Freiwilliges Engagement in Deutschland - Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019) - BMFSFJ
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Freiwilliges Engagement in Deutschland Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019)
Freiwilliges Engagement in Deutschland Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019) Julia Simonson, Nadiya Kelle, Corinna Kausmann, Nora Karnick, Céline Arriagada, Christine Hagen, Nicole Hameister, Oliver Huxhold & Clemens Tesch-Römer
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Inhalt Kernaussagen 4 1 Einleitung 6 2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich 9 3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement 15 4 Gesellschaftliche Bereiche des freiwilligen Engagements 21 5 Freiwilliges Engagement für Geflüchtete 26 6 Zeitlicher Umfang der freiwilligen Tätigkeit 29 7 Leitungs- und Vorstandsfunktionen in der freiwilligen Tätigkeit 32 8 Nutzung des Internets für die freiwillige Tätigkeit 35 9 Fazit und Ausblick 39 Literatur 43 Methodenanhang 46 3
Kernaussagen Im Jahr 2019 engagieren sich 28,8 Millionen Frauen und Männer unterscheiden sich 2019 Menschen freiwillig – das sind 39,7 Prozent zum ersten Mal seit 1999 nicht hinsichtlich der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland. der Engagementquote. Während sich in der Zwischen 2014 und 2019 ist die Engagementquote Vergangenheit seit 1999 stets Männer zu größeren stabil geblieben. Anteilen freiwillig engagierten, ist im Jahr 2019 erstmals kein statistisch signifikanter Geschlech Der Anteil freiwillig engagierter Menschen ist in terunterschied in der Engagementquote festzu- den letzten zwanzig Jahren gestiegen. Im Jahr stellen (Frauen: 39,2 Prozent; Männer: 40,2 Pro- 2019 üben 39,7 Prozent der Personen ab 14 Jahren zent). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die in Deutschland eine freiwillige Tätigkeit aus. Im Anteile freiwillig engagierter Frauen stärker Jahr 1999 waren es 30,9 Prozent. Im Zeitverlauf gestiegen sind als die Anteile freiwillig engagierter sieht man in den Jahren 1999, 2004 und 2009 Männer. Zudem ist der Anteil an engagierten ähnlich hohe Quoten (30,9, 32,7 und 31,9 Prozent) Männern zwischen 2014 und 2019 etwas zurück- sowie zwei ähnlich hohe Quoten in den Jahren gegangen. 2014 und 2019 (40,0 und 39,7 Prozent). Die Anteile freiwillig Engagierter haben seit Erstmals werden die Ergebnisse für alle Er 1999 in allen Altersgruppen zugenommen. Das hebungswellen des Freiwilligensurveys nach Ausmaß des Anstiegs unterscheidet sich jedoch Bildung gewichtet dargestellt. Dies ist notwendig, zwischen den Altersgruppen. Besonders ausge- da Menschen mit höherer Bildung in Befragungs- prägt ist der Anstieg bei den 65-Jährigen und studien häufig stärker vertreten sind, als es ihrem Älteren, in dieser Altersgruppe ist die Engage- Anteil an der Bevölkerung entspricht, und sie mentquote von 18,0 Prozent im Jahr 1999 auf gleichzeitig zu größeren Anteilen freiwillig 31,2 Prozent 2019 gestiegen. Der höchste Anteil engagiert sind als Menschen mit niedriger oder Engagierter ist 2019 bei den 30- bis 49-Jährigen mittlerer Bildung. Die nun durchgängig nach mit 44,7 Prozent zu finden, bei den 14- bis 29-Jäh- Bildung gewichteten Ergebnisse repräsentieren rigen liegt der Anteil bei 42,0 Prozent und bei den die Verhältnisse in der Bevölkerung angemessener 50- bis 64-Jährigen bei 40,6 Prozent. als bisher. Die Engagementquoten fallen für alle Erhebungswellen nach der jetzigen Gewichtung Die Unterschiede in der Engagementbeteiligung um drei bis vier Prozentpunkte geringer aus als zwischen den Bildungsgruppen haben zwischen die bislang ohne diese Gewichtung berechneten 1999 und 2019 zugenommen. Dies ist darauf Quoten. Bei der Betrachtung der Engagement zurückzuführen, dass der Anstieg der Engage- quoten über die Zeit ändert sich somit das Niveau, mentquote bei Personen, die noch zur Schule der Trend des Anstiegs der Engagementquote über gehen, sowie bei Personen mit hoher Schulbil- die letzten zwanzig Jahre bleibt jedoch im Wesent- dung deutlich stärker ausgefallen ist als bei lichen bestehen. Personen mit mittlerer Bildung. Bei Personen 4
Kernaussagen mit niedriger Bildung unterscheiden sich hin- investieren, um 5,9 Prozentpunkte. In der gleichen gegen die Engagementquoten von 1999 und 2019 Zeitspanne stieg der Anteil derer, die mit bis zu nicht statistisch signifikant. 2019 engagieren sich zwei Wochenstunden deutlich weniger Zeit in ihre Personen mit hoher Schulbildung zu 51,1 Prozent, freiwillige Tätigkeit investieren (1999: 50,8 Pro- mit mittlerer Bildung zu 37,4 Prozent, mit niedri- zent, 2019: 60,0 Prozent). gem Bildungsstand zu 26,3 Prozent. Jede vierte freiwillig engagierte Person hat 2019 Die Beteiligung im Engagement von Menschen eine Leitungs- oder Vorstandsfunktion in ihrer mit Migrationshintergrund hat sich zwischen freiwilligen Tätigkeit. Engagierte übernehmen 2014 und 2019 nicht verändert. Sowohl 2014 als im Zeitvergleich anteilig immer seltener leitende auch 2019 engagieren sich Personen mit Migra- Tätigkeiten. 1999 hatten 36,8 Prozent der freiwillig tionshintergrund zu geringeren Anteilen als Engagierten eine Leitungs- oder Vorstandsfunk- Personen ohne Migrationshintergrund. Während tion inne, 2019 sind es hingegen 26,3 Prozent. sich 2019 Personen ohne Migrationshintergrund zu 44,4 Prozent freiwillig engagieren, engagieren Ein großer Teil der Engagierten nutzt 2019 das sich Personen mit Migrationshintergrund zu Internet im Rahmen der freiwilligen Tätigkeit. 27,0 Prozent. In der Gruppe der Menschen mit 57,0 Prozent der freiwillig engagierten Personen Migrationshintergrund engagieren sich Personen geben im Jahr 2019 an, das Internet für die freiwil- ohne eigene Zuwanderungserfahrung anteilig lige Tätigkeit zu nutzen. Seit 2009 ist dieser Anteil häufiger freiwillig als Personen mit eigener Zu- stabil geblieben. Bei der ersten Erfassung der wanderungserfahrung. Der Anteil an Engagierten Internetnutzung für die freiwillige Tätigkeit im bei Menschen mit Migrationshintergrund, die Jahr 2004 waren es 39,2 Prozent der Engagierten. in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, liegt im Jahr 2019 bei 38,7 Prozent. Die Engagementquoten in Ost- und West deutschland haben sich seit 1999 sukzessive angenähert. 2019 ist die Engagementquote in Ostdeutschland (inklusive Berlin) mit 37,0 Pro- zent nur noch 3,4 Prozentpunkte geringer als in Westdeutschland mit 40,4 Prozent. Im Jahr 1999 betrug diese Differenz noch 7,9 Prozentpunkte. Acht Prozent der freiwillig Engagierten geben 2019 an, sich für Geflüchtete oder Asylsuchende zu engagieren. Für diese Zielgruppe der freiwilli- gen Tätigkeit setzen sich mit 8,9 Prozent anteilig mehr Frauen als Männer (7,2 Prozent) ein. Perso- nen aus verschiedenen Altersgruppen engagieren sich gleichermaßen für Geflüchtete und Asylsu- chende – zwischen den Altersgruppen finden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Im Jahr 2019 wenden etwa siebzehn Prozent der Engagierten mit sechs und mehr Stunden viel Zeit für ihre freiwillige Tätigkeit auf. Dabei zeigt sich seit 1999 ein fortlaufender Trend zu einer weniger zeitintensiven Ausübung der freiwilligen Tätigkeit: Zwischen 1999 und 2019 sank der Anteil der Engagierten, die mit sechs und mehr Wochen- stunden viel Zeit in ihre freiwillige Tätigkeit 5
1 Einleitung Freiwilliges Engagement ist eine wichtige Säule Definition freiwilligen Engagements der Gesellschaft. Die Gesellschaft verändert sich und damit verändert sich auch die Gestalt des Als freiwilliges Engagement werden im Freiwilli- freiwilligen Engagements. In den letzten Jahr- gensurvey Tätigkeiten erfasst, die freiwillig und zehnten haben sich neue Formen, Schwerpunkte gemeinschaftsbezogen ausgeübt werden, im und Ausgestaltungsmöglichkeiten herausgebildet, öffentlichen Raum stattfinden und nicht auf die heute das freiwillige Engagement maßgeblich materiellen Gewinn ausgerichtet sind. Damit bestimmen. deckt sich die im Freiwilligensurvey verwendete Definition freiwilligen Engagements weitgehend Im öffentlichen Diskurs wird die hohe gesell- mit der von der Enquete-Kommission „Zukunft schaftspolitische Bedeutung freiwilligen Engage- des Bürgerschaftlichen Engagements“ im Jahr ments hervorgehoben. Freiwilliges Engagement 2002 entwickelten Begriffsbestimmung bürger- kann zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitra- schaftlichen Engagements (Deutscher Bundestag gen und ist unverzichtbar für eine gelingende und 2002). lebendige Demokratie (Roth 2010; Verba et alia 1995). Darüber hinaus kann es positive Auswir- Freiwilliges Engagement umfasst eine Vielfalt an kungen für die Zielgruppen des Engagements Aufgaben und Tätigkeiten. Freiwillig Engagierte und für die Engagierten selbst haben. Vor diesem übernehmen ehrenamtliche Positionen in Hintergrund ist es wichtig, in regelmäßigen Gemeinde- oder Stadträten, sie setzen sich in Abständen über die aktuelle Situation des frei Bürgerinitiativen für politische Belange ein, sie willigen Engagements zu berichten. bringen Kindern das Schwimmen bei und bereiten religiöse Veranstaltungen vor, sie organisieren Der Deutsche Freiwilligensurvey (FWS) ist seit Konzerte und löschen Feuer, sie verteilen Essen zwei Jahrzehnten die Basis für die Berichterstat- an Bedürftige und schlichten Streit zwischen tung zum aktuellen Stand und zur Entwicklung Menschen in der Nachbarschaft, sie schützen die des freiwilligen Engagements in Deutschland. Umwelt oder engagieren sich für Geflüchtete. Seit 1999 wird er alle fünf Jahre als telefonische, Die Erfahrungen, die Menschen im Engagement bevölkerungsrepräsentative Studie durchgeführt. sammeln, sind dabei nicht weniger vielfältig als In diesem Kurzbericht werden Befunde der die Aufgaben, die sie übernehmen. Diese Aufgaben fünften Erhebung des Freiwilligensurveys aus sind häufig sehr voraussetzungsvoll, sodass nicht dem Jahr 2019 vorgestellt. Anhand der fünf alle Menschen die gleiche Möglichkeit des Zu- Erhebungswellen wird zudem die Entwicklung gangs zum freiwilligen Engagement haben. Um des freiwilligen Engagements über die letzten Ungleichheiten im Zugang zum Engagement zu zwanzig Jahre nachgezeichnet. untersuchen, müssen daher Unterschiede zwi- 6
1 Einleitung schen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt Konstanz und Weiterentwicklung des werden. Frauen und Männer, Menschen unter- Freiwilligensurveys schiedlichen Alters und unterschiedlicher Bildung haben aufgrund ihrer jeweiligen Lebenssituatio- Bei der Weiterentwicklung des Freiwilligensurveys nen zum Teil sehr unterschiedliche Möglichkeiten ist es wichtig, auf Konstanz zu achten. Zentrale zur Aufnahme freiwilligen Engagements. Merkmale des Freiwilligensurveys sollten mög- lichst unverändert beibehalten werden, um eine Sozialer Wandel und freiwilliges Engagement Vergleichbarkeit der Erhebungswellen 1999, 2004, 2009, 2014 und 2019 gewährleisten zu können. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Zugleich ist es notwendig, den Freiwilligensurvey deren Wandel über die Zeit wirken sich auf das nicht allein inhaltlich, sondern auch methodisch freiwillige Engagement sowie auf dessen Ausge- weiterzuentwickeln, wenn dies aus guten Grün- staltung aus. Zwischen 1999 und 2019 hat es eine den geboten ist. Reihe gesellschaftlicher Entwicklungen gegeben, die als Rahmenbedingungen für die Entfaltung Bereits im Jahr 2014 gab es eine Reihe methodi- des freiwilligen Engagements in Deutschland scher Veränderungen, die dazu dienten, die bedeutsam sind: Veränderungen in Richtung einer Beschreibung freiwilligen Engagements der Gleichstellung von Frauen und Männern, die Bevölkerung zu verbessern. Dazu gehörte eine fortgesetzte Bildungsexpansion, die zunehmende Erweiterung des Stichprobenkonzepts um Digitalisierung in nahezu allen gesellschaftlichen Mobilfunknummern, eine Ausweitung der Bereichen, die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Interviewsprachen sowie die Ergänzung der Frauen oder auch die Veränderungen der Lebens- Engagementabfrage um ein Zeitfenster von phase Alter, wie etwa eine durchschnittlich zwölf Monaten (siehe Methodenanhang). Metho- verbesserte Gesundheit älterer Menschen (Tesch- dische Veränderungen können Auswirkungen auf Römer et alia 2017). Das führt nicht nur zu inhaltliche Befunde haben. Da die im Jahr 2014 Veränderungen der allgemeinen Beteiligung im neu aufgenommenen methodischen Elemente freiwilligen Engagement, sondern auch zu auch im Jahr 2019 Verwendung fanden, lässt sich gewandelten und neuen Formen von Engage- nun abschätzen, inwiefern Trends im freiwilligen ment: Es wird häufiger spontan und außerhalb Engagement nicht allein auf sozialen Wandel, etablierter Strukturen ausgeübt und es werden sondern auch auf methodische Änderungen digitale Instrumente der Kommunikation und zurückgeführt werden können (siehe Abschnitt 2). Information in die Ausübung der freiwilligen Tätigkeit integriert. Darüber hinaus können sich Im Jahr 2019 gibt es eine weitere wichtige metho- Zielgruppen und Zielstellungen des freiwilligen dische Anpassung. Bereits seit 1999 werden die Engagements verändern. Daten des Freiwilligensurveys gewichtet. In den Veröffentlichungen zu den Erhebungen der Jahre Der gesellschaftliche Wandel findet durch neu 1999 bis 2014 wurden bislang die Gewichtungs- aufgenommene Themen Eingang in den Freiwilli- merkmale Geschlecht, Alter, Bundesland sowie gensurvey. Im Jahr 2019 wurden erstmals Fragen Gemeindegrößenklasse herangezogen. Um eine zum Engagement von Geflüchteten und für angemessenere Schätzung der Engagementquote Geflüchtete, zu Formen der Internetnutzung im vornehmen zu können, wird für den Bericht zum Rahmen der freiwilligen Tätigkeit, zu Einstellun- Freiwilligensurvey 2019 zum ersten Mal in allen gen zur Demokratie sowie zu den Zwecken von Auswertungen und für alle Erhebungswellen auch Geldspenden gestellt. Die Aufnahme von neuen nach schulischer Bildung gewichtet. Das hat unter Themen ermöglicht die Abbildung gesellschaft- anderem zur Folge, dass die Engagementquoten licher Entwicklungen und Phänomene mit den aller Erhebungsjahre um drei bis vier Prozent- Daten des Freiwilligensurveys. punkte niedriger ausfallen als bislang berichtet (siehe Abschnitt 2). Bei der Betrachtung der Engagementquoten über die Zeit ändert sich 7
1 Einleitung somit das Niveau, der Trend des Anstiegs der nach Geschlecht und Altersgruppe dargestellt. Im Engagementquote über die letzten zwanzig Jahre Abschnitt 3 „Unterschiede und Ungleichheiten bleibt jedoch im Wesentlichen bestehen. Auch bei im freiwilligen Engagement“ werden die Anteile anderen Ergebnissen können sich Abweichungen der Engagierten außerdem nach Bildung, nach im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen Migrationshintergrund sowie nach regionalen ergeben. Merkmalen (Ost-West, Stadt-Land) dargestellt (für mehr Informationen zu den verwendeten Diffe- Alle Ergebnisse werden auf statistische Signifikanz renzierungsmerkmalen siehe Methodenanhang). getestet (verwendet wird ein Signifikanzniveau von p < 0,05). Die Prüfung auf statistische Signi- Ein noch umfassenderes Bild des freiwilligen fikanz zeigt an, ob ein anhand der Daten des Frei- Engagements mit weiteren Aspekten wird im willigensurveys gefundener Unterschied mit Hauptbericht zum Freiwilligensurvey 2019 großer Wahrscheinlichkeit auch in der Grund gezeichnet, der im Laufe des Jahres 2021 erschei- gesamtheit, also beispielsweise in der Wohnbe nen wird. Neben den vielen gesellschaftlich völkerung Deutschlands, vorhanden ist (statistisch relevanten Geschehnissen, die im Freiwilligen signifikant) oder nur zufällig in den Daten vorliegt survey 2019 berücksichtigt werden, ist es wichtig (statistisch nicht signifikant). Informationen zu zu betonen, dass weder im vorliegenden Kurzbe- den Ergebnissen der Signifikanztestung finden richt noch im Hauptbericht zum Freiwilligen sich in den Texten unter den Abbildungen. survey 2019 Aussagen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das freiwillige Engagement Ausblick auf die Inhalte des Kurzberichts getroffen werden können. Der Fünfte Deutsche Freiwilligensurvey wurde im Jahr 2019 erhoben. Im hier vorliegenden Kurzbericht werden zentrale Die Datenerhebung wurde somit deutlich vor dem Ergebnisse des Freiwilligensurveys vorgestellt. In Beginn der Corona-Pandemie abgeschlossen. Für den ersten vier Abschnitten des Kurzberichts geht die Darstellung von Veränderungen im Engage- es zunächst um freiwilliges Engagement in der ment aufgrund der Corona-Pandemie sind daher Gesellschaft. Beleuchtet werden die Entwicklung weitere, zu einem späteren Zeitpunkt erhobene des Engagements über die letzten zwanzig Jahre Daten notwendig. sowie Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement. Es wird dargestellt, in welchen gesellschaftlichen Bereichen das Enga gement erfolgt. Weiterhin wird der Entwicklung der letzten Jahre in Hinblick auf den Zuzug von geflüchteten Menschen Rechnung getragen, indem der Fokus auf das Engagement für Geflüch- tete gelegt wird. In den nachfolgenden Abschnit- ten werden wichtige Aspekte der Ausgestaltung des freiwilligen Engagements vorgestellt. Betrach- tet wird zum einen die Entwicklung des zeitlichen Umfangs für freiwillige Tätigkeiten und die Ent- wicklung bei der Übernahme von Leitungsposi tionen im freiwilligen Engagement. Zum anderen wird einer der zentralen gesellschaftlichen Trends des 21. Jahrhunderts – die Digitalisierung – berücksichtigt. Betrachtet werden der Verbrei- tungsgrad der Internetnutzung, die Intensität der Nutzung sowie die Formen der Internetnut- zung in der freiwilligen Tätigkeit. Die Befunde werden im Bericht für die gesamte Bevölkerung (im Zeitvergleich oder für das aktuelle Erhebungsjahr 2019) sowie in Anteilen 8
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich In den letzten Jahrzehnten vollzogen sich ver- Vergleich mit der vorherigen Erhebung des schiedene gesellschaftliche Entwicklungen, die Freiwilligensurveys findet sich in den Jahren 2014 auch für die Entwicklung des freiwilligen Engage- und 2019 eine Stabilität der Engagementquote. ments in Deutschland relevant sind, wie beispiels- Die Anteile betragen 40,0 Prozent im Jahr 2014 weise die zunehmende Gleichstellung von Frauen und 39,7 Prozent im Jahr 2019, der Unterschied und Männern oder die fortgesetzte Bildungsex- ist nicht statistisch signifikant (Abbildung 2-1). pansion (Tesch-Römer et alia 2017). Diese Ent- wicklungen verbessern die Einstiegsmöglichkeiten Der Anteil freiwillig engagierter Menschen ist in freiwilliges Engagement und können zu einer in den letzten zwanzig Jahren gestiegen Erhöhung des Anteils freiwillig engagierter Menschen beitragen. Zwischen 1999 und 2019 ist der Anteil freiwillig Engagierter gestiegen. Im Jahr 1999 übten Im Jahr 2019 engagieren sich 39,7 Prozent der 30,9 Prozent der Personen ab 14 Jahren in Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland Deutschland mindestens eine freiwillige Tätigkeit aus (Abbildung 2-1). Im Jahr 2004 lag die Engage- Im Jahr 2019 üben 39,7 Prozent der Personen mentquote bei 32,7 Prozent und im Jahr 2009 bei ab 14 Jahren in Deutschland mindestens eine 31,9 Prozent. Im Jahr 2014 stieg die Engagement- freiwillige Tätigkeit aus. Das entspricht hoch quote und lag bei 40,0 Prozent. 2019 beträgt die gerechnet etwa 28,8 Millionen Menschen. Im Engagementquote 39,7 Prozent. 9
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich Abbildung 2-1: Anteile freiwillig engagierter Personen im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 30,9 32,7 31,9 40,0 39,7 10 0 1999 2004 2009 2014 2019 Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Die Unterschiede sind statistisch signifikant mit Ausnahme der Unterschiede zwischen 1999 und 2009, zwischen 2004 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2019. Auch die absolute Anzahl der freiwillig Engagier- Höhe bislang berichteter Engagementquoten ten ist seit 1999 gestiegen. Im Jahr 2019 engagieren früherer Erhebungswellen aus. Die Anpassung in sich etwa 28,8 Millionen Menschen, ähnlich viele der Gewichtung ist notwendig, da Menschen mit wie im Jahr 2014 (28,4 Millionen).1 Im Jahr 1999 höherer Bildung in Umfragestudien in der Regel waren es noch 21,6 Millionen Menschen, die sich stärker vertreten sind, als es ihrem Anteil an der freiwillig engagierten, im Jahr 2004 waren es Bevölkerung entspricht. Dies gilt auch für den 23,4 Millionen Menschen und im Jahr 2009 Freiwilligensurvey. Zugleich sind Menschen mit waren es 22,8 Millionen Menschen. höherer Bildung anteilig häufiger freiwillig engagiert als Menschen mit niedriger Bildung. Im Folgenden wird beleuchtet, welche metho Ohne Berücksichtigung des Faktors Bildung bei dischen Aspekte neben den gesellschaftlichen der Gewichtung werden die Engagementquoten Veränderungen zur Erklärung des Trends der daher überschätzt. Engagementquote herangezogen werden müssen. Dabei werden die Bildungsgewichtung, die Um ein angemessenes Bild des freiwilligen Prüfung der Angaben zum freiwilligen Engage- Engagements der Bevölkerung zu geben, müssen ment sowie die Anpassung der Engagementab die Daten des Freiwilligensurveys dementspre- frage thematisiert. chend nach Bildung gewichtet werden. Die anteilig stärker vertretenen Personen mit höherer Der neu eingeführte Gewichtungsfaktor Bildung Bildung werden dabei schwächer gewichtet, die beeinflusst die Höhe der Engagementquoten; die anteilig schwächer vertretenen Personen mit Tendenz der Entwicklung des freiwilligen Engage- niedriger Bildung werden dadurch stärker ge- ments bleibt im Wesentlichen bestehen wichtet. Die Engagementquoten mit Berücksich tigung des Gewichtungsfaktors Bildung fallen für Für die Berichte zum Freiwilligensurvey 2019 alle Erhebungswellen geringer aus als die in den werden die Daten des Freiwilligensurveys erstmals bisherigen Berichten dargestellten Quoten (siehe für alle Analysen auch nach Schulbildung gewich- Tabelle 2-1); die Differenz beträgt jeweils drei bis tet. Dieses Vorgehen wirkt sich somit auch auf die vier Prozentpunkte. Die Annahmen über die Höhe 1 Der leichte Anstieg der absoluten Anzahl an Engagierten im Jahr 2019 im Vergleich zu 2014 begründet sich in der Bevölkerungsentwicklung Deutschlands im Vergleich der beiden Jahre: 2014 lag die Anzahl an Personen ab 14 Jahren bei rund 71,1 Millionen, 2019 hingegen bei etwa 72,5 Millionen (Statistisches Bundesamt 2020). 10
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich der Engagementquoten müssen also korrigiert anderen Ergebnissen können sich Abweichun- werden. Bei der Betrachtung der Engagementquo- gen ergeben. Die bildungsgewichteten Quoten ten über die Zeit ändert sich das Niveau, der Trend repräsentieren die Verhältnisse in der Gesamt bleibt jedoch im Wesentlichen bestehen. Auch bei bevölkerung jedoch angemessener als bisher. Tabelle 2-1: Vergleich der Engagementquoten ohne und mit Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors Bildung im Zeitvergleich 1999–2019 FWS 1999 FWS 2004 FWS 2009 FWS 2014 FWS 2019 Engagementquote ohne 34,0 35,7 35,9 43,6 43,6 Berücksichtigung des Gewich- tungsfaktors Bildung Engagementquote mit Berück- 30,9 32,7 31,9 40,0 39,7 sichtigung des Gewichtungs- faktors Bildung Differenz in Prozentpunkten −3,1 −3,0 −4,0 −3,6 −3,9 Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Unterschiedliche Herangehensweisen bei der Engagements, werden die betreffenden Tätigkei- Prüfung der Angaben zum freiwilligen Engagement ten von ‚engagiert‘ zu ‚nicht engagiert‘ recodiert. verdecken vermutlich einen Anstieg der Quote Wenn die befragte Person insgesamt eine freiwilli- zwischen 1999 und 2009 ge Tätigkeit in der Befragung angibt und diese zu ‚nicht engagiert‘ recodiert wird, wird die Person Für den Zeitraum von 1999 bis 2009 weisen die in dementsprechend auch als nicht engagiert Abbildung 2-1 dargestellten Befunde ein Plateau gezählt. Bei Mehrfachnennungen geschieht dies der Engagementquote aus. Allerdings ist aus guten nur, wenn alle genannten Tätigkeiten von ‚enga- Gründen anzunehmen, dass es im ersten Jahr- giert‘ zu ‚nicht engagiert‘ recodiert werden. Für das zehnt des Freiwilligensurveys bereits einen Jahr 2014 hat das Deutsche Zentrum für Altersfra- Anstieg der Engagementquote gab, der aber gen (DZA) einen Kriterienkatalog erstellt und aufgrund methodischer Aspekte nicht erkannt veröffentlicht, um eine transparente Prüfung der wurde. Vermutlich haben wechselnde Herange- offenen Angaben zu gewährleisten (siehe Metho- hensweisen bei der Prüfung von Engagementan- denanhang). Dieser Kriterienkatalog kam auch gaben in den Jahren 1999 bis 2009 dazu geführt, 2019 wieder zum Einsatz. den Anstieg der Engagementquote in diesem Zeitraum zu verdecken (Vogel et alia 2017). Die Anteile der Recodierungen von ‚engagiert‘ zu Personen, die sich in der Befragung selbst als ‚nicht engagiert‘ stiegen in den Jahren 1999 bis freiwillig engagiert einschätzen, machen Angaben 2009 stetig an, ohne dass nachvollziehbar wäre, zu den Tätigkeiten ihres Engagements. In allen auf welche Gründe dieser Anstieg der Recodierun- Erhebungswellen wurden diese Angaben während gen zurückgeht. Dadurch wurde die Engagement- und nach der Befragung geprüft. Widersprechen quote im Verlauf der ersten zehn Jahre des Freiwil- die von der befragten Person angegebenen ligensurveys zunehmend stärker nach unten Informationen der Definition des freiwilligen verändert. Das lässt sich an einem Vergleich 11
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich zwischen den Engagementquoten vor und nach quote hin, während die Anteile nach Prüfung das Prüfung zeigen (siehe Tabelle 2-2). Vor Prüfung bereits erwähnte Plateau der Engagementquote beträgt die jeweilige Engagementquote 32,0 Pro- im ersten Jahrzehnt des Freiwilligensurveys auf- zent (1999), 34,7 Prozent (2004) und 35,6 Prozent zeigen. Vermutlich verdecken also Vorgehenswei- (2009). Nach Prüfung beträgt die jeweilige Engage- sen bei der Prüfung der Angaben zum freiwilligen mentquote 30,9 Prozent (1999), 32,7 Prozent (2004) Engagement einen Anstieg der Engagementquote und 31,9 Prozent (2009). Somit deuten die Anteile in den Jahren 1999 bis 2009. vor Prüfung auf einen Anstieg der Engagement- Tabelle 2-2: Vergleich der Engagementquoten vor und nach Prüfung der Engagementangaben im Zeitvergleich 1999–2019 FWS 1999 FWS 2004 FWS 2009 FWS 2014 FWS 2019 Engagementquote vor 32,0 34,7 35,6 40,8 40,2 Prüfung Engagementquote nach 30,9 32,7 31,9 40,0 39,7 Prüfung Differenz in Prozentpunkten −1,1 −2,0 −3,7 −0,8 −0,5 Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759).0 Die veränderte Erfassung des freiwilligen Engage- geben und dass saisonales Engagement besser ments im Jahr 2014 hat möglicherweise zum Anstieg erfasst wird. Möglicherweise trägt die Abfrage der Engagementquote zwischen 2009 und 2014 mit dem klar definierten Zeitfenster von zwölf beigetragen Monaten auch dazu bei, dass unregelmäßig ausge- übte Tätigkeiten, die ein wichtiger Bestandteil der Hat es in den Jahren von 1999 bis 2009 einen Zivilgesellschaft sind, besser erfasst werden als bei Anstieg der Engagementquote gegeben, dann der Abfrage ohne klare Zeitangabe. Unregelmäßig bedeutet dies auch, dass die Veränderung der ausgeübte Tätigkeiten könnten dagegen unent- Quote zwischen 2009 und 2014 vermutlich nicht deckt bleiben, wenn Befragte bei einer zeitlich so stark ausgeprägt ist, wie es in Abbildung 2-1 unspezifischen Abfrage die Zeitspannen unter- erscheint. Allerdings hat zum Anstieg der Engage- schiedlich einschätzen und eher an ein kleineres mentquote zwischen 2009 und 2014 möglicher- Zeitfenster denken. weise auch die im Jahr 2014 vorgenommene Veränderung bei der Erfassung des Engagements Der Anteil der Menschen, die gemeinschaftlich beigetragen. Im Freiwilligensurvey 2014 wurden und öffentlich aktiv sind, ist auf hohem Niveau die Fragen zu Aktivitäten und Engagement erst- zwischen 1999 und 2019 leicht angestiegen mals unter Verwendung eines klar definierten Zeitfensters („in den letzten zwölf Monaten“) Auch unterhalb der Schwelle freiwilligen Enga gestellt. In den ersten drei Erhebungswellen gab gements kann man sich gesellschaftlich beteiligen es keinen konkret vorgegebenen Zeitrahmen und gemeinschaftlich und öffentlich aktiv sein, („derzeit“). beispielsweise durch die Teilnahme an Sportver- anstaltungen oder Freizeitaktivitäten im Verein. Die Ergänzung eines klar definierten Zeitfensters Die gemeinschaftlichen Aktivitäten können wie- sollte dazu beitragen, dass die Befragten über derum Anschlussmöglichkeiten zum freiwilligen den gleichen zeitlichen Bezugsrahmen Auskunft Engagement bieten. Deshalb wird im Freiwilligen- 12
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich survey im Vorfeld der Abfrage zum freiwilligen dieser Entwicklung ein anderes Muster als im Engagement die Frage nach den gemeinschaftli- freiwilligen Engagement: Der Anteil an öffentlich chen Aktivitäten gestellt (siehe Methodenanhang). gemeinschaftlich Aktiven lag im Jahr 1999 bei Der Anteil der öffentlich gemeinschaftlich aktiven 62,9 Prozent und ist im Jahr 2004 um mehr als Personen – also Personen, die in mindestens vier Prozentpunkte gestiegen. Auch in den einem von vierzehn im Freiwilligensurvey Folgeerhebungsjahren 2009 und 2014 blieb der berücksichtigten Bereichen aktiv sind – hat sich Anteil Aktiver bei etwa 67 Prozent. Im Jahr 2019 im Zeitraum seit 1999 ebenfalls erhöht, und zwar ist dieser Anteil auf 66,0 Prozent leicht, aber von 62,9 Prozent im Jahr 1999 auf 66,0 Prozent im statistisch signifikant gesunken. Jahr 2019 (Abbildung 2-2). Allerdings zeigt sich bei Abbildung 2-2: Anteile öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 80 70 60 50 Prozent 40 62,9 67,1 67,3 67,3 66,0 30 20 10 0 1999 2004 2009 2014 2019 Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Die Unterschiede zwischen 1999 und den drei Folgejahren (2004, 2009 und 2014) sind statistisch signifikant. Auch der Unterschied zwischen 2014 und 2019 ist statistisch signifikant. Alle restlichen Unterschiede sind nicht statistisch signifikant. Fazit Vereinen sowie die stärkere Thematisierung freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements in Freiwilliges Engagement hat einen hohen Stellen- der Öffentlichkeit, sprechen für einen tatsächli- wert in der Gesellschaft Deutschlands. Der Frei- chen Anstieg des freiwilligen Engagements seit willigensurvey 2019 zeigt, dass 39,7 Prozent der 1999 (Tesch-Römer et alia 2017). Steigende Wohnbevölkerung ab 14 Jahren ein freiwilliges Zeitrestriktionen durch zunehmende Verpflich- Engagement ausüben. Der Anteil freiwillig enga- tungen im Erwerbsleben und eine abnehmende gierter Menschen ist über die letzten zwei Jahr- Grenze zwischen Erwerbstätigkeit und Privatleben zehnte hinweg gestiegen. können zu der seit 2014 zu beobachtenden Stabilisierung des Anteils freiwillig engagierter Zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen, die Menschen in Deutschland beigetragen haben im Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte stattge- (Eurofound & International Labour Office 2017). funden haben, etwa die stärkere Erwerbsbeteili- gung von Frauen, die fortgeführte Bildungsex Für einen Anstieg in den letzten zwanzig Jahren pansion, die veränderte Lebenssituation älterer mit einer Stabilisierung auf hohem Niveau seit Menschen mit einer verbesserten gesundheit 2014 spricht auch, dass nicht nur der Freiwilligen- lichen Situation, die gestiegene Anzahl von survey, sondern auch andere Umfragestudien wie 13
2 Freiwilliges Engagement im Zeitvergleich der Deutsche Alterssurvey (DEAS, eigene Berech- Kriterienkatalog erstellt und veröffentlicht, an- nungen) oder das Sozio-oekonomische Panel hand dessen die Entscheidungen, ob ein Fall als (SOEP; Burkhardt & Schupp 2019) für den gesam- ‚freiwillig engagiert‘ gezählt wird, nachvollziehbar ten Zeitraum Zuwächse in der Engagementbeteili- und transparent gemacht wurden. Weiterhin trug gung nachzeichnen, für den Zeitraum zwischen die im Jahr 2014 vorgenommene Ergänzung eines 2014 und 2019 jedoch keine wesentliche Verände- Zwölf-Monats-Fensters bei der Engagementerfas- rung der Engagementbeteiligung mehr feststellen. sung dem Umstand Rechnung, dass es saisonal Auch die Zahl der Vereine, in denen ein großer Teil und kurzfristig ausgeübte Formen des Engage- des freiwilligen Engagements stattfindet, ist nach ments gibt. Diese werden bei Abfragen, die mit 2014 nicht mehr so stark gestiegen wie zuvor dem Begriff „derzeit“ einen unklaren, in der (Priemer et alia 2019). Wahrnehmung der Befragten aber vermutlich schmalen Zeitrahmen vorgeben, weniger gut Wenngleich es vor dem Hintergrund vielfältiger erfasst. Aber auch hier gilt: Diese methodische gesellschaftlicher Veränderungen durchaus Entscheidung, die inhaltlich sehr gut vertretbar plausibel ist, von einem Anstieg der Engagement- ist, kann sich auf die Schätzung der Engagement- beteiligung zwischen 1999 und 2019 auszugehen, quote auswirken. ist in Anbetracht der zu beobachtenden zwei Plateaus der Engagementquote (erstes Plateau Für die Engagementpolitik sind sowohl die in den Jahren 1999, 2004 und 2009, zweites Plateau langfristigen Veränderungen als auch der Status in den Jahren 2014 und 2019) kritisch zu fragen, quo des freiwilligen Engagements von Bedeutung. inwieweit es sich um einen echten Anstieg han- Bei der Förderung des freiwilligen Engagements delt, der reale gesellschaftliche Veränderungen ist zudem Wissen über Unterschiede und Un- widerspiegelt, und inwieweit der Anstieg in gleichheiten im Zugang zum freiwilligen Engage- methodischen Änderungen im Design und ment unverzichtbar – Thema des nun folgenden Vorgehen des Freiwilligensurveys begründet ist. Abschnitts. Methodisch unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Prüfung der Angaben zum freiwilligen Engagement in den Jahren 1999 bis 2009 könnten einen Anstieg der Engagementquote in diesem Zeitraum verdeckt haben. Zudem ist es möglich, dass die Veränderung der Engagementabfrage im Jahr 2014 zum Anstieg der Engagementquote zwischen 2009 und 2014 beigetragen hat. Die Gewichtung der Daten unter Berücksichtigung des Faktors Bildung hat zu niedrigeren Engage- mentquoten und Hochrechnungen als bisher berichtet geführt, wobei der beobachtete Trend der Engagementbeteiligung im Wesentlichen unverändert bleibt. Diese methodischen Erwägungen machen deutlich: Freiwilliges Engagement ist kein ‚natür- liches Phänomen‘, das mit einfachen Verfahren gezählt werden kann. Bei der Bestimmung des Anteils (und der Zahl) freiwillig engagierter Men- schen muss zunächst definiert werden, worin freiwilliges Engagement besteht. Mit der Defini- tion, die die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ vorgelegt hat (Deutscher Bundestag 2002), gibt es eine aner kannte Bestimmung des Konzepts. Im Jahr 2014 wurde, in Anlehnung an diese Definition, ein 14
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Gelegenheitsstrukturen und Rahmenbedingungen 40,2 Prozent der Männer sind freiwillig engagiert. für freiwilliges Engagement ändern sich und Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Anteil unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel und freiwillig engagierter Frauen seit 1999 stärker dem Wandel der Zivilgesellschaft. Ob man sich gestiegen ist als der Anteil freiwillig engagierter freiwillig engagiert oder nicht, hängt darüber Männer (Abbildung 3-1). Bei den Männern ist hinaus von unterschiedlichen individuellen der Anteil freiwillig Engagierter seit 2014 etwas Faktoren ab. So ist die Übernahme einer freiwilli- zurückgegangen, möglicherweise weil sich Männer gen Tätigkeit an individuelle Voraussetzungen im Zeitvergleich zunehmend stärker auch an in- geknüpft: Eine Person muss einen Zugang zum nerfamiliären Sorgetätigkeiten beteiligen (Scho- freiwilligen Engagement bekommen, das heißt, sie ber & Zoch 2019; Tamm 2019), möglicherweise aber muss entsprechend gesellschaftlich eingebunden auch aufgrund struktureller Veränderungen der und vernetzt sein. Sie muss genügend freie Zeit Zivilgesellschaft in Richtung eher informell orga- zur Verfügung haben; sie muss die (zusätzlichen) nisierter Engagementformen, die zu größeren Anforderungen und Belastungen, die eine freiwilli- Anteilen von Frauen ausgeübt werden. ge Tätigkeit unter Umständen mit sich bringt, tragen können und sie muss – je nach Aufgaben- In allen Altersgruppen haben die Anteile freiwil gebiet – Kenntnisse oder Fähigkeiten mitbringen. lig Engagierter seit 1999 zugenommen, am Diese individuellen Faktoren, die die Aufnahme stärksten jedoch bei Menschen ab 65 Jahren und Ausübung eines freiwilligen Engagements bestimmen, können zwischen Bevölkerungsgrup- Nach Altersgruppen betrachtet, haben die Antei- pen und je nach Lebenssituation deutlich variieren le freiwillig Engagierter seit 1999 in allen vier (siehe zum Beispiel Simonson et alia 2013; Tang betrachteten Altersgruppen zugenommen, 2006; Vogel et alia 2017; Wetzel & Simonson 2017). allerdings in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Dynamik (Abbildung 3-2). In Frauen und Männer unterscheiden sich 2019 – den Altersgruppen der 14- bis 29-Jährigen und der erstmals seit 1999 – nicht hinsichtlich ihrer 30- bis 49-Jährigen lässt sich jeweils ein deutlicher Engagementbeteiligung Anstieg erkennen, allerdings erst nach 2009. Bei den Altersgruppen der 50- bis 64-Jährigen und der Im Jahr 2019 üben 39,7 Prozent der Wohnbevöl- 65-Jährigen und Älteren zeigte sich schon früher, kerung Deutschlands ab 14 Jahren ein freiwilliges nämlich bereits im Vergleich der Jahre 1999 und Engagement aus. Während sich in der Vergangen- 2004, ein statistisch signifikanter Anstieg der heit seit 1999 stets Männer zu größeren Anteilen Engagementquote, der sich im weiteren Verlauf freiwillig engagierten, ist im Jahr 2019 erstmals bis 2014 überwiegend fortsetzte. Zwischen 2014 kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen und 2019 ist für keine der betrachteten Alters- den Engagementquoten von Frauen und Männern gruppen eine statistisch signifikante Veränderung festzustellen: 39,2 Prozent der Frauen und in den Anteilen Engagierter festzustellen. 15
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Abbildung 3-1: Anteile freiwillig engagierter Personen, nach Geschlecht, im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 26,3 35,8 29,7 35,8 28,6 35,4 37,7 42,5 39,2 40,2 10 0 1999 2004 2009 2014 2019 Frauen Männer Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Die Trendunterschiede bei den Frauen sind statistisch signifikant mit Ausnahme der Unterschiede zwischen 2004 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2019. Die Trendunterschiede bei den Männern sind statistisch signifikant mit Ausnahme der Unterschiede zwischen 1999 und 2004, zwischen 1999 und 2009 sowie zwischen 2004 und 2009. Die Geschlechterunterschiede sind statistisch signifikant in allen Jahren mit Ausnahme von 2019. Abbildung 3-2: Anteile freiwillig engagierter Personen, nach vier Altersgruppen, im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 10 33,0 35,4 32,4 18,0 32,8 36,2 35,9 23,1 31,8 36,2 32,7 25,4 44,5 43,1 40,9 31,2 42,0 44,7 40,6 31,2 0 1999 2004 2009 2014 2019 14–29 Jahre 30–49 Jahre 50–64 Jahre 65 Jahre und älter Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.901), FWS 2004 (n=14.974), FWS 2009 (n=19.945), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Die Trendunterschiede sind statistisch signifikant für alle Altersgruppen zwischen 1999 und 2014, zwischen 2004 und 2014 und zwischen 2009 und 2014 sowie zwischen 1999 und 2019, zwischen 2004 und 2019 und zwischen 2009 und 2019. Für die 50- bis 64-Jährigen sind darüber hinaus die Unterschiede zwischen 1999 und 2004 sowie zwischen 2004 und 2009 statistisch signifikant. Für die 65-Jährigen und Älteren sind zusätzlich die Unterschiede zwischen 1999 und 2004 sowie zwischen 1999 und 2009 statistisch signifikant. Die Unterschiede zwischen den 14- bis 29-Jährigen und den 30- bis 49-Jährigen sind statistisch signifikant 2004 und 2009. Die Unterschiede zwischen den 14- bis 29-Jährigen und den 50- bis 64-Jährigen sind statistisch signifikant 2014. Die Unterschiede zwischen den 30- bis 49-Jährigen und den 50- bis 64-Jährigen sind statistisch signifikant 1999, 2009, 2014 und 2019. Die Unterschiede zwischen den 65-Jährigen und Älteren und allen anderen Altersgruppen sind statistisch signifikant in allen Erhebungsjahren. 16
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Über den gesamten Zeitraum von 1999 bis 2019 unterschiedlichem Ausmaß: Bei Personen, die betrachtet, weist die Altersgruppe der 65-Jährigen noch zur Schule gehen, gab es zwischen 1999 und und Älteren die größte Veränderung auf: Hier ist 2019 einen Zuwachs von 14,3 Prozentpunkten die Engagementquote um 13,2 Prozentpunkte und bei Personen mit hoher Bildung einen Zu- von 18,0 Prozent im Jahr 1999 auf 31,2 Prozent im wachs von 11,2 Prozentpunkten. Der Anstieg bei Jahr 2019 gestiegen. Im Vergleich zu den anderen Personen mit mittlerer Bildung fällt mit 2,5 Pro- Altersgruppen ist, wie in den anderen Jahren, auch zentpunkten schwächer aus. Bei Personen mit 2019 für diese Altersgruppe die niedrigste Engage- niedriger Bildung ist der Anstieg von 1999 zu 2019 mentquote festzustellen. Die höchsten Anteile nicht statistisch signifikant. Durch diese unter- Engagierter weisen im Jahr 2019 die Altersgrup- schiedlichen Trends der einzelnen Gruppen haben pen der 14- bis 29-Jährigen mit 42,0 Prozent und die Bildungsunterschiede in der Engagementbe- der 30- bis 49-Jährigen mit 44,7 Prozent auf. teiligung im Zeitverlauf zugenommen. Zwischen den Bildungsgruppen haben die Im Jahr 2019 engagieren sich von den Personen, Unterschiede in der Engagementbeteiligung in die noch zur Schule gehen, sowie von den Perso- den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen nen mit hoher Bildung jeweils etwas über die Hälfte freiwillig (Abbildung 3-3). Von den Perso- Personen mit unterschiedlicher Schulbildung nen mit niedriger Bildung ist lediglich etwas mehr engagieren sich zu sehr unterschiedlichen Antei- als ein Viertel freiwillig engagiert. Die Engage- len (Abbildung 3-3). Über die letzten zwanzig Jahre mentquote von Personen mit mittlerer Bildung betrachtet, hat die Engagementbeteiligung in allen liegt mit über einem Drittel freiwillig Engagierter Bildungsgruppen zugenommen, allerdings in ganz dazwischen. Abbildung 3-3: Anteile freiwillig engagierter Personen, nach Bildung, im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 10 37,1 24,7 34,9 39,9 39,2 26,4 33,9 42,2 37,4 23,0 34,3 43,4 54,5 28,5 39,0 51,6 51,4 26,3 37,4 51,1 0 1999 2004 2009 2014 2019 Noch in der Schule Niedrige Bildung Mittlere Bildung Hohe Bildung Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.840), FWS 2004 (n=14.983), FWS 2009 (n=19.940), FWS 2014 (n=28.681), FWS 2019 (n=27.753). Die Trendunterschiede sind statistisch signifikant für alle Bildungsgruppen (mit Ausnahme der Personen mit niedriger Bildung) zwischen 1999 und 2014, zwischen 2004 und 2014 und zwischen 2009 und 2014 sowie zwischen 1999 und 2019, zwischen 2004 und 2019 und zwischen 2009 und 2019. Für Personen mit hoher Bildung sind zusätzlich die Trendunterschiede zwischen 1999 und 2004 statistisch signifikant. Bei Personen mit niedriger Bildung sind nur die Trendunterschiede zwischen 1999 und 2014, zwischen 2004 und 2009, zwischen 2009 und 2014 sowie zwischen 2009 und 2019 statistisch signifikant. Die Unterschiede zwischen Personen mit niedriger Bildung und allen anderen Bildungsgruppen sowie zwischen Personen mit mittlerer Bildung und Personen mit hoher Bildung sind statistisch signifikant in allen Erhebungsjahren. Die Unterschiede zwischen Personen, die noch zur Schule gehen, und Personen mit mittlerer Bildung sind statistisch signifikant 2004, 2014 und 2019. Die Unterschiede zwischen Personen, die noch zur Schule gehen, und Personen mit hoher Bildung sind statistisch signifikant 2009. 17
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Ein Migrationshintergrund und insbesondere Zuwanderungserfahrung und ohne deutsche eine eigene Zuwanderungserfahrung sind Staatsangehörigkeit engagieren sich im Jahr 2019 bedeutsam für die Beteiligung im freiwilligen zu 33,9 Prozent. Personen, die sowohl eine eigene Engagement Zuwanderungserfahrung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit haben, engagieren sich zu Personen ohne Migrationshintergrund engagieren 28,3 Prozent. Am niedrigsten ist die Engagement- sich im Jahr 2019 zu 44,4 Prozent und damit zu quote mit 15,2 Prozent bei Menschen, die eine wesentlich höheren Anteilen als Personen mit eigene Zuwanderungserfahrung und keine Migrationshintergrund, bei denen die Engagement deutsche Staatsangehörigkeit haben. quote 27,0 Prozent beträgt (Abbildung 3-4). Im Zeitvergleich zwischen 2014 und 2019 haben sich Zwischen 2014 und 2019 hat sich der Anteil der diese Anteile nicht statistisch signifikant verändert. freiwillig Engagierten unter den Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung und mit deut- Differenziert man die Gruppe der Menschen scher Staatsangehörigkeit von 23,3 Prozent auf mit Migrationshintergrund weiter danach, ob sie 28,3 Prozent erhöht; bei den restlichen Gruppen selbst nach Deutschland zugewandert sind und ob von Personen mit Migrationshintergrund mit sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, so und ohne eigene Zuwanderungserfahrung ist zeigt sich, dass sich Personen mit Migrationshin- im Zeitvergleich keine statistisch signifikante tergrund ohne eigene Zuwanderungserfahrung Veränderung festzustellen. Für die Gruppe der und mit deutscher Staatsangehörigkeit hinsicht- Menschen ohne eigene Zuwanderungserfahrung lich ihrer Engagementbeteiligung mit 38,7 Prozent und ohne deutsche Staatsbürgerschaft kann das am wenigsten von Personen ohne Migrationshin- auch an der geringeren Fallzahl liegen (2014: tergrund unterscheiden. Personen ohne eigene n=280; 2019: n=190). Abbildung 3-4: Anteile freiwillig engagierter Personen, nach Migrationshintergrund, im Zeitvergleich 2014–2019 (Basis: alle Befragten) 43,8 Personen ohne Migrationshintergrund 44,4 27,6 Personen mit Migrationshintergrund 27,0 davon Ohne eigene Zuwanderungserfahrung, mit Migrationshintergrund 39,6 Mit deutscher Staatsangehörigkeit 38,7 28,6 Ohne deutsche Staatsangehörigkeit 33,9 Mit eigener Zuwanderungserfahrung 23,3 Mit deutscher Staatsangehörigkeit 28,3 18,5 Ohne deutsche Staatsangehörigkeit 15,2 0 10 20 30 40 50 2014 2019 Prozent Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 2014 (n=28.359), FWS 2019 (n=27.561). Die Trendunterschiede sind nicht statistisch signifikant mit Ausnahme des Unterschieds bei den Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Unterschiede zwischen Personen ohne Migrationshintergrund und Personen mit Migrationshintergrund sind in beiden Erhebungsjahren statistisch signifikant. Der Unterschied zwischen Personen ohne eigene Zuwanderungserfahrung ohne deutsche Staatsangehörigkeit und Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung mit deutscher Staatsangehörigkeit ist in beiden Erhebungsjahren nicht statistisch signifikant. Der Unterschied zwischen Personen ohne eigene Zuwanderungs erfahrung mit deutscher Staatsangehörigkeit und Personen ohne eigene Zuwanderungserfahrung ohne deutsche Staatsangehörigkeit ist 2019 nicht statistisch signifikant. Alle weiteren Unterschiede zwischen den Gruppen mit Migrationshintergrund sind statistisch signifikant. 18
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Die Unterschiede zwischen Ost und West werden deutschland mit 37,0 Prozent niedriger als in im Zeitverlauf kleiner, dennoch ist Engagement Westdeutschland mit 40,4 Prozent, allerdings auch 2019 in Westdeutschland weiter verbreitet haben sich die Quoten seit 1999 sukzessive angenähert (Abbildung 3-5). Betrug die Differenz Freiwilliges Engagement unterscheidet sich im Jahr 1999 noch 7,9 Prozentpunkte, so sind es zwischen den Regionen Deutschlands. Auch im im Jahr 2019 nur noch 3,4 Prozentpunkte. Jahr 2019 liegt die Engagementquote in Ost- Abbildung 3-5: Anteile freiwillig engagierter Personen in Ost- und Westdeutschland im Zeitvergleich 1999–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 24,7 32,6 27,5 34,1 26,8 33,2 36,6 40,9 37,0 40,4 10 0 1999 2004 2009 2014 2019 Ostdeutschland Westdeutschland Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten. FWS 1999 (n=14.922), FWS 2004 (n=15.000), FWS 2009 (n=20.005), FWS 2014 (n=28.689), FWS 2019 (n=27.759). Die Trendunterschiede in Ostdeutschland sind statistisch signifikant mit Ausnahme der Unterschiede zwischen 2004 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2019. Die Trendunterschiede in Westdeutschland sind statistisch signifikant mit Ausnahme der Unterschiede zwischen 1999 und 2004, zwischen 1999 und 2009, zwischen 2004 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2019. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind in allen Erhebungsjahren statistisch signifikant. Personen im ländlichen Raum sind anteilig strukturen und einer unterschiedlichen Nach häufiger freiwillig engagiert als Personen im frage nach freiwilligem Engagement auf dem städtischen Raum Land und in der Stadt, aber auch mit einer geringeren Konkurrenz an alternativen Freizeit- Während sich im Jahr 2019 im ländlichen Raum und Teilhabemöglichkeiten auf dem Land zusam- 41,6 Prozent der Menschen ab 14 Jahren freiwillig menhängen (Deutscher Bundestag 2017; Kleiner & engagieren, liegt der Anteil im städtischen Raum Klärner 2019). Es gibt keinen statistisch signifikan- mit 38,8 Prozent etwas darunter (Abbildung 3-6). ten Unterschied zwischen den Erhebungsjahren Dies kann mit unterschiedlichen Gelegenheits- 2014 und 2019. 19
3 Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement Abbildung 3-6: Anteile freiwillig engagierter Personen, nach Regionstyp, im Zeitvergleich 2014–2019 (Basis: alle Befragten) 50 40 30 Prozent 20 38,9 42,6 38,8 41,6 10 0 2014 2019 Städtischer Raum Ländlicher Raum Quelle: FWS, gewichtet, eigene Berechnungen (DZA). Basis: alle Befragten, die der Zuspielung von Regionalinformationen zugestimmt haben. FWS 2014 (n=25.381), FWS 2019 (n=24.074). Die Trendunterschiede sind nicht statistisch signifikant. Die Unterschiede zwischen den Regionstypen sind in beiden Erhebungsjahren statistisch signifikant. Die Bereitschaft zum Engagement ist hoch feststellen – so gibt es 2019 erstmals keine statis- und nimmt im Zeitvergleich zu tisch signifikanten Unterschiede in der Beteili- gung von Frauen und Männern und die Quoten Deutlich über die Hälfte der Personen, die aktuell zwischen Ost- und Westdeutschland nähern sich kein freiwilliges Engagement ausüben, kann sich an. Andererseits ist bei der Beteiligung unter- ein zukünftiges Engagement vorstellen: 2019 schiedlicher Bildungsgruppen im Zeitvergleich geben 58,7 Prozent der Nicht-Engagierten an, sogar eine Zunahme der Ungleichheit festzustel- bereit zu sein, sich zukünftig freiwillig zu enga len. Und auch zwischen anderen Bevölkerungs- gieren. Seit 1999 hat sich dieser Anteil von Erhe- gruppen gibt es noch sehr deutliche Unterschiede bung zu Erhebung statistisch signifikant erhöht: in der Beteiligung, beispielsweise abhängig vom So gaben 1999 insgesamt 38,7 Prozent der Nicht- Migrationshintergrund. Längst nicht alle Bevölke- Engagierten die Bereitschaft zu einer freiwilligen rungsgruppen können also in gleichem Maße im Tätigkeit an, 2004 waren es 49,4 Prozent, 2009 Rahmen freiwilligen Engagements an der Gesell- 55,1 Prozent und 2014 56,9 Prozent (ohne Abbil- schaft teilhaben und sich in die Gesellschaft dung). einbringen. Fazit Freiwilliges Engagement ist eine wichtige Form der gesellschaftlichen Partizipation. Geht man davon aus, dass alle Bevölkerungsgruppen die glei- chen Chancen haben sollten, an der Gesellschaft teilzuhaben, dann sollte es idealerweise keine systematischen gruppenbezogenen Unterschiede im freiwilligen Engagement geben. Das ist aber nicht der Fall. Es lassen sich zwar einerseits Annä- herungstendenzen hinsichtlich der Engagement- beteiligung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen 20
4 Gesellschaftliche Bereiche des freiwilligen Engagements Freiwillig Engagierte in Deutschland üben die Freiwilliges Engagement wird anteilig am unterschiedlichsten freiwilligen Tätigkeiten aus. häufigsten in den Bereichen Sport und Bewe Zum Beispiel betreuen sie Jugendgruppen in gung, Kultur und Musik oder im sozialen Sportklubs, leisten Nachbarschaftshilfe für ältere Bereich ausgeübt Menschen, sind in der Vertretung der Schüler- schaft oder im Förderverein freiwillig engagiert Besonders viele Menschen, 13,5 Prozent der oder organisieren Veranstaltungen. Viele dieser Bevölkerung, engagieren sich im Bereich Sport Tätigkeiten finden in ganz verschiedenen Kontex- und Bewegung (Abbildung 4-1). Diese Quote ist ten statt. Das freiwillige Engagement in einem um rund fünf Prozentpunkte höher als in den Förderverein kann beispielsweise in einer Grund- Engagementfeldern Kultur und Musik, Schule schule oder in einer Kunsthalle stattfinden. Die und Kindergarten sowie im sozialen Bereich; Veranstaltungen, die organisiert werden, können hier engagieren sich jeweils gut acht Prozent der zum Beispiel sowohl Wettkämpfe als auch das Menschen in Deutschland. Die Engagementquo- Sommerfest des Sportvereins, Veranstaltungen ten im Kontext von Kirche und Religion mit einer Behindertenwerkstatt oder eines Bildungs- 6,8 Prozent und im Bereich der Freizeit und projekts sein. Geselligkeit mit 6,1 Prozent sind etwas geringer. Für Umwelt, Natur- oder Tierschutz engagieren Im Freiwilligensurvey 2019 gibt es über 25.000 sich 4,1 Prozent der Menschen ab 14 Jahren in Tätigkeitsangaben der freiwillig Engagierten. Für Deutschland. Die Engagementquoten in den die inhaltliche Einordnung geben die Engagierten Bereichen der außerschulischen Jugendarbeit oder selbst die gesellschaftlichen Bereiche an, in denen Bildungsarbeit für Erwachsene, in der Politik oder sie ihre freiwilligen Tätigkeiten ausüben. Für die politischen Interessenvertretung sowie im Interpretation der Engagementquoten in den Unfall- oder Rettungsdienst beziehungsweise in einzelnen Bereichen ist zum einen zu beachten, der freiwilligen Feuerwehr liegen bei jeweils rund dass Personen zu jeder freiwilligen Tätigkeit, die drei Prozent. Geringere Engagementquoten zeigen sie ausüben, eine Bereichsangabe vornehmen; es sich im Gesundheitsbereich, in der beruflichen handelt sich bei den bereichsspezifischen Quoten Interessenvertretung außerhalb des Betriebs und also um das Ergebnis von Mehrfachnennungen, im Bereich Justiz und Kriminalitätsprobleme; bei die sich nicht zu der Engagementquote aufsum- allen drei Bereichen liegt die Engagementbeteili- mieren lassen. Zum anderen kann die Selbstzu- gung der Menschen in Deutschland bei zwei Pro- ordnung unterschiedlich ausfallen. So könnte zent oder darunter. beispielsweise eine Tätigkeit in einem Sozialaus- schuss im örtlichen Stadtrat dem politischen Bereich oder dem sozialen Bereich zugeordnet werden, je nach Schwerpunkt der Tätigkeit und Wahrnehmung der Befragten. 21
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