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Neurologische und psychiatrische Symptome bei Patienten mit Hypophysenadenomen Sievers C Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2012; 5 (2), 12-14 Homepage: www.kup.at/klinendokrinologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism Metabolism
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Neuropsychiatrische Symptome bei Patienten mit Hypophysenadenomen Neurologische und psychiatrische Symptome bei Patienten mit Hypophysenadenomen C. Sievers Kurzfassung: Viele Patienten mit hypothalamisch- Schlüsselwörter: psychiatrische Komorbiditä- turbances such as diabetes mellitus as in ac- hypophysären Erkrankungen leiden an neurologi- ten, Akromegalie, M. Cushing, Prolaktinom, hor- romegaly and Cushing’s disease, side effects of schen und psychiatrischen Symptomen. Direkte Ef- moninaktive Hypophysenadenome various drugs, inadequate substitution therapy, fekte auf das zentrale Nervensystem, Nebenwir- and socioeconomic factors. This article reviews kungen der verschiedenen Therapien, Anpassungs- pituitary diseases and their most common neu- störungen an die Diagnose, Operation oder die Ko- Abstract: Neurological and Psychiatric ropsychiatric symptoms and suggests diagnostic morbiditäten, suboptimale Substitutionstherapien, Symptoms in Patients with Hypothalamo- procedures and therapies for clinical practice. hormonelle Dysregulationen sowie schwer behan- Pituitary Diseases. Many patients with hypo- J Klin Endokrinol Stoffw 2012; 5 (2): 12–4. delbare Komorbiditäten wie Schmerzsyndrome thalamo-pituitary diseases suffer from neuro- oder Adipositas oder fehlende soziale Unterstüt- logical and psychiatric symptoms and comorbidi- Key words: psychiatric comorbidities, acrome- zung können Ursachen hierfür sein. Dieser Artikel ties. Underlying causes include neuroanatomical galy, Cushing’s disease, prolactinoma, non-func- gibt einen Überblick über neuropsychiatrische aspects, direct effects of hormonal alterations tioning pituitary adenoma Symptome der verschiedenen Hypophysenerkran- on the central nervous system, indirect effects kungen sowie deren Diagnostik und Therapie. on the brain as mediated through metabolic dis- Einzelne hypophysäre Krankheitsbilder Prolaktinom und ihre neuropsychiatrischen Symptome Patienten mit Prolaktinomen bzw. Hyperprolaktinämie be- richten häufig von emotionalen Schwierigkeiten. Es gibt für bzw. Folgeerkrankungen dieses Krankheitsbild jedoch keine guten Studien über Prä- Akromegalie valenzen und Inzidenzen von psychiatrischen Erkrankungen. Etwa 1/3 der an Akromegalie erkrankten Patienten leidet an af- Dies ist umso erstaunlicher, da die Therapie der Prolaktinome fektiven Störungen wie einer Depression [1]. Zusätzlich wei- mit Dopaminagonisten einen Risikofaktor für psychiatrische sen akromegale Patienten Persönlichkeitsveränderungen und Symptome wie Wahnvorstellungen und Suchterkrankungen kognitive Defizite auf, die mit Veränderungen der Gehirn- darstellen kann. architektur im Sinne einer Vermehrung der grauen und wei- ßen Gehirnsubstanz einhergehen [2, 3]. Bislang ist allerdings Hypophysenvorderlappeninsuffizienz nicht klar, inwieweit akromegaliespezifische Therapien diese Nicht nur Patienten mit hormonellen Exzesssyndromen, son- psychiatrische Symptomatik beeinflussen können oder ob dern auch Patienten mit hypothalamischer oder hypophysärer eine spezielle antidepressive Substanz hier hilfreicher als an- Insuffizienz berichten von Kopfschmerzen, Gesichtsfeldein- dere sein könnte. schränkungen, Gewichtsveränderungen, Antriebsstörungen, Schlafstörungen, reduzierter Libido und Reduktion von Auf- M. Cushing merksamkeit und Erinnerung. Diese Symptome können einerseits Bei Patienten mit Cushing-Syndrom sind psychiatrische Prob- die klare Abgrenzung zu affektiven Erkrankungen erschwe- leme besonders häufig. Bis zu 70 % der Patienten mit M. ren oder erst zu ihrer Entwicklung prädisponieren. In einer Cushing entwickeln ein depressives Syndrom und bei prak- der größten prospektiven Studien in einer gemischten Kohor- tisch allen Patienten sind kognitive Störungen nachweisbar te von 93 Patienten mit Hypophysenadenomen, von denen [4, 5]. Psychotische Symptome und/oder Suizidalität treten > 50 % eine oder mehrere hormonelle Insuffizienzen aufwie- bei ca. 10 % der Patienten auf. Wie auch bei den Patienten mit sen, konnte jedoch keine Erhöhung von psychiatrischen Er- Akromegalie ist eine Normalisierung der Hormonwerte als krankungen gegenüber dem Kontrollkollektiv festgestellt Therapie der psychiatrischen Begleiterkrankungen allein häu- werden [6]. fig nicht ausreichend. Viele Patienten mit M. Cushing benöti- gen zusätzlich eine Psychopharmakatherapie (mit Neurolepti- Betrachtet man die einzelnen Achsen unabhängig vonein- ka, Antidepressiva und ggf. auch Benzodiazepinen), die je- ander, so führt die chronische kortikotrope Insuffizienz zu doch häufig schlechter wirksam ist als bei depressiven Patien- Symptomen wie Schwäche, Müdigkeit bis hin zu manifesten ten ohne Cushing-Syndrom. psychiatrischen Symptomen wie Aufmerksamkeitsstörungen, Depression, Angst oder paranoiden Gedanken. Als Ursachen kommen sowohl direkte Effekte des Kortisolmangels als auch Eingelangt am 7. November 2011; angenommen am 20. März 2012; die damit assoziierten Hypoglykämien, lokalisierte zentrale Pre-Publishing Online am 3. April 2012 Hypoxien sowie Elektrolytstörungen wie die Hyponatriämie Aus der Inneren Medizin, Endokrinologie und Klinischen Chemie, Max-Planck- infrage. Eine Hydrokortisonsubstitution, die das normale Institut für Psychiatrie, München, Deutschland Korrespondenzadresse: Dr. med. Caroline Sievers, Innere Medizin, Sekretionsmuster nachbildet, mit Teilung der Dosis auf 3 Ein- Endokrinologie und Klinische Chemie, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, nahmen pro Tag, scheint am effektivsten, um die psychischen D-80804 München, Kraepelinstraße 2–10; E-Mail: csievers@mpipsykl.mpg.de Parameter positiv zu beeinflussen [7]. 12 J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (2) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Neuropsychiatrische Symptome bei Patienten mit Hypophysenadenomen Auch die thyreotrope Insuffizienz erhöht das Risiko des Auf- tretens psychiatrischer Erkrankungen wie Depression, Angst Relevanz für die Praxis oder emotionaler Instabilität. Prävalenz Ein lokaler T3-Mangel im zentralen Nervensystem (ZNS) – Neuropsychiatrische Probleme bei Hypophysenerkran- kann als Erklärung für kognitive und affektive Symptome kungen sind sehr häufig. infrage kommen. Bei ausgewählten Patienten mit Hypothala- – Besonders häufig kommen Depressionen, Schmerz- mus-/Hypophysenerkrankungen und thyreotroper Insuffizi- syndrome und Schlafstörungen vor. enz kann eine Kombinationstherapie aus T4 und T3 anstelle von T4 alleine positive Auswirkungen auf die psychiatrische Diagnostik Symptomatik haben [8]. – Problematisch ist die Diagnostik durch Überlappung der Symptomatik mit den Grunderkrankungen. Frauen mit gonadotroper Insuffizienz berichten häufig von – Damit gibt es Probleme der Zuständigkeit bei Diag- Symptomen wie Depression, Angst, Schlafstörungen und kog- nostik und Therapie bedingt durch die interdisziplinä- nitiven Einschränkungen. Eine große Metaanalyse von 26 re Fragestellung. Studien konnte zeigen, dass die Östrogensubstitution modera- te bis deutliche Effekte auf die depressive Stimmung bei Frau- Therapie en hatte, während der Zusatz von Progesteron keine, wohl – Biochemische Kontrollen und eine optimierte Substi- aber der Zusatz von Androgenen wie Testosteron zusätzliche tution ändern die Situation oft nicht. positive Effekte zeigte [9]. Eine hormonelle Substitution der – Gleichzeitig ergeben sich jedoch auch Probleme durch Frauen, die eine gonadotrope Insuffizienz aufweisen, scheint die schlechtere Wirksamkeit der psychiatrischen Me- daher besonders wegen der positiven Wirkung auf das ZNS dikation. und psychiatrische Symptome angeraten. Folgen Bei Männern wurden signifikante positive Korrelationen für – Dadurch kommt es zu einer suboptimalen Behandlung Testosteron und Stimmungsparameter (wie Wohlbefinden, neuropsychiatrischer Komorbiditäten bei Patienten Begeisterung) bzw. negative Korrelationen für Testosteron mit Hypophysenerkrankungen. mit Depression und Angst gefunden. Unbehandelte hypo- – Diese führt letztendlich zu einer Belastung der Arzt- gonade Männer erzielen deutlich höhere Werte in Skalen für Patienten-Beziehung und einer erhöhten Inanspruch- Depression, Ärger, Angst und Müdigkeit, während eine Testos- nahme des Gesundheitssystems. teronsubstitution diese Parameter bessert [10]. Daher ist auch hier die optimierte Substitution aufgrund der zentralen Effek- te angeraten. Vorschläge – Großzügiges Screening (z. B. auch mit standardi- sierten Instrumenten, wie dem WHO-5-Fragebogen Mittlerweile ist in vielen Studien gut belegt, dass ein Wachs- im Wartezimmer). tumshormonmangel (GHD) mit Beginn im Kindes- oder im – Gegebenenfalls Anbehandlung von leichten Formen Erwachsenenalter zu reduzierter Lebensqualität, depressiven der Depression, Schlafstörungen oder Schmerz- Verstimmungen, Müdigkeit und sozialer Isolation führen syndrome. kann. Die Wachstumshormonsubstitution wiederum führt – Großzügige Indikation zur Überweisung von Pati- meist zu einer Verbesserung des psychologischen Befindens enten an Neurologen, Psychiater, Schlaflabore und und der Stimmung, wobei dieser Effekt dosisabhängig ist und Schmerzsprechstunden etc. vor allem von erwachsenen Patienten mit erworbenem Man- – Gutes Netzwerk mit psychiatrischen/neurologi- gel bemerkt wird [11]. schen Fachkollegen anstreben für individualisierte Therapie (Vorhalten von Kontaktdaten etc.) Interessenkonflikt Dr. med. Caroline Sievers, MSc Ärztin, Epidemiologin und klinische Wissen- Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. schaftlerin in der Arbeitsgruppe Endokrino- logie, Innere Medizin und Klinische Chemie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (2) 13
Neuropsychiatrische Symptome bei Patienten mit Hypophysenadenomen Literatur: 1. Sievers C, Dimopoulou C, Pfister H, et al. matter pathology in acromegaly: a clinicora- sed risk of mental disorders? Acta Psychiatr upon depressed mood. Psychoneuroendo- Prevalence of mental disorders in acromegaly: diological study. Pituitary 2009; 12: 177–85. Scand 2003; 107: 60–8. crinology 1997; 22: 189–212. a cross-sectional study in 81 acromegalic pa- 7. Riedel M, Wiese A, Schurmeyer TH, et al. 10. Kaufman JM, Vermeulen A. The decline of 4. Dorn LD, Burgess ES, Friedman TC, et al. tients. Clin Endocrinol (Oxf) 2009; 71: 691–701. Quality of life in patients with Addison’s dis- androgen levels in elderly men and its clinical The longitudinal course of psychopathology in 2. Sievers C, Ising M, Pfister H, et al. Personal- Cushing’s syndrome after correction of hyper- ease: effects of different cortisol replacement and therapeutic implications. Endocr Rev 2005; ity in patients with pituitary adenomas is char- cortisolism. J Clin Endocrinol Metab 1997; 82: modes. Exp Clin Endocrinol 1993; 101: 106–11. 26: 833–76. acterized by increased anxiety-related traits: 912–9. 8. Bunevicius R, Kazanavicius G, Zalinkevicius 11. Attanasio AF, Lamberts SW, Matranga AM, comparison of 70 acromegalic patients with R, et al. Effects of thyroxine as compared with et al. Adult growth hormone (GH)-deficient pa- patients with non-functioning pituitary adeno- 5. Forget H, Lacroix A, Somma M, et al. Cogni- thyroxine plus triiodothyronine in patients with tive decline in patients with Cushing’s syn- tients demonstrate heterogeneity between mas and age- and gender-matched controls. hypothyroidism. N Engl J Med 1999; 340: 424– childhood onset and adult onset before and Eur J Endocrinol 2009; 160: 367–73. drome. J Int Neuropsychol Soc 2000; 6: 20–9. 9. during human GH treatment. Adult Growth 3. Sievers C, Samann PG, Dose T, et al. Macro- 6. Korali Z, Wittchen HU, Pfister H, et al. Are 9. Zweifel JE, O’Brien WH. A meta-analysis of Hormone Deficiency Study Group. J Clin Endo- scopic brain architecture changes and white patients with pituitary adenomas at an increa- the effect of hormone replacement therapy crinol Metab 1997; 82: 82–8. 14 J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (2)
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