Gesundheitsgespräch - Bayerischer Rundfunk
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Gesundheitsgespräch Lebenselexir Blut Sendedatum: 16.03.2022 Hämatopoese – Der komplexe Prozess der Blutbildung Experte: Prof. Dr. Martin Trepel, Hämatologe, Internist und Onkologe, Direktor der II. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg Autorin: Susanne Dietrich Der komplexe Bildungsprozess des menschlichen Bluts wird Hämatopoese genannt. Jeden Tag produziert der Körper Milliarden neuer Blutzellen, wobei ihre Zahl stets an die aktuellen Anforderungen angepasst wird. Gerät dieses fein regulierte System aus dem Gleichgewicht, kann es zu Problemen wie Blutarmut oder mangelhafter Blutgerinnung kommen. Durch den Körper eines erwachsenen Menschen fließen durchschnittlich fünf bis sechs Liter Blut. Es macht bis zu acht Prozent des Körpergewichts aus und setzt sich aus dem wässrigen Blutplasma und den Blutzellen (rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen) zusammen. Die Blutzellen erfüllen lebenswichtige Aufgaben, allen voran Sauerstofftransport, Immunabwehr und Blutstillung. Da ihre Lebensdauer begrenzt ist, müssen sie fortlaufend erneuert werden. Unter anderem bei körperlichen Anstrengungen, Infekten oder Operationen werden deutlich mehr Blutzellen als gewöhnlich gebildet. Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. Martin Trepel zugrunde, Hämatologe und Direktor der II. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 1
Ursprung der Blutbildung – Knochenmark und Stammzellen Neue Blutzellen werden beim Ungeborenen zunächst in Milz und Leber produziert, nach der Geburt ist das Knochenmark der vorwiegende Ort der Blutbildung. Das blutbildende Knochenmark befindet sich beim Säugling noch in allen Knochen, beim erwachsenen Menschen vor allem in der Wirbelsäule, im Becken, in den Schädelknochen und nur noch gelenknah in den Knochen von Armen und Beinen. Das Knochenmark hat eine schwammartige Struktur, in deren Hohlräumen die Blutzellen heranreifen. Sie verlassen das Knochenmark erst dann, wenn der Blutbildungsprozess abgeschlossen ist. Bis dahin werden sie durch die Blut-Knochenmark-Schranke gehalten. Diese übt ihre Funktion gleichsam wie eine Art Magnet aus, der die "magnetisch aufgeladenen" neu entstandenen Blutzellen im Knochenmark hält, bis sie ausgereift sind. "Wenn die reifenden Zellen nach vielen Tagen ganz unterschiedliche Vorstufen durchlaufen haben, in denen sie den fertigen Blutzellen in Aussehen und Funktion immer näherkommen, dann löst sich diese Magnetfunktion auf und sie können ins Blut abgeschwemmt werden." Prof. Dr. Martin Trepel Basis aller Blutzellen sind die Stammzellen im Knochenmark. Sie werden als multipotent bezeichnet, weil sie die Fähigkeit besitzen, alle Blutzellarten zu bilden. Stammzellen teilen sich asymmetrisch: Bei der Zellteilung entstehen zwei Tochterzellen, die nicht identisch sind. Das heißt: Die eine Tochterzelle behält die multipotenten Fähigkeiten der Stammzelle, die andere beginnt, sich in eine bestimmte Blutzellart zu differenzieren. Aus der zweiten Tochterzelle entwickelt sich dann entweder ein rotes oder weißes Blutkörperchen oder ein Blutplättchen. "Die Stammzellen sind sozusagen die Urmutter aller Blutzellen, die später entstehen. Man kann es sich ein bisschen wie bei Adam und Eva oder den ersten Homo sapiens vorstellen. Aus ihrem Genpool geht die große Diversität der heutigen Menschheit hervor. Das ist natürlich nur eine Analogie, aber bei den Blutzellen entsteht am Schluss eine große Vielfalt verschiedener Zellen aus nur einer ursprünglichen Zellart." Prof. Dr. Martin Trepel Stammzellen auf Reisen Beim weißen Blutkörperchen beispielsweise dauert es ein bis zwei Wochen, bis aus der geteilten Stammzelle eine reife Blutzelle wird. Während dieses Reifungsprozesses, bleiben die unfertigen Zellen im Knochenmark. Einzelne Stammzellen verlassen jedoch hin und wieder das Knochenmark, zirkulieren durch das Blut und kehren anschließend wieder zurück. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 2
"Es handelt sich allerdings um sehr wenige Zellen. Sie können sich das wie einen Sonntagsspaziergang bei schönem Wetter vorstellen. Man verlässt sein vertrautes Haus vorübergehend und kehrt nach kurzer Zeit wieder nach Hause zurück. Dahinter vermutet man ein zufälliges Ereignis, bei dem die Blut- Knochenmark-Schranke kurz außer Kraft ist – und schwups ist die Stammzelle im Blut. Aber wenn sie dann durch das Blut wieder am Knochenmark vorbeikommt, klebt sie sich dort sozusagen wieder fest." Prof. Dr. Martin Trepel Drei Blutzellarten – Sauerstofftransport, Blutstillung, Infektabwehr Erythrozyten: Rote Blutkörperchen Der mit Abstand größte Teil des Bluts setzt sich aus den roten Blutkörperchen zusammen, den Erythrozyten. Ungefähr 25 Billionen rote Blutkörperchen hat ein erwachsener Mensch. Sie werden ausschließlich im Knochenmark gebildet, sind Träger des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und transportieren Sauerstoff und Kohlendioxyd. "Die Lebensspanne eines Erythrozyten dauert beim Gesunden zwischen 100 und 140 Tagen – im Durchschnitt sind es 120 Tage. Dann sind die roten Blutkörperchen so gealtert, dass sie steif werden und nicht mehr so gut durch die Kapillaren passen. Deswegen werden sie ausgetauscht." Prof. Dr. Martin Trepel Männer haben etwa zehn Prozent mehr rote Blutkörperchen als Frauen, weil die Bildung der Erythrozyten testosteronabhängig ist. Rund 200 Milliarden Erythrozyten produziert der Körper jeden Tag. Steigt der Bedarf, beispielsweise, weil bei erhöhter körperlicher Anstrengung mehr Sauerstoff benötigt wird, bildet der Körper allerdings deutlich mehr rote Blutkörperchen. "Nehmen Sie an, Sie würden ins Basislager des Mount Everest wandern und dort drei Wochen bleiben. Dann würde der Körper mehr rote Blutkörperchen produzieren. Wenn Sie auf ein noch höheres Lager hinaufsteigen, dann werden noch mehr rote Blutkörperchen gebildet, weil der Körper signalisiert: Ich brauche mehr Sauerstoffträger. Also produziert er mehr Erythrozyten. Das machen ja auch viele Spitzensportler, dass sie in Bergregionen trainieren und dann mehr rote Blutkörperchen gebildet werden. Dadurch sind leistungsfähiger, wenn sie wieder in die Talregionen kommen." Prof. Dr. Martin Trepel Thrombozyten: Blutblättchen Durchschnittlich 750 Milliarden Thrombozyten oder Blutplättchen hat ein erwachsener Mensch. Ihre Lebensdauer beträgt etwa eine Woche. Gemeinsam mit Eiweißen aus dem Blutplasma sind sie für die Blutgerinnung verantwortlich. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 3
Wenn eine Wunde blutet, heften sich die Blutplättchen an die Verletzung des Gefäßes. Im Zusammenspiel mit bestimmten Gerinnungsfaktoren aus dem Blutplasma und den verletzten Blutgefäßen entsteht ein Blutpfropf, der die Wunde abdichtet. Neu gebildet werden beim gesunden Menschen täglich etwa 150 Milliarden Thrombozyten. Diese Zahl kann sich allerdings deutlich erhöhen, wenn es zu starken Blutungen kommt, beispielsweise durch einen Unfall. Wie bei der Bildung anderer Blutzellen kann es aber auch sein, dass bei weniger Bedarf eine geringere Zahl neuer Thrombozyten produziert wird. "Manchmal ist es sogar so, dass Zellen länger leben, wenn die Produktion schwach ist. Das heißt: Wenn Sie zu wenig Thrombozyten nachbilden, dann können sie deutlich älter als sieben Tage werden." Prof. Martin Trepel Leukozyten: Weiße Blutkörperchen Die weißen Blutkörperchen oder Leukozyten sind für Entzündungen und die Abwehr von Krankheitserregern wie Viren, Bakterien oder Pilzen zuständig. Ungefähr 25 Milliarden Leukozyten hat ein erwachsener Mensch. Sie sind im Durchschnitt einen Tag lang im Blut nachweisbar. Unter normalen Umständen werden jeden Tag etwa 20 Millionen neue Leukozyten gebildet. "Wenn man eine starke Entzündung hat, zum Beispiel eine Lungenentzündung, dann werden deutlich mehr weiße Blutkörperchen produziert. Dann kann sich ihre Zahl innerhalb von einem Tag auf 40, 50, 60 Milliarden erhöhen. Daran erkennt man oft auch Entzündungen im Blut. Ist die Entzündung überstanden, geht die Zahl schnell wieder zurück auf 20 Milliarden." Prof. Dr. Martin Trepel Zu den weißen Blutkörperchen zählen die Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten. Während die Granulozyten für eine vergleichsweise unspezifische Infektabwehr zuständig sind, zum Beispiel gegen Bakterien oder Pilze, sind die Lymphozyten für die gelernte Immunabwehr verantwortlich, etwa gegen Viren. Im Gegensatz zu den Granulozyten, die im Knochenmark produziert werden, können Lymphozyten auch in den Lymphknoten oder anderen lymphatischen Organen wie der Lunge oder dem Darm entstehen. Denn dort können sie sich bei Bedarf vermehren, zum Beispiel, wenn sie ein Virus identifizieren. "Ganulozyten werden jeden Tag neu gebildet. Und wenn sie ein Bakterium als fremd erkennen, fressen sie es einfach auf. Beim Virus ist das anders. Das befällt gesunde Körperzellen, die sich dann an der Oberfläche verändern. Ein Lymphozyt muss lernen, das zu erkennen. Und diese Erkennung ist so spezifisch wie ein Schlüssel zu einem Schloss passt. Es gibt also zum Beispiel Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 4
bestimmte Lymphozyten, die Masern-Viren und andere, die Corona-Viren erkennen usw." Prof. Dr. Martin Trepel Die dritte Leukozytenart, die Monozyten, kann man sich als eine Art körpereigene "Müllabfuhr" vorstellen. Es handelt sich um Fresszellen, die noch effektiver arbeiten können als die Granulozyten. Monozyten sind drei Mal so groß wie Erythrozyten und damit die größten Blutkörperchen. Sie üben ihre Funktion vor allem aus, nachdem sie das Blut in den Kapillaren verlassen haben und in das Gewebe von Organen ausgewandert sind. Dann ändern sie ihren Namen: Sie heißen dann "Makrophagen". "Wenn zum Beispiel ein Granulozyt ein Bakterium kaputt gemacht hat und Trümmer zurückbleiben, dann räumt ein Makrophage sie weg. Oder wenn bei der Wundheilung untergegangenes Gewebe beseitigt werden muss, damit wieder neues Gewebe entstehen kann, dann müssen die Makrophagen das vorher wegfuttern. Die sind wie Krümelmonster, die essen fast alles." Prof. Dr. Martin Trepel Wachstumsfaktoren Die Bildung aller Blutzellarten wird durch Wachstumsfaktoren unterstützt. Durch die Gabe dieser Wachstumsfaktoren in Medikamentenform kann man auf die Bildung aller drei Blutzellarten Einfluss nehmen. Der Wachstumsfaktor für die roten Blutkörperchen heißt Erythropoetin und wird in der Niere gebildet. Wenn der Körper erhöhten Sauerstoffbedarf hat, zum Beispiel beim Training auf einen sportlichen Wettkampf, schüttet die Niere mehr Erythropoetin aus, um mehr rote Blutkörperchen zu bilden. "Wenn eine akute oder chronische Nierenerkrankung vorliegt, leiden Patientinnen und Patienten regelmäßig unter einer Blutarmut, weil von den geschädigten Nieren zu wenig Erythropoetin gebildet wird. Das nennt man dann renale Anämie. In diesem Fall muss man diesen Wachstumsfaktor zuführen, damit ausreichend rote Blutkörperchen gebildet werden können." Prof. Dr. Martin Trepel Der Wachstumsfaktor Thrombopoetin stimuliert die Thrombozytenproduktion. Er wird ausgeschüttet, wenn mehr Blutplättchen benötigt werden. Für die verstärkte Bildung von weißen Blutkörperchen ist der Granulozyten-Kolonie stimulierende Faktor (G-CSF) zuständig. "Wenn man G-CSF als Medikament verabreicht, sind mehr weiße Blutkörperchen im Blut, aber auch mehr Stammzellen. Das kann man Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 5
beispielsweise auch zur Vorbereitung auf eine Stammzellspende nutzen." Prof. Dr. Martin Trepel Blutbildungsprobleme – Fehlfunktionen bei der Hämatopoese Die große Zahl von Blutzellen, die jeden Tag neu produziert werden, verlangt eine feine Regulation. Werden zu wenig neue Blutzellen gebildet oder zu viele verbraucht, können Ungleichgewichte entstehen. "Es gibt Regelkreise im Körper, die einer ständigen Rückkopplung unterliegen: Wie viele Blutzellen sind da? Wie viele werden gebraucht? So richten sich Blutbildung und Blutabbau in einem Gleichgewicht ein. Wenn das gestört ist, kann es zu verschiedenen Problemen kommen." Prof. Dr. Martin Trepel Ein Mangel an roten Blutkörperchen führt beispielsweise zu Abgeschlagenheit und geringer körperlicher Belastbarkeit. Sind zu wenig Blutplättchen vorhanden, ist die Blutgerinnung gestört. Das heißt: Blutungen können nicht effektiv gestillt werden. Und wenn die Zahl der weißen Blutkörperchen reduziert ist, ist der Körper anfälliger für Infekte. Blutarmut durch Eisen- oder Vitaminmangel Wenn der Körper zu wenig rote Blutkörperchen bildet, kann es zu einer Blutarmut kommen, auch Anämie genannt. Betroffene haben allerdings nicht weniger Blut, sondern es ist zu wenig von dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin vorhanden. Besonders häufig entsteht eine Anämie durch einen Eisen- oder Vitamin-Mangel. "Wir brauchen das Eisen für die Hämoglobinherstellung. Wenn ein Mangel herrscht, werden viel weniger rote Blutkörperchen gebildet, die obendrein nicht gut mit dem roten Blutfarbstoff beladen sind. Aber auch dann, wenn beispielsweise zu wenig Vitamin B12 oder Folsäure vorhanden sind, werden zu wenig rote Blutkörperchen gebildet." Prof. Dr. Martin Trepel Eine unausgewogene Ernährung kann einen Eisenmangel zur Folge haben. Das kann allerdings relativ sein. Eine sonst dem Bedarf entsprechende Eisen- oder Vitaminzufuhr kann unzureichend sein, wenn der Bedarf zum Beispiel im Rahmen einer Schwangerschaft zunimmt. Deutlich häufiger wird ein Eisenmangel jedoch durch sogenannte Sickerblutungen im Darm verursacht, gerade bei älteren Menschen. "Gründe dafür können Polypen, kleine Karzinome oder minimale Gefäßmissbildungen sein, die vielleicht für sich genommen harmlos sind, aber Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 6
leicht bluten. Sehr oft merkt das Individuum diese Blutungen gar nicht. Man spürt nur, dass man immer schwächer wird. Und bei einem Blutbild sieht man dann den Eisenmangel, weil man mit dem Blut immer auch eisenhaltiges Hämoglobin verliert." Prof. Dr. Martin Trepel Einen geringfügig reduzierten Hämoglobinwert spüren die meisten Menschen im Alltag nicht. Sinkt der Normalwert von 15 beispielsweise auf 12 ab, verursacht das zumeist noch keine Probleme – es sei denn, die Betroffenen sind körperlich stark gefordert. "Bei einer ausgeprägteren Anämie entsteht dann jedoch eine mehr oder minder wahrnehmbare Schwäche. So kann beispielsweise jemand, der vielleicht sowieso schon eine schlechte Herzdurchblutung hat, dann infarktartige Beschwerden bekommen, weil dann nicht nur die Durchblutung im Herzen reduziert ist, sondern dem Blut auch noch Sauerstoffträger fehlen. Man leidet unter Luftnot und ist wenig belastbar." Prof. Dr. Martin Trepel Wenn sich das Immunsystem gegen Blutzellen richtet Bei manchen Menschen sorgt eine Fehlregulation des Immunsystems dafür, dass Erythrozyten oder Thrombozyten frühzeitig abgebaut werden, obwohl sie noch wunderbar funktionieren. Man spricht von einer Hämolyse, wenn das Immunsystem rote Blutkörperchen auflöst. Baut das Immunsystem Blutplättchen ab, wird die Erkrankung Immunthrombozytopenie (ITP) genannt. "Wenn die Blutplättchen durch das Immunsystem abgebaut werden und dann die Zahl der im Blut vorhandenen Thrombozyten eine bestimmte Zahl unterschreitet, kommt es zu spontanen Blutungen. Das kann im harmlosesten Fall zum Beispiel Zahnfleischbluten beim Zähneputzen sein. Aber es kann auch richtig gefährlich werden, bis hin zu tödlichen Gehirnblutungen – auch ohne ein entsprechendes äußeres Trauma." Prof. Dr. Martin Trepel Sowohl bei der Hämolyse als auch bei der ITP kann man das Immunsystem vorübergehend medikamentös mit Immunsuppressiva unterdrücken, um den vorzeitigen, immunbedingten Abbau der die Blutbildung zu bremsen und so die Zahl der im Blut verfügbaren Zellen zu normalisieren. Genetisch bedingte Blutbildungsstörungen Auch die Gene können für Probleme bei der Blutbildung verantwortlich sein. Beispiele hierfür sind die Sichelzellanämie und die Thalassämie. Beides sind erbliche Erkrankungen mit Veränderungen in Genen für den roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Dadurch entstehen weniger und unter Umständen auch in der äußeren Form veränderte Erythrozyten, was eine chronische Anämie verursacht. Diese Krankheiten treten vor allem im Mittelmeerraum und in Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 7
Nordafrika auf, kommen inzwischen aber auch immer häufiger in Mitteleuropa vor. "Dabei werden zum Teil rote Blutkörperchen ineffizient gebildet, weil sie ein genetisch verändertes Hämoglobin haben. Die Erythrozyten bauen sich ab, völlig unabhängig vom Immunsystem. Sie haben bei diesen Patientinnen und Patienten eine deutlich kürzere Lebenszeit als die durchschnittlichen 120 Tage." Prof. Dr. Martin Trepel Beide Erkrankungen werden durch Medikamente, Schmerzmittel und Bluttransfusionen therapiert, in schweren Fällen auch durch eine Stammzelltransplantation oder Gentherapie. Probleme bei der Blutbildung durch Tumortherapie Das Prinzip Zellteilung funktioniert während der Blutbildung ähnlich wie bei der Neuentstehung von Tumorzellen. Wenn Ärzte in der Tumortherapie zum Beispiel durch Chemotherapie in Stoffwechselprozesse eingreifen, um das Wachstum von Tumorzellen zu bremsen, beeinflusst das fast immer auch die Blutbildung. "Deswegen ist es bei Tumorpatienten unter medikamentöser Therapie sehr oft so, dass sie zu wenig Blutbildung haben. Das bessert sich wieder, wenn die Therapie pausiert wird oder aufhört." Prof. Dr. Martin Trepel Nährstoffe zuführen – Mit Nahrungsergänzung Blutbildung unterstützen? Wer sich ausgewogen ernährt, muss im Normalfall keine Eisen- oder Vitaminpräparate einnehmen, um die Blutbildung zu unterstützen. Auch mit einer vegetarischen Kost kann man den Nährstoffbedarf in der Regel gut abdecken. "Bei rein pflanzlicher, also veganer Ernährung sollte man allerdings sehr genau darauf achten, dass man genug Eisen zu sich nimmt. Denn Eisen ist gerade in Milch- und Fleischprodukten relativ reichlich enthalten. Nach Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin können Veganer Eisen oder auch einen Vitamin-B- Komplex zusätzlich einnehmen." Prof. Dr. Martin Trepel Bei Frauen mit einer starken Monatsblutung, nach einer Operation oder in der Schwangerschaft ist eine zusätzliche Einnahme von Eisen und B-Vitaminen oft sinnvoll. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 8
"Außerdem würde ich Blutspendern raten, Eisen zuzuführen, damit sie den Blutverlust gut ausgleichen können. Vitamin B ist in diesem Fall allerdings nicht notwendig." Prof. Dr. Martin Trepel Blutwerte aus dem Labor Experte: Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München "Sie sollten mal ihre Blutwerte checken lassen!". Diesen Satz haben wohl die meisten von uns irgendwann schon mal von ihrem Hausarzt gehört. Aber was heißt das eigentlich genau? Was wird bei so einer Blutuntersuchung überhaupt alles gemessen? Und was bedeuten die vielen Zahlen und Werte im Laborbericht? Großes Blutbild, kleines Blutbild, Leberwerte, Nierenfunktion, Schilddrüsenhormone, Blutzucker, Cholesterin – die Liste dessen, was gemessen und geprüft werden kann, ist nahezu endlos. Wichtig ist dabei vor allem: Jedes Messergebnis sollte im Zusammenhang betrachtet werden. Denn ein einzelner zu hoher Wert besagt in der Regel nicht viel. Der Text beruht auf einem Gespräch mit Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München. Das Blutbild Wenn ein Blutbild gemacht wird, bedeutet das, dass ausschließlich die zellulären Bestandteile des Blutes und ihr Verhältnis zueinander untersucht werden. Dazu gehören die weißen Blutkörperchen (Leukozyten, zuständig für die Immunabwehr), die roten Blutkörperchen (Erythrozyten, verantwortlich für den Sauerstofftransport im Blut), die Blutplättchen (Thrombozyten, zuständig für die Blutgerinnung) sowie der Anteil der zellulären Bestandteile im Blut (Hämatokrit-Wert). Dagegen werden bei einer vom Hausarzt durchgeführten Blutuntersuchung häufig noch zusätzliche Werte erhoben, um die Funktion bestimmter Organe wie Leber, Niere oder Schilddrüse zu überprüfen. Zudem können ernährungsspezifische Parameter und Werte bezüglich der Blutgerinnung gemessen werden. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 9
Wann ist eine Blutuntersuchung im Labor nötig? Regelhafte Untersuchungen des Blutes im Labor sind nur dann sinnvoll, wenn entweder eine chronische Erkrankung vorliegt (z.B. Diabetes) oder längerfristig heftige Symptome wie etwa starkes Fieber oder die Anzeichen einer Gelbsucht auftreten. Durchaus nützlich ist hingegen die fokussierte Untersuchung des Blutes im Rahmen des sogenannten 'Check-up 35', der nach dem fünfunddreißigsten Lebensjahr alle zwei Jahre wiederholt werden kann. Kleines und großes Blutbild Beim sogenannten 'kleinen Blutbild' werden lediglich die weißen Blutkörperchen, die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen untersucht. Beim 'großen Blutbild' werden (vor allem bei den Leukozyten) noch verschiedene Untergruppen genauer unter die Lupe genommen. Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) Bei den Leukozyten gibt es verschiedene Untergruppen. An ihrem Verhältnis zueinander kann unter anderem abgelesen werden, wie stark die Immunabwehr eines Patienten ist, ob es Anhaltspunkte für eine chronische Virusinfektion oder eine bösartige Erkrankung des Blutes (z.B. Leukämie) gibt. Zum großen Blutbild gehören auch mikroskopische Untersuchungen, während das kleine Blutbild rein maschinell erstellt wird. Was leisten die Leukozyten? Die weißen Blutkörperchen sind wichtig für die Abwehr von Infektionen. Hat man beispielsweise eine eitrige Mandelentzündung oder eine Virusgrippe, reagiert der Körper und die Zahl Leukozyten im Blut steigt an. Bessert sich die Infektion wieder, fällt entsprechend auch der Leukozyten-Wert. Das Hämoglobin Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff, der in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sitzt. Er ist für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich. Hier ist nur selten ein zu hoher Wert das Problem (so z.B. beim Blutdoping mit Epo), sondern meist das Fehlen von Blutfarbstoff, die sogenannte Blutarmut (Anämie). Ursache hierfür kann beispielsweise ein unbemerkter Blutverlust sein (etwa durch einen Polypen im Darm). Die Blutplättchen (Thrombozyten) Die Thrombozyten sind wichtig zum Verschließen von Löchern oder Rissen in den Gefäßen, welche zum Beispiel durch kleinere Verletzungen entstehen können. Bei bestimmten Chemotherapien, einer Leukämie oder einer Infektion kann die Zahl der Thrombozyten den Normbereich unterschreiten. Dies zeigt sich häufig durch eine schnellere Neigung zu Blutungen. Erhöhte Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 10
Thrombozyten-Werte kommen nur bei einigen wenigen seltenen Erkrankungen vor. Der Hämatokrit-Wert Der Hämatokrit-Wert beschreibt den Anteil der zellulären Bestandteile im Blut. Er steigt beispielsweise dann signifikant an, wenn jemand länger zu wenig Flüssigkeit zu sich nimmt. Das Blutbild ändert sich - Was unser Blutbild beeinflusst Das Blutbild eines Menschen verändert sich im Laufe seines Lebens. So haben Kinder und ältere Menschen oft in vielen Bereichen Blutwerte, die von denen durchschnittlicher Erwachsener erkennbar abweichen. Unterschiede zwischen Frauen und Männern Es gibt auch wesentliche Unterschiede zwischen dem Blutbild von Männern und Frauen. Beispielsweise ist der Hämoglobin-Wert bei Frauen um etwa 20% niedriger als bei Männern. Man vermutet, dass das damit zusammenhängen könnte, dass Frauen während der Menstruation regelmäßig Blut verlieren. Auch der Wert des Kreatinins (Eiweiß-Abbaustoff, abhängig von der Muskelmasse und wird im Rahmen der Untersuchung der Nierenfunktion gemessen) ist aufgrund der geringeren Muskelmasse bei Frauen niedriger. Wie wir unser Blutbild beeinflussen Durch unser Ess- oder Trinkverhalten, aber auch durch andere Lebensstil- Faktoren beeinflussen wir unser Blutbild. Während eine ausgewogene Ernährung hilft, die Blutwerte im Normbereich zu halten, kann z.B. eine vegane Lebensweise zu Mängeln bei bestimmten Werten (z.B. Spurenelemente, Vitamine) führen. Auch Rauchen oder viel Sport können übrigens das Blutbild verändern. "Anderes Beispiel: Trinken. Wer sehr viel auf einmal trinkt oder andersherum längere Zeit gar nichts, der verändert die Konsistenz seines Blutes. Es wird dünner bzw. dicker." Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München. Ernährungsbedingte Gifte Auch Gifte (Noxen), die regelmäßig über die Ernährung zugeführt werden (z.B. Alkohol), sind im Blutbild zu erkennen. Man kann also tatsächlich beispielsweise an erhöhten Leberwerten erkennen, ob jemand übermäßig Alkohol trinkt! Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 11
Wenn Werte von der Norm abweichen Wenn einzelne Werte ihren Normbereich verlassen, kann das die unterschiedlichsten Gründe haben. Es kann eine Akutsituation wie eine Infektion dahinterstecken, aber auch eine chronische Problematik. Auch Messfehler können durchaus vorkommen. Werte nicht überbewerten! Deshalb sollten einzelne Werte nie isoliert betrachtet werden und im Zweifelsfall immer zu verschiedenen Zeiten erneut gemessen werden! Denn es gibt immer verschiedene Werte, die sich auf eine bestimmte Körperfunktion beziehen. Erst, wenn mehrere dieser Parameter abweichen, sollte man reagieren. Entscheidend ist zudem, ob ein auffälliger Wert zum Beschwerdebild eines Patienten passt. Wichtig: Ein einzelner erhöhter oder erniedrigter Wert deutet nie automatisch auf eine Erkrankung hin! Latente Infektionen Erhöhte Infektions-Werte im Blutbild können auch die Folge einer sogenannten latenten (oder subklinischen) Infektion sein. Hier trägt der Patient zwar einen Erreger in sich, verspürt aber keine Symptome. Solche Infektionen heilt der Körper in der Regel innerhalb einiger Wochen selbst aus. In diesen Fällen sollten die Infektions-Parameter nach einer gewissen Zeit erneut kontrolliert werden. Der Streit um die Grenzwerte Bei vielen Blutwerten, wie beispielsweise dem Blutzucker und dem Cholesterin, gibt es mehr oder weniger offiziell festgelegte Richtwerte. Diese werden dann auch immer wieder nach unten korrigiert und sind häufig nicht unumstritten. Das Problem: Wann ein Wert tatsächlich zu hoch ist, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. Alter, Geschlecht, Gewicht, Körpergröße oder Konstitution eines Patienten und muss deshalb immer im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Auch setzen unterschiedliche Labore oft unterschiedliche Referenzwerte an. Nie den einzelnen Wert sehen! Deshalb gilt auch hier, wenn Werte abweichen: Messfehler ausschließen, Werte mehrmals checken, Werte mit ähnlicher Aussagekraft vergleichen. Nur wenige Werte sind akut gefährlich, wenn sie abweichen (Beispiel Kalium, weil hier schwere Herz-Rhythmus-Störungen auftreten können) und müssen sofort nachkontrolliert werden! Das bedeutet auch: Laborwerte checken geht nicht über eine App, sondern braucht immer zusätzlich den menschlichen Blick des Arztes! Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 12
Wenn Normwerte gesenkt werden Bei einigen Blutwerten (z.B. Blutzucker, Cholesterin), sind die Normwerte, die als gesund gelten, in den letzten Jahren immer wieder herabgesetzt worden. Stecken da womöglich finanzielle Interessen (etwa der Pharmaindustrie) dahinter? "Natürlich gibt es ein gewisses Interesse, Medikamente und Therapien an den Patienten zu bringen. Ich glaube aber, dass die Fachgesellschaften, die Empfehlungen für Normwerte herausgeben, ziemlich unabhängig von der Industrie sind. Wir haben in den letzten Jahren vor allen Dingen gelernt, dass empfohlene Werte zur Lebenssituation des Patienten passen und für ihn realistisch sein sollten." Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München. Weitere Blutwerte Über das kleine und große Blutbild hinaus kann noch sehr viel mehr anhand des Blutes überprüft werden: Leberwerte, Nierenfunktion, Cholesterin und Blutzucker beispielsweise. Die Leberwerte Schlechte Leberwerte kennen die meisten im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholgenuss oder sehr fetthaltiger Ernährung. Aber auch bei Vergiftungen, Virusinfektionen (z.B. Hepatitis) oder bösartigen Gewebewucherungen der Leber verändern sich die Werte negativ. Manchmal liegt die Ursache für schlechte Leberwerte aber auch gar nicht in dem Organ selbst, sondern beispielsweise im Blut. Welche Werte werden gemessen? Bei der Untersuchung der Leberfunktion werden verschiedene Werte gemessen, zum Beispiel die Konzentrationen der Enzyme, die in den Leberzellen gebildet werden (z.B. Gamma GT, GOT, GPT und alkalische Phosphatase). Findet man eine Erhöhung dieser Stoffe im Blut, liegt wahrscheinlich ein Leberzellschaden vor, durch den die Enzyme vermehrt ins Blut übergetreten sind. Außerdem kann über die Leberwerte geprüft werden, ob die Produktion wichtiger Eiweiße (z.B. Albumin) in der Leber funktioniert, ob sie ihre Entgiftungsfunktion richtig wahrnehmen kann und ob Galle und Gallenwege frei und sauber sind. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 13
Die Nierenwerte Zur Untersuchung der Nierenfunktion werden hauptsächlich drei Werte gemessen: Kreatinin, Harnsäure und Harnstoff. Das Kreatinin (ein Muskelabbau-Produkt) wird über die Niere aus dem Körper ausgeschieden und steigt an, wenn die Nieren schlechter arbeiten. Auch der Harnstoff (Eiweiß- Abbauprodukt) gibt Hinweise auf die korrekte Nierenfunktion, ist aber als einzelner Wert eher ungenau. Erhöhte Harnsäurewerte findet man beispielsweise bei Gicht-Patienten. Die Schilddrüsenwerte In der Schilddrüse kann an drei verschiedenen Hormonen abgelesen werden, ob sie richtig funktioniert (TSH, T3, T4). Entscheidend ist hier vor allem das Steuerhormon der Schilddrüse (TSH). Ein erhöhter TSH-Wert deutet meistens auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hin. Ist der Wert zu niedrig, spricht man dagegen von einer Überfunktion der Schilddrüse. In typischen Jodmangel- Regionen (z.B. Süddeutschland) sollte der Wert bei Auffälligkeiten öfter kontrolliert werden. Nährstoffwerte im Blut Bei einer größeren Blutuntersuchung können auch verschiedene Nährstoffwerte im Blut kontrolliert werden, um zu klären, ob der Körper mit allem Lebensnotwendigen ausreichend versorgt ist. Gemessen werden können hier etwa verschiedene Vitamine oder Spurenelemente wie Eisen, Zink, Kalium, Kalzium oder Folsäure. Das Cholesterin Die Blutfett-Werte sind deshalb von Bedeutung, weil sich zu viel 'schlechtes' Fett im Blut (LDL-Cholesterine) in die Gefäßwände einlagert und zu Entzündungen und Versteifungen der Gefäße führt. In der Folge steigt der Blutdruck und der Prozess verstärkt sich noch weiter. Es gibt allerdings auch 'gute' Blutfette, die diesen Abbauvorgang zumindest etwas bremsen (HDL- Cholesterine). Aber auch hier gilt: Zu hohe Werte sind nur dann ein Problem, wenn sie längerfristig so hoch bleiben! Der 'Check-up' 35 Auch beim sogenannten 'Check-up 35', einer umfassenden Routineuntersuchung, die ab dem 35sten Lebensjahr angeboten wird (und ab da alle zwei Jahre wiederholt werden kann), werden (neben einer ausführlichen Anamnese, einem Herz-Kreislauf-Check und anderen Untersuchungen) noch einige Blutwerte gemessen. Dazu gehören der Blutzucker, die Blutfette und die Harnsäure. Darüber hinaus wird auch der Urin untersucht. All diese Werte sind relativ schnell zu erheben und sehr aufschlussreich zur Prävention bestimmter Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 14
Erkrankungen wie z.B. Diabetes und Gefäßverkalkung. Deshalb ist diese Routine-Untersuchung durchaus zu empfehlen! Den Laborbericht lesen Natürlich kann man seine Laborwerte beim Arzt jederzeit einsehen. Allerdings: Die genaue Interpretation seiner Blutwerte sollte man dem Fachmann überlassen. Mehrere geringe Überschreitungen der Normwerte haben oft gar keine große Bedeutung. Patienten sollten sich davon nicht verunsichern lassen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn jemand schon länger chronisch krank ist und deshalb bereits Erfahrung mit 'seinen Werten' hat. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2022 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 service@bayern2.de; www.bayern2.de Seite 15
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