Gefässchirurgie - Jahrestagung der Deutschen ...
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Band 26 · Heft 4 · Juli 2021 Gefässchirurgie Zeitschrift für vaskuläre und endovaskuläre Medizin Die Aorta – von verschiedenen Seiten betrachtet 5 Behandlung des AAA in Deutschland: Real-World- Evidenz, Trends und offene Fragen 5 Versorgungsrealität von Aortenerkrankungen in der Schweiz 5 Endovaskuläre Therapie der thorakalen Aortenpathologien mit Bogenbeteiligung 5 Sizing und Planning der Chimney endovaskulären Aneurysmareparatur 5 Atherosklerose: Verlust des S1P-Rezeptors 3 im Menschen Therapie von Aorten- pathologien mit Beteiligung des Aortenbogens Organ der DGG, ÖGG und SGG www.springermedizin.de
Inhalt Gefässchirurgie · Band 26 · Heft 4 · Juli 2021 Leitthema 249 Einführung zum Thema: Die Aorta – von verschiedenen Allograft ist nicht gleich Allograft, und wir sollten über Textbausteine nachdenken Seiten betrachtet A. Larena-Avellaneda Redaktion: A. Larena-Avellaneda, Hamburg 252 Was Sie schon immer zur Behandlung des abdominalen Aortenaneurysmas in Deutschland wissen wollten: Real-World-Evidenz, Trends und 281 Atherosklerose: Verlust des Sphingosin-1-phosphat- offene Fragen Rezeptors 3 im Menschen C.-A. Behrendt · A. Larena-Avellaneda · S. Greulich · C. Winter · M. Odinga · S. Ring · T. Kölbel · E. S. Debus · F. Heidemann · A. Kühnl · M. Geißen · S. Wipper · W. Keil · E. S. Debus · G. Daum · H.-H. Eckstein · M. Trenner A. Larena-Avellaneda 261 Versorgungsrealität von Aortenerkrankungen in der Der interessante Fall Schweiz 290 Reitender Thrombus im Bereich der Aortenbifurkation L. Meuli · T. Lattmann und kritische Ischämie der linken Beinstrombahn in 270 Endovaskuläre Therapie der komplexen thorakalen Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion Aortenpathologien mit Bogenbeteiligung. Patienten- J. Meier · F. A. Vallejos Köhnenkamp · K. Zierke · auswahl, Planung und technische Besonderheiten in P.-A. Triebke · H.-G. Fieguth der Ishimaru-Zone 0 294 Erfolgreiche minimal-invasive Therapie mittels FEVAR M. Lescan (fenestrierte endovaskuläre Aneurysma Reparatur) 278 Empfehlungen zur Optimierung der präoperativen eines dilatierten Aorten-Xenografts nach septischer Planung der endovaskulären Aneurysmareparatur Aortenruptur mit der Chimney-Technik A. Neumann · W. Staiger · P. Hettrich · J. Gahlen K. P. Donas Originalien CME 298 Ergebnisse nach gefäßchirurgischer Versorgung von Leistennahtaneurysmen P. Romancik · F. Meyer · A. Hribaschek · U. Redlich · 323 Therapie von Aortenpathologien Z. Halloul · J. Tautenhahn mit Beteiligung des Aortenbogens M. Kreibich · T. Berger · B. Rylski · M. Czerny Übersichten 308 Evidenzbasierte Ernährung bei zerebrovaskulären 331 Fragebogen und kardiovaskulären Erkrankungen. Teil 1 Kardiovaskuläre Erkrankungen A.-K. Deupmann · E. S. Debus · R. T. Grundmann Netzwerk Grundlagenforschung 318 Thoracoabdominal aortic aneurysm tissue sample study – das Aachener Modell als Beispiel für ein Forschungskooperationskonzept A. Gombert · P. Doukas · B. Hruschka · M. Afify · D. Kotelis · K. Mätz-Rensing · M. Jacobs Mitteilungen 333 Mitteilungen der DGG Verschiedenes Termine Impressum Titelbild: © Prof. Dr. A. Larena-Avellaneda, Hamburg +++ alle Beiträge online lesen unter www.springermedizin.de/ gefaesschirurgie +++ Gefässchirurgie 4 · 2021
© golubovy / stock.adobe.com Informationen für Autor*innen Geben Sie Ihrem Wissen Raum – schreiben Sie einen Beitrag! Mit Ihrer Publikation in Gefässchirurgie gestalten Sie den wissenschaftlichen Austausch aktiv mit, der Gefäß- chirurg*innen und Sachkundige angrenzender Fachgebiete in Praxis, Klinik und For- schung über neue Entwicklungen in der vaskulären und endovaskulären Chirurgie infor- miert. Teilen Sie Ihre Expertise mit einem qualifizierten Publikum aus allen Bereichen der Gefäßchirurgie! Wir unterstützen Sie von Anfang an – Ausführliche Leitfäden zur Manuskripterstellung – Einreichung und Begutachtung über Editorial Manager – Qualitätssicherung durch Reviewverfahren – Ausgewiesenes Fachlektorat (deutsch/englisch) und persönliche Unterstützung bei allen redaktionellen Fragen – Schnelle Online-First-Veröffentlichung, ab dann zitierbar! – Optimale Verbreitung gedruckt und online über Ihr Kontakt SpringerMedizin.de und SpringerLink Dr. TinaS uhai – Personalisiertes Beitrags-PDF und Belegheft Tel.: 06221 – 487-8178 – Sie erhalten exklusiv 50 % Rabatt auf alle eMail: tina.suhai@springer.com Zeitschrifteninhalte auf SpringerMedizin.de + eine www.springermedizin.de/ gedruckte Zeitschrift Ihrer Wahl! 8 Mehr auf www.springermedizin.de/ gefaesschirurgie Autoren Besonderheiten von Gefässchirurgie – Vielfältige Rubriken: Leitthema, Originalien, CME Zertifi- zierte Fortbildung, Kasuistik, Übersichten und viele mehr. Eine komplette Übersicht finden Sie auf www.springer. com/772 unter „Autorenhinweise“ – Herausgegeben und begutachtet von anerkannten Expert*innen aus allen Bereichen der Gefäßmedizin Manuskripteinreichung Bitte reichen Sie Ihr Manuskript online ein unter: www.editorialmanager.com/gech Bei Fragen zur Einreichung wenden Sie sich bitte an: Herrn PD Dr. Henrik Rieß Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin Universitäres Herzzentrum GmbH Universiätsklinikum Hamburg-Epppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg h.riess@uke.de
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Herausgeber*innen Gefässchirurgie · Band 26 · Heft 4 · Juli 2021 Gefässchirurgie · Zeitschrift für vaskuläre und endovaskuläre Medizin Organ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin, Organ der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaften für Gefäßchirurgie Schriftleitung / Chief Editor Wissenschaftlicher Beirat / Scientific Advisory Board Prof. Dr. Axel Larena-Avellaneda, Hamburg Prim. Univ. Doz. Dr. Afshin Assadian, Wien Prof. Dr. Iris Baumgartner, Bern Geschäftsführender Herausgeber / Managing Editor Prof. Dr. Jonathan Beard, Sheffield, UK Prof. Dr. Markus Steinbauer, Regensburg PD Dr. Theodosios Bisdas, Athen Herausgeber / Editors Prof. Dr. Dittmar Böckler, Heidelberg PD Dr. Josef Klocker, Innsbruck Prof. Dr. Tina Cohnert, Graz Prof. Dr. Matthias K. Widmer, Bern Prof. Dr. Andreas Creutzig, Hannover Assistent des Schriftleiters / Assistant Editor Prof. Dr. Martin Czerny, Freiburg PD Dr. Henrik Rieß, Hamburg Prof. Dr. Dr. Konstantinos Donas, Langen Prof. Dr. Bernhard Dorweiler, Köln Rubrikherausgeber*innen / Section Editors Prof. Dr. Hans-Henning Eckstein, München Originalien Prof. Dr. Thomas Forbes, London/Ontario, Canada Prof. Dr. Axel Larena-Avellaneda, Hamburg PD Dr. Johannes Gahlen, Ludwigsburg Übersichten Prof. Dr. Philipp Geisbüsch, Stuttgart Prof. Dr. Maani Hakimi, Luzern Dr. Peter Gloviczki, Rochester, USA PD Dr. Barbara Rantner, München Prof. Dr. Walter Gross-Fengels, Hamburg Prof. Dr. Alexander Hyhlik-Dürr, Augsburg CME Zertifizierte Fortbildung Prof. Dr. Michael Jacobs, Aachen PD Dr. Moritz Bischoff, Heidelberg Prof. Dr. Zaiping Jing, Shanghai, China Prof. Dr. Johannes Hoffmann, Essen Prof. Dr. Tilo Kölbel, Hamburg Prof. Dr. Alexander Oberhuber, Münster Prof. Dr. Peter Lawrence, Los Angeles, USA Der interessante Fall Prof. Dr. Hans-Günther Machens, München Prof. Dr. Hubert Schelzig, Düsseldorf Prof. Dr. Martin Malina, Malmö, Schweden Prof. Dr. Markus Steinbauer, Regensburg Prof. Dr. Ulrich Mansmann, München Fragen aus der Praxis Prof. Dr. Stefan Ockert, Luzern Dr. Hinrich Böhner, Dortmund Dr. Kenneth Ouriel, New York, USA Prof. Dr. Knut Kröger, Krefeld Prof. Dr. Holger Poppert, München Prim. Univ. Doz. Dr. Manfred Prager, Wien Gefäßmedizinische Evidenz Prof. Dr. Christian Reeps, Dresden Prof. Dr. E. Sebastian Debus, Hamburg Prof. Dr. Peter Ringleb, Heidelberg Prof. Dr. Reinhart T. Grundmann, Burghausen/Berlin PD Dr. Ralph-Ingo Rückert, Berlin Geschichte der Gefäßchirurgie Prof. Dr. Tadahiro Sasajima, Asahikawa, Japan Prof. Dr. Wolfgang Hach, Frankfurt Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen, Frankfurt Dr. Ralf Michallek, Stade Prof. Dr. Martin Storck, Karlsruhe Netzwerk Grundlagenforschung PD Dr. Florian Thermann, Merseburg PD Dr. Florian Simon, Düsseldorf Prof. Dr. Giovanni Torsello, Münster Dr. Kerstin Troidl, Bad Nauheim Prof. Dr. Nikolaos Tsilimparis, München Prof. Dr. Eric Verhoeven, Nürnberg pAVK RA Dr. Manfred Werthern, München PD Dr. Christian-Alexander Behrendt, Hamburg Prof. Dr. Cees Wittens, Aachen PD Dr. Alexander Gombert, Aachen Prof. Dr. Alexander Zimmermann, Zürich Phlebologie PD Dr. Claus-Georg Schmedt, Schwäbisch Hall Gegründet 1995 Prof. Dr. Achim Mumme, Bochum J.-R. Allenberg H.-M. Becker Shuntchirurgie P. C. Maurer PD Dr. Richard Kellersmann, Fulda J. Largiadèr Prof. Dr. Matthias K. Widmer, Bern K. H. Rendl Vaskuläre Sonographie Dr. Wilhelm Schäberle, Göppingen Wunde Dr. Holger Diener, Buchholz Dr. Thomas Karl, Bad Friedrichshall Gefässchirurgie 4 · 2021
Einführung zum Thema Gefässchirurgie 2021 · 26:249–251 A. Larena-Avellaneda https://doi.org/10.1007/s00772-021-00787-9 Abteilung für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, Deutschland Angenommen: 2. Juni 2021 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Allograft ist nicht gleich Allograft, und wir sollten über Textbausteine nachdenken Geschätzte Leserinnen und Leser, (3,7 cm) und Verschlüssen der A. iliaca beidseitige Lungenarterienembolie dia- communis bei PAVK im Stadium IIb gnostiziert, sodass zusätzlich Rivaroxa- die Behandlung von Aortenerkrankun- (30 m Gehstrecke) eine aortobifemorale ban angeordnet wurde, ASS wurde nicht gen ist für viele Gefäßmediziner span- Prothese (Dacron 16 × 8 mm) implan- abgesetzt. nend. Wenn alles gut geht, profitiert der tiert. Der Entlassungsbrief endet mit Am 22.02.2020 wurde der Patient bei Patient für Jahrzehnte. Aber wehe, es tre- einer Reihe von Empfehlungen, unter Anämie stationär in die Gastroentero- ten Komplikationen auf. Diese beschäf- anderem: „Wir empfehlen die dauerhafte logie eingewiesen. Als Ursache fanden tigen Kranke und Behandler möglicher- Einnahme eines Thrombozytenaggregati- sich „endoskopisch als potenzielle Blu- weise noch über Jahre. onshemmers (z. B. ASS 100 mg 1 × 1 Tbl.) tungsquelle unter oraler Antikoagulation Ich möchte im Folgenden über einen und eines Statins, sofern keine Kontrain- und Thrombozytenaggregation eine Re- 79-jährigen Patienten berichten, der sich dikationen auftreten.“ fluxösophagitis sowie mehrere Erosionen im Februar 2021 mit oberer gastrointes- Zwei Jahre später wurde die linke Leis- im Corpus ventriculi.“. Ein gefäßchirur- tinaler Blutung in unserer Notaufnahme te, weitere 4 Monate später die rechte gisches Konsil erfolgte nicht. Es wurde vorstellte. Im CT konnte keine aorto-/ Leiste operativ revidiert bei Flüssigkeits- eine Therapie mit Pantoprazol eingelei- prothetoduodenale Fistel nachgewiesen ansammlungen, die als Perigraftreaktion tet, die Medikation mit Rivaroxaban und werden. Allerdings stellte uns die Bild- gedeutet wurden. Bei Progress der Infekt- ASS weitergeführt. gebung zunächst vor ein Rätsel, da laut situation erfolgten dann 3 Monate später Im auswärtigen Arztbrief vom Sep- unserenUnterlagenbeidem Patientenbei der Prothesenausbau und eine In-situ- tember 2020 zur Kontrolle der A. carotis der letzten Vorstellung 2015 noch eine Rekonstruktion mit einer Silberprothese nach TEA ist bei den Diagnosen auf- Kunststoffprothese als Implantat vorhan- (in domo). Im Juni 2016 wurde die er- geführt: „Z. n. transfusionspflichtiger den war, im CT sich aber eine deutlich de- neut infizierte Prothese auswärts entfernt Eisenmangelanämie bei a.e. chronischer generierte aortoiliakale Strombahn dar- und allogen ersetzt. Die Rekonstruktion gastrointestinaler Blutung unter Riva- stellte (. Abb. 1). Es stellte sich heraus, erfolgte hierbei durch 2 Teilstücke: Die roxaban“. Der Brief endet mit einem dass in einer anderen Klinik zwischen- linksseitige Rekonstruktion wurde aor- Textbaustein: „aus gefäßmedizinischer zeitlich ein Gefäßersatz durch Allografts tofemoral rechts durchführt, die rechte Sicht empfehlen wir [. . . ], die Gabe eines durchgeführt worden war (. Abb. 1). Leiste wurde über einen zweiten Allo- Statins sowie die lebenslange Einnahme Bei rascher Zustandsverschlechte- graft prothetofemoral angeschlossen. Ein von ASS, ggf. unter PPI-Schutz“. rung erfolgte die Intubation und Endo- Keimnachweis war zu keinem Zeitpunkt Ichfinde diesenFallausverschiedenen skopie unter medikamentöser Reanima- gelungen. Im Mai 2018 wurde die A. ca- Gründen sehr aufschlussreich. Zunächst tion. Es gelang nicht, die Blutungsquelle rotis bei hochgradiger Stenose operiert. einmal ist es immer wieder erstaunlich, zu lokalisieren, der Patient verstarb kur- Die sonographischen Nachkontrollen wie viel „Chirurgie“ ein Patient aushält. ze Zeit später. Der Verlauf ist bis hierhin der Aorta, Iliakal- und Leistengefäße zwar sehr bedauerlich und schicksalhaft, waren jeweils als regelrecht beurteilt Protheseninfektion/ aber aus gefäßmedizinischer Sicht auch worden. Konkret heißt es: „. . . auf Hö- Perigraftreaktion/ lehrreich, wenn die Vorgeschichte und he des Umbilicus-Abgangs des rechten Keimnachweis die aktuelle Bildgebung mit einbezogen Allografts, im Vergleich zur Gegenseite werden. deutlich kleineres Lumen . . . Allograft auf Wir alle kennen die Flüssigkeitsansamm- Die Krankheitsgeschichte begann der linken Seite mit einem Durchmesser lungen, die in bis zu 4 % nach Rekon- 2004 mit einer Leisten-TEA links und von 2 cm, unauffälliger Fluss . . . “. struktion mit Kunststoffprothese auftre- intraoperativer Stentangioplastie der Der Patient erhielt zum damaligen ten [1]. Diese Serome können auch Jahre A. iliaca externa. 2012 wurde bei klei- Zeitpunkt weiterhin ASS 100 als Sekun- nach Implantation der Prothesen auf- nem, infrarenalem Aortenaneurysma därprophylaxe. Im Mai 2019 wurde eine treten. Die perkutane Drainage hat sich Gefässchirurgie 4 · 2021 249
Einführung zum Thema Abb. 1 8 a–c CT-Untersuchung vom 22.02.2021. a Man erkennt die Degradation des aorto-links-femoralen Allografts mit Aneurysmen und Stenosen, während sich der prothetofemorale Allograft rechts regelrecht darstellt. b Das Duodenum liegt der Aorta direkt auf. Es zeigt sich eine Kontrastmittelnase, suspekt für eine aortoduodenale Fistel (Pfeil). c Die akute Blutung war jedoch durch mehrere blutende Gefäße im Magen bedingt (Pfeil) hierbei als nicht effizient herausgestellt, 5] konnten wir in der eigenen Erfahrung zur Einnahme eines Thrombozytenag- sodass meist eine operative Ausräumung nicht durchweg erreichen. Ich selbst ha- gregationshemmers. erforderlich ist [1]. Die Rate an Reopera- be Fälle erlebt, in denen es kurz nach Im klinischen Alltag erhalten mehr tionen und auch Extremitätenverlust ist der Operation auf der Intensivstation zu und mehr Patienten ein NOAK aus ver- überraschend hoch [2]. In meinen Augen einer Ruptur des Grafts gekommen ist. schiedenen Indikationen. Dennoch er- bedeutet ein negativer Keimnachweis bei Eine Degradation kann auch innerhalb scheint in vielen Briefen zusätzlich die periprothetischer Flüssigkeitsansamm- eines Monats auftreten [6] und stellt eine Empfehlung zur Einnahme eines Plätt- lung nicht automatisch, dass es sich um dauerhafte Gefahr dar. Dies thematisiert chenhemmers. Im vorliegenden Fall hat- eine solche Reaktion und nicht um eine auch der Fallbericht von A. Neumann, te der Patient eine Lungenarterienembo- Protheseninfektion handelt: Ein Keim- der die endovaskuläre Behandlung eines lie erlitten und es wurde Rivaroxaban nachweis bei Protheseninfektion gelingt degenerativ veränderten Allografts be- angesetzt. Niemand hat das ASS abge- auch bei konsequenter und methodisch schreibt. setzt – weder die Kollegen der Inne- optimaler Suche in bis zu 25 % der Fälle renMedizinnachderLungenarterienem- nicht [3]. »Überwachung Eine regelmäßige von Allografts ist bolie noch die Gastroenterologen nach der oberen Gastrointestinalen Blutung, Allografts noch die Gefäßmediziner aus 2 Kliniken unbedingt geboten bei den Nachkontrollen, auch im Wis- Die beste Rekonstruktion nach aorta- sen um die stattgehabte Blutung. Ich fin- lem Protheseninfekt ist ein ganz speziel- Eine regelmäßige Überwachung ist al- de dies bemerkenswert vor der Klasse-I- les Feld mit vielen Optionen (und Mei- so unbedingt geboten. Nach aortaler Re- Empfehlung der interdisziplinären euro- nungen), aber nach wie vor von hoher konstruktion erscheint eine CT-Untersu- päischen Leitlinien zur Behandlung der Morbidität und Mortalität geprägt. Die chung dem Ultraschall in diesen Situa- PAVK, die eindeutig festhält, bei notwen- Verwendung der kryokonservierten Al- tionen überlegen, im vorliegenden Fall diger oraler Antikoagulation nach offen- lografts spielt eine sehr wesentliche Rol- war die linke Seite sonographisch als re- operativen Eingriff auf eine Plättchenag- le. Dabei weisen diese Transplantate sehr gelrecht, die rechte als verengt beurteilt gregation zu verzichten [7]. große Unterschiede auf. Zwar wird die worden. In der vorliegenden Ausgabe geht Qualität des Gewebes bei Anforderung es darum, wie schon hier im Editorial, auch angegeben, aber im klinischen All- Textbausteine die Aorta von verschiedenen Seiten zu tag stellt man dann intraoperativ immer beleuchten: Die Versorgungsrealität in wieder fest, wie sehr sich die Allografts Eine Sekundärprophylaxe mit einem Deutschland (C. Behrendt) und in der unterscheiden. Der hier vorgestellte Fall Thrombozytenaggregationshemmerstellt Schweiz (T. Lattmann), technische Tipps spiegelt dies sehr gut wider: Während das eine Standardempfehlung dar, die sehr zur endovaskukären Versorgung (M. Les- eine Transplantat auf gesamter Strecke oft in den Empfehlungen am Ende des can, K. P. Donas), etwas zur Forschung eine erhebliche Degradation mit Ausbil- Arztbriefs in Form eines Textbausteins (S. Greulich aus der eigenen Arbeits- dung neuer Aneurysmen zeigt, ist das einkopiert wird. „Copy-and-paste“ führt gruppe) und 2 interessante Fälle (H.- andere 5 Jahren nach dem Eingriff nahe- ebenfalls dazu, alte Empfehlungen un- G. Fieguth, und, bereits erwähnt, A. Neu- zu unverändert (. Abb. 1). Die sehr guten reflektiert zu übernehmen. Auch im mann). Sogar die CME-Fortbildung hat Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen mit vorliegenden Fall endet jeder der zahl- die Aorta in dieser Ausgabe zum Thema. sehr wenigen Transplantatproblemen [4, reichen Arztbriefe mit der Empfehlung Eine Originalie, die indirekt auch mit 250 Gefässchirurgie 4 · 2021
In eigener Sache der Aorta zu tun haben kann, beschäftigt 4. Bisdas T, Bredt M, Pichlmaier M, Aper T, Wilhelmi M, Bisdas S, Haverich A, Teebken OE (2010) Eight- sich mit Nahtaneurysmen in den Leisten year experience with cryopreserved arterial homo- (F. Meyer), und R. Grundmann geht auf grafts for the in situ reconstruction of abdominal die Evidenz zur Ernährung bei kardio- aortic infections. J Vasc Surg 52(2):323–330. https://doi.org/10.1016/j.jvs.2010.02.277 (PMID: vaskulären Erkrankungen ein. Wie in 20570473) jeder Ausgabe findet sich ein Artikel aus 5. Kieffer E, Gomes D, Chiche L, Fléron MH, Koskas F, dem Netzwerk Grundlagenforschung Bahnini A (2004) Allograft replacement for infra- renal aortic graft infection: early and late results von A. Gombert: „Thoracoabdominal in 179 patients. J Vasc Surg 39(5):1009–1017. aortic aneurysm tissue sample study“ – https://doi.org/10.1016/j.jvs.2003.12.040 (PMID: das Aachener Modell als Beispiel für ein 15111853) Hilfestellungen für den 6. Leoce BM, Montoya M, Dardik H, Bernik TR (2019) Forschungskooperationskonzept. Rapid degradation and subsequent endovascular Editorial Manager Es bleibt also spannend. Für uns Ge- salvage of upper extremity cryogenic allograft by- Das Einreichungs- und Begutach- fäßmediziner geht es eben nicht immer pass. Ann Vasc Surg 57:276.e5–276.e8. https://doi. org/10.1016/j.avsg.2018.10.052 (PMID: 30731231) tungssystem Ihrer Zeitschrift nur um das Operieren bzw. Interve- 7. Aboyans V, Ricco JB, Bartelink ML et al (2018) nieren. Forschung, Planung, Nachsorge, Editor’s choice e 2017 ESC guidelines on the Auswertung, Beurteilung von Daten diagnosis and treatment of peripheral arterial Sowohl für die ganz alltäglichen Fragen in diseases, in collaboration with the European und Studien sowie die eigene Fortbil- Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur J Vasc der Handhabung des Editorial Managers als dung bleiben weitere Ecksteine unseres Endovasc Surg 55:305e368 auch für spezielle Problematiken finden Sie Berufs. auf www.springermedizin.de/editorial- manager eine Vielzahl an Handreichun- Herzlichst, Ihr gen, die Ihnen die Arbeit als Gutachter*in, Autor*in oder Herausgeber*in erleichtern. Über Videos, einseitige Schritt-für-Schritt- Anleitungen oder ein umfangreiches Ma- Prof. Dr. Axel Larena-Avellaneda nual werden Sie durch die einzelnen Punk- te geführt, wie: Korrespondenzadresse 4 Wie reiche ich ein Manuskript ein? 4 Wie finde ich passende Prof. Dr. A. Larena- Gutachter*innen? Avellaneda 4 Wie lade ich Gutachter*innen ein? Abteilung für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, 4 Wie nehme ich ein Gutachten an bzw. Asklepios Klinik Altona lehne es ab? Paul-Ehrlich-Straße 1, 4 Wo erkenne ich, in welchem Status ein 22763 Hamburg, Deutschland Mansukript ist? a.larena@asklepios.com 4 Wie ändere ich meine persönlichen Informationen? Interessenkonflikt. A. Larena-Avellaneda gibt an, 4 Wo kann ich meinen Urlaub eintragen? dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Bissacco D, Domanin M, Romagnoli S, Gabrielli L (2017) Perigraft seroma after extra-anatomic bypass:caseseriesandreviewoftheliterature. Ann Vasc Surg 44:451–458. https://doi.org/10.1016/j. avsg.2017.03.201 (PMID: 28483618) 2. Ahn SS, Machleder HI, Gupta R, Moore WS (1987) Zugang auch über QR-Code: Perigraft seroma: clinical, histologic, and serologic correlates. Am J Surg 154(2):173–178. https:// doi.org/10.1016/0002-9610(87)90173-5 (PMID: 2957930) 3. Zegelmann M, Guenther G, Ecksein HH et al (2006) In-situ-Rekonstruktion mit alloplastischen Prothesen beim Gefäßinfekt. Evaluation mit Silberacetat beschichteter Prothesen. Gefäss- chirurgie 11:402–407. https://doi.org/10.1007/ s00772-006-0488-6 Gefässchirurgie 4 · 2021 251
Leitthema Gefässchirurgie 2021 · 26:252–260 C.-A. Behrendt1 · A. Larena-Avellaneda2 · T. Kölbel1 · E. S. Debus1 · F. Heidemann1 · https://doi.org/10.1007/s00772-021-00773-1 A. Kühnl3 · H.-H. Eckstein3 · M. Trenner3 Angenommen: 15. März 2021 1 Forschungsgruppe GermanVasc, Deutsches Aortenzentrum Hamburg, Klinik und Poliklinik für Online publiziert: 16. April 2021 Gefäßmedizin, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum, UKE Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg- © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Eppendorf, Hamburg, Deutschland Springer Nature 2021 2 Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, Deutschland 3 Münchner Aorten Centrum (MAC), Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, München, Deutschland Was Sie schon immer zur Behandlung des abdominalen Aortenaneurysmas in Deutschland wissen wollten: Real-World-Evidenz, Trends und offene Fragen Einleitung Deutschland durchgeführt, wobei die Erweiterung der Indikationen zurück- jährliche altersstandardisierte Fallzahl geführt wurde, konnten Trends bei der Das abdominale Aortenaneurysma in den letzten Jahren stabil geblieben ist Verfahrenswahl, Kosten und Zentrali- (AAA) bleibt während der oft jahr- [25]. sierung herausgearbeitet werden. Die zehntelangen Entstehung nicht selten Ergebnisse führten im Nachgang aller- unerkannt, und immerhin 2 % aller To- desfälle sind mit dieser Erkrankung »sierteDieFallzahl jährliche altersstandardi- ist in den letzten dings nicht nur zu breiter Zustimmung, sondern auch zu kontroversen Diskus- assoziiert [31]. Dennoch gehört das sionen über Mindestmengen und andere AAA zahlenmäßig sicher nicht zu den Jahren stabil geblieben Qualitätsindikatoren [9]. Volkskrankheiten westlicher Populatio- In diesem Übersichtsartikel sollen nen, auch wenn das Komorbiditätsprofil Obwohl das AAA im Vergleich zur die verfügbaren Versorgungsdaten aus zahlreiche Überschneidungen mit den peripheren arteriellen Verschlusskrank- sogenannten Real-World-Datenquellen zentralen Volkskrankheiten aufweist heit (PAVK) deutlich seltener invasiv insbesondere im deutschen Kontext [21, 29, 35]. Während randomisierte behandelt wird, gehören Kontroversen diskutiert und deren Bedeutung bei kontrollierte Studien (RCT) aus den (z. B. Mindestmengen, Verfahrenswahl) der Beantwortung wesentlicher Frage- 1990er-Jahren Prävalenzen von bis zu zu den zentralen Themen auf wissen- stellungen beleuchtet werden. Hierbei 8 % in älteren Zielgruppen berichteten, schaftlichen Kongressen und in fachspe- stehen die Themen Zentralisierung, ist anhand der heutigen Screeningda- zifischen Journalen. Etwa 500 Kranken- Screening und Datenverfügbarkeit im ten eher von einer Prävalenz unter häuser waren im letzten Jahrzehnt in Vordergrund. 1,5 % bei älteren Männern (≥65 Jah- Deutschland an der Behandlung dieser re) und etwa 0,5 % bei gleichaltrigen Erkrankung beteiligt, viele davon mit Sektorenübergreifende Frauen auszugehen. Hervorzuheben ist nur wenigen stationären Fällen pro Jahr. interdisziplinäre Versorgung allerdings, dass sich die Populationen In dem 2018 erschienenen BARMER- des abdominalen Aorten- verschiedener Screeningstudien, damals Krankenhausreport zum Schwerpunkt- aneurysmas in Deutschland wie heute, teilweise unterscheiden, was thema „Bauchaortenaneurysma“ wurden bei direkten Vergleichen einzubeziehen die Routinedaten dieser Krankenkasse Die Behandlung von Patienten/-innen ist [55]. Etwa 12.000 offen-chirurgi- zwischen 2006 und 2016 analysiert. mit subklinischen (kleinen) und klinisch sche und endovaskuläre Prozeduren Neben der Zunahme operativer Ein- relevanten abdominalen Aortenaneu- zur invasiven Behandlung abdomineller griffe um etwa 25 %, was primär auf rysmen erfolgt sektorenübergreifend im Aortenerkrankungen werden jährlich in demografische Entwicklungen und eine ambulanten, stationären und rehabili- 252 Gefässchirurgie 4 · 2021
Ultraschall-Screening und Epidemiologie des AAA in Deutschland Valide Daten aus prospektiven epidemio- logischen Kohortenstudien stehen bisher in Deutschland noch nicht zur Verfü- gung. In der gegenwärtig rekrutierenden Hamburg City Health Studie (HCHS) wurden alle Probanden/-innen auch ei- nem Ultraschallscreening der abdomi- nalen Aorta unterzogen. Hierbei wur- de das Außen-zu-Außen-Messverfahren („outer-to-outer“) angewandt. Aktuelle- re Empfehlungen favorisieren die soge- nannte Leading-to-leading-edge-Metho- de, wobei eine näherungsweise Umrech- nung zwischen den Methoden möglich erscheint [15, 22, 38]. Die Ergebnisse zur ersten Kohorte mit 10.000 Untersuchun- gen befinden sich derzeit noch in der Abb. 1 8 Prävalenzen des abdominalen Aortenaneurysmas (AAA) in nationalen Screeningprogram- Qualitätssicherung. In einer risikobasier- men (Schweden, USA, England) und Eckdaten zur Versorgungsrealität in Deutschland. Bei den Scree- ningprogrammen werden teilweise unterschiedliche Zielpopulationen eingeladen, weshalb ein di- ten Ultraschalluntersuchung von 1000 rekter Vergleich nicht valide möglich ist hospitalisierten Patienten/-innen mit ko- ronarerHerzkrankheitaneinem Studien- zentrum in München konnte eine Präva- tativen Gesundheitssektor. Unter den dieser Richtlinie wurden Anforderungen lenz des AAA in Höhe von 8,5 % nach- derzeit mehr als 1600 allgemeinen Kran- an Strukturen und Prozesse in Einrich- gewiesen werden [34]. kenhäusern in Deutschland nahmen in tungen für die offen-chirurgische und den letzten Jahren etwa 500 Krankenhäu- ser mit gefäßchirurgischer Expertise an endovaskuläre Behandlung von abdo- minellen Aortenaneurysmen festgelegt. »hospitalisierten Die Prävalenz des AAA in Risikokohorten der invasiven Versorgung des AAA teil. Die Anforderungen betreffen die prä- Das mediane Fallvolumen betrug dabei operative Diagnostik, die Durchführung liegt bei etwa 8,5% nur etwa 7 Behandlungen pro Jahr [37, der Prozeduren wie auch die stationäre 52]. Für die Behandlung existieren ver- postprozedurale Versorgung der Patien- Eine weitere Studie zu 2102 Patienten/- schiedene nationale und internationale ten/-innen. Explizit fordert die QBAA- innen mit Vordiagnose atheroskleroti- Leitlinien (. Abb. 1; [40]). RL zum Beispiel die ununterbrochene scherErkrankungenim Großraum Berlin An der stationären Behandlung sind Verfügbarkeit von Fachärzten/-innen an drei Studienzentren ergab eine Präva- neben Gefäßchirurgen/-innen, die so- für Gefäßchirurgie und entsprechend lenz von Aortenektasien über 2,5 cm in wohl endovaskuläre (EVAR) als auch fachweitergebildete Gesundheits- und Höhe von 8,7 % [20]. offen-chirurgische (OAR) Therapiever- Krankenpfleger/-innen auf den betreu- Während es in zahlreichen anderen fahren komplementär durchführen, auch enden Intensivstationen. Gegenwärtig Ländern bereits Angebote zum Scree- andere Fachdisziplinen beteiligt. Zu nen- findet eine Evaluation der Richtlinie ning für Risikogruppen gibt, wurde die nen sind hierbei vor allem interventio- durch das BQS Institut für Qualität & Einführung eines flächendeckenden Ul- nelle Radiologen/-innen, die einen Teil Patientensicherheit GmbH statt, bei der traschallscreenings in Deutschland erst der endovaskulären Prozeduren durch- Versorgungsdaten der Sozialversiche- vor Kurzem beschlossen [19]. Seit 2017 führen. Die intensivmedizinische und rungsträger eine zentrale Rolle spielen. können gesetzlich versicherte Männer ab fachärztliche Betreuung erfolgt durch Von zentraler Bedeutung wird hierbei die einem Alter von 65 Jahren freiwillig und zahlreiche weitere Fachdisziplinen und Frage sein, ob sich eine positive Entwick- kostenlos eine einmalige Ultraschall- trägt maßgeblich zum Behandlungser- lung der Qualitätsindikatoren mit der untersuchung der abdominalen Aorta gebnis, insbesondere bei Auftreten von Einführung der Richtlinie assoziieren und eine Beratung erhalten [5]. Die ge- Komplikationen, bei. lässt. genständliche Richtlinie des Gemeinsa- Am 1. Juli 2008 ist in Deutschland men Bundesausschuss zum Ultraschall- die Qualitätssicherungsrichtlinie zum screening wurde 2020 in die gemeinsame AAA (QBAA-RL) des Gemeinsamen Gesundheitsuntersuchungsrichtlinie in- Bundesausschuss in Kraft getreten. In tegriert. Bisher findet allerdings keine Gefässchirurgie 4 · 2021 253
Zusammenfassung · Abstract strukturierte Erfassung dieser systemati- Gefässchirurgie 2021 · 26:252–260 https://doi.org/10.1007/s00772-021-00773-1 schen Screeningmaßnahmen in gemein- © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 samen Registern statt, sodass eine valide Evaluation auf Bevölkerungsebene un- C.-A. Behrendt · A. Larena-Avellaneda · T. Kölbel · E. S. Debus · F. Heidemann · A. Kühnl · H.- möglich erscheint. Durch den relevanten H. Eckstein · M. Trenner Anteil an Zufallsdiagnosen im Rahmen Was Sie schon immer zur Behandlung des abdominalen opportunistischer Screeningmaßnah- Aortenaneurysmas in Deutschland wissen wollten: Real-World- men in Deutschland ist eine Assoziation Evidenz, Trends und offene Fragen von Veränderungen der Kernparameter Zusammenfassung Prävalenz, Krankenhausinzidenz und Obwohl valide Daten zur bevölkerungs- EVAR und bis zu 5 % nach offen-chirurgischer Behandlungsergebnis mit dem 2018 ein- bezogenen Prävalenz und Inzidenz des Behandlung des intakten AAA die Ergebnisse geführten Bevölkerungsscreening nicht abdominalen Aortenaneurysmas (AAA) in randomisierter Studien und Metaanalysen möglich. Deutschland noch fehlen, ist auf dem Boden (26 % bzw. 42 % bei Behandlung der Ruptur). In vier größeren RCT zum Screening von nationalen Screeningprogrammen in In Deutschland werden in > 500 Kranken- Schweden, USA und England von einer häusern AAA behandelt. Eine signifikante des AAA aus Dänemark, Großbritannien Häufigkeit des AAA in Höhe von 1,5 bis Korrelation zwischen hoher jährlicher Fallzahl und Australien, die allesamt vor der Jahr- 3,6 % unter Männern über 65 Jahren und niedriger Krankenhausletalität wurde tausendwende durchgeführt wurden, be- auszugehen. Die Behandlung des AAA mehrfach auf dem Boden verschiedener trug die Prävalenz bei älteren Männern erfolgt in Deutschland sektorenübergreifend Datenquellen bestätigt. Eine Mindestmenge zwischen 3,9 % in Dänemark und 7,7 % in und interdisziplinär, wobei im stationären von 30 AAA-Operationen pro Jahr erscheint Sektor etwa 12.000 invasive Prozeduren zur hinsichtlich der Erreichbarkeit von Kran- Großbritannien [1, 28, 32, 44]. In neue- Behandlung intakter (90 %) und rupturierter kenhäusern sinnvoll. Trotz der zahlreichen ren Untersuchungen an populationsba- AAA stattfinden. In Übereinstimmung mit verfügbaren Studien und Präsenz des Themas sierten Screeningdaten, z. B. aus Schwe- der internationalen Versorgungsrealität in Fachjournalen und Kongressen sind den und England, konnten dagegen deut- erfolgten dabei etwa 70 % (intakt) bzw. 30 % zahlreiche Fragen weiterhin ungeklärt. lich niedrigere Prävalenzen von 1,5 bis (rupturiert) aller Behandlungen endovaskulär (EVAR). Schlüsselwörter 3,6 % in gezielt eingeschlossenen Hochri- Die Daten aus verschiedenen administrativen Versorgungsforschung · Behandlungsqua- sikogruppen nachgewiesen werden. Ein und klinischen Registern zur Krankenhaus- lität · Ruptur · Endovaskuläre Techniken · direkterVergleichderverfügbarenPräva- sterblichkeit bestätigen mit etwa 1 % nach Register lenzen ist allerdings dadurch erschwert, dass unterschiedliche Altersgruppen un- tersucht wurden. So haben die RCT größ- What you always wanted to know about the treatment of tenteils Männer im Alter von 65–80 ein- abdominal aortic aneurysms in Germany: real-world evidence, geschlossen, wobei teilweise auch Unter- trends and open questions schiede in den Studienjahren oder zwi- schen den Ländern existierten. In einer Abstract Although there is a paucity of valid popula- analyses with 1% after elective EVAR through großen Studie zum Bevölkerungsscree- 5% after elective open repair (26% and 42% tion-based data concerning the prevalence ning in Schweden wurden dagegen nur and incidence of abdominal aortic aneurysms after ruptured AAA, respectively). 65-jährige Männer untersucht, wodurch (AAA) in Germany, national screening studies In Germany, more than 500 hospitals treat eine niedrigere Prävalenz teilweise er- in Sweden, the USA, and England suggest patients with AAA. A significant correlation klärt wird [18, 42, 55]. Als maßgebli- a prevalence of AAA of 1.5–3.6% among males between annual case volume and lower over 65 years old. The treatment of patients in-hospital mortality was confirmed based che Faktoren für die sinkende Prävalenz on various data sources. A threshold of with AAA in Germany is provided by multiple werden die Änderung des Tabakkonsums disciplines and healthcare sectors, whereby 30 AAA repairs per year seems reasonable und der optimalen Arzneimitteltherapie approximately 12,000 invasive procedures with respect to the accessibility of hospitals. diskutiert [26]. to treat intact (90%) and ruptured AAA are Despite the many available studies and performed annually. In line with international presence of the topic in scientific journals and »Behandlung Die Selektion und wird vom treatment reality 70% of intact and 30% of ruptured AAA are treated endovascularly (EVAR). scientific meetings, many questions remain unanswered to date. Data from various administrative and clinical Keywords Erlössystem beeinflusst registers on in-hospital mortality confirm the Health services research · Quality of care · results from randomized trials and meta- Rupture · Endovascular techniques · Registers Aufgrund einer möglichen Assoziation zwischen externen Faktoren des Gesund- heitssystems und der Patientenselektion mit der Prävalenz und Inzidenz des AAA steht eine direkte Übertragbarkeit von Screeningdaten aus diesen Ländern auf Deutschland in Frage [2, 12, 14, 54]. Dies 254 Gefässchirurgie 4 · 2021
gilt umso mehr vor dem Hintergrund, Verfügbare Datenquellen zur geliefert, wobei die Erhebungsparameter dass die Selektion und Behandlung hos- Versorgungsrealität des weitreichenden Änderungen unterlagen. pitalisierterKohortensignifikantvom Er- abdominalen Aorten- Eine Einschränkung ergibt sich daraus, lössystem abhingen [2]. aneurysmas in Deutschland dass sich die endovaskuläre Therapie des Die standardisierte Krankenhausinzi- AAA in diesem Zeitraum als alternati- denz aller AAA lag in Deutschland zwi- Für Projekte der Qualitätsentwicklung ve Standardtherapie zum offen-chirurgi- schen 2005 und 2014 für Männer bei 27,9 und Versorgungsforschung zur Behand- schen Verfahren etabliert hat [45, 47]. und für Frauen bei 3,3 pro 100.000. Es lung des AAA stehen in Deutschland ver- Trotz steigendem Patientenalter und zu- zeigte sich im Zeitverlauf ein Rückgang schiedene Datenquellen zur Verfügung, nehmender Komorbidität als Hinweis auf um 30 % bei rupturierten AAA bei beiden die jeweils spezifische Vor- und Nachteile eine Erweiterung der Patientenselektion Geschlechtern, wobei eine Zunahme in- aufweisen. kam es im Zeitverlauf zu einem Rückgang takter AAA um 16 % (Männer) bzw. 42 % der Krankenhaussterblichkeit [48]. (Frauen) gesehen wurde [24]. Klinische Registerdaten Aktuellere Daten bis 2016 zeigen auch für Deutschland eine leichte Abnahme Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchi- »Therapie Die endovaskuläre des AAA konnte der standardisierten Krankenhausinzi- rurgie und Gefäßmedizin (DGG e. V.) denz des intakten AAA, wobei zukünftige unternimmt mit dem Deutschen Insti- sich als Behandlungsstandard Analysen an longitudinal verknüpften tut für Gefäßmedizinische Gesundheits- etablieren und patientenbezogenen Datensätzen forschung (DIGG) bereits seit 1999 eine zeigen müssen, ob sich diese Tendenz Datenerhebung zur invasiven Ausschal- als valider Trend bestätigt (Quelle: For- tung des AAA in teilnehmenden Gefäß- Nachteile desRegisterssind die freiwillige schungsdatenzentrum des Statistischen zentren. Die Ergebnisse werden jährlich Teilnahme, das Fehlen von Langzeitdaten Bundesamtes, eigene Berechnungen). in der Gefässchirurgie publiziert. Für die nach der Krankenhausentlassung und Jahre 1999 bis 2010 erfolgte eine kumu- die fehlende Validierung der Ergebnisse. lative Analyse der Registerdaten. Etwa Trotzdem stellt das Register ein wichtiges 120 Zentren haben hierbei Daten zum Werkzeug der Qualitätsentwicklung und Zeitraum der Krankenhausbehandlung zum Benchmarking der einzelnen Leis- Der einzige ballonexpandierbare, gecoverte Stent Advanta V12 mit reellen Langzeitdaten aus der klinischen Praxis.* Ballonexpandierbarer Das einzige Produkt mit einer primären gecoverter Stent Offenheitsrate von 74,7 % nach 5 Jahren.* Vertrauenswürdig. Höhere Anzahl von 611 Patienten Zuverlässig. TASC-D-Läsionen, die im Rahmen von Bewährt. Advanta-V12-Studien behandelt wurden.* 164 Patienten 155 Patienten 70 Patienten 611 Patienten Mehr schwere Krankheitsfälle, die im Rahmen von 164 Patienten 155 Patienten Advanta-V12-Studien 70 Patienten behandelt wurden.* RF: Rutherford Classification Erfahren Sie mehr *Mwipatayi B, et al., A systematic review of covered balloon-expandable stents www.getinge.de for treating aortoiliac occlusive disease. Journal of Vascular Surgery, August 2020
Leitthema tungserbringer dar. Ein verpflichtendes genutzt werden. Um diesen Prozess zu nationalen Durchschnitt übereinstimm- datenschutzkonformes Qualitätssiche- erleichtern, wurden Forschungsdaten- te. rungsregister unter Einschluss aller teil- zentren (FDZ) eingerichtet [43]. Ver- nehmenden Leistungserbringer, ähnlich schiedene Fragestellungen zum AAA Einflussfaktoren auf das kurz- wie bei Eingriffen an der Halsschlagader, wurden durch die Forschungsgruppe fristige Behandlungsergebnis in könnte die Validität und wissenschaft- „Vaskuläre Versorgungsforschung“ der Real-World-Datenquellen liche Verwertbarkeit der Daten in der Technischen Universität (TU) München Zukunft steigern. Wichtig ist dabei auch anhand der DRG-Daten des Destatis In den Destatis-DRG-Daten von 2005 die Sammlung von validen Langzeitda- bearbeitet [23, 49–51, 53]. bis 2013 wurden 84.631 Fälle mit invasi- ten. ver Behandlung (11,9 % Frauen) ausge- Invasive Verfahrenswahl und wertet. Hierbei wurden weibliches Ge- Routinedaten der EVAR-Anteil im internationalen schlecht(relativesRisiko:1,2x)und höhe- Sozialversicherungsträger Vergleich res Alter (relatives Risiko: 1,8x pro 10 Jah- re) als unabhängige Risikofaktoren für Im Rahmen verschiedener Qualitätsent- Zum Anteil endovaskulärer Therapie- erhöhte Krankenhaussterblichkeit iden- wicklungsprojekte haben die Sozialver- verfahren bei der Behandlung des AAA tifiziert. Es wurde außerdem festgestellt, sicherungsträger DAK-Gesundheit und (EVAR-Anteil) existieren zahlreiche ver- dass Frauen bei der Aufnahme im Me- BARMER der Forschungsgruppe Ger- gleichende Studien unter Einschluss dian etwa 2 Jahre älter waren als Män- manVasc außerdem die Routinedatenba- nationaler Register. In einer Analyse ner und dass EVAR bei Frauen seltener sis für longitudinale Studien zur Verfü- von 11 Gefäßregistern des VASCUNET- eingesetzt wurde [49]. Die Registerana- gung gestellt [33]. Zwischen 2015 und Komitees und des International Consor- lyse der deutschen Qualitätssicherungs- 2020 sind in diesem Konsortium ver- tium of Vascular Registries (ICVR)[10] daten von 1999 bis 2010 stellte außerdem schiedene Analysen zum AAA entstan- wurden 51.153 Patienten/-innen einge- einen zunehmenden maximalen Aneu- den [3, 4, 6–8, 16, 41]. Die Kohorten schlossen, die zwischen 2010 und 2013 rysmadurchmesser, Multimorbidität, be- bleiben in ihrer externen Validität al- behandelt wurden (86 % intakte AAA). gleitende Iliakalaneurysmen und inflam- lerdings auf den jeweiligen Anteil der Der Anteil endovaskulärer Verfahren matorische Aneurysmagenese als Risi- Krankenkasse beschränkt. Während we- schwankte deutlich zwischen 28 % in kofaktoren heraus [46]. Dass Frauen ei- nige Sozialversicherungsträger die flä- Ungarn und 79 % in den USA. 65 % ne höhere Inzidenz an Zugangskompli- chendeckende bundesweite Versorgung aller intakten und 30 % aller rupturier- kationen und perioperativer Morbidität abbilden können (z. B. BARMER, DAK- ten Aneurysmen wurden endovaskulär aufweisen, konnte in mehreren Routine- Gesundheit), stehen auch regionale Da- behandelt. Durch die Autoren/-innen datenarbeiten herausgearbeitet werden. ten bei Kassenverbänden zur Verfügung wurde unter anderem herausgearbeitet, Allerdings zeigten sich keine Unterschie- (z. B. AOK, WIDO) [33]. dass die Art des Erlössystems einen de bei der frühen und langfristigen Sterb- Einfluss auf die Patientenselektion hat- lichkeit [3, 41]. DRG-Krankenhausdiagnose- te. In Gesundheitssystemen mit DRG- statistik und Daten des Instituts für Erlössystem wurden demnach häufiger Der Einfluss des Krankenhaus- das Entgeltsystem im Krankenhaus Patienten/-innen ≥ 80 Jahre (25 % vs. fallvolumens auf Behandlungs- 18 %) und mit kleinerem Aneurysma- ergebnisse und Zentralisierung Auf der Grundlage von § 21 des Kranken- durchmesser (33 % vs. 16 %) behandelt hausentgeltgesetzes (KHEntgG) werden als in Ländern mit populationsbezoge- International, auch auf dem Boden jährlich die DRG-Daten aller stationär in nem Budget [2]. deutscher Versorgungsdaten aus admi- deutschen Krankenhäusern behandelten nistrativen und klinischen Registern, Patienten/-innen (außer Bundeswehr- krankenhäusern und psychiatrischen »Aneurysmen 65 % aller intakten werden besteht eine breite Evidenzbasis für einen inversen Zusammenhang zwi- Einrichtungen) an das Institut für das schen Krankenhaussterblichkeit und Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) endovaskulär behandelt jährlicher Fallzahl der AAA-Behand- übermittelt. Diese Datenerhebung dient lungen [11, 37, 50, 52]. Dies führte in erster Linie der Anpassung und Ver- In einer aktualisierten Vergleichsanalyse mittlerweile auch dazu, dass in interna- besserung des DRG-Entgeltsystems. Die zu 178.860 Patienten/-innen mit Behand- tionalen Leitlinien eine Zentralisierung Daten werden auch an das Statistische lungen zwischen 2010 und 2016 betrug des Leistungsgeschehens in der statio- Bundesamt (Destatis) zum Zwecke der der Anteil 68 % bzw. 28 % [37]. In bei- nären Behandlung des AAA empfohlen amtlichen Krankenhausstatistik weiter- de Analysen sind auch Register-, DRG- wird [56]. Eine konkrete Mindestmenge, geleitet. Durch §3a und §16 des Bundes- sowie Krankenkassendaten aus Deutsch- insbesondere unter Einbeziehung der statistikgesetzes können diese Mikroda- land eingegangen, wobei der EVAR-An- deutlichen Unterschiede zwischen en- ten anschließend für wissenschaftliche teil hierzulande mit 68 % (intakt) bzw. dovaskulären und offen-chirurgischen Zwecke durch berechtigte Institutionen 31 % (rupturiert) fast exakt mit dem inter- Verfahren, konnte allerdings bisher noch 256 Gefässchirurgie 4 · 2021
Abb. 2 9 Krankenhaus- sterblichkeit nach offen- chirurgischer (OSR) und en- dovaskulärer (EVAR) Be- handlung des rupturierten (links) und intakten (rechts) AAA in nicht verknüpften prozedurbezogenen Da- ten der Krankenhausdia- gnosestatistik in Deutsch- land. (Quelle: Forschungs- datenzentren der Statisti- schen Ämter des Bundes und der Länder, DRG-Sta- tistik, 2010–2015, eigene Berechnungen [9]) nicht konsentiert werden. In einer neuen RL eingeschlossen wurden, wurden die der endovaskulär versorgten Patien- Analyse der VASCUNET-Gruppe von Ergebnisse in der Vergangenheit kritisch ten. Dies impliziert, dass die Wahl des fast 180.000 Prozeduren aus 11 Län- diskutiert. Eine neue Analyse konzen- Therapieverfahrens nicht nur von Patien- dern, 63 % davon EVAR, wurde kein trierte sich dabei auf die Jahre 2012 tencharakteristika, sondern ebenso vom Effekt des Krankenhausfallvolumens bei bis 2016. Der inverse Zusammenhang Standort der Behandlung abhängig ist. EVAR nachgewiesen. Bei den offen- zwischen Krankenhausfallzahl und pe- Des Weiteren konnte eine hohe regionale chirurgischen Behandlungen konnte in rioperativer Sterblichkeit wurde erneut Streuung der Krankenhaussterblichkeit verschiedenen statistischen Verfahren bestätigt. Auf dem Boden einer erstmalig gezeigt werden [53]. ein optimales jährliches Fallvolumen durchgeführten Erreichbarkeitsanalyse von 13 bis 16 Krankenhausfällen errech- für die deutsche Gesamtbevölkerung Reproduzierbarkeit von net werden. Ein interessanter Aspekt war wurde dabei auch herausgearbeitet, dass randomisierten kontrollierten hervorzuheben: In den DRG-Erlössyste- eine Mindestmenge von 30 Operationen Studien in Real-World- men konnten nur etwa 13 % (Australien), pro Jahr einen rationalen Mittelweg zwi- Datenquellen 19 % (USA) bzw. 11 % (Deutschland) al- schen Risikoreduktion und Erreichbar- ler teilnehmenden Krankenhäuser die keit darstellen könnte [52]. Eine weitere Derzeit findet eine Diskussion darüber untere Mindestmenge von 13 Fällen pro Studie untersuchte die Interaktion zwi- statt, ob die Datenlage aus randomisier- Jahr erreichen (. Abb. 2; [36, 37]). schen Alter, Geschlecht und jährlicher ten kontrollierten Studien aufgrund der Krankenhausfallzahl. Während sich bei Lernkurveneffekte, Produktentwicklun- »erreichen Nur 11 % aller Krankenhäuser die Mindestmenge von Männern aller Altersgruppen einheitlich ein positiver Effekt steigender Kranken- gen und Änderungen des Risikoprofils auf die gegenwärtige Versorgungsrealität hausfallzahlen zeigte, war dieser Effekt ohne Einschränkungen angewendet wer- 13 Fällen pro Jahr nur bei unter 70-jährigen Frauen nach- den kann [30, 39]. In diesem Zusammen- weisbar, nicht aber bei älteren Frauen. hang werden zunehmend sogenannte er- In Deutschland ist eine Zentralisierung Während bei Männern somit durch ei- fahrungsbasierte randomisierte Studien der AAA-Behandlung seit mehreren ne Zentralisierung der Behandlungen vorgeschlagen, die solche Einflussfakto- Jahren in der Diskussion [9, 17]. Na- mit einer Reduktion der Sterblichkeit ren einbeziehen sollen [13]. tional wurde ein Volume-Outcome- zu rechnen ist, ist dies bei weiblichen In einer systematischen Übersichtsar- Zusammenhang erstmalig in den De- Patienten diskutabel [51]. beit und Metaanalyse zu randomisierten statis-DRG-Daten von 2005 bis 2013 kontrollierten Studien und Versorgungs- nachgewiesen. Zudem waren weitere Regionale Unterschiede bei der daten aus den USA und Schweden konn- Komplikationsraten, sowie Ressourcen- Versorgung te eine 30-Tage-Sterblichkeit von 1,3 % verbrauch invers mit der jährlichen Fall- nach EVAR und 4,7 % nach OAR er- zahl für intakte und rupturierte AAA Eine signifikante regionale Variation rechnet werden. Nach 2 Jahren betrug in Verbindung gebracht. Eine jährli- und Clusterung der Krankenhausin- die Sterblichkeitsrate 14,3 % bzw. 15,2 % che verfahrensunabhängige Fallzahl von zidenz von AAA in Deutschland mit und war damit nicht mehr unterschied- 75 bis 100 wurde mit der niedrigsten signifikant höheren Raten im Nordwes- lich zwischen beiden Verfahren. In ei- Sterbewahrscheinlichkeit assoziiert [50]. ten und niedrigeren Raten im Südosten ner weiteren Metaanalyse zu drei ran- Da in diese retrospektive Analyse von wurde anhand der Destatis-DRG-Da- domisierten kontrollierten Studien und administrativen Daten auch Behand- ten gezeigt [23]. Außerdem zeigte sich insgesamt 68 Beobachtungsstudien wur- lungsfälle vor Inkrafttreten der QBAA- eine hohe regionale Varianz der Rate den die langfristigen Behandlungsergeb- Gefässchirurgie 4 · 2021 257
Leitthema nisse nach mindestens 5 Jahren unter- tenziellen komplementären Nutzen von tiert wird. Dieser Composite-Endpunkt sucht, wobei keine Sterblichkeitsunter- Daten aus klinischen und administrati- umfasst letztlich alle hospitalisierten schiede gefunden wurden. Interessanter- ven Registern. Vor dem Hintergrund der Patienten/-innen, die im Rahmen der weise zeigten sich häufigere Reinterven- EU-Datenschutzgrundverordnung und Krankenhausbehandlung versterben und tionsraten nach EVAR, aber auch eine der ab Mai 2021 in Kraft tretenden Me- repräsentiert dabei die Fähigkeit, schwer- Verbesserung der Behandlungsergebnis- dizinproduktverordnung sind allerdings wiegende Komplikationen effektiv zu be- se im Laufe der Zeit [27]. pragmatische und reliable Lösungen zur handeln und Todesfälle zu verhindern. Erhebung und Verarbeitung dieser Da- Voraussetzung für eine umfassende und »klinischen Die Langzeitdaten in Registern gewinnen ten erforderlich. Das Medical Device Epidemiology Network (MDEpiNet) valide Betrachtung dieses Aspektes sind vollständige patientenbezogene Daten mit Niederlassungen in 5 Ländern baut unter Einschluss von Verlegungen auf für die Evaluation an Bedeutung hierfür in Deutschland derzeit einen interne und externe Intensivstationen gemeinnützigen Interessenverband auf, (Krankenhausverlegungen). In einer longitudinalen Analyse von Rou- in dem diese und andere Fragen gemein- Abschließend ist zu erwähnen, dass tinedaten der DAK-Gesundheit über bis sam diskutiert werden können (https:// die Verfügbarkeit valider Risikovorher- zu 6 Jahre konnte gezeigt werden, dass mdepinet.de/). sagemodelle zum Rupturrisiko und zur nach etwa 2 Jahren eine Angleichung Neben fehlenden Langzeitdaten zu Prognoseabschätzung im Langzeitver- bzw. ein Wechsel der Sterblichkeit bei den Behandlungen und Medizinpro- lauf bisher noch eingeschränkt ist. Ver- beiden Verfahren stattfindet. Die Kran- dukten erscheinen wichtige Störfaktoren schiedene retrospektive Beobachtungs- kenhaussterblichkeit war dabei mit 1,2 % in der wissenschaftlichen Debatte noch studien konnten dagegen den Einfluss des nach EVAR und 5,4 % nach OAR des in- unzureichend gewürdigt. Hierzu zählt weiblichen Geschlechts auf kurzfristige takten AAA und 26,1 % bzw. 42,0 % der unter anderem der Einfluss sozioökono- Behandlungsergebnisse herausarbeiten. Ruptur fast identisch mit den verfügba- mischerFaktorenund deroptimalenArz- Anatomische Unterschiede zwischen den ren RCT [7]. Insgesamt legen die Daten neimitteltherapie während des Follow- Geschlechtern, aber auch der Zusam- aus Beobachtungsstudien und RCT aller- ups. Da sich bei anderen gefäßmedizini- menhang mit Blutungskomplikationen dings nahe, dass die alleinige Nutzung schen Erkrankungen nur unzureichende bzw. ischämischen Komplikationen auf der kurzfristigen Mortalität bis 30 Ta- Verschreibungsraten, z. B. bei Statinen, dem Boden der Nutzung von Verschluss- ge ohne Einbeziehung weiterer Parame- gefunden haben, ist von einer ähnlichen und Schleusensystemen verdienen eine ter kein perfekter Qualitätsindikator ist. Situation in dieser Zielpopulation auszu- gewissenhaftere Betrachtung in zukünf- Vielmehr ist die datenschutzkonforme gehen. Zukünftige Forschungsprojekte tigen Studien. Sammlung von Langzeitdaten in klini- sollten dabei insbesondere auch den am- schen Registern oder die komplementä- bulanten Behandlungssektor beleuchten, Fazit für die Praxis re Nutzung von Routinedaten der So- dessen wichtige Rolle bisher nur unzu- zialversicherungsträger zunehmend von reichend in Versorgungsforschungs- 4 Männer über 65. Jahren haben seit Bedeutung. projekten abgebildet wurde. Weiterhin 2018 Anspruch auf eine einmalige unerforscht ist auch der rehabilitative Ultraschalluntersuchung der Bauch- Offene Forschungsfragen und Gesundheitssektor und der potenzielle schlagader. Diskussion Nutzen von rehabilitativen Maßnahmen 4 Internationale Screeningprogramme nach invasiver Versorgung des AAA belegen bei älteren Männern eine Trotz der zentralen Stellung des For- auf die langfristigen Behandlungser- Häufigkeit zwischen 1,5 und 3,6 %. schungsthemas in Fachzeitschriften und gebnisse. Um die potenzielle Nutzung 4 Die EVAR(endovaskuläre Therapie- auf wissenschaftlichen Kongressen er- risikobasierter Screeningangebote weiter verfahren)-Rate ist in Deutschland scheint es bemerkenswert, dass zahl- zu untersuchen, sollten die Ergebnisse mit 70 % aller intakten und 30 % reiche Fragen zu Screening, Diagnostik, aus anderen Ländern, aber auch aus deut- aller rupturierten Bauchaortenan- und Behandlung der Zielpopulation wei- schen Studien zugrunde gelegt werden eurysmen mit der internationalen terhin ungeklärt bleiben. Dabei bleibt [34]. Versorgungsrealität vergleichbar. der Mangel an hochwertiger Evidenz, 4 Die invasiven Prozeduren zur Be- die die aktuellen Produktgenerationen bei EVAR und die dynamischen Lern- »solltenForschungsprojekte auch den ambulanten handlung des Bauchaortenaneurys- mas werden in Deutschland an etwa kurveneffekte für beide Verfahren ein- 500 Krankenhäuser durchgeführt, bezieht, ein zentraler Aspekt [39]. In der Behandlungssektor beleuchten aber nur 11 % von ihnen erreichen aktuellen S3-Leitlinie zur Diagnostik Fallzahlen mit mehr als 13 Eingriffen und Behandlung des AAA basierten die Eng mit dem Fallvolumen-Outcome- pro Jahr. 109 Empfehlungen und Feststellungen Zusammenhang verknüpft ist zudem 4 Ein realisierbarer Mittelweg zwischen nur zu 42 % auf dem Boden hochwertiger die sogenannte Failure-to-rescue-Rate, Risikoreduktion und Erreichbarkeit Evidenz [15]. Dies unterstreicht den po- deren Bedeutung derzeit intensiv disku- der Krankenhäuser könnte eine 258 Gefässchirurgie 4 · 2021
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