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Demografischer Wandel in Deutschland Heft 2 Auswirkungen auf Krankenhausbehandlungen und Pflegebedürftige im Bund und in den Ländern Ausgabe 2008 Krankenh_u_Pflege_Titel.indd 1 11.03.2008 15:32:37
Impressum Herausgeber: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Herstellung und Redaktion: Statistisches Bundesamt 65180 Wiesbaden Telefon: +49 (0) 611 / 75 24 05 Telefax: +49 (0) 611 / 75 33 30 www.destatis.de/kontakt Fachliche Informationen zu dieser Veröffentlichung zum Thema Krankenhausbehandlungen: Statistisches Bundesamt Gruppe VIII A „Gesundheit“ Telefon: +49 (0) 18 88 / 644 89 51 Telefax: +49 (0) 18 88 / 644 89 96 E-Mail: gesundheitsstatistiken@destatis.de zum Thema Pflegebedürftige: Statistisches Bundesamt Gruppe VIII B „Soziales“ Telefon: +49 (0) 18 88 / 644 81 06 Telefax: +49 (0) 18 88 / 644 89 94 E-Mail: pflege@destatis.de Erscheinungsfolge: einmalig Erschienen im März 2008 Kostenfreier Download: www.statistikportal.de/Statistik-Portal/publ.asp Fotorechte: © Rainer Sturm, PIXELIO © Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2008 (im Auftrag der Herausgebergemeinschaft) Auszugsweise Vervielfältigung und Verbreitung mit Quellenangabe gestattet. 2 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Teil 1 Entwicklung der Bevölkerung im höheren Alter . . . . . . . . . . . . . . 5 Teil 2 Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Rückblick: Entwicklung der Krankenhaus- behandlungen 1995 – 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Entwicklung der Krankenhausbehandlungen nach Diagnosen in Deutschland bis 2030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3 Entwicklung der Krankenhausbehandlungen in den Bundesländern bis 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Teil 3 Pflegebedürftige heute und in Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.1 Rückblick: Entwicklung der Pflegebedürftigen 1999 – 2005 . . . . 18 3.2 Altersspezifische Pflegequoten im Dezember 2005 . . . . . . . . . . 21 3.3 Entwicklung der Pflegebedürftigen in Deutschland bis 2030 und in den Bundesländern bis 2020 (Status-Quo-Szenario) . . . . 22 3.4 Pflegebedürftige 2020 und 2030 in Deutschland (Szenario „sinkende Pflegequoten“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.5 Hinweise auf weitere Vorausberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Anhang: Detaillierte Diagnosearten: Patientinnen und Patienten der Krankenhäuser mit Wohnsitz in Deutschland 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Adressen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder . . . . . . . . 34 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 3
Einführung Im zweiten Heft der Serie „Demografischer Wandel in Deutschland“ wird aufge- zeigt, wie sich der demografische Wandel auf die Zahl der in Krankenhäusern sta- tionär behandelten Patientinnen und Patienten sowie die Zahl der Pflegebedürfti- gen auswirken könnte, wenn Entwicklungen aus der jüngsten Vergangenheit in der Zukunft fortbestehen. Neben Vorausberechnungen hierzu ist auch die aktuelle Si- tuation dargestellt. Das hier vorliegende zweite Heft schließt an das erste Heft der Reihe „Demografischer Wandel in Deutschland“ an, in dem die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung und die daraus abgeleitete Entwicklung der Zahl und Struktur privater Haushalte für Deutschland und die Bundesländer dargelegt ist.1) Basis der Analysen zu den Auswirkungen des demografischen Wandels ist die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung der statistischen Ämter des Bun- des und der Länder.2) In dieser Bevölkerungsvorausberechung wurden mehrere Varianten mit unterschiedlichen Annahmen zur Geburtenrate, zur Lebenserwar- tung und zu den grenzüberschreitenden Wanderungen erstellt. Für die hier vorlie- genden Vorausberechnungen zu Krankenhausbehandlungen und Pflegebedürfti- gen wurde die so genannte „Untergrenze der mittleren Bevölkerung“ herangezo- gen. Da Annahmen zur Binnenwanderung – Wanderungen zwischen den Bundes- ländern – nur bis zum Jahr 2020 getroffen wurden, werden die Vorausberechnun- gen für Bundesländer hier auch nur bis zum Jahr 2020 dargestellt. Im ersten Teil des Heftes wird ein kurzer Überblick über die voraussichtliche Ent- wicklung der Bevölkerung im höheren Alter gegeben. Teil 2 zeigt, wie sich die Be- völkerungsentwicklung auf die Zahl der in Krankenhäusern behandelten Personen auswirken könnte. In Teil 3 werden die möglichen Auswirkungen auf die Zahl der Pflegebedürftigen erörtert. Da in der Wissenschaft umstritten ist, ob Menschen bei einem Anstieg der Lebenserwartung künftig länger gesund und selbstständig leben oder die gewonnenen Jahre vermehrt in Krankheit und Pflegebedürftigkeit verbrin- gen, wurden sowohl für die Krankenhausbehandlungen als auch für die Pflegebe- dürftigen zwei Szenarien erstellt: In einem Szenario – Status-Quo-Szenario – wird die altersspezifische Erkrankungshäufigkeit bzw. Pflegebedürftigkeit von heute zu Grunde gelegt und in einem zweiten Szenario – Szenario sinkende Behandlungs- bzw. Pflegequoten – wird unterstellt, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer schwe- ren Erkrankung bzw. des Eintritts der Pflegebedürftigkeit mit der steigenden Le- benserwartung in eine höhere Altersklasse verschiebt. Neben diesen zwischen Statistischem Bundesamt und statistischen Landesämtern koordinierten Vorausberechnungen wurden in den letzten Jahren von einigen Bun- desländern eigenständige Bevölkerungsvorausberechnungen und Vorausberech- nungen zu möglichen Folgen des demografischen Wandels auf regionaler Ebene erstellt.3) Aufgrund unterschiedlicher Annahmen und methodischer Unterschiede können die Ergebnisse der hier vorliegenden koordinierten Vorausberechnungen von den eigenständigen Vorausberechnungen der Länder abweichen. 1) Siehe Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2007. 2) Siehe Statistisches Bundesamt 2006a, 2006b und 2007a. 3) Siehe Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen 2005 und 2006, Pristl 2003, Staatsministerium Baden-Württemberg 2004, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2005, Burger und Weber 2007, Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2004. 4 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Entwicklung der Bevölkerung im höheren Alter Teil 1 Entwicklung der Bevölkerung im höheren Alter Pflegebedürftigkeit betrifft überwiegend ältere Menschen. Dies gilt auch für viele Krankheiten wie beispielsweise Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und Neu- bildungen (Krebs). Die künftige Anzahl zu pflegender Menschen und stationär zu behandelnder Patientinnen und Patienten dürfte daher entscheidend von der zah- lenmäßigen Entwicklung der Menschen im höheren Alter abhängen. Nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird die Gruppe der Zahl der 60-Jährigen 60-Jährigen und Älteren in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen. Legt und Älteren steigt man die Vorausberechnungsvariante „Untergrenze der mittleren Bevölkerung“ zu bis 2030 um knapp Grunde, so werden im Jahr 2030 fast 8 Millionen mehr 60-Jährige und Ältere in 8 Millionen Deutschland leben (28,4 Millionen) als im Jahr 2005 (20,5 Millionen). Dies ent- spricht einer Zunahme von gut 38 %. Im Jahr 2030 würde dann mehr als jeder drit- te Einwohner in Deutschland zu den 60-Jährigen und Älteren zählen (2005: jeder vierte). Diese Vorausberechnungsvariante basiert auf den Annahmen einer annä- hernd konstanten Geburtenhäufigkeit von 1,4 Kindern je Frau, eines Anstiegs der Lebenserwartung Neugeborener auf 80,6 Jahre (Jungen) bzw. 85,5 Jahre (Mäd- chen) und eines jährlichen Außenwanderungssaldos von + 100 000 Personen. Ausführliche Ergebnisse zur Bevölkerungsentwicklung im Bund und in den Län- dern können dem Heft 1 dieser Reihe und den Veröffentlichungen zur 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung entnommen werden.4) Die Wahrscheinlichkeit, dass ältere Menschen pflegebedürftig werden, steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Von den über 80-Jährigen waren im Jahr 2005 etwa 31 % pflegebedürftig. Zwar ist der Zusammenhang zwischen Alter und Krankheit nicht ganz so ausgeprägt, doch auch hier zeigt sich bei vielen Krank- heitsbildern ein enger Zusammenhang zwischen Alter und Häufigkeit von Kran- kenhausbehandlungen. Daher wird die Gruppe der über 60-Jährigen näher be- leuchtet. Tabelle 1 gibt einen Überblick, wie sich die einzelnen Altersgruppen bis zum Jahr Besonders starke Zu- 2030 gegenüber 2005 voraussichtlich entwickeln. Betrachtet man die prozentualen nahme der Zahl der Veränderungen, so zeichnet sich eine deutliche Verschiebung der Altersstruktur über 80-Jährigen der Bevölkerung hin zu den höheren Altersklassen ab. So nehmen die jüngeren Senioren von 60 bis unter 70 Jahren bis zum Jahr 2030 um knapp 26 % zu. Deut- lich stärker mit plus 58 % fällt der Anstieg bei den 80- bis unter 90-Jährigen aus. Die mit Abstand stärkste Zunahme zeichnet sich bei den 90-Jährigen und Älteren ab: Deren Anzahl dürfte sich bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln. Damit ver- schiebt sich die Struktur innerhalb der älteren Bevölkerung zu den Altersgruppen, die tendenziell ein höheres Risiko haben, pflegebedürftig zu werden oder in Folge einer Krankheit stationär behandelt zu werden. Aufgrund der beschriebenen demografischen Alterung ist in den kommenden Jahr- Künftige Anzahl der zehnten trotz insgesamt rückläufiger Bevölkerungszahlen mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen und Pflegebedürftigen und der Zahl der Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern Krankenhausbehand- zu rechnen. Wie stark dieser Anstieg ausfällt, ist neben der demografischen Ent- lungen nicht nur von wicklung davon abhängig, wie sich der Anteil der Pflegebedürftigen und der Kran- demografischer Ent- kenhausbehandlungen in den einzelnen Altersgruppen künftig entwickeln wird. wicklung abhängig Steigender Wohlstand, eine bessere Ernährung und weniger körperlich belastende Arbeit könnten beispielsweise dazu führen, dass Menschen künftig nicht nur län- ger, sondern auch länger gesund leben. In den folgenden Kapiteln werden daher neben Status-Quo-Vorausberechnungen (gleichbleibende Pflege- und Behand- lungsquoten nach Altersgruppen) auch Ergebnisse für Szenarien mit sinkenden Pflege- und Behandlungsquoten innerhalb der Altersgruppen bei steigender Le- benserwartung beschrieben. 4) Siehe Fußnoten 1 und 2. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 5
Entwicklung der Bevölkerung im höheren Alter Tabelle 1: Bevölkerung Deutschlands in den Altersgruppen mit erhöhtem Krankheits- und Pflegerisiko 2005 bis 2030 Bevölkerung im Alter von ... 2005 2010 2020 2030 bis unter ... Jahren Anzahl in 1 000 Insgesamt ....................................... 82 391 81 887 80 057 77 203 darunter: 60 – 70 ......................... 10 044 9 083 10 957 12 618 70 – 80 ......................... 6 815 8 131 7 601 9 446 80 – 90 ......................... 3 076 3 724 5 014 4 854 90 und mehr ............... 557 563 910 1 432 Veränderung gegenüber 2005 in % Insgesamt ....................................... – – 0,6 – 2,8 – 6,3 darunter: 60 – 70 ......................... – – 9,6 9,1 25,6 70 – 80 ......................... – 19,3 11,5 38,6 80 – 90 ......................... – 21,1 63,0 57,8 90 und mehr ............... – 1,1 63,4 157,1 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 6 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Teil 2 Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Bei der Diskussion um die Auswirkungen des demografischen Wandels stehen die sozialen Sicherungssysteme im Fokus der Betrachtungen. Ein Schwerpunkt sind dabei die Ausgaben im Gesundheitswesen und hier insbesondere der kosteninten- sive Krankenhausbereich. Über ein Viertel aller Gesundheitsausgaben in Deutsch- land gehen in den Krankenhausbereich. Im Jahr 2005 waren dies über 62 Milliarden Euro. Da ältere Menschen häufiger stationär in Krankenhäusern ver- sorgt werden als jüngere, dürften Behandlungsfälle und damit verbundene Kosten gerade im Krankenhausbereich mit einer alternden Bevölkerung ansteigen.5) Mit dem Alter nimmt auch die Intensität der Erkrankungen zu. Dies bedeutet, dass äl- tere Menschen oftmals nicht nur an einer Krankheit, sondern gleichzeitig an meh- reren oder einer Vielzahl von Krankheiten leiden (so genannte Multimorbidität). Auch dies führt dazu, dass ältere Menschen im Durchschnitt häufiger und länger im Krankenhaus verweilen als jüngere. Im Folgenden werden die Auswirkungen der Alterung auf die voraussichtliche Ent- wicklung der Krankenhausfälle nach Diagnosearten bis zum Jahr 2030 für Deutschland bzw. bis 2020 nach Bundesländern untersucht. Wie sich die Gesund- heitsausgaben in diesem Bereich entwickeln, ist nicht nur vom demografischen Wandel beeinflusst, sondern von einer Vielzahl weiterer Faktoren, wie dem medi- zinisch-technischen Fortschritt und den institutionellen Rahmenbedingungen. Aus- sagen hierzu werden nicht getroffen. 2.1 Rückblick: Entwicklung der Krankenhausbehandlungen 1995 – 2005 Die Zahl der Krankenhausfälle ist in den Jahren 1995 bis 2002 von 15,8 auf 17,4 17 Millionen Millionen gestiegen. In den folgenden Jahren war ein kontinuierlicher Rückgang bis Krankenhaus- auf 17,0 Millionen im Jahr 2005 zu verzeichnen. Der Rückgang seit 2002 ist in ers- fälle in 2005 ter Linie auf die Einführung von so genannten diagnosebezogenen Fallpauschalen im Jahr 2002 zurückzuführen, die die festen Tagessätze im Krankenhaus abgelöst haben. Seitdem werden von den gesetzlichen Krankenkassen Pauschalbeträge für Behandlungen von Krankheiten gezahlt, unabhängig von der Dauer des Aufenthal- tes im Krankenhaus. Sie bieten somit einen Anreiz, die Verweildauer so kurz wie möglich zu halten. Eine Folge davon kann sein, dass Behandlungen aus dem sta- tionären in den ambulanten Bereich verlagert werden. Die Anzahl der Krankenhausfälle ist eng mit dem Alter der Patienten verknüpft. Ab etwa 60 Jahren Dies zeigt sich deutlich, wenn man die Anteile der Krankenhausfälle insgesamt je deutlich häufiger im 1 000 Einwohner nach Altersgruppen betrachtet (siehe Abbildung 1). Etwa ab dem Krankenhaus 60. Lebensjahr ist ein starker Anstieg der Krankenhausfälle bei Frauen und noch deutlicher bei Männern zu verzeichnen, der sich mit steigendem Alter weiter fort- setzt. Die geschlechtsspezifisch deutlichen Unterschiede in den Altersgruppen der 20- bis unter 40-Jährigen sind auf die Krankenhausaufenthalte der Frauen durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zurückzuführen. 5) Siehe Leidl 2003. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 7
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Abbildung 1: Krankenhausfälle je 1 000 Einwohner in der jeweiligen Altersgruppe 2005 nach Geschlecht 800 männlich weiblich 600 400 200 0 0 - 10 10 - 20 20 - 30 30 - 40 40 - 50 50 - 60 60 - 70 70 - 80 80 - 90 90 und mehr Alter von ... bis unter ... Jahren Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Krankenhausstatistik Die Krankenhausstatistik ist eine jährliche Befragung aller Krankenhäuser in Deutschland. Im Rahmen der Diagnosedaten geben die Krankenhäuser Aus- kunft über alle im Laufe eines Jahres vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten. Neben demografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Wohnort melden die Krankenhäuser Verweildauer und Diagnose der Behandel- ten. Wird eine Person wegen mehrerer Diagnosen behandelt, so erfolgt die Zuord- nung nach derjenigen Diagnose, die hauptsächlich für die Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes verantwortlich ist (Hauptdiagnose). Die durchschnitt- liche Verweildauer gibt die Zahl der Tage an, die Patientinnen und Patienten in stationärer Behandlung verbringen. Stundenfälle, bei denen der Patient das Krankenhaus bereits nach wenigen Stunden wieder verlässt, gehen mit einem Tag in die Berechnung der durchschnittlichen Verweildauer ein. Jeder ununter- brochene Krankenhausaufenthalt wird als ein Fall erfasst. Wird eine Person mehrfach im Jahr vollstationär behandelt, so werden entsprechend viele Fälle nachgewiesen. Die in diesem Beitrag dargestellten Krankenhaus- bzw. Diagno- sefälle dürfen somit nicht mit behandelten Personen gleichgesetzt werden. Von der Entwicklung der Krankenhausfälle kann nicht unmittelbar auf die Ent- wicklung des Kapazitätsbedarfs in den Krankenhäusern geschlossen werden. Für den Kapazitätsbedarf ist die Summe der Belegungstage, das Krankenhaus- tagevolumen, ausschlaggebend. Dieses ergibt sich durch Multiplikation der Krankenhausfälle mit der durchschnittlichen Verweildauer der Patienten. Krankenhausfälle können entweder nach dem Behandlungsort- oder dem Wohnortprinzip dargestellt werden. Hier wird das Wohnortprinzip zu Grunde ge- legt, d. h. enthalten sind nur Patientinnen und Patienten mit Wohnsitz in Deutschland. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da die Folgen des demografi- schen Wandels für die zukünftig in Krankenhäusern zu behandelnden Fälle in Deutschland nur bezogen auf die Wohnbevölkerung untersucht werden können. In den regelmäßigen Veröffentlichungen der Krankenhausstatistik erfolgt der Nachweis dagegen nach dem Behandlungsortprinzip. Da dieses auch in deut- schen Krankenhäusern behandelte Patientinnen und Patienten aus dem Aus- land einschließt (2005 waren dies gut 60 000 Fälle), weichen die dort gezeigten Krankenhausfälle von den vorliegenden Ergebnissen ab. 8 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Bei der Interpretation der Fallzahlen sollte beachtet werden, dass Personen, die innerhalb eines Jahres mehrfach in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, auch mehrfach als Krankenhausfall zählen (siehe Kasten „Krankenhausstatistik“). Aus den Angaben lassen sich deshalb keine altersspezifischen „Pro-Kopf“- Wahrscheinlichkeiten ableiten. Speziell in den höheren Altersklassen sind Mehr- facheinweisungen unter anderem auch aufgrund der Multimorbidität nicht selten. Während im Jahr 2005 etwa jeder vierte Einwohner 60 Jahre oder älter war, gehör- Fast die Hälfte aller te fast jeder zweite Krankenhauspatient diesen Altersgruppen an. Die 60- bis unter Krankenhaus- 80-Jährigen (20 % der Bevölkerung) stellen 35 % der Krankenhausfälle, die über behandlungen 80-Jährigen (4 % der Bevölkerung) 13 %. Wie sich die Krankenhausfälle auf in entfällt auf Ältere Obergruppen zusammengefasste Diagnosearten verteilen, zeigt Tabelle 2. Tabelle 2: Krankenhausfälle 2005 nach zusammengefassten Diagnosearten *) Darunter im Alter von ... bis unter ... Jahren 60 – 80 80 und mehr Insge- Männ- Weib- Krankenhausfälle samt lich lich insge- männ- weib- insge- männ- weib- samt lich lich samt lich lich 1 000 % Krankenhausfälle insgesamt ...... 16 971 7 889 9 082 35 18 17 13 4 9 darunter: Herz-/Kreislauferkrankungen ... 2 549 1 340 1 209 55 31 24 22 7 15 Neubildungen .......................... 1 837 895 942 53 30 23 10 4 6 Krankheiten des Verdauungs- systems ................................ 1 701 846 855 37 19 18 13 4 9 Verletzungen und Vergiftun- gen ....................................... 1 656 818 838 27 11 16 16 3 13 Krankheiten des Muskel- Skelett-Systems .................... 1 394 597 797 45 17 28 8 2 6 Krankheiten des Atmungs- systems ................................ 1 084 591 492 28 17 11 15 6 9 Psychische und Verhaltens- störungen ............................. 1 043 564 478 16 7 9 6 2 4 nachrichtlich: Bevölkerung insgesamt .............. 82 391 40 317 42 074 20 9 11 4 1 3 *) Tiefer gegliederte Ergebnisse nach Diagnosearten sind im Anhang dargestellt. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Besonders hoch ist der Anteil älterer Patienten an den Herz-/Kreislauf- erkrankungen und Neubildungen (Krebs), den beiden am häufigsten auftretenden Diagnosearten. Im Gegensatz dazu ist der Anteil an den Krankenhausfällen bei psychischen Störungen und Verhaltensstörungen in der Altersgruppe der 60- bis unter 80-Jährigen mit 16 % sogar geringer als ihr Bevölkerungsanteil (20 %). Mit wenigen Ausnahmen ist aus heutiger Sicht von einer mit steigendem Alter zuneh- menden Zahl an Krankenhausfällen auszugehen. Dies macht sich auch langfristig in der Modellrechnung der Krankenhausfälle für 2020 und 2030 bemerkbar. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Inanspruchnahme stationärer Einrichtungen ist die Verweildauer. Steigt die Verweildauer bei einer gleichbleibenden Anzahl an Fällen an, so müssen mehr Kapazitäten bereitgestellt werden. Umgekehrt wären weniger Kapazitäten notwendig, wenn die Verweildauer abnimmt. Die Entwicklung in den Jahren 1995 bis 2004 ist durch einen kontinuierlichen Rückgang der durch- schnittlichen Verweildauer gekennzeichnet. Lag die Verweildauer im Jahr 1995 noch bei 11,4 Tagen so waren es im Jahr 2004 wie auch im Jahr 2005 nur noch 8,7 Tage. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 9
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Ob sich der längerfristige Trend hin zu einer Abnahme der durchschnittlichen Ver- weildauer in Zukunft fortsetzen wird, oder mit einer Abnahme der Verweildauer nicht mehr zu rechnen ist, kann nicht beurteilt werden. Demografisch bedingt deu- tet sich zumindest an, dass sich die rückläufige Entwicklung der durchschnittlichen Verweildauer abschwächen könnte, da ältere Menschen aufgrund der Intensität und Multimorbidität im Durchschnitt länger im Krankenhaus bleiben als jüngere. Unterstellt man, dass die durchschnittliche Verweildauer in den einzelnen Alters- gruppen konstant bleibt, würde sie – ausgehend von der heutigen altersspezifi- schen Verweildauer – allein aufgrund der Alterung der Gesellschaft im Jahr 2030 im Vergleich zu 2005 um 0,5 Tage je Krankenhausfall zunehmen. Für die Voraus- berechnungen werden keine Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Verweil- dauer getroffen. 2.2 Entwicklung der Krankenhausbehandlungen nach Diagnosen in Deutschland bis 2030 In der Wissenschaft wird diskutiert, wie sich das Krankheitsrisiko bei einer steigen- den Lebenserwartung gestalten wird. Hier stehen zwei Ansichten gegenüber: Ver- treter der Kompressionsthese6) erwarten, dass die Menschen mit steigender Le- benserwartung auch länger gesünder leben und sich schwere Krankheiten in ei- nem festgesetzten Zeitfenster vor dem Tode ereignen. Vertreter der Expansions- these7) (oder Medikalisierungsthese) gehen davon aus, dass die Krankheitsintensi- tät mit steigender Lebenserwartung zunimmt, die Menschen demnach zwar länger leben, diese Zeit aber auch länger krank verbringen. Welche These letztendlich mehr zutreffen wird, kann hier nicht geklärt werden.8) Zwei Varianten für Um bei den Vorausberechnungen beiden Thesen Rechnung zu tragen, werden Vorausberechnungen zwei Szenarien erstellt. Bei dem Status-Quo-Szenario werden konstante alters- und geschlechtsspezifische Diagnosefallquoten – basierend auf den Istwerten der Jahre 2004/2005 – zu Grunde gelegt. Dies würde eher der Expansionsthese ent- sprechen. Um einen Ausblick zu geben, wie eine Modellrechnung in Anlehnung an die Kompressionsthese aussieht, wird eine zweite Variante vorgestellt, in der der Zeitraum der Erkrankung ab dem 60. Lebensjahr entsprechend der Veränderung der Lebenserwartung nach hinten verschoben wird (Szenario „sinkende Behand- lungsquoten“). Status-Quo-Szenario Mehr Krankenhaus- In den nächsten Jahrzehnten ist aufgrund der Alterung ein Anstieg der Kranken- behandlungen hausfälle in Deutschland zu erwarten (siehe Abbildung 2). Nach den hier vorge- trotz sinkender stellten Berechnungen, basierend auf den Ergebnissen der 11. koordinierten Be- Bevölkerung völkerungsvorausberechnung (Variante „Untergrenze der mittleren Bevölkerung“) und unter Zugrundelegung des Status-Quo-Szenarios könnte sich die Zahl der Krankenhausfälle – bei sinkender Gesamtbevölkerung – bis zum Jahr 2030 von derzeit ca. 17 Millionen um 2 Millionen Fälle auf 19 Millionen erhöhen. Dies wäre ein Anstieg um ca. 12 %. Im Jahr 2020 wäre nach diesem Szenario mit ca. 18,5 Millionen Fällen zu rechnen. 6) Siehe u. a. Fries 1989. 7) Siehe u. a. Guralnik 1991. 8) Siehe zur neueren Diskussion u. a. Fetzer 2005 und Niehaus 2006. 10 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Abbildung 2: Krankenhausfälle 1995 bis 2030 (Status-Quo-Szenario) in Millionen 20 19,0 19 18,5 18 17,6 17,2 17,0 17 16 15,8 15 0 14 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Status-Quo-Szenario Das Status-Quo-Szenario basiert auf der Überlegung, dass die Wahrscheinlich- keit, in Folge einer Erkrankung stationär behandelt zu werden, heute und in Zu- kunft allein vom Alter und vom Geschlecht abhängt. Für die Vorausberechnun- gen wurden die gegenwärtigen alters- und geschlechtspezifischen Diagnose- wahrscheinlichkeiten aus den Jahren 2004/2005 (differenziert nach Fünfjahres- Altersgruppen und Diagnosearten) konstant gehalten und der vorausberechne- ten Bevölkerung zu Grunde gelegt: Gibt es im Jahr 2030 z. B. mehr 70- bis un- ter 75-jährige Frauen, so steigt entsprechend die Anzahl der wegen Krebs sta- tionär behandelten Frauen in dieser Altersgruppe. Da wiederholte Krankenhausaufenthalte einer einzelnen Person mehrfach in die Statistik eingehen, basiert das Status-Quo-Modell nicht auf konstanten Di- agnosewahrscheinlichkeiten sondern auf konstanten Diagnosefallquoten. Diese geben das Verhältnis von Diagnosefällen zur Anzahl der Personen einer be- stimmten Altersgruppe und Geschlechts an. Es wird folglich unterstellt, dass zukünftig genauso viele Diagnosefälle auf 1 000 Einwohner einer bestimmten Altersgruppe und eines bestimmten Geschlechts kommen wie heute. Das folgende Beispiel veranschaulicht den Rechenweg: Im Jahr 2005 wurden laut Diagnosestatistik 101 000 Patientinnen im Alter von 70 bis unter 75 Jahren mit der Diagnose „Neubildungen“ stationär behandelt. Bezogen auf 2 053 000 Frauen dieser Altersgruppe im Jahr 2005 errechnet sich daraus ein Verhältnis (Diagnosefallquote) von rund 0,05. Um die Anzahl der im Jahr 2030 mit der Diagnose „Neubildungen“ stationär behandelten 70- bis unter 75-jährigen Frauen zu ermitteln, wurde diese Diagnosefallquote mit der voraus- berechneten Zahl der Frauen dieser Altersgruppe multipliziert. Für Frauen und Männer verläuft diese Entwicklung unterschiedlich: Die Zahl der Krankenhausfälle bei Frauen dürfte unter den getroffenen Annahmen von 9,1 Milli- onen (2005) auf 9,7 Millionen (2030) ansteigen, bei Männern von 7,9 Millionen (2005) auf 9,3 Millionen (2030). Die Ursache für den deutlich stärkeren Anstieg bei Männern (17,7 %) gegenüber Frauen (6,6 %) ist die Kombination aus geschlechts- spezifischem Krankheitsrisiko und demografischer Entwicklung. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 11
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Deutliche Zunahme Bezogen auf die unterschiedlichen Diagnosen wurde bereits oben erläutert, dass altersabhängiger ältere Menschen unter anderen Erkrankungen leiden als jüngere. Durch die Alte- Erkrankungen rung wird es demnach zu unterschiedlichen Entwicklungen bei den einzelnen Di- agnosearten kommen (siehe Abbildung 3 und Tabelle 3). Rückgänge sind in den Bereichen psychische Störungen und Verhaltensstörungen und – bei weiter niedri- ger Geburtenrate – in Verbindung mit Schwangerschaft und Geburt zu erwarten. Krankheiten, die mit zunehmendem Alter vermehrt auftreten, wie Herz- /Kreislauferkrankungen und Neubildungen (Krebs), werden überdurchschnittlich ansteigen. Auch bei Demenzerkrankungen dürfte es zu einem deutlichen Anstieg der Fälle kommen. Krankenhausbehandlungen wegen Demenz fallen jedoch in absoluten Zahlen kaum ins Gewicht (knapp 32 000 Fälle im Jahr 2005). Eine Zu- nahme Demenzkranker würde sich hauptsächlich im Bereich der häuslichen Betreuung und der Pflege auswirken. Abbildung 3: Veränderung der Krankenhausfälle 2030 gegenüber 2005 nach zusammengefassten Diagnosearten (Status-Quo-Szenario) in % Krankenhausfälle insgesamt 11,8 darunter: Herz-/Kreislauf- 34,2 erkrankungen Neubildungen 20,9 Krankheiten des Verdauungssystems 13,7 Verletzungen und Vergiftungen 10,0 Krankheiten des Muskel- Skelett-Systems 9,9 Krankheiten des Atmungssystems 11,5 Psychische und Ver- haltensstörungen -8,0 Schwangerschaft, Ge- burt, Wochenbett -22,4 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Die Änderungen im Diagnosespektrum haben Auswirkungen auf die Kapazitäten, die in den einzelnen Fachabteilungen der Krankenhäuser vorgehalten werden müssen. Während im Bereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe weniger Kapazitä- ten nachgefragt werden, wird es in anderen Bereichen, z. B. der inneren Medizin, zu einem deutlichen Anstieg der Krankenhausfälle kommen.9) Tabelle 3: Krankenhausfälle 2005, 2020 und 2030 nach zusammen- gefassten Diagnosearten (Status-Quo-Szenario) in 1 000 Krankenhausfälle 2005 2020 2030 Krankenhausfälle insgesamt .............................................................. 16 971 18 518 18 974 darunter: Herz-/Kreislauferkrankungen ........................................................... 2 549 3 151 3 420 Neubildungen .................................................................................. 1 837 2 110 2 220 Krankheiten des Verdauungssystems ............................................. 1 701 1 880 1 934 Verletzungen und Vergiftungen ....................................................... 1 656 1 779 1 822 Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems ........................................ 1 394 1 507 1 533 Krankheiten des Atmungssystems ................................................... 1 084 1 169 1 208 Psychische und Verhaltensstörungen .............................................. 1 043 1 006 959 Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett ........................................... 931 822 722 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 9) Vgl. Schulz 2000. 12 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Die Verschiebung in der Altersstruktur der Bevölkerung zugunsten älterer Men- 2020 fast jeder schen zeigt sich deutlich in der Verschiebung der Anteile der Krankenhausfälle fünfte Patient nach einzelnen Altersgruppen. Bis zum Jahr 2020 wird fast jeder fünfte Kranken- 80 Jahre und älter hausfall durch die Altersgruppe der über 80-Jährigen und Älteren verursacht, im Jahr 2005 war es jeder achte Fall. Demografisch bedingt wird es einen deutlichen Rückgang des Anteils der unter 40-jährigen Menschen an allen in Krankenhäusern behandelten Fällen geben. Gleiches gilt für die Gruppe der 40- bis unter 60-Jährigen bis zum Jahr 2030. Bis 2030 wird der Anteil der 60- bis unter 80- Jährigen dagegen deutlich auf 42,1 % anwachsen (2005: 35,5 %), wobei der An- stieg sich vor allem im Zeitraum 2020 bis 2030 vollzieht. Der auf die über 80-Jährigen entfallende Anteil an Krankenhausfällen wird bereits bis 2020 deutlich (von 12,5 % in 2005 auf 19,2 % in 2020) und danach nur noch leicht steigen. Ursa- che für diese unstetigen Entwicklungen ist die wesentlich durch die geburten- schwachen Jahrgänge der Kriegs- und Nachkriegsjahre sowie die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und vor allem der 1960er Jahre gekennzeichnete Bevölke- rungsentwicklung. Abbildung 4: Krankenhausfälle nach Altersgruppen (Status-Quo-Szenario) in % unter 40 40 bis unter 60 60 bis unter 80 80 und älter 12,5 19,2 20,2 35,5 35,8 42,1 22,1 21,2 17,0 29,9 23,8 20,7 2005 2020 2030 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Szenario „sinkende Behandlungsquoten“ Während das Status-Quo-Szenario eher von einer Expansion der Krankheiten Annahme steigender ausgeht, geht eine zweite, hier als „Szenario sinkende Behandlungsquoten“ be- Lebenserwartung zeichnete Modellrechnung eher von einer Kompression des Krankheitsverlaufs und späterer aus. Hierbei wird unterstellt, dass es entsprechend der Erhöhung der Lebenser- Erkrankungen wartung ab dem 60. Lebensjahr auch zu einer Verschiebung des Zeitraums schwe- rer Erkrankungen kommt. Das bedeutet, dass die Menschen länger leben und sich dabei im Gegensatz zur Expansionsthese die Phase von schweren Krankheiten vor dem Tod nicht verlängert. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 13
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Szenario „sinkende Behandlungsquoten“ Diese Berechnungsvariante basiert auf der Überlegung, dass Menschen bei ei- ner steigenden Lebenserwartung nicht nur länger, sondern auch länger gesund leben und schwere Krankheiten bzw. häufige Krankenhausbehandlungen erst in einem höheren Alter auftreten (Kompressionsthese). Um die zukünftige Zahl der Krankenhausbehandlungen zu ermitteln, werden die heutigen altersspezifi- schen Behandlungsquoten (Krankenhausfälle je Einwohner einer bestimmten Altersgruppe) entsprechend dem Anstieg der Lebenserwartung in höhere Al- tersgruppen „verschoben“. Diese Verschiebung wird nur für die Altersgruppe 60 Jahre und älter vorgenommen, da es ab diesem Alter zu einem deutlichen An- stieg altersspezifischer Krankenhausaufenthalte kommt. Der Anstieg der Krankenhausfälle bis zum Jahr 2020 wird nach dem Szenario „sin- 1 bis 2 Millionen mehr kende Behandlungsquoten“ im Vergleich zum Status-Quo-Szenario deutlich abge- Krankenhausbehand- schwächt (0,6 Millionen Fälle weniger). Im Gegensatz zum Status-Quo-Szenario lungen 2030 als heute wäre nach 2020 sogar mit einem leichten Rückgang bis zum Jahr 2030 zu rech- nen. Der Unterschied beider Modellrechnungen wächst bis zum Jahr 2030 auf über 1 Million Fälle an. Betrachtet man die beiden Szenarien als Unter- bzw. Obergren- ze der wahrscheinlichen Entwicklung, so liegt der Korridor der voraussichtlichen Krankenhausfälle im Jahr 2030 zwischen knapp 18 und rund 19 Millionen Fällen. Entsprechend groß werden die Unterschiede von Modellrechnungen hinsichtlich benötigter Krankenhauskapazitäten und der voraussichtlichen Kosten im Kranken- hausbereich sein, je nachdem welche Annahmen getroffen werden.10) Abbildung 5: Krankenhausfälle bis 2030 – Vergleich zwischen dem Status-Quo- Szenario und dem Szenario „sinkende Behandlungsquote“ in Millionen 20 Status-Quo-Szenario 19,0 19 18,5 18 17,6 17,9 17,9 Szenario sinkende Behandlungsquoten" 17,5 " 17 17,0 16 0 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Hinsichtlich der Entwicklung der Altersstruktur der Krankenhausfälle unterscheiden sich beide Varianten nur wenig (Abbildungen 4 und 6). Der Anstieg des Anteils 60- bis unter 80-Jähriger an den Krankenhausfällen bis zum Jahr 2030 fällt im optimis- tischen Szenario mit plus vier Prozentpunkten im Vergleich zum Jahr 2005 schwä- cher aus als im Status-Quo-Szenario (plus knapp sieben Prozentpunkte), und der Rückgang des Anteils unter 40-Jähriger und 40- bis unter 60-Jähriger ist in dem Szenario „sinkende Behandlungsquoten“ jeweils um etwa einen Prozentpunkt ge- ringer als in dem Status-Quo-Szenario. 10) Siehe hierzu z. B. Breyer 1999. 14 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Abbildung 6: Krankenhausfälle nach Altersgruppen (Szenario sinkende Behandlungsquoten") " in % unter 40 40 bis unter 60 60 bis unter 80 80 und älter 12,5 19,2 20,4 35,5 34,4 39,5 22,1 21,9 18,1 29,9 24,6 22,0 2005 2020 2030 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2.3 Entwicklung der Krankenhausbehandlungen in den Bundesländern bis 2020 Bei der Darstellung der Entwicklung der Krankenhausfälle in den Ländern bis 2020 Krankenhausfälle wird nur das Status-Quo-Szenario betrachtet. Die Zahl der Krankenhausfälle nach steigen in fast allen einzelnen Bundesländern wird, neben den Auswirkungen durch die Unterschiede Bundesländern in der Altersstruktur, durch die unterschiedliche regionale Bevölkerungsentwicklung deutlich bestimmt. Der leichte Rückgang der Krankenhausfälle in Sachsen-Anhalt erklärt sich aus dem bis 2020 zu erwartenden deutlichen Bevölkerungsrückgang (- 14 %). Die größten Zuwächse sind in Baden-Württemberg und Bayern zu erwarten, deren Einwohnerzahl bis zum Jahr 2020 nach den Ergebnissen der 11. koordinierten Be- völkerungsvorausberechnung noch leicht ansteigen wird (+ 1 %). Abbildung 7: Veränderung der Krankenhausfälle 2020 gegenüber 2005 (Status-Quo-Szenario) in % Baden-Württemberg 13,8 Bayern 13,8 Berlin 11,6 Brandenburg 12,2 Bremen 7,3 Hamburg 11,3 Hessen 9,0 Mecklenburg-Vorpommern 4,7 Niedersachsen 8,4 Nordrhein-Westfalen 7,4 Rheinland-Pfalz 8,3 Saarland 4,3 Sachsen 2,9 Sachsen-Anhalt -1,2 Schleswig-Holstein 12,7 Thüringen 2,7 Deutschland 9,1 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 15
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Länderspezifische Vorausberechnungen der Krankenhaus- fälle Die Vorausberechnungen der Diagnosefälle nach Bundesländern erfolgen nach dem gleichen Prinzip wie die Berechnungen für Deutschland insgesamt mit dem Status-Quo-Modell. Grundlage sind nach Bundesländern differenzierte al- ters- und geschlechtsspezifische Diagnosefallquoten. Diese werden an die vo- rausberechnete Bevölkerung im Jahr 2020 in den jeweiligen Bundesländern nach Alter und Geschlecht angelegt. Die Zuordnung der Patienten auf die Bundesländer erfolgt nach dem Wohnort (Wohnortprinzip), da die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung die Entwicklung der Bevölkerung mit Wohnsitz in dem jeweiligen Bundesland zeigt. Für die Ermittlung länderspezifischer Diagnosefallquoten werden die Patienten (Krankenhausfälle) mit Wohnsitz in einem Bundesland auf die jeweilige Bevöl- kerung des Landes bezogen. Die vorausberechneten Ergebnisse nach Ländern zeigen, wie viele Kranken- hausfälle in Zukunft voraussichtlich auf die Bevölkerung eines bestimmten Lan- des entfallen, und nicht, wie viele Krankenhausfälle zukünftig in den Kranken- häusern eines Bundeslandes behandelt werden. Die Ergebnisse können daher nicht unmittelbar im Hinblick auf den zukünftig benötigten Bedarf an Kranken- hauskapazitäten in den Ländern interpretiert werden. Hierzu müssten die nach dem Wohnortprinzip für ein Land gezeigten Krankenhausfälle um Patienten aus anderen Ländern erhöht und um solche vermindert werden, die sich in einem anderen Bundesland behandeln lassen. Die zukünftige Entwicklung von Patien- tenbewegungen zwischen Ländern ist jedoch von vielen, kaum prognostizierba- ren Faktoren abhängig und über längere Zeit nicht vorhersehbar. Auf entspre- chende Analysen wurde daher verzichtet. 16 bis 35 % mehr Herz-/ Unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Ländern sind, wie Tabelle 4 Kreislauferkrankungen zeigt, auch bei den beiden Diagnosegruppen Herz-/Kreislauferkrankungen sowie je nach Bundesland Neubildungen (Krebs) zu erwarten. Im Vergleich der Jahre 2005 und 2020 reicht die Spannbreite der Veränderungsraten bei den Herz-/Kreislauferkrankungen von + 16,3 % in Bremen bis zu + 34,5 % in Brandenburg. Ähnlich könnte es bis 2020 auch bei den Neubildungen aussehen: Hier liegt das Spektrum der Veränderungs- raten zwischen + 5,5 % in Sachsen-Anhalt und + 21,5 % wiederum in Branden- burg. Für die Krankenhausplanung bedeutet dies, dass Änderungen im künftigen Bedarf an Einrichtungen und medizinischem Personal absehbar sind. Die Auswirkungen werden sich aber vermutlich nicht nur auf den Krankenhausbereich beschränken. Hier sei auch der Bereich der notärztlichen Versorgung genannt, der vor allem bei Herz-/Kreislauferkrankungen (Herzinfarkt) eine wichtige Rolle spielt. Vor allem in den Flächenstaaten ist die Versorgung von akuten Herzinfarktpatienten aufgrund der teilweise langen Anfahrtswege schwierig. Von Bedeutung ist dies, weil die aku- ten Herzkrankheiten fast 30 % aller Herz-/Kreislauferkrankungen ausmachen und für über 40 % der aus dieser Diagnoseart resultierenden Todesfälle verantwortlich sind. 16 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Krankenhausbehandlungen heute und in Zukunft Tabelle 4: Krankenhausfälle 2005 und 2020 nach Bundesländern und zwei zusammengefassten Diagnosearten (Status-Quo-Szenario) Insgesamt Herz-/Kreislauferkrankungen Neubildungen Veränderung Veränderung Veränderung 2020 2020 2020 Land 2005 2020 2005 2020 2005 2020 gegenüber gegenüber gegenüber 2005 2005 2005 1 000 1 000 % 1 000 1 000 % 1 000 1 000 % Baden- Württemberg .... 1 897 2 159 13,8 269 347 29,2 201 242 20,5 Bayern ............... 2 539 2 890 13,8 360 459 27,6 268 321 19,7 Berlin ................ 648 723 11,6 103 132 28,1 73 85 16,5 Brandenburg ...... 579 650 12,2 94 127 34,5 74 89 21,5 Bremen .............. 133 143 7,3 17 20 16,3 15 17 9,5 Hamburg ............ 319 355 11,3 44 53 20,3 32 37 13,7 Hessen .............. 1 229 1 339 9,0 184 227 23,5 129 150 15,7 Mecklenburg- Vorpommern .... 382 400 4,7 60 76 26,3 44 49 13,0 Niedersachsen .... 1 597 1 731 8,4 230 284 23,3 157 181 15,1 Nordrhein- Westfalen ........ 3 953 4 246 7,4 612 730 19,2 421 471 11,9 Rheinland-Pfalz .. 877 949 8,3 135 163 21,2 95 108 13,7 Saarland ............ 247 257 4,3 41 48 17,5 27 30 9,0 Sachsen ............ 893 919 2,9 135 163 20,5 110 118 7,9 Sachsen-Anhalt .. 589 581 – 1,2 93 108 16,4 71 75 5,5 Schleswig-Holstein 555 625 12,7 82 107 29,3 56 67 18,8 Thüringen .......... 535 549 2,7 89 107 20,6 64 70 10,3 Deutschland ....... 16 971 18 518 9,1 2 549 3 151 23,6 1 837 2 110 14,9 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 17
Pflegebedürftige heute und in Zukunft Teil 3 Pflegebedürftige heute und in Zukunft Die Vorausberechnungen der Statistischen Ämter zeigen für die nächsten Jahrzehnte eine zunehmende Alterung der Bevölkerung in der Bundesrepublik.11) Im folgenden Beitrag wird ausgeführt, wie sich die ältere Bevölkerungstruktur auf die zu erwartende Zahl der Pflegebedürftigen bei Bund und Ländern auswirken kann. Einleitend wird die bisherige Entwicklung bei den Pflegebedürftigen seit 1999 – dem Jahr der Einführung der Pflegestatistik – betrachtet und danach der grundsätzliche Zusammenhang von Alter und Pflegebedürftigkeit dargestellt. 3.1 Rückblick: Entwicklung der Pflegebedürftigen 1999 – 2005 Über 2 Millionen Im Dezember 2005 waren 2,13 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig Pflegebedürftige im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Die Mehrheit (82 %) der Pflegebedürf- tigen war 65 Jahre und älter; ein Drittel (33 %) 85 Jahre und älter. 68 % der Pfle- gebedürftigen waren Frauen. Mehr als zwei Drittel Mehr als zwei Drittel (68 % oder 1,45 Millionen) der Pflegebedürftigen wurden im der Pflegebedürftigen Dezember 2005 zu Hause versorgt. Davon erhielten 980 000 Pflegebedürftige zu Hause versorgt ausschließlich Pflegegeld, das bedeutet, sie wurden in der Regel zu Hause allein durch Angehörige gepflegt. Weitere 472 000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten. Bei ihnen erfolgte die Pflege jedoch zum Teil oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. 677 000 (32 %) Pflegebedürftige wurden in Pflegeheimen betreut. Abbildung 8: Pflegebedürftige 2005 nach Versorgungsart 2,13 Millionen Pflegebedürftige insgesamt zu Hause versorgt: in Heimen versorgt: 1,45 Millionen (68 %) durch ... 677 000 (32 %) ausschließlich ambulante Pflegedienste: Angehörige: 980 000 Pflegebedürftige 472 000 Pflegebedürftige durch in 11 000 ambulante 10 400 Pflegeheimen Pflegedienste mit mit 214 000 546 000 Beschäftigten Beschäftigten Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Seit Durchführung der Statistik war auf Bundesebene durchgängig eine Zunahme bei der Zahl der Pflegebedürftigen zu beobachten: Sie betrug im Jahr 1999 2,02 Millionen und stieg auf 2,13 Millionen im Jahr 2005 an. Der Anstieg von 1999 bis ins Jahr 2005 betrug somit rund 6 % bzw.112 000 Pflegebedürftige. Der Anteil der Pflegebedürftigen an der Bevölkerung insgesamt hat dabei leicht von 2,5 auf 2,6 % zugenommen. Ein wichtiger Faktor für den Anstieg war die zunehmende Alterung der Bevölkerung. 1999 waren 3,6 % der Bevölkerung 80 Jahre und älter. Im Jahr 2005 waren es dann 4,5 %. 11) Vgl. die in Fußnote 1 und 2 angegebenen Quellen. 18 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Pflegebedürftige heute und in Zukunft Begriffserläuterungen zur Pflegestatistik Erfassung als Pflegebedürftige Erfasst werden Personen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB XI) erhalten. Generelle Voraussetzung für die Erfassung als Pflegebedürftige ist die Entscheidung der Pflegekasse bzw. des privaten Versicherungsunternehmens über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung der Pflegebe- dürftigen zu den Pflegestufen I bis III (einschließlich Härtefällen). Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind Personen, die wegen einer körperli- chen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnli- chen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erhebli- chem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen (§ 14 SGB XI, Abs. 1). … in Heimen versorgt Hier werden die Pflegebedürftigen zugeordnet, die vollstationäre (Dauer- und Kurzzeitpflege) oder teilstationäre Pflege (Tages-/Nachtpflege) durch die nach SGB XI zugelassenen Pflegeheime erhalten. … durch ambulante Pflegedienste versorgt Hier werden die Pflegebedürftigen erfasst, die von einem nach SGB XI zuge- lassenen ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen (einschließlich Kombi- nationsleistungen oder häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson) erhalten. … durch Angehörige versorgt Hier werden die Pflegebedürftigen zugeordnet, die Pflegegeld für selbstbe- schaffte Pflegehilfen nach § 37 SGB XI erhalten. Pflegestufen Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sind pflegebedürftige Personen einer der folgenden drei Pflegestufen zuzuordnen (§ 15 SGB XI, Abs. 1): Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige), Pflegestufe II (Schwerpfle- gebedürftige), Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige). Im Zeitvergleich zeigt sich ein Trend hin zur professionellen Pflege in Pflege- Weiterhin Trend zur heimen und durch ambulante Pflegedienste: So ist gegenüber 2003 die Zahl der in professionellen Heimen betreuten Pflegebedürftigen um rund 6 % (+ 36 000) und die Zahl der Pflege durch ambulante Dienste Versorgten um 5 % (+ 21 000) gestiegen, während die Pflege durch Angehörige bzw. die Zahl der reinen Pflegegeldempfänger um 1 % (- 6 000) abnahm. Im Vergleich zu 1999 beträgt der Anstieg in den Heimen 18 % (+ 103 000 Pflegebedürftige), bei den ambulanten Pflegediensten 14 % (+ 56 000) und der Rückgang bei den Pflegegeldempfängern 5 % (- 47 000). Durch diese Entwicklung sank auch der Anteil der zu Hause Versorgten von 72 % im Jahr 1999 über 69 % (2003) auf 68 % im Jahr 2005. Diese Entwicklung ist nur zu einem geringen Teil dadurch erklärbar, dass ältere Anteil der zu Pflegebedürftige eher im Heim versorgt werden und die Altersstruktur der Hause Versorgten Pflegebedürftigen sich im Zeitablauf etwas verändert hat. Die Veränderung kann rückläufig auch als Hinweis gedeutet werden, dass die Möglichkeiten zur familiären Pflege bereits rückläufig sind. Für die Zukunft wird häufig erwartet, dass die Möglichkeiten zur familiären Pflege, z. B. durch die zunehmende gesellschaftliche Mobilität, eingeschränkt werden: So leben die Kinder dann verstärkt nicht mehr in der Nähe ihrer pflegebedürftigen Eltern. Momentan leisten insbesondere die Töchter und Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 19
Pflegebedürftige heute und in Zukunft Schwiegertöchter der Pflegebedürftigen einen wichtigen Teil der familiären Pflege.12) Zunehmender Anteil Bei der Verteilung der Pflegestufen zeigen sich ebenfalls Veränderungen im der Pflegestufe I Zeitablauf: Hier hat die Pflegestufe I seit 1999 an Bedeutung gewonnen: Während bei der ersten Durchführung der Statistik rund 46 % der Pflegebedürftigen der Pflegestufe I zugeordnet waren, betrug der Anteil bei der Erhebung 2005 bereits gut 50 %. Eine Modellrechnung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen weist darauf hin, dass ein Faktor für diesen Anstieg die längere Verweildauer der Pflegebedürftigen in der Pflegestufe I im Vergleich mit den anderen Stufen sein kann.13) Die Entwicklungen in den einzelnen Ländern weisen zum Teil deutliche Unterschiede auf: Stärkster Anstieg (19 %) Der stärkste Anstieg bei der Anzahl der Pflegebedürftigen ist von 1999 bis 2005 in bei Pflegebedürftigen in den Stadtstaaten Berlin und Bremen mit rund 19 % feststellbar. Hohe Bremen und Berlin Wachstumsraten verzeichnen auch Brandenburg (16 %) und Sachsen-Anhalt (14 %). Das Wachstum in Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist dabei wiederum zu einem guten Teil durch die Alterung der Bevölkerung erklärbar. Der starke Anstieg in den beiden Stadtstaaten geht hingegen einher mit einem zum Teil deutlich steigenden Anteil der Pflegebedürftigen in den einzelnen Altersgruppen – er ist also dort nur zu einem relativ geringen Teil auf die veränderte Altersstruktur der Bevölkerung zurückzuführen. Zuordnung der Pflegebedürftigen nach Ländern Die regionale Zuordnung erfolgt bei den Pflegebedürftigen, die von einer statio- nären bzw. ambulanten Einrichtung versorgt werden, entsprechend der Adresse der Einrichtung. Es kann hierdurch zu folgendem Effekt kommen: Ein ambu- lanter Pflegedienst kann auch Pflegebedürftige versorgen, die in einem be- nachbarten Bundesland wohnen. Diese Pflegebedürftigen werden dann abwei- chend zu dem Wohnsitz dem Bundesland zugeordnet, in dem der ambulante Pflegedienst seine Adresse hat. Bezogen auf die Gesamtzahl der Pflegebedürftigen dürften diese Fälle jedoch eher von geringer Bedeutung sein. Bei stationär versorgten Pflegebedürftigen entspricht der Versorgungsort in der Regel dem Wohnort. Im Vorfeld der stationären Pflege kann es jedoch zu einem Umzug von einem in ein anderes Bundesland kommen. Leichte Rückgänge bzw. nur geringes Wachstum waren von 1999 bis 2005 in Nordrhein-Westfalen14) (- 2 %), Hamburg (- 1 %), Sachsen und Schleswig-Holstein (jeweils + 2 %) feststellbar. 12) Vgl. z. B. Blinkert und Klie 2004, Rothgang 2004 oder Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2007. Auf einen möglichen langfristigen positiven Effekt für die familiäre Pflege weisen Doblhammer und andere 2006 hin: Nach ihren Ergebnissen wird der Anteil alleinstehender Pflegebedürftiger bis ins Jahr 2030 zurückgehen. 13) Vgl. Medizinischer Dienst der Krankenkassen 2007. 14) Der Wert für Nordrhein-Westfalen ist allerdings nur eingeschränkt im Zeitablauf vergleichbar, siehe methodischer Hinweis in Abbildung 9. 20 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008
Pflegebedürftige heute und in Zukunft Abbildung 9: Veränderung der Anzahl der Pflegebedürftigen 2005 gegenüber 1999 in % Baden-Württemberg 6,9 Bayern 2,9 Berlin 18,9 Brandenburg 15,9 Bremen 18,5 Hamburg -1,4 Hessen 12,3 Mecklenburg-Vorpommern 12,4 Niedersachsen 8,9 Nordrhein-Westfalen* -1,6 Rheinland-Pfalz 6,0 Saarland 4,5 Sachsen 1,5 Sachsen-Anhalt 13,5 Schleswig-Holstein 2,0 Thüringen 11,2 Deutschland 5,6 0 5 10 15 20 * Die zeitliche Vergleichbarkeit der Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen ist durch eine Bereinigung im Bestand der Pflegekasse in Höhe von rund 13 000 Pflegegeldempfängern im Jahr 2003 eingeschränkt. Die entsprechend bereinigte Veränderungsrate von 1999 bis 2005 dürfte bei ungefähr + 1 % liegen. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Auch bei den Versorgungsstrukturen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Höchste Bedeutung den Bundesländern: Die stärkste Bedeutung hat die Pflege in Heimen in der Heime in Schleswig-Holstein: 40 % aller Pflegebedürftigen wurden dort stationär versorgt. In Schleswig-Holstein … Hessen hingegen wurden nur rund 26 % und in Brandenburg 27 % der Pflegebedürftigen in Heimen betreut. In Deutschland insgesamt waren es 32 %. Der relativ geringe Anteil der Pflege in Heimen in Hessen lässt sich insbesondere … geringste durch die hohe Bedeutung der Angehörigenpflege erklären: In Hessen wurden Bedeutung 55 % der Pflegebedürftigen allein durch Angehörige versorgt. Der Vergleichswert in Brandenburg für Deutschland beträgt 46 %. In Brandenburg ist die starke Bedeutung der ambu- und Hessen lanten Pflegedienste auffallend: Von ihnen wurden 28 % der Pflegebedürftigen versorgt – der Bundesdurchschnitt beträgt 22 %. 3.2 Altersspezifische Pflegequoten im Dezember 2005 Mit zunehmendem Alter sind Menschen in der Regel eher pflegebedürftig. Wäh- Während bei den rend bei den 70- bis unter 75-Jährigen „nur“ jeder Zwanzigste (5 %) pflegebedürftig 70- bis unter 75- war, wurde für die ab 90-Jährigen die höchste Pflegequote ermittelt: Der Anteil der Jährigen „nur“ jeder Pflegebedürftigen an allen Menschen dieser Altersgruppe betrug dabei 60 %. Auf- Zwanzigste (5 %) fallend ist, dass Frauen etwa ab dem 80. Lebensjahr eine deutlich höhere Pflege- pflegebedürftig war … quote aufwiesen – also eher pflegebedürftig sind – als Männer dieser Altersgrup- pen. So beträgt z. B. bei den 85- bis unter 90-jährigen Frauen die Pflegequote 40 %, bei den Männern gleichen Alters hingegen lediglich 27 %. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, 2008 21
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