"Für mich war klar, dass ich wieder auftreten werde!" - VBG
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TEILHABEPREIS DER VBG „Für mich war klar, dass ich wieder auftreten werde!“ Luftartistin Julia Knaust verunglückte bei einer Aufführung schwer. Dank neu definierter Unternehmensziele und an ihren Reha-Fortschritten beständig neu ausgerichteten Arbeitsaufgaben fliegt sie heute wieder vor Publikum. Es war ein Trick relativ am Anfang einer Show, die in der Schweiz Premiere hatte. Hoch über der Bühne: Eine Fliegerin, ein Fänger und eine Person auf der Plattform, die das Trapez zurückgibt – diesmal jedoch nicht wie hundertfach geprobt. Julia Knaust, Artistin und Geschäftsführerin des Berliner Artistikunternehmens Omnivolant, landet falsch auf dem Trampolin und verletzt sich schwer. Fangen einander auf: Nils Wollschläger und Julia Knaust vor dem Unfall Foto: Quelle Omnivolant. Schlechte Prognose Ab dann ging alles sehr schnell. Knaust wurde als Notfall ins Inselspital, Universitätsspital Bern verlegt. In einer achtstündigen Operation wurde alles getan, um das Polytrauma im Knie zu versorgen. „Aufgrund der abgetrennten Arterie war die Prognose sehr schlecht“, erinnert sich Geschäftspartner Nils Wollschläger. Danach folgten stationäre Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen, anfangs im BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin (ukb), danach bei Professor Dr. med. Weiler im sporthopaedicum sowie etliche intensivierte Serien der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie. Die Prognosen der Ärztinnen und Ärzte waren zunächst nicht gut. Knaust habe es aber nie akzeptiert, wenn jemand sagte, dass sie nie mehr gut laufen könne: „Für mich war klar, dass ich wieder auftreten werde; obwohl um mich sieben Ärzte standen, die sagten: Frau Knaust, Sie werden vielleicht nie wieder humpelfrei laufen können!“ Dass sie damit recht behalten würde, verdankt sie in erster Linie ihrem Kampfgeist, der Unterstützung durch ihre Reha-Managerin, Britta Hansen, und, vor allem, den mutigen Geschäftsentscheidungen ihres Geschäftspartners Nils Wollschläger.
„Ich musste viele, mit existenziellen Risiken verbundene Entscheidungen treffen!“ Für das Unternehmen war Knausts plötzlicher Ausfall eine existenzielle Bedrohung. Zum einen, weil unklar war, ob sie jemals wieder zurückkehren würde. Zum anderen mussten sofort viele Entscheidungen getroffen werden. Sollen Folgeengagements und in welcher Besetzung durchgeführt oder abgesagt werden? Überdies galt es, Folgeunfälle unbedingt zu verhindern – die Gruppe musste trotz des traumatischen Erlebnisses das laufende Engagement über drei Monate fortführen. Nils Wollschläger erinnert sich an den Druck von außen, sich zu positionieren. „Julia war im Krankenhaus in der Schweiz, hat unter Morphin behauptet, sie würde Weihnachten wieder am Trapez hängen. Ich musste bei völliger Ungewissheit eine Position finden: Geselle ich mich in die Reihe der Ärzte oder zur utopischen Einschätzung von Julia?“ Die personengebundenen und sehr zeitintensiven Produktionen haben mitunter jahrelangen Vorlauf, so Wollschläger. „Es ist sehr schwer, artistischen Ersatz zu finden.“ Ein Partnerwechsel hätte neuen Trainingsaufwand von 1½ Jahren bedeutet. Eine aus Belgien eingeflogene Flugtrapezartistin konnte Knaust bei den Auftritten für drei Monate vertreten; die restlichen Auftritte der kompletten Saison wurden abgesagt. Das verschaffte Zeit für die kurz- und mittelfristige Planung. Umdenken und Circus Als sich abzeichnete, dass in der nahen Zukunft alle Produktionen nicht mehr spielfähig sein werden, passten die beiden Unternehmenden die Unternehmensziele und die Arbeitsinhalte kontinuierlich Knausts Rehabilitationsfortschritten und Ressourcen an. Es stand fest, dass sie das Unternehmen nicht aufgeben werden, weiterhin sinnstiftend und künstlerisch arbeiten wollen. Die unternehmerische Leitung nahm Knaust schon parallel zu ihrer Reha wieder auf; sagte Auftritte ab, kümmerte sich um die Kundenakquise. „Es gab nicht diesen Moment von jetzt ist der Heilungsprozess, dann ist eine Wiedereingliederung und dann wird wieder gearbeitet“, erinnert sich Wollschläger. Er baute die Company ein Jahr nach Knausts Unfall wieder neu auf. Die Zeit der Ungewissheit, in der nicht klar war, ob und wann Julia Knaust wieder Luftartistik machen kann, betrachten die beiden rückblickend als Gelegenheit für einen mutigen Karrieresprung: „Wir machten etwas, was wir schon immer machen wollten, aber bislang nicht machen konnten, da die Zeit aufgrund des Trainings einfach fehlte. Wir träumen seit vielen Jahren, mit einem Circus auf Tour zu gehen – im eigenen Zelt. Das war rational nicht nachvollziehbar. Aber es war uns beiden sehr wichtig. Unsere Motivation war nur: Lass‘ uns diesen Traum verwirklichen.“ Weil sie sich immer wieder neu erfanden und auf ihr eigentliches Ziel zurückbesannen, bleibt die Bühne ihr zuhause! Foto: Quelle Omnivolant.
Unterstützung von außen Ein wichtiger Schritt für den Heilungsprozess war ein Auftritt bei einer Dinnershow 6 Monate nach dem Unfall, bei dem Julia Knaust ursprünglich als Luftartistin gebucht war und nun eine Charakterrolle spielte. „Von Seiten der Veranstalterin war es eine fantastische, großartige Geste und alles andere als selbstverständlich, nicht einfach unseren Vertrag zu kündigen und sich fitte Artisten zu besorgen, sondern eigeninitiativ darauf zu drängen, mir diese Chance zu geben. (...) Ich war tagsüber im ukb in Marzahn und hab‘ laufen gelernt und abends war ich im Weihnachtsvarieté auf der Bühne, es war völlig absurd – ich konnte ja nicht „humpelfrei“ laufen, deshalb habe ich mir so einen kleinen Tretroller besorgt, bin auf dem Mittelgang hoch und runter gerollert. Es war zwar extrem anstrengend, aber unglaublich toll und psychisch enorm wichtig – mir haben den ganzen Tag ja alle gesagt, dass ich nie wieder Artistin sein, nie wieder laufen können werde.“ Solche Momente dazwischen gab es viele. „Meine Reha-Managerin von der VBG, Frau Hansen, war sehr unbürokratisch und hat das verstanden.“ Britta Hansen bestätigt das lächelnd: „Julia Knaust war von Beginn an hoch motiviert, an ihrer Heilung und Behandlung mitzuwirken. Sie hat stets an ihrem Ziel, wieder als Artistin aufzutreten, festgehalten und sich von negativen Prognosen nicht beirren lassen. Das hat uns dann auch nicht abgehalten, unkonventionelle Wege zu gehen, um ihr Ziel zu erreichen. So konnte Julia Knaust zum Beispiel trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit beginnen, sich auszuprobieren und wieder in das Show-Geschäft einzubringen. Auf diese Weise konnte sie sich weiter steigern und sich an ihrem Reha-Fortschritt ausgerichtete realistische Reha-Ziele stecken. Dabei war es nicht immer einfach, die tatsächliche Leistungsfähigkeit einzuschätzen und es entwickelte sich ein Drahtseilakt zwischen Über- und Unterforderung, der eine permanente Anpassung und Nachregulierung nötig machte. Eben durch diesen Regulierungsprozess konnte sowohl der Rehaprozess begünstigt als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in anderer, angepasster Weise wiederhergestellt werden. Dieser Prozess setzte sich über viele Jahre fort, was vor allem von Wollschläger große Anpassungsfähigkeit und - bereitschaft abverlangte. Er setzte genau dort an, bestärkte Knaust in ihrem Willen und ihren Zielen, gab verlässlichen Rückhalt bei den vielen kleinen Schritten nach vorn, aber auch zurück. Er passte die Unternehmensziele kontinuierlich Knausts Möglichkeiten an, war bereit, das damit verbundene unternehmerische Risiko zu tragen und sich unternehmerisch fortwährend mit Knaust zu verändern – eine essentielle, bis heute anhaltende Entwicklung, die wesentlich dazu beitrug, die Bühne als Mittelpunkt ihrer beider Tätigkeiten halten zu können und ausschlaggebend dafür war, dass Wollschläger und Knaust heute wieder gemeinsam auf dem Flugtrapez stehen. Preiswürdige Darstellung aus dem kleinsten Versicherungsbereich der VBG Diese Neuausrichtung der Company an den Ressourcen und Fähigkeiten von Julia Knaust und die innere Haltung, dass eine Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit (als Luftartistin) selbstverständlich möglich und das Individuum und nicht die bisherige Arbeitsaufgabe in das Zentrum der Betrachtung zu stellen ist, sind aus Sicht der VBG ein mustergültiges Vorgehen zur Erreichung von Teilhabeerfolg nach einem Arbeitsunfall. Für diese bemerkenswerte und mehr als nachahmenswerte Teilhabepraktik wurde die Julia Knaust & Nils Wollschläger GbR im Rahmen des 3. Forums Barrierefreie Arbeitsgestaltung mit dem Teilhabepreis der VBG in der Sonderkategorie „Besondere Initiativen“ ausgezeichnet. Franz-Josef Haska, Jurymitglied und stellvertretender Vorsitzender des Präventionsausschusses der VBG, hebt in seiner Laudatio die Bereitschaft Wollschlägers hervor, die Unternehmensziele beständig zu ändern – ein Prozess, der aus seiner Sicht bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Das enorme Engagement, immer die Bühne als Zentrum der beruflichen Aktivität zu halten, habe die Jury sehr beeindruckt: „Für Knaust & Wollschläger stand nie zur Debatte, etwas Anderes zu machen als künstlerisch auf der Bühne tätig zu sein.“ „Rehabilitation ist Arbeit“, da sind sich Haska und Knaust einig. Und dieser Arbeit konnte Knaust dank der unendlichen Anpassungsbereitschaft ihres Geschäftspartners mit derselben Leidenschaft nachgehen wie ihrem Beruf. Nur deshalb ist sie heute wieder Luftartistin, und zwar, wie sie selbst sagt „eine „bessere“ als zuvor“. Haska bezeichnet es folglich zurecht als großes Glück für die VBG, eine so beispielgebende Teilhabepraxis ehren und immer wieder vorhalten zu können.
„Als Artisten machen wir unseren Beruf nicht, um möglichst reich zu werden, sondern aus einer Vision heraus, auf der Bühne zu stehen und Menschen zu begeistern“, so Wollschläger. Die Rückbesinnungsmöglichkeit auf diese Vision habe es ermöglicht, fortwährend zu reflektieren und immer wieder neu zu bewerten: Wo stehe ich nun und was macht jetzt Sinn? Diese Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel habe ganz viel ermöglicht. Es sei etwas, das für viele Kleinstunternehmen gelte, die für eine Vision stehen und deren primäres Ziel nicht die reine Gewinnerwirtschaftung sei, da ist er sich sicher. Neben der exzellenten medizinischen Versorgung hebt Wollschläger die enorme Bedeutung der finanziellen Unterstützung durch die VBG hervor. Diese habe in dieser wirtschaftlichen Bedrohungssituation die notwendige Sicherheit gegeben, den Betrieb aufrechthalten zu können und spiele gerade für Kleinstunternehmen eine viel größere Rolle. Bei der VBG sind bundesweit etwa 1,1 Mio. Unternehmen aus mehr als 100 Branchen versichert. Mit ihrer 2- Personen-GbR gehören Knaust & Wollschläger zahlenmäßig zwar zu den Kleinstunternehmen; sie haben sich wie knapp 90.000 weitere Personen jedoch freiwillig und bewusst für die VBG entschieden. Rückblickend ein „großes Glück“ wie die beiden Unternehmenden betonen: „Aus heutiger Sicht war das Hauptproblem nie beruflich; das ist natürlich privat“, erklärt Julia Knaust. „Ein Großteil meines Lebens spielt sich privat ab; und natürlich sind da Schmerzen und Einschränkungen viel schlimmer. Daher würde ich sagen: Dieser Beruf hat mir einfach nur geholfen, wieder fit zu werden“. Ihr Geschäftspartner ergänzt: „Weil Du Artistin bist, kannst Du privat wieder laufen.“ Und ihr Rehabilitationsverlauf und ihr Teilhabeerfolg geben ihnen Recht! Jetzt bewerben! Ist Ihr Unternehmen bei der VBG versichert und hat mindestens einer bzw. einem versicherten Beschäftigten nach einem Arbeits-/Wegeunfall oder einer Berufskrankheit zurück ins gewohnte Leben geholfen? Dann bewerben Sie sich bis zum 30. September 2022 hier! Veröffentlicht am 09.03.2022 #Bestpractice #Arbeitsunfall #Inklusion #Reha
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