Freizügigkeit und Grenzschutz an den EU - Außengrenzen
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Eingereicht von Philipp Eibensteiner Angefertigt am Freizügigkeit und Institut für Europarecht Grenzschutz an den Beurteilung EU – Außengrenzen Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Leidenmühler April 2020 Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Freistadt, 28.04.2020 Unterschrift (Philipp Eibensteiner) II
Danksagung An erster Stelle geht mein größter Dank an Herrn Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Leidenmühler, Institutsvorstand am Institut für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz und Betreuer meiner gegenständlichen Diplomarbeit, für die Übernahme der Betreuung und seiner äußerst schnellen, unkomplizierten und stets freundlichen Unterstützung beim Verfassen. Ein unschätzbarer Dank geht an meine Eltern, Werner und Manuela Eibensteiner, für ihre unermüdliche Unterstützung. Ohne deren Hilfe wäre es mir nicht möglich, neben meiner äußert fordernden und zeitintensiven Vollzeitbeschäftigung als Polizeibeamter nebenberuflich das Diplomstudium der Rechtswissenschaften erfolgreich zu absolvieren. Sie standen mir bei allen Höhen und Tiefen stets mit Rat und Tat zur Seite. Zuletzt möchte ich mich noch bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die mich im Laufe meiner dienstlichen Tätigkeit in Wien und Linz unterstützt und mir in intensiven Prüfungsphasen so gut als möglich den Rücken frei gehalten haben. Ohne deren kollegiale Unterstützung wäre die Absolvierung eines Studiums neben meinem Beruf um ein vielfaches schwieriger. III
1. Einleitung 2. Freizügigkeit an den europäischen Binnengrenzen - Sekundärrecht 2.1 Unionsbürgerrichtlinie - Freizügigkeitsrichtlinie 2.2 Schengen 2.2.2 Schengen Raum 2.2.3 Schengener Abkommen – Schengen I 2.2.4 Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II) 2.2.5 Schengener Informationssystem (SIS I) 2.2.6 Schengener Informationssystem (SIS II) 2.3 Prümer Vertrag (Schengen III) 2.4 Schengener Grenzkodex 2.5 Europäische Asylpolitik - Dubliner Übereinkommen, Dublin II+III Verordnung 3. Sicherung der Außengrenzen 3.1 Einführung 3.2 Grenzen der Europäischen Union 4. Die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX / Europäische Grenz- und Küstenwache 4.1 Rechtsgrundlagen 4.2 Aufgaben 4.3 Organisation 4.4 Extraterritoriale Maßnahmen 4.5 Operative Maßnahmen 4.6 Exkurs: Geltende Grund- und Menschenrechte 4.7 Exkurs: Rechtsschutz 4.8 Schlussfolgerung und Verbesserungsvorschläge 5. Aktuelle Fragen für die Zukunft 5.1 Eine Festung Europa als Lösung aller Probleme? 5.2 Schlussfolgerung und Aktuelles IV
1. Einleitung Im Jahr 1985 wurde das Schengener Übereinkommen unterzeichnet, wodurch ein erster Versuch unternommen wurde, von Kontrollen im Bereich der Binnengrenzen der Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft Abstand zu nehmen und sich stattdessen vorwiegend auf den Grenzschutz an den Außengrenzen zu fokussieren. Das Schengen-System kann heute zweifellos als eine fundamentale Errungenschaft der Europäischen Union bezeichnet werden, da es wesentlich zum Konzept eines einheitlichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beigetragen hat. Der damit einhergehende freie Waren- und Personenverkehr sowie das unkontrollierte Passieren der Binnengrenzen stellen das Herzstück der europäischen Identität dar. Dieses Schengen-System bewährte sich einige Jahre sehr gut, in den vergangenen Jahren wurde es jedoch vermehrt vor große Verantwortungen gestellt. Durch die zunehmende Globalisierung und den Flüchtlingsströmungen nach Europa wurden völlig neuartige Problemstellungen geschaffen, welche das bisherige Schengen- Regelwerk in seiner bisherigen Geltung kritisch examinierten. Der teilweise massive Zustrom von Flüchtlingen im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise in Europa aus den Jahren 2015 und 2016 versetzte vorwiegend die Mitgliedstaaten der Außengrenzen wie insbesondere Italien und Griechenland in eine vorübergehende Notlage, da sie den Schutz an den Außengrenzen teilweise nicht mehr aufrecht halten konnten und diesen als gefährdet angesehen hatten. In weiterer Folge kam es dazu, dass das Schengen-System von einigen europäischen Ländern vorübergehend außer Kraft gesetzt und stattdessen an den Binnengrenzen vorübergehende Grenzkontrollen wieder aufgenommen wurden. Die vorliegende Diplomarbeit soll einen Überblick über das Regelwerk der Freizügigkeit an den Binnengrenzen sowie dem Schutz an den europäischen Außengrenzen nachgehen, welcher insbesondere durch die Europäische Agentur zur Grenz- und Küstenwache FRONTEX vorgenommen wird. 1
2. Freizügigkeit an den europäischen Binnengrenzen - Sekundärrecht 2.1 Unionsbürgerrichtlinie/Freizügigkeitsrichtlinie Die RL 2004/38/EG1, auch als Unionsbürger- bzw. Freizügigkeitsrichtlinie bezeichnet, legt aktuell die Bedingungen für die Freizügigkeit und den Aufenthalt der Unionsbürger2 sowie deren Familienangehörige fest. Davon erfasst sind sowohl erwerbstätige als auch nicht erwerbstätige Personen, also insbesondere Arbeitnehmer, Studierende, Selbständige und Pensionisten.3 Das wesentliche Kernelement darin ist die sogenannte Reisefreiheit, welche die Ein- und Ausreise von einem Mitgliedstaat in einen anderen mit einem gültigen Reisedokument auch ohne ein Visum ermöglicht. Der Zweck des Aufenthalts ist dabei irrelevant.4 Sie verleiht sohin allen Unionsbürgern das persönliche Recht, sich im Unionsgebiet frei zu bewegen, aufzuhalten und sich bis zu drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, ohne weitere Bedingungen oder Formalitäten zu erfüllen. Ein darüber hinausgehender Aufenthalt verlangt die Anmeldung bei den Aufenthalts- und Niederlassungsbehörden des jeweiligen Mitgliedstaates. Nach einem rechtmäßigen durchgehenden Aufenthalt von fünf Jahren besteht zusätzlich die Möglichkeit zur Erlangung eines Daueraufenthaltes im jeweiligen Mitgliedstaat. Im Falle des Aufenthaltes eines Unionsbürgers von einem Zeitraum von fünf oder mehr Jahren ist selbst bei Straffälligkeit eine Ausweisung in dessen Herkunftsland nicht mehr ohne weiteres zulässig. Diese Rechte dürfen von den Mitgliedstaaten ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit sowie Gesundheit5 unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden.6 1 Vgl. Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. 2004 L. 158 2 Vgl. Art 20 Abs 1 AEUV: Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU besitzt 3 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 514 4 Vgl. Leidenmühler, Europarecht3 S. 243 f 5 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we- do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation-package/docs/return_handbook_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020 6 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 514 2
2.2 Schengen Der Name Schengen stammt von einem gleichnamigen Ort in Luxemburg. Der Name dieser eher kleinen Gemeinde hat große Bedeutung. Anfang der 1980er – Jahre zeichnete sich ab, dass nicht alle Mitgliedstaaten dazu bereit waren, ihre damaligen Grenzkontrollen einzustellen. In weiterer Folge kam es dazu, dass am 13.07.1984 das Saarbücker Abkommen zwischen Frankreich und Deutschland in der Nähe des Grenzüberganges zwischen Frankreich und Deutschland als Regierungsübereinkommen abgeschlossen wurde.7 Dieser erste Akt trat gleich am darauffolgenden Tag ohne Ratifizierung in Kraft und kann heute zweifellos als Vorreiter der späteren Schengener Verträge angesehen werden.8 Österreich war zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied der EG9, zeigte sich aber zunehmend interessiert an derartigen vereinfachten Grenzkontrollen. In weiterer Folge kam es auch zu teilweisen Vereinfachungen, vorerst nur beschränkt auf die jeweiligen Staatsbürger. 2.2.2 Schengen Raum Beim Schengen Raum handelt es sich aktuell um ein Gebiet aus 26 Staaten, welches aus 22 Mitgliedstaaten10 der Union sowie den 4 Mitgliedstaaten11 der EFTA12 besteht.13 Diese Staaten haben ihre Kontrollen im Bereich der gemeinsamen Grenzen aufgehoben. Innerhalb der 22 Mitgliedstaaten der Union kommt es zu einer Vollanwendung des Schengen-Abkommens. Die 4 Mitgliedstaaten der EFTA sind assoziierte Partner des Schengen-Raums. Auf Grund der Tatsache, dass die Schweiz keine Zollunion mit der Union abgeschlossen hat, sind Warenkontrollen an deren Grenze weiterhin zulässig.14 Vergleichbare Regelungen gelten auch für das Fürstentum Liechtenstein. In den beiden (noch) Mitgliedstaaten Irland und Großbritannien wird Schengen lediglich in Teilbereichen des Schengener Informationssystems (SIS) angewendet, was in erster Linie der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden dienen soll. 7 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 13 8 Vgl. Würz, Das Schengener Durchführungsübereinkommen Rz. 11 9 Auch: Europäische Gemeinschaft 10 Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Griechenland, Malta, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn 11 Schweiz, Norwegen, Fürstentum Liechtenstein und Island 12 Auch: Europäische Freihandelsassoziation 13 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 5 14 Vgl. Online-Dokument: https://www.infopoint-europa.de/assets/Eckert-Der-Schengen-Raum-ein- Ueberblick.pdf, abgerufen am 19.04.2020 3
2.2.3 Schengener Abkommen – Schengen I Das Schengener Abkommen wurde am 14.06.1985 abgeschlossen. Ziel dieses Abkommens war es, an den Grenzen zwischen den Benelux-Staaten, Deutschland und Frankreich keine Personenkontrollen mehr durchzuführen sowie die Kontrolle der Außengrenzen zu vereinheitlichen. In der Lehre wird auch die Ansicht vertreten, dass dadurch der erste Schritt in Richtung der echten Personenverkehrsfreiheit gesetzt wurde.15 Als völkerrechtlicher Vertrag war es notwendig geworden, da nicht alle Mitgliedstaaten dazu bereit waren, ihre Kontrollen aufzuheben. Durch das Schengen I Abkommen wurde aber erst der schrittweise Abbau der Grenzkontrollen eingeleitet. 2.2.4 Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II) Das zuvor unter 2.2.3 angeführte Schengener Abkommen (Schengen I) diente lediglich der schrittweisen Einstellung bzw. Abschaffung der Grenzkontrollen. Am 19.06.1990 wurde in weiterer Folge das Schengener Durchführungsübereinkommen zur gänzlichen Einstellung von Grenzkontrollen (Schengen II) unterzeichnet. Erst durch dieses Abkommen wurde eine Verpflichtung dahingehend eingeführt.16 Der Inhalt des Schengener Durchführungsübereinkommens (Schengen II) erstreckt sich auf die gänzliche Abschaffung der Grenzkontrollen im Bereich der Binnengrenzen sowie den freien Personenverkehr. Der Grenzübertritt stellt dabei nicht auf Unionsbürger ab, sondern soll allen Personen in gleichem Umfang zukommen.17 Die Schengen- Außengrenzen dürfen dabei nur an den Grenzübergängen überquert werden, eine Kontrolle dieser wurde dadurch vereinheitlicht.18 In Bezug auf Drittstaatsangehörige einigte man sich auf eine einheitliche Liste sichtvermerkspflichtiger19 Drittstaaten.20 15 Vgl. Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht 1, § 6 Rz. 34 16 Vgl. Achermann/Bieber/Epiney/Wehner, Schengen und die Folgen S. 25 17 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 44 18 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 46 19 Auch: Visum 20 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 48 4
2.2.5 Schengener Informationssystem (SIS I) Im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum schienen damals Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlich. 21 Es kam zur Installierung des heute einheitlichen Informationssystems für Behörden, dem Schengener Informationssystems (SIS I) als gemeinsame Plattform zum Austausch relevanter Informationen. Mit Art 92 Abs 1 des Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II) wurde die Informationsplattform für die Kommunikation der Ausländer-, Polizei- und Zollbehörden einer rechtlichen Grundlage zugeführt.22 Das Schengener Informationssystem (SIS) ist heute aus dem polizeilichen Alltag nicht mehr wegzudenken und kann somit zu Recht als das wesentlichste Werkzeug einer effektiven Personenkontrolle an den Außengrenzen bezeichnet werden.23 Es wird täglich von Polizei-, Visum-, Zoll-, Justiz- und Grenzschutzbehörden im gesamten Schengen- Raum verwendet.24 Inhaltlich besteht es aus einem elektronischen Personen- und Sachenfahndungssystem, auf welches die jeweiligen Mitgliedstaaten zur koordinierten Fahndung zugreifen können. Aus diesem System lassen sich sämtliche relevanten Informationen über Personen, die einer schweren Straftat verdächtigt werden und nicht zur Einreise in das Unionsgebiet berechtigt sind sowie über abgängige Personen oder gestohlene Gegenstände aller Art, binnen kürzester Zeit durch elektronische Anfragen entnehmen. Die zentrale Datenbank wird von Straßburg aus betrieben, jeder Staat unterhält daneben seine eigene Datenbank.25 Der Betrieb in dieser Form erfolgte zwischen den Jahren 1995 und 2013.26 21 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 62 22 Vgl. Pudlat, Schengen S. 183 23 Vgl. Lenz/Borchard, EU Verträge5 Art. 77 Rz. 8 24 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6 25 Vgl. Lenz/Borchard, EU Verträge5 Art. 77 Rz. 8 26 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6 5
2.2.6 Schengener Informationssystem (SIS II) Durch die VO 2006/1987/EG27 wurde das Schengener Informationssystem in seiner bestehenden Form erneuert.28 Die Inbetriebnahme erfolgte im Jahr 2013, da sich die ursprüngliche Installierung aus dem Jahr 2006 verzögerte. 29 Wesentliche Intention der Erneuerung waren technische Updates sowie die Installationsmöglichkeit von weiteren Mitgliedstaaten.30 2.3 Prümer Vertrag (Schengen III) Am 27.05.2005 wurde zwischen Frankreich, Deutschland, Belgien, Spanien, Luxemburg, Niederlande und Österreich der Vertrag von Prüm (Schengen III) als völkerrechtlicher Vertrag geschlossen.31 Durch den Beschluss 2008/615/JI32 wurden die Vorschriften des Prümer Vertrags in das Unionsrecht übernommen.33 Die Intention dieses Vertrages lag im verbesserten Informationsaustausch zur koordinierten Verbrechensbekämpfung, wodurch insbesondere Möglichkeiten zum Austausch gesicherter DNA – und daktyloskopischer Spuren zum Trefferabgleich in Bezug auf die Strafverfolgung geschaffen wurden.34 Zusätzlich wurden neue weitere Möglichkeiten zur Abfrage von Fahrzeughalterdaten zur Verbrechensbekämpfung und zur Prävention geschaffen. 27 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), ABl. 2008 L. 381 28 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2852 29 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6 30 Vgl. Europäischer Rechnungshof Sonderbericht 03/2014 S. 6 31 Vgl. Böse, Enzyklopädie Europarecht 9 § 17 Rz. 96 32 Vgl. Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. 2008 L 210 33 Vgl. Heesen, Interne Abkommen S. 56 34 Vgl. Breitmoser/Gless/Lagodny, Schengen und Dublin in der Praxis S. 142 6
2.4 Schengener Grenzkodex Die VO 2006/562/EU35 erging auf Grundlage von Art 62 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft36 und schaffte ein Regelwerk für das durchqueren der Binnengrenzen sowie Grenzkontrollen von Personen bei Überschreitung der Außengrenzen.37 Sämtliche Mitgliedstaaten hatten von nun an sicherzustellen, dass die Binnengrenzen an jeder Stelle und von jeder Person durch einheitliche Standards überschritten werden können, ohne sich einer Personenkontrolle zu unterziehen und ohne auf die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Personen abzustellen. Durch den Schengener Grenzkodex soll der Gedanke des einheitlichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bestärkt werden.38 Die Gewährung des freien Personenverkehrs genießt höchste Priorität im Raum der Mitgliedstaaten. Eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen soll nur mehr im äußersten Notfall durchgeführt werden.39 Voraussetzungen für eine vorübergehende oder kurzfristige Wiedereinführung von Grenzkontrollen sind eine schwerwiegende Bedrohung für die innere Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung.40 Die Dauer derartiger Kontrollen soll grundsätzlich den Zeitraum von 30 Tagen nicht übersteigen.41 Für Unionsbürger muss auf Grund deren Freizügigkeit eine eigene getrennte Kontrollspur42 geschaffen werden, um deren Wartezeiten an den Grenzen zu verkürzen.43 Während die Reisedokumente der Unionsbürger nur vorgewiesen werden müssen, hat bei Drittstaatsangehörigen44 eine gewissenhafte Dokumentation durch den jeweiligen Ein- bzw. Ausreisestempel zu erfolgen.45 Die Beweislast in Hinblick auf die maximale 35 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. 2006 L 105 36 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. 2006 L 105 37 Vgl. Online-Dokument: http://www.recht-sicherheit.ch/international- Schengen/articles/Weiterentwicklung_Schengen.html, abgerufen am 19.04.2020 38 Vgl. Online-Dokument: https://www.parlament.gv.at/PERK/GL/EU/S.shtml, abgerufen am 19.04.2020 39 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. 2006 L 105 40 Vgl. Online-Dokument: https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52010DC0554&from=EN, abgerufen am 19.04.2020 41 Vgl. Klamert, EU-Recht Rz. 361 42 Vgl. Art 9 Schengener Grenzkodex 43 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2845 44 Vgl. Art 1 Schengener Durchführungsübereinkommen: Drittstaatsangehörige/r (auch: Drittausländer) ist, wer nicht Staatsangehörige/r eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ist 45 Vgl. Art 10 Schengener Grenzkodex 7
Aufenthaltsdauer von Drittstaatsangehörigen im Unionsgebiet liegt bei den Drittstaatsangehörigen, da diese widrigenfalls ausgewiesen werden können.46 Eine Überschreitung der Außengrenzen hat somit ausschließlich an dafür vorgesehenen Grenzübergangsstellen und festgeschrieben Verkehrsstunden zu erfolgen.47 Aus dem Erwägungsgrund Nummer 6 des Schengener Grenzkodex ergibt sich für die Mitgliedstaaten, dass im Falle des Einbrechens der effektiven Kontrolle an den Außengrenzen fremdenpolizeiliche Maßnahmen48 im jeweiligen innerstaatlichen Gebiet weiterhin gerechtfertigt sind. Durch Artikel 21 des Schengener Grenzkodex ergibt sich für die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit, Kontrollen innerhalb ihres Hoheitsgebietes durchführen zu können. Diese Kontrollen finden jedoch nicht als übliche Grenzkontrollen statt, sondern werden jeweils im Rahmen ihrer präventiven Möglichkeiten als Ausgleichsmaßnahmen diskriminierungsfrei durchgeführt.49 Die Gewährung des freien Personenverkehrs kann als eine der größten Errungenschaften der Union angesehen werden. Mit dem stufenweisen Abbau der Grenzkontrollen ergaben sich aber zunehmend neue Problemstellungen, wodurch eine normative Nachjustierung als notwendig erachtet worden ist. Die VO 2006/562/EU50 wurde durch die VO 2013/1051/EU51 in wichtigen Punkten geändert. Wesentlicher Inhalt ist die gemeinsame Regelung zur vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen52 an den Binnengrenzen auf Grund außergewöhnlicher Umständen.53 Kommt es zu einem Umstand, der eine derartige Einschränkung als unumgänglich erachtet, können diese wieder eingeführt werden.54 46 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2846 47 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2844 48 Auch: Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt 49 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht Band 6 Rz. 2840 50 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. 2006 L 105 51 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295 52 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we- do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation- package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020 53 Vgl. Art 77 Abs 1 und Abs 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) 54 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295 8
Derartige Maßnahmen unterliegen einer strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit und dürfen nur die absolute Ausnahme darstellen, da Einschränkungen in Form von langen Grenzwartezeiten sowie Unsicherheiten der Bevölkerung damit einhergehen.55 Als maßgebliche Kriterien zur Prüfung der Erforderlichkeit werden die Aspekte der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit herangezogen.56 Zusätzlich wurde festgehalten, dass an den Außengrenzen weiterhin Grenzkontrollen zum Schutz vor illegaler Zuwanderung, der Bekämpfung des Menschenhandels sowie der organisierten Kriminalität zu erfolgen haben, was als Kernelement zur Gewährung der inneren Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der Gesundheit angesehen wird. 57 Andererseits wurden wichtige Analysemöglichkeiten in Bezug auf das Erkennen konkreter Risikolagen und der Bedrohung der inneren Sicherheit geschaffen. 2.5 Europäische Asylpolitik - Dubliner Übereinkommen, Dublin II+III Verordnung Durch dieses geschaffene System bestand die Gefahr, dass sich asylsuchende Personen im Falle eines negativen Asylverfahrens vom Erstantragsstaat bedingt durch die nun offenen Grenzen in einen Zweitantragsstaat begeben und dort einen neuen Asylantrag stellen. Durch das Dubliner Übereinkommen aus dem Jahr 1990 wurde eine Zuständigkeitskompetenz für Asylverfahren desjenigen Staates begründet, in welchen der Asylwerber zuerst in den Schengen Raum eingereist ist, was auch als „one-chance-only- Prinzip“ bezeichnet wird. Diese Entscheidung im Asylverfahren soll dann für alle Mitgliedstaaten gelten und dieser Erststaat soll danach auch für die Rückführung im Falle eines negativen Asylverfahrens zuständig sein.58 55 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295 56 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen, ABl. 2013 L. 295 57 Vgl. Europol-Jahresbericht 2010, S. 60 58 Vgl. Taschner, Schengen Rz. 52 9
3. Sicherung der Außengrenzen 3.1 Einführung Im Jahr 2015 sind über die Grenzen von Griechenland und Italien ca. eine Million Migrantinnen und Migranten59 irregulär in das Unionsgebiet eingedrungen. Dabei handelte es sich überwiegend um Menschen aus den syrischen, libyschen, irakischen und afghanischen Bürgerkriegsgebieten, welche über die Fluchtroute von der Türkei kommend über die Inseln Lesbos, Samos, Leros und Kos nach Griechenland gelangt sind, auf griechischem Boden erstmals das Unionsgebiet betraten und als Wunschziel ihrer Flucht überwiegend Deutschland anvisiert hatten. Eine weitere Fluchtroute bestand über Nordafrika nach Italien. Die Flucht erfolgte in Schiffen und Booten, welche überwiegend überfüllt und nur bedingt bzw. gar nicht seetauglich waren. Dabei gab es auch zahlreiche Unfälle. Im Jahr 2015 ereigneten sich 3771 Todesfälle auf dieser Route.60 Die Hauptursache für diese massiven Migrationsströmungen über die Westbalkanroute war die damalige Bürgerkriegssituation in Libyen und Syrien.61 In diesem Jahr konnten mehr als 100.000 Personen auf See gerettet und an Land gebracht werden. Die Zahl der irregulären Grenzübertritte von Libyen nach Italien betrug in etwa 150.000.62 Die Anzahl der irregulären Grenzübertritte nach Griechenland ist 2015 im Vergleich zum Jahr 2014 von 50.000 auf über 885.000 gestiegen.63 Die Sicherung der Außengrenzen gestaltete sich in diesen Bereichen aufgrund der geographischen Struktur besonders schwierig. Diese Zahlen aus dem Jahr 2015 stellten die Mitgliedstaaten vor eine schwierige Herausforderung, viele schienen durch diese Problemstellung gar hilflos und überfordert.64 Es handelte sich zweifellos um die bis dato 59 Vgl. Österreichisches Wörterbuch Schulausgabe43 (2016): Migrant ist ein Zu- und Auswanderer bzw. ein Mensch auf Wanderung 60 Vgl. Brandl, Asyl und Einwanderung, Jahrbuch Europarecht 2016 S. 355 61 Vgl. Hummer, Die Europäische Union – das unbekannte Wesen, Die EU in 40 Artikeln Band 3 (2017) S. 366 62 Vgl. Online-Dokument: https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/interview-mit-chef-der- grenzschutzagentur-frontex-14050443.html, abgerufen am 19.04.2020 63 Vgl. Online-Dokument: https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/interview-mit-chef-der- grenzschutzagentur-frontex-14050443.html, abgerufen am 19.04.2020 64 Vgl. Hipold, Die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 – Reformbedarf angesichts der Flüchtlingskrise? migraLex 2016, S. 2 10
größte Menschen- bzw. Migrationsströmung seit dem zweiten Weltkrieg in einem bis dahin völlig unbekannten Ausmaß. Zu beachten ist, dass die Einreise von Drittstaatsangehörige/n in das Unionsgebiet aus humanitären Gründen gestattet werden kann, selbst wenn die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Einreise nicht vorliegen.65 Es kam in weiterer Folge jedoch zum unkontrollierten Durchwinken von Migrantinnen und Migranten an den Außengrenzen, ohne Unterscheidung, ob es sich dabei um Flüchtlinge aus den zuvor genannten Bürgerkriegsgebieten oder um reine Wirtschaftsflüchtlinge handelte. Durch diese großen Zuströme sahen sich insbesondere die Sicherheitsbehörden vor schier unüberwindbare Aufgaben gestellt. Infolge dieser Massenfluchtbewegungen und der damit verbundenen unkontrollierten und willkürlichen Einreise entschied sich Österreich Mitte September 2015 für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen.66 Erwägungsgrund Nr. 26 des Schengener Grenzkodex normiert zwar, dass Migration und die damit verbundene Überschreitung der Grenzen durch eine Vielzahl von Drittstaatsangehörige an sich keine Bedrohung für die öffentlichen Ordnung und die inneren Sicherheit darstellt. In ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2015 hat die Kommission jedoch ausgeführt, dass in Österreich diese vorübergehende Wiedereinführung gerechtfertigt war, da der massive Zustrom nach Österreich tatsächlich zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führen hätte können.67 Österreich führte anschließend unter Ausschöpfung sämtlicher Verlängerungen und Suspendierungsmöglichkeiten auf Grundlage des Schengener Grenzkodex68 vorübergehend temporäre Grenzkontrollen bis zum 10. Mai 2018 durch. In der Zwischenzeit erstellte die Kommission einen Fahrplan zur Wiederherstellung des Schengen-Raums. Sie setzte sich die Rückkehr zu einem regulär funktionierenden Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen bis spätestens Ende 2016 zum Ziel69 und nannte als Voraussetzung für die Freizügigkeit ohne Binnengrenzen sichere Außengrenzen.70 65 Vgl. Art 5 Abs 4 lit c Schengener Grenzkodex 66 Vgl. Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen vom 25.09.2015, BGBl. II Nr. 279/2015 67 Vgl. Arnez/Völker, Öffentliches Recht 2016 S. 37 68 Vgl. Art 29 Schengener Grenzkodex 69 Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission: Zurück zu Schengen – ein Fahrplan, COM(2016) 120 final, vom 04.03.2016 70 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda- migration/proposal-implementation- package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020 11
Inhaltlich wurde die Erforderlichkeit eines effektiven Grenzmanagements, der Registrierung neu angekommener Flüchtlinge sowie die Notwendigkeit von Umverteilungs- oder Rückführungsverfahren erkannt.71 Sämtliche irregulär in das Unionsgebiet eingedrungene Drittstaatsangehörige müssen identifiziert, registriert und aufgenommen, nicht schutzbedürftige Personen sollen zurückgeführt werden.72 Die Sicherung der Außengrenzen wurde als unzureichend erachtet, weshalb die Sicherung dieser, insbesondere in Griechenland, als prioritäre Aufgabe erachtet wurde, um derartigen Herausforderungen künftig gewachsen zu sein, da in Anbetracht der angespannten Lage in den zuvor ausgeführten Bürgerkriegsgebieten davon ausgegangen werden musste, dass derartige Menschenströmungen in Richtung des Unionsgebietes künftig nicht absinken werden.73 3.2 Grenzen der Europäischen Union Die Sicherung der Außengrenzen kann als prioritäre Aufgabe der Union bezeichnet werden.74 Einleitend ist zu beachten, dass es sich bei den Außengrenzen um keine einheitliche Grenze handelt. Es handelt sich vielmehr um eine Vielzahl von individuellen Grenzabschnitten, welche vorrangig von den Mitgliedstaaten kontrolliert werden, weshalb die Verantwortung daher im Wesentlichen bei diesen liegt. Der Begriff der Außengrenzen kann als reine Fiktion angesehen werden, da es sich aus völkerrechtlicher Sicht um ein Bündel an Außengrenzen der jeweiligen Mitgliedstaaten handelt und nicht um eine gemeinsame und einheitliche Grenzlinie. Er wird oftmals als Synonym mit der Schengen-Außengrenze verwendet. Dies scheint zwar nicht ganz richtig, aber auf Grund der immer mehr fortschreitenden und zunehmenden Harmonisierung dieser beiden Territorien nicht völlig obsolet. 71 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda- migration/proposal-implementation- package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020 72 Vgl. Online-Dokument: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda- migration/proposal-implementation- package/docs/managing_the_refugee_crisis_state_of_play_20160210_de.pdf, abgerufen am 19.04.2020 73 Vgl. Mahler, Ein Rückblick auf die Arbeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Jahr 2016 in Filzwieser, Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2017 S. 61 74 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen- aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020 12
Am Schutz der Außengrenzen beteiligen sich alle Mitgliedstaaten sowie alle Schengen- Mitgliedstaaten, also auch jene, von welchen wie bereits unter 2.2.2 ausgeführt, Schengen lediglich in Teilbereichen des Schengener Informationssystems (SIS) angewendet wird.75 Daher sind auch die Staaten Schweiz, Norwegen und Island mitumfasst, wenn vom Schutz der Außengrenzen gesprochen wird.76 Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten wurde die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten errichtet, auf welche im Anschluss näher eingegangen wird. Geographisches Lagebild77: 75 Vgl. Pflüger, Was ist Frontex? (2008) S.17 76 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen- aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020 77 Vgl. Online-Dokument: https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-frontex-soll-wachsen-kann-das- funktionieren-a-1215365.html, abgerufen am 19.04.2020 13
4. Die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX / Europäische Grenz- und Küstenwache Die Grenzschutzagentur FRONTEX78 für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten wurde 2004 angeregt und 2005 gegründet.79 Am 26. April 2005 entschied der Rat, dass der Sitz der Agentur in Warschau sein soll.80 Durchschnittlich werden an diesem Standort 500 Bedienstete aus den Unions- sowie aus den Schengen-Staaten beschäftigt. Die Agentur ist weitgehend bestrebt, ihre operativen Aktivitäten an den jeweiligen Land-, See- und Flughafen-Außengrenzen zu koordinieren.81 Als Ziel wird ein hohes und einheitliches Niveau82 der Grenzüberwachung sowie der Personenkontrollen angestrebt.83 4.1 Rechtsgrundlagen Die Grenzschutzagentur FRONTEX wurde durch die VO (EG) Nr. 2007/200484 eingerichtet. Am 11. Juli 2007 wurde durch die VO (EG) Nr. 863/200785 ergänzend die Möglichkeit zur Schaffung von Soforteinsatzteams zu Grenzsicherungszwecken86 geschaffen. Am 1. Dezember 2009 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, wodurch sich auch die Rechtsgrundlagen für die Maßnahmen im Grenzschutz änderten. Die maßgebliche Rechtsgrundlage von nun an war Art 77 AEUV, welcher in Abs 1 lit c leg cit die Union dezidiert zur Einführung eines integrierten Systems zum Schutz der 78 Französisch: Frontières Extérieures 79 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 80 Vgl. Beschluss (EG) 2005/358 des Rates vom 26. April 2005 zur Bestimmung des Sitzes der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. 2005 L. 114 81 Vgl. Frontex General Report 2009, Frontex, S. 2 82 Vgl. Online-Dokument: http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/iss_hauser_frontex.pdf, abgerufen am 19.04.2020 83 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 84 Vgl. Verordnung (EG) Nr 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. 2004 L 349 85 Vgl. Verordnung (EG) Nr 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten, ABl. 2007 L 199 86 Vgl. Online-Dokument: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/MEMO_07_142, abgerufen am 19.04.2020 14
Außengrenzen normativ verpflichtete.87 Die VO (EG) Nr. 2007/200488 wurde durch die VO (EG) Nr. 1168/201189 geändert, welche auf Grundlage dieser neuen Bestimmung erging. Diese wird in weiterer Folge als FRONTEX-VO bezeichnet. Durch dieses Regelwerk wurde eine geteilte Zuständigkeit der Union gem Art 2 Abs 2 AEUV fundiert, wonach die Mitgliedstaaten nach wie vor die Möglichkeit haben, in ihrem jeweiligen und nicht von der Kompetenz der Union erfassten Raum autonome Regelungen zu erlassen.90 Nach notwendigen Neuerungen durch die VO (EU) Nr. 610/201391 im Bereich des Schengener Grenz- und Visakodex sowie des Schengener Durchführungsübereinkommens erfolgte durch die Neufassung des Schengener Grenzkodex mittels der VO (EU) Nr. 399/201692 die letzte große Novellierung. Eine zusätzliche Änderung erfolgte durch die VO 2016/162493, durch welche FRONTEX in Europäische Grenz- und Küstenwache (EBCG94) umbenannt worden ist. Ergänzend wurden mehrere Neuerungen geschaffen, wie die Überwachung der Migrationsströme samt Risikoanalysen, die koordinierte Unterstützung in humanitären Notsituationen sowie der Beurteilung von Schwachstellen95. Dabei besteht nun sogar die Möglichkeit für den Exekutivdirektor, im Bedarfsfall gegenüber einem Mitgliedstaat maßgebliche und für diesen verbindliche Empfehlungen abzugeben, welche Art von Aktionen zu ergreifen sind.96 Eine Missachtung 87 Vgl. Hoppe in Lenz/Borchardt (Hrsg), EU-Verträge Kommentar. EUV-AEUV-GRCh6 (2012) Art 77 AEUV Rn 13 88 Vgl. Verordnung (EG) Nr 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. 2004 L 349 89 Vgl. Verordnung (EU) Nr 1168/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. 2011 L 304 90 Vgl. Lenski in Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar6 Art 2 AEUV Rn 8 f 91 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), des Übereinkommens von Schengen, die Verordnung (EG) Nr. 1683/95 und (EG) Nr. 539/2001 des Rates sowie die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 und (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2013 L 182 92 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 09. Marz 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. 2016 L 77 93 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267, ABl. 2016 L 251 94 Auch: European Border and Coast Guard Agency 95 Auch: Stresstest 96 Vgl. Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 15
derartiger Empfehlungen sowie eine wiederholte Verweigerung der Kooperation können bis zum Ausschluss aus dem Schengen-Raum führen.97 4.2 Aufgaben Eine Beschreibung der Aufgaben findet sich in der FRONTEX-VO.98 Es handelt sich dabei um eine Fülle an Maßnahmen und Befugnissen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Kompetenz in Bezug auf die Verantwortung, der Kontrolle sowie der Überwachung der Außengrenzen bei den jeweiligen Mitgliedstaaten verbleibt.99 Die Grenzschutzagentur FRONTEX soll die Mitgliedstaaten unterstützen und deren Maßnahmen in Bezug auf den Grenzschutz vereinfachen.100 Die Aufgaben werden ihnen aber nicht abgenommen, was speziell in Bezug auf den Rechtsschutz wichtig erscheint. An oberster Stelle des Aufgabenkreises steht die Strukturierung der Zusammenarbeit im Bereich des Schutzes der Außengrenzen101 auf Grundlage der FRONTEX-VO.102 Seitens der Agentur werden Vorschläge der Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Aktionen und Projekten angenommen und bewertet. Dazu zählen auch Ersuchen um Unterstützung in außergewöhnlichen Situationen, welche verstärkte Zusammenarbeit erfordern. Die Agentur kann umgekehrt auch von sich heraus Projekte und Aktionen unter der Prämisse durchführen, dass der jeweilige Einsatzmitgliedstaat103 solchen Tätigkeiten zustimmt. Derartige Aktionen und Pilotprojekte können durch die Agentur auch ohne Einverständnis des jeweiligen Einsatzmitgliedstaates wieder beendet werden, wenn deren Voraussetzungen weggefallen sind.104 Solche Pilotprojekte und Aktionen werden als operative Grenzschutzmaßnahmen bezeichnet und werden an den See-, Luft- und Landgrenzen durchgeführt.105 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267, ABl. 2016 L 251 97 Vgl. Martino, Öffentliche Sicherheit (2017), Ausgabe 1, S. 52 98 Vgl. Art 2 f FRONTEX-VO 99 Vgl. Art 1 Abs 2 FRONTEX-VO 100 Vgl. Online-Dokument: https://www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europaeischen- aussengrenzen, abgerufen am 19.04.2020 101 Vgl. Art 2 Abs 1 lit a FRONTEX-VO 102 Vgl. Art 3 f FRONTEX-VO 103 Vgl. Art 1a Z 2 FRONTEX-VO: Als Einsatzmitgliedstaat wird ein „Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine gemeinsame Aktion, ein Pilotprojekt oder ein Soforteinsatz stattfindet oder eingeleitet wird“, bezeichnet 104 Vgl. Art 3 Abs 1a FRONTEX-VO 105 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen, Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 92 16
Eine weitere essentielle Aufgabe von FRONTEX ist die Durchführung von Risikoanalysen.106 Darunter ist die Vorhersage von zeitlichen und geographischen Schwerpunkten hinsichtlich irregulärer Grenzübertritte zu verstehen sowie die Bewertung des diesbezüglichen Ausmaßes auf die Mitgliedstaaten.107 Anhand derartiger Auswertungen analysiert FRONTEX die Kapazitäten zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen, was insbesondere der Planung künftiger Einsätze dienen soll.108 Ein zusätzliches Netzwerk in Bezug auf Informationen ist die Plattform EUROSUR109, welche zur Verbesserung im Management beitragen soll. In jedem Mitgliedstaat bestehen nationale Koordinationszentren. Diese sammeln die jeweiligen Aktivitäten in Bezug auf ihre Grenzüberwachung in Form von Lagebildern.110 Durch die Agentur wird anschließend ein europaweites Lagebild sowie ein Bild außerhalb der Außengrenzen erstellt.111 Auf Basis dieser Informationen erfolgen radar- und satellitenunterstützte Auswertungen, um bevorstehende Schlepperaktivitäten zu unterbinden. Dies erfolgt unter Einbeziehung der EMSA112 aus Lissabon sowie dem Satellitenzentrum aus Torrejon in der Nähe von Madrid.113 Nach erfolgter Planung werden die Ressourcen gebündelt und verteilt. Die Mitgliedstaaten erfahren durch die Agentur Unterstützung in Form von Bereitstellung verschiedener Pools, bestehend einerseits aus technischen Ausrüstungsgegenständen sowie andererseits aus Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten. Sämtliche Ausrüstungsgegenstände werden bei FRONTEX in einem Zentralregister nummerisch erfasst, um im Bedarfsfall rasch darauf zugreifen zu können. Zusätzlich besteht für FRONTEX selbst die Möglichkeit, eigene Ausrüstungsgegenstände114 autonom anzuschaffen.115 106 Vgl. Art 2 Abs 1 lit c iVm Art 4 FRONTEX-VO 107 Vgl. Online-Dokument: https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/frontex_de, abgerufen am 19.04.2020 108 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen, Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 84 109 Auch: European border surveillance system 110 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am 19.04.2020 111 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am 19.04.2020 112 Auch: European Maritime Safety Agency 113 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/intelligence/information-management/, abgerufen am 19.04.2020 114 Vgl. Art 7 Abs 1 FRONTEX-VO 115 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen, Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 87 17
Die Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten werden von den Mitgliedstaaten entsandt, zusätzliches Personal befindet sich bei FRONTEX selbst. Es handelt sich dabei um qualifizierte Personen, die für die Dauer von nicht länger als sechs Monaten der Agentur zugeteilt werden.116 Im Jahr 2011 wurde durch die FRONTEX-VO zusätzlich die Einsatzmöglichkeit von EBGT117 (Grenzschutzteams) geschaffen. Durch diese sollen koordinierte Operationen und rasche Interventionen an den Außengrenzen erfolgen. Das Personal dieser Teams soll vorwiegend aus Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten der Mitgliedstaaten sowie Experten in Bezug auf Grenzmanagement samt Land- und Seeüberwachung und aus dem Bereich der Erkennung gefälschter Dokumente bestehen.118 Zusätzlich sollen Grenzschutzbeamte aus den Mitgliedstaaten (SGO119), die wie oben für nicht länger als sechs Monate der Agentur beigestellt werden, die EBGT unterstützen.120 Durch diese beiden Personalbündel ergibt sich ein für operative Maßnahmen dauernd zur Verfügung stehender Pool an Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten. Die bereitgestellten Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten müssen auf Antrag von FRONTEX von den jeweiligen Mitgliedstaaten entsandt werden.121 Darüber hinaus besteht für FRONTEX die Möglichkeit zur Unterstützung der jeweiligen Mitgliedstaaten in außergewöhnlichen Angelegenheiten.122 Auf Ersuchen eines Mitgliedstaates kann die Agentur ihre Experten sowie Teams zum Grenzschutz und Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stellen.123 Für besonders dringende Bedürfnisse wurde die Möglichkeit von Soforteinsätzen geschaffen, wodurch die Möglichkeit besteht, Teams zum Grenzschutz in einen Mitgliedstaat für einen befristeten Zeitraum zu entsenden, falls dieser kurzfristig einem erhöhten Einreisedruck durch Drittstaatsangehörige ausgesetzt ist.124 Neben diesen zahlreichen Aufgaben hat FRONTEX noch die jeweiligen Mitgliedstaaten bei der Ausbildung ihrer jeweiligen 116 Vgl. Online-Dokument: https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/frontex_de, abgerufen am 19.04.2020 117 Auch: European Border Guard Teams 118 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/careers/frontex-border-guard- recruitment/, abgerufen am 19.04.2020 119 Auch: Seconded Guest Officers 120 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/careers/frontex-border-guard- recruitment/, abgerufen am 19.04.2020 121 Vgl. Art 3b Abs 2 FRONTEX-VO 122 Vgl. Art 2 Abs 2 lit a und e FRONTEX-VO 123 Vgl. Art 8 Abs 2 und Abs 3 FRONTEX-VO 124 Vgl. Art 8a FRONTEX-VO 18
Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten sowie bei der Zurückführung von Drittstaatsangehörigen zu unterstützen.125 4.3 Organisation Bei FRONTEX handelt es sich um eine europäische Agentur, in concreto um eine sogenannte Regulierungsagentur126. Regulierungsagenturen sind als Körperschaften des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet.127 Daneben existieren noch Exekutivagenturen, welchen aber nur gewisse Verwaltungsangelegenheiten von der Kommission übertragen werden. Beide agieren in weiten Teilen organisatorisch und finanziell unabhängig. 128 Sofern eine genaue Abgrenzung erfolgt, können den Regulierungsagenturen von der Kommission jene Befugnisse übertragen werden, die dieser selbst zustehen.129 Eine genaue Definition, was unter einer Agentur zu verstehen ist, existiert nicht.130 Die Etablierung erfolgt meist durch einen Sekundärrechtsakt, lediglich ein paar wenige werden durch einen Primärrechtsakt eingerichtet.131 Für FRONTEX findet sich keine Rechtsgrundlage im Primärrecht. Als damaliger Beweggrund zur Gründung von FRONTEX wurde von der Kommission die für sie damit einhergehende Exkulpation genannt. Eine Überzeugung der Mitgliedstaaten über den Bedarf einer derartigen Grenzschutzagentur erfolgte insofern, als ihnen dadurch große Einflussmöglichkeiten durch ihre jeweilige Vertretung im agenturinternen Verwaltungsrat eingeräumt wurden.132 Die interne Organisation der Agentur erfolgt durch drei Abteilungen, in concreto der Abteilung für Operationen, für Kapazitätsaufbau und der Verwaltungsabteilung.133 Jede Abteilung ist weiters in einzelne Referate gegliedert. Die beiden wichtigsten Organe sind einerseits der Verwaltungsrat und andererseits der Exekutivdirektor/die Exekutivdirektorin. Seit 2015 leitet der Franzose Fabrice Leggeri als Exekutivdirektor 134 125 Vgl. Art 2 Abs 1 lit f iVm Art 9 sowie Art 2 Abs 1 lit b iVm Art 5 FRONTEX-VO 126 Vgl. Art 15 Abs 1 FRONTEX-VO. 127 Vgl. Lenski in Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar6 Art 13 EUV Rn 19 f 128 Vgl. Isak in Hafner/Kumin/Weiss (Hrsg.), Recht der Europäischen Union (2013), S. 169 129 Vgl. Streinz, Europarecht9 (2012), S. 151 130 Vgl. Fischer-Lescano/Tohidipur, Europäisches Grenzkontrollregime - Rechtsrahmen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, ZaöRV 67 (2007) Rn 1219, 1231 131 Vgl. Streinz, Europarecht9 (2012), S. 152 132 Vgl. Leonard, Journal of Contemporary European Research 5/3 (2009) S. 375 133 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/structure/, abgerufen am 19.04.2020 134 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 19
die Agentur.135 Als stellvertretender Exekutivdirektor fungiert seit 2016 der Österreicher Mag. Berndt Körner136. Das Personal von FRONTEX umfasst derzeit 373 Personen, davon sieben Österreicher.137 Die nationale Kontaktstelle in Österreich befindet sich im Bundesministerium für Inneres, Referat II/2/e.138 Österreich wird im Verwaltungsrat durch Generalmajor Robert Strondl, sowie durch seinen Stellvertreter Brigadier Günther Schnittler vertreten.139 In der inneren Organisation steht der Verwaltungsrat an der obersten Stelle, welcher sich jeweils aus einem Vertreter/einer Vertreterin eines Mitgliedstaates sowie der Schengen- assoziierten Staaten und zwei Vertreter/zwei Vertreterinnen der Kommission zusammensetzt.140 Die Mitglieder aus Großbritannien und Irland haben dabei kein Stimmrecht. Norwegen, Island, Schweiz und Liechtenstein kommt hingegen ein beschränktes Stimmrecht zu. Zu seinen Kernaufgaben zählen einerseits die Bestellung und das damit verbundene Disziplinarwesen über den Exekutivdirektor/die Exekutivdirektorin sowie andererseits die Entscheidungen hinsichtlich Personal und Budget sowie die Erstellung eines Tätigkeitsberichts.141 Er tagt in der Regel an fünf Terminen im Jahr, die Leitung obliegt dem Vorsitzenden.142 Der Exekutivdirektor/die Exekutivdirektorin ist das operative Element der Agentur, welche/r ein Bündel an Aufgaben und Befugnissen zu bewältigen hat. Dazu gehören die Vorbereitung und Umsetzung von Beschlüssen, Tätigkeiten durch den Verwaltungsrat sowie die gesamte Leitung des inneren Dienstes samt Personal und Budget. Bei der Durchführung operativer Maßnahmen obliegt diesem/dieser die Umsetzung der Einsatzpläne.143 135 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/executive-profiles/, abgerufen am 19.04.2020 136 Vgl. Online-Dokument: https://bmi.gv.at/news.aspx?id=524446504D6B6D6E3252673D, abgerufen am 19.04.2020 137 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 138 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 139 Vgl. Online-Dokument: https://www.bmi.gv.at/509/Agenturen/frontex.aspx, abgerufen am 19.04.2020 140 Vgl. Art 21 FRONTEX-VO 141 Vgl. Art 20 Abs 2 FRONTEX-VO 142 Vgl. Online-Dokument: https://frontex.europa.eu/about-frontex/organisation/structure/, abgerufen am 19.04.2020 143 Vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen, Verwaltungskooperation –materielle Rechtsgrundlagen – institutionelle Kontrolle (2013) S. 50 20
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