schutz und Kriminalarbeit interessieren. In Salzburg beispielsweise
                                                                               beträgt der Anteil der Frauen in der Exekutive rund 25 Prozent (Landeskriminalamt).
                                                                      Quellen: NZZ, Innenministerium, Bundeskriminalamt, Standard; Landeskriminalamt;
                                                                      s. auch www.nzz.ch/international/femizid-und-asylpolitik-in-oesterreich-eine-explosive-mischung-ld.1632971

                                                                                                                                                                                       4_2021 if: 3
Frauen ermitteln - Land Salzburg
N
                                                                                                            .
                                                                                                ECHEN

          E
                                                                                        VERBR
                                                                               N G VO N

        U
                                                                    FK L Ä R U

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                                                           IE A U
                                                    D UM D

  FR T TELN
                                            E R U N
                                       ERUF
                         NN   ENDE B
                L E S PA
ES   G IBT V IE

 ER M I                                                                      W E LC H
                                                                                        E ROLL
                                                                                               E   S   P IE L E N
                                                                                                                  F R AU E
                                                                                                                             N DA B E
                                                                                                                                      I?

      4 if:faktum 4_2021
Frauen ermitteln - Land Salzburg
iele Jahrhunderte lang war es so:       Fürsorgerinnen
                                      Die Justiz ist in der Hand der Männer,   Auch in der Kriminalistik haben Frauen erst seit etwa
                                    sie machen auch die harte kriminalisti­    hundert Jahren etwas zu sagen. In Deutschland etwa
                                  sche Arbeit. Frauen bleibt der Bereich der   gab es seit den 1920er-Jahren die „Weibliche Krimi­
                                 Prävention (oder, siehe die ­hohe Femizid-    nalpolizei“, die allerdings vor allem für minderjährige
                                Rate in Österreich, die Rolle der Opfer).      Straftäterinnen und -täter, Opfer, Zeuginnen und
                               Dass Frauen in der Kriminalistik eine Rolle     Zeugen zuständig war. Die – zivil gekleideten – Be­
                     spielen – sei es als Täterinnen, Opfer oder als Teil      amtinnen bearbeiteten also Anzeigen gegen Kinder,
                     des Justizsystems –, ist erst seit den 1960er-Jahren      Jugendliche (weib­liche bis 21, männliche bis 14 Jah­
                     Realität. Britische Forscherinnen kritisierten damals     re), vernahmen Zeuginnen und Zeugen und Opfer
                     die sogenannte „Malestream“-Kriminologie – eine           vor allem bei Sexualdelikten. In Österreich wurde
                     Schöpfung aus den Worten „Mainstream“ und                 dieser weibliche Bereich der Kriminalpolizei Polizei­
                     „male“.                                                   fürsorge genannt. Ab 1917 waren die Polizeifürsorge­
                           Im deutschsprachigen Raum dürfen Frauen             rinnen für verwahrloste Kinder und Jugendliche
                     ­überhaupt erst seit hundert Jahren (seit 1919) Jus       ­zuständig. Der Polizeifürsorge waren ebenso die „Ab­
                      studieren. Über Jahrhunderte wurden Gesetze und          teilung für die Bekämpfung von Geschlechtskrank­
                      Paragrafen von Männern für eine männerdominierte         heiten und Mädchenhandel“ und die „Lebensmüden­
                      Gesellschaft formuliert. Die deutsch-tschechische        stelle“ untergeordnet. Während der Naziherrschaft
                      Soziologin Gerlinda Smaus, die als Vorreiterin der       wurde die Weibliche Kriminalpolizei aufgelöst. Erst in
                      feministischen Kriminologie gilt, formuliert es sogar     den 1960er-Jahren gab es wieder erste Pilotprojekte
                      noch schärfer: „Man kann sagen, das Strafrecht            für Frauen in der ­Polizei (siehe Seite 8).
                      schützt vor allem männlich definierte Interessen             Frauen haben sich ihren Platz in der Ermittlung
                      oder männlich definierte Sphären.“ Staat und             erobert: Sie besetzen – mit „Luft nach oben“,
                      ­Wirtschaft, so Smaus, seien traditionell von Män­       aber in zunehmenden Zahlen – die Posten von
                     nern dominierte Sphären, wo mithilfe des Strafrechts
                     die Ordnung hergestellt werden solle, die den Män­
                     nern an der Macht ungestörtes Wirken ermöglichen
                     solle. Laut ihr würden keineswegs alle Männer von
                     den Paragrafen profitieren, blicke man auf die                           Einrichtungen, die wegweisend sind
                       ­Gefängnisse, die mit meist jungen, männlichen
                        Straftätern gefüllt seien.                                            Forensische Ambulanz
                                                                                              In Graz gibt es seit 2008 die klinisch-forensische
                     Bewegung im Rechtssystem                                                 ­Untersuchungsstelle an der Medizinischen Universität.
                     In diesen hundert Jahren, in denen Frauen an den                         Dort werden Opfern von Gewalt von Fachärztinnen für
                     juristischen Fakultäten zugelassen sind, ist einiges in                  ­Gerichtsmedizin gerichtsmedizinische Untersuchungen,
                     Bewegung gekommen. Die vormals männliche Justiz                          Dokumentation und Spurensicherung angeboten.
                     ändert sich, wird weiblicher, das Bild vom Richter                       Die Untersuchungsstelle steht allen Opfern kostenlos zur
                     als strenge „Vaterfigur“ wird zunehmend unzutref­                        Verfügung, auch ohne erfolgte Anzeige bei der Polizei.
                     fender. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Jus­                        Neben Untersuchungen und Spurensicherung werden
                     studierenden sind Frauen, sie haben meist auch                           ­Betroffene auch über weitere Angebote aufgeklärt.
                     ­bessere Noten. Die nachrückende Generation auf                          gerichtsmedizin.medunigraz.at
                      den Richterbänken, auf Staatsanwalts- und Anwalts­
                     sitzen ist mehrheitlich weiblich (siehe Statistik                        DNA-Zentrallabor
                      ­Seite 7).                                                              Als dritte europaweit nahm die Österreichische Nationale
                          Die legendäre amerikanische Verfassungsrichterin                    DNA-Datenbank 1997 ihren Betrieb auf. Mundhöhlen­
                     Ruth Bader Ginsburg, die 2020 starb, war eine der                        abstriche und Spuren werden hier anonymisiert – mit
                     ersten Frauen, die die Grundlage dafür legten, dass                      ­Barcode gekennzeichnet – aufbewahrt. Bei Tatverdacht
                     sich dieses Bild grundlegend änderte. Sie gilt als                       werden von der Exekutive entnommene Daten mit den
                       ­Legende der Justiz, die ihren Weg durch ein männ­                     Daten im Zentrallabor abgeglichen, Treffer werden mit
                     lich dominiertes Feld über alle Widerstände hinweg                       den Personendaten des Innenministeriums verglichen.
© SHUTTERSTOCK (4)

                     bis ganz nach oben ging. Sie kämpfte jahrzehntelang                      2013 wurde das Innsbrucker DNA-Labor weltweit
                     für die Gleichberechtigung von Frauen, für Minder­                       ­bekannt, als es 19 lebende Tiroler ausmachte, die mit
                     heiten und gegen Diskriminierung und inspirierte                         dem „Ötzi“ verwandt sind.
                     damit ganze Generationen von Frauen.                                     gerichtsmedizin.at/dnazentrallabor

                                                                                                                                         4_2021 if:faktum 5
Frauen ermitteln - Land Salzburg
Polizistinnen, Kriminalbeamtinnen, Anwältinnen,
  Staats­anwältinnen und Richterinnen. Sie arbeiten als
  ­Gerichtsmedizinerinnen, forensische Ermittlerinnen,
   bei DNA-Datenbanken. In manchen Bereichen re­
  präsentieren sie schon mehr als die Hälfte aller Stellen
  (wie etwa im Richteramt), in anderen sind sie in der
  Zukunft mit Sicherheit auf dem Weg dorthin.
       Für die Vergangenheit mag gelten, dass Krimi­
  nalistik männlich war, dass Gesetze und Urteile von
  einem männerdominierten Weltbild aus festgeschrie­
  ben wurden, dass Frauen nur als Opfer, Zeuginnen
  oder „Fürsorgerinnen“ eine Rolle spielten. Diese
  Vorstellungen verlieren jedoch an Boden. In Zu­
  kunft wird jeder Einzelfall geprüft und ermittelt
   ­werden, abseits von Vorurteilen und mit gender­
    gerechtem Blick – so, wie es eigentlich schon immer
    hätte sein sollen.

„Männliche Helden gibt’s genug!“                                                                   Aber es könnte sein, dass es recht
                                                                                                   viele Frauen gibt, die aufgrund
                                                                                                   der ihnen zugeschriebenen Rol­
  Miss Marple war eine der ersten, heute ermitteln in
                                                                                                   len – sozial, kümmernd, für den
  Romanen, Filmen und Fernsehserien zahlreiche Frauen.                                             Alltag zuständig – ein bisschen
  Auch in Eva Rossmanns Büchern sind Mira Valensky und                                             genauer hinsehen, gerade dann,
  ihre Gefährtin Vesna auf der Spur des Verbrechens.                                               wenn es nicht spektakulär ist.

                                                                                                   Haben Sie mir einer
                      if: In Ihren Kriminalromanen           Ich dachte mir, dass eine zusätz­     „echten“ Kriminalistin für die
                      ermitteln zwei Frauen.                 liche Perspektive den Romanen         Recherche gesprochen?
                      Wie kam es dazu?                       nur guttun kann – ganz abgese­        Im Laufe der Fälle habe ich im­
                      Eva Rossmann: Es war für mich          hen davon, dass man als Putzfrau      mer wieder mit Kriminalistinnen
                      einfach naheliegend – immerhin         kaum wahrgenommen wird und            geredet – wobei es zuerst vor al­
                      bin auch ich eine Frau. Und            so wunderbar ermitteln kann.          lem um reale Ermittlungsabläufe
                      ­naturgemäß ist mir daher Frauen­                                            ging. Die sind doch sehr anders
                       leben näher. Und ich hatte die        Steckt dahinter eine                  als in den meisten Fernsehkrimis.
                       Absicht, möglichst reale Personen     gezielte Message?                     Ich habe übrigens auch männli­
                       zu beschreiben, Menschen, denen       Männliche Helden oder inzwi­          che Polizisten unter meinen Kon­
                       man im alltäglichen Leben begeg­      schen auch dezidierte Antihelden      taktpersonen. Der Mistelbacher
                       nen kann und die sich mit unse­       gibt’s in Krimis ohnehin genug,       Bezirkspolizeikommandant hat
                       rer Gesellschaft und ihrer Ver­       weibliche Alltagsfiguren waren        mir eine Menge erzählt – mir ein
                       fasstheit herumzuschlagen haben.      mir einfach sympathischer.            Gefühl für die Alltagsarbeit der
                       Deswegen ist Mira Valensky auch                                             Polizei vermittelt. Übrigens mit
                       Journalistin und keine Polizistin –   Sind Frauen vielleicht die            jeder Menge Witz und Selbst­
                                                                                                                                         © MARGARETHE JARMER, SHUTTERSTOCK (5)

                       weil ich mich in diesem Metier        ­besseren Ermittlerinnen?             ironie.
                       einfach besser auskenne.              Ich versuche, auch geschlechts­
                       Und was Vesna, ihre                            spezifische Verallgemei­     Sind Frauen in der
                       ­zuerst vor allem                                 nerungen zu vermei­       Kriminalistik ausreichend
                        Putzfrau und                                        den. „Die“ Frau        repräsentiert?
                        ­inzwischen beste                                    gibt’s nicht, „den“   Nein, sicher nicht. Es gibt im
                         Freundin, angeht:                                    Mann auch nicht.     ­gesamten Polizeiapparat noch

                                                                           Eva Rossmann ist Autorin der Bestseller-Kriminalromane um
                                                                          die ermittelnde Journalistin Mira Valensky und ihre Putzfrau
                                                                         und Freundin Vesna Krajner. Alle Infos: www.evarossmann.at.
6 if:faktum 4_2021
Frauen ermitteln - Land Salzburg
Frauen                     POLIZEIDIENST
                                       Seit Frauen im Polizeidienst den Männern gleichgestellt sind

          ermitteln:                   (siehe Bericht Seite 8), ist der Anteil von Frauen von null auf zwanzig
                                       Prozent gestiegen. Interessant bleibt die Beobachtung, dass sich der

             Zahlen                    Frauenanteil je nach Hierarchieebene stark unterscheidet.

   War einst die gesamte ­Kette                        Frauenanteil im           1995                                                        4,69
    entlang der Aufklärung von                          Exekutivdienst           2021                                                        20
  Verbrechen in reiner Männer-
                                            Frauenanteil im Polizei-
        hand, haben sich in den          Grundausbildungslehrgang                                                                            31
­letzten 40 Jahren die Frauen-            „Eingeteilte“ Beamtinnen
    anteile überall – wenn auch                       (Wachkörper)                                                                           22,31
unterschiedlich stark – erhöht.
                                        Dienstführende Beamtinnen                                                                            13,35
    Männeranteil     Frauenanteil
  Angaben in Prozent
                                                Leitende Beamtinnen                                                                          6,65
                                           Einsatzkommando Cobra                                                                             0,44
                                                                                                            2 Frauen von ca. 450 Beamteten

                                            Im Bereich der JUSTIZ gibt es sogar einen leichten Frauenüberhang zu verzeichnen.
                                            1993 wurde mit dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz die Rechtsgrundlage dafür ge-
                                          schaffen, im gesamten Bundesdienst Gleichbehandlungsbeauftragte und Kontaktfrauen
                                       einzusetzen. Die Basis dafür, die Unterrepräsentation von Frauen zu beseitigen – mit Erfolg.

                                          Frauenanteil bei gesamten
                                                 Justizbediensteten                                                                          55
  großen Aufholbedarf, manche tun
                                          Frauenanteil bei Führungs-
  gerade so, als müssten mehr                positionen in der Justiz                                                                        40
  ­Männer ermitteln, weil ja auch       Frauenanteil im richterlichen
   die Welt der Kriminellen eine                Vorbereitungsdienst                                                                          66
                                                                                (werden zu Richterinnen oder Staatsanwältinnen ausgebildet)
   überwiegend männliche Welt ist.
   Das ist absurd, weil die von Ver­                                             Anfang der 1990er-Jahre                                     20,42
                                                           Richterinnen
   brechen und Vergehen Betroffe­                                                2021                                                        55,2
   nen gleich wichtig sind und oft
   auch mit im Zentrum polizeili­                                                Anfang der 1990er-Jahre                                     15,9
                                                  Staatsanwältinnen
   cher Ermittlungsarbeit stehen.                                                2021                                                        52
   Ich sage: Es ist unsere gemein­
   same Welt, und gerade wenn es
                                       Die Zahlen zeigen, dass viele Frauen den Weg zur RECHTSANWÄLTIN
   um die demokratischen Aufgaben      nicht zu Ende gehen. Die Gründe dafür sind wohl die gleichen wie in
   der Gefahrenabwehr, auch der        anderen Berufssparten: Karriereknicke bei Geburten von Kindern
   Ausübung von Befehls- und           und die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
   Zwangsgewalt geht, dann haben
                                       Frauenanteil der Mitglieder der Rechtsanwaltskammer
   die gleich auf Frauen und ­
  Männer verteilt zu sein.                                  Anwältinnen                                                                      23,35
  Das gilt übrigens auch für die                         Anwärterinnen                                                                       48,85
  Führungspositionen.
                                       Die Rate an gerichtlichen Obduktionen in Österreich beträgt nur ca. ein bis zwei
                                       Prozent: Österreich ist von einem Mangel an Fachärztinnen und -ärzten für Gerichts-
  Gibt es ein feministisches           medizin geplagt. Diese wiederum weisen einen relativ geringen Frauenanteil aus.
  Thema, über das Sie immer
                                                     Fachärztinnen für
  wieder stolpern?
                                                      Gerichtsmedizin                                                                        28,6
  Wohl das, über das wir alle
  ­immer wieder stolpern: Macht,
   Machtanmaßung, der Kampf um         Auch im Bereich der PRIVATDETEKTIVINNEN UND -DETEKTIVE könnte
   die Beibehaltung von antiquier­     sich der Frauenanteil durchaus noch nach oben schrauben. Die geringe Frauenquote
   ten Machtverhältnissen mit allen    ist wohl ebenfalls der mangelnden Vereinbarkeit mit dem Familienleben geschuldet.

   Mitteln. Und das sowohl auf                   Frauenanteil (2017)
   der privaten als auch auf der                Berufsdetektivinnen                                                                          5
   ­gesellschaftspolitischen Ebene.        Frauenanteil Angestellte
                                                   in Detekteibüros                                                                          10

                                               Quellen: Justizministerium, www.oeffentlicherdienst.gv.at,
                                               www.rechtsanwaelte.de, Ärztekammer, www.eurodet.at

                                                                                                                          4_2021 if:faktum 7
Frauen ermitteln - Land Salzburg
Uniform für alle!
             Es ist erst dreißig Jahre her, dass Frauen im                       Drei Jahrzehnte
   Polizeidienst mehr als nur „Politesse“ werden dürfen.                         Dreißig Jahre ist es also her, dass Frauen mehr als
          Die formale Gleichstellung verlief und verläuft                        nur den „ruhenden Verkehr“, unbewaffnete Verwal­
                  bis heute aber nicht ganz ohne Holpern.                        tungseinsätze oder Frauenspezifisches übernehmen
                                                                                 duften. Dreißig Jahre, seit Frauen im Polizeidienst

                     A
                               m Anfang waren die Politessen: „Weibliche         ihren Kollegen in allen Bereichen gleichgestellt
                               Straßenaufsichtsorgane“ wachten ab 1971           ­wurden – in allen Belangen. So gab es bei der Exe­
                               über den ruhenden Verkehr, um die Polizis­         kutive – im Unterschied zur Privatwirtschaft – nie
                     ten in den Städten von der Parkraumüberwachung               Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen.
                     zu entlasten. Drei Monate dauerte ihre Ausbildung,           Ein Grund, aus dem sich viele Frauen für den
                     umfasste Verkehrspolizeiliches, Grundzüge der                ­Polizeidienst interessierten. Im Schuljahr 1996/1997
                     ­Bundesverfassung, Strafrecht und Sport. Es war für           absolvierten zwei Frauen als erste den Offizierskurs
                      die Frauen auch ein Sprungbrett: Für jene unter              an der Sicherheitsakademie. Heute sind 27 Offizie­
                      ­ihnen, die sich als besonders fähig herausstellten, war     rinnen bei der Bundespolizei, das sind rund sieben
                       es möglich, in den Verwaltungsdienst (unbewaffnet)          Prozent Frauenanteil. Auch in den anderen Berei­
                       oder zur Kriminalpolizei (ausschließlich für ver­           chen sind Frauen zwar repräsentiert, jedoch nach wie
                       meintlich frauenspezifische Tätigkeiten wie etwa die        vor nicht ausgewogen. Von den etwa 31.000 Polizei­
                       Befragung von straffällig gewordenen Jugendlichen           beamtinnen und -beamten sind im Jahr 2021 rund
                       oder Frauen und Kindern, die Opfer sexueller                6.500 weiblich, von der Streifenpolizistin bis zur
                       ­Gewalt geworden waren) zu wechseln.                        ­Spezialistin des Einsatzkommandos Cobra. Das
                          Bis aus Politessen „echte“ Polizistinnen werden           macht einen Frauenanteil von rund 20 Prozent.
                     durften, sollte es allerdings einige Zeit dauern. Erst         Schaut man auf dienstführender Ebene, sind dort
                     im Dezember 1990 startete in der Schulabteilung                nur 13 Prozent Frauen zu finden. In der Grundaus­
                     der Wiener Sicherheitswache die einjährige Ergän­              bildung ist der Frauenanteil noch rund 30 Prozent.
                     zungsausbildung für Politessen, die dabei zu voll­
                     wertigen Polizistinnen ausgebildet wurden. In Wien,         Duschen, WCs, Umkleiden
                     Linz und Graz waren es insgesamt 36 Frauen:                 Mit der Gleichstellung von Männern und Frauen
                     13 Wienerinnen, sechs Niederösterreicherinnen,              im Polizeidienst 1991 waren nicht automatisch alle
                     zwei Burgenländerinnen und 15 aus den Bundes­               Probleme vom Tisch. Sowohl polizeiintern als auch
                     polizeidirektionen Linz und Graz.                           extern löste diese massive Veränderung starke

8 if:faktum 4_2021
Frauen ermitteln - Land Salzburg
­ ontroversen aus. Männliche Polizisten fühlten sich
                                     K
                                     in ihrer Ehre beschränkt, schließlich galt Männlich­
                                     keit über Jahrhunderte hinweg als wesentliches
                                     Merkmal der Polizei, Weiblichkeit im Umkehr­
                                     schluss als „das Andere“ und Unruhestiftende.
                                     Nicht alle Polizisten nahmen die Kolleginnen mit
                                     ­offenen Armen auf, vielmehr noch wiesen sie ihnen
                                      für Missstände jeder Art die Schuld zu. Nicht zuletzt
                                      mussten Polizisten akzeptieren, dass Dienststellen                      Pilotprojekte
                                      ­geschlechtergerecht umgebaut werden mussten,
                                       ­Umkleideräume, Toiletten, Duschräume für die                          WEIBLICHE PROVISORIEN
                                        ­Kolleginnen. Themen wie Schwangerschaft, Karenz                      In den 1960er-Jahren herrschte bei der Wiener
                                         und Vereinbarkeit mit der Familie waren neu und                      Sicherheitswache Personalmangel. Um dem
                                         ungewohnt. Und noch etwas änderte sich: Sonja                        entgegenzuwirken, wurde ein Pilotprojekt ins
                                         Dudek, Referatsleiterin der Berliner Landesstelle für                Leben gerufen, bei dem Frauen ein Grundausbil-
                                         Gleichbehandlung, stellte in ihrer empirischen                       dungslehrgang zur Polizistin angeboten wurde.
                                         ­Studie „Diversity in Uniform?“ fest, dass männliche                 600 Bewerberinnen meldeten sich, davon wur-
                                          Polizisten, bald nachdem die ersten Kolleginnen                     den 63 ausgewählt und in drei Klassen ausge-
                                          ­ihren Dienst begannen, vermehrt auf ihre                           bildet. Im Oktober 1965 startete diese Ausbil-
                                           ­Körperpflege achteten.                                            dung, die zwei Jahre dauern sollte. 38 Frauen
                                                 Die Gleichstellung von Frauen und Männern im                 traten schließlich zur Prüfung und am 1. Okto-
                                     Polizeidienst ist formal hergestellt. Es ist und bleibt                  ber 1967 als „weibliche provisorische Sicher-
                                     aber ein Bereich, der ursprünglich von Männern für                       heitswachebeamte“ ihren Dienst im Wach­
                                     Männer erdacht wurde, weshalb sich Frauen im Ver­                        zimmer Stubenring an. Obwohl sie formal die
                                     gleich zur männlichen Norm messen lassen müssen.                         gleiche Ausbildung und das gleiche Grund­
                                     Das betrifft nicht nur die körperliche, kraftmäßige                      gehalt wie ihre Kollegen hatten, wurden ihnen
                                     Unterlegenheit, für die sich Polizistinnen immer                         nicht die gleichen Aufgaben zugetraut, haupt-
                                            ­wieder rechtfertigen müssen. Auch hat es zur Folge,              sächlich überwachten sie (unbewaffnet) den
                                             dass Frauen sich entweder unterordnen oder aber                  ruhenden Verkehr und regelten große Kreuzun-
                                             ­darauf verzichten, als Frau gesehen zu werden.                  gen in der Innenstadt. Viele der Frauen schie-
                                     Der Ansatz, dass Polizeiarbeit Männerarbeit sei, ist –                   den wieder aus dem Polizeidienst aus, einige
                                     auch für die meisten Männer – längst überholt.                           wechselten in den Innendienst, nur wenige
                                     Zum Glück. Polizei ist keine homogene männliche                          ­blieben im Dienst. Es blieb beim Pilotprojekt
                                     Organisation mehr, genau wie die Gesellschaft ist sie                    und wurde nicht wiederholt.
                                     in ständigem Wandel. Frauen schreiben Geschichte,
                                              auch jene der Polizei.
                                                                                                                  FRAU GOES GENDARMERIE
                                                                                                                      Frauenministerin Johanna Dohnal for-
                                                                                                                        derte und der Ministerrat beschloss:
                                                                                                                          1983 sollten Planstellen für Frauen
                                                                                                                          bei der damaligen Bundesgendar-
                                                                                                                           merie eingerichtet werden. Nach
                                                                                                                           ­einem Auswahlverfahren wurde aus
                                                                             Traum erfüllt                                jedem der acht Landesgendarmerie-
                                               „Menschen in Situationen helfen, die sie allein                           kommanden je eine Frau als Vertrags-
                                             nicht bewältigen können.“ Dies nennt ANNA-LISA                           bedienstete mit Sondervertrag einge-
                                                 EBERHARTER als Motiv für ihre Entscheidung für                    stellt. Sie waren für den Kriminaldienst
                                              den Beruf als Polizistin. Nach der dreijährigen HBLA und
© SHUTTERSTOCK (2), BIRGITT DREWES

                                                                                                              vorgesehen, bearbeiteten vor allem Sittlich-
                                                     sieben Jahren im Landesdienst in der EU-Abteilung        keitsdelikte. Sechs Monate lang wurden die –
                                             ­entschloss sich die Seefelderin zu Abendmatura und dann         nach Wunsch in einem Sozialberuf ausgebilde-
                                                  zum ­Einstieg bei der Polizei. Die 27-Jährige schloss die   ten – Frauen in der Gendarmeriezentralschule
                                            Ausbildung mit Bravour ab und arbeitet seit fast zwei Jah-        Mödling (NÖ) ausgebildet, gefolgt von e
                                                                                                                                                    ­ inem
                                             ren im Streifendienst in Innsbruck. „Ich wollte in die Stadt,    einjährigen Praktikum und einer dreimonatigen
                                                  weil ich damit mitten im Geschehen bin und Erfahrung        Fortbildung. Sie durften Waffen tragen.
                                                                             sammeln und viel lernen kann.“

                                                                                                                                            4_2021 if:faktum 9
Frauen ermitteln - Land Salzburg
„Jeder Verlust ein Einzelfall“
   Edith Tutsch-Bauer hat die Gerichtsmedizin in Österreich über fast 20 Jahre mit
   wissenschaftlichem Engagement und persönlichem Elan geprägt und dabei mit ihren
   Expertisen vielen Geschädigten und deren Angehörigen mit zu ihrem Recht verholfen.

                      if: Rechtsmedizin steht nicht auf vielen                 Hat sich das Ermitteln von der Kriminalistik
                      ­Berufswunschzetteln. Wie kamen Sie dazu?                zur Gerichtsmedizin verlagert?
                       Edith Tutsch-Bauer Eine Mitstudentin, die bei           Nein, wir sind in allen Bereichen auf die Arbeit der
                      i­hrer Doktorarbeit in der Rechtsmedizin von ihrem       Kriminalbeamtinnen und -beamten angewiesen. Im
                       Doktorvater umfassend betreut worden war, hatte         Rahmen der Obduktion ist es erforderlich, dass diese
                       mir geraten, mich doch auch bei ihm um eine Disser­     uns die Vorgeschichte so genau wie möglich berich­
                       tation zu bemühen. Was auch geklappt hat. Von Be­       ten, um am Ende abzuklären, ob das, was sie ermittelt
                       ginn an wurde ich von ihm gefördert und mir wurde       haben, mit unseren Befunden in Einklang zu bringen
                       bereits nach Abschluss des Studiums eine Assistentin­   ist. Um zu einem Ergebnis zu kommen, ist es manch­
                       nenstelle in Aussicht gestellt. Damals, 1978, war die   mal erforderlich, weitere Tatortfotos einsehen zu kön­
                       Berufswahl sicher noch ungewöhnlich, vor allem für      nen oder mit den Beamtinnen und Beamten zum
                       eine Frau: Das Fach Rechtsmedizin war, genau wie        Auffindungsort zu gehen, um einen eigenen Ein­
                       Kriminalpolizei und Justiz, stark männerlastig.         druck von den örtlichen Gegebenheiten zu erhalten
                                                                               und diesen dann mit den Obduktionsbefunden, bei­
                      Sie sind seit fünf Jahren emeritiert. Welche             spielsweise einem Verletzungsmuster, abzugleichen.
                      ­Entwicklungen der Gerichtsmedizin haben Sie
                       in Ihrer aktiven Zeit miterlebt?                        Schauen Sie Fernsehkrimis wie „CSI“?
                      Die Obduktionen selbst werden genau so wie vor           Finden Sie sich darin wieder?
                      Jahrzehnten durchgeführt. Sicher gibt es mittlerweile    Ja, ich schaue aber nur nette Krimis an, den „Tatort“
                      Leitlinien, in denen das Vorgehen normiert wurde.        aus Münster etwa. Was mich freut, ist, dass die Ge­
                      Dennoch finden sich in den alten Lehrbüchern aus         richtsmedizin so positiv dargestellt wird. Ich selbst
                      dem letzten und vorletzten Jahrhundert detaillierte      hatte zu Beginn meiner Assistentinnenzeit den Ein­
                      Befundbeschreibungen, von denen wir heute noch           druck, dass die Berichterstattung, wenn es überhaupt
                      lernen können. Eine schier unglaubliche Entwick­         eine gab, kritisch war und man dem Fach eher ableh­
                      lung ergab sich in den 1990er-Jahren durch die Ein­      nend gegenüberstand. Insofern gab es durch die Prä­
                      führung der DNA-Analytik in der Gerichtsmedizin,         senz von Gerichtsmedizinerinnen und -medizinern
                                                                               in fast allen Krimis eine erfreuliche Entwicklung.
                                                                               Wobei wir damit zu kämpfen haben, dass in den
                                                                               Kriminalfilmen völlig falsche Vorstellungen von der
 „Anfangs gab es Skepsis, später keine                                         Möglichkeit vermittelt werden, die Todeszeit ein­
        weiteren Diskussionen über die                                         grenzen zu können. Es ist eine Vielzahl von Einzel­
  Leitung des Instituts durch eine Frau.“                                      faktoren, die die Bestimmung des Todeszeitpunkts
                                                                               beeinflusst, und es ist weiterhin ein Gebiet, auf dem
                                                                               in der Gerichtsmedizin umfangreich geforscht wird.

                      da nunmehr eine zweifelsfreie Zuordnung von Tat­         Hatten Sie in der Gerichtsmedizin oft
                      ortspuren wie Blut, Speichel oder Hautpartikeln          mit lebenden Opfern zu tun?
                      möglich wurde. Die Methodik wurde im Laufe der           Viele Jahre war ein Schwerpunkt die Untersuchung
                      Jahre zunehmend verfeinert, sodass nunmehr Materi­       und Begutachtung von Kindern nach dem Vorwurf
                      al, das mit dem bloßen Auge nicht mehr sichtbar ist,     einer Misshandlung oder des sexuellen Missbrauchs.
                      erfolgreich typisiert werden kann. Ebenso haben sich     Der Vorteil, diese Kinder in der Gerichtsmedizin zu
                      die Untersuchungsmethoden im chemisch-toxikolo­          untersuchen, ist, dass wir spezialisiert sind auf die
                      gischen Labor weiterentwickelt. Hier besteht die He­     Spurensicherung – etwa von Sperma oder Speichel –
                      rausforderung darin, dass immer neue Medikamente         nach derartigen Vorfällen. Anfangs bestand eine
                      und Suchtgifte auf den Markt kommen und damit            ­gewisse Skepsis, auch unter den eigenen Kollegen,
                      neue Methoden zum Nachweis erforderlich sind.             ob wir wirklich das richtige Wissen für derartige

10 if:faktum 4_2021
im eigenen Institut skeptisch. Eine Frau als Instituts­
                                                                                                             leiterin war ungewohnt, noch dazu aus Deutsch­
                                                                                                             land – immerhin, ein wenig beruhigend, aus dem
                                                                                                             benachbarten und vertrauten Bayern. Ein Jahr nach
                                                                                                             meinem Amtsantritt war es dann 1999 unsere Auf­
                                                                                                             gabe, die Opfer nach dem Brand im Tauerntunnel
                                                                                                             zu identifizieren und im Jahr danach die 155 Toten
                                                                                                             nach dem Brand in der Gletscherbahn in Kaprun.
                                                                                                             Dass wir rasch und vollständig alle Toten bei beiden
                                                                                                             Ereignissen identifizieren konnten, hat gezeigt, dass
                                                                                                             die Gerichtsmedizin Salzburg in der Lage ist, auch
                                                                                                             derartige Großschadensereignisse zu bewältigen.
                                                                                                             Dies hat uns sowohl in Österreich als auch internati­
                                                                                                             onal große Anerkennung gebracht und es gab eigent­
                                                                                                             lich keine weiteren Diskussionen über die Leitung
                                                                                                             des Instituts durch eine Frau.

                                                                                                             Hatten Sie Angst, die Bilder dieser
                                                                                                             ­Großereignisse nie wieder aus dem Kopf
                                                                                                              zu bekommen?
                                                                                                             Nicht nur bei Großschadensereignissen, sondern bei
                                                                                                             jeder Obduktion ist man auf den Einzelfall fokus­
                                                                                                             siert, auf die Befunde, die Spurensicherung, die
                                         Edith Tutsch-Bauer, Jahrgang 1952, studierte Medizin in
                                      ­ ünchen, wurde Assistentin am Institut für Rechtsmedizin
                                      M
                                                                                                             ­Asservierung von Körperflüssigkeiten zur chemisch-
                                    und 1997 zur ­Universitätsprofessorin ernannt. 1998 wurde sie             toxikologischen Untersuchung, falls erforderlich,
                                    auf den Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin an der Universität             und gleicht abschließend die Befunde mit kriminal­
                                     Salzburg berufen und verabschiedete sich 2016 in den Ruhe-
                                      stand. International bekannt wurde sie durch ihre Einsätze              polizeilichen Ermittlungen ab. Die Großschadens­
                                      beim Brand im Tauerntunnel 1999 und in der Gletscherbahn                ereignisse wurden medial viel diskutiert. Was man
                                     Kaprun 2000 sowie nach dem Tsunami 2004 in Sri Lanka. Im
                                      Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehe-              nicht aus dem Blickfeld verlieren darf, ist jedoch,
                                      malige Jugoslawien war sie im Kosovo bei der Exhumierung                dass jede und jeder Tote für die Angehörigen ein
                                     von Toten aus Massengräbern zur Vorbereitung der Anklage
                                                   unter anderem gegen Slobodan Milošević tätig.              ganz persönlicher Verlust und Schmerz ist. Dabei ist
                                                                                                              es wohl egal, ob gleichzeitig noch weitere Opfer zu
                                                                                                              beklagen waren. Nur der eigene Schmerz zählt.

                                ­ ntersuchungen haben. Aber über Fortbildungen
                                U
                                habe ich mir kindergynäkologisches Wissen angeeig­
                                net, und bei der Spurensicherung waren wir sicher
                                anderen Fachrichtungen überlegen. Mittlerweile
                                werden wir häufig zu Fortbildungsveranstaltungen
                                eingeladen, um eben den besonderen gerichtsmedizi­
                                nischen Aspekt der Spurensicherung weiterzuver­                                       Chefin der Justizanstalt
                                mitteln. Dies gilt nicht nur für die Untersuchung                   Psychologin DANIELA SEICHTER ist eine von wenigen
                                von Kindern, sondern für alle Opfer sexueller Über­                 Frauen, die eine Justizanstalt leiten. Die Einrichtung in
                                griffe, die meist in den gynäkologischen Abteilungen           Göllersdorf für zurechnungsfähige geistig abnorme
                                der Spitäler untersucht werden. Hier bieten wir an,          Rechtsbrecher verlangt den Verantwortlichen ei-
                                asservierte Spuren im Institut zu lagern, wenn               niges ab. Doch die Wienerin ist mit ganzem Her-
                                die Geschädigten zunächst keine Anzeige bei der                zen dabei. „Bei allen Fehlentwicklungen und
                                ­Kriminalpolizei erstatten wollen.
© TUSCH-BAUER, JA GÖLLERSDORF

                                                                                             Unglücken im Leben sind schwierige Situatio-
                                                                                              nen niemals aussichtslos“, lautet ihr Lebens-
                                Hatten Sie Schwierigkeiten, in Ihrem Fach                      motto. Nach dem Studium der Psychologie,
                                akzeptiert zu werden?                                       der Ausbildung zur klinischen Psychologin und
                                Anfangs, so habe ich es empfunden, war man in               Gesundheitspsychologin arbeitete sie in Gefan-
                                Salzburg bei Gericht und Exekutive und wohl auch             genenhäusern bzw. Justizanstalten. Im Oktober
                                                                                              2020 übernahm sie die Leitung der JA Göllersdorf.

                                                                                                                                                  4_2021 if:faktum 11
Was tun?
                                                                               Jede Frau kann helfen, im Fall
                                                                             eines Verbrechens einzuschreiten.
                                                                                Von einer ersten Reaktion bis
                                                                              zur Selbstverteidigung: Was tun,
                                                                             wenn ich Gewalt beobachte oder
                                                                                  gar selbst das Opfer bin?

                            ZIVILCOURAGE – WENN ICH GEWALT BEOBACHTE

   #1: Handeln, nicht provozieren                                     zusprechen, nicht wahllos „Hilfe“ zu rufen, sondern konkret
   Ein lautes Wort, eine Geste: Manchmal braucht es gar nicht         zu werden: „Sie mit der gelben Mütze, helfen Sie mir!“ Oft ge­
   viel, um eine Tat zu verhindern, indem der Täter oder die Tä­      schehen Verbrechen tatsächlich mitten am Tag, auch an beleb­
   terin abgeschreckt wird. Wichtig ist, dass niemand versucht,       ten Orten – und werden doch übersehen bzw. ignoriert. Zivil­
   die Heldin oder den Helden zu spielen. Gibt es am Ende zwei        courage ist deshalb besonders wichtig. Jemand muss die oder
   Opfer, ist niemandem geholfen. Der Täter bzw. die Täterin          der Erste sein, die bzw. der reagiert!
   sollte auf keinen Fall provoziert werden. Genauso wichtig:
   Man sollte sich selbst genauso wenig provozieren und zu            #4: Details beachten
   ­unüberlegten Handlungen hinreißen lassen.                         Manchmal geht es blitzschnell und es bleibt nichts mehr üb­
                                                                      rig, als im besten Fall zu beobachten, was passiert ist. Die Poli­
   #2: Hilfe rufen                                                    zei ist auf jedes Detail von Augenzeuginnen und -zeugen an­
   Fast jede Frau hat ein Mobiltelefon bei sich: bei Gewaltbeob­      gewiesen, deshalb ist die volle Aufmerksamkeit gefragt: Größe,
   achtungen immer als Erstes die Polizei – unter den Notruf­         Haarfarbe, Kleidung, Fluchtweg … jedes scheinbar noch so
   nummern 112 oder 133 – rufen. Mit möglichst wenigen Wor­           kleine Detail könnte wichtig sein.
   ten präzise schildern, was geschehen ist, wer anruft, wo der
   Vorfall sich ereignet hat und wann. Nicht auflegen, sondern        #5: Erste Hilfe
   den Anweisungen der Einsatzzentrale folgen.                        Zu Zivilcourage gehört auch, verzweifelte, verletzte oder be­
                                                                      wusstlose Opfer nicht allein zu lassen. Bei Verletzungen in
   #3: Teamwork                                                       ­stabile Seitenlage bringen, ansonsten sanft berühren und mit
   Währenddessen darauf achten, dass man dem Täter bzw. der            beruhigender Stimme auf das Opfer einreden, bis Hilfe kommt.
   Täterin nicht zu nahe kommt, um (siehe oben) nicht selbst           Dann zurücktreten, um die Einsatzkräfte nicht zu behindern,
   zum Opfer zu werden. So schnell wie möglich andere Umste­           und vor Ort bleiben, um Auskunft geben zu können. Für die
   hende oder Passantinnen und Passanten auf das, was vor sich         Polizei sind Zeuginnen und Zeugen wichtig, deshalb Zeugen­
   geht, aufmerksam machen. Dabei ist es ratsam, sie direkt an­        aussagen nicht aus Bequemlichkeit oder Zeitmangel unterlassen.

   „Paradoxe Intervention“: wenn das Verbrechen nebenan passiert
   Gewalt in der Familie geschieht meist        hören sind. Meist ist, neben dem Wählen      ­ cheinbar widersprechen. Umgelegt auf
                                                                                             s
   nicht in der Öffentlichkeit, sondern im      des Polizeinotrufs, ein wichtiger Schritt,   Nachbar­schafts­hilfe kann das bedeuten,
   Privaten. Ein Grund dafür, dass Nach­        die Gewalt zu unterbrechen. Dies gelingt     anzuläuten und nach einer Tasse Zucker,
   barinnen und Nachbarn besonders hell-        oft mit einer sogenannten „paradoxen         der Uhrzeit oder Ähnlichem zu fragen.
                                                                                                                                           © SHUTTERSTOCK (5)

   hörig sein sollten, wenn aus der Nachbar-   ­Intervention“. Der Begriff stammt aus        Der Akt der Gewalt ist fürs Erste ge-
   wohnung oder dem Nachbarhaus Schreie         der psychotherapeutischen Praxis und         stoppt und das Signal an den Täter oder
   oder andere verdächtige Geräusche zu         steht für ­Methoden, die dem Ziel            die Täterin klar: „Wir hören mit!“

12 if:faktum 4_2021
SELBSTVERTEIDIGUNG – WENN MIR GEWALT WIDERFÄHRT

#1: Ausweichen                                                      hungskonflikt halten und nicht zu Hilfe eilen. Auch hier kann
Manchmal sagt schon das Bauchgefühl, dass eine Gefahr lauert.       eine paradoxe Intervention hilfreich sein, also etwas zu tun, mit
In dem Fall ist es ratsam, diesem nachzugeben. Die Straßen­         dem der Täter bzw. die Täterin nicht r­ echnet und das ihn oder
seite wechseln, plötzlich abbiegen, dunkle Ecken vermeiden.         sie aus dem Konzept bringt: lautes Lachen oder S­ ingen etwa.
Ist irgendwo in der Nähe ein belebter Platz, dorthin gehen.
                                                                    #4: Details speichern
#2: Laut und deutlich sein                                          Auch Opfer sind wichtige Zeuginnen und Zeugen für die
Wird man tatsächlich angegriffen, verfolgt oder bedrängt, soll­     ­Polizei. So gut es geht, sollte man sich deshalb jedes Detail
te man unbedingt um Hilfe rufen. So laut wie möglich und             ­eines Überfalls einprägen. Hilfreich kann sein, diese als
dazu noch konkret. Ist jemand in der Nähe, muss er sich sicher        Sprachmemo auf dem Handy zu speichern, um im Schock
sein, dass es sich um eine erste Notlage handelt. Etwa: „Sie          nichts zu vergessen. 
mit der roten Jacke, helfen Sie mit, rufen Sie 133, ich werde
bedroht!“ Wenn möglich, selbst den Polizeinotruf wählen und
exakt schildern, wer anruft, was wo und wann geschieht.                                    Tipp: Taschenalarm

#3: Auf Distanz gehen                                                                      Die Idee ist simpel: Ein kleines Gerät, das
Nicht hilflos und ängstlich zu wirken, ist ein Mittel, den Täter                           in jede Handtasche oder Jackentasche
oder die Täterin auf Distanz zu halten: Dazu ist ein hohes Maß                             passt, lässt sich bei Gefahr aktivieren.
an Selbstvertrauen nötig. Auch sprachlich ist es wichtig, sich zu                          Es gibt einen lauten (ca. 140 Dezibel)
                                                                                                 ­Sirenenton von sich, um Umstehende
distanzieren und laut zu sagen: „Lassen Sie mich in Ruhe!“ Den
                                                                                                  aufmerksam zu machen und den
Täter bzw. die Täterin nicht duzen, denn Umstehende könnten
                                                                                                  ­Angreifer bzw. die Angreiferin abzu-
die Situation dadurch für e­ inen persönlichen oder einen Bezie­                                 wehren. Um den Alarm zu aktivieren,
                                                                                                 muss ein Stecker herausgezogen (und
                                                                                           auf jeden Fall ein Stück weit weggeworfen)
                                                                                           werden. Um den Alarm wieder zu deakti­
                                                                                           vieren, muss der Stab wieder eingesteckt
                                                                                           werden. Gerade in der Stadt ist der Ta-
                                                                                           schenalarm eine gute und relativ günstige
                                                                                           (ca. zehn Euro) Möglichkeit, um Aufmerk-
                                                                                           samkeit zu erzeugen.

                                                                                           Gute Idee:
                                                                                           Heimwegtelefon
                                                                                           Ein Service, der so einfach wie genial ist:
                                                                                           Wer sich nachts auf dem Nachhauseweg
                                                                                           unsicher fühlt, ruft über das ­Mobiltelefon
                                                                                           oder über eine App das Heimwegtelefon an.
                                                                                           ­Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                                                                           beiter werden zu Begleiterinnen und Beglei-
                                                                                            tern auf Strecken, die als ­bedrohlich emp-
                                                                                           funden werden, und wirken abschreckend
                                                                                           auf potenzielle Angreifende. Die Mitarbeite-
                                                                                           rinnen und Mitarbeiter verfolgen die Anru-
                                                                                           ferin oder den Anrufer auf dem Stadtplan,
                                                                                            der Standort wird immer wieder durch­
                                                                                            gegeben. Sollte etwas passieren, wird
                                                                                            die Polizei umgehend informiert.
                                                                                            Bisher gibt es das Heimweg­telefon
                                                                                            in Graz (0316 8722277),
                                                                                            Linz (0732 70703434) und
                                                                                            Wiener Neustadt (02622 373333).

                                                                                                                    4_2021 if:faktum 13
Salzburgs erste
   Gendarmeriebeamtin
   Chefinspektorin Ariane Winkler, Leiterin des Ermittlungsbereichs 3 des Landeskriminalamts
   Salzburg, arbeitet in der Abteilung EB 03. Das unscheinbare Kürzel steht für einen der härtesten
   und auch persönlich forderndsten Bereiche der Kriminalarbeit, die Sexualdelikte. Trotzdem liebt
   Ariane Winkler ihren Beruf auch noch nach mehr als drei Jahrzehnten. Wie gelingt ihr das?

                 if: Als Sie noch in der Berufsfindungsphase            Einsatz im Zusammenhang mit Kindern und Frauen.
                 ­waren: Welches Bild haben Sie sich damals             Die Bewerbung war eine „Bauchentscheidung“, ich
                 von der Polizeiarbeit gemacht?                         habe mir keine besonderen Chancen ausgerechnet,
                 Ariane Winkler: Ich war damals 19 Jahre alt und        weil ich die Voraussetzungen nicht erfüllte.
                 auf der Suche nach einem Beruf, der zu mir passt.
                 Die Polizei – bzw. in meinem Fall die Gendarmerie –    Doch Sie erhielten die Zusage. Wie haben Sie
                 war nicht in meinem Fokus, da es zu dieser Zeit        Ihre Ausbildungszeit erlebt?
                 ausschließlich ein Männerberuf war.                    Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt –
                                                                        ich bin nicht sicher, ob ich mich tatsächlich bewor­
                 Trotzdem sind Sie zur Polizei gegangen.                ben hätte. Dies jedoch nicht in Bezug auf die fachli­
                 Wie kam es dazu und was hat Sie an diesem              che Ausbildung, die sehr spannend war, sondern auf
                 Beruf gereizt?                                         das, was sich auf der menschlichen Ebene abspielte.
                 In einer Tageszeitung fand sich im Herbst 1983 die     Für die – ausschließlich – männlichen Kollegen war
                 Stellenausschreibung für die erste weibliche Gendar­   es eine völlig neuartige Situation, dass plötzlich
                 meriebeamtin im Land Salzburg, speziell für den        ­österreichweit mehr oder weniger über Nacht acht

14 if: 4_2021
sehr junge Frauen diesen Beruf ergriffen haben.         Fall dürfte beides recht gut zusammenpassen, denn
           Dementsprechend war die Bandbreite des Verhaltens       ich übe meinen Beruf immer noch gerne aus und er
           mir gegenüber – von Ablehnung bis Wohlwollen –          ist für mich keine Belastung.
           breit gefächert. Im Nachhinein betrachtet, habe ich
           mir in sehr kurzer Zeit eine sehr dicke Haut zulegen    Kann man sich in dieser Position noch den
           und lernen müssen, mich klar zu distanzieren und zu     Glauben an „das Gute im Menschen“
           positionieren. Was ich heute allerdings nicht mehr      ­bewahren?
           so negativ sehe, weil ich persönlich auch davon         Ja, natürlich. Auch wenn man im Berufsalltag mit
           ­profitiert habe.                                       zum Teil dramatischen Situationen konfrontiert ist
                                                                   und mit Menschen zu tun hat, deren Verhalten man
           Ihr Umfeld hat Sie also anfangs stark geprägt.          nicht verstehen und nachvollziehen kann, so ist es
           Wie haben Sie sich selbst als Frau in dieser            doch – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung – nur
           „Männerdomäne“ wahrgenommen?                            ein geringer Prozentsatz. Und man hat ja noch ein
           Für mich persönlich war es nie ein Thema. In den        Privatleben.
           Anfangsjahren, als es nur vereinzelt Frauen gab, war
           meine Berufswahl sicher etwas Besonderes. Aber es
           gab und gibt immer Frauen, die in Männerdomänen
           einbrechen, wie übrigens auch umgekehrt, insofern           „Auch wenn man im Berufsalltag mit zum Teil
           sehe ich darin nichts Außergewöhnliches.
                                                                        dramatischen Situationen konfrontiert ist und mit
           Und heute? Entspricht der Beruf – den Sie in                 Menschen zu tun hat, ­deren Verhalten man nicht
           leitender Funktion ausüben – Ihren Erwartun-
           gen? Wie sieht Ihr Job in der Praxis aus?
                                                                        verstehen und nachvollziehen kann, so ist es doch –
           Das kann ich so nicht sagen, da ich keine Erwartun­          im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung – nur ein
           gen hatte. Was ich sagen kann, ist, dass ich mich
           nach wie vor sehr wohl in meinem Beruf fühle. Ich
                                                                        ­geringer Prozentsatz“, sagt Ariane Winkler.
           bin in diesen Beruf hineingewachsen und habe mich            Ihr gelingt es trotz oftmals dramatischer
           hineinentwickelt. Von Anfang an bin ich im Bereich
                                                                        Erfahrungen und Situationen im Beruf, noch
           Sexualdelikte tätig und ich habe nie das Bedürfnis
           gehabt, mich zu verändern. Dieser Bereich hat mich           immer das Gute in Menschen zu sehen.
           immer sehr angesprochen und die Arbeit mich
           ­immer sehr erfüllt.
                 Als Leiterin des Ermittlungsbereichs hat sich
            ­meine Tätigkeit von der reinen Ermittlungsarbeit in   Das Sie unbedingt schützen, darum möchten
             Richtung Verwaltungstätigkeit verschoben, die doch    Sie auch ohne Foto veröffentlicht werden.
             einen Gutteil meiner Arbeit ausmacht. Ich bearbeite   Kommt es Ihnen bei Ihren Aufgaben manchmal
             aber immer noch Fälle, die angezeigt werden. Das      zustatten, dass Sie eine Frau sind? Wenn ja:
             bedeutet, dass mit den betroffenen Personen Kon­      Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
             takt aufgenommen wird, Protokolle und Berichte        Absolut. Allein der Umgang und die Gesprächsbasis –
             ­geschrieben werden und in Zusammenarbeit mit         besonders mit weiblichen Opfern – beispielsweise.
              Kolleginnen und Kollegen Beweise gesichert werden.   Es spricht sich von Frau zu Frau einfach leichter.

           Das extrem sensible Thema Sexualdelikte                 Was raten Sie jungen Frauen, die einen
           ist ja nicht nur fachlich, sondern auch per­            ähnlichen Karriereweg einschlagen wollen?
           sönlich sehr fordernd. Wie erleben Sie Ihren            Informieren! Und zwar umfassend. Eine Polizei­
           ­beruflichen Alltag?                                    dienststelle besuchen und mit Polizistinnen und
           Ich vergleiche das immer gerne mit anderen Berufen,     ­Polizisten reden. Man soll wissen, was auf einen
           die ich persönlich zum Beispiel nicht ergreifen wür­     ­zukommt, sich mit allen Schattierungen des Berufs
           de und vor denen ich den allergrößten Respekt habe:       auseinandersetzen und in sich hineinhören, ob man
           Ich denke da speziell an den Palliativbereich oder        sich darauf einlassen möchte. Es macht keinen Sinn,
           auch die Kinderonkologie. Ich denke, die Entschei­        eine zweijährige Ausbildung zu durchlaufen, um am
           dung, einen Beruf zu ergreifen, hat etwas mit der         Ende festzustellen, dass man am falschen Platz ist
© PEXELS

           ­eigenen Persönlichkeitsstruktur zu tun. In meinem        oder es sich anders vorgestellt hat.

                                                                                                                           4_2021 if: 15
NACHRUF

                              Am 27. August 2021 ist unser sehr geschätzter Kollege Alexander Viehauser
                              im Alter von nur 55 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.
                               Seine Kolleginnen und Kollegen im Referat Frauen, Diversität, Chancengleichheit
                              des Landes Salzburg werden ihn vermissen und sein Andenken in Ehren halten.
                             Wir möchten seinen Hinterbliebenen unser tiefes Mitgefühl für ihren plötzlichen,
                            unerwarteten und viel zu frühen Verlust aussprechen.

      Kriminologie studieren

      Wer sich dafür interessiert, warum Menschen straffällig werden
      und welche Einflüsse dazu beitragen, ist vielleicht mit einem
      Kriminologiestudium gut beraten.

      Was macht eine Kriminologin bzw. ein Kriminologe?
      Es geht um Ursachenforschung und Prävention. Sie haben einen
      ­wissenschaftlichen Blick auf das Geschehen, insbesondere im
      Bereich der Psychologie, Soziologie und Forensik.

      Welche fachlichen Voraussetzungen brauche ich?
      Grundvoraussetzung ist Matura bzw. Fachhochschulreife. Das Studium
      wird hauptsächlich als Masterstudiengang angeboten. Zugang erhalten
      also vor allem Absolventinnen und Absolventen eines Grundstudiums bzw.
      Berufstätige aus den Bereichen Polizei, Strafvollzug, Justiz, öffentliche
      ­Sicherheit, B
                   ­ ewährungshilfe etc.

      Welche persönlichen Voraussetzungen sollte ich mitbringen?
      Universitäten und erfahrene Berufspraktikerinnen und -praktiker
      empfehlen hier das Interesse an Verhalten und Motiven von Menschen,
      eine starke Psyche („dickes Fell“), analytisches Verständnis (Statistik-
      affin), Belastbarkeit und keine Scheu vor der Arbeit mit Straftäterinnen
      und -tätern.

      Wo kann ich Kriminologie studieren?
      In Österreich ist das Studienangebot in diesem Bereich leider recht
      begrenzt. Häufig wird das Fach in Kombination mit anderen Studien­
      gängen (z. B. Strafrecht) belegt. Angebote gibt es z. B. als Fern- und
      berufsbegleitendes Studium bei der Hochschule Fresenius, an der
      Donau-Universität Krems (donau-uni.ac.at) oder an der Universität Wien                           Mehr if:?
      (Strafrecht und Kriminologie: strafrecht.univie.ac.at).                                   Hören Sie einfach mal rein:
                                                                                                 radiofabrik.at/tag/
      Eine Liste internationaler Studienangebote findet sich hier:                                 frauenzimmer-
      master-and-more.at/masterstudium-kriminologie.html.                                         chancengleichheit
                                                                                                                                                 © LAND SALZBURG

www.salzburg.gv.at/frauen                                                                           Österreichische Post AG MZ 02Z031451 M
                                                                                   Amt der Sbg. LR Ref. 2/05, M.-Pacher-Str. 28, 5020 Salzburg
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