Gesundheitsversorgung für Asylsuchende in Asylzentren des Bundes und in den Kollektiv unterkünften der Kantone

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Gesundheitsversorgung
für Asylsuchende in
Asylzentren des Bundes
und in den Kollektiv­
unterkünften der Kantone

Konzept zur Sicherstellung der Erkennung, Behandlung
und Verhütung von übertragbaren Krankheiten sowie
des Zugangs zur notwendigen Gesundheitsversorgung
Gesundheitsversorgung
für Asylsuchende in
Asylzentren des Bundes
und in den Kollektiv­
unterkünften der Kantone

Konzept zur Sicherstellung der Erkennung, Behandlung
und Verhütung von übertragbaren Krankheiten sowie
des Zugangs zur notwendigen Gesundheitsversorgung

Version vom 30. Oktober 2017

Der besseren Lesbarkeit wegen wird stets die männliche Form verwendet.
Gesamtüberblick
Im Rahmen der Umsetzung des revidierten Epidemienge-        des, dem Vorliegen eines der Symptome der relevanten
setzes (EpG) und der entsprechenden Verordnung (EpV),       übertragbaren Krankheiten, und weiterer Kriterien wie
welche seit Januar 2016 in Kraft sind, wurde das BAG be-    Medikamentenbedarf, Schwangerschaft und Wunsch nach
auftragt in einer zweijährigen Frist in Zusammenarbeit      Abklärung des Impfstatus.
mit dem SEM und den involvierten kantonalen Stellen ein
Umsetzungskonzept zu erarbeiten. Mit diesem Hinter-         Notfälle und Fälle mit dem Verdacht auf das Vorliegen
grund wurde das Projekt «Gesundheitsversorgung für          ­einer übertragbaren Krankheit haben erste Priorität.
Asylsuchende in der Obhut der Asylunterkünfte des Bun-
des und der Kollektivunterkünfte der Kantone» lanciert.      Ob allenfalls zielgruppenspezifische Informationsmodule
Hauptziel des Projektes ist es den Zugang zur Gesund-        für die medizinische Eintrittsinformation (Frauen, un­
heitsversorgung sicherzustellen, um übertragbare Krank-      begleitete Minderjährige, etc.) erstellt werden, wird im
heiten und andere akute Gesundheitsprobleme rechtzei-        Rahmen der Umsetzungsmassnahmen dieses Konzeptes
tig erkennen und behandeln zu können. Abzugrenzen           ­geprüft.
sind die Prozesse für die medizinischen Sachverhaltsab-
klärungen im Rahmen des Asylverfahrens, welche nicht        Die Erstkonsultation wird durch eine Pflegefachperson
Gegenstand dieses Konzeptes sind.                           anhand eines Fragenkataloges durchgeführt. Dieser stellt
                                                            die einheitliche Vorgehensweise und Dokumentation in
Das Schema in Kapitel 3.3.1 zeigt die Kernelemente der      allen Zentren sicher.
Umsetzung des EpG respektive der EpV und der Organisa-
tion des Zugangs zur medizinischen Grundversorgung im       Ziele sind die systematische Erfassung und Dokumen­
Überblick.                                                  tation des Gesundheitszustandes und des Impfstatus des
                                                            Asylsuchenden sowie die Triage und Zuweisung zum
Die Informationspflicht ist gemäss der EpV ein wesentli-    ­Zentrumsarzt bei dringenden und akuten Gesundheits-
cher Pfeiler in der Sicherstellung des Zugangs zur Ge-       problemen, bei Verdacht auf eine übertragbare Krankheit
sundheitsversorgung und zur Verhütung, Erkennung und         und die Durchführung der Impfungen.
Behandlung von übertragbaren Krankheiten und Pflicht
für alle Asylsuchenden in den Empfangs- und Verfah-         Die Pflegefachpersonen in den Zentren sind Ansprech-
renszentren (EVZ). Der Inhalt der medizinischen Eintritt-   person für alle gesundheitlichen Probleme der Asyl­
sinformation beschränkt sich nicht auf Informationen zu     suchenden, entweder im Rahmen der Erstkonsultation
übertragbaren Krankheiten, im Sinne der EpV, sondern        oder zu irgendeinem Zeitpunkt während des Aufenthal-
schliesst Informationen zu weiteren relevanten Gesund-      tes. Sie bieten täglich Sprechstunden an und sichern den
heitsthemen mit ein. Die medizinische Eintrittsinformati-   koordinierten Zugang zur medizinischen Gesundheits-
on ist Voraussetzung, um den Gesuchstellern den nieder-     versorgung. Sie triagieren die Asylsuchenden nach Dring-
schwelligen Zugang zur medizinischen Gesundheitsver-        lichkeit und übernehmen eine erste Gatekeepingfunktion
sorgung zu ermöglichen. Sie wird durchgeführt durch         an der Schnittstelle zu den primären ärztlichen Ansprech-
eine Pflegefachperson, zeitnah nach Eintritt und unter-     partnern, den sogenannten Zentrumsärzten. Dies sind in
stützt durch ein computerbasiertes animiertes Informati-    der Regel ärztliche Grundversorger wie Allgemeinärzte,
onssystem, das durch die Verfügbarkeit in zahlreichen       Internisten oder Pädiater. Die Zentrumsärzte überneh-
Sprachen die Verständlichkeit sicherstellt.                 men die zweite Gatekeepingfunktion an der Schnittstelle
                                                            zu den Fachspezialisten und zu den Spitälern.
Bei der medizinischen Eintrittsinformation informiert die
Pflegefachperson die Asylsuchenden über die Vorge-          Mit der doppelten Gatekeepingfunktionen können die
hensweise bei Auftreten von gesundheitlichen Beschwer-      medizinischen Grundversorger, die Spezialisten und die
den, über die Symptome der relevanten übertragbaren         Spitäler koordiniert angegangen, vor Überlastung ge-
Krankheiten und deren Folgen, über Präventionsmass-         schützt und die Asylsuchenden in angemessener Weise
nahmen und Risiken hinsichtlich sexuell oder durch Blut     medizinisch versorgt werden, da die Zentrumsärzte mit
übertragbarer Krankheiten, über die im Zentrum angebo-      den besonderen fachlichen Herausforderungen im Asyl-
tenen Impfungen und über die Vertraulichkeit der medizi-    bereich vertraut sind.
nischen Daten. Allen Asylsuchenden wird angeboten ei-
nen Termin für eine Erstkonsultation zu vereinbaren. Das    Die Zentrumsärzte bieten im Rahmen ihrer medizinischen
Einverständnis des Asylsuchenden vorausgesetzt führt        Tätigkeit zwei- bis dreimal pro Woche eine reguläre
die Pflegefachperson diese in der Regel direkt im An-       Sprechstunde für die Asylsuchenden an, im Zentrum oder
schluss an die medizinische Eintrittsinformation durch.     in der Arztpraxis.
Bei hohem Aufkommen an Asylsuchenden wird die Ter-
minvergabe nach Dringlichkeit priorisiert, basierend auf    Die Zusammenarbeit der Zentren mit designierten Ärzten
der Beurteilung des Allgemein- und Ernährungszustan-        ist in Vereinbarungen schriftlich geregelt. Die Kompeten-

                                                                                                                    3
zen und Verantwortlichkeiten der Pflegefachpersonen           Die Arbeitsgruppe wird die Implementierungsarbeiten
sind detailliert in Stellenbeschrieben aufgeführt. Idealer-   bis zum Frühjahr 2018 begleiten und dann durch eine neu
weise werden diese jeweils mit den jeweiligen zuständi-       zu konstituierende Fachgruppe/Begleitgruppe unter
gen Zentrumsärzten und allenfalls mit den Kantons­ärzten      Co-Leitung des BAG und des SEM abgelöst werden, zu-
abgesprochen. Die Modelle der ärztlichen Aufsicht der         sammengesetzt aus Vertretern der involvierten Sektio-
Pflegefachperson können kantonal und regional unter-          nen des BAG und des SEM einschliesslich Fachspezialisten
schiedlich organisiert sein.                                  aus den Bundesasylunterkünften und Kollektivunter-
                                                              künften, Vertretern der zuständigen kantonalen Behör-
Neben den medizinischen Qualifikationen sollen sowohl         den, sowie noch zu definierende Spezialisten in Migrati-
Pflegefachpersonen als auch die Zentrumsärzte auf mi­         onsmedizin und anderen Stakeholdern. Diese Fachgrup-
gra­tionsspezifische und transkulturelle Themen sensi­        pe wird die Evaluation und Überprüfung der Wirksamkeit
bilisiert sein. Dazu wird ein speziell auf den Gesundheits-   der Massnahmen übernehmen.
bereich abgestimmtes Weiterbildungsmodul im Bereich
transkultureller Kompetenzen entwickelt.                      Um eine fristgerechte Implementierung per 1. Januar 2018
                                                              sicherstellen zu können, sind folgende Vorbereitungs-
Um die Vernetzung unter den medizinischen im Asyl­            massnahmen zwingend vorher umzusetzen: die Erarbei-
bereich tätigen Fachpersonen zu fördern und die Verfüg-       tung eines Informationssystems für die medizinische Ein-
barkeit von relevanten Information sicherzustellen ist        trittsinformation, die Erarbeitung eines Fragenkataloges
vorgesehen, eine Austauschplattform aufzubauen.               für die Erstkonsultation sowie die Sicherstellung aus­
                                                              reichend personeller Ressourcen in den Zentren mit der
Ein wichtiger Aspekt in der medizinischen Versorgung ist      ­nötigen Qualifizierung und Schulung.
die sprachliche Verständigung. Neben den Pflegefach-
personen der Zentren, haben auch Ärzte, die über einen        Weitere Aspekte wie der Aufbau einer Weiterbildung im
schriftlichen Kooperationsvertrag mit den Asyl- oder          Gesundheitsbereich oder einer Austauschplattform für
Kollektivunterkünften auf Bundes- und Kantonsebene
­                                                             im Asylbereich tätige medizinische Fachpersonen sind
verfügen, die Möglichkeit, Dolmetschdienstleistungen zu       wichtig, müssen jedoch nicht zwingend per Januar 2018
beziehen und die Kosten den Vertragspartnern in Rech-         zur Verfügung stehen und werden auch schrittweise im
nung zu stellen. Dabei soll primär der nationale Telefon-     laufenden Jahr 2018 umgesetzt werden.
dolmetschdienst genutzt werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen der Sicher­
stellung der Gesundheitsversorgung ist die Umsetzung
von Public-Health-Massnahmen. Diese umfassen Hygie-
nestandards für die Vorbeugung und die Verhinderung
eines Ausbruchs von Infektionskrankheiten in den Zent-
ren und Richtlinien für die häufigsten Ausbrüche von In-
fektionskrankheiten, welche die Rollen und Verantwort-
lichkeiten zwischen Zentren, Kantonsärzten und BAG klä-
ren und Vor-Ort-Massnahmen beschreiben.

Die frühzeitige Erkennung von übertragbaren Krankhei-
ten und anderen Gesundheitsproblemen in den Unter-
künften erfordert qualifizierte Pflegefachpersonen, die
Aufmerksamkeit und Schulung aller Mitarbeitenden und
die enge Zusammenarbeit und den Austausch zwischen
den verschiedenen Fachbereichen. Weitere Massnahmen
zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Asylsuchen-
den sind die Bereitstellung von Informationsmaterialien
oder die Organisation von Informationsveranstaltungen
gemäss dem Informationskonzept, welches im Rahmen
des Projektes erarbeitet wird.

Essentiell ist die Regelung der Übermittlung der medizini-
schen Dossiers vom Bund an die Kantone, die gemäss den
Vereinbarungen mit der SODK gehandhabt wird. Medizi-
nalfälle werden mindestens drei Tage im Voraus angekün-
digt. Die Dossiers werden wenn möglich per Secure-Mail,
ansonsten per Fax, an die vereinbarten Stellen übermit-
telt.

                                                                                                                     4
Abkürzungsverzeichnis

 BAG                                                                Bundesamt für Gesundheit

 BAZ* m.V./o.V.                                                     Bundesasylzentrum mit Verfahren/ohne Verfahren

 BZ                                                                 Bundeszentrum

 BzP                                                                Befragung zur Person

 EpG                                                                Epidemiengesetz

 EpV                                                                Epidemienverordnung

 EVZ                                                                Empfangs- und Verfahrenszentren

 EQS                                                                Erfragung Qualitätsstandards

 iKD                                                                Interkulturelle Dolmetscher

 nTDD                                                               Nationaler Telefondolmetschdienst

 SEM                                                                Staatssekretariat für Migration

 TB                                                                 Tuberkulose

 UMA                                                                Unbegleitete Minderjährige

Glossar
Medizinische Grundversorgung                                        Ärztliche Grundversorger
Unter medizinischer Grundversorgung wird die ­ambulante             Zu den ärztlichen Grundversorger/innen gehören Ärztin-
Versorgung der Bevölkerung durch ärztliche Grundver-                nen und Ärzte mit Praxistätigkeit und Weiterbildungstitel
sorger/innen sowie weitere Gesundheitsberufe verstan-               Allgemeinmedizin, Innere Medizin und neu Allgemeine
den wie Pflegefachpersonen, Apotheker/innen, Hebam-                 Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie prakti-
men, Physio- und Ergotherapeutinnen und -therapeuten,               scher Arzt/praktische Ärztin als einziger Weiterbildungs-
Ernährungsberater/innen sowie Assistenzberufe wie                   titel.
­Me­dizinische Praxisassistentinnen und –assistenten oder
 Fachangestellte Gesundheit. Im vorliegenden Bericht
 liegt der Schwerpunkt auf der ambulanten Versorgung
 durch ärztliche Grundversorger/innen und Pflegefach-
 personen[1].

[1] http://www.fmh.ch/files/pdf13/versorgungsmodelle_d.pdf (Bericht der Arbeitsgruppe «Neue Versorgungsmodelle für die medizinische
   Grundversorgung» von GDK und BAG, Neue Versorgungsmodelle für die medizinische Grundversorgung, Bern, März 2012)

                                                                                                                                      5
Inhalt
1.       Ausgangslage������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������7
1.1      Allgemein���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 7
1.2      Vorgehen zur Erarbeitung des Umsetzungskonzeptes����������������������������������������������������������������������������������������������������� 8
1.3      Gesetzliche Grundlagen zur medizinischen Grundversorgung�������������������������������������������������������������������������������������� 8
1.4      Resultate und Empfehlungen der Ist-Soll-Analyse der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in den
         Zentren des Bundes und der Kantone��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 9
1.4.1    Vorgehen/Methodik���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 9
1.4.2    Resultate����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 9
1.4.3    Empfehlungen der Autoren der Ist-Soll Analyse�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 10

2.       Asylverfahren in den B
                              ­ undesasylzentren�����������������������������������������������������������������������������������11
2.1      Vorgehen nach altem System bis zur Inkraftsetzung der Asyl­gesetzrevision ����������������������������������������������������������� 11
2.2      Asylgesetzrevision ab 2019�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 11
2.3      Medizinische Sachverhalts­abklärung im Rahmen des Asyl­verfahrens������������������������������������������������������������������������ 12

3.       Konzept zur Gesundheitsversorgung in den Asylunterkünften
         des Bundes und der Kantone��������������������������������������������������������������������������������������������������������13
3.1      Ziele������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 13
3.2      Allgemeine Prinzipien der S                 ­ icherstellung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und der Umsetzung des
         Epidemienege­setzes und der e                     ­ ntsprechenden Verordnung����������������������������������������������������������������������������������������� 13
3.3      Organisation des Zugangs zur Gesundheitsversorgung in den Asylunterkünften �������������������������������������������������� 15
3.3.1    Zugang zur Gesundheitsversorgung in den Empfangs- und Verfahrenszentren������������������������������������������������������ 15
3.3.2    Zugang zur Gesundheitsversorgung in den Bundeszentren (BZ)��������������������������������������������������������������������������������� 16
3.3.3    Zugang zur Gesundheitsversorgung in den Kantonalen Unterkünften���������������������������������������������������������������������� 16
3.4      Medizinische Eintritts­information ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 16
3.5      Erstkonsultation �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 17
3.6      Individualmedizin – Zugang zur Gesundheitsversorgung �������������������������������������������������������������������������������������������� 17
3.6.2    Kooperation mit Zentrumsärzten �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 18
3.6.1    Pflegefachpersonen ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 18
3.6.3    Information zu Gesundheitsthemen ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 18
3.8      Public-Health Massnahmen������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 19
3.8.1    Hygienerichtlinien����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 19
3.7      Zugang zu Impfungen���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 19
3.8.2    Abgabe von Mitteln für die Prävention von durch Blut oder sexuell übertragbarer Krankheiten ������������������������� 19
3.8.3    Richtlinien zum Vorgehen bei Ausbrüchen von übertragbaren Krankheiten (Ausbruchsmanagement) ������������� 19
3.9      Medikamente������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 19
3.9.1    Institutionsapotheken ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 19
3.9.2    Anwendung der Medikamente ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20
3.10     Sicherstellen der sprachlichen Verständigung ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20
3.11     Koordination der Massnahmen zwischen Bund und Kantonen������������������������������������������������������������������������������������ 20
3.11.1   Rollen und Verantwortlichkeiten ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20
3.11.2   Übergabe des medizinischen Dossiers bei Übertritt vom Bund zum Kanton ������������������������������������������������������������ 20
3.12     Qualifikationen, Weiter­bildungen und Schulungen ������������������������������������������������������������������������������������������������������� 21
3.12.1   Fachliche Qualifikationen der Pflege­fach­personen �������������������������������������������������������������������������������������������������������� 21
3.12.2   Übertragbare Krankheiten im Asyl­bereich-Schulungen für das Betreuungs- und Sicherheits­personal �������������� 21
3.12.3   Migrationsspezifische Qualifikationen für Pflegefachpersonen und Ärzte���������������������������������������������������������������� 21
3.12.4   Wissensplattform für medizinische F                         ­ achpersonen im Fachbereich����������������������������������������������������������������������������� 22
3.13     Ärztliche Schweigepflicht����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 22
3.14     Implementierung������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 22
3.15     Evaluation und Überprüfung der Wirksamkeit der Mass­nahmen ������������������������������������������������������������������������������� 23

4.       Ressourcen zur Umsetzung des Konzeptes��������������������������������������������������������������������������������23

5.       Themen für Neustrukturierung���������������������������������������������������������������������������������������������������24

6.       Weiterführende und offene Themen�������������������������������������������������������������������������������������������25
1. Ausgangslage
1.1 Allgemein
Mit der Inkraftsetzung des revidierten Epidemiengeset-
                                                                       3 Bund und Kantone koordinieren die Umsetzung
zes[2] (EpG) zum Schutz des Menschen vor übertragbaren
                                                                       der Massnahmen nach Absatz 2. Das BAG legt
Krankheiten und der entsprechenden Epidemienverord-
                                                                       ­unter Einbezug des Staatssekretariats für Migrati-
nung[3] (EpV) per 1. Januar 2016 besteht für die Erkennung,
                                                                        on (SEM) und der zuständigen kantonalen Behör-
Verhütung und Behandlung übertragbarer Krankheiten
                                                                        den die fachlichen und administrativen Abläufe fest
bei Asylsuchenden eine neue rechtliche Ausgangslage.
                                                                        und überprüft periodisch die Wirksamkeit der Ver-
                                                                        hütungsmassnahmen.
Relevant für das Asylwesen ist Art. 19 EpG, welcher in
Art. 31 EpV folgendermassen konkretisiert wurde:
                                                                       4 Das BAG erlässt nach Absprache mit dem SEM
                                                                       Empfehlungen zu den Verhütungsmassnahmen in
                                                                       den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes
   Art. 31 Verhütungsmassnahmen in Empfangs-                           sowie in den kantonalen Kollektivunterkünften für
   und Verfahrenszentren des Bundes und kanto­                         Asylsuchende. Es stellt das nötige Informationsma-
   nalen Kollektivunterkünften für Asylsuchende                        terial zur Verfügung.

   1 Die Betreiber von Empfangs- und Verfahrens­
   zentren des Bundes und von kantonalen Kollek­
                                                                    Das revidierte Epidemiengesetz sieht vor, dass wie für
   tivunterkünften für Asylsuchende müssen allen
                                                                    andere Personengruppen, die potentiell übertragbare
                                                                    ­
   Per­sonen in ihrer Obhut den Zugang zu geeigneten
                                                                    Krankheiten verbreiten können, auch für Asylsuchende in
   Verhütungsmassnahmen gewährleisten. Die Durch­
                                                                    der Obhut der Bundesasylzentren und der kantonalen
   führung der Massnahmen richtet sich nach den
                                                                    Kollektivunterkünfte die Verhütung, Erkennung und Be-
   bestehenden Infektions- und Übertragungs­risiken.
                                                                    handlung von übertragbaren Krankheiten beim Einzelnen
                                                                    im Rahmen der medizinischen Grundversorgung erfolgt.
   2 Die Betreiber von Empfangs- und Verfahrens­
                                                                    Die Informationspflicht und die Sicherstellung des Zu-
   zentren des Bundes und kantonalen Kollektiv­
                                                                    gangs zur Gesundheitsversorgung sind wichtige Pfeiler
   unterkünften für Asylsuchende sorgen insbeson­
                                                                    dabei. Das ist ein Paradigmenwechsel im Gegensatz zu
   dere dafür, dass die Personen in ihrer Obhut:
                                                                    den früheren Rechtsgrundlagen (Verordnung des EDI
                                                                    über grenzsanitätsdienstliche Massnahmen vom 9. De-
   a. nach dem Eintritt in die Unterkunft innert nütz­
                                                                    zember 2005, 818.125.11), die eine systematische Befra-
   licher Frist in einer ihnen verständlichen Spra­­che
                                                                    gung der Asylsuchenden im Rahmen der grenzsanitari-
   über Infektionskrankheiten und ihre möglichen
                                                                    schen Massnahmen (Früherkennung von Tuberkulose
   Symp­tome, insbesondere über HIV/Aids, über an-
                                                                    und Einschätzung des medizinischen Allgemeinzustan-
   dere sexuell oder durch Blut übertragbaren Krank­
                                                                    des) in den Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) vor-
   heiten und über Tuberkulose, sowie über den
                                                                    sahen.
   ­Zugang zur medizinischen Versorgung informiert
    werden;
                                                                    Die medizinische Grundversorgung stellt zudem sicher,
                                                                    dass Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit im Rah-
   b. die geeigneten Mittel zur Verhütung von sexuell
                                                                    men der Meldepflichten nach EpG den zuständigen
   oder durch Blut übertragbaren Krankheiten, ins­be­
                                                                    ­Stellen (Kantone, Bund) gemeldet werden und Massnah-
   sondere Präservative, erhalten;
                                                                     men so rasch und bedrohungsgerecht ergriffen werden
                                                                     können.
   c. Zugang zu einer geeigneten medizinischen Ver-
   sorgung und zu Impfungen nach dem nationalen
                                                                    Der Bundesrat hat eine zweijährige Übergangsfrist ge-
   Impfplan unter Berücksichtigung der spezifischen
                                                                    währt (Bundesratsbeschluss vom 29. April 2015), während
   Empfehlungen des BAG für Asylsuchende erhalten.
                                                                    welcher die grenzsanitarischen Massnahmen weiterge-

[2] Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen vom 28. September 2012, Epidemiengesetz, EpG,
   SR 818.101.
[3] Verordnung über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen vom 29. April 2015, Epidemienverordnung, EpV, SR 818.101.1.

                                                                                                                                    7
führt werden und das Bundesamt für Gesundheit (BAG)             die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung für Perso-
gemeinsam mit dem Staatssekretariat für Migration               nen, die gestützt auf das Asylgesetz in einem Zentrum
(SEM) und den involvierten kantonalen Stellen (Vertreter        des Bundes oder in einem Erstintegrationszentrum für
der Kantonsärzteschaft und der kantonalen Asylkoordi-           Flüchtlingsgruppen untergebracht sind.
natoren/-innen sowie der Schweizerischen Konferenz der
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren             Solange Asylsuchende in einem Zentrum des Bundes
[GDK] und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorin-        ­untergebracht sind, gewährleistet dieser die Sozialhilfe.
nen und Sozialdirektoren [SODK]) ein Konzept zur Umset-          Nach erfolgter Zuweisung eines Asylsuchenden an einen
zung der aus dem revidierten Epidemiengesetz resultie-           Kanton ist der entsprechende Kanton für die Leistung von
renden Massnahmen erarbeiten soll. Die Umsetzung hat             Sozialhilfe zuständig, wobei der Bund den Kantonen ihre
dann bis zum 1. Januar 2018 zu erfolgen.                         Aufwendungen mittels Globalpauschalen vergütet.

Abzugrenzen sind die Prozesse für die medizinischen             Mit der Sozialhilfe soll die Existenz bedürftiger Personen,
Sachverhaltsabklärungen im Rahmen des Asylver­fahrens,          wozu auch die medizinische Grundversorgung gehört,
welche nicht Gegenstand dieses Konzeptes sind (siehe            gesichert werden, wobei die über die Sozialhilfe zu
Kap. 2.3).                                                      gewährende medizinische Grundversorgung nach den
                                                                ­
                                                                Regeln des KVG (Bundesgesetz über die Krankenver­si­
                                                                cherung; SR 832.10) abgewickelt wird.
1.2 Vorgehen zur Erarbeitung
des Umsetzungskonzeptes                                         Dies ist gewährleistet durch das Krankenversicherungs-
                                                                obligatorium, da Asylsuchende nach der bundesgerichtli-
                                                                chen Rechtsprechung Wohnsitz in der Schweiz haben und
 Auftraggeber des Projektes sind der Direktor des BAG           damit der Krankenversicherungspflicht unterstehen, wo-
 (P. Strupler) und der Generalsekretär des SEM (M. Gat­         bei die Anmeldung bei einer Krankenkasse innert drei
tiker) und die strategische Projektverantwortung ist bei        Monaten nach der Wohnsitznahme oder Geburt erfolgen
dem Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten des           muss (Art. 3 Abs. 1 KVG).
BAG (D. Koch) und dem Leiter der Abteilung EVZ des SEM
(D. Keller). Der Projektantrag für die Erarbeitung des Kon-     Asylsuchende sowie Schutzbedürftige sind verpflichtet,
zeptes wurde im Juni 2016 genehmigt. Die ins Leben be­          sich unmittelbar nach Zuweisung an die Kantone nach
rufene Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des Umsetzungs-            ­A rtikel 27 AsylG zu versichern, wobei die Versicherung im
konzeptes setzt sich zusammen aus Mitgliedern der                Zeitpunkt der Einreichung des Asylgesuchs bzw. der Ge-
­Kantonsärzteschaft, der kantonalen Migrationsämter, der         währung des vorübergehenden Schutzes beginnt (vgl.
 GDK, der SODK und von Fachspezialisten aus dem BAG              Art. 1 Abs. 2 Bst. c der Verordnung über die Krankenversi-
 und dem SEM.                                                    cherung [KVV; SR 832.102] i.V.m. Art. 7 Abs. 5 KVV).

Die Arbeitsgruppe, der auch die Funktion des Steuerungs-        Die gemäss KVG von den Versicherern zu übernehmen-
ausschusses zukommt, hat folgende Handlungsfelder               den Leistungen stellen grundlegende Sozialleistungen im
identifiziert: Zugang zur Gesundheitsversorgung und             Gesundheitsbereich dar und sind daher aus Rechtsgleich-
­Public-Health Massnahmen, Information und Impfungen,           heitsüberlegungen auch Asylsuchenden zu gewähren,
 Ressourcen zur Umsetzung, Koordination und Evaluation.         weshalb weder das KVG noch das AsylG entsprechende
 Die Handlungsfelder dienten als Basis für die Bildung von      Beschränkungen im Leistungsbereich normieren. Jedoch
 Sub-Arbeitsgruppen. Die Mitglieder wurden aus der be-          gestattet Art. 82a Abs. 3 AsylG Bund und Kantonen durch
 stehenden Arbeitsgruppe rekrutiert. Die Resultate aus          die Einschränkung der Wahl der Leistungserbringer den
 den Arbeiten der Sub-Arbeitsgruppen wurden in das Kon-         Zugang von Asylsuchenden zu unserem Gesundheits­
 zept eingearbeitet.                                            system sinnvoll zu steuern. Insbesondere durch die An-
                                                                wendung von sog. Gatekeeping-Modellen kann so von
Zudem wurde, um über eine Grundlage zur Erarbeitung             Bund und Kantonen sichergestellt werden, dass Asyl­
des Konzeptes zu verfügen, eine Ist-Soll Analyse der Ge-        suchende die notwendigen KVG-Leistungen angemessen
sundheitsversorgung von Asylsuchenden in den Unter-             in Anspruch nehmen.
künften des Bundes und der Kantone in Auftrag gegeben
(siehe Kap. 1.4).                                               Art. 82a Abs. 2 AsylG gibt Bund und Kantonen zudem die
                                                                Möglichkeit, die Wahl der Asylsuchenden zur Verfügung
                                                                stehenden Versicherer einzuschränken. So kann der Voll-
1.3 Gesetzliche Grundlagen zur                                  zug des KVG im Asylbereich – unter Schonung der Mittel
medizinischen Grundversorgung                                   der öffentlichen Hand – durch Versicherer erfolgen, die
                                                                günstige Konditionen anbieten.

Das Asylgesetz (Art. 80 Abs. 1 und 3) regelt die Sozialhilfe-   Für Asylsuchende in Unterkünften des Bundes stehen die
respektive Nothilfezuständigkeit des Bundes und dessen          Betreiber der Unterkünfte in der Pflicht, den Asylsuchen-
Verantwortlichkeit – zusammen mit den Kantonen – für            den den Zugang zur medizinischen Grund- und zahnärzt-

                                                                                                                          8
lichen Notversorgung sicherzustellen (Art. 5 Verordnung     Information über HIV fokussiert. Präservative werden
des EJPD über den Betrieb von Unterkünften des Bundes       standardmässig abgegeben. Daneben gibt es aber kein
im Asylbereich[4]).                                         systematisches Vorgehen bezüglich der Prävention und
                                                            Früherkennung von übertragbaren Krankheiten. Asyl­
Die Sicherstellung des Zugangs zur geeigneten medizini-     suchende werden zurückhaltend über gesundheitsrele-
schen Versorgung zur Verhütung, Erkennung und Be-           vante Themen sowie den Zugang zum Gesundheits­
handlung von übertragbaren Krankheiten ist separat in       system informiert. Auf Kantonsebene besonders zu er-
der Epidemienverordnung (Art. 31 Abs. 1 und 2) geregelt     wähnen ist die professionelle Informations- und
und gilt sowohl für Betreiber von Bundesunterkünften als    Präventionsarbeit auf kantonaler Ebene in der West­
auch von kantonalen Kollektivunterkünften.                  schweiz, in den Kantonen VD, GE und NE.

Die Kosten von Zahnbehandlungen ausserhalb des KVG-­        Die Information über Impfungen in den EVZ im Rah­
Leistungskatalogs sind von der Sozialhilfe nur dann zu      men der GSM beschränkt sich auf den Hinweis, sich bei
übernehmen, wenn die Behandlung nötig ist und in einer      Zuteilung zu einem Kanton gegen verschiedene Krank­
einfachen, wirtschaftlichen und zweckmässigen Weise         heiten impfen zu lassen. Seit 2010 wird eine Impfung
­erfolgt. Nach der Rechtsprechung bedeutet dies, dass nur   systematisch allen Kindern unter 5 Jahren angeboten, die
 jene Massnahmen, die Zahnschmerzen beseitigen und/         bisher nicht gegen Polio geimpft waren.
 oder die Kaufähigkeit sicherstellen, gedeckt werden.
 ­Stehen mehrere Behandlungswege offen, so gebührt der      Die Überprüfung des Impfstatus ist heute in keinem
  günstigsten Variante der Vorzug.                          EVZ Teil der Abklärungen.

                                                            Einzig in den befragten kantonalen Zentren im Kanton
1.4 Resultate und Empfehlungen                              Schwyz und Genf werden aktuell bei Eintritt im Rahmen
der Ist-Soll-Analyse der Gesund­                            der Erstuntersuchung der Impfstatus auch bei den Er-
                                                            wachsenen erhoben. Bei Kindern werden die Impfungen
heitsversorgung von Asylsuchen­                             meist im Rahmen der medizinischen Grundver­sorgung
den in den Zentren des Bundes                               durchgeführt bei Schuleintritt.
und der Kantone
                                                            Die Haltung gegenüber Impfungen ist sehr unterschied-
                                                            lich und es besteht diesbezüglich Klärungsbedarf und der
Um über eine Grundlage zur Erarbeitung des Konzeptes        Wunsch nach klaren Vorgaben seitens des Bundes.
zu verfügen hat die Arbeitsgruppe eine Ist-Soll Analyse
der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in den           Bei Ausbrüchen von übertragbaren Krankheiten gibt
Unterkünften des Bundes und der Kantone in Auftrag           es keine standardisierten Abläufe, meist muss nach
gegeben. Das Mandat wurde vom BAG an Interface/
­                                                           ­ad-hoc Lösungen gesucht werden, einige Zentren haben
evaluanda vergeben. Der finale Bericht zuhanden des          Merkblätter vom jeweiligen Kantonsarzt. Es gibt verein-
BAG liegt vor und wird auf der Website des BAG per           zelt auch Merkblätter vom Bund, die von den Kantonen
­Dezember 2017 aufgeschaltet werden.                         angepasst wurden, die aber schwierig umzusetzen sind,
                                                             da sie als zu abstrakt beurteilt werden.
1.4.1 Vorgehen/Methodik
ȫȫ Studium der vorhandenen gesundheitsrelevanten            Eine Isolation ist in den meisten Zentren nicht möglich, sei
    Dokumentation in den Zentren des Bundes und             es aufgrund der Infrastruktur, kommunikativen Schwie-
    der Kantone (Sichtung und Auswertung)                   rigkeiten oder wegen sehr hohen personellen Aufwands.
    ȫȫ Einbezug von Studien und Dokumenten                  Diesbezüglich wird der Wunsch geäussert nach Klärung
ȫȫ Gespräche mit den Zentrumsleitungen und                  der Verantwortlichkeiten, Rollen und Meldeflüsse.
    dem Gesundheitspersonal in allen 6 EVZ,
    dem Testbetrieb und den BZ                              Weiter ist auch das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter
ȫȫ Kantone: Gespräche in Kollektivzentren                   bei Ausbrüchen immer wieder ein Thema.
ȫȫ Gespräche und Online – Befragungen von Asyl­
    koordinatoren/-innen und Kantonsärzteschaft             In den Zentren des Bundes und vermehrt auch in den
                                                            Kantonen sind im Laufe der letzten Jahre vermehrt medi-
1.4.2 Resultate                                             zinisch geschulte Personen im Bereich der Gesundheits-
In den letzten Jahren gab es in den Zentren des Bundes      versorgung eingestellt worden. So sind heute in allen EVZ
und der Kantone wenig Probleme mit Infektionskrank­         Pflegefachpersonen eingestellt. Dies schafft Entlastung
heiten. Die bisherigen, namentlich die grenzsanitari­       und Handlungssicherheit für das Betreuungspersonal.
schen Massnahmen haben sich somit bewährt. Diese            Die Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden in den
sind jedoch auf das Erkennen von Tuberkulose und eine       Zentren ist grundsätzlich zweckmässig organisiert und

[4] SR 142.311.23

                                                                                                                       9
der Zugang zur medizinischen Grundversorgung ist             den sind, oder ob diese nicht rechtzeitig übermittelt wur-
gewährleistet. Bei Erkrankungen, die aus Sicht der           den. Der Rückfluss der Informationen aus den Spitälern
­Gesundheitsbeauftragten und/oder des Zentrumsarztes         ist sehr unterschiedlich, und häufig müssen die Daten
 keine sofortige Behandlung erfordern, einschliesslich       nachgefragt werden.
 psychische Erkrankungen, wird mit der Triage und der an-
 schliessenden Behandlung gewartet, bis die Asylsuchen-      In der Auswertung von Interface kommt deutlich zum
 den einem Kanton zugewiesen wurden, da die Aufent-          Ausdruck, dass schriftliches Informationsmaterial für
 haltszeit in den EVZ/BZ meist kurz ist und eine a
                                                 ­ däquate   Asylsuchende je länger je mehr zurückhaltend einge­
 Behandlung häufig länger dauert.                            setzt wird, da eine allgemeine Sättigung der Asylsuchen-
                                                             den an neuen Eindrücken und Informationen, denen sie
Die Organisation des Zugangs zur Gesundheitsversor-          bei Eintritt ausgesetzt sind, festzustellen ist. Im Vorder-
gung ist von den Versorgungsstrukturen und auch von ei-      grund stehen primär die Orientierung im Zentrum und
ner landesteilspezifischen Versorgungskultur abhängig.       die Heranführung und die Gewöhnung an die Abläufe.

Was die Übergabe der individuellen medizinischen             Einige Zentren stellen dennoch schriftliche Information
­Daten von den EVZ/BZ in die Kantone und von da in die       zu HIV/Aids, zur weiblichen Genitalbeschneidung und zu
 Gemeinden betrifft, so weist die Analyse auf viele          Krätze zur Verfügung und zu verschiedenen sozialen Ein-
 Schnittstellen hin, welche anfällig für Datenverluste       richtungen (Opferberstungsstellen, Frauenhaus, Mütter-
 sind. Falls keine Gesundheitsdaten vorhanden sind wis-      beratung, etc.).
 sen die jeweiligen Akteure nicht, ob keine Daten vorhan-

1.4.3 Empfehlungen der Autoren der Ist-Soll Analyse
Basierend auf der Analyse haben die Autoren folgende Empfehlungen formuliert:

 Empfehlungen von Interface/evaluanda                        Umsetzung im Konzept

  1   Einführung eines medizinischen Erstgespräch            Eintrittsinformationsgespräch und Erstkonsultation
      auf Bundesebene                                        (siehe 3.2 und 3.4)

  2   Festlegung eines Ausbruchsmanagements:                 Vorgehen für die häufigsten Erreger wird erarbeitet
      Neben der Prävention und der Früherkennung von         (siehe 3.8.3)
      übertragbaren Krankheiten braucht es effektive
      Massnahmen, welche bei einem allfälligen Ausbruch
      in den Zentren greifen und die Zuständigkeiten
      ­müssen geklärt sein.

  3   Präventions- und Informationskonzept für die           Siehe 3.4 und 3.8
      Zentren bereitstellen: Festlegen der Themen, des
      Zeitpunktes, der Form, der Vermittlung und der Zu-
      ständigkeiten; Infor­mationsmaterial für das Erstge-
      spräch sollte in mehreren Sprachen vorliegen

  4   Systematische Prüfung des Impfstatus und Erstel­ Impfungen (siehe 3.7)
      lung eines persönlichen Impfplans im Rahmen
      des medizinischen Eintrittsinformationsgesprächs
      sicherstellen

  5   Handlungsempfehlungen an die Kantone, welche Impfungen (siehe 3.7)
      die Umsetzung der auf Bundesebene eingeleiteten
      Massnahmen (Impfplan) sicherstellen: Klare Emp-
      fehlungen des BAG

  6   Medizinisches Personal in Zentren des Bundes      Ablauf und Organisation der Gesundheitsversorgung
      als Pflichtvorgabe definieren (mit entsprechender (siehe 3.3 und 3.6)
      ­Empfehlung an kantonale Zentren)

                                                                                                                      10
7     Stärkung einer migrationssensiblen Gesundheits­ Kooperation mit Zentrumsärzten (siehe 3.6.2)
      versorgung: Unterstützung und Stärkung des           Weiterbildung und Schulungen (siehe 3.13)
      ­Engagements der HausärztInnen in der Zusammen-
       arbeit mit den Asylunterkünften, Schaffung von
       ­finanziellen und vertraglichen Anreizen, Schaffung
        einer Informationsplattform für den Austausch
        von Grundlagenwissen und Best Practices

  8   Zugang zu psychiatrischen/psychotherapeuti­          Erstkonsultation (siehe Kap. 3.5)/Individualmedizin-­
      schen Angeboten verbessern und niederschwel­         Zugang zur Gesundheitsversorgung (siehe 3.6)/
      lige Angebote nutzen: Fehlende psychiatrische/       Weiterführende Themen (siehe Kap. 6)
      therapeutische Angebote sind ein Problem das län-
      gerfristig angegangen werden muss; jedoch nicht
      jeder Betroffene benötigt eine psychiatrische oder
      psychotherapeutische Behandlung. Deshalb Emp­
      fehlung zur Nutzung von unterschwelligen und un-
      terstützenden Angeboten in den Zentren wie Tages-
      struktur, soziale Unterstützung, Seelsorge, adäquate
      Unterbringungssituation, etc. und soweit möglich
      Nutzung von Know-how von Fachstellen (z. B. Caritas)

  9   Regelung der Zuständigkeit und Zusammenarbeit Koordination der Massnahmen
      von und zwischen den im Rahmen der Gesund­    (siehe 3.12)
      heitsversorgung involvierten Akteure

 10   Einführung eines (elektronisches) Gesundheits­           Medizinisches Dossier (siehe 3.11); Übermittlung der
      dossiers für alle Asylsuchenden und Sicherstel­          medizinischen Daten (siehe 3.12.2); die Einführung
      lung des Austauschs respektive die Übermittlung          eines elektronischen Dossiers kann im Rahmen dieses
      von Gesundheitsdaten: Eröffnung eines medizini-          Projektes nicht umgesetzt werden.
      schen Dossiers im Rahmen des Erstgespräches; darin
      soll auch vermerkt werden, wenn keine gesundheits-
      relevanten Auffälligkeiten vorliegen; es soll geprüft
      werden, ob das medizinische Dossier in elektroni-
      scher Form geführt werden könnte

2. Asylverfahren in den B
                        ­ undesasylzentren
Das Staatssekretariat für Migration betreibt heute insge-      Herkunft, Reiseweg und Asylgründen befragt. Wenn kei-
samt sechs Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ)               ne Anhörung und kein Entscheid im EVZ erfolgen konnte,
und neun Bundeszentren (BZ), wobei die Anzahl Bundes-          werden die Asylsuchenden in die Kantone transferiert, wo
zentren je nach Bedarf variiert und immer wieder der ak-       sie den Verlauf des weiteren Verfahrens abwarten. Asyl-
tuellen Situation angepasst wird.                              suchende, für welche die Schweiz nicht verantwortlich ist
                                                               und somit im Dublin Verfahren abgewickelt werden, wer-
Mit Inkraftsetzung der Asylgesetzrevision im 2019 ändert       den überwiegend in ein Bundeszentrum (BZ) transferiert.
die Terminologie für die Bezeichnung der Asylunterkünf-        Der Aufenthalt in einem EVZ dauert heute gemäss Gesetz
te des Bundes und es wird neu von Bundesasylzentren            maximal 90 Tage, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer
mit Verfahren (BAZ m.V.) und Bundesasylzentren ohne            in einem EVZ beträgt durchschnittlich 20–30 Tage.
Verfahren (BAZ o.V.) gesprochen.

                                                               2.2 Asylgesetzrevision ab 2019
2.1 Vorgehen nach altem System
bis zur Inkraftsetzung der Asyl­                               Der Bundesrat wird voraussichtlich im Jahr 2019 das neue
                                                               Asylgesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren in Kraft
gesetzrevision                                                 setzen (siehe Abbildung 1). Dadurch möchte man unter
                                                               anderem verhindern, dass die Mehrheit der Asylsuchen-
In den EVZ können Asylsuchende ihr Asylgesuch ein­             den ihren Asylentscheid in den kantonalen Strukturen
reichen. Dort werden sie registriert und zu ihrer Identität,   ­abwarten müssen. Im neuen Verfahren werden die Asyl-

                                                                                                                      11
suchenden vorerst in einem Bundesasylzentrum mit Ver-                                  auf 140 Tage erhöht. Im Testbetrieb (Zentrum Juch), wel-
fahrensfunktion (BAZ m.V.) untergebracht, wo die Regist-                               ches das neue Verfahren testet, ist heute die durch-
rierung des Asylgesuchs und die Anhörung zu den Asyl-                                  schnittliche Aufenthaltsdauer rund 60 Tage.
gründen durchgeführt werden. Während des gesamten
Asylverfahrens ist den Asylsuchenden ein Rechtsvertre-                                 Generell gilt wie bisher, dass die Aufenthaltsdauer in den
ter zugewiesen.                                                                        EVZ, respektive den BAZ m.V. so kurz wie möglich und so-
                                                                                       lange als nötig ist, um die Aufnahmekapazität jederzeit
Die maximale Aufenthaltsdauer der Asylsuchenden in ei-                                 gewährleisten zu können und um alle verfahrensrelevan-
nem Bundesasylzentrum wurde von ehemals 90 Tagen                                       ten Schritte durchzuführen.

Abbildung 1

      Behandlung eines Asylgesuchs
      mit dem Gesetz für beschleunigte
      Asylverfahren

                                                                                                   Vorbereitungsphase
                                                                                          100%
                                                                                                   Dauer: bis zu 21 Arbeitsage;
                                                                                                   Dublin-Verfahren bis zu 10 Arbeitstage

                                                                                                                                                         Erweitertes Verfahren
                                                                                                                                            ~ 40%
                                                                                                                                                         Dauer: rund 1 Jahr
                                                 Unterbringung:
                                                 Im Zentrum                                                                                              (inkl. Beschwerdeverfahren und
                                                                                                                                                         Vollzug der Wegweisung bei
                                                 des Bundes
                                                                                                                                                         Ablehnung)

       Dublin-Verfahren                                                                             Unterbringung:
                                       ~ 40%                                                        Im Kanton
       Dauer: bis zu 140 Arbeitstage

                                                                                                                                                                   Integration in
                                                                                                                                                                   die Schweiz

                                                                                                         Integration                          Rückkehr
                                                                                                         in die Schweiz
                                               Beschleunigtes
                                               Verfahren
                                                                               ~ 20%
                                               Dauer: bis zu 100 Arbeitstage            Rückkehr

                                               (inkl. Beschwerdeverfahren
                                               und Vollzug der Wegweisung
                                               bei Ablehnung)

Quelle: https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/aktuell/news/2014/2014-03-28/asylprozess-d.pdf

2.3 Medizinische Sachverhalts­                                                         r­elevant sind unmittelbar nach Gesuchseinreichung
abklärung im Rahmen des Asyl­                                                           geltend machen. Im Rahmen der Befragung zur Person
                                                                                        (BzP) werden die medizinischen Probleme explizit er-
verfahrens                                                                              fragt, soweit sie für das Verfahren relevant sind. Am
                                                                                        Ende der BzP entscheidet der Sachbearbeiter SEM,
Die Medizinische Sachverhaltsabklärung im Rahmen des                                    ­allenfalls in Absprache mit der Pflegefachperson oder
Asylverfahrens (Art 26a AsylG, in Kraft seit dem 1. Februar                              dem Arzt, ab 2019 mit dem Rechtsvertreter*, ob
2014) ist unabhängig von der regulären medizinischen                                     ­weitere Abklärungen nötig sind und ein Bericht im
Versorgung während dem Aufenthalt in einem EVZ und                                        ­Rahmen einer medizinischen ­Sachverhaltsabklärung
deshalb nicht Gegenstand dieses Konzeptes.                                                 ein­geholt werden muss.

Die Asylsuchenden müssen gesundheitliche Beeinträchti-
gungen, die für die Asyl- und oder Wegweisungsfrage                                    *Im Zentrum Juch bereits heute mit dem Rechtsberater

                                                                                                                                                                                          12
3. Konzept zur Gesundheitsversorgung
in den Asylunterkünften des Bundes und
der Kantone
3.1 Ziele                                                    Ziele der medizinischen Eintrittsinformation:
                                                             ȫȫ Die medizinische Eintrittsinformation soll Vertrauen
Das Hauptziel ist die Sicherstellung der Erkennung,                schaffen in die Strukturen und das System. Es ist
­Behandlung und Verhütung von übertragbaren Krankhei-              wichtig, die Asylsuchenden darauf hinzuweisen,
 ten in den Asylunterkünften des Bundes und der Kantone            dass die medizinischen Daten vertraulich behandelt
 sowie des Zugangs zur notwendigen Gesundheitsver­                 werden.
 sorgung.                                                    ȫȫ Nach der medizinischen Eintrittsinformation kennen
                                                                   die Asylsuchenden die Kontaktpersonen im Zent­
Weitere Ziele sind:                                                rum, an die sie sich bei Auftreten von gesundheit­
ȫȫ die Integration und Koordination der Verhütung,                 lichen Be­schwerden und bei medizinischen Fragen
   (Früh-)Erkennung und Behandlung von übertrag­                   während dem gesamten Aufenthalt wenden können.
   baren Krankheiten in die Gesundheitsversorgung,           ȫȫ Die Asylsuchenden kennen die Symptome der re­le­
ȫȫ die Erkennung von gesundheitlichen Problemen,                   vanten übertragbaren Krankheiten, deren Folgen
   die eine baldige Massnahme während dem Auf­                     und nötigen Massnahmen, d.h. sich bei deren Auf­
   enthalt in den Zentren erfordern und                            treten unbedingt bei dem Personal oder der Pflege-
ȫȫ die Sicherstellung der Koordination der Massnahmen              fachperson zu melden.
   zwischen den Akteuren.                                    ȫȫ Die Asylsuchenden sind informiert über die Risiken
                                                                   und die nötigen Massnahmen zur Verhütung sexuell
                                                                   oder durch Blut übertragbarer Krankheiten.
3.2 Allgemeine Prinzipien der                                ȫȫ Sie wissen, dass Impfungen in den Zentren angebo-
­Sicherstellung des Zugangs zur                                    ten werden und welche Krankheiten damit verhütet
                                                                   werden können.
 Gesundheitsversorgung und der                               ȫȫ Sensibilierung auf weitere relevante Gesundheits­
 Umsetzung des Epidemienege­                                       themen durch die Information: «Wenn Sie krank
 setzes und der e
                ­ ntsprechenden                                  sind», «Wenn sie vorbestehende Krankheiten
                                                                 ­haben», «Wenn Sie regelmässig Medikamente
 Verordnung                                                       ­einnehmen müssen», «Wenn Sie schwanger sind»
                                                                   oder «wenn Sie den Impfstatus überprüfen lassen
Ein wichtiger Pfeiler in der Verhütung, Erkennung und Be-          wollen», dann ­melden sie sich beim Personal oder
handlung von übertragbaren Krankheiten und der Sicher-             der Pflegefachperson.
stellung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung ist die       ȫȫ Notfälle und Asylsuchende mit geringfügigstem
Information der Asylsuchenden bei Eintritt in ein Asylzen-       Verdacht auf das Vorliegen einer übertragbaren
trum des Bundes im Rahmen der medizinischen Eintritt-            Krankheit werden frühzeitig erkannt und unverzüg-
sinformation (siehe Kap. 3.4).                                   lich der notwendigen medizinischen Versorgung zu-
                                                                 geführt.
Die medizinische Eintrittsinformation wird im Rahmen
­eines Gespräches persönlich und individuell durch eine      Die Erstkonsultation (siehe Kap. 3.5) findet, das Einver-
 Pflegefachperson geführt, zeitnah nach Eintritt, unter-     ständnis des Asylsuchenden vorausgesetzt, in der Regel
 stützt durch eine computerbasiertes und animiertes In-      direkt im Anschluss an die medizinische Eintrittsinforma-
 formationstool, welches durch die Verfügbarkeit in zahl-    tion statt. Bei hohem Aufkommen an Asylsuchenden
 reichen Sprachen die Verständlichkeit gewährleistet.        ­findet eine Priorisierung nach Dringlichkeit statt.

Die medizinische Eintrittsinformation muss derart ausge-     Die Erstkonsultation findet mittels einem ­s tandardisierten
staltet sein, dass die Durchführbarkeit innerhalb von ma-    Fragenkatalog statt, welche der Pflegefachperson auch
ximal drei Tagen nach Eintritt in das definitiv zugeteilte   als Entscheidungshilfe für die Triagierung für die Arztzu-
Zentrum auch gewährleistet werden kann, wenn gleich-         weisung dient.
zeitig eine grosse Zahl von Asylsuchenden neu eintrifft.

                                                                                                                       13
Ziele der Erstkonsultation sind die systematische Erfas-      Für die Vernetzung und den Austausch der im Asylbereich
sung und Dokumentation des Gesundheitszustandes und           tätigen medizinischen Fachpersonen ist der Aufbau ­einer
des Impfstatus des Asylsuchenden und die Triage und           Wissensplattform vorgesehen (siehe Kap. 3.12).
­Zuweisung zum Zentrumsarzt bei dringenden und akuten
 Gesundheitsproblemen, bei Verdacht auf eine übertrag-        Die sprachliche Verständigung in den Zentren des Bun-
 bare Krankheit und zur Durchführung der Impfungen.           des und der Kantone ist sichergestellt durch den Zugang
                                                              zu Dolmetschenden, primär zum nationalen Telefondol-
Die Pflegefachpersonen sind grundsätzlich die ersten          metschdienst, bei entsprechender Notwendigkeit zu per-
Ansprechpersonen für die Asylsuchenden bei gesund-            sönlichen Dolmetschern (siehe Kap. 3.10).
heitlichen Problemen in den Zentren, sei es im Rahmen
der Erstkonsultation oder zu irgendeinem Zeitpunkt wäh-       Das Sicherheits- und das nicht-medizinische Betreu­
rend dem Aufenthalt im Rahmen der Individualmedizin           ungspersonal ist durch die Pflegefachpersonen geschult
(siehe Kap. 3.6).                                             hinsichtlich der medizinischen Abläufe und es weist die
                                                              Asylsuchenden bei Auffälligkeiten an die entsprechenden
Die Pflegefachpersonen bieten tägliche Sprechstunden          Stellen weiter. Für das Sicherheits- und Betreuungs­
an. Sie stellen den direkten und koordinierten Zugang zur     personal finden regelmässig Informationsveranstaltun-
primären medizinischen Grundversorgung sicher, d.h. zu        gen statt über die im Kontext ihrer Tätigkeit in einer Asyl-
den ärztlichen Partnern, den sogenannten Zentrumsärz-         unterkunft relevanten übertragbaren Krankheiten zum
ten. Dies sind in der Regel ärztliche Grundversorger mit      Abbau von Ängsten und Kennen der Selbstschutzmass-
Einzelpraxistätigkeit oder Tätigkeit in ambulanten medizi-    nahmen (siehe Kap. 3.12).
nischen Einrichtungen.
                                                              Hygienestandards (siehe Kap. 3.8.1) sind für die Vorbeu-
So hat jedes Zentrum mindestens einen primären ärztli­        gung und die Verhinderung eines Ausbruchs von Infekti-
chen Ansprechpartner, der die primäre Grundversor­            onskrankheiten in den Zentren essentiell, in Ergänzung zu
gung der Asylsuchenden und die ärztliche Aufsicht             weiteren Massnahmen wie Impfungen (siehe Kap. 3.7)
über die Pflegefachpersonen in den Zentren sicher-            oder der Abgabe von Präservativen. Weiter stehen für die
stellt (siehe Kap. 3.6).                                      häufigsten Ausbrüche von Infektionskrankheiten Richt­
                                                              linien zur Verfügung (siehe Kap. 3.8.3).
Die Kooperation mit den Zentrumsärzten ist schriftlich in
einer Vereinbarung geregelt. Die Zentrumsärzte bieten         Die medizinischen Abläufe in den Bundesasylzentren
im Rahmen ihrer medizinischen Tätigkeit zwei-bis dreimal      und den kantonalen Kollektivunterkünften (siehe
pro Woche eine reguläre Sprechstunde für die Asyl­            Kap. 3.3) und die Modalitäten der Übergabe der medizi­
suchenden an, entweder vor Ort im Zentrum oder in der         nischen Dokumente (siehe Kap. 3.11.2) bei einem Über-
Arztpraxis, je nach Lage des Zentrums.                        tritt eines Asylsuchenden in ein anderes Bundesasyl­
                                                              zentrum oder eine kantonale Kollektivunterkunft sind ge-
 Die Pflegefachpersonen müssen für diese anspruchsvolle       regelt und mit den Kantonen abgesprochen. Für die
 Tätigkeit richtig qualifiziert sein. Sie verfügen über ei-   Sicherstellung der Kontinuität und der Wirksamkeit der
 nen Abschluss der Höheren Fachschule (HF) oder einen         Behandlungen ist bei einem Transfer in ein Folgezentrum
 äquivalenten Abschluss (z. B. DNII) und über eine Berufs-    die Übermittlung der medizinischen Dossiers, insbeson-
 ausübungsbewilligung, respektive haben die Vorausset-        dere die Informationen über abgeschlossene oder lau-
 zungen, damit eine solche beantragt werden kann. Die         fende Behandlungen und über den Impfstatus essentiell
 Pflichten und Verantwortlichkeiten der Pflegefachperso-      (siehe Kap. 3.11).
 nen sind detailliert in einem Pflichtenheft geregelt und
 mit den jeweiligen Zentrumsärzten und allenfalls mit den     Die Implementierung wird begleitet durch eine noch zu
 Kantonsärzten abgesprochen (siehe Kap. 3.6). Die Mo­         bildende Fachgruppe, in deren Aufgabengebiet auch die
 delle der ärztlichen Aufsicht der Pflegefachpersonen und     regelmässige Evaluation der Wirksamkeit der Massnah-
 der Zusammenarbeit mit den Kantonsärzten ist kantonal        men hinsichtlich Verhütung, Erkennung und Behandlung
­unterschiedlich organisiert.                                 übertragbarer Krankheiten fallen wird, und die bei Bedarf
                                                              die nötigen Massnahmen einleitet (siehe Kap. 3.15).
Neben den medizinischen Qualifikationen sind sowohl
Pflegefachpersonen als auch die Zentrumsärzte auf mi­         Zusammenfassend können folgende Eckpunkte fest­
grationsspezifische und transkulturelle Themen sensi-         gehalten werden, welche in den Folgekapiteln weiter
bilisiert. Für Pflegefachpersonen und Zentrumsärzte wird      ausgeführt werden in Ergänzung zu den Prinzipien:
dazu ein speziell auf den Gesundheitsbereich abgestimm-       ȫȫ Medizinische Eintrittsinformation (siehe Kap. 3.4)
tes Weiterbildungsmodul in transkultureller Kompetenz         ȫȫ Organisation des Zugangs zur Gesundheits­
entwickelt (siehe Kap. 3.12). Idealerweise werden neben          versorgung (siehe Kap. 3.3)
den Zentrumsärzten auch weitere mit den Zentren zu-           ȫȫ Erstkonsultation (siehe Kap. 3.5)
sammenarbeitende Ärzte wie Gynäkologen oder Pädiater          ȫȫ Individualmedizin: Sicherstellung des koordinierten
zu diesen Weiterbildungen eingeladen.                            Zugangs zur Gesundheitsversorgung durch klare

                                                                                                                        14
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