Freizügigkeit und Grenzschutz an den EU - Außengrenzen

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Freizügigkeit und Grenzschutz an den EU - Außengrenzen
Eingereicht von
                                        Philipp
                                        Eibensteiner

                                        Angefertigt am

Freizügigkeit und                       Institut für
                                        Europarecht
Grenzschutz an den
                                        Beurteilung
EU – Außengrenzen                       Assoz. Univ.-Prof.
                                        Mag. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

                                        April 2020

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium
Rechtswissenschaften
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt
bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Freistadt, 28.04.2020

Unterschrift

(Philipp Eibensteiner)

                                           II
Danksagung

An erster Stelle geht mein größter Dank an Herrn Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz
Leidenmühler, Institutsvorstand am Institut für Europarecht an der Johannes Kepler
Universität Linz und Betreuer meiner gegenständlichen Diplomarbeit, für die Übernahme
der Betreuung und seiner äußerst schnellen, unkomplizierten und stets freundlichen
Unterstützung beim Verfassen.

Ein unschätzbarer Dank geht an meine Eltern, Werner und Manuela Eibensteiner, für ihre
unermüdliche Unterstützung. Ohne deren Hilfe wäre es mir nicht möglich, neben meiner
äußert   fordernden   und     zeitintensiven     Vollzeitbeschäftigung   als   Polizeibeamter
nebenberuflich das Diplomstudium der Rechtswissenschaften erfolgreich zu absolvieren.
Sie standen mir bei allen Höhen und Tiefen stets mit Rat und Tat zur Seite.

Zuletzt möchte ich mich noch bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die mich im
Laufe meiner dienstlichen Tätigkeit in Wien und Linz unterstützt und mir in intensiven
Prüfungsphasen so gut als möglich den Rücken frei gehalten haben. Ohne deren
kollegiale Unterstützung wäre die Absolvierung eines Studiums neben meinem Beruf um
ein vielfaches schwieriger.

                                               III
1.    Einleitung

2.    Freizügigkeit an den europäischen Binnengrenzen - Sekundärrecht
2.1   Unionsbürgerrichtlinie - Freizügigkeitsrichtlinie
2.2   Schengen
2.2.2 Schengen Raum
2.2.3 Schengener Abkommen – Schengen I
2.2.4 Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II)
2.2.5 Schengener Informationssystem (SIS I)
2.2.6 Schengener Informationssystem (SIS II)
2.3   Prümer Vertrag (Schengen III)
2.4   Schengener Grenzkodex
2.5   Europäische Asylpolitik - Dubliner Übereinkommen, Dublin II+III Verordnung

3.    Sicherung der Außengrenzen
3.1   Einführung
3.2   Grenzen der Europäischen Union

4.    Die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX / Europäische Grenz- und
      Küstenwache
4.1   Rechtsgrundlagen
4.2   Aufgaben
4.3   Organisation
4.4   Extraterritoriale Maßnahmen
4.5   Operative Maßnahmen
4.6   Exkurs: Geltende Grund- und Menschenrechte
4.7   Exkurs: Rechtsschutz
4.8   Schlussfolgerung und Verbesserungsvorschläge

5.    Aktuelle Fragen für die Zukunft
5.1   Eine Festung Europa als Lösung aller Probleme?
5.2   Schlussfolgerung und Aktuelles

                                             IV
1.    Einleitung

Im Jahr 1985 wurde das Schengener Übereinkommen unterzeichnet, wodurch ein erster
Versuch unternommen wurde, von Kontrollen im Bereich der Binnengrenzen der
Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft Abstand zu nehmen und sich
stattdessen vorwiegend auf den Grenzschutz an den Außengrenzen zu fokussieren. Das
Schengen-System kann heute zweifellos als eine fundamentale Errungenschaft der
Europäischen Union bezeichnet werden, da es wesentlich zum Konzept eines
einheitlichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beigetragen hat.

Der damit einhergehende freie Waren- und Personenverkehr sowie das unkontrollierte
Passieren der Binnengrenzen stellen das Herzstück der europäischen Identität dar.
Dieses Schengen-System bewährte sich einige Jahre sehr gut, in den vergangenen
Jahren wurde es jedoch vermehrt vor große Verantwortungen gestellt.

Durch die zunehmende Globalisierung und den Flüchtlingsströmungen nach Europa
wurden völlig neuartige Problemstellungen geschaffen, welche das bisherige Schengen-
Regelwerk in seiner bisherigen Geltung kritisch examinierten. Der teilweise massive
Zustrom von Flüchtlingen im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise in Europa aus den
Jahren 2015 und 2016 versetzte vorwiegend die Mitgliedstaaten der Außengrenzen wie
insbesondere Italien und Griechenland in eine vorübergehende Notlage, da sie den
Schutz an den Außengrenzen teilweise nicht mehr aufrecht halten konnten und diesen als
gefährdet angesehen hatten. In weiterer Folge kam es dazu, dass das Schengen-System
von einigen europäischen Ländern vorübergehend außer Kraft gesetzt und stattdessen
an den Binnengrenzen vorübergehende Grenzkontrollen wieder aufgenommen wurden.

Die vorliegende Diplomarbeit soll einen Überblick über das Regelwerk der Freizügigkeit
an den Binnengrenzen sowie dem Schutz an den europäischen Außengrenzen
nachgehen, welcher insbesondere durch die Europäische Agentur zur Grenz- und
Küstenwache FRONTEX vorgenommen wird.

                                           1
2.     Freizügigkeit an den europäischen Binnengrenzen - Sekundärrecht

2.1    Unionsbürgerrichtlinie/Freizügigkeitsrichtlinie

Die RL 2004/38/EG1, auch als Unionsbürger- bzw. Freizügigkeitsrichtlinie bezeichnet, legt
aktuell die Bedingungen für die Freizügigkeit und den Aufenthalt der Unionsbürger2 sowie
deren Familienangehörige fest. Davon erfasst sind sowohl erwerbstätige als auch nicht
erwerbstätige Personen, also insbesondere Arbeitnehmer, Studierende, Selbständige
und Pensionisten.3 Das wesentliche Kernelement darin ist die sogenannte Reisefreiheit,
welche die Ein- und Ausreise von einem Mitgliedstaat in einen anderen mit einem gültigen
Reisedokument auch ohne ein Visum ermöglicht. Der Zweck des Aufenthalts ist dabei
irrelevant.4 Sie verleiht sohin allen Unionsbürgern das persönliche Recht, sich im
Unionsgebiet frei zu bewegen, aufzuhalten und sich bis zu drei Monate in einem anderen
Mitgliedstaat aufzuhalten, ohne weitere Bedingungen oder Formalitäten zu erfüllen.

Ein darüber hinausgehender Aufenthalt verlangt die Anmeldung bei den Aufenthalts- und
Niederlassungsbehörden des jeweiligen Mitgliedstaates. Nach einem rechtmäßigen
durchgehenden Aufenthalt von fünf Jahren besteht zusätzlich die Möglichkeit zur
Erlangung eines Daueraufenthaltes im jeweiligen Mitgliedstaat. Im Falle des Aufenthaltes
eines Unionsbürgers von einem Zeitraum von fünf oder mehr Jahren ist selbst bei
Straffälligkeit eine Ausweisung in dessen Herkunftsland nicht mehr ohne weiteres
zulässig. Diese Rechte dürfen von den Mitgliedstaaten ausschließlich aus Gründen der
öffentlichen     Ordnung,      Sicherheit      sowie     Gesundheit5        unter    Wahrung        der
Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden.6

1 Vgl. Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das
Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu
bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der
Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG,
90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. 2004 L. 158
2 Vgl. Art 20 Abs 1 AEUV: Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU

besitzt
3 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 514
4 Vgl. Leidenmühler, Europarecht3 S. 243 f
5 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-

do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation-package/docs/return_handbook_de.pdf,
abgerufen am 19.04.2020
6 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 514
                                                   2
2.2    Schengen

Der Name Schengen stammt von einem gleichnamigen Ort in Luxemburg. Der Name
dieser eher kleinen Gemeinde hat große Bedeutung. Anfang der                         1980er – Jahre
zeichnete sich ab, dass nicht alle Mitgliedstaaten dazu bereit waren, ihre damaligen
Grenzkontrollen einzustellen. In weiterer Folge kam es dazu, dass am 13.07.1984 das
Saarbücker Abkommen zwischen Frankreich und Deutschland in der Nähe des
Grenzüberganges zwischen Frankreich und Deutschland als Regierungsübereinkommen
abgeschlossen wurde.7 Dieser erste Akt trat gleich am darauffolgenden Tag ohne
Ratifizierung in Kraft und kann heute zweifellos als Vorreiter der späteren Schengener
Verträge angesehen werden.8 Österreich war zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied der
EG9,    zeigte    sich    aber     zunehmend        interessiert    an    derartigen     vereinfachten
Grenzkontrollen. In weiterer Folge kam es auch zu teilweisen Vereinfachungen, vorerst
nur beschränkt auf die jeweiligen Staatsbürger.

2.2.2 Schengen Raum

Beim Schengen Raum handelt es sich aktuell um ein Gebiet aus 26 Staaten, welches aus
22 Mitgliedstaaten10 der Union sowie den 4 Mitgliedstaaten11 der EFTA12 besteht.13 Diese
Staaten haben ihre Kontrollen im Bereich der gemeinsamen Grenzen aufgehoben.
Innerhalb der 22 Mitgliedstaaten der Union kommt es zu einer Vollanwendung des
Schengen-Abkommens. Die 4 Mitgliedstaaten der EFTA sind assoziierte Partner des
Schengen-Raums. Auf Grund der Tatsache, dass die Schweiz keine Zollunion mit der
Union abgeschlossen hat, sind Warenkontrollen an deren Grenze weiterhin zulässig.14
Vergleichbare Regelungen gelten auch für das Fürstentum Liechtenstein. In den beiden
(noch) Mitgliedstaaten Irland und Großbritannien wird Schengen lediglich in Teilbereichen
des Schengener Informationssystems (SIS) angewendet, was in erster Linie der
Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden dienen soll.

7 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 13
8 Vgl. Würz, Das Schengener Durchführungsübereinkommen Rz. 11
9 Auch: Europäische Gemeinschaft
10 Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Griechenland, Malta, Lettland,

Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien,
Tschechien und Ungarn
11 Schweiz, Norwegen, Fürstentum Liechtenstein und Island
12 Auch: Europäische Freihandelsassoziation
13 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 5
14 Vgl. Online-Dokument: https://www.infopoint-europa.de/assets/Eckert-Der-Schengen-Raum-ein-

Ueberblick.pdf, abgerufen am 19.04.2020
                                                    3
2.2.3 Schengener Abkommen – Schengen I

Das Schengener Abkommen wurde am 14.06.1985 abgeschlossen. Ziel dieses
Abkommens war es, an den Grenzen zwischen den Benelux-Staaten, Deutschland und
Frankreich keine Personenkontrollen mehr durchzuführen sowie die Kontrolle der
Außengrenzen zu vereinheitlichen. In der Lehre wird auch die Ansicht vertreten, dass
dadurch der erste Schritt in Richtung der echten Personenverkehrsfreiheit gesetzt
wurde.15 Als völkerrechtlicher Vertrag war es notwendig geworden, da nicht alle
Mitgliedstaaten dazu bereit waren, ihre Kontrollen aufzuheben. Durch das Schengen I
Abkommen wurde aber erst der schrittweise Abbau der Grenzkontrollen eingeleitet.

2.2.4 Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II)

Das zuvor unter 2.2.3 angeführte Schengener Abkommen (Schengen I) diente lediglich
der schrittweisen Einstellung bzw. Abschaffung der Grenzkontrollen. Am 19.06.1990
wurde in weiterer Folge das Schengener Durchführungsübereinkommen zur gänzlichen
Einstellung von Grenzkontrollen (Schengen II) unterzeichnet. Erst durch dieses
Abkommen wurde eine Verpflichtung dahingehend eingeführt.16 Der Inhalt des
Schengener Durchführungsübereinkommens (Schengen II) erstreckt sich auf die
gänzliche Abschaffung der Grenzkontrollen im Bereich der Binnengrenzen sowie den
freien Personenverkehr. Der Grenzübertritt stellt dabei nicht auf Unionsbürger ab,
sondern soll allen Personen in gleichem Umfang zukommen.17 Die Schengen-
Außengrenzen dürfen dabei nur an den Grenzübergängen überquert werden, eine
Kontrolle dieser wurde dadurch vereinheitlicht.18 In Bezug auf Drittstaatsangehörige
einigte man sich auf eine einheitliche Liste sichtvermerkspflichtiger19 Drittstaaten.20

15 Vgl. Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht 1, § 6 Rz. 34
16 Vgl. Achermann/Bieber/Epiney/Wehner, Schengen und die Folgen S. 25
17 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 44
18 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 46
19 Auch: Visum
20 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 48
                                                4
2.2.5 Schengener Informationssystem (SIS I)

Im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum schienen damals
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlich. 21 Es kam zur
Installierung des heute einheitlichen Informationssystems für Behörden, dem Schengener
Informationssystems (SIS I) als gemeinsame Plattform zum Austausch relevanter
Informationen. Mit Art 92 Abs 1 des Schengener Durchführungsübereinkommen
(Schengen II) wurde die Informationsplattform für die Kommunikation der Ausländer-,
Polizei- und Zollbehörden einer rechtlichen Grundlage zugeführt.22

Das Schengener Informationssystem (SIS) ist heute aus dem polizeilichen Alltag nicht
mehr wegzudenken und kann somit zu Recht als das wesentlichste Werkzeug einer
effektiven Personenkontrolle an den Außengrenzen bezeichnet werden.23 Es wird täglich
von Polizei-, Visum-, Zoll-, Justiz- und Grenzschutzbehörden im gesamten Schengen-
Raum verwendet.24 Inhaltlich besteht es aus einem elektronischen Personen- und
Sachenfahndungssystem, auf welches die jeweiligen Mitgliedstaaten zur koordinierten
Fahndung zugreifen können. Aus diesem System lassen sich sämtliche relevanten
Informationen über Personen, die einer schweren Straftat verdächtigt werden und nicht
zur Einreise in das Unionsgebiet berechtigt sind sowie über abgängige Personen oder
gestohlene Gegenstände aller Art, binnen kürzester Zeit durch elektronische Anfragen
entnehmen. Die zentrale Datenbank wird von Straßburg aus betrieben, jeder Staat
unterhält daneben seine eigene Datenbank.25 Der Betrieb in dieser Form erfolgte
zwischen den Jahren 1995 und 2013.26

21 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 62
22 Vgl. Pudlat, Schengen S. 183
23 Vgl. Lenz/Borchard, EU Verträge5 Art. 77 Rz. 8
24 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6
25 Vgl. Lenz/Borchard, EU Verträge5 Art. 77 Rz. 8
26 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6
                                                 5
2.2.6 Schengener Informationssystem (SIS II)

Durch die VO 2006/1987/EG27 wurde das Schengener Informationssystem in seiner
bestehenden Form erneuert.28 Die Inbetriebnahme erfolgte im Jahr 2013, da sich die
ursprüngliche Installierung aus dem Jahr 2006 verzögerte. 29 Wesentliche Intention der
Erneuerung waren technische Updates sowie die Installationsmöglichkeit von weiteren
Mitgliedstaaten.30

2.3    Prümer Vertrag (Schengen III)

Am 27.05.2005 wurde zwischen Frankreich, Deutschland, Belgien, Spanien, Luxemburg,
Niederlande und Österreich der Vertrag von Prüm (Schengen III) als völkerrechtlicher
Vertrag geschlossen.31 Durch den Beschluss 2008/615/JI32 wurden die Vorschriften des
Prümer Vertrags in das Unionsrecht übernommen.33 Die Intention dieses Vertrages lag
im verbesserten Informationsaustausch zur koordinierten Verbrechensbekämpfung,
wodurch insbesondere Möglichkeiten zum Austausch gesicherter DNA – und
daktyloskopischer Spuren zum Trefferabgleich in Bezug auf die Strafverfolgung
geschaffen wurden.34 Zusätzlich wurden neue weitere Möglichkeiten zur Abfrage von
Fahrzeughalterdaten zur Verbrechensbekämpfung und zur Prävention geschaffen.

27 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember
2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten
Generation (SIS II), ABl. 2008 L. 381
28 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2852
29 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6
30 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6
31 Vgl. Böse, Enzyklopädie Europarecht 9 § 17 Rz. 96
32 Vgl. Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden

Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden
Kriminalität, ABl. 2008 L 210
33 Vgl. Heesen, Interne Abkommen S. 56
34 Vgl. Breitmoser/Gless/Lagodny, Schengen und Dublin in der Praxis S. 142
                                                  6
2.4    Schengener Grenzkodex

Die VO 2006/562/EU35 erging auf Grundlage von Art 62 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft36 und schaffte ein Regelwerk für das durchqueren der
Binnengrenzen       sowie       Grenzkontrollen     von    Personen       bei   Überschreitung      der
Außengrenzen.37 Sämtliche Mitgliedstaaten hatten von nun an sicherzustellen, dass die
Binnengrenzen an jeder Stelle und von jeder Person durch einheitliche Standards
überschritten werden können, ohne sich einer Personenkontrolle zu unterziehen und ohne
auf die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Personen abzustellen. Durch den Schengener
Grenzkodex soll der Gedanke des einheitlichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts bestärkt werden.38 Die Gewährung des freien Personenverkehrs genießt
höchste     Priorität     im    Raum    der    Mitgliedstaaten.    Eine     Wiedereinführung       von
Grenzkontrollen         soll   nur   mehr     im   äußersten    Notfall    durchgeführt     werden.39
Voraussetzungen für eine vorübergehende oder kurzfristige Wiedereinführung von
Grenzkontrollen sind eine schwerwiegende Bedrohung für die innere Sicherheit oder der
öffentlichen Ordnung.40 Die Dauer derartiger Kontrollen soll grundsätzlich den Zeitraum
von 30 Tagen nicht übersteigen.41

Für Unionsbürger muss auf Grund deren Freizügigkeit eine eigene getrennte
Kontrollspur42 geschaffen werden, um deren Wartezeiten an den Grenzen zu verkürzen.43
Während die Reisedokumente der Unionsbürger nur vorgewiesen werden müssen, hat
bei Drittstaatsangehörigen44 eine gewissenhafte Dokumentation durch den jeweiligen Ein-
bzw. Ausreisestempel zu erfolgen.45 Die Beweislast in Hinblick auf die maximale

35 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006
über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener
Grenzkodex), ABl. 2006 L 105
36 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006

über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener
Grenzkodex), ABl. 2006 L 105
37 Vgl. Online-Dokument: http://www.recht-sicherheit.ch/international-

Schengen/articles/Weiterentwicklung_Schengen.html, abgerufen am 19.04.2020
38 Vgl. Online-Dokument: https://www.parlament.gv.at/PERK/GL/EU/S.shtml, abgerufen am 19.04.2020
39 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006

über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener
Grenzkodex), ABl. 2006 L 105
40 Vgl. Online-Dokument: https://eur-lex.europa.eu/legal-

content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52010DC0554&from=EN, abgerufen am 19.04.2020
41 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 361
42 Vgl. Art 9 Schengener Grenzkodex
43 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2845
44 Vgl. Art 1 Schengener Durchführungsübereinkommen: Drittstaatsangehörige/r (auch: Drittausländer) ist,

wer nicht Staatsangehörige/r eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ist
45 Vgl. Art 10 Schengener Grenzkodex
                                                    7
Aufenthaltsdauer     von    Drittstaatsangehörigen       im    Unionsgebiet    liegt     bei    den
Drittstaatsangehörigen, da diese widrigenfalls ausgewiesen werden können.46 Eine
Überschreitung der Außengrenzen hat somit ausschließlich an dafür vorgesehenen
Grenzübergangsstellen und festgeschrieben Verkehrsstunden zu erfolgen.47

Aus dem Erwägungsgrund Nummer 6 des Schengener Grenzkodex ergibt sich für die
Mitgliedstaaten, dass im Falle des Einbrechens der effektiven Kontrolle an den
Außengrenzen fremdenpolizeiliche Maßnahmen48 im jeweiligen innerstaatlichen Gebiet
weiterhin gerechtfertigt sind. Durch Artikel 21 des Schengener Grenzkodex ergibt sich für
die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit, Kontrollen innerhalb ihres Hoheitsgebietes
durchführen zu können. Diese Kontrollen finden jedoch nicht als übliche Grenzkontrollen
statt, sondern werden jeweils im Rahmen ihrer präventiven Möglichkeiten als
Ausgleichsmaßnahmen diskriminierungsfrei durchgeführt.49 Die Gewährung des freien
Personenverkehrs kann als eine der größten Errungenschaften der Union angesehen
werden. Mit dem stufenweisen Abbau der Grenzkontrollen ergaben sich aber zunehmend
neue Problemstellungen, wodurch eine normative Nachjustierung als notwendig erachtet
worden ist.

Die VO 2006/562/EU50 wurde durch die VO 2013/1051/EU51 in wichtigen Punkten
geändert. Wesentlicher Inhalt ist die gemeinsame Regelung zur vorübergehenden
Wiedereinführung      von    Grenzkontrollen52      an   den     Binnengrenzen         auf     Grund
außergewöhnlicher Umständen.53 Kommt es zu einem Umstand, der eine derartige
Einschränkung als unumgänglich erachtet, können diese wieder eingeführt werden.54

46 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2846
47 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2844
48 Auch: Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt
49 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2840
50 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006

über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener
Grenzkodex), ABl. 2006 L 105
51 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober

2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung
für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter
außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295
52 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-

do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation-
package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020
53 Vgl. Art 77 Abs 1 und Abs 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
54 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober

2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung
für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter
außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295
                                                8
Derartige Maßnahmen unterliegen einer strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit und
dürfen nur die absolute Ausnahme darstellen, da Einschränkungen in Form von langen
Grenzwartezeiten sowie Unsicherheiten der Bevölkerung damit einhergehen.55 Als
maßgebliche Kriterien zur Prüfung der Erforderlichkeit werden die Aspekte der
öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit herangezogen.56 Zusätzlich wurde
festgehalten, dass an den Außengrenzen weiterhin Grenzkontrollen zum Schutz vor
illegaler Zuwanderung, der Bekämpfung des Menschenhandels sowie der organisierten
Kriminalität zu erfolgen haben, was als Kernelement zur Gewährung der inneren
Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der Gesundheit angesehen wird. 57 Andererseits
wurden wichtige Analysemöglichkeiten in Bezug auf das Erkennen konkreter Risikolagen
und der Bedrohung der inneren Sicherheit geschaffen.

2.5    Europäische Asylpolitik - Dubliner Übereinkommen, Dublin II+III Verordnung

Durch dieses geschaffene System bestand die Gefahr, dass sich asylsuchende Personen
im Falle eines negativen Asylverfahrens vom Erstantragsstaat bedingt durch die nun
offenen Grenzen in einen Zweitantragsstaat begeben und dort einen neuen Asylantrag
stellen. Durch das Dubliner Übereinkommen aus dem Jahr 1990 wurde eine
Zuständigkeitskompetenz für Asylverfahren desjenigen Staates begründet, in welchen der
Asylwerber zuerst in den Schengen Raum eingereist ist, was auch als „one-chance-only-
Prinzip“ bezeichnet wird. Diese Entscheidung im Asylverfahren soll dann für alle
Mitgliedstaaten gelten und dieser Erststaat soll danach auch für die Rückführung im Falle
eines negativen Asylverfahrens zuständig sein.58

55 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober
2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung
für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter
außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295
56 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober

2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung
für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter
außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295
57 Vgl. Europol-Jahresbericht 2010, S. 60
58 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 52
                                               9
3.     Sicherung der Außengrenzen

3.1    Einführung

Im Jahr 2015 sind über die Grenzen von Griechenland und Italien ca. eine Million
Migrantinnen und Migranten59 irregulär in das Unionsgebiet eingedrungen. Dabei
handelte es sich überwiegend um Menschen aus den syrischen, libyschen, irakischen und
afghanischen Bürgerkriegsgebieten, welche über die Fluchtroute von der Türkei
kommend über die Inseln Lesbos, Samos, Leros und Kos nach Griechenland gelangt sind,
auf griechischem Boden erstmals das Unionsgebiet betraten und als Wunschziel ihrer
Flucht überwiegend Deutschland anvisiert hatten.

Eine weitere Fluchtroute bestand über Nordafrika nach Italien. Die Flucht erfolgte in
Schiffen und Booten, welche überwiegend überfüllt und nur bedingt bzw. gar nicht
seetauglich waren. Dabei gab es auch zahlreiche Unfälle. Im Jahr 2015 ereigneten sich
3771    Todesfälle     auf   dieser    Route.60    Die    Hauptursache       für diese      massiven
Migrationsströmungen über die Westbalkanroute war die damalige Bürgerkriegssituation
in Libyen und Syrien.61 In diesem Jahr konnten mehr als 100.000 Personen auf See
gerettet und an Land gebracht werden. Die Zahl der irregulären Grenzübertritte von
Libyen nach Italien betrug in etwa 150.000.62 Die Anzahl der irregulären Grenzübertritte
nach Griechenland ist 2015 im Vergleich zum Jahr 2014 von 50.000 auf über 885.000
gestiegen.63

Die Sicherung der Außengrenzen gestaltete sich in diesen Bereichen aufgrund der
geographischen Struktur besonders schwierig. Diese Zahlen aus dem Jahr 2015 stellten
die Mitgliedstaaten vor eine schwierige Herausforderung, viele schienen durch diese
Problemstellung gar hilflos und überfordert.64 Es handelte sich zweifellos um die bis dato

59 Vgl. Österreichisches Wörterbuch Schulausgabe43 (2016): Migrant ist ein Zu- und Auswanderer bzw. ein
Mensch auf Wanderung
60 Vgl. Brandl, Asyl und Einwanderung, Jahrbuch Europarecht 2016 S. 355
61 Vgl. Hummer, Die Europäische Union – das unbekannte Wesen, Die EU in 40 Artikeln Band 3 (2017) S.

366
62 Vgl. Online-Dokument: https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/interview-mit-chef-der-

grenzschutzagentur-frontex-14050443.html, abgerufen am 19.04.2020
63 Vgl. Online-Dokument: https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/interview-mit-chef-der-

grenzschutzagentur-frontex-14050443.html, abgerufen am 19.04.2020
64 Vgl. Hipold, Die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 – Reformbedarf angesichts der Flüchtlingskrise?

migraLex 2016, S. 2
                                                  10
größte Menschen- bzw. Migrationsströmung seit dem zweiten Weltkrieg in einem bis
dahin völlig unbekannten Ausmaß.

Zu beachten ist, dass die Einreise von Drittstaatsangehörige/n in das Unionsgebiet aus
humanitären Gründen gestattet werden kann, selbst wenn die Voraussetzungen einer
rechtmäßigen Einreise nicht vorliegen.65 Es kam in weiterer Folge jedoch zum
unkontrollierten Durchwinken von Migrantinnen und Migranten an den Außengrenzen,
ohne Unterscheidung, ob es sich dabei um Flüchtlinge aus den zuvor genannten
Bürgerkriegsgebieten oder um reine Wirtschaftsflüchtlinge handelte. Durch diese großen
Zuströme sahen sich insbesondere die Sicherheitsbehörden vor schier unüberwindbare
Aufgaben gestellt. Infolge dieser Massenfluchtbewegungen und der damit verbundenen
unkontrollierten und willkürlichen Einreise entschied sich Österreich Mitte September
2015 für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen.66

Erwägungsgrund Nr. 26 des Schengener Grenzkodex normiert zwar, dass Migration und
die damit verbundene Überschreitung der Grenzen durch eine Vielzahl von
Drittstaatsangehörige an sich keine Bedrohung für die öffentlichen Ordnung und die
inneren Sicherheit darstellt. In ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2015 hat die
Kommission      jedoch     ausgeführt,     dass        in   Österreich   diese   vorübergehende
Wiedereinführung gerechtfertigt war, da der massive Zustrom nach Österreich tatsächlich
zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führen hätte
können.67 Österreich führte anschließend unter Ausschöpfung sämtlicher Verlängerungen
und Suspendierungsmöglichkeiten auf Grundlage des Schengener Grenzkodex68
vorübergehend temporäre Grenzkontrollen bis zum 10. Mai 2018 durch.                         In der
Zwischenzeit erstellte die Kommission einen Fahrplan zur Wiederherstellung des
Schengen-Raums. Sie setzte sich die Rückkehr zu einem regulär funktionierenden
Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen bis spätestens Ende 2016 zum Ziel69 und nannte
als Voraussetzung für die Freizügigkeit ohne Binnengrenzen sichere Außengrenzen.70

65 Vgl. Art 5 Abs 4 lit c Schengener Grenzkodex
66 Vgl. Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von
Grenzkontrollen an den Binnengrenzen vom 25.09.2015, BGBl. II Nr. 279/2015
67 Vgl. Arnez/Völker, Öffentliches Recht 2016 S. 37
68 Vgl. Art 29 Schengener Grenzkodex
69 Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission: Zurück zu Schengen – ein Fahrplan, COM(2016) 120

final, vom 04.03.2016
70 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda-

migration/proposal-implementation-
package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020
                                                  11
Inhaltlich   wurde    die   Erforderlichkeit     eines   effektiven    Grenzmanagements,          der
Registrierung     neu     angekommener          Flüchtlinge   sowie     die   Notwendigkeit       von
Umverteilungs- oder Rückführungsverfahren erkannt.71 Sämtliche irregulär in das
Unionsgebiet eingedrungene Drittstaatsangehörige müssen identifiziert, registriert und
aufgenommen, nicht schutzbedürftige Personen sollen zurückgeführt werden.72 Die
Sicherung der Außengrenzen wurde als unzureichend erachtet, weshalb die Sicherung
dieser, insbesondere in Griechenland, als prioritäre Aufgabe erachtet wurde, um
derartigen Herausforderungen künftig gewachsen zu sein, da in Anbetracht der
angespannten       Lage     in   den    zuvor     ausgeführten     Bürgerkriegsgebieten        davon
ausgegangen werden musste, dass derartige Menschenströmungen in Richtung des
Unionsgebietes künftig nicht absinken werden.73

3.2    Grenzen der Europäischen Union

Die Sicherung der Außengrenzen kann als prioritäre Aufgabe der Union bezeichnet
werden.74 Einleitend ist zu beachten, dass es sich bei den Außengrenzen um keine
einheitliche Grenze handelt. Es handelt sich vielmehr um eine Vielzahl von individuellen
Grenzabschnitten, welche vorrangig von den Mitgliedstaaten kontrolliert werden, weshalb
die Verantwortung daher im Wesentlichen bei diesen liegt.

Der Begriff der Außengrenzen kann als reine Fiktion angesehen werden, da es sich aus
völkerrechtlicher Sicht um ein Bündel an Außengrenzen der jeweiligen Mitgliedstaaten
handelt und nicht um eine gemeinsame und einheitliche Grenzlinie. Er wird oftmals als
Synonym mit der Schengen-Außengrenze verwendet. Dies scheint zwar nicht ganz
richtig, aber auf Grund der immer mehr fortschreitenden und zunehmenden
Harmonisierung dieser beiden Territorien nicht völlig obsolet.

71 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda-
migration/proposal-implementation-
package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020
72 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda-

migration/proposal-implementation-
package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020
73 Vgl. Mahler, Ein Rückblick auf die Arbeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Jahr 2016 in

Filzwieser, Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2017 S. 61
74 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen-

aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020
                                                  12
Am Schutz der Außengrenzen beteiligen sich alle Mitgliedstaaten sowie alle Schengen-
Mitgliedstaaten, also auch jene, von welchen wie bereits unter 2.2.2 ausgeführt,
Schengen lediglich in Teilbereichen des Schengener Informationssystems (SIS)
angewendet wird.75 Daher sind auch die Staaten Schweiz, Norwegen und Island
mitumfasst, wenn vom Schutz der Außengrenzen gesprochen wird.76 Zur Unterstützung
der Mitgliedstaaten wurde die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an
den Außengrenzen der Mitgliedstaaten errichtet, auf welche im Anschluss näher
eingegangen wird.

Geographisches Lagebild77:

75 Vgl. Pflüger, Was ist Frontex? (2008) S.17
76 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen-
aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020
77 Vgl. Online-Dokument: https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-frontex-soll-wachsen-kann-das-

funktionieren-a-1215365.html, abgerufen am 19.04.2020
                                                   13
4.     Die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX / Europäische Grenz- und
Küstenwache

Die Grenzschutzagentur FRONTEX78 für die operative Zusammenarbeit an den
Außengrenzen der Mitgliedstaaten wurde 2004 angeregt und 2005 gegründet.79 Am 26.
April 2005 entschied der Rat, dass der Sitz der Agentur in Warschau sein soll.80
Durchschnittlich werden an diesem Standort 500 Bedienstete aus den Unions- sowie aus
den Schengen-Staaten beschäftigt. Die Agentur ist weitgehend bestrebt, ihre operativen
Aktivitäten an den jeweiligen Land-, See- und Flughafen-Außengrenzen zu koordinieren.81
Als Ziel wird ein hohes und einheitliches Niveau82 der Grenzüberwachung sowie der
Personenkontrollen angestrebt.83

4.1    Rechtsgrundlagen

Die Grenzschutzagentur FRONTEX wurde durch die VO (EG) Nr. 2007/200484
eingerichtet. Am 11. Juli 2007 wurde durch die VO (EG) Nr. 863/200785 ergänzend die
Möglichkeit zur Schaffung von Soforteinsatzteams zu Grenzsicherungszwecken86
geschaffen. Am 1. Dezember 2009 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, wodurch sich
auch die Rechtsgrundlagen für die Maßnahmen im Grenzschutz änderten. Die
maßgebliche Rechtsgrundlage von nun an war Art 77 AEUV, welcher in Abs 1 lit c leg cit
die Union dezidiert zur Einführung eines integrierten Systems zum Schutz der

78 Französisch: Frontières Extérieures
79 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
80 Vgl. Beschluss (EG) 2005/358 des Rates vom 26. April 2005 zur Bestimmung des Sitzes der

Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, ABl. 2005 L. 114
81 Vgl. Frontex General Report 2009, Frontex, S. 2
82 Vgl. Online-Dokument: http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/iss_hauser_frontex.pdf,

abgerufen am 19.04.2020
83 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
84 Vgl. Verordnung (EG) Nr 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer

Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, ABl. 2004 L 349
85 Vgl. Verordnung (EG) Nr 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007

über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der
Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten, ABl. 2007 L 199
86 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/MEMO_07_142,

abgerufen am 19.04.2020
                                                 14
Außengrenzen normativ verpflichtete.87 Die VO (EG) Nr. 2007/200488 wurde durch die VO
(EG) Nr. 1168/201189 geändert, welche auf Grundlage dieser neuen Bestimmung erging.
Diese wird in weiterer Folge als FRONTEX-VO bezeichnet. Durch dieses Regelwerk
wurde eine geteilte Zuständigkeit der Union gem Art 2 Abs 2 AEUV fundiert, wonach die
Mitgliedstaaten nach wie vor die Möglichkeit haben, in ihrem jeweiligen und nicht von der
Kompetenz der Union erfassten Raum autonome Regelungen zu erlassen.90 Nach
notwendigen Neuerungen durch die VO (EU) Nr. 610/201391 im Bereich des Schengener
Grenz- und Visakodex sowie des Schengener Durchführungsübereinkommens erfolgte
durch die Neufassung des Schengener Grenzkodex mittels der VO (EU) Nr. 399/201692
die letzte große Novellierung. Eine zusätzliche Änderung erfolgte durch die VO
2016/162493, durch welche FRONTEX in Europäische Grenz- und Küstenwache
(EBCG94) umbenannt worden ist. Ergänzend wurden mehrere Neuerungen geschaffen,
wie die Überwachung der Migrationsströme samt Risikoanalysen, die koordinierte
Unterstützung      in   humanitären      Notsituationen      sowie    der     Beurteilung     von
Schwachstellen95. Dabei besteht nun sogar die Möglichkeit für den Exekutivdirektor, im
Bedarfsfall gegenüber einem Mitgliedstaat maßgebliche und für diesen verbindliche
Empfehlungen abzugeben, welche Art von Aktionen zu ergreifen sind.96 Eine Missachtung

87 Vgl. Hoppe in Lenz/Borchardt (Hrsg), EU-Verträge Kommentar. EUV-AEUV-GRCh6 (2012) Art 77 AEUV
Rn 13
88 Vgl. Verordnung (EG) Nr 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer

Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, ABl. 2004 L 349
89 Vgl. Verordnung (EU) Nr 1168/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober

2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europäischen
Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union, ABl. 2011 L 304
90 Vgl. Lenski in Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar6 Art 2 AEUV Rn 8 f
91 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über einen
Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), des
Übereinkommens von Schengen, die Verordnung (EG) Nr. 1683/95 und (EG) Nr. 539/2001 des Rates
sowie die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 und (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des
Rates, ABl. 2013 L 182
92 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom

09. Marz 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen
(Schengener Grenzkodex), ABl. 2016 L 77
93 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September

2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.
2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.
863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates
und der Entscheidung des Rates 2005/267, ABl. 2016 L 251
94 Auch: European Border and Coast Guard Agency
95 Auch: Stresstest
96 Vgl. Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 14.

September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU)
2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.
                                                15
derartiger Empfehlungen sowie eine wiederholte Verweigerung der Kooperation können
bis zum Ausschluss aus dem Schengen-Raum führen.97

4.2     Aufgaben

Eine Beschreibung der Aufgaben findet sich in der FRONTEX-VO.98 Es handelt sich dabei
um eine Fülle an Maßnahmen und Befugnissen. Zu beachten ist in diesem
Zusammenhang, dass die Kompetenz in Bezug auf die Verantwortung, der Kontrolle
sowie der Überwachung der Außengrenzen bei den jeweiligen Mitgliedstaaten verbleibt.99
Die Grenzschutzagentur FRONTEX soll die Mitgliedstaaten unterstützen und deren
Maßnahmen in Bezug auf den Grenzschutz vereinfachen.100 Die Aufgaben werden ihnen
aber nicht abgenommen, was speziell in Bezug auf den Rechtsschutz wichtig erscheint.
An oberster Stelle des Aufgabenkreises steht die Strukturierung der Zusammenarbeit im
Bereich des Schutzes der Außengrenzen101 auf Grundlage der FRONTEX-VO.102

Seitens der Agentur werden Vorschläge der Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Aktionen
und Projekten angenommen und bewertet. Dazu zählen auch Ersuchen um Unterstützung
in außergewöhnlichen Situationen, welche verstärkte Zusammenarbeit erfordern. Die
Agentur kann umgekehrt auch von sich heraus Projekte und Aktionen unter der Prämisse
durchführen, dass der jeweilige Einsatzmitgliedstaat103 solchen Tätigkeiten zustimmt.
Derartige Aktionen und Pilotprojekte können durch die Agentur auch ohne Einverständnis
des    jeweiligen     Einsatzmitgliedstaates        wieder     beendet      werden,      wenn     deren
Voraussetzungen weggefallen sind.104 Solche Pilotprojekte und Aktionen werden als
operative Grenzschutzmaßnahmen bezeichnet und werden an den See-, Luft- und
Landgrenzen durchgeführt.105

863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates
und der Entscheidung des Rates 2005/267, ABl. 2016 L 251
97 Vgl. Martino, Öffentliche Sicherheit (2017), Ausgabe 1, S. 52
98 Vgl. Art 2 f FRONTEX-VO
99 Vgl. Art 1 Abs 2 FRONTEX-VO
100 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen-

aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020
101 Vgl. Art 2 Abs 1 lit a FRONTEX-VO
102 Vgl. Art 3 f FRONTEX-VO
103 Vgl. Art 1a Z 2 FRONTEX-VO: Als Einsatzmitgliedstaat wird ein „Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet

eine gemeinsame Aktion, ein Pilotprojekt oder ein Soforteinsatz stattfindet oder eingeleitet wird“,
bezeichnet
104 Vgl. Art 3 Abs 1a FRONTEX-VO
105 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen,

Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 92
                                                   16
Eine   weitere     essentielle    Aufgabe     von      FRONTEX      ist   die   Durchführung      von
Risikoanalysen.106 Darunter ist die Vorhersage von zeitlichen und geographischen
Schwerpunkten hinsichtlich irregulärer Grenzübertritte zu verstehen sowie die Bewertung
des    diesbezüglichen      Ausmaßes       auf   die    Mitgliedstaaten.107     Anhand     derartiger
Auswertungen analysiert FRONTEX die Kapazitäten zur Bewältigung der künftigen
Herausforderungen, was insbesondere der Planung künftiger Einsätze dienen soll.108

Ein zusätzliches Netzwerk in Bezug auf Informationen ist die Plattform EUROSUR109,
welche zur Verbesserung im Management beitragen soll. In jedem Mitgliedstaat bestehen
nationale Koordinationszentren. Diese sammeln die jeweiligen Aktivitäten in Bezug auf
ihre Grenzüberwachung in Form von Lagebildern.110 Durch die Agentur wird anschließend
ein europaweites Lagebild sowie ein Bild außerhalb der Außengrenzen erstellt.111 Auf
Basis dieser Informationen erfolgen radar- und satellitenunterstützte Auswertungen, um
bevorstehende Schlepperaktivitäten zu unterbinden. Dies erfolgt unter Einbeziehung der
EMSA112 aus Lissabon sowie dem Satellitenzentrum aus Torrejon in der Nähe von
Madrid.113 Nach erfolgter Planung werden die Ressourcen gebündelt und verteilt. Die
Mitgliedstaaten erfahren durch die Agentur Unterstützung in Form von Bereitstellung
verschiedener Pools, bestehend einerseits aus technischen Ausrüstungsgegenständen
sowie andererseits aus Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten. Sämtliche
Ausrüstungsgegenstände werden bei FRONTEX in einem Zentralregister nummerisch
erfasst, um im Bedarfsfall rasch darauf zugreifen zu können. Zusätzlich besteht für
FRONTEX selbst die Möglichkeit, eigene Ausrüstungsgegenstände114 autonom
anzuschaffen.115

106 Vgl. Art 2 Abs 1 lit c iVm Art 4 FRONTEX-VO
107 Vgl. Online-Dokument: https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/frontex_de, abgerufen am
19.04.2020
108 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen,

Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 84
109 Auch: European border surveillance system
110 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am

19.04.2020
111 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am

19.04.2020
112 Auch: European Maritime Safety Agency
113 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am

19.04.2020
114 Vgl. Art 7 Abs 1 FRONTEX-VO
115 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen,

Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 87
                                                  17
Die Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten werden von den Mitgliedstaaten
entsandt, zusätzliches Personal befindet sich bei FRONTEX selbst. Es handelt sich dabei
um qualifizierte Personen, die für die Dauer von nicht länger als sechs Monaten der
Agentur zugeteilt werden.116 Im Jahr 2011 wurde durch die FRONTEX-VO zusätzlich die
Einsatzmöglichkeit von EBGT117 (Grenzschutzteams) geschaffen. Durch diese sollen
koordinierte Operationen und rasche Interventionen an den Außengrenzen erfolgen. Das
Personal     dieser       Teams    soll      vorwiegend    aus      Grenzschutzbeamtinnen        und
Grenzschutzbeamten           der     Mitgliedstaaten      sowie     Experten     in    Bezug      auf
Grenzmanagement samt Land- und Seeüberwachung und aus dem Bereich der
Erkennung gefälschter Dokumente bestehen.118 Zusätzlich sollen Grenzschutzbeamte
aus den Mitgliedstaaten (SGO119), die wie oben für nicht länger als sechs Monate der
Agentur     beigestellt    werden,     die    EBGT      unterstützen.120   Durch      diese   beiden
Personalbündel ergibt sich ein für operative Maßnahmen dauernd zur Verfügung
stehender     Pool      an    Grenzschutzbeamtinnen           und     Grenzschutzbeamten.        Die
bereitgestellten Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten müssen auf Antrag
von FRONTEX von den jeweiligen Mitgliedstaaten entsandt werden.121

Darüber hinaus besteht für FRONTEX die Möglichkeit zur Unterstützung der jeweiligen
Mitgliedstaaten in außergewöhnlichen Angelegenheiten.122 Auf Ersuchen eines
Mitgliedstaates kann die Agentur ihre Experten sowie Teams zum Grenzschutz und
Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stellen.123 Für besonders dringende Bedürfnisse
wurde die Möglichkeit von Soforteinsätzen geschaffen, wodurch die Möglichkeit besteht,
Teams zum Grenzschutz in einen Mitgliedstaat für einen befristeten Zeitraum zu
entsenden,      falls     dieser     kurzfristig   einem      erhöhten     Einreisedruck       durch
Drittstaatsangehörige ausgesetzt ist.124 Neben diesen zahlreichen Aufgaben hat
FRONTEX noch die jeweiligen Mitgliedstaaten bei der Ausbildung ihrer jeweiligen

116 Vgl. Online-Dokument: https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/frontex_de, abgerufen am
19.04.2020
117 Auch: European Border Guard Teams
118 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/careers/frontex-border-guard-

recruitment/, abgerufen am 19.04.2020
119 Auch: Seconded Guest Officers
120 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/careers/frontex-border-guard-

recruitment/, abgerufen am 19.04.2020
121 Vgl. Art 3b Abs 2 FRONTEX-VO
122 Vgl. Art 2 Abs 2 lit a und e FRONTEX-VO
123 Vgl. Art 8 Abs 2 und Abs 3 FRONTEX-VO
124 Vgl. Art 8a FRONTEX-VO
                                                   18
Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten sowie bei der Zurückführung von
Drittstaatsangehörigen zu unterstützen.125

4.3     Organisation

Bei FRONTEX handelt es sich um eine europäische Agentur, in concreto um eine
sogenannte Regulierungsagentur126. Regulierungsagenturen sind als Körperschaften des
europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet.127
Daneben       existieren     noch     Exekutivagenturen,        welchen        aber    nur    gewisse
Verwaltungsangelegenheiten von der Kommission übertragen werden. Beide agieren in
weiten Teilen organisatorisch und finanziell unabhängig. 128 Sofern eine genaue
Abgrenzung erfolgt, können den Regulierungsagenturen von der Kommission jene
Befugnisse übertragen werden, die dieser selbst zustehen.129 Eine genaue Definition, was
unter einer Agentur zu verstehen ist, existiert nicht.130 Die Etablierung erfolgt meist durch
einen Sekundärrechtsakt, lediglich ein paar wenige werden durch einen Primärrechtsakt
eingerichtet.131 Für FRONTEX findet sich keine Rechtsgrundlage im Primärrecht. Als
damaliger Beweggrund zur Gründung von FRONTEX wurde von der Kommission die für
sie damit einhergehende Exkulpation genannt. Eine Überzeugung der Mitgliedstaaten
über den Bedarf einer derartigen Grenzschutzagentur erfolgte insofern, als ihnen dadurch
große Einflussmöglichkeiten durch ihre jeweilige Vertretung im agenturinternen
Verwaltungsrat eingeräumt wurden.132

Die interne Organisation der Agentur erfolgt durch drei Abteilungen, in concreto der
Abteilung für Operationen, für Kapazitätsaufbau und der Verwaltungsabteilung.133 Jede
Abteilung ist weiters in einzelne Referate gegliedert. Die beiden wichtigsten Organe sind
einerseits     der     Verwaltungsrat        und        andererseits     der     Exekutivdirektor/die
Exekutivdirektorin. Seit 2015 leitet der Franzose Fabrice Leggeri als Exekutivdirektor 134

125 Vgl. Art 2 Abs 1 lit f iVm Art 9 sowie Art 2 Abs 1 lit b iVm Art 5 FRONTEX-VO
126 Vgl. Art 15 Abs 1 FRONTEX-VO.
127 Vgl. Lenski in Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar6 Art 13 EUV Rn 19 f
128 Vgl. Isak in Hafner/Kumin/Weiss (Hrsg.), Recht der Europäischen Union (2013), S. 169
129 Vgl. Streinz, Europarecht9 (2012), S. 151
130 Vgl. Fischer-Lescano/Tohidipur, Europäisches Grenzkontrollregime - Rechtsrahmen der europäischen

Grenzschutzagentur Frontex, ZaöRV 67 (2007) Rn 1219, 1231
131 Vgl. Streinz, Europarecht9 (2012), S. 152
132 Vgl. Leonard, Journal of Contemporary European Research 5/3 (2009) S. 375
133 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/structure/, abgerufen am

19.04.2020
134 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
                                                   19
die Agentur.135 Als stellvertretender Exekutivdirektor fungiert seit 2016 der Österreicher
Mag. Berndt Körner136. Das Personal von FRONTEX umfasst derzeit 373 Personen,
davon sieben Österreicher.137 Die nationale Kontaktstelle in Österreich befindet sich im
Bundesministerium für Inneres, Referat II/2/e.138 Österreich wird im Verwaltungsrat durch
Generalmajor Robert Strondl, sowie durch seinen Stellvertreter Brigadier Günther
Schnittler vertreten.139

In der inneren Organisation steht der Verwaltungsrat an der obersten Stelle, welcher sich
jeweils aus einem Vertreter/einer Vertreterin eines Mitgliedstaates sowie der Schengen-
assoziierten    Staaten     und     zwei    Vertreter/zwei     Vertreterinnen      der   Kommission
zusammensetzt.140 Die Mitglieder aus Großbritannien und Irland haben dabei kein
Stimmrecht. Norwegen, Island, Schweiz und Liechtenstein kommt hingegen ein
beschränktes Stimmrecht zu. Zu seinen Kernaufgaben zählen einerseits die Bestellung
und    das     damit    verbundene         Disziplinarwesen     über     den     Exekutivdirektor/die
Exekutivdirektorin sowie andererseits die Entscheidungen hinsichtlich Personal und
Budget sowie die Erstellung eines Tätigkeitsberichts.141 Er tagt in der Regel an fünf
Terminen im Jahr, die Leitung obliegt dem Vorsitzenden.142

Der Exekutivdirektor/die Exekutivdirektorin ist das operative Element der Agentur,
welche/r ein Bündel an Aufgaben und Befugnissen zu bewältigen hat. Dazu gehören die
Vorbereitung und Umsetzung von Beschlüssen, Tätigkeiten durch den Verwaltungsrat
sowie die gesamte Leitung des inneren Dienstes samt Personal und Budget. Bei der
Durchführung operativer Maßnahmen obliegt diesem/dieser die Umsetzung der
Einsatzpläne.143

135 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/executive-profiles/,
abgerufen am 19.04.2020
136 Vgl. Online-Dokument: https://bmi.gv.at/news.aspx?id=524446504D6B6D6E3252673D, abgerufen am

19.04.2020
137 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
138 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
139 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020
140 Vgl. Art 21 FRONTEX-VO
141 Vgl. Art 20 Abs 2 FRONTEX-VO
142 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/structure/, abgerufen am

19.04.2020
143 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen,

Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 50
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