If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol

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If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
if..faktum                                                                     von der rolle
magazin für tirolerInnen                wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken

                             von
                           der rolle
                                 wie sich
                            rollenstereotype
                            auf frauenleben
                                auswirken

                           .
                         if.faktum
                           gleichstellung kompakt

www.tirol.gv.at/frauen                                                             2_2017
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
editorial

     Die typischen Zuschreibungen für
     Mädchen und Frauen brechen auf
                           Mag.a Elisabeth Stögerer-Schwarz
                  Leiterin Bereich Frauen und Gleichstellung

                                 e.stoegerer-schwarz@tirol.gv.at
                                                                                               D     ie Welt der Mädchen ist rosarot, die der Buben bunt!“ Ist dem so?
                                                                                                     Wie werden Rollenbilder geprägt und wie werden sie eingesetzt?
                                                                                               Im aktuellen if:faktum reden wir über Rollenbilder – von der Kindheit
                                          www.tirol.gv.at/frauen                               bis ins Altersheim. Wie sieht es mit typischen Zuschreibungen aus?
                                                                                                       In der Erziehung, in der Schule, im Berufsleben, in der Familie
                                                                                                            und auch in der Politik. Wie sieht es aus mit den Chancen
                                                                                                              für Frauen und wo können sie die traditionellen (Vor-)
                                                                                                                Ur­teile überwinden und sich Spielräume schaffen?
      Inhalt                                                                                                     In der Rückschau auf die vergangenen Jahrzehnte ist
                                                                                                                 viel passiert, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.
      03_Frage der Durchmischung
                                                                                                                 Dazu mehr ab Seite 4.
      Birgit Eder, Teamleiterin Elemen-
      tarpädagogik an der Pädagogi-
      schen Hochschule Tirol.                                                                                   Seit vielen Jahren arbeitet der Bereich Frauen und
                                                                                                               Gleichstellung am Überwinden von Rollenstereotypen
      04_Von der Rolle                                                                                     bei Mädchen. Alljährlich gipfelt diese Arbeit im Girls’ Day.
      Rollenstereotype leben und es wird nach
                                                                                                      Der April ist der Monat, wo die Mädchen nach monatelanger
      ihnen gelebt.
                                                                                               Vorbereitung in mädchenuntypische Bereiche eintauchen dürfen. ­
      08_Geschlecht – Macht – Recht                                                             Dabei freut sich der Bereich Frauen und Gleichstellung über viele
      Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner zur Frage,                                      ­PartnerInnen. Der Bericht dazu auf Seite 14.
      ob vor dem Gesetz alle gleich sind.
                                                                                               Im Auftrag des Tiroler Landtags organisierte die Abteilung Gesellschaft
      09_Ich wollte nie ein Bub sein
                                                                                               und Arbeit – Bereich Frauen und Gleichstellung – eine Enquete zum
      Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger im Interview.
                                                                                               Thema Einkommensgerechtigkeit. ExpertInnen diskutierten und
      10_Problematische Rolle                                                                  ­referierten, Perspektiven für die Zukunft wurden festgehalten, die nun
      Das Festhalten an traditionellen Rollenbildern                                           dem Landtag zur weiteren Bearbeitung vorgelegt werden. Details dazu
      führt oft zur Abwanderung junger Frauen                                                  auf Seite 15.
      aus dem ländlichen Raum.

                                                                                               Auch sonst geschieht im Frauenbereich vieles und Interessantes.
                                                                         © Land Tirol/Berger

      13_Frauenvolksbegehren 2.0
      20 Jahre nach dem ersten österreichischen Frauen-                                        Einige Details dazu auf unserer Homepage www.tirol.gv.at/frauen oder
      volksbegehren soll es eine Neuauflage geben.                                             auf Facebook. Haben Sie viel Freude am regelmäßigen Studium unserer
                                                                                               Angebote. Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen.
      14_Frage der Chance
      Seit 16 Jahren gibt es den Girls’ Day in Tirol.
      Rollenbilder werden aber nicht nur an diesem Tag
      bei den Mädchen aufgelöst.

      15_Frage des Geldes
      Gleichstellung bei Erwerbsarbeit und gleicher Lohn
      für gleiche Leistung – der Tiroler Landtag beauftragte
      eine Enquete zum Thema. Die Arbeit geht weiter.

      16_Meinungen
      Menschen zum Thema Rollenverständnis.

      impressum

      if:faktum gleichstellung kompakt. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für MultiplikatorInnen sowie interessierte Frauen und Männer.
      Herausgeberin: Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Gesellschaft und Arbeit – Bereich Frauen und Gleichstellung www.tirol.gv.at/frauen
      Chefredakteurin: Yvonne Schwarzinger Tirol-Redaktion: Elisabeth Stögerer-Schwarz, Birgitt Drewes Artdirektion, Layout, Grafik und Bildbearbeitung: Martin Renner,
      rennergraphicdesign Druck: Samson Druck Auflage: Tirol 4.500, Gesamt­auflage 16.300 Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frau“ Corporate Print
      für die Abteilung Gesellschaft und Arbeit – Frauen und Gleichstellung. www.welt-der-frau.at

2 if..faktum 2_2017
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
standpunkte

                                                                                                                         Verpflichtung zu
                                        3 kurze Fragen an
                                                                                                                        Menschenrecht
                                        Birgit Eder                                                                 Das Ziel der Gleichstellung ist die Freiheit, den
                                                                                                                   eigenen Lebensweg gehen zu können und die
                                        Wie werden Rollenbilder geprägt?                                        ­eigenen Begabungen und Talente zur Geltung zu
                                        Je jünger die Kinder sind, desto größer ist                            bringen. Rollenbilder engen diese Freiheit ein – bei
                                        die Bedeutung des nachahmenden Lernens.                               Frauen und bei Männern! Damit wir diese Gerech-
                                        Erwachsene vermitteln also mit ihrem Verhalten sehr                 tigkeit erreichen, braucht es einen langen Atem.
                                        viele Lerninhalte für Kinder, Kinder ahmen Erwachsene               Der Wandel gelingt uns nur allen gemeinsam.
                                        nach und erwerben so bereits früh eine Vorstellung                  Die Politik kann für gesellschaftliches Umdenken
                                        von Rollenbildern.                                                  die Rahmenbedingungen vorgeben: Rechtlich sind
                                                                                                            Frauen und Männer praktisch gleichgestellt.
                                        Welches sind die Herausforderungen für die                          Nun gilt es, im Tatsächlichen Gleichstellung zu
                                        Elementarpädagogik beim Thema Rollenbilder?                          ­erreichen. Deshalb müssen alle Regierungsmit­
                                        Die größte Herausforderung ist, dass in diesem Berufsfeld              glieder in ihrem Bereich tätig werden und
                                        die Männer und damit auch alternative Rollenmodelle fehlen.              ­genderkompetent handeln. Das ist eine men-
                                        Es geht um eine Durchmischung des pädagogischen Perso-                     schenrechtliche Verpflichtung.
                                        nals in elementarpädagogischen Einrichtungen und natür-                     In Tirol stehen wir vor denselben Herausforde-
                                        lich um eine (selbst)reflexive und kritische Haltung jeder                    rungen wie in anderen Bundesländern. Es geht
                                        ­einzelnen Fachkraft gegenüber eigenen Rollenstereotypen.                               darum, Rollenstereotype abzubauen
                                                                                                                                    und Verantwortung in allen
                                        Was konkret raten Sie als Pädagogin Eltern,                                                      ­Politikfeldern einzufordern.
                                        wie sie traditionelle Rollen aufbrechen können?                                                    Gleichstellung bringt allen
                                        Eltern sollten sich bewusst in verschiedenen vielfältigen                                            ­etwas – ein faires Miteinan-
                                        Rollen bewegen. Das erleichtert die Elternschaft                                                      der von Frauen und Män-
                                        (z. B. nicht nur die Mutter ist für die Pflege des Kindes                                              nern führt zu weniger Ge-
                                        zuständig oder fürs Kochen usw.) und vermittelt dem                                                   walt, mehr Unabhängigkeit
                                        Kind gleichzeitig, dass Zuständigkeiten im Alltag von                                                    und Freiheit und damit
                                        jedem gemacht werden können und in Teamarbeit                                                                 zu mehr Lebens-
                                        ­erledigt werden. Diese Haltung wäre für viele Bereiche des                                                           freude.
                                                                                                                                   Dr. Christine Baur
                                                                                                                                      in
                                         Lebens förderlich.                                                                           Landesrätin für Frauen
                                         Birgit Eder, Teamleitung Elementarpädagogik, Zentrum                                         und Gleichstellung
                                         für Führungspersonen im Bildungsbereich, Pädagogische
                                         Hochschule Tirol, Blog: www.edu-vision.info/edublog/

                                                                                     Mädchen wählen vor allem drei Lehrberufe
                                                        nkt und Kom
                                                      Pu            m
                                                 uf                                  Zum Stichtag 31. Dezember 2016 waren im Bundesland Tirol insgesamt
                                             A

                                                                            a

                                                                                     10.708 Lehrlinge in Ausbildung, davon 7.126 (67 %) Burschen und nur

                                                 47,4
                                                                                     3.582 (33 %) Mädchen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang
                                                                                     von 239 Lehrlingen oder 2,2 %. Circa 9.000 Lehrlinge sind in nur vier
                                                                                     Sparten zu finden: Gewerbe und Handwerk, Handel, Industrie sowie
                                                                                     ­Tourismus und Freizeitwirtschaft. Obwohl in der Tiroler Wirtschaft in
                                                                                     ­circa 150 Lehrberufen ausgebildet wird, konzentrieren sich 60,6 % aller
                                                                                      Lehrlinge auf lediglich zehn Lehrberufe.
                                                                                      Bei den Mädchen ist der Fokus noch enger: 47,4 % der Mädchen werden
© Thomas Kurz, Land Tirol/FotoAichner

                                                                                      in nur drei Lehrberufen ausgebildet. 71 % der Mädchen erlernen die Top
                                                                                      Ten der Lehrberufe. Die beliebtesten drei Lehrberufe bei Mädchen sind
                                              47,4 % der Mädchen                      seit vielen Jahren dieselben: Einzelhandelskauffrau lernt jeder vierte
                                               werden in nur drei                     weibliche Lehrling. Je zehn Prozent wählen Friseurin oder Bürokauffrau.
                                           Lehr­berufen ausgebildet.                  Auf Platz zehn findet sich erstmalig der Lehrberuf Metalltechnikerin.
                                          71 % der Mädchen erlernen                   ­Immerhin 82 Tiroler Mädchen erlernen diesen Beruf.
                                          die Top Ten der Lehrberufe.                Quelle: Tiroler Lehrlingsstatistik, Wirtschaftskammer Tirol, Jänner 2017.
                                              Quelle: Tiroler Lehrlingsstatistik,
                                           Wirtschaftskammer Tirol, Jänner 2017.

                                                                                                                                                                 2_2017 if..faktum 3
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
von der rolle
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If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
cover

                 Im Kindergarten spielen Mädchen mit Puppen, Buben mit Feuerwehrautos.
                 In der Schule sind Mädchen gut im Lesen, Buben brillieren in Mathematik und
                 Physik. Im Beruf können Männer gut führen und konstruieren, Frauen können
                 gut folgen und pflegen. Was plakativ und abgedroschen klingt, ist es leider
© Shutterstock

                 nicht. Die Realität zeigt: Unsere Welt funktioniert immer noch nach diesen
                 ­traditionellen Mustern. Rollenstereotype leben und es wird nach ihnen gelebt.

                                                                                      2_2017 if..faktum 5
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
änner gehen hinaus und erobern als Jäger die      Bereichen nichts getan hat“ (siehe auch Seite 12).
                                 weite Welt. Frauen bleiben zu Hause und           Heute hat Sonja Ablinger der klassischen Parteipolitik
                                     hüten als Sammlerinnen die kleine Fami-       den Rücken gekehrt und ist als Vorsitzende des Öster-
                                     lienwelt. Man sollte meinen, dass sich seit   reichischen Frauenrings nur mehr mit Frauen und in
                      der Steinzeit doch einiges an den traditionellen Rollen-     Frauenfragen aktiv. Der Rückzug engagierter Frauen in
                      bildern verändert hat. Schließlich tragen wir auch keine     Nischen erhöht zwar den Handlungsspielraum und
                      Felle mehr, sondern Nylon und Elastan. Und schließ-          Wohlfühlfaktor der Akteurinnen, ist aber auch dazu
                      lich haben heute auch Frauen gern die Hosen an. Doch         angetan, Rollenklischees in Beton zu gießen.
                      selten im übertragenen Sinne. Auch im 21. Jahrhundert
                      beträgt in Österreich der Anteil der Frauen in Entschei-     Als Lehrerin an einer Mittelschule im Linzer Süden
                      dungsgremien von Aktiengesellschaften nur zwölf Pro-         kennt Sonja Ablinger die Probleme von Rollenstereo-
                      zent. Und noch immer leisten Frauen zwei Drittel der         typen aber noch von einer ganz anderen Seite. „Ich
                      unbezahlten Arbeit – im Haushalt, bei der Kinder­            ­erlebe es, dass Buben einfach raumgreifend sind. Mäd-
                      betreuung und in der Pflege. Und noch immer sind es           chen werden da schnell an den Rand gedrängt. Und
                      fast ausschließlich die Frauen, die die Lasten der Repro-     auch wenn wir an Schulen und in der Bildung Aktio-
                      duktion auf sich nehmen. Denn der Anteil der Väter an         nen wie den Girls’ Day einbringen und Geschlechter-
                                                der Karenz liegt auch 2017          fragen thematisieren, meine Erfahrung zeigt: Die
                                                noch unter fünf Prozent. Und        ­Machokultur lebt!“, sagt Ablinger. Und sie geht sogar
                                                noch immer wählen Mädchen            noch einen Schritt weiter: „Vor 30 Jahren war der
                                                bevorzugt typische „Frauen­          ­öffentliche Diskurs betreffend Rollenbilder groß. In
                                                berufe“. Fast die Hälfte aller        letzter Zeit ist das viel leiser geworden.“ Den Grund
                                                weiblichen Lehrlinge wird im          dafür sieht Sonja Ablinger nicht zuletzt in der wirt-
                                                Einzelhandel und in den Beru-         schaftlichen Situation. „In meiner Jugend war die Zu-
                                                fen Bürokauffrau und Friseurin        kunft noch offen. Wir hatten viel mehr Möglichkeiten,
                                                ausgebildet. Die klassischen          waren durch die gute Wirtschaftslage auch freier. Eine
                                                Rollenstereotype scheinen in          Verschlechterung der allgemeinen Situation und ein
                              Sonja Ablinger Stein gemeißelt zu sein.                 Rückbau des Sozialstaates treffen immer zuerst Frauen!“

                        Sonja Ablinger kennt Rollenklischees von allen Seiten.     Mit Rollenbildern und ihren Auswirkungen setzt sich
                        Sie hat sich seit ihrer Jugend in der SPÖ aktiv enga-      auch Amanda Ruf, die Leiterin des Vorarlberger Ver-
                        giert und musste als junge Frau in der Politik oft er­     eins Amazone, schon seit Jahrzehnten auseinander.
                      leben, nicht so ganz ernst genommen zu werden. „Die          „Mädchenarbeit“ hat sich der Verein auf seine Fahnen
                        Politik ist eine sehr männliche Kultur. Als Frau muss      geheftet. Dabei soll es natürlich um Stärkung von
                        man da immer wieder aufs Neue seine Kompetenz              Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren und um die
                      ­beweisen und wird dennoch immer auf die Seite ge-           Veränderung traditioneller Rollenstereotype gehen.
                        schoben. Eine Frau, die den Männern dagegenredet,          Eine Vielfalt von Angeboten und Projekten soll dazu
                        das ging damals gar nicht“, erinnert sie sich. Nicht       beitragen, Mädchen und Jungen zu einem selbstbe-
                       ­zuletzt aus dieser Erfahrung heraus wurde Ablinger vor     stimmten Leben in einer für alle gerechten Gesellschaft
                        20 Jahren zu einer der Mitinitiatorinnen des ersten        zu verhelfen. „Im Einzelnen haben wir dabei große
                        Frauenvolksbegehrens. Um 20 Jahre danach die er-           ­Erfolge. Aber so etwas wie eine geschlechtergerechte
                        nüchternde Bilanz zu ziehen, dass „sich in zentralen        Welt existiert nach wie vor nicht. Das liegt auch an
                                                                                    den Bildern, den Stereotypen, die wir im Kopf haben.
                                                                                    Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir
      Das „andere Wesen“                                                            darüber hinwegkommen. Aber Männer waren und
      der „Frau“ und ihr Schicksal                                                  sind leider nicht gezwungen, das zu tun“, meint
                                                                                    Amanda Ruf. Wobei sie Rollenbildern auch etwas Posi-
      Das Kinderfräulein: Was wird aus großen Mädchen?                              tives abgewinnen kann. „Rollenbilder helfen bei der
      Die Kleine: Sie werden Frauen.                                                Orientierung im Alltag. Sie reduzieren die Datenmenge,
                                                                                                                                                © Ablinger, Verein amazone

      Das Kinderfräulein: Und was wird aus Frauen?                                  die wir verarbeiten müssen, weil wir auf Vertrautes
      Die Kleine: Sie werden Mütter.                                                ­zurückgreifen können“, sagt die Soziologin.
      Das Kinderfräulein: Und was werden die Mütter?
      Die Kleine: Sie werden alt.                                                  Und dennoch sind es diese Rollenstereotype, die
      (Jean Jacques Rousseau, Emile oder Über die Erziehung)                       ­Frauen in vielen Lebensbereichen hemmen. „Typisch

6 if..faktum 2_2017
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
Eigenheiten und eigenen Bedürfnissen einfach nur
                                                                                 ­gesellschaftlich geschätzt werden müssen wie Männer.
                                                                                  Da Frauen einen Großteil der (unbezahlten) Familien-
                                                                                  arbeit leisten, läge der Schluss nahe, dass eine gesell-
                                                                                  schaftliche Aufwertung dieser Arbeit ein großer Vorteil
                                                                                  für die Frauen wäre. Doch Amanda Ruf warnt vor
                                                     Amanda Ruf                   ­diesem voreiligen Schluss. „Es kann nicht sein, dass der
                                                                                   politische Wille nur ist, Familienarbeit mit Erwerbs­
                      Frau“ – das führt auch im 21. Jahrhundert oft in die         arbeit gleichzustellen. Dieses konservative Ideal ist das
                      perspektivische Einbahn, in die Armutsfalle, ins gesell-     Gegenteil von dem, was wir wollen. Es geht nicht
                      schaftliche Abseits. Wobei fraglich bleibt, ob Frauen        ­darum, Rollen zu verfestigen, sondern darum, sie zu
                      wie Männer werden sollen oder ob Frauen mit ihren             öffnen – für Männer wie für Frauen.“ 

                                     Buben sind schlau, Mädchen sind hübsch
                                     Wie sexistische Werbung Rollenbilder manifestiert.

                                     Das Familienbild in der Gesellschaft, so könnte            ­ etonen die Pinkstinks-
                                                                                                b
                                     man denken, hat sich in den vergangenen                    AktivistInnen, dass
                                     sechs Jahrzehnten gewaltig verändert. Frauen                sie nichts gegen
                                     sitzen inzwischen in den Chefetagen, Männer                Rosa hätten und
                                     bleiben auch mal für die Kinder zu Hause, man              Mädchen auch nicht
                                     lässt sich scheiden und heiratet neu, Patchwork            die Prinzessinnen-
                                     ist nichts Besonderes mehr, genauso wenig wie               kronen wegnehmen
                                     gleichgeschlechtliche Paare. Nur in der Wer-                wollten. Es geht nur
                                     bung – dort scheint sich rein gar nichts geän-              um eine breitere Fä-
                                     dert zu haben. Das konventionelle Familienbild,             cherung des Angebots –
                                     Vater, Mutter, meist zwei Kinder, scheint wie in            und zwar abseits von Ge-
                                     Stein gemeißelt.                                            schlechterklischees. Also Matsch,
                                                                                                Technikspielzeug und Raum für Mädchen, die
                                     Mädchen werden in der Werbung zu rosa Prin-                 laut und wild sein wollen. Und pinke Ponys für
                                     zessinnen, Buben dürfen alles sein – Dirigent,             Jungs, die sanft sind und sich kümmern und
                                     Wissenschaftler oder Astronaut. Später dann                ­kuscheln möchten.
                                     sehen Marketingstrategen Männer als stark,
                                     einflussreich und gütig. Männer in der Werbung             Aktuell kämpft Pinkstinks in Deutschland um
                                     machen Geld, formen die Welt und fahren dicke              ein Verbot sexistischer Werbung. Und auch die
                                     Autos. Frauen werden in der Werbung als sexy               EU ist sich sicher, dass Werbung Wirkung auf
                                     und lasziv dargestellt oder können wunderbar               das VerbraucherInnenverhalten hat, und hat
                                     Wäsche waschen und Kinder versorgen. Dass                  2010 festgehalten, „dass Reklame häufig einsei-
                                     Werbung sexistisch ist und Rollenbilder mani-              tige und/oder verfälschte Inhalte transportiert,
                                                    festiert, darüber diskutiert Euro-          die stereotypisierte Vorurteile in Bezug auf das
                                                        pa schon genauso lange wie              Geschlecht verfestigen, wodurch Gleichstel-
                                                           kontrovers. Die Initiative           lungsstrategien, die diese Ungleichheiten be-
                                                             „Pinkstinks“, die ur-              seitigen sollen, unterminiert werden“. Für ein
                                                              sprünglich von Groß­              klares Verbot sexistischer Werbung wollte sich
                                                               britannien ausging und           die EU allerdings bis heute nicht aussprechen.
                                                               seit einigen Jahren
© shutte rstock (2)

                                                               auch in Deutschland              Auch in Österreich scheiterte 2010 ein Vorstoß
                                                              aktiv ist, will endlich mit       der damaligen Frauenministerin Gabriele
                                                              Sexismus in der Wer-              ­Heinisch-Hosek für ein Verbot sexistischer
                                                           bung und im Spielzeug­                ­Werbung. Dafür wurde 2011 ein Anti-Sexismus-
                                                         regal aufräumen. Dabei                   Beirat im Werberat installiert.

                                                                                                                                               2_2017 if..faktum 7
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
Geschlecht – Macht – Recht
      Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau sollte dazu beitragen, die
      negativen Auswirkungen von Rollenstereotypen zu mindern, sollte man annehmen.
      Doch dazu braucht es neben den entsprechenden Gesetzen auch eine Reihe
      flankierender Maßnahmen, meint die Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner.

                      E
                              iner weitverbreiteten Ansicht zufolge sind        Gesetze allein würden vor allem nicht ausreichen, um
                              ­Frauen „anders“ als Männer. Dieses „Anders-      die Ungleichstellung von Mann und Frau in der
                               sein“ musste im Lauf der vergangenen Jahrhun-    ­Gesellschaft tatsächlich abzuschaffen, ist Holzleithner
                      derte als Begründung für ihren Ausschluss von wesent-      überzeugt. Denn auch im Jahr 2017 ist die faktische
                      lichen Ressourcen gesellschaftlicher Macht herhalten.      Gleichstellung von Mann und Frau nicht erreicht.
                      Das Recht zu studieren, einen Beruf der eigenen Wahl       „Recht haben und Recht bekommen, das sind zwei
                      auszuüben, das aktive und passive Wahlrecht, körper-       vollkommen unterschiedliche Dinge. Sonst hätten wir
                      lich-sexuelle Integrität auch in der Ehe – diese Rechte    nicht trotz Gleichbehandlungsgesetz und Diskriminie-
                      und Rollen wurden Frauen erst in den letzten hundert       rungsverbot einen so massiven Gender Gap“, führt sie
                      Jahren und nur zögerlich zugestanden.                      aus. Es fehlten flankierende Gesetze und Maßnahmen
                                                                                 vor allem im Hinblick auf Transparenz, meint die
                       Die Geschichte rechtlicher Diskriminierungen ist lang     Rechtswissenschaftlerin. Die Offenlegung der Gehälter
                       und sie beschäftigt Elisabeth Holzleithner schon lang.    in Unternehmen, das Recht auf Unterlageneinsicht bei
                       „Alles, was wir heute an rechtlicher Gleichstellung       Personalaufnahmen – um eine tatsächliche Gleich­
                      ­haben, wurde äußerst mühsam erstritten. Alles andere      behandlung zu erreichen, braucht es auch solche
                       zu behaupten, wäre eine Verklärung der Vergangen-         ­Maßnahmen.
                       heit“, sagt die Professorin für Rechtsphilosophie und
                       Legal Gender Studies an der Universität Wien. „Als       Hinzu kommt, dass die speziellen Bedürfnisse und
                       1988 die Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde,       ­Lebensumstände von Frauen in der Gesetzgebung in
                       gab es darum verheerende Debatten. Und auch die           der Vergangenheit zwar nicht explizit ausgeschlossen
                       jüngste Strafrechtsreform hat nur gegen ganz massive      wurden, jedoch wurden männliche Lebensverhältnisse
                       Widerstände stattgefunden. Feminismus war niemals         als Norm gesetzt. Die Folge ist, dass das Recht auch
                       mehrheitsfähig.“                                             ­reale Machtverhältnisse in Gesetzesform gießt und
                                                                                           somit Ungleichheit und Diskriminierung (un-
                                                                                                bewusst?) auch verfestigen kann. Anderseits
                                                                                                   habe das Recht natürlich auch „das
                                                                                                      ­Potenzial, gesellschaftliche Verhältnisse
                                                                                                        zu verändern“, erklärt Holzleithner,
                                                                                                          die sich auch im Anti-Sexismus-
                                                                                                           Beirat des Österreichischen Werbe-
                                                                                                           rats engagiert. Wichtig sei aber
Dr.in Elisabeth                                                                                            auch der Blick auf Behörden und
Holzleithner                                                                                               Gerichtsbarkeit und dort angesie-
                                                                                                           delte Initiativen bezüglich Gender-
Universitätsprofessorin für Rechts­
                                                                                                          gerechtigkeit und Genderkompe-
philosophie und Legal Gender Studies,
Vorständin des Instituts für Rechtsphilo­                                                                tenztraining, so die Professorin.
sophie, Sprecherin des interdisziplinären                                                              „Wir haben etwa bei sexuellen Über-
Forschungsverbundes „Gender and Agency“                                                             griffen eine gute Rechtslage. Aber als
an der Universität Wien. 1994 bis 2001 Vorsit-
zende des ­Arbeitskreises für Gleichbehandlungs­
                                                                                                 Zeugin muss die Frau sich dann unheim-
fragen der Universität Wien, 2006/07 Gastprofessorin                                        lich exponieren und wird schnell zur Haupt-
für ­Legal ­Gender Studies an der Universität Zürich,                                  darstellerin in einem Gerichtsporno. Für diese
                                                                                                                                                   © Barbara Mair

2017 Frauenring-Preis.
                                                                                 ­Sekundärviktimisierung gibt es in Wahrheit keine
Buchpublikation: „Gerechtigkeit“, Wien 2009.
https://homepage.univie.ac.at/elisabeth.holzleithner/                             ­Lösung. Hier hilft nur mehr Gendersensibilität.“

8 if..faktum 2_2017
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
„Ich wollte nie ein Bub sein“
                      Christine Nöstlinger – die erfolgreichste Kinderbuchautorin
                      Österreichs – über Rollenbilder, Chancen, Helikoptermütter
                             und den Feminismus als Minderheitenproblem.
               Sie haben ja immer sehr ungewöhn­           Eine Rolle für Sie?                           vom Franz. Und der Franz ist als Bub
               liche Charak­tere in Ihren Büchern          Na, so entworfen hab ich mich nie             um einen Kopf kleiner als die anderen,
               dargestellt. G­ lauben Sie, dass Kinder­    ­gehabt. Ich mein, ich hab gern gekocht,      schaut wie ein Mädchen aus und ist völ-
               bücher ­beitragen können, fortschritt­       weil das ist was Lustiges. Und wenn du       lig schüchtern. Natürlich habe ich auch
               lichere Rollenbilder zu entwickeln?          gut kochst, dann freuen sich die Leute.      ein paar aufmüpfige, aber im Durch-
               Na, das glaub ich eigentlich nicht. Man      Aber ansonsten – na, ich hab auch            schnitt sind es ganz normale Kinder.
               könnte im höchsten Fall sagen, sie sind      kaum was getan. Ich kann mich erin-
               so etwas wie flankierende Maß-                    nern, dass ich mal mit dem Besen        Würden Sie sagen, dass Sie ein
               nahmen. Sie können be-                                   ein Häuferl Dreck zusam-         ­typisches Mädchen waren?
               stärken. Natürlich,                                          mengekehrt habe in           Also ich wollte nie ein Bub sein. Aber
               ich meine, ich will                                            ­einem der beiden          typisches Mädchen? Na ja, ich hab von
               über andere Kin-                                                  Zimmer, die wir         meiner Mutter typische Mädchen­
               derbücher nicht                                                    ­hatten. Und dann       sachen als Spielwaren geschenkt bekom-
               schimpfen. Aber                                                     bin ich gesessen      men. Ich glaube nicht, dass ich damit
               wenn ­Kinder                                                         und hab gelesen      unzufrieden war. Aber ich war für
               dauernd so Sa-                                                       und hab immer         ­damalige Verhältnisse aufmüpfig, was
               chen kriegen                                                        in der Mitte das      man im Volksmund frech nennt.
               wie – was weiß                                                    Häuferl Dreck
               ich – Lillifee oder                                             ang’schaut und hab        Wenn man über Frauenfragen und
               so was – na ja, dass                                         mir gedacht, eigentlich      Rollen nachdenkt, kann man ja heute
               sie sich dann anders ver-                                 müsst ich jetzt eine Schaufel   eine Art Backlash beobachten, wo
               halten und anders benehmen,                        und einen Bartwisch nehmen und         es eher einen Rückgang zu den typi­
               weil sie das nachspielen. Aber im Grund      des wegwischen.                              schen Rollenverteilungen gibt.
               genommen kommt’s eher drauf an,                                                           Also Frauen sind gerne zu Hause, sind
               glaub ich, wie das Daheim ist, was die      Und die Rolle als Mutter, war das für         Helikoptermütter …
               Mutter für eine Rolle spielt, wie der       Sie eine selbst gewählte?                     Ja, mein Gott. Das hat es doch immer
               ­Vater einen Teil vom Haushalt zum Bei-     Na ja, ich bin nicht absichtlich schwan-      gegeben. Frauenleben sind halt nicht
                spiel übernimmt oder nicht übernimmt.      ger geworden. Aber als ich jung war,          einfach. Und es gibt eine ganze Menge,
                Aber ich glaub, von Büchern kommt da       war das eigentlich ziemlich klar, dass        die sich gern, wie man in Wien sagt, ins
                nicht viel. Das hat schon der Tucholsky    man irgendwann einmal heiratet und            Leo stellen. Und vor 40 Jahren haben
                gesagt: Mit zehn Fingern auf der           Kinder kriegt. Und diese Rolle hab ich        halt diese Schnepfen gesagt: „Ich bin
                Schreibmaschine verändert man die          nicht angezweifelt, weil das hat damals       ­keine Emanze.“ Und heute sagen sie:
                Welt nicht. Das geht leider nicht.         kaum wer getan.                               „Ich bin keine Feministin.“ Und man
                                                                                                         darf nicht vergessen, damals wie heute,
               War es ein Entschluss oder ein Zufall,      War diese Rolle damals dann auch              ob es jetzt nach vorn geht oder zurück –
               dass Sie angefangen haben, Kinder­          schwierig für Sie?                            es geht um eine Minderheit von Frauen.
               bücher zu machen?                           Ja, natürlich. Es ist ja nicht lustig, sich   Weil die ganze Unterschicht zum
               Es war sehr viel Zufall dabei. Ich habe     nur mit einem Kind zu unterhalten,             ­Beispiel, die ganzen Frauen mit Migra-
               an der Akademie Grafik studiert. Na         bitte!                                          tionshintergrund und dann die Ober-
               und dann fiel ich eben in die Kinderfal-                                                    schicht, die auch nie hackeln wollte –
               le, tät ich sagen. Verhütung gab’s damals   Sie haben ja in Ihren Büchern immer             wenn du das alles zusammenrechnest,
               nicht und dann hat man halt geheiratet.     eher außergewöhnliche handelnde                 dann hast du die Mehrheit der Frauen.
               Und dann hab ich nicht mehr arbeiten        Personen – ungewöhnliche,                            Wie viel Prozent schätzen Sie, dass
               können, einen Kindergartenplatz hast        ­unangepasste …                                            sich heute für Feminismus in
               du damals nur gekriegt, wenn du einen        Na ja, was weiß ich. Meine                                   Österreich interessieren?
© Luiza PUIU

               Arbeitsplatz hattest. Und dann bin ich       erfolgreichsten Bücher                                        Also drum nenn ich’s ein
               halt Hausfrau gewesen.                       sind die Geschichten                                           Minderheitenproblem. 

                                                                                                                                      2_2017 if..faktum 9
If..faktum - von der rolle wie sich rollenstereotype auf frauenleben auswirken - Land Tirol
Die wichtige Rolle von Frauen in Bergregionen
      Immer mehr junge, gut qualifizierte Frauen wandern aus ländlichen
      Regionen ab. Nicht zuletzt liegt das am Festhalten an starren
      ­traditionellen Geschlechterstereotypen. Da ist Handlungsbedarf!

      M
                        it der Rolle von Frauen in     angebot und Arbeitsplatzspektrum              eine „Charta für partnerschaftliche
                        Bergregionen hat sich im       ­sowie zum anderen speziell auch im           ­Interessenvertretung“ zur Stärkung der
                        April unter der Veranstal-      Festhalten an starren traditionellen          ­Bäuerinnen erlassen. Denn keine
            tung des Bundesministerium für Land-        ­Geschlechterrollen, wodurch die             Frau steht an der Spitze der Landwirt-
            und Forstwirtschaft, Umwelt und              ­Entwicklungsperspektiven für Frauen        schaftskammern, nur 19 Prozent der
      ­Wasserwirtschaft ein internationaler               stark eingeschränkt werden.                KammerrätInnen sind Frauen, auch die
       ­Kongress in Alpbach beschäftigt.                                                               ­Vizepräsidentinnen und Obfrauen in
        ­Bergregionen stehen zunehmend im                  In einer gemeinsamen Deklaration          der Sozialversicherungsanstalt der
      Spannungsfeld von globalen Heraus­               ­ urden beim Kongress in Alpbach
                                                       w                                                ­Bauern sind in deutlicher Minderzahl.
         forderungen wie Klimawandel, Verlust          ­einige wichtige Punkte beschlossen,
      von biologischer Vielfalt, der Gefähr-               um die Rolle von Frauen in Bergregio-     Mit diesem Verhältnis will die Charta
      dung oder dem ­Fehlen attraktiver                    nen zu stärken. Unter anderem soll eine   aufräumen und zielt darauf ab, …
         ­Arbeitsplätze und ­einer damit verbun-           permanente Plattform zum Informati-
      denen Abwanderung. Diese Abwande-                    onsaustausch ins Leben gerufen werden.    … die Rollenverteilung in der Familien-
      rung betrifft, wie wissenschaftliche                 Auf regionaler, nationaler und globaler   und Versorgungsarbeit, in der betrieb­
          ­Studien seit Jahren belegen, vor allem          Ebene sollen Maßnahmen gefunden           lichen Entwicklung oder in der Ver­
      junge, gut ausgebildete Frauen, die                  werden, um Frauen den leichteren          tretungsarbeit ausgewogen zwischen
      dann im Gemeinwesen der betroffenen               ­Zugang zum Arbeitsmarkt und zu              Bäuerinnen und Bauern zu gestalten;
      Berg­regionen schmerzhaft fehlen. Denn             ­politischen Funktionen zu ermöglichen.
      vor allem für die notwendige Diversifi-              Und bei Projektförderungen in             … die chancengleiche Entscheidungs-
      zierung in der Landwirtschaft wie die               ­Berg­regionen soll die Stärkung von       und Gestaltungsmacht als eine Selbst-
           ­Öffnung für den Tourismus und Green            Frauen berücksichtigt werden.             verständlichkeit in der Positionierung
            Care ist das innovative Potenzial dieser                                                 von Frauen und Männern in agrarischen
            jungen Frauen von großer Bedeutung.        Auch die ARGE Österreichische                 Organisationen und Institutionen
                                                       ­ äuerinnen hat fast zeitgleich im April
                                                       B                                             ­festzusetzen und
      Dr.in DIin Mag.a Theresia Oedl-Wieser            im Rahmen des Bundesbäuerinnentages
      von der Bundesanstalt für Bergbauern-                                                          … die vielen Talente, Fähigkeiten und
      fragen ortet die Gründe für die zuneh-                                                         Erfahrungen von Frauen bewusst in die
      mende A  ­ bwanderung von Frauen aus                                                           Gestaltung und Führung von agrari-
      ländlichen Regionen zum einen im                                                               schen Organisationen und Institutionen
      ­gering ausdifferenzierten Lehrplatz­                                                          einzubeziehen. 
                                                                                                                                                 © shutterstock

10 if..faktum 2_2017
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                                                                                                    ni           u
                                                                                ird

                                                                                                                                                    ge
                                                                           man w

                                                                 Die Philosophin Judith Butler hat die Probleme, die sich aus der ­Zuschreibung
                                                                    und Reproduktion von Geschlechterverhältnissen ergeben, thematisiert
                                                                                                                                                      boren
                                                                   und die feministische Theorie damit nachhaltig beeinflusst. Ihr Ziel ist es,
                                                                       die Leiden zu lindern, die festgesetzte Normen geschaffen haben.

                                                             S
                                                                    eit der zweiten Frauenbewegung in den 70er-Jahren         geht Butler davon aus, dass die Sprache und das Denken in
                                                                    gilt es für feministische Theoretikerinnen als gegeben,   den Geschlechterkategorien Frau/Mann Grundlage für die
                                                                    dass normative Geschlechterrollen Konstruktionen          sexistische Unterdrückung sind. Und sie fordert dazu auf,
                                                             darstellen, die zur Aufrechterhaltung der Machtverhältnisse      diese Denkbilder zu dekonstruieren. Denn selbst wenn man
                                                             dienen. Sie folgen damit Simone de Beauvoir und deren zen-       von einer Binarität, also einer Zweiteilung der Geschlechter
                                                             traler Aussage in „Das andere Geschlecht“: „Man wird nicht       ausgeht, folge daraus weder, „dass das Konstrukt ‚Männer‘
                                                             als Frau geboren, man wird es.“ Man könnte auch verschärft       ausschließlich dem männlichen Körper zukommt, noch
                                                             formulieren: Man wird dazu gemacht!                              dass die Kategorie ‚Frauen‘ nur weibliche Körper meint“,
                                                                                                                              sagt Butler.
                                                             Im Zuge der feministischen Kritik an Gesellschaft und
                                                             Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern ist es zu          Dabei meint Judith Butler nicht, dass es keine anatomischen
                                                             ­einer Trennung von biologischem Geschlecht (sex) und            Differenzen gäbe. Sie kritisiert jedoch, dass wir diese nicht
                                                              ­sozial konstruierten Geschlechterrollen (gender) ge­kommen.    sehen können, ohne sie bereits zu interpretieren. „Wenn ein
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                                                                Durch diese Trennung soll die Normierung der Rollen­          Baby geboren wird, sagen wir, es ist ein Mädchen, es ist ein
                                                               zuschreibung (vor allem für Frauen) sichtbar gemacht und       Bub – da ist schon ein medizinischer, ein rechtlicher Dis-
                                                               ­aufgezeigt werden, dass Frau-Sein kein „gottgegebenes         kurs, den wir fast rituell wiederholen. So wirken Worte auf
                                                                Schicksal“ ist.                                               uns ein.“ Und so entstehen laut Butler fragwürdige Rollen-
                                                                                                                              bilder. Rollenbilder, in die nach ihrer Sicht nicht annähernd
                                                             Mit ihrem Buch „Gender Trouble“, zu Deutsch „Das                 alle Menschen hineinpassen. Deshalb geht es laut eigener
                                                             ­Unbehagen der Geschlechter“, geht die US-amerikanische          Aussage Judith Butler darum, Erziehung so zu organisieren,
                                                             Philosophin Judith Butler einen Schritt weiter und stellt die    dass alle Kinder ihre Wünsche als legitim erfahren. Erklärtes
                                                             These auf, dass auch dem biologischen Geschlecht keine per       Ziel ist es dabei, das Leiden zu lindern, dass Menschen durch
                                                             se eindeutige „Rolle“ zugeschrieben werden kann. Dabei           Normen, die einfach so festgesetzt wurden, erfahren. 

                                                                                                                                                                              2_2017 if..faktum 11
Jetzt erst recht!
                       Frauenvolksbegehren 2.0
               20 Jahre nachdem im April 1997 645.000 Menschen das erste
          österreichische Frauenvolksbegehren unterschrieben haben, soll es 2018
            unter dem Titel „Frauenvolksbegehren 2.0“ eine Neuauflage geben.

      V
              ertreterinnen der neuen Initiative präsentierten Ende      5. Sexualisierte Werbung ohne Produktbezug soll verboten
              April 15 Forderungen, mit denen die Lebensqualität             werden, sowie Produkte, Werbeinhalte und Marketing­
              von Frauen in Österreich verbessert werden soll.               strategien, die limitierte Geschlechterrollen verbreiten.
      Die Forderungen beziehen sich auf die Bereiche Arbeit und          6. Arbeit soll aufgewertet werden, mit einem Mindestlohn
      Wirtschaft, Gesundheit und Familie sowie politische Teilhabe.           von 1.750 Euro brutto.
                                                                         7. Wegen des großen Anteils an Frauen in Teilzeit und zur
        „20 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren müssen wir             ­gerechteren Aufteilung unbezahlter Arbeit soll die Arbeits-
        feststellen, dass sich wenig geändert hat“, sagt dazu Sonja           zeit auf 30 Stunden pro Woche verkürzt werden.
      ­Ablinger, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings,       8. Es sollen neue Maßnahmen beschlossen werden, um die
       der das neue Frauenvolksbegehren unterstützt. Frauen ver-              Schließung der Einkommensschere zu erreichen.
       dienten weiterhin deutlich weniger als Männer, die Armut          9. Bei der Berechnung der Notstandshilfe, der Mindest­
       ­unter Alleinerzieherinnen steige, es gebe immer mehr prekäre          sicherung und der Ausgleichszulage der Pension soll das
        Beschäftigungsverhältnisse bei Frauen. Und die Regierung              Einkommen des/der Partners nicht eingerechnet werden.
        habe beim Update ihres Regierungsprogramms so gut wie            10. 2 4-Stunden-Betreuung soll als unselbstständige Arbeit
        kein Interesse an emanzipatorischer Frauenpolitik gezeigt. Die          ­anerkannt werden.
        Forderungen der Frauen seien deshalb aktueller denn je.          11. G      anztägige, kostenlose, flächendeckende Kinderbetreuung
                                                                                   nach dem Mutterschutz soll gewährleistet werden.
      Ähnlich sieht das die frühere Journalistin und Krimiautorin        12. U      m Selbstständigkeit in der Karenz zu fördern, sollen die
      Eva Rossmann, eine der Initiatorinnen des Volksbegehrens                     SVA-Pflichtversicherungsbeiträge für alle Selbstständigen,
      von 1997. Sie zeigt sich aber optimistisch, dass irgendwann                  die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ausgesetzt werden.
      auch die Regierungsparteien begreifen, dass es gut für das         13. D      er Anspruch auf Unterhaltsvorschuss besteht in der
      Land ist, wenn sich etwas hin zu Gendergerechtigkeit ändert.                 Höhe der Regelbedarfssätze und soll an die Bezugsdauer
      Teresa Havlicek, eine der Sprecherinnen des neuen Frauen-                    der Familienbeihilfe gekoppelt werden.
      volksbegehrens, sieht die Initiative als „Startschuss für eine     14. F      rauen sollen kostenlosen und anonymen Zugang zu
      breite BürgerInnen-Bewegung“.                                              ­Verhütungsmitteln, Schwangerschaftstests und rechtlich
                                                                                   zulässigen Schwangerschaftsabbrüchen bekommen.
      Hier die 15 Forderungen* kurz zusammengefasst:                     15. D      ie Frauenhäuser und Gewaltschutzzentren sollen
      1. D
          er Höchstbetrag der Parteienförderung soll an eine Frau-               ­bundesweit ausgebaut werden. Auch asylsuchende Frauen
         enquote von 50 Prozent in den gewählten Positionen aller                  sollten Zugang haben.
         Gremien geknüpft werden. So auch die Klubförderung.
      2. Die Leitungsgremien staatlicher und börsennotierter Unter-     Finanziert werden soll das neue Frauenvolksbegehren über
         nehmen sollen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden.             Spenden und Crowdfunding. 1997 haben 645.000 Menschen
      3. V
          ielfältigere Geschlechterbilder sollen die Entfaltung von     das Frauenvolksbegehren unterschrieben. Damit will sich die
         Kindern fördern, ohne Stereotype zu verfestigen. Päda­          neue Initiative aber nicht vergleichen. Ziel seien 100.000 Un-
         gogInnen sollen einen geschlechtersensiblen Blick in ihrer      terschriften und damit eine Behandlung im N   ­ ationalrat, sagt
         Ausbildung vermittelt bekommen.                                 Teresa Havlicek. „Wichtiger ist uns aber, dass wir die breite
      4. A
          sylsuchende Frauen sollen Zugang zu Beratung, Kompe-          Öffentlichkeit erreichen und eine Diskussion in Gang setzen.“
         tenzfeststellung, Arbeit und Kinderbetreuung bekommen.
                                                                         Alles über die Initiative „Frauenvolksbegehren 2.0“
                                                                         und Möglichkeiten der Unterstützung:
                                                                         www.frauenvolksbegehren.at.

                                                                         *Stand Juni 2017, hier kann es noch Veränderungen geben.

12 if..faktum 2_2017
Pamela Rendi-Wagner:
                                                   Die Gesundheitsexpertin will als
                                              neue Frauenministerin feministische
                                         Politik auf ihrer täglichen Agenda haben.

                                       M
                                                      it Dr.in Pamela Rendi-Wagner hat eine               täglich auf ihrer Agen-
                                                     ­anerkannte Expertin das Frauen- und Ge-             da ­haben, versprach
                                                      sundheitsressort übernommen. Die 46-Jäh-            ­Rendi-Wagner nach ihrer
                                        rige ist wie ihre Vorgängerin Ärztin und hat einen aus-            Bestellung.
                                        gezeichneten Ruf als Wissenschaftlerin. Sie machte
                                        ihre Facharztausbildung in London und ist Expertin                „Als Frauenministerin setze ich
                                        für Impfprävention, Reisemedizin und Infektions­                  mich dafür ein, dass Mädchen und
                                        epidemiologie. Sie arbeitete zehn Jahre am Institut für           Frauen Rahmenbedingungen vorfinden, die
                                        Tropenmedizin und erstellte mehrere Studien, die zur              ihnen ein gleichberechtigtes Leben ermöglichen.
                                        wissenschaftlichen Grundlage für impfpolitische Ent-              Im ­Berufsleben muss gewährleistet sein, dass gleich-
                                        scheidungen wurden – etwa die Anhebung des emp-                      wertige Arbeit gleich bezahlt wird, flächendeckende
                                        fohlenen Intervalls für die Zeckenschutzimpfung von                  Kinder­betreuungsangebote und Ganztagsschulen
                                        drei auf fünf Jahre. Danach verbrachte Rendi-Wagner               ­sollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter-
                                        mehrere Jahre in Israel, wo ihr Mann Michael Rendi                 stützen. I­ nstrumente wie die Quote sorgen für faire
                                        Botschafter war, und lehrte an der Universität in Tel              Chancen, wenn es darum geht, Führungspositionen
                                        Aviv. Nach der Berufung von Pamela Rendi-Wagner                    zu über­nehmen.
                                        als Sektionschefin ins Gesundheitsministerium kehrte               Ein wichtiger Kernbereich der Frauenpolitik ist der
                                        das Paar nach Österreich zurück.                                   Schutz von Frauen vor Gewalt, sei es im familiären
                                                                                                           Umfeld oder im Internet. In Österreich haben wir
                                        Pamela Rendi-Wagner ist Mitglied im Bund sozial­                   ­eines der besten Gewaltschutzgesetze in ganz Europa
                                        demokratischer AkademikerInnen und seit ihrer                       und ein Netz an Gewaltschutzzentren und Beratungs-
                                        ­Berufung zur Ministerin auch Parteimitglied der SPÖ.               einrichtungen – trotzdem gibt es noch viel zu tun.
                                        Bei den SPÖ-Frauen war sie im Gegensatz zu ihrer                    Wir müssen uns vor Augen führen, dass Frauenpolitik
                                        Vorgängerin Dr.in Sabine Oberhauser bisher nicht                    alle Bereiche betrifft und jede und jeden etwas
                                         ­engagiert. Die Frauenpolitik soll bei der Gesundheits-            angeht, denn wir alle profitieren von einer Gesell-
                                          expertin dennoch nicht zu kurz kommen. Sie wolle                  schaft, in der Menschen gleichberechtigt und
                                          diese nicht nur am internationalen Frauentag, sondern             ­selbs­t­bestimmt leben.“

                                       Sabine Oberhauser: ein Vorbild für viele!
                                       Am 23. Februar verlor die Frauen- und Gesundheitsministerin den Kampf gegen ihr Krebsleiden.

                                       Ihr Umgang mit der schweren Erkrankung           ihren politischen MitstreiterInnen quer durch      nach dem Tod von Nationalratspräsidentin
                                       war beispiellos. So offen, wie sie über ihre     alle Parteien geschätzt.                           Mag.a Barbara Prammer im Sommer 2014 auf.
                                       ­Diagnose und den Verlauf ihres Krebsleidens
                                       kommunizierte, war und bleibt Dr.in Sabine       In die Spitzenpolitik verschlug es die am          Die Frauenagenden in der Regierung über-
                                       ­Oberhauser für viele ein Mut machendes          30. August 1963 geborene Wienerin dabei            nahm Sabine Oberhauser, die seit 2004 auch
                                       ­Vorbild. Selbstbewusst verzichtete sie nach     eher spät. Erst ihr Engagement in der Ge-          im Vorstand der Wiener Frauenhäuser war,
                                            der Chemotherapie auf eine Perücke und      werkschaft ließ die Fachärztin für Kinder-         erst vergangenes Jahr unter dem neuen
                                        ­präsentierte sich mit Glatze. Sie habe schon   und Jugendheilkunde ihren angestammten             Kanzler Mag. Christian Kern. Noch Anfang
                                            viele Frisuren gehabt, nun eben                    Beruf gegen ein Mandat eintauschen.         ­Februar dieses Jahres forderte sie zusätzli-
© BMGF/Thomas Jantzen, jeff mangione

                                         ­wieder eine andere, meinte                                2006 zog Sabine Oberhauser für          che ­Maßnahmen, um den Anteil der Frauen im
                                            sie dazu mit dem für sie                                  die SPÖ in den Nationalrat ein        Parlament zu heben. Kurz darauf musste sie
                                          ­typischen Humor. Und via                                      und erwarb sich als Gesund-        wegen einer Bauchfellentzündung wieder ins
                                            Facebook informierte                                          heits- und Sozialsprecherin       Krankenhaus. Trotz ihrer schweren Erkran-
                                            sie nebst ihrer tägli-                                          rasch den Ruf einer harten,    kung war Sabine Oberhauser so lange wie
                                            chen Wetterberichte                                              aber fairen und lösungsori-    möglich bemüht, ihren politischen Aufgaben
                                            laufend über ihren                                               entierten Verhandlerin. Ab     nachzukommen. Erst am 15. Februar wurde
                                           ­Gesundheitszustand.                                              2013 war Oberhauser Vor-       Sozialminister Alois Stöger beauftragt, sie
                                           Ihre offene, aber auch                                            sitzende der ÖGB-Frauen.       ­vorübergehend zu vertreten.
                                            offensive Art und ihre                                         Zur Ministerin stieg sie im       Sabine Oberhauser verstarb am 23. Februar
                                            Freundlichkeit waren bei                                      Zuge der Personalrochaden          im Alter von 53 Jahren.

                                                                                                                                                                          2_2017 if..faktum 13
kurzinfos

 Geschlechtersensible
 Pädagogik                             Talent zum perfekten Beruf
 Kinder erleben von klein auf, was     Beim Girls’ Day Ende April hieß es für 559 Schülerinnen:
 als „typisch Frau“ oder „typisch      schrauben, schweißen, sägen und vieles mehr.
 Mann“ erachtet wird – Rollenkli-      59 Unternehmen öffneten ihre Pforten, um Mädchen
 schees werden in ihren Köpfen
 und in ihrem Verhalten verankert.
                                       Einblicke in männertypische Berufe zu gewähren.
 „Es kann daher nicht früh genug
 damit begonnen werden, diese
 Rollenklischees gar nicht erst
                                                  D      er jährliche Aktionstag soll ­Mädchen für technische Berufe
                                                         ­begeistern. Auch dieses Jahr stellt die I­ nitiative unter Beweis, dass es
                                                  viele ­Tiroler Schülerinnen gibt, die sich für Berufe abseits der gängigen
 ­entstehen zu lassen oder sie auf-
                                                  Rollen­klischees interessieren“, betont Frauenlandesrätin Christine Baur.
  zubrechen“, ist Frauenlandesrätin
                                                  Es gehe d ­ arum, Rollenbilder aufzulösen und alternative Wege zu öffnen.
  Dr.in Christine Baur überzeugt.
  Aus diesem Grund wurde vom
                                                  Arbeitslandesrat Johannes Tratter sieht im jährlich stattfindenden Girls’
  Land Tirol, Bereich Frauen und
                                                  Day eine praxisnahe Gelegenheit dafür, N­ eues auszuprobieren, persön­
  Gleichstellung, eine Broschüre zur
                                                  liche Erfahrungen zu sammeln und Einblicke in vielleicht noch weniger
  ­ eschlechtersensiblen Pädagogik
  g
                                                  bekannte Berufsfelder zu nehmen: „Der Girls’ Day trägt dazu bei, Mäd-
  herausgegeben, die als Grund­
                                                                                 chen die große Bandbreite beruflicher
   lage für die Aus- und Weiter­
                                                                                 Möglichkeiten und Ausbildungswege in
   bildung von Elementarpäda­
                                                                                 Tirol vorzustellen.“ Ziel sei es, später eine
   gogInnen dient.
                                                                                 Berufswahl treffen zu können, die sich
                                                                                 mehr an den eigenen Fähigkeiten und
 Erhältlich ist die Broschüre in der
                                                                                ­Interessen orientiert als an überlieferten
 Abt. Gesellschaft und Arbeit/
                                                                                 Rollenvorstellungen.
 Bereich Frauen und Gleichstellung,
 www.tirol.gv.at/frauen,
                                                                                    Insgesamt 34 Tiroler Schulen, davon
 E-Mail: ga.frauen@tirol.gv.at,
                                                                                    29 Neue Mittelschulen, vier allgemeinbil-
 Tel.: 0512/508-3581.
                                         Zu Besuch bei den ÖBB am Girls’ Day        dende höhere Schulen und eine Sonder-
                                                 (v. l.): LR Johannes Tratter mit
                                       Patrizia Walch, Lehrling Metalltechnik –     schule, nutzten die Gelegenheit, ihren
                                             ­Maschinenbautechnik, und Sarah        Schülerinnen alternative Berufswege auf-
 Berufe-Memo für                        ­Zieglauer, Lehrling Elektronik – Ange-
                                                                                    zuzeigen. „Nicht das Geschlecht soll ihre
 beide Geschlechter                    wandte Elektronik, sowie Markus Heim,
                                                Leiter der ÖBB-Lehrwerkstätte.      Berufswahl bestimmen, sondern das Ta-
                                                                                    lent und das Interesse. Mädchen sollen die
 Fliegt die Pilotin mit dem Kinder-                                                 Möglichkeit haben, ihr Potenzial voll auszu-
 gärtner zum Mond, wo sie von der                                                   schöpfen“, unterstreicht Landesrätin Baur.
 Astronautin zum Rundgang einge-
 laden werden? Oder kümmert sich                                                  Ganz besonders freut es Tirols Frauen­
 die Mechanikerin um das Auto des                                                landesrätin, dass ein Viertel der teilneh-
 Elementarpädagogen, früher Kin-                                                  menden Unternehmen und Institutionen
 dergärtners? Das Berufe-Memo                                                     des letzten Jahres berichtete, aufgrund
 des Bereichs Frauen und Gleich-                                                 ­einer früheren Teilnahme am Girls’ Day
 stellung wurde für Familien und                                                  konkrete Bewerbungen um Praktikums-
 Kindergärten entwickelt und kann
                                             Narges (l.) und Julia sprachen an oder Ausbildungsplätze erhalten zu haben.
 helfen, traditionelles Rollendenken          ihrem Girls’-Day bei den IKB mit Im Detail wurden Bewerbungen in den
                                                                                                                                       © Land Tirol/Ausbilderforum, Land Tirol/Ibele

 auf spielerische Art aufzulösen.              LRin Christine Baur (Mitte) über
                                                    ihre Zukunftsperspektiven.
                                                                                  Bereichen Grafik, Chemie, Innenarchitek-
                                                                                  tur und im Bereich Bildhauerin erwähnt.
 Erhältlich ist das Berufe-Memo in                Ein Mädchen ist bereits in der Lehre.
 der Abt. Gesellschaft und Arbeit/
 Bereich Frauen und Gleichstellung,               Der heuer zum 16. Mal in Tirol stattfindende Girls’ Day ist eine
 www.tirol.gv.at/frauen,                          ­ eranstaltung der Tiroler Arbeitsmarktförderungsgesellschaft mbh
                                                  V
 E-Mail: ga.frauen@tirol.gv.at,                   (amg-tirol) in Zusammenarbeit mit dem Landesschulrat und wird
 Tel.: 0512/508-3581.                             vom Land Tirol gefördert. 

14 if..faktum 2_2017
„Gleicher Lohn für gleiche Leistung“
                      Im Auftrag des Tiroler Landtags organisierte der Bereich
                      Frauen und ­Gleichstellung im Mai eine Enquete zum Thema
                      Einkommensgerechtigkeit. ExpertInnen waren geladen,
                      um die immer noch klaffende Lohnschere ­zwischen Frauen
                      und Männern zu diskutieren und Lösungen zu finden.

                      W        ir müssen uns fragen: Wie bewer-
                               ten wir Leistung? Wie verteilen
                      wir Vermögen? Wie wird unbezahlte
                                                                    schen P­ositionen zuungunsten von Frau-
                                                                    en. Hinzu kämen diskriminierende Be-
                                                                    wertungs- und Entlohnungssysteme.
                                                                                                                 Frauenlandesrätin
                                                                                                                   Christine Baur lud
                                                                                                                        ExpertInnen zur
                                                                                                                           Landtags­enquete
                      ­Arbeit aufgeteilt“, gab Frauenlandesrätin    Für Mag.a Katharina Raffl, Regional­                            „Gleicher Lohn für
                                                                                                                                          gleiche Arbeit“.
                      Dr.in Christine Baur in ihrem Eingangs-       anwältin für die Gleichbehandlung von
                       statement zu bedenken. Laut jüngsten         Frauen und Männern in der Arbeitswelt
                       Zahlen beträgt der Gender Pay Gap, die       für ­Tirol, Salzburg und Vorarlberg, sind        technologischen Berufen und der man-
                       Differenz zwischen dem durchschnitt­         intransparente Entgeltsysteme besonders          gelnden Vereinbarkeit von Beruf und Fa-
                       lichen Bruttostundenlohn von Frauen          anfällig für Diskriminierung: „Je intrans-       milie. Dies führe zu unterbrochenen Er-
                       und Männern, in Tirol 20,9 Prozent.          parenter ein Entgeltsystem ist, umso eher        werbsbiografien und einem hohen Anteil
                       Der Bruttostundenlohn von Frauen be-         werden ArbeitgeberInnen nachweisen               an Teilzeitbeschäftigung.
                       trägt 13,4 Euro, wohingegen Männer           müssen, dass es objektivierbaren, nicht-         Fazit des Gespräch mit ÖGB-Frauenvor-
                       16,9 Euro verdienen. Damit weist Tirol       diskriminierenden Kriterien unterliegt“,         sitzender Silvia Nagele, der stellvertreten-
                       einen etwas geringeren Gender Pay Gap        hebt Raffl hervor.                               den AMS-Geschäftsführerin Mag.a Sabine
                       als Gesamtösterreich (22,2 Prozent) auf.                                                    Platzer-Werlberger, Edeltraud Ranftl und
                                                                    Arbeitszeit und Berufswahl                     AK-Vizepräsidentin Verena Steinlechner-
                       Entgelt wird bewertet                        Mag. Armin Erger von der wirtschafts­          Graziadei: Lohntransparenz, die Verein-
                       Die Bewertung von Arbeit im gleich­          politischen Abteilung der Arbeiterkam-         barkeit von Beruf und Familie, die gleiche
                       stellungspolitischen Kontext hob             mer sieht einen der Hauptgründe der            Verteilung von bezahlter und unbezahlter
                       Mag.a Dr.in Edeltraud Ranftl vom Institut    Lohnschere zwischen Frauen und Män-            Arbeit, aber vor allem die Bildung sind
                       für Soziologie der Johannes Kepler Uni-      nern einerseits im Arbeitszeitausmaß und       wichtige Faktoren, um die Einkommens-
                       versität Linz hervor: „Dass die Bewertung    andererseits in der Konzentration von          unterschiede zu verringern.
                       von Arbeit so unterschiedlich ist, liegt     Frauen in bestimmten Berufsfeldern mit         „Die Forderung nach gleichem Lohn für
                      ­einerseits in der historischen Unterbewer-   eher geringerem Einkommensniveau.              gleichwertige Leistung ist und bleibt
                       tung von Frauenarbeit.“ Aber auch ande-      Mag. Stefan Garbislander von der Wirt-         ­weiterhin eine wichtige politische
                       re Faktoren zeigt Ranftl auf: ungleiche      schaftskammer ortet die Hauptgründe             ­Forderung“, resümiert Landesrätin
                       Verteilung der privaten Versorgungsarbeit    für die Einkommensnachteile der Frauen         Baur. Die Perspektiven der ExpertInnen
                       sowie Teilzeitarbeit oder die Segregation    im hohen Anteil an Dienstleistungsbe­          am Ende der Enquete sind nachzulesen
                       von B­ erufen, Branchen und hierarchi-       rufen bei gleichzeitig geringem Anteil an      unter: www.tirol.gv.at/frauen.

                      Maschine tuckert, aber läuft noch nicht
                      Mehr Männer in den Kindergarten. Diese Forderung ist                    In diesem Buch werden auf Basis eines an der Universität
                       nicht neu, aber jetzt in einem Buch untersucht w
                                                                      ­ orden.                Innsbruck durchgeführten FWF-Forschungsprojektes
                      Bernhard Kochs und Josef Aigners aktuelles Werk trägt                   Rahmenbedingungen auf dem Weg zum gemischtge-
                      den Titel „Männerförderung im Kindergarten: Die                         schlechtlichen Personal in Kindergärten dargestellt.
                      ­Maschine tuckert, aber sie läuft noch nicht“.                          Die Studienergebnisse zeigen starke Beharrungs­
                      Der Männeranteil in Österreichs Kinderbetreuungsein-                    tendenzen sowohl im System der Kinderbetreuung
                      richtungen liegt bei unter zwei Prozent, in den                         als auch im System der Gleichstellungspolitik.
                      ­Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik bei etwa                   Klare Empfehlungen für Maßnahmen zur Erhöhung des
                       vier Prozent. Die Erhöhung des Männeranteils in der Ele-               Männeranteils in Kindergärten runden den
                       mentarpädagogik wird von Eltern, Kinder­gartenpersonal,                Beitrag ab.
                       von der Erziehungs- und Bildungswissenschaft und auch
© Iris Reichkendler

                       von der Politik generell als wünschenswert erachtet.                   Erschienen ist das Buch bei der innsbruck university
                       Nicht nur aus Gründen der Geschlechtergleichstellung,                  press, es ist bestellbar oder downloadbar unter:
                       sondern weil Kinder Frauen UND Männer brauchen.                        www.uibk.ac.at/iup/buecher/9783903122581.html.

                                                                                                                                                  2_2017 if..faktum 15
menschen
zum thema
rollenbilder

                                                       Silvia Nagele, Frauenvorsitzende ÖGB Tirol
                                                         Wenn es um das Rollenverständnis geht, kennen Kinder erst dann diskriminierende
                                                          Unterschiede, wenn sie in öffentlichen Einrichtungen aufeinandertreffen.
                                                           Hier wartet noch viel Arbeit an althergebrachten Rollenbildern. Dort erfahren
                                                           sie immer noch zu oft, dass Mädchen weniger Wert sind. Für die Gestaltung
                                                           der Zukunft der Arbeit wird es wesentlich sein, dass Mädchen in Männerberufe
                                                          einsteigen und Buben in typische Frauenberufe. Dann können Rollenstereotype
                                                        nachhaltig aufbrechen.

                                                       Univ.-Prof. Josef Christian Aigner
                                                        Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung (PsyKo)
                                                         Frauen sollten sich weder althergebrachten „traditionellen“ noch „modernen“
                                                           ­Vorschreibungen unterwerfen, wie sie zu sein hätten, um „in Ordnung“ zu sein.
                                                            Ich sehe heute viele solche Normierungsversuche, auch von sogenannter
                                                          ­fortschrittlicher Seite, während meines Erachtens die je persönliche Entwicklung
                                                         entlang von bedeutsamen Beziehungen zu zu anderen Frauen und Männern –
                                                       angefangen zu Mutter und Vater – das Wichtigste ist.

                                                        Valentina Mitterdorfer (Foto) und Valentina Chesi, Maturantinnen Ferrarischule,
                                                         Schwerpunkt Mediendesign, Diplomarbeit „Rolle der Frau in der Werbung“
                                                           Uns ist bei der Rolle der Frau wichtig, dass die Frau sein und sich verhalten
                                                           kann, wie sie möchte, und dennoch von der Gesellschaft akzeptiert wird.
                                                           Also auch wenn die Frau nicht in das vorgegebene Ideal passt, soll sie
                                                         ­akzeptiert werden und dieselben Chancen und Möglichkeiten haben
                                                        wie Frauen, die in dieses Ideal passen.
          © ÖGB Tirol/Sachers, Aigner, Mitterndorfer

                                                                                                                Bar freigemacht/Postage paid
                                                                                                            6020 Innsbruck · Österreich/Austria
if..faktum 2_2017                                                                                                              GZ 02Z030009
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