Gegen Krebs - Klinikum Esslingen
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Krebs Schwerpunktthema – Seite 6 bis 11
Vernetzt
gegen Krebs
Statistik als Mutmacher: Vor 1980 starben über zwei
Drittel aller Krebspatienten an ihrer Erkrankung. Inzwi-
schen kann mehr als die Hälfte mit einer dauerhaften
Heilung rechnen, denn im Kampf gegen Krebs treten
heute Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen zusam-
men an. So auch am Cancer Center Esslingen – CCE.
Mehr und mehr Menschen in Deutschland leben mit einer Krebs- Das CCE wurde 2019 als Dachorganisation gegründet. Es vereint
diagnose. Momentan etwa 4,65 Millionen. Tendenz steigend, die zuvor schon langjährig bestehenden Zentren für Brust- und
denn unsere Gesellschaft wird immer älter. Gleichzeitig standen Genitaltumoren, Darm-, Pankreas- und Lungentumoren, das Leber-
die Chancen für Krebspatienten noch nie so gut. „Auch heute zentrum sowie das 2019 gegründete hämatoonkologische Zent-
ist nicht jede Tumorerkrankung heilbar, aber ‚nicht heilbar’ rum. Zusätzlich gehören zum Netzwerk rund 40 externe Partner.
bedeutet noch kein Todesurteil“, sagt PD Dr. Swen Weßendorf, „Wir bündeln Wissen, personelle Kapazitäten und technische Aus-
Koordinator des Cancer Center Esslingen – CCE. „Wir können stattung, so dass Patienten Fachärzte nicht einzeln aufsuchen
heute vielen Patienten eine Therapie anbieten, die das Tumor- müssen, sondern am CCE von einem interdisziplinären Experten-
wachstum unter Kontrolle hält und das Leben deutlich verlän- team gemeinsam betreut werden, von der Diagnostik über die
gert. Und das bei hoher Lebensqualität.“ Therapie bis zur Nachsorge“, so Professor Wege. „Die Patienten
können sich auf höchste Qualität verlassen – das belegen unsere
Moderne Netzwerkmedizin als Erfolgsfaktor Zertifizierungen durch die Deutsche Krebsgesellschaft, eine Art
Worauf der Erfolg moderner Tumortherapien fußt? Die Möglich- TÜV-Siegel der Medizin.“
keiten der Früherkennung und Diagnostik haben sich rasant
verbessert. Zudem weiß man heute nicht nur, dass Brust-, Dem genetischen Code auf der Spur
Prostata- oder Lungenkrebs verschiedene Behandlungskonzepte In interdisziplinären Tumorkonferenzen stellen Onkologen,
erfordern, sondern auch, dass jeder Tumor so einzigartig ist wie Chirurgen, Radiologen und Pathologen für jeden Patienten das
ein Fingerabdruck. „Die Behandlungsstrategien werden immer ideale Therapiekonzept auf. Je nachdem, welches Organ betrof-
individueller auf den Patienten zugeschnitten und die Therapien fen ist, sind zudem Innere Medizin, Gynäkologie, Pneumologie
sind multimodular aufgebaut. Operation, Bestrahlung, Immun- oder andere Bereiche vertreten. Pro Jahr werden auf diesem
oder Chemotherapie werden für jeden Patienten optimal kom- Wege über 2.500 individuelle Tumorkonferenzempfehlungen in
biniert“, erklärt Dr. Weßendorf: „Onkologische Therapien sind den Expertengremien des CCE ausgesprochen.
erfolgreicher, aber auch komplexer geworden. Sie erfordern eine
enge Zusammenarbeit von Spezialisten verschiedener Fachrich- „Eine Besonderheit ist, dass wir auch eine molekulare Tumor-
tungen.“ „Gute Krebsmedizin ist Netzwerkmedizin“, bestätigt konferenz etabliert haben“, so Professor Wege. „In diesem hoch-
Professor Dr. Henning Wege, Leiter des Cancer Center Esslingen. spezialisierten Bereich arbeiten wir eng mit Partnerlaboren
„Für diese Netzwerkmedizin haben wir am Klinikum Esslingen zusammen. Zu den Tumorkonferenzen schalten wir Molekular-
mit dem CCE optimale Strukturen geschaffen.“ genetiker, IT-Experten, Humanbiologen und andere Fachleute
per Video zu.“ Grundlage für die Therapieempfehlung des mole-
6 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021
kularen Tumorboards bildet eines der derzeit fortschrittlichsten Professor Dr. PD Dr. Swen
Diagnoseverfahren: „Im Labor wird der genetische Code eines Henning Wege Weßendorf
Tumors entschlüsselt. So können wir die Eigenschaften, die für
das Tumorwachstum verantwortlich sind, identifizieren und die
Therapie genau auf diese Eigenschaften abstimmen. Die soge-
nannte Präzisionsonkologie ist ein sehr junges Feld – und die
Zukunft der Krebsmedizin“, ist Professor Wege überzeugt.
Hand in Hand: Ambulant und Stationär
Wissenschaftliche Expertise Anders als früher muss eine Krebstherapie heute nicht komplett
Nicht nur im Bereich der Präzisionsonkologie wirkt das CCE im Krankenhaus stattfinden. „Benötigt ein Patient eine OP, erfolgt
intensiv an der Zukunft der Krebsmedizin mit. „Wir beteiligen diese meist stationär. Medikamentöse Tumortherapien können oft
uns jährlich an rund 60 klinischen Studien, um die Wirksamkeit ambulant durchgeführt werden“, so Dr. Robert Eckert, Leiter der
neuer Behandlungsstrategien zu prüfen. Unsere Ärzte sind eng Onkologischen Schwerpunktpraxis Esslingen. „Unser spezialisier-
mit wissenschaftlichen Studiengruppen und Fachgesellschaften tes Team kümmert sich nicht nur um die Chemotherapie, auch wir
weltweit verzahnt und können neueste Erkenntnisse schnell an haben stets den ganzen Menschen im Blick.“ So nimmt Dr. Eckert
Betroffene weitergeben. Tumorpatienten, die an einer Studie am zum Beispiel an den Tumorkonferenzen des CCE teil, um gemein-
CCE teilnehmen, erhalten Zugang zu innovativen, noch nicht sam mit stationären und weiteren ambulanten Partnern die ide-
frei zugänglichen Medikamenten und werden besonders eng- ale Therapie für seine Patienten zu erarbeiten. „Wir tauschen uns
maschig überwacht. Die Studienteilnahme ist selbstverständlich auch während der gesamten Therapiezeit fortlaufend aus, welche
freiwillig“, so Dr. Weßendorf. Maßnahmen im Einzelfall ambulant und welche stationär erfol-
gen sollten.“ Die enge Verzahnung der Sektoren sieht er als
Ganzheitlicher Therapieansatz großes Plus. „Zusammen bieten wir den Patienten ein breites
„Krebs betrifft mehr als nur ein Organ. Die Erkrankung macht Angebotsspektrum aus einer Hand. Das bedeutet nicht zuletzt
etwas mit dem Menschen“, so Professor Wege. „Deswegen ver- weniger Wartezeit, wenn es um Termine bei anderen Spezialis-
folgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Wir versorgen unsere ten geht.“ Seit Oktober 2021 ist die Onkologische Schwerpunkt-
Patienten rundum mit stationären und ambulanten Angeboten.“ praxis Esslingen noch enger an das Klinikum angebunden: Sie
Speziell ausgebildete onkologische Pflegekräfte unterstützen ist Teil des Medizinischen Versorgungszentrums geworden.
zum Beispiel bei der Bewältigung von Nebenwirkungen und
beraten zu Themen wie Ernährung, Hautpflege und Mobilisation. Informationszentrum
Zudem bietet das CCE vielfältige Angebote aus den Bereichen Angegliedert an das CCE soll bald ein Patienten-Informations-
Komplementärmedizin, Symptombekämpfung, Psychoonkologie, zentrum rund um das Thema Krebs entstehen. „Ursprünglich war
Seelsorge, Sport, Ernährung oder Kunsttherapie. Der Sozialdienst eine Anlaufstelle im Foyer des Klinikums in Kombination mit Vor-
gibt Hilfestellung bei der Bewältigung sozialrechtlicher, beruf- trägen geplant. Coronabedingt überdenken wir unser Konzept
licher oder sonstiger krankheitsbedingter Probleme. Zuhause derzeit und planen, digitale Informationsangebote zu integrieren“,
werden die Patienten von der Brückenpflege Stella Care beglei- so Professor Wege. „Ziel ist ein niederschwelliges, qualitäts-
tet. Austausch finden sie in Selbsthilfegruppen, die eng mit dem gesichertes Angebot, das zeigt: Wenn es um das Thema Krebs
CCE vernetzt sind. geht, sind wir für Sie da. lj
Gebündelte Kompetenzen:
Die Organzentren des CCE
Kontakt
Klinikum Esslingen
Cancer Center Esslingen CCE
Zentrumsleitung
Professor Dr. Henning Wege
Priv. Doz. Dr. Swen Weßendorf
Telefon 0711 3103-2452
cancercenter@klinikum-esslingen.de
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Ein Stück Heimat
in schweren Zeiten
Das Ambulante Therapiezentrum mit 21 Behandlungsplätzen Pflegekräfte gerne für Beratungsgesprä-
che nutzen. „Wir erklären den Patienten
ist wichtiger Bestandteil des Cancer Center Esslingen. zum Beispiel, was sie zuhause selbst tun
Krebspatienten werden dort fachübergreifend nach neuesten können, um Nebenwirkungen zu reduzie-
ren.“ Neun der elf Pflegefachkräfte des
wissenschaftlichen Standards medikamentös behandelt. Ambulanten Therapiezentrums haben eine
Vor kurzem ist das Zentrum innerhalb des Klinikums spezielle onkologische Zusatzausbildung
und können auf umfangreiches Fachwis-
umgezogen. Ein Rundgang durch die neuen Räumlichkeiten sen zurückgreifen. „Was auch zählt, ist
zeigt: Hier geben alle alles, um die Chemotherapie für ein offenes Ohr zu haben und die Sorgen
abzufangen. Manchmal braucht es nicht
Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten. einmal Worte, da reicht es, einfach da zu
sein“, sagt Paprotta.
Es geht weiter den Flur entlang, vorbei an
mehreren Vierer-Zimmern. Am Ende des
Ich darf probesitzen. Ich lasse mich in Sessel. Der Förderverein proklinikum Gangs liegt ein Einzelzimmer. „Das ist
einem der weichen Relax-Sessel nieder, hat 20 Stück gespendet. unser Isolierzimmer. Patienten, die einen
fahre ihn auf Knopfdruck in Liegeposition Keim haben, sondern wir ab, damit sich
und schaue aus dem großen Fenster. Der Und nicht nur das: Mithilfe des Förder- niemand ansteckt.“ Da eine Chemothera-
Blick schweift weit von hier oben im sechs- vereins konnten auch spezielle Kühl pie das Immunsystem beeinträchtigt, wird
ten Stock über die Dächer Esslingens, über systeme angeschafft werden, die die streng auf Hygiene geachtet. Während
Wälder bis in den klaren Himmel. Ideal, Nebenwirkungen der Chemotherapie Corona galten verschärfte Vorschriften.
um sich aus der Realität zu träumen. Ob lindern. Liebetraud Paprotta erklärt:
das den Menschen, die hier normalerweise „Eine spezielle Kühlkappe, die die Kopf- Wir gehen den Flur zurück Richtung Ein-
Platz nehmen, auch gelingt? haut herunterkühlt, kann den Haarausfall gang. Die Theke mit Getränken und Gebäck
mindern. Wir haben als einzige Klinik im ist jetzt, nach 15 Uhr, weggeräumt, die
Ich befinde mich im Ambulanten Thera- Landkreis ein solches Kühlsystem hier. Patienten sind nach Hause gegangen. „Eine
piezentrum des Klinikum Esslingen. Rund Immer zwei Patienten gleichzeitig kön- ambulante Therapie ist ein großer Zuge-
150 Krebspatienten erhalten hier jede nen die Kappe gegen eine geringe Gebühr winn an Lebensqualität. Die Patienten
Woche ihre Chemotherapie. „Diese Men- buchen. Außerdem haben wir zwei Hand- müssen nur für die Sitzungen ins Kranken-
schen sind in einer Ausnahmesituation. Fuß-Kühlgeräte, die helfen, Nervenschä- haus und können den Rest des Tages
Deswegen ist es uns wichtig, eine ange- digungen vorzubeugen.“ zuhause ihrem Leben nachgehen“, sagt
nehme Atmosp häre zu schaffen“, sagt Liebetraud Paprotta.
Pflegefachkraft Liebetraut Paprotta, Lei- Liebetraut Paprotta führt mich weiter
terin des Ambulanten Therapiezentrums. durch die Räumlichkeiten. Die Wände sind Eine Chemotherapie wird in sogenannten
Dass die Patienten während der Therapie in warmen Farben gestrichen und mit Zyklen durchgeführt. Behandlungsphasen
so komfortabel sitzen, ist keine Selbst- Mutmachbildern dekoriert. Es gibt einen und Behandlungspausen, in denen der
verständlichkeit: 2.500 Euro kostet ein Balkon und einen Wintergarten, den die Körper sich regenerieren soll, wechseln
sich ab. Im Schnitt werden vier bis sechs
Behandlungszyklen durchgeführt. „Das
heißt, dass wir hier im Ambulanten Thera
piezentrum die Leute über einen langen
Zeitr aum, manchmal über Monate,
begleiten“, sagt Paprotta. „Da entstehen
natürlich enge Bindungen zwischen
Pflegekräften und Patienten. Und auch
zwischen den Patienten bilden sich
Freundschaften, man gibt sich gegensei-
tig Halt, baut sich auf. Manchmal sagen
mir Patienten: Das Therapiezentrum ist
wie ein Stück Heimat für mich.“ lj
Normalerweise sitzen hier Chemo-Patienten. Liebetraud Paprotta im Relax-Sessel.
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