Gesundheitsziele für die Schweiz - Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert (WHO Europa)

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Schweizerische Gesellschaft für
Prävention und Gesundheitswesen
Société suisse de santé publique
Società svizzera di salute pubblica
Swiss Society for Public Health

Gesundheitsziele
für die Schweiz

Gesundheit für alle
im 21. Jahrhundert
(WHO Europa)

Mit Unterstützung von:

Bundesamt für Gesundheit
Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz
Gesundheitsförderung Schweiz
Gesundheitsziele
für die Schweiz

Gesundheit für alle
im 21. Jahrhundert
(WHO Europa)

Herausgegeben von
der Schweizerischen Gesellschaft für
Prävention und Gesundheitswesen

Redaktionskomitee
Ursula Ackermann-Liebrich, Fred Paccaud,
Felix Gutzwiller, Therese Stutz Steiger

Mit Unterstützung von:

Bundesamt für Gesundheit
Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz
Gesundheitsförderung Schweiz
Impressum:

Herausgeber: Schweizerische Gesellschaft für
Prävention und Gesundheitswesen (SGPG)
Postfach 8172
Tel. +41 (0)31 389 9286
Fax +41 (0)31 389 9288
www.sgpg.ch

Grafische Gestaltung: Luca Bertolotti, Locarno
Druck: Tipografia Poncioni, Losone
© 2002, Schweizerische Gesellschaft für
Prävention und Gesundheitswesen (SGPG)

Versionen: deutsch, französisch

ISBN: 3-9522564-0-4
Editorial
Editorial

Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert – WHO Europa
Unser Gesundheitssystem liegt selber mit einem Schwächeanfall darnieder. Es
hat Mühe, uns zu überzeugen, dass zwischen den Kosten, die es verursacht,
und den Leistungen, die es erbringt, für die Gesundheit der Bevölkerung noch
ein richtiges Verhältnis besteht.
Die überall spürbaren Folgen der Globalisierung verlangen danach, Werte und
Normen bis hinein in das alltägliche Leben zu überdenken, um unsere Identität
und das Vertrauen in die Zukunft wieder zu finden. Eine Zukunft, die noch ent-
worfen werden muss und Mühe hat, ein Gleichgewicht zu finden zwischen
dem Diktat der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit und einer Entwicklung,
welche die menschlichen Dimensionen nicht preisgibt.
Auf diesem noch wenig begangenen Weg finden wir heute eine zerbrechliche
öffentliche Gesundheit, die nur zu leicht im Zuge der ökonomischen Entwick-
lung und des sozialen Wandels vernachlässigt wird. Die individuellen Probleme
des Alltags werden dann zu Gesundheitsproblemen und belasten die Bilanz
des Gesundheitswesens. Die mangelnden Investitionen in die Gesundheit auf
allen Ebenen der produktiven Welt riskieren, eine kränkere Gesellschaft zu
schaffen, deren soziale Kosten eines Tages kaum mehr tragbar werden.
Gesundheitsförderung bedeutet jedoch, auf alle sozioökonomischen Determi-
nanten zu agieren.
Der Graben zwischen Theorie und Praxis ist noch sehr tief, und es bleibt bei
guten Absichten, weil die Instrumente für die praktische Umsetzung noch
kaum entwickelt sind. Um diese Lücke zu füllen, hat die Weltgesundheitsor-
ganisation (Region Europa) eine “Agenda 21” erarbeitet, die für das 21. Jahr-
hundert einen Referenzrahmen und konkrete Handlungsschwerpunkte defi-
niert, um die Gesundheit ins Zentrum der Entwicklung unserer Gesellschaft zu
stellen. Eine Entwicklung, die als oberstes Ziel das Wohlbefinden der Men-
schen und die Reduktion von Ungleichheiten hat .
Die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen (SGPG)
hat die Initiative ergriffen, die europäischen Vorgaben auf die Schweiz umzu-
münzen und Vorschläge zur Realisierung der notwendigen Fortschritte zu for-
mulieren. Mit Unterstützung des Bundesamtes für Gesundheit und des Projek-
tes Nationale Gesundheitspolitik Schweiz hat sie das Wissen der Mitglieder
genützt, um für die Schweiz relevante Ziele mit Blick auf mehr Lebensqualität
für alle zu definieren.
Diese Gesundheitsziele bilden für die Schweiz eine Orientierung, die für die
Verantwortlichen bei Bund und Kantonen, aber auch für die Fachkreise und
spezialisierten Institutionen im Bereich der Gesundheit von Belang sind. Auf-
grund des Föderalismus und der Dezentralisierung des Gesundheitssystems
können diese Ziele und die Massnahmen nicht gesamthaft und zwangsweise
durch die Gesundheitsverantwortlichen verordnet werden. Deren Rolle ist es
vielmehr, zur Reflexion anzuregen, festgelegte Prioritäten zu unterstützen und
gemeinsame Orientierungspunkte für alle Akteure im Gesundheitssystem zu
geben. Auf dieser Grundlage können sich auch Einzelziele und Strategien von
Institutionen in eine gemeinsame Vision einfügen; man wird die Ergebnisse am
Fortschreiten des Gesundheitszustandes der schweizerischen Wohnbevölke-
rung messen können.
Es handelt sich gleichzeitig um eine Herausforderung an die wirtschaftliche
und politische Welt und damit an die Gesellschaft allgemein. Die zukünftige
Gesundheit der schweizerischen Bevölkerung und somit die Zukunft der
Schweiz wird schliesslich von der Fähigkeit abhängen, dieses Problem zu
erkennen und verantwortungsbewusst zu lösen.
Präsident der Schweizerischen                          Direktor des Bundesamtes
Gesellschaft für Prävention und                            für Gesundheit (BAG)
Gesundheitswesen (SGPG)                                         Thomas Zeltner
Ignazio Cassis

                                                Präsidentin der Steuerungsgruppe
Präsidentin der Schweizerischen        des Projektes Nationale Gesundheitspolitik
Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK)                               Schweiz (PNG-CH)
Alice Scherrer                                                  Patrizia Pesenti
Inhaltsverzeichnis
                                      Inhaltsverzeichnis

SGPG                                  Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7
Schweizerische Gesellschaft für
Prävention und Gesundheitswesen       Ziel 1        Solidarität für die Gesundheit in der europäischen Region . . . . . .                               9
Effingerstrasse 40
Postfach 8172                         Ziel 2        Gesundheitliche Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
CH-3001 Bern
                                      Ziel 3        Ein gesunder Lebensanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Tel. +41 (0)31 389 9286
Fax +41 (0)31 389 9288                Ziel 4        Gesundheit junger Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
e-mail: sgpg@sgpg.ch
www.sgpg.ch                           Ziel 5        Altern in Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

SSSP                                  Ziel 6        Verbesserung der psychischen Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Société suisse de santé publique
Effingerstrasse 40                    Ziel 7        Verringerung übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Case postale 8172
CH-3001 Berne                         Ziel 8        Verringerung nicht übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 26

Tél. +41 (0)31 389 9286               Ziel 9        Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle
Fax +41 (0)31 389 9288                              zurückzuführenden Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
e-mail: sgpg@sgpg.ch
www.sssp.ch                           Ziel 10       Eine gesunde und sichere natürliche Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . 32

SSSP                                  Ziel 11       Gesünder Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Società svizzera di salute pubblica
Effingerstrasse 40                    Ziel 12       Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak
casella postale 8172                                verursachten Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
CH-3001 Berna
                                      Ziel 13       Settings zur Förderung der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Tel. +41 (0)31 389 9286
Fax +41 (0)31 389 9288                Ziel 14       Multisektorale Verantwortung für die Gesundheit . . . . . . . . . . . . . 43
e-mail: sgpg@sgpg.ch
www.sssp.ch                           Ziel 15       Ein integrierter Gesundheitssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

                                      Ziel 16       Qualitätsbewusstes Management der Versorgung . . . . . . . . . . . . . 48

                                      Ziel 17       Finanzierung des Gesundheitswesens und Ressourcenzuweisung . 51

                                      Ziel 18       Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben . . . 54

                                      Ziel 19       Forschung und Wissen zur Förderung der Gesundheit . . . . . . . . . 57

                                      Ziel 20       Mobilisierung von Partnern für gesundheitliche Belange . . . . . . . . 59

                                      Ziel 21       Konzepte und Strategien zur “Gesundheit für alle” . . . . . . . . . . . 62

                                      Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

                                      Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Vorwort
Vorwort

Das vorliegende Dokument ist ein unabhängiger Versuch, Grundlagen
für eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik der Schweiz zu erarbeiten
und aufzuzeigen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht. Die auf
den folgenden Seiten definierten Ziele und Strategien sind das Resultat
eines Prozesses: Fachleute aus der ganzen Schweiz haben sich an der
Grundlagenarbeit beteiligt, die Verantwortlichen der Schweizerischen
Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen haben dem Doku-
ment die vorliegende Form verliehen. Die Autorinnen und Autoren, die
zu den einzelnen Zielen beigetragen haben, sind im Anhang aufgeli-
stet. Ebenfalls im Anhang findet sich eine Liste der verwendeten Hinter-
grundliteratur.

Die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen
hofft, mit diesem Dokument vielen im Gesundheitswesen tätigen Per-
sonen Handlungsanregungen und gedankliche Ansporne zu vermitteln.
Unser Wunsch ist es, dass dieses Dokument in viele Hände kommt und
die darin aufgeführten Massnahmen zumindest teilweise innert den
gesetzten Fristen ergriffen werden können. Letztlich geht es uns aber
vor allem darum, die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer
(noch) zu verbessern. Die Schweiz hat bisher in Europa in vielen
gesundheitlichen Indikatoren eine Spitzenstellung eingenommen. Eine
Gesundheitspolitik, die sich auf die Ziele „Gesundheit für alle“ stützt,
soll erreichen, dass dort, wo nach wie vor Lücken bestehen, diese
gefüllt werden, dass die bestehenden Unterschiede nicht vergrössert,
sondern verkleinert werden und dass die Schweiz sich auch in Europa
und in der Welt solidarisch fühlt mit denjenigen, die schlechtere Bedin-
gungen haben.

Wir wünschen diesem Dokument mit seinen 21 Zielen zur Erlangung
einer „Gesundheit für alle“ eine grosse Verbreitung. Vor allem aber
wünschen wir, dass es die Wirkung entfaltet, die sich die Autorinnen
und Autoren vorstellen. Wir danken nicht zuletzt dem Bundesamt für
Gesundheit für die finanzielle Unterstützung sowie dem Projekt Natio-
nale Gesundheitspolitik Schweiz und Gesundheitsförderung Schweiz
für ihre wertvollen Anregungen und Mithilfe.

                              Das Redaktionskomitee

                              Prof. Dr. med. Ursula Ackermann-Liebrich
                              Prof. Dr. med. Fred Paccaud
                              Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller
                              Dr. med. Therese Stutz Steiger

                                                                         7
Ziel 1
                                            Ziel 1

                                            SOLIDARITÄT FÜR DIE GESUNDHEIT IN DER EUROPÄISCHEN
                                            REGION
                                            Bis zum Jahr 2020 sollte das derzeitige Gefälle im Gesundheitszustand
                                            der Bevölkerung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
                                            Region um mindestens ein Drittel verringert werden.

                                            1.1 In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele
                                                erreicht werden:

                                            1.2 Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen dem Drittel der
                                                europäischen Länder mit der höchsten und dem Drittel der Länder
                                                mit der niedrigsten Lebenserwartung sollten um mindestens 30%
                                                verringert werden.
                                                Durch raschere Verbesserung der Situation in den benachteiligten
                                                Ländern sollte die Variationsbreite bei den Werten für wichtige
                                                Indikatoren von Morbidität, Behinderungen und Mortalität unter
                                                Ländergruppen reduziert werden.
Ausgangslage

In vielen Indikatoren der „Gesundheit         Health-Verantwortlichen drängt         • Die Schweiz beteiligt sich an den
für alle“, nimmt die Schweiz eine             sich eine europäische (und weltwei-      internationalen Bestrebungen zur
Spitzenstellung ein. Hat sie deswegen         te) Zusammenarbeit im Kampf              Verminderung des Tabakkonsums.
mehr Verantwortung für die gesund-            gegen den Tabakkonsum auf.               Sie verzehnfacht die dafür einge-
heitlichen Bedingungen anderer Län-                                                    setzten Mittel in den nächsten 5
der? Wenn die Schweiz das Ziel 1            • Die Schweiz hat ein Programm zur         Jahren.
„Solidarität für die Gesundheit in der        Bekämpfung des Drogenmiss-
europäischen Region“ ernst nehmen             brauchs mit internationaler Bedeu-     • Die Schweiz unterstützt aktiv die
will, so ist diese Frage mit Ja zu beant-     tung entwickelt, auch hier kann sie      andern und vor allem ärmeren Län-
worten. Unterstützung auch in                 andere Länder unterstützen.              der Europas im Kampf gegen harte
gesundheitlichen Belangen wäre vor-                                                    Drogen.
dringlich. Die Schweiz hat mit ver-
schiedenen Ländern der europäischen         Ziele
Region, vor allem mit kleineren, ehe-                                                Massnahmen
maligen Ostblockländern, gute Kon-          • Die Schweiz setzt sich für die Ver-
takte eingeleitet. Sie hat beispiels-         besserung der Gesundheit in dem        Schweizer Wissenschafter erhalten
weise die Umweltsanierung in Alba-            Drittel der europäischen Länder ein,   weiterhin gezielt Unterstützung für
nien sehr stark unterstützt und ähnli-        welche die niedrigste Lebenserwar-     die Zusammenarbeit mit den ärmsten
che Projekte in Litauen, Bosnien und          tung haben. Sie unterstützt insbe-     Ländern Europas, insbesondere für
Weissrussland finanziert. Im Bereich          sondere aktiv die Weiterbildung der    die Schaffung von Strukturen zur Ver-
Umwelt und Gesundheit gibt es wei-            Public Health-Verantwortlichen in      besserung der Gesundheit benachtei-
tere solche Beispiele. Ob die Mittel,         diesen Ländern sowie Projekte, wel-    ligter Bevölkerungsgruppen.
die dafür zur Verfügung gestellt wer-         che die Verbesserung der Gesund-       Die Schweiz unterstützt aktiv
den, genügen? Diese Frage ist ange-           heit der Benachteiligten zum Ziel      Gesundheitsförderung und Präven-
sichts der ausserordentlich grossen           haben. Die Schweiz unterstützt mit     tionsprogramme in Zusammenarbeit
Differenzen in den Gesundheitsindi-           technischen und finanziellen Mit-      mit ärmeren Ländern Europas, insbe-
katoren zwischen der Schweiz und              teln die öffentliche Gesundheit in     sondere hilft sie anderen Ländern in
beispielsweise den ehemaligen Ost-            den ärmsten Ländern Europas.           der HIV-Prävention und der Drogen-
blockländern zu verneinen.                                                           bekämpfung. Sie unterstützt und ent-
                                            • Die Schweiz setzt sich im Rahmen       wickelt gemeinsam mit ärmeren Län-
• Die Schweiz hat im Bereich HIV-Prä-         der regionalen Gesundheitspolitik      dern Programme zur Verminderung
  vention international ein Beispiel          für die Verbesserung der Situation     des Tabakkonsums.
  gesetzt. Sie kann auf diesem Gebiet         ärmerer Länder in Europa ein.          Die bestehenden Programme zu die-
  die ärmeren Länder Europas kom-                                                    ser Art der Zusammenarbeit mit
  petent beraten.                           • HIV-Prävention: Die Schweiz leistet    ärmeren Ländern in Europa werden
                                              aktive Hilfe beim Aufbau von HIV-      um weitere 15 Jahre verlängert und
• Die Schweiz exportiert Zigaretten in        Präventionsprogrammen in ärme-         die Ergebnisse evaluiert.
  grosser Menge. Für die Public               ren Ländern Europas.

                                                                                                                        9
Ziel 2
                                           Ziel 2

                                           GESUNDHEITLICHE CHANCENGLEICHHEIT

                                           Bis zum Jahr 2020 sollte das Gesundheitsgefälle zwischen sozioöko-
                                           nomischen Gruppen innerhalb der Länder durch eine wesentliche Ver-
                                           besserung der Gesundheit von benachteiligten Gruppen in allen Mit-
                                           gliedstaaten um mindestens ein Viertel verringert werden.
                                           In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele
                                           erreicht werden:
                                           2.1 Das Gefälle in der Lebenserwartung zwischen sozioökonomischen
                                               Gruppen sollte um mindestens 25% reduziert werden.
                                           2.2 Die Werte für die wichtigsten Indikatoren von Morbidität, Behin-
                                               derungen und Mortalität sollten sich auf dem sozioökonomischen
                                               Gefälle gleichmässiger verteilen.
                                           2.3 Sozioökonomische Bedingungen, die die Gesundheit beeinträchti-
                                               gen, vor allem Unterschiede im Einkommen, im Bildungsstand und
                                               im Zugang zum Arbeitsmarkt sollten wesentlich verbessert wer-
                                               den.
                                           2.4 Der Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung sollte erheblich
Problemlage                                    verringert werden.
                                           2.5 Personen mit besonderen Bedürfnissen aufgrund ihrer gesund-
Artikel 2 der schweizerischen Bundes-          heitlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Situation sollten vor
verfassung definiert unter Absatz 3,           gesellschaftlicher Ausgrenzung geschützt werden und ungehin-
dass die Schweizerische Eidgenossen-           derten Zugang zu bedarfsgerechter Versorgung erhalten.
schaft „für eine möglichst grosse
Chancengleichheit unter den Bürge-
rinnen und Bürgern sorgt“. In Artikel
8 wird dabei insbesondere auf Her-         Armut                                    ner und Frauen differiert um rund sie-
kunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Spra-                                              ben Jahre, zugunsten der Frauen.
che, soziale Stellung, Lebensform,         Definitionen und Indikatoren zur         Trotz höherer Lebenserwartung füh-
religiöse, weltanschauliche oder poli-     Erhebung des Ausmasses von Armut         len sich die Frauen gesundheitlich
tische Überzeugung oder körperliche,       differieren stark. Es kann aber davon    schlechter: Sie geben häufiger Krank-
geistige oder psychische Behinderung       ausgegangen werden, dass in der          heiten und Beschwerden an als Män-
hingewiesen. Trotzdem gibt es Chan-        Schweiz rund 5 bis 10 % der Bevöl-       ner. Männer weisen höheres Risiko-
cenungleichheiten in der Gesundheit        kerung armutsbetroffen ist. Armut        verhalten und verstärkte Tendenzen
der Schweizer Bevölkerung: Sie fin-        entsteht durch ein Bündel von Fakto-     zu Selbstschädigung auf.
den sich in allen in den Zielen            ren und stellt einen dynamischen Pro-
genannten Indikatoren, sind aller-         zess dar, zentral ist dabei u.a. Lang-
dings nicht überall in Zahlen belegbar.    zeitarbeitslosigkeit, aber auch Krank-   Altersgruppen
                                           heit (Sucht), Behinderung und ein-
Die Lebenserwartung wird nicht nach        schneidende Lebensereignisse (z.B.       Sieben bis zwölf Prozent der Minder-
sozioökonomischen Gruppen ausge-           Scheidung oder Tod). Armutsbetroffe-     jährigen wachsen in Armut auf. Die
wiesen. Allerdings ist die Sterblichkeit   ne verfügen generell über einge-         Eidgenössische Koordinationskom-
zwischen den sozioökonomischen             schränkte gesundheitliche Chancen        mission für Familienfragen folgert
Gruppen in der Schweiz vergleichbar        (auf Grund von Stress und ungünsti-      aufgrund einer Literaturübersicht,
mit anderen Ländern. Die Schweiz           gem Gesundheitsverhalten).               dass Armut bei Kindern und Jugend-
weist auch hohe Einkommensunter-                                                    lichen „zu geringerem Selbstwertge-
schiede auf. Der Anteil der in Armut                                                fühl, Depressionen und Ängsten“
lebenden Bevölkerung hat sich in den       Geschlecht                               führt. Verschiedene gesellschaftliche
vergangenen 30 Jahren vergrössert.                                                  Entwicklungen sprechen dafür, dass
In der Schweiz sind es 710'000 Perso-      Geschlecht stellt – neben sozialer       es sich bei den Jungen und jungen
nen, rund 60 % davon sind Familien         Schicht – die wichtigste Determinante    Erwachsenen auch aus anderen
mit Kindern. Einelternfamilien sowie       für gesundheitliche Ungleichheit dar.    Gründen um eine besonders belaste-
jüngere und grössere Familien leben        Frauen weisen einen geringeren Bil-      te Altersgruppe handelt.
häufiger in Armut als andere Fami-         dungsstatus und geringeres Einkom-
lientypen.                                 men auf als Männer. Frauen waren im      Die Gesundheit aller Altersgruppen
                                           vergangenen Jahrzehnt stärker von        hat sich in den letzten Jahren verbes-
                                           Armut betroffen als Männer.              sert, dies zeigt sich u.a. in der Sterbe-
                                           Die Lebenserwartung zwischen Män-        statistik. Bei den 15- bis 20-Jährigen

10
hat die Sterblichkeit nur sehr wenig      tragen und in deren Wohnquartieren         zum Arbeitsmarkt sind die zentralen
abgenommen. Ihre Situation hat sich       verstärkt werden. Gesundheitsförde-        Teilziele zur Erreichung der gesund-
also – im Vergleich zu den anderen        rung bei Arbeitslosen ist zu verbes-       heitlichen Chancengleichheit. Auch
Altersgruppen – verschlechtert.           sern, und die „Gesundheitsförderung        die ökologischen Bedingungen stellen
                                          Schweiz“ sollte in ihren Zielen die        einen gesundheitlichen Faktor erster
Landesteile und Sprachregionen            gesundheitlichen Chancenungleich-          Priorität dar. Es geht darum, die
in der Schweiz                            heiten mitberücksichtigen.                 Umweltbedingungen für alle zu ver-
                                                                                     bessern und die Exposition bestimm-
Zwischen den verschiedenen Landes-        Ziele                                      ter Gruppen zu vermeiden. Zum Bei-
teilen zeigen sich deutliche gesund-                                                 spiel sollen benachteiligte Gruppen
heitliche Unterschiede. Sie sind teil-    • Bis zum Jahr 2020 stehen Daten zur       nicht vermehrt ökologischen Belas-
weise auch durch die unterschiedliche       Verfügung, welche zeigen, dass die       tungen wie Lärm oder Luftverschmut-
ökonomische Situation mitbedingt,           Mortalitätsunterschiede zwischen         zung ausgesetzt werden als andere
sicher auch durch kulturelle Faktoren.      den sozioökonomischen Gruppen            Personen. Bei der gesellschaftlichen
                                            verkleinert sind.                        und ökonomischen Entwicklung wer-
Migration und Integration                 • Bis zum Jahr 2020 werden die             den die natürlichen Ressourcen und
                                            Unterschiede der Mobilitätsbehin-        die Umwelt schonend genutzt. Kom-
Ausländer und Ausländerinnen sind           derung und Mortalitätsindikatoren        mende Generationen sollen eine
besonders stark von Arbeitslosigkeit        zwischen den sozialen Gruppen in         intakte Umwelt und intakte gesund-
betroffen. Gesellschaftliche Integra-       der Schweiz um 25% reduziert.            heitliche Chancen antreffen.
tion wurde in den letzten Jahren pre-     • Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil
kärer und umstrittener als zuvor. Die       der unter der Armutsgrenze leben-        Das Gesundheitssystem ist Teil gesell-
Integrationsfähigkeit des Staates und       den Bevölkerung von 10 auf 5%            schaftlicher Bedingungen und daher
der Gesellschaft ist zudem durch            reduziert.                               für Gesundheit und Wohlbefinden
neue Migrationsströme gefordert.          • Bis zum Jahr 2020 stehen für die         besonders relevant (Ziel 17). Es soll so
Migranten und Migrantinnen haben            Migrantinnen und Migranten               ausgestaltet sein, dass es allen in
aus unterschiedlichsten Gründen ein-        besondere gesundheitliche Versor-        gleicher Weise zugänglich ist,
geschränkte gesundheitliche Chan-           gungsnetze zur Verfügung. In allen       gesundheitliche Ungleichheit nicht
cen (Berufsexposition, Bildung, Spra-       Kantonen werden Projekte zu              zusätzlich verstärkt, sondern grund-
che, biographische Ereignisse, Inte-        deren Integration durchgeführt.          sätzlich der Ungleichheit entgegen-
gration, Einkommen, Inanspruchnah-                                                   wirkt.
meverhalten). In der Regel gut inte-      Massnahmen
griert ist die bildungsstarke Gruppe                                                 Die Forderung nach Chancengleich-
der Immigrantinnen und Immigran-          Die Chancengleichheit zwischen den         heit richtet sich stark an das politische
ten.                                      verschiedenen sozialen Gruppen ist         System, das in verschiedener Hinsicht
                                          ein ambitioniertes Ziel. Es müssen         Rahmenbedingungen für die Chan-
Gesundheitliche Chancenungleich-          Rahmenbedingungen         geschaffen       cengleichheit sicherstellen muss.
heit ist mit zentralen Verteilungs- und   werden, damit die unterschiedlichen
Machtaspekten in einer Gesellschaft       Kulturen sozialer Gruppen (Schichten,      Gesundheitliche Chancengleichheit
verknüpft. Dies sind nur schwer ver-      Klassen, soziale Stellungen, Milieus)      entsteht aus einer Vielzahl kleiner und
änderbare Grössen. Eine Politik, die      auf der Grundlage von Toleranz und         grosser Entscheidungen durch mikro-
hier Veränderungen bewirken will,         sozialer Solidarität freiheitlich und      meso- und makrosoziale Bedingun-
bedarf breiter Abstützung in der gan-     friedlich zusammen leben können            gen und Strukturen. Ein so globales
zen Gesellschaft. Die Ziele in diesem     und sich um die Bekämpfung sozialer        Ziel braucht zu seiner Realisierung die
Bereich sind:                             Ausgrenzung und Abwertung bemü-            Unterstützung und den demokrati-
                                          hen. Entsprechende Programme des           schen Prozess von der Basis aus, von
Die Gesundheits- und Interventions-       Bundes werden erfolgreich umge-            der Öffentlichkeit, von allen Ebenen
forschung sollte verstärkt werden, im     setzt.                                     des politischen Systems und von allen
Besonderen muss die Forschung über                                                   Teilen der Gesellschaft. Die Herstel-
Indikatoren der gesundheitlichen          Auf der sozioökonomischen Ebene            lung gesundheitlicher Chancengleich-
Chancenungleichheit           zwischen    braucht es Sinn stiftende Arbeit und       heit muss daher ein prioritäres Ziel
sozioökonomischen Gruppen ver-            menschenwürdige Lebensverhältnisse         und Anliegen aller werden, inner- und
stärkt werden. Hierzu soll ein nationa-   für alle, auch für diejenigen, die – aus   ausserhalb von Public Health.
les Forschungsprogramm gestartet          welchen Gründen auch immer – nicht
werden.                                   in den Arbeitsprozess eingebunden
Gesundheitsfördernde Aktivitäten          sind. Die Zielsetzungen der WHO zur
und Programme sollten insbesondere        Bekämpfung von Armut, zur Verrin-
den Gegebenheiten der benachteilig-       gerung von Unterschieden im Ein-
ten Bevölkerungsgruppen Rechnung          kommen, Bildungsstand und Zugang

                                                                                                                           11
Ziel 3
                                          Ziel 3

                                          EIN GESUNDER LEBENSANFANG
                                          Bis zum Jahr 2020 sollten sich alle Neugeborenen, Säuglinge und Kinder
                                          im Vorschulalter in der Region einer besseren Gesundheit erfreuen,
                                          damit sie ihr Leben gesund beginnen können.
                                          In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele
                                          erreicht werden:
                                          3.1 Alle Mitgliedstaaten sollten für einen besseren Zugang zu bedarfs-
                                              gerechten reproduktionsmedizinischen Diensten sowie zu einer
                                              Schwangerschaftsvorsorge und –fürsorge und einer Gesundheits-
                                              versorgung für Kinder sorgen.
                                          3.2 In keinem Land sollte die Säuglingssterblichkeitsrate über 20 pro
                                              1000 Lebendgeburten liegen; Länder mit Sterblichkeitsraten unter 20
                                              sollten sich bemühen, die Rate auf 10 oder weniger zu reduzieren.
                                              In Ländern, in denen die Säuglingssterblichkeitsrate unter 10 pro
                                              1000 Lebendgeburten liegt, sollte der Anteil der Neugeborenen, die
                                              ohne angeborene Krankheiten oder Behinderungen zur Welt kom-
                                              men, erhöht werden.
Problemlage                               3.3 Bei Kindern unter 5 Jahren sollten Mortalität und Behinderungen
                                              infolge von Unfällen und Gewalteinwirkung um mindestens 50%
In der Schweiz betreffen die Probleme         reduziert werden.
am Lebensanfang hauptsächlich die         3.4 Der Anteil der Kinder, die mit einem Geburtsgewicht von weniger als
Tatsache,     dass     Fortpflanzung,         2500 g zur Welt kommen, sollte um mindestens 20% gesenkt wer-
Schwangerschaft und die weiteren              den, und die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen
Familienrollen Frauen betreffen, die –        Ländern sollten signifikant verringert werden.
und das hat sich in den letzten 20
Jahren geändert – gleichzeitig einer
bezahlten Arbeit nachgehen müssen         Pränatalperiode                         3) sexuell übertragbare Krankheiten
oder wollen und damit in einen                                                    4) Risikoschwangerschaft
schwierigen Rollenkonflikt gelangen.      Kontrazeption                           5) Infertilität
Mitbetroffen sind die Kinder am                                                   6) Gewalt gegen Frauen
Lebensanfang. Der mütterliche Ein-        Die Kontrazeption ist in der Schweiz    7) Verstümmelung der weiblichen
satz für eine gesunde Entwicklung         weit verbreitet. 1998 benützten rund       Genitalien
des Kindes ist beträchtlich: Es geht      90% aller Frauen zwischen 20 und 24     8) sexuelle Missbräuche
nicht nur um die genetische Vorbe-        (welche sexuelle Beziehungen pfleg-
dingung, sondern vor allem um die         ten und nicht schwanger waren) eine     In der welschen Schweiz existieren
postnatale Pflege und um das soziale      Kontrazeptionsmethode. Unter die-       Familienplanungszentren,       welche
und physische Umfeld während der          sen Methoden ist die Pille mit einem    gleichzeitig die Information und die
ersten Lebensjahre. Eine Mutter-          Anteil von 65% die weitaus verbrei-     Verschreibung von sicheren Kontra-
schaftsversicherung wurde in der          tetste, gefolgt vom Präservativ mit     zeptiva übernehmen und dies in einer
Schweiz bisher abgelehnt. Der Natio-      22,5%.                                  für die Frauen angenehmen Umge-
nalrat hat allerdings kürzlich einem                                              bung. In der Deutschschweiz gibt es
neuen Modell zugestimmt.                                                          kaum entsprechende niederschwelli-
                                          Familienplanung                         ge Angebote, die allen Frauen zur
                                                                                  Verfügung stehen. Vielfach überneh-
Definitionen                              Frauen sollen über medizinische und     men die Gynäkologen diese Tätigkeit.
                                          psychosoziale Stellen die nötigen       Die Risiken der Pille werden insbeson-
Pränatale Periode: Zeit vor der Geburt    Kenntnisse erhalten, um selber und in   dere bei älteren Frauen nicht genü-
Perinatale Periode: Zeit kurz vor, wäh-   Freiheit über die Fortpflanzung zu      gend wahrgenommen. Die Tatsache,
rend und bis eine Woche nach der          bestimmen. Die International Planned    dass Pille und Rauchen miteinander
Geburt                                    Parenthood Federation (IPPF) hat 8      das Risiko für die Frauen erhöhen,
Neonatale und Säuglingsperiode: Zeit      verschiedene Problemfelder in diesem    sollte besser bekannt gemacht wer-
zwischen Geburt und 12 Monaten            Bereich identifiziert:                  den. (In der Gesundheitsbefragung
Kleinkindheit: Kinder zwischen 0 und                                              1997 nahmen 5,2% der Frauen zwi-
5 Jahren, die noch nicht schulpflichtig   1) unerwünschte Schwangerschaft         schen 35 und 45 die Pille und rauch-
sind.                                        und     risikoreicher (illegaler)    ten; von den Frauen, welche die Pille
                                             Schwangerschaftsabbruch              einnahmen, waren ein Drittel Rauche-
                                          2) Müttersterblichkeit                  rinnen).

12
Schwangerschaftsabbruch                  Rauchen und psychosoziale Fakto-          pro 1'000 Geburten. Die Sterblichkeit
                                         ren                                       hat vor allem durch den Rückgang
In der Schweiz gelten immer noch die                                               der Sterblichkeit der Kinder mit
Artikel 118 bis 121 des Strafgesetzbu-   1999 waren 33% der Schweizer              Geburtsgewicht unter 2'500g abge-
ches von 1942, welche den Schwan-        Bevölkerung Raucher, 27% der Frau-        nommen. Sie ist aber nach wie vor
gerschaftsabbruch straffrei nur dann     en und 38% der Männer. Das Rau-           bedeutend höher bei Knaben in allen
erlauben, wenn das Leben der Mutter      chen nimmt seit 1992 zu, besonders        Geburtsgewichtsklassen. Sehr junge
in Gefahr ist. Erfüllt er diese Bedin-   bei den 15- bis 24-Jährigen (Frauen:      und ledige Mütter gehören einer
gung nicht, wird der Schwanger-          von 26% auf 40%; Männer: von              besonderen Risikogruppe an: Die
schaftsabbruch als illegal bezeichnet    36% auf 46%). Zahlen aus der              Säuglingssterblichkeit bei ihren Kin-
und mit Gefängnis oder Zuchthaus         Waadt zeigen, dass rund ein Fünftel       dern ist wesentlich höher, insbeson-
bestraft. Trotz dieses restriktiven      der schwangeren Frauen noch in den        dere bei Müttern unter 20 Jahren. Bei
Gesetzes wird die Indikation relativ     letzten 3 Monaten der Schwanger-          ledigen Müttern ist sie fast doppelt so
grosszügig gehandhabt. Heute kann        schaft rauchen. Die Beziehung zwi-        hoch wie bei verheirateten.
fast jede Frau, die einen Schwanger-     schen Rauchen und sozialökonomi-
schaftsabbruch möchte, diesen in         scher Schichtzugehörigkeit ist wohl-      Geburtsort
einem spezialisierten Zentrum vorneh-    bekannt. Sie existiert auch zwischen
men lassen. Allerdings sind die          Rauchen und Geburtsgewicht der            In der Schweiz finden praktisch alle
Schwangerschaftsabbrüche jedes Jahr      Kinder. In der Schweiz kommen rund        Geburten (98.6%) in Spitälern statt.
zurückgegangen. 1998 wurden deren        5% der Kinder mit einem Geburtsge-        Andere Geburtsorte sind nach wie vor
13'000 registriert. Damit liegt die      wicht unter 2'500 g zur Welt. Die         die Ausnahme.
Schweiz unter den Ländern mit der        Wichtigkeit des Geburtsgewichts für
niedrigsten      Schwangerschaftsab-     die Überlebenschance und Lebens-          Stillen
bruchsrate. Die meisten Schwanger-       qualität eines Neugeborenen sind
schaftsabbrüche werden bei unter 25-     hinreichend untersucht. Ein niedriges     In der Schweiz ist seit 1992 eine
jährigen Frauen durchgeführt, die        Geburtsgewicht bedeutet das höch-         Arbeitsgruppe aktiv an der Umset-
Hälfte davon bei Immigrantinnen.         ste Risiko für spätere gesundheitliche    zung der „Baby friendly hospital-Initi-
                                         und psychologische Probleme. Die          ative“ der Unicef und der WHO. Die
                                         Auswirkungen des Rauchens der             10 Punkte der WHO sind in den bis-
Zugang zu                                Mutter auf das Geburtsgewicht und         her ausgezeichneten 34 Spitälern in
Schwangerschaftsvorsorge                 spätere chronische Krankheiten sind       Bezug auf das Stillen erfüllt: 88% der
                                         gut untersucht.                           Kinder verlassen das Spital voll
Nach wie vor besteht eine grosse                                                   gestillt, was ein sehr guter Erfolg ist.
Ungleichheit in der Qualität und im      Ernährung                                 Andere Punkte sind weniger gut
Zugang zur pränatalen, perinatalen                                                 erfüllt. Nach wie vor erhalten zu viele
und postnatalen Versorgung. So zei-      Eine ausgewogene und gesunde              Säuglinge Zusatznahrung, insbeson-
gen lokale Studien, dass grosse Unter-   Ernährung ist nach wie vor das Privi-     dere in Form von Maltose/Dextrose-
schiede in der pränatalen und perina-    leg derjenigen, die einen grossen Teil    Lösung und Tee. Diese Zusätze ver-
talen Betreuung zwischen Frauen ver-     ihres Einkommens und ihrer Zeit           mindern die Chance, dass das Kind
schiedener Herkunft und mit verschie-    dafür einsetzen können. Während           lang gestillt wird.
denen sozioökonomischen Charakte-        der Schwangerschaft und der Stillzeit
ristika bestehen, insbesondere was       ist die Bedeutung der ausgewogenen        Präventiontion des plötzlichen
die präventiven Leistungen betrifft.     Ernährung noch grösser. Ernährungs-       Säuglingstodes
                                         beratung ist ein integraler Teil der
                                         Schwangerschaftsversorgung. In Spe-       Im Jahre 1995 starben 57 Kinder, im
Vorbereitung auf die Geburt              zialfällen kann in der Schweiz auf        Jahre 1996 deren 39 an dieser Todes-
                                         Kosten der Krankenversicherung eine       ursache. Dieser Rückgang wird im all-
In der Schweiz wird die Geburtsvorbe-    Ernährungsberatung eingesetzt wer-        gemeinen auf die veränderten Lage-
reitung der Einzelinitiative der Ehe-    den.                                      rungen der schlafenden Säuglinge
paare überlassen. Die Krankenkasse                                                 zurückgeführt (nicht auf den Bauch).
bezahlt einen Beitrag von Franken        Säuglingssterblichkeit
100.-- an einen Schwangerschafts-
und Geburtsvorbereitungskurs, der        Das Ziel, die Säuglingssterblichkeit      Kleinkindesalter
von Hebammen erteilt wird. Dieser        (Sterblichkeit im 1. Lebensjahr) unter
Beitrag deckt die Kosten der Kurse       10 pro 1'000 Lebendgeburten zu sen-       Mutterschaftsurlaub, mütterliche
nicht, und je nach sozialer Schicht      ken, ist in der Schweiz mit einer Säu-    Arbeit und Kinderkrippen
und Verständnis bestehen grosse          glingssterblichkeitsrate von 4.8 pro
Unterschiede in der Inanspruchnah-       1'000 (1997) bei weitem erfüllt. 1999     Zum Schutz der Mutterschaft gehört
me.                                      betrug die perinatale Sterblichkeit 6.9   auch die Übernahme präventiver Lei-

                                                                                                                        13
stungen, die Lohnfortzahlungen wäh-       grosse Unterschiede in deren Ausstat-        attraktiv ist.
rend des Mutterschaftsurlaubes, der       tung. Die Nachfrage nach Kinderbe-         • Bis zum Jahr 2020 rauchen in der
Kündigungsschutz sowie die Unter-         treuungsplätzen übersteigt das Ange-         Schweiz weniger als 5% der Frauen
stützung von Frauen ohne Arbeitsein-      bot bei weitem. 1996 gab es in der           während der Schwangerschaft,
kommen. Das Krankenversicherungs-         Welschschweiz 108'000 Kinder bis zu          und alle Frauen kennen die schäd-
gesetz enthält ein Versicherungsobli-     4 Jahren. Im Durchschnitt können             lichen Wirkungen des Rauchens
gatorium für die gesamte Bevölke-         Eltern schätzungsweise 50 bis 60%            während der Schwangerschaft auf
rung (auch für schwangere Frauen).        der Betreuungszeit selber überneh-           die Gesundheit der Kinder.
Die präventiven Leistungen während        men. Das bedeutet, dass für jedes          • Bis zum Jahr 2010 kommen 95%
Schwangerschaft und Geburt sind Teil      Kind, welches in der Westschweiz             aller Kinder in „baby friendly hospi-
der obligatorischen Versicherung. Seit    geboren wird, eine Betreuung von             tals“ zur Welt.
1945 besteht die Aufforderung an          mindestens 2 Tagen pro Woche               • Bis zum Jahr 2010 wird in allen
den Bund, eine Mutterschaftsversi-        sichergestellt werden sollte. Genaue         Kantonen und Gemeinden die Müt-
cherung einzuführen; diese Forde-         Daten fehlen zwar, aber im Moment            ter- und Väterberatung auf qualita-
rung hat sich aber bisher nicht kon-      dürften Kinderhorte und die abwech-          tiv hochstehendem Niveau für jun-
kretisiert. So ist es nach wie vor dem    selnde Betreuung von Kindern durch           ge Eltern angeboten.
Arbeitgeber überlassen, wie lange er      die Mütter nur die Hälfte dieses
den Lohn fortzahlen will. Das Obliga-     Bedarfes abdecken. Auch die finan-
tionenrecht sieht nur 8 Wochen vor,       ziellen Aspekte fallen ins Gewicht:        Massnahmen
viele Kantone erhöhen diese Dauer         Krippenbetreuungen sind günstiger
auf 16 Wochen. Zwar wird die              für Personen mit geringem Einkom-          Bei allgemein guter medizinischer
Beschäftigung von Frauen nach der         men. Beträgt das Monatseinkommen           Betreuung im engen Sinne finden sich
Niederkunft verboten, aber der Lohn       weniger als Franken 4'000.–, kosten        Lücken in der Betreuung von Klein-
während des Arbeitsverbots ist nicht      Krippe oder Kinderhort weniger als         kindern insbesondere bei der Präven-
garantiert. Viele Frauen erhalten also    die Betreuung durch eine Tagesmut-         tion und im sozialen Sektor.
keinerlei soziale Unterstützung nach      ter. Doch der Preis der Krippen steigt
der Geburt.                               mit dem Einkommen. Damit werden            1) Familienplanung ist nach wie vor
Noch immer wieder wird Frauen             sie paradoxerweise zur teuersten              ein essentielles Präventionsinstru-
nahegelegt, zum Geburtstermin die         Betreuungsmöglichkeit für beruflich           ment. Informationsprogramme
Kündigung einzureichen. Hausfrauen        aktive Frauen, deren Einkommen                über Kontrazeption sollten sich ins-
erhalten keinerlei Unterstützung nach     wesentlich zur Verbesserung des               besondere an Adoleszente und
heute geltendem Bundesrecht. Aus          Haushalteinkommens beiträgt.                  junge Frauen aus anderen Kulturen
diesem Grund haben viele Kantone                                                        richten. Die Entwicklung der
Gesetzgebungen eingeführt, die                                                          Schwangerschaftsabbrüche sollte
einen gewissen Mutterschaftsbeitrag       Entdeckung psychosozialer                     genau überwacht werden, um eine
gewähren. Der Anteil berufstätiger        Risikosituationen                             Rückkehr zu früheren gefährlichen
Frauen in der Schweiz ist in den letz-                                                  oder unsicheren Methoden zu ver-
ten Jahren gestiegen und erreichte im     Die Familienpolitik in der Schweiz soll-      hindern.
Jahr 1999 74,5%. Das Arbeitsgesetz        te vermehrt den Bedürfnissen der           2) Prävention kann bevorzugterweise
schützt schwangere Frauen und stil-       modernen Kleinfamilie Rechnung tra-           bei der Geburtsvorbereitung erfol-
lende Mütter, soweit sich das mit         gen. Steigend ist auch die Zahl der           gen. Allgemeine Ratschläge zur
ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber        Einelternfamilien, Patchwork-Fami-            Lebenshygiene, aber insbesondere
vereinbaren lässt. Dieses Gesetz wird     lien, informellen Partnerschaften oder        solche im Bereich von Tabak und
aber im allgemeinen nicht durchge-        Familiengruppierungen mit verschie-           Ernährung haben einen grossen
setzt.                                    denen Generationen, die sich eben-            Einfluss auf die gesamte Familie.
Berufstätige Eltern sollten theoretisch   falls der älteren Bevölkerung anneh-          Die Wirkung des Tabakkonsums
auf die Unterstützung durch Krippen       men. Im europäischen Vergleich ist            der Mutter auf das Geburtsge-
oder Kinderhorte zurückgreifen kön-       die schweizerische Familienpolitik in         wicht, auf die Häufigkeit der plötz-
nen. Obschon es eine Bundesverord-        diesem Bereich bescheiden.                    lichen Todesfälle sowie auf die all-
nung aus dem Jahre 1977 zur ausser-                                                     gemeine Gesundheit des Kindes
familiären Betreuung von Kleinkin-                                                      sollte vermehrt als Argument ein-
dern gibt, fehlt eine konsistente Sozi-   Ziele                                         gesetzt werden, um Frauen (und
alpolitik, was sich in der verschieden-                                                 auch Väter) zum Aufhören zu
artigen Organisation und Finanzie-        • Bis zum Jahr 2020 gibt es in der            bewegen. Eine bessere Begleitung
rung dieser Institutionen manifestiert:     Schweiz ein flächendeckendes,               der Raucher und Raucherinnen ist
So gibt es öffentliche, teilweise sub-      niederschwelliges Angebot für die           notwendig, ebenso die Übernah-
ventionierte oder ganz subventionier-       Beratung über reproduktive Belan-           me der Nikotinersatztherapie
te private und vollständig private          ge, welches besonders auch für              durch die Krankenkassen.
Institutionen. Je nach Region gibt es       junge Frauen und Ausländerinnen

14
3) Die Arbeitssituation sollte zu Gun-
   sten der jungen Familien verbessert
   werden: ein Familienurlaub sollte
   ermöglicht, die Mutterschaftsversi-
   cherung endlich eingeführt wer-
   den und Kinderbetreuungsplätze
   für alle zugänglich sein. Teilzeitar-
   beit und Aufteilung der Familien-
   betreuungsarbeit sollte in unserer
   Gesellschaft ermöglicht werden.
4) In Zukunft sollte eine Familienpoli-
   tik vermehrt die neuen Bedürfnisse
   unserer Gesellschaft berücksichti-
   gen. Eine niedrige Fruchtbarkeit,
   ein Rückgang der Verheiratungen
   und eine Zunahme der Scheidun-
   gen kennzeichnen heute die
   demographische          Entwicklung.
   Freie Verbindungen und neue
   Familiengründungen führen teil-
   weise zu neuer Armut und Aus-
   grenzungen.
5) Lebensstil und Wohlbefinden der
   Eltern sind wichtig für die Gesund-
   heit der Kinder: Ein sicheres Heim
   mit stabilen sozialen Beziehungen
   ist eine gute Basis für das physische
   und psychische Gleichgewicht und
   die harmonische Entwicklung des
   Kindes.
6) Bis zum Jahr 2008 besteht in der
   Schweiz eine Mutterschaftsversi-
   cherung, die eine gesunde und
   stresslose Entwicklung von Mutter
   und Kind erlaubt.
7) Bis zum Jahr 2010 stehen genü-
   gend Kleinkinderbetreuungsplätze
   zur Verfügung, die den Eltern
   erlauben, im Arbeitsleben inte-
   griert zu bleiben.

                                           15
Ziel 4
                                          Ziel 4

                                          GESUNDHEIT JUNGER MENSCHEN (6)

                                          Bis zum Jahr 2020 sollten sich junge Menschen in der Region einer bes-
                                          seren Gesundheit erfreuen und besser in der Lage sein, ihre Rolle in
                                          der Gesellschaft zu übernehmen.

                                          In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele
                                          erreicht werden:
                                          Kindern und Jugendlichen sollten bessere „Lebensfertigkeiten“ und
                                          die Fähigkeit vermittelt werden, sich für eine gesunde Lebensweise zu
                                          entscheiden.
                                          Mortalität und Behinderungen aufgrund von Gewalteinwirkung und
                                          Unfällen (7) sollten bei jungen Menschen mindestens um 50% reduziert
                                          werden.
                                          Der Anteil junger Menschen, die einer gesundheitsschädigenden
                                          Lebensweise frönen (8), indem sie Drogen, Tabak und Alkohol konsu-
                                          mieren, sollte erheblich verringert werden.
                                          Die Häufigkeit von Schwangerschaften bei Minderjährigen sollte min-
Problemlage                               destens um ein Drittel reduziert werden.

Obwohl Jugendliche in der Schweiz           6   Bis zum Alter von 18 Jahren
                                            7   Vgl. auch Ziel 9: „Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle zurückzuführende
aufgrund der vergleichsweise niedri-            Verletzungen“.
gen Mortalitätsraten als eine               8   Vgl. auch Ziel 12: „Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak verursachten Schäden“.
besonders gesunde Bevölkerungs-
gruppe gelten, sind sie von zahlrei-
chen Gesundheitsproblemen betrof-         kungen im Kindes- und Jugendalter.               und jede/r vierte Kopfschmerzen. Die
fen. Es sind nicht mehr die akuten        Es wird geschätzt, dass etwa 5 bis               epidemiologischen Befunde verwei-
Infektionskrankheiten, sondern vor        10% aller Kinder und Jugendlichen in             sen darauf, dass Mädchen hier einem
allem chronische Krankheiten und          westlichen Industrieländern unter                grösseren Beschwerdedruck ausge-
Befindlichkeitsstörungen, die ihren       Asthma und bis zu 10% unter Neuro-               setzt sind als Jungen. Die Ursachen
Gesundheitszustand negativ beein-         dermitis leiden. Weitere 10 bis 15%              für diese recht hohen Prävalenzraten
flussen. Fünf Problembereiche sind        sind durch eine Allergie und/oder                sind in einem Ungleichgewicht zwi-
hier hervorzuheben:                       durch Heuschnupfen belastet. Die                 schen Risikofaktoren und Belastun-
                                          ursächlichen Faktoren sind vielfältig.           gen einerseits sowie personalen und
Unfälle und gewaltsame Tode               Sie sind sowohl auf der biologischen,            sozialen Ressourcen andererseits zu
1998 verunfallten 5'597 Kinder und        psychologischen und sozialen Ebene               suchen. Die Beschwerden lassen sich
Jugendliche im Strassenverkehr, 71        als auch in der natürlichen Umwelt zu            als “Kosten der modernen Lebens-
von ihnen tödlich. Unfälle im Verkehr,    suchen.                                          weise” interpretieren, als Ausdruck
in der Freizeit und im Haushalt stellen                                                    der Auseinandersetzung mit den Risi-
die häufigste Todesursache dar. Jun-      Infektionskrankheiten                            ken und Chancen einer modernen
gen erleiden wesentlich häufiger          HIV und Aids stellen nach wie vor ein            Industriegesellschaft.
Unfälle als Mädchen, was sich u.a.        wichtiges Gesundheitsproblem in der
mit der riskanteren Lebensweise           Schweiz dar, auch wenn die Infek-                Gesundheitsriskantes Verhalten
schon in jungen Jahren und mit            tionsraten auf Grund erfolgreicher               Im Jugendalter werden gesundheits-
einem höheren Mobilisierungsgrad          Präventionskampagnen zurückge-                   relevante Verhaltensweisen gefestigt.
erklären lässt. Ab dem 14. Lebensjahr     gangen sind.                                     Hier wurde in den vergangenen Jah-
werden darüber hinaus Selbsttötung                                                         ren – trotz der Präventionsbemühun-
und Selbsttötungsversuche als Todes-      Befindlichkeitsstörungen                         gen – eine Zunahme des Konsums
ursache bedeutsam: Die Schweiz hat        Befunde zu Befindlichkeitsbeeinträch-            von Alkohol und Tabak beobachtet.
mit etwa 50 Fällen pro 100'000 Ein-       tigungen liegen aus Befragungsstu-               17% der 15-Jährigen geben an, täg-
wohner eine der höchsten Suizidraten      dien vor, z.B. der Studie “Health                lich zu rauchen, weitere 25% rau-
im europäischen Vergleich in der          Behavior in School-aged Children”                chen mindestens einmal pro Woche
Altersgruppe 15 bis 19 Jahre (Män-        (HBSC), die als internationale Ver-              (keine Geschlechtsunterschiede). 9 %
ner).                                     gleichsstudie durchgeführt wird. Aus             der 15-jährigen Mädchen und 19%
                                          den Befunden der Befragung von                   der gleichaltrigen Jungen geben an,
Chronische Erkrankungen                   1997/98 wird deutlich, dass etwa                 mindestens einmal pro Woche Alko-
Asthma und Allergien gehören zu           jede/r sechste Jugendliche einmal pro            hol zu trinken. Die Ursachen für
den häufigsten chronischen Erkran-        Woche unter Bauchschmerzen leidet.               riskanten Konsum überschneiden sich
                                          Jede/r fünfte hat Rückenschmerzen                zum grossen Teil mit denen für
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Befindlichkeitsstörungen.       Auch         Tempolimiten und verkehrsberuhig-        mit Blick auf besonders benachtei-
riskantes Essverhalten stellt zuneh-         ten Zonen                                ligte Gruppen
mend ein gesundheitliches Problem        •   Senkung der Promillegrenze auf       •   Unterstützung einer realistischen
dar, zumal häufiges Diäthalten ein           0,0‰                                     Zukunftsplanung von Jugendlichen
Risikofaktor für Bulimie ist.            •   Helmpflicht für Fahrradfahrer und    •   Unterstützung der Netzwerkbil-
                                             -fahrerinnen                             dung von Jugendlichen (z.B. durch
                                         •   Obligatorisches Verkehrssicher-          die Schaffung bzw. Öffnung sozia-
Ziele                                        heitstraining für Führerscheinneu-       ler Räume)
                                             linge                                •   Strukturelle Massnahmen zur Alko-
• Bis zum Jahr 2010 wird die Zahl der    •   Einführung des “Führerscheins auf        hol- und Tabakprävention: Preiser-
  verletzten Kinder und Jugendlichen         Probe”                                   höhung, Zugangsbarrieren (auch in
  im Strassenverkehr auf unter 2000      •   Ausbau der Verkehrserziehung in          Bezug auf Alcopops), Verbot von
  pro Jahr gesenkt                           der Schule                               Zigarettenautomaten
• Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der    •   Aufklärung von Eltern über Unfall-   •   Etablierung von jugendspezifischen
  Selbsttötung und Selbsttötungsver-         verhütung im Haushalt                    Tabakentwöhnungsprogrammen
  suche von Jugendlichen auf die                                                  •   Verbesserung des Zugangs zu
  Hälfte reduziert                       Allergien und Asthma                         psychosozialen Hilfen
• Bis zum Jahr 2010 stabilisiert sich    • Förderung des Stillens (siehe auch
  der Anteil von Kindern und Jugend-       Ziel 3)                                Darüber hinaus sind übergreifen-
  lichen mit Asthma und Allergien        • Aufklärung über den Zusammen-          de, störungsunspezifische
  und reduziert sich bis zum Jahr          hang zwischen Lebensstil und           Massnahmen zu konzipieren:
  2020 auf 60% des heutigen Stan-          Gesundheit
  des                                    • Rauchentwöhnungsprogramme für          • Verbesserung der Gesundheitsbe-
• Weniger als 1% der Jugendlichen          (werdende) Mütter und Väter (Pro-        richterstattung im Kindes- und
  machen Erfahrungen mit illegalen         blem Passivrauchen)                      Jugendalter
  Suchtmitteln                           • Etablierung von Schulungspro-          • Gesundheitsverträglichkeitsprüfun-
• Bis zum Jahr 2010 sind in allen          grammen für an Asthma und Neu-           gen auf allen Ebenen des politi-
  Schulen gesundheitsfördernde Pro-        rodermitis leidende Kinder und ihre      schen Systems
  gramme eingeführt                        Eltern                                 • Schaffung einer Lobby bzw. eines
• Alkoholkonsum Jugendlicher geht                                                   Netzwerkes für die gesundheit-
  bis zum Jahr 2010 unter das Niveau     Befindlichkeitsstörungen und               lichen Anliegen von Kindern und
  von 1990 zurück                        gesundheitsriskantes Verhalten             Jugendlichen
• Bis zum Jahr 2010 wird das Ein-        • Systematische Förderung persona-
  stiegsalter für Raucher auf 18 Jahre     ler Ressourcen (z.B. Selbstwertge-
  erhöht, die Neueinsteigerrate sinkt      fühl, Selbstwirksamkeitserwartung,
  unter das Niveau von 1990                Kohärenzgefühl, soziale Kompe-
• Die Jugendlichen erkennen ihre           tenz) durch lebenskompetenzorien-
  Schutzbedürfnisse im sexuellen           tierte Gesundheitsförderungspro-
  Bereich und benützen zu 95% Kon-         gramme in Schulen, am Ausbil-
  dome bei Geschlechtskontakt              dungs-/Arbeitsplatz und in der Frei-
                                           zeit; die Programme müssen hin-
Massnahmen                                 sichtlich Geschlecht, Alter, ethni-
                                           scher Zugehörigkeit und sozialer
Ein Massnahmenpaket muss risikore-         Schicht spezifiziert werden
duzierende Massnahmen mit ressour-       • Etablierung moderner Präventions-
censteigernden verbinden, wie auch         programme (Sucht, sexuell über-
verhaltensorientierte Interventionen       tragbare Krankheiten, Gewalt) in
durch verhältnisorientierte ergänzt        der Schule
werden müssen. Je nach Problembe-        • Schaffung gesundheitsförderlicher
reich   müssen      unterschiedliche       Lebenswelten (z.B. indem Schulen
Schwerpunkte gesetzt werden.               motiviert werden, im Netzwerk
                                           “gesundheitsfördernde Schulen”
Unfallverhütung                            aktiv zu werden)
• (Weitere) Verbesserung der Sicher-     • Unterstützung von Familien
  heitstechnik                           • Partizipation und Empowerment
• Städtebauliche Massnahmen (u.a.          (z.B. über die Einrichtung von Kin-
  Ausbau des innerstädtischen Fahr-        der- und Jugendparlamenten)
  radwegenetzes)                         • Verbesserung der Ausbildungs- und
• Ausweitung von innerstädtischen          Arbeitsmarktsituation, vor allem

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Ziel 5
                                        Ziel 5

                                        ALTERN IN GESUNDHEIT

                                        Bis zum Jahr 2020 sollten Menschen im Alter von über 65 Jahren die
                                        Möglichkeit geboten werden, ihr Gesundheitspotential voll auszu-
                                        schöpfen und eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen.

                                        In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele
                                        erreicht werden:

                                        5.1 Die Lebenserwartung von Menschen im Alter von 65 Jahren - mit
                                            und ohne Behinderungen - soll mindestens um 20% steigen.
                                        5.2 Der Anteil der Menschen, die im Alter von 80 Jahren in einem häus-
                                            lichen Umfeld leben und so gesund sind, dass sie ihre Unabhängig-
                                            keit, ihre Selbstachtung und ihren Platz in der Gesellschaft bewah-
                                            ren können, sollte mindestens um 50% steigen.

Problemlage

In der Schweiz muss eine der politi-
schen Zielsetzungen des Gesund-
heitswesens sein, die Menschen auf
ein Altern in Gesundheit vorzuberei-
ten. Das bedeutet systematisch
geplante Gesundheitsförderung und
Gesundheitsschutz durch das ganze       Lebenserwartung                                80- bis 85-Jährigen in ihrem häus-
Leben hindurch. Gelegenheiten im                                                       lichen Umfeld. Ihr Gesundheitszu-
sozialen, Ausbildungs- und beruf-       In der Schweiz ist bereits jetzt eine im       stand erlaubt ihnen, ihre Unabhän-
lichen Bereich sowie die Möglichkei-    internationalen Vergleich sehr hohe            gigkeit, ihre Selbsterhaltung und
ten der körperlichen Betätigung soll-   Lebenserwartung erreicht worden.               ihren Platz in der Gesellschaft zu
ten genutzt werden, um den älteren      Während der letzten 120 Jahre ist die          bewahren
Personen zu ermöglichen, eine gute      Lebenserwartung bei Geburt von             •   Bis zum Jahr 2020 sollte keine älte-
Gesundheit, Selbstwertgefühl und        unter 50 Jahren auf 76.2 Jahre bei             re Person ohne kognitive Behinde-
Unabhängigkeit zu erlangen, diese       den Männern bzw. 82.3 Jahre bei den            rung mehr im Alters- oder Pflege-
aufrechtzuerhalten und weiterhin        Frauen gestiegen; 65-jährige Männer            heim leben, wenn sie dies nicht
einen aktiven gesellschaftlichen Bei-   hatten 1997 eine Lebenserwartung               freiwillig gewählt hat
trag zu leisten. Besonders wichtig      von 16.6 Jahren, die gleichaltrigen        •   Bis zum Jahr 2010 werden auch
sind innovative Programme zur Erhal-    Frauen von 20.6 Jahren. Eine grosse            Wohnungen für ärmere ältere
tung körperlicher Kraft sowie zur       Mehrheit der Erwachsenen erreicht              Bewohner mit einfachen Hilfsmit-
rechtzeitigen Korrektur von Ver-        das Rentenalter in gutem Gesund-               teln wie Handläufen, Griffen in
schlechterungen der Augen, des          heitszustand, so dass vor allem "den           Bädern/WC’s sowie automatischen
Gehörs und der Beweglichkeit, bevor     Jahren Leben zu geben" als das prio-           Lichtsensoren ausgerüstet
diese die Unabhängigkeit der älteren    ritärere Ziel erscheint. Dennoch sollte    •   Bis zum Jahr 2010 hat sich der
Menschen beeinträchtigen.               auch in der Schweiz das Ziel verfolgt          Anteil der seh- und hörbehinderten
Die gesundheitlichen und sozialen       werden, in Regionen und bei Bevölke-           älteren Personen, die keine Hilfe
Dienstleistungen in der Gemeinde        rungsgruppen mit einem überdurch-              erhalten, auf 2% verringert
sollten zu den älter werdenden Perso-   schnittlich hohen Anteil an vorzeiti-      •   Bis zum Jahr 2010 sind in allen
nen hinausgetragen werden, um sie       gen Todesfällen die heute gutbekann-           Gemeinden Programme für Mit-
in ihrem Alltagsleben zu unterstüt-     ten Möglichkeiten der Prävention von           tagstische für betagte Personen
zen. Ihre Bedürfnisse und Wünsche in    chronischen Zivilisationskrankheiten           errichtet
Bezug auf Faktoren, die ihre Unab-      besonders zu intensivieren.                •   Bis zum Jahr 2010 stehen in allen
hängigkeit und soziale Produktivität                                                   Pflegeheimen „Ferienbetten“ zur
beeinflussen (Wohnung, Einkom-                                                         kurzzeitigen Entlastung pflegender
men), sollten zunehmend berücksich-     Ziele                                          Angehöriger zur Verfügung
tigt werden.                                                                       •   Bis zum Jahr 2010 liegt ein Vor-
                                        • Bis zum Jahr 2020 leben 80% der              schlag zur Gestaltung und Finanzie-
                                          65- bis 80-Jährigen und 50% der              rung präventiver Hausbesuche vor

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