Gesundheitsziele für die Schweiz - Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert (WHO Europa)
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen Société suisse de santé publique Società svizzera di salute pubblica Swiss Society for Public Health Gesundheitsziele für die Schweiz Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert (WHO Europa) Mit Unterstützung von: Bundesamt für Gesundheit Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz Gesundheitsförderung Schweiz
Gesundheitsziele für die Schweiz Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert (WHO Europa) Herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen Redaktionskomitee Ursula Ackermann-Liebrich, Fred Paccaud, Felix Gutzwiller, Therese Stutz Steiger Mit Unterstützung von: Bundesamt für Gesundheit Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz Gesundheitsförderung Schweiz
Impressum: Herausgeber: Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen (SGPG) Postfach 8172 Tel. +41 (0)31 389 9286 Fax +41 (0)31 389 9288 www.sgpg.ch Grafische Gestaltung: Luca Bertolotti, Locarno Druck: Tipografia Poncioni, Losone © 2002, Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen (SGPG) Versionen: deutsch, französisch ISBN: 3-9522564-0-4
Editorial Editorial Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert – WHO Europa Unser Gesundheitssystem liegt selber mit einem Schwächeanfall darnieder. Es hat Mühe, uns zu überzeugen, dass zwischen den Kosten, die es verursacht, und den Leistungen, die es erbringt, für die Gesundheit der Bevölkerung noch ein richtiges Verhältnis besteht. Die überall spürbaren Folgen der Globalisierung verlangen danach, Werte und Normen bis hinein in das alltägliche Leben zu überdenken, um unsere Identität und das Vertrauen in die Zukunft wieder zu finden. Eine Zukunft, die noch ent- worfen werden muss und Mühe hat, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Diktat der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit und einer Entwicklung, welche die menschlichen Dimensionen nicht preisgibt. Auf diesem noch wenig begangenen Weg finden wir heute eine zerbrechliche öffentliche Gesundheit, die nur zu leicht im Zuge der ökonomischen Entwick- lung und des sozialen Wandels vernachlässigt wird. Die individuellen Probleme des Alltags werden dann zu Gesundheitsproblemen und belasten die Bilanz des Gesundheitswesens. Die mangelnden Investitionen in die Gesundheit auf allen Ebenen der produktiven Welt riskieren, eine kränkere Gesellschaft zu schaffen, deren soziale Kosten eines Tages kaum mehr tragbar werden. Gesundheitsförderung bedeutet jedoch, auf alle sozioökonomischen Determi- nanten zu agieren. Der Graben zwischen Theorie und Praxis ist noch sehr tief, und es bleibt bei guten Absichten, weil die Instrumente für die praktische Umsetzung noch kaum entwickelt sind. Um diese Lücke zu füllen, hat die Weltgesundheitsor- ganisation (Region Europa) eine “Agenda 21” erarbeitet, die für das 21. Jahr- hundert einen Referenzrahmen und konkrete Handlungsschwerpunkte defi- niert, um die Gesundheit ins Zentrum der Entwicklung unserer Gesellschaft zu stellen. Eine Entwicklung, die als oberstes Ziel das Wohlbefinden der Men- schen und die Reduktion von Ungleichheiten hat . Die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen (SGPG) hat die Initiative ergriffen, die europäischen Vorgaben auf die Schweiz umzu- münzen und Vorschläge zur Realisierung der notwendigen Fortschritte zu for- mulieren. Mit Unterstützung des Bundesamtes für Gesundheit und des Projek- tes Nationale Gesundheitspolitik Schweiz hat sie das Wissen der Mitglieder genützt, um für die Schweiz relevante Ziele mit Blick auf mehr Lebensqualität für alle zu definieren. Diese Gesundheitsziele bilden für die Schweiz eine Orientierung, die für die Verantwortlichen bei Bund und Kantonen, aber auch für die Fachkreise und spezialisierten Institutionen im Bereich der Gesundheit von Belang sind. Auf- grund des Föderalismus und der Dezentralisierung des Gesundheitssystems können diese Ziele und die Massnahmen nicht gesamthaft und zwangsweise durch die Gesundheitsverantwortlichen verordnet werden. Deren Rolle ist es vielmehr, zur Reflexion anzuregen, festgelegte Prioritäten zu unterstützen und gemeinsame Orientierungspunkte für alle Akteure im Gesundheitssystem zu geben. Auf dieser Grundlage können sich auch Einzelziele und Strategien von Institutionen in eine gemeinsame Vision einfügen; man wird die Ergebnisse am Fortschreiten des Gesundheitszustandes der schweizerischen Wohnbevölke- rung messen können. Es handelt sich gleichzeitig um eine Herausforderung an die wirtschaftliche und politische Welt und damit an die Gesellschaft allgemein. Die zukünftige Gesundheit der schweizerischen Bevölkerung und somit die Zukunft der Schweiz wird schliesslich von der Fähigkeit abhängen, dieses Problem zu erkennen und verantwortungsbewusst zu lösen. Präsident der Schweizerischen Direktor des Bundesamtes Gesellschaft für Prävention und für Gesundheit (BAG) Gesundheitswesen (SGPG) Thomas Zeltner Ignazio Cassis Präsidentin der Steuerungsgruppe Präsidentin der Schweizerischen des Projektes Nationale Gesundheitspolitik Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) Schweiz (PNG-CH) Alice Scherrer Patrizia Pesenti
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis SGPG Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen Ziel 1 Solidarität für die Gesundheit in der europäischen Region . . . . . . 9 Effingerstrasse 40 Postfach 8172 Ziel 2 Gesundheitliche Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 CH-3001 Bern Ziel 3 Ein gesunder Lebensanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Tel. +41 (0)31 389 9286 Fax +41 (0)31 389 9288 Ziel 4 Gesundheit junger Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 e-mail: sgpg@sgpg.ch www.sgpg.ch Ziel 5 Altern in Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 SSSP Ziel 6 Verbesserung der psychischen Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Société suisse de santé publique Effingerstrasse 40 Ziel 7 Verringerung übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Case postale 8172 CH-3001 Berne Ziel 8 Verringerung nicht übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 26 Tél. +41 (0)31 389 9286 Ziel 9 Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle Fax +41 (0)31 389 9288 zurückzuführenden Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 e-mail: sgpg@sgpg.ch www.sssp.ch Ziel 10 Eine gesunde und sichere natürliche Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . 32 SSSP Ziel 11 Gesünder Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Società svizzera di salute pubblica Effingerstrasse 40 Ziel 12 Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak casella postale 8172 verursachten Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 CH-3001 Berna Ziel 13 Settings zur Förderung der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Tel. +41 (0)31 389 9286 Fax +41 (0)31 389 9288 Ziel 14 Multisektorale Verantwortung für die Gesundheit . . . . . . . . . . . . . 43 e-mail: sgpg@sgpg.ch www.sssp.ch Ziel 15 Ein integrierter Gesundheitssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ziel 16 Qualitätsbewusstes Management der Versorgung . . . . . . . . . . . . . 48 Ziel 17 Finanzierung des Gesundheitswesens und Ressourcenzuweisung . 51 Ziel 18 Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben . . . 54 Ziel 19 Forschung und Wissen zur Förderung der Gesundheit . . . . . . . . . 57 Ziel 20 Mobilisierung von Partnern für gesundheitliche Belange . . . . . . . . 59 Ziel 21 Konzepte und Strategien zur “Gesundheit für alle” . . . . . . . . . . . 62 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Vorwort Vorwort Das vorliegende Dokument ist ein unabhängiger Versuch, Grundlagen für eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik der Schweiz zu erarbeiten und aufzuzeigen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht. Die auf den folgenden Seiten definierten Ziele und Strategien sind das Resultat eines Prozesses: Fachleute aus der ganzen Schweiz haben sich an der Grundlagenarbeit beteiligt, die Verantwortlichen der Schweizerischen Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen haben dem Doku- ment die vorliegende Form verliehen. Die Autorinnen und Autoren, die zu den einzelnen Zielen beigetragen haben, sind im Anhang aufgeli- stet. Ebenfalls im Anhang findet sich eine Liste der verwendeten Hinter- grundliteratur. Die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen hofft, mit diesem Dokument vielen im Gesundheitswesen tätigen Per- sonen Handlungsanregungen und gedankliche Ansporne zu vermitteln. Unser Wunsch ist es, dass dieses Dokument in viele Hände kommt und die darin aufgeführten Massnahmen zumindest teilweise innert den gesetzten Fristen ergriffen werden können. Letztlich geht es uns aber vor allem darum, die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer (noch) zu verbessern. Die Schweiz hat bisher in Europa in vielen gesundheitlichen Indikatoren eine Spitzenstellung eingenommen. Eine Gesundheitspolitik, die sich auf die Ziele „Gesundheit für alle“ stützt, soll erreichen, dass dort, wo nach wie vor Lücken bestehen, diese gefüllt werden, dass die bestehenden Unterschiede nicht vergrössert, sondern verkleinert werden und dass die Schweiz sich auch in Europa und in der Welt solidarisch fühlt mit denjenigen, die schlechtere Bedin- gungen haben. Wir wünschen diesem Dokument mit seinen 21 Zielen zur Erlangung einer „Gesundheit für alle“ eine grosse Verbreitung. Vor allem aber wünschen wir, dass es die Wirkung entfaltet, die sich die Autorinnen und Autoren vorstellen. Wir danken nicht zuletzt dem Bundesamt für Gesundheit für die finanzielle Unterstützung sowie dem Projekt Natio- nale Gesundheitspolitik Schweiz und Gesundheitsförderung Schweiz für ihre wertvollen Anregungen und Mithilfe. Das Redaktionskomitee Prof. Dr. med. Ursula Ackermann-Liebrich Prof. Dr. med. Fred Paccaud Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller Dr. med. Therese Stutz Steiger 7
Ziel 1 Ziel 1 SOLIDARITÄT FÜR DIE GESUNDHEIT IN DER EUROPÄISCHEN REGION Bis zum Jahr 2020 sollte das derzeitige Gefälle im Gesundheitszustand der Bevölkerung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Region um mindestens ein Drittel verringert werden. 1.1 In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele erreicht werden: 1.2 Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen dem Drittel der europäischen Länder mit der höchsten und dem Drittel der Länder mit der niedrigsten Lebenserwartung sollten um mindestens 30% verringert werden. Durch raschere Verbesserung der Situation in den benachteiligten Ländern sollte die Variationsbreite bei den Werten für wichtige Indikatoren von Morbidität, Behinderungen und Mortalität unter Ländergruppen reduziert werden. Ausgangslage In vielen Indikatoren der „Gesundheit Health-Verantwortlichen drängt • Die Schweiz beteiligt sich an den für alle“, nimmt die Schweiz eine sich eine europäische (und weltwei- internationalen Bestrebungen zur Spitzenstellung ein. Hat sie deswegen te) Zusammenarbeit im Kampf Verminderung des Tabakkonsums. mehr Verantwortung für die gesund- gegen den Tabakkonsum auf. Sie verzehnfacht die dafür einge- heitlichen Bedingungen anderer Län- setzten Mittel in den nächsten 5 der? Wenn die Schweiz das Ziel 1 • Die Schweiz hat ein Programm zur Jahren. „Solidarität für die Gesundheit in der Bekämpfung des Drogenmiss- europäischen Region“ ernst nehmen brauchs mit internationaler Bedeu- • Die Schweiz unterstützt aktiv die will, so ist diese Frage mit Ja zu beant- tung entwickelt, auch hier kann sie andern und vor allem ärmeren Län- worten. Unterstützung auch in andere Länder unterstützen. der Europas im Kampf gegen harte gesundheitlichen Belangen wäre vor- Drogen. dringlich. Die Schweiz hat mit ver- schiedenen Ländern der europäischen Ziele Region, vor allem mit kleineren, ehe- Massnahmen maligen Ostblockländern, gute Kon- • Die Schweiz setzt sich für die Ver- takte eingeleitet. Sie hat beispiels- besserung der Gesundheit in dem Schweizer Wissenschafter erhalten weise die Umweltsanierung in Alba- Drittel der europäischen Länder ein, weiterhin gezielt Unterstützung für nien sehr stark unterstützt und ähnli- welche die niedrigste Lebenserwar- die Zusammenarbeit mit den ärmsten che Projekte in Litauen, Bosnien und tung haben. Sie unterstützt insbe- Ländern Europas, insbesondere für Weissrussland finanziert. Im Bereich sondere aktiv die Weiterbildung der die Schaffung von Strukturen zur Ver- Umwelt und Gesundheit gibt es wei- Public Health-Verantwortlichen in besserung der Gesundheit benachtei- tere solche Beispiele. Ob die Mittel, diesen Ländern sowie Projekte, wel- ligter Bevölkerungsgruppen. die dafür zur Verfügung gestellt wer- che die Verbesserung der Gesund- Die Schweiz unterstützt aktiv den, genügen? Diese Frage ist ange- heit der Benachteiligten zum Ziel Gesundheitsförderung und Präven- sichts der ausserordentlich grossen haben. Die Schweiz unterstützt mit tionsprogramme in Zusammenarbeit Differenzen in den Gesundheitsindi- technischen und finanziellen Mit- mit ärmeren Ländern Europas, insbe- katoren zwischen der Schweiz und teln die öffentliche Gesundheit in sondere hilft sie anderen Ländern in beispielsweise den ehemaligen Ost- den ärmsten Ländern Europas. der HIV-Prävention und der Drogen- blockländern zu verneinen. bekämpfung. Sie unterstützt und ent- • Die Schweiz setzt sich im Rahmen wickelt gemeinsam mit ärmeren Län- • Die Schweiz hat im Bereich HIV-Prä- der regionalen Gesundheitspolitik dern Programme zur Verminderung vention international ein Beispiel für die Verbesserung der Situation des Tabakkonsums. gesetzt. Sie kann auf diesem Gebiet ärmerer Länder in Europa ein. Die bestehenden Programme zu die- die ärmeren Länder Europas kom- ser Art der Zusammenarbeit mit petent beraten. • HIV-Prävention: Die Schweiz leistet ärmeren Ländern in Europa werden aktive Hilfe beim Aufbau von HIV- um weitere 15 Jahre verlängert und • Die Schweiz exportiert Zigaretten in Präventionsprogrammen in ärme- die Ergebnisse evaluiert. grosser Menge. Für die Public ren Ländern Europas. 9
Ziel 2 Ziel 2 GESUNDHEITLICHE CHANCENGLEICHHEIT Bis zum Jahr 2020 sollte das Gesundheitsgefälle zwischen sozioöko- nomischen Gruppen innerhalb der Länder durch eine wesentliche Ver- besserung der Gesundheit von benachteiligten Gruppen in allen Mit- gliedstaaten um mindestens ein Viertel verringert werden. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele erreicht werden: 2.1 Das Gefälle in der Lebenserwartung zwischen sozioökonomischen Gruppen sollte um mindestens 25% reduziert werden. 2.2 Die Werte für die wichtigsten Indikatoren von Morbidität, Behin- derungen und Mortalität sollten sich auf dem sozioökonomischen Gefälle gleichmässiger verteilen. 2.3 Sozioökonomische Bedingungen, die die Gesundheit beeinträchti- gen, vor allem Unterschiede im Einkommen, im Bildungsstand und im Zugang zum Arbeitsmarkt sollten wesentlich verbessert wer- den. 2.4 Der Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung sollte erheblich Problemlage verringert werden. 2.5 Personen mit besonderen Bedürfnissen aufgrund ihrer gesund- Artikel 2 der schweizerischen Bundes- heitlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Situation sollten vor verfassung definiert unter Absatz 3, gesellschaftlicher Ausgrenzung geschützt werden und ungehin- dass die Schweizerische Eidgenossen- derten Zugang zu bedarfsgerechter Versorgung erhalten. schaft „für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürge- rinnen und Bürgern sorgt“. In Artikel 8 wird dabei insbesondere auf Her- Armut ner und Frauen differiert um rund sie- kunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Spra- ben Jahre, zugunsten der Frauen. che, soziale Stellung, Lebensform, Definitionen und Indikatoren zur Trotz höherer Lebenserwartung füh- religiöse, weltanschauliche oder poli- Erhebung des Ausmasses von Armut len sich die Frauen gesundheitlich tische Überzeugung oder körperliche, differieren stark. Es kann aber davon schlechter: Sie geben häufiger Krank- geistige oder psychische Behinderung ausgegangen werden, dass in der heiten und Beschwerden an als Män- hingewiesen. Trotzdem gibt es Chan- Schweiz rund 5 bis 10 % der Bevöl- ner. Männer weisen höheres Risiko- cenungleichheiten in der Gesundheit kerung armutsbetroffen ist. Armut verhalten und verstärkte Tendenzen der Schweizer Bevölkerung: Sie fin- entsteht durch ein Bündel von Fakto- zu Selbstschädigung auf. den sich in allen in den Zielen ren und stellt einen dynamischen Pro- genannten Indikatoren, sind aller- zess dar, zentral ist dabei u.a. Lang- dings nicht überall in Zahlen belegbar. zeitarbeitslosigkeit, aber auch Krank- Altersgruppen heit (Sucht), Behinderung und ein- Die Lebenserwartung wird nicht nach schneidende Lebensereignisse (z.B. Sieben bis zwölf Prozent der Minder- sozioökonomischen Gruppen ausge- Scheidung oder Tod). Armutsbetroffe- jährigen wachsen in Armut auf. Die wiesen. Allerdings ist die Sterblichkeit ne verfügen generell über einge- Eidgenössische Koordinationskom- zwischen den sozioökonomischen schränkte gesundheitliche Chancen mission für Familienfragen folgert Gruppen in der Schweiz vergleichbar (auf Grund von Stress und ungünsti- aufgrund einer Literaturübersicht, mit anderen Ländern. Die Schweiz gem Gesundheitsverhalten). dass Armut bei Kindern und Jugend- weist auch hohe Einkommensunter- lichen „zu geringerem Selbstwertge- schiede auf. Der Anteil der in Armut fühl, Depressionen und Ängsten“ lebenden Bevölkerung hat sich in den Geschlecht führt. Verschiedene gesellschaftliche vergangenen 30 Jahren vergrössert. Entwicklungen sprechen dafür, dass In der Schweiz sind es 710'000 Perso- Geschlecht stellt – neben sozialer es sich bei den Jungen und jungen nen, rund 60 % davon sind Familien Schicht – die wichtigste Determinante Erwachsenen auch aus anderen mit Kindern. Einelternfamilien sowie für gesundheitliche Ungleichheit dar. Gründen um eine besonders belaste- jüngere und grössere Familien leben Frauen weisen einen geringeren Bil- te Altersgruppe handelt. häufiger in Armut als andere Fami- dungsstatus und geringeres Einkom- lientypen. men auf als Männer. Frauen waren im Die Gesundheit aller Altersgruppen vergangenen Jahrzehnt stärker von hat sich in den letzten Jahren verbes- Armut betroffen als Männer. sert, dies zeigt sich u.a. in der Sterbe- Die Lebenserwartung zwischen Män- statistik. Bei den 15- bis 20-Jährigen 10
hat die Sterblichkeit nur sehr wenig tragen und in deren Wohnquartieren zum Arbeitsmarkt sind die zentralen abgenommen. Ihre Situation hat sich verstärkt werden. Gesundheitsförde- Teilziele zur Erreichung der gesund- also – im Vergleich zu den anderen rung bei Arbeitslosen ist zu verbes- heitlichen Chancengleichheit. Auch Altersgruppen – verschlechtert. sern, und die „Gesundheitsförderung die ökologischen Bedingungen stellen Schweiz“ sollte in ihren Zielen die einen gesundheitlichen Faktor erster Landesteile und Sprachregionen gesundheitlichen Chancenungleich- Priorität dar. Es geht darum, die in der Schweiz heiten mitberücksichtigen. Umweltbedingungen für alle zu ver- bessern und die Exposition bestimm- Zwischen den verschiedenen Landes- Ziele ter Gruppen zu vermeiden. Zum Bei- teilen zeigen sich deutliche gesund- spiel sollen benachteiligte Gruppen heitliche Unterschiede. Sie sind teil- • Bis zum Jahr 2020 stehen Daten zur nicht vermehrt ökologischen Belas- weise auch durch die unterschiedliche Verfügung, welche zeigen, dass die tungen wie Lärm oder Luftverschmut- ökonomische Situation mitbedingt, Mortalitätsunterschiede zwischen zung ausgesetzt werden als andere sicher auch durch kulturelle Faktoren. den sozioökonomischen Gruppen Personen. Bei der gesellschaftlichen verkleinert sind. und ökonomischen Entwicklung wer- Migration und Integration • Bis zum Jahr 2020 werden die den die natürlichen Ressourcen und Unterschiede der Mobilitätsbehin- die Umwelt schonend genutzt. Kom- Ausländer und Ausländerinnen sind derung und Mortalitätsindikatoren mende Generationen sollen eine besonders stark von Arbeitslosigkeit zwischen den sozialen Gruppen in intakte Umwelt und intakte gesund- betroffen. Gesellschaftliche Integra- der Schweiz um 25% reduziert. heitliche Chancen antreffen. tion wurde in den letzten Jahren pre- • Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil kärer und umstrittener als zuvor. Die der unter der Armutsgrenze leben- Das Gesundheitssystem ist Teil gesell- Integrationsfähigkeit des Staates und den Bevölkerung von 10 auf 5% schaftlicher Bedingungen und daher der Gesellschaft ist zudem durch reduziert. für Gesundheit und Wohlbefinden neue Migrationsströme gefordert. • Bis zum Jahr 2020 stehen für die besonders relevant (Ziel 17). Es soll so Migranten und Migrantinnen haben Migrantinnen und Migranten ausgestaltet sein, dass es allen in aus unterschiedlichsten Gründen ein- besondere gesundheitliche Versor- gleicher Weise zugänglich ist, geschränkte gesundheitliche Chan- gungsnetze zur Verfügung. In allen gesundheitliche Ungleichheit nicht cen (Berufsexposition, Bildung, Spra- Kantonen werden Projekte zu zusätzlich verstärkt, sondern grund- che, biographische Ereignisse, Inte- deren Integration durchgeführt. sätzlich der Ungleichheit entgegen- gration, Einkommen, Inanspruchnah- wirkt. meverhalten). In der Regel gut inte- Massnahmen griert ist die bildungsstarke Gruppe Die Forderung nach Chancengleich- der Immigrantinnen und Immigran- Die Chancengleichheit zwischen den heit richtet sich stark an das politische ten. verschiedenen sozialen Gruppen ist System, das in verschiedener Hinsicht ein ambitioniertes Ziel. Es müssen Rahmenbedingungen für die Chan- Gesundheitliche Chancenungleich- Rahmenbedingungen geschaffen cengleichheit sicherstellen muss. heit ist mit zentralen Verteilungs- und werden, damit die unterschiedlichen Machtaspekten in einer Gesellschaft Kulturen sozialer Gruppen (Schichten, Gesundheitliche Chancengleichheit verknüpft. Dies sind nur schwer ver- Klassen, soziale Stellungen, Milieus) entsteht aus einer Vielzahl kleiner und änderbare Grössen. Eine Politik, die auf der Grundlage von Toleranz und grosser Entscheidungen durch mikro- hier Veränderungen bewirken will, sozialer Solidarität freiheitlich und meso- und makrosoziale Bedingun- bedarf breiter Abstützung in der gan- friedlich zusammen leben können gen und Strukturen. Ein so globales zen Gesellschaft. Die Ziele in diesem und sich um die Bekämpfung sozialer Ziel braucht zu seiner Realisierung die Bereich sind: Ausgrenzung und Abwertung bemü- Unterstützung und den demokrati- hen. Entsprechende Programme des schen Prozess von der Basis aus, von Die Gesundheits- und Interventions- Bundes werden erfolgreich umge- der Öffentlichkeit, von allen Ebenen forschung sollte verstärkt werden, im setzt. des politischen Systems und von allen Besonderen muss die Forschung über Teilen der Gesellschaft. Die Herstel- Indikatoren der gesundheitlichen Auf der sozioökonomischen Ebene lung gesundheitlicher Chancengleich- Chancenungleichheit zwischen braucht es Sinn stiftende Arbeit und heit muss daher ein prioritäres Ziel sozioökonomischen Gruppen ver- menschenwürdige Lebensverhältnisse und Anliegen aller werden, inner- und stärkt werden. Hierzu soll ein nationa- für alle, auch für diejenigen, die – aus ausserhalb von Public Health. les Forschungsprogramm gestartet welchen Gründen auch immer – nicht werden. in den Arbeitsprozess eingebunden Gesundheitsfördernde Aktivitäten sind. Die Zielsetzungen der WHO zur und Programme sollten insbesondere Bekämpfung von Armut, zur Verrin- den Gegebenheiten der benachteilig- gerung von Unterschieden im Ein- ten Bevölkerungsgruppen Rechnung kommen, Bildungsstand und Zugang 11
Ziel 3 Ziel 3 EIN GESUNDER LEBENSANFANG Bis zum Jahr 2020 sollten sich alle Neugeborenen, Säuglinge und Kinder im Vorschulalter in der Region einer besseren Gesundheit erfreuen, damit sie ihr Leben gesund beginnen können. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele erreicht werden: 3.1 Alle Mitgliedstaaten sollten für einen besseren Zugang zu bedarfs- gerechten reproduktionsmedizinischen Diensten sowie zu einer Schwangerschaftsvorsorge und –fürsorge und einer Gesundheits- versorgung für Kinder sorgen. 3.2 In keinem Land sollte die Säuglingssterblichkeitsrate über 20 pro 1000 Lebendgeburten liegen; Länder mit Sterblichkeitsraten unter 20 sollten sich bemühen, die Rate auf 10 oder weniger zu reduzieren. In Ländern, in denen die Säuglingssterblichkeitsrate unter 10 pro 1000 Lebendgeburten liegt, sollte der Anteil der Neugeborenen, die ohne angeborene Krankheiten oder Behinderungen zur Welt kom- men, erhöht werden. Problemlage 3.3 Bei Kindern unter 5 Jahren sollten Mortalität und Behinderungen infolge von Unfällen und Gewalteinwirkung um mindestens 50% In der Schweiz betreffen die Probleme reduziert werden. am Lebensanfang hauptsächlich die 3.4 Der Anteil der Kinder, die mit einem Geburtsgewicht von weniger als Tatsache, dass Fortpflanzung, 2500 g zur Welt kommen, sollte um mindestens 20% gesenkt wer- Schwangerschaft und die weiteren den, und die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Familienrollen Frauen betreffen, die – Ländern sollten signifikant verringert werden. und das hat sich in den letzten 20 Jahren geändert – gleichzeitig einer bezahlten Arbeit nachgehen müssen Pränatalperiode 3) sexuell übertragbare Krankheiten oder wollen und damit in einen 4) Risikoschwangerschaft schwierigen Rollenkonflikt gelangen. Kontrazeption 5) Infertilität Mitbetroffen sind die Kinder am 6) Gewalt gegen Frauen Lebensanfang. Der mütterliche Ein- Die Kontrazeption ist in der Schweiz 7) Verstümmelung der weiblichen satz für eine gesunde Entwicklung weit verbreitet. 1998 benützten rund Genitalien des Kindes ist beträchtlich: Es geht 90% aller Frauen zwischen 20 und 24 8) sexuelle Missbräuche nicht nur um die genetische Vorbe- (welche sexuelle Beziehungen pfleg- dingung, sondern vor allem um die ten und nicht schwanger waren) eine In der welschen Schweiz existieren postnatale Pflege und um das soziale Kontrazeptionsmethode. Unter die- Familienplanungszentren, welche und physische Umfeld während der sen Methoden ist die Pille mit einem gleichzeitig die Information und die ersten Lebensjahre. Eine Mutter- Anteil von 65% die weitaus verbrei- Verschreibung von sicheren Kontra- schaftsversicherung wurde in der tetste, gefolgt vom Präservativ mit zeptiva übernehmen und dies in einer Schweiz bisher abgelehnt. Der Natio- 22,5%. für die Frauen angenehmen Umge- nalrat hat allerdings kürzlich einem bung. In der Deutschschweiz gibt es neuen Modell zugestimmt. kaum entsprechende niederschwelli- Familienplanung ge Angebote, die allen Frauen zur Verfügung stehen. Vielfach überneh- Definitionen Frauen sollen über medizinische und men die Gynäkologen diese Tätigkeit. psychosoziale Stellen die nötigen Die Risiken der Pille werden insbeson- Pränatale Periode: Zeit vor der Geburt Kenntnisse erhalten, um selber und in dere bei älteren Frauen nicht genü- Perinatale Periode: Zeit kurz vor, wäh- Freiheit über die Fortpflanzung zu gend wahrgenommen. Die Tatsache, rend und bis eine Woche nach der bestimmen. Die International Planned dass Pille und Rauchen miteinander Geburt Parenthood Federation (IPPF) hat 8 das Risiko für die Frauen erhöhen, Neonatale und Säuglingsperiode: Zeit verschiedene Problemfelder in diesem sollte besser bekannt gemacht wer- zwischen Geburt und 12 Monaten Bereich identifiziert: den. (In der Gesundheitsbefragung Kleinkindheit: Kinder zwischen 0 und 1997 nahmen 5,2% der Frauen zwi- 5 Jahren, die noch nicht schulpflichtig 1) unerwünschte Schwangerschaft schen 35 und 45 die Pille und rauch- sind. und risikoreicher (illegaler) ten; von den Frauen, welche die Pille Schwangerschaftsabbruch einnahmen, waren ein Drittel Rauche- 2) Müttersterblichkeit rinnen). 12
Schwangerschaftsabbruch Rauchen und psychosoziale Fakto- pro 1'000 Geburten. Die Sterblichkeit ren hat vor allem durch den Rückgang In der Schweiz gelten immer noch die der Sterblichkeit der Kinder mit Artikel 118 bis 121 des Strafgesetzbu- 1999 waren 33% der Schweizer Geburtsgewicht unter 2'500g abge- ches von 1942, welche den Schwan- Bevölkerung Raucher, 27% der Frau- nommen. Sie ist aber nach wie vor gerschaftsabbruch straffrei nur dann en und 38% der Männer. Das Rau- bedeutend höher bei Knaben in allen erlauben, wenn das Leben der Mutter chen nimmt seit 1992 zu, besonders Geburtsgewichtsklassen. Sehr junge in Gefahr ist. Erfüllt er diese Bedin- bei den 15- bis 24-Jährigen (Frauen: und ledige Mütter gehören einer gung nicht, wird der Schwanger- von 26% auf 40%; Männer: von besonderen Risikogruppe an: Die schaftsabbruch als illegal bezeichnet 36% auf 46%). Zahlen aus der Säuglingssterblichkeit bei ihren Kin- und mit Gefängnis oder Zuchthaus Waadt zeigen, dass rund ein Fünftel dern ist wesentlich höher, insbeson- bestraft. Trotz dieses restriktiven der schwangeren Frauen noch in den dere bei Müttern unter 20 Jahren. Bei Gesetzes wird die Indikation relativ letzten 3 Monaten der Schwanger- ledigen Müttern ist sie fast doppelt so grosszügig gehandhabt. Heute kann schaft rauchen. Die Beziehung zwi- hoch wie bei verheirateten. fast jede Frau, die einen Schwanger- schen Rauchen und sozialökonomi- schaftsabbruch möchte, diesen in scher Schichtzugehörigkeit ist wohl- Geburtsort einem spezialisierten Zentrum vorneh- bekannt. Sie existiert auch zwischen men lassen. Allerdings sind die Rauchen und Geburtsgewicht der In der Schweiz finden praktisch alle Schwangerschaftsabbrüche jedes Jahr Kinder. In der Schweiz kommen rund Geburten (98.6%) in Spitälern statt. zurückgegangen. 1998 wurden deren 5% der Kinder mit einem Geburtsge- Andere Geburtsorte sind nach wie vor 13'000 registriert. Damit liegt die wicht unter 2'500 g zur Welt. Die die Ausnahme. Schweiz unter den Ländern mit der Wichtigkeit des Geburtsgewichts für niedrigsten Schwangerschaftsab- die Überlebenschance und Lebens- Stillen bruchsrate. Die meisten Schwanger- qualität eines Neugeborenen sind schaftsabbrüche werden bei unter 25- hinreichend untersucht. Ein niedriges In der Schweiz ist seit 1992 eine jährigen Frauen durchgeführt, die Geburtsgewicht bedeutet das höch- Arbeitsgruppe aktiv an der Umset- Hälfte davon bei Immigrantinnen. ste Risiko für spätere gesundheitliche zung der „Baby friendly hospital-Initi- und psychologische Probleme. Die ative“ der Unicef und der WHO. Die Auswirkungen des Rauchens der 10 Punkte der WHO sind in den bis- Zugang zu Mutter auf das Geburtsgewicht und her ausgezeichneten 34 Spitälern in Schwangerschaftsvorsorge spätere chronische Krankheiten sind Bezug auf das Stillen erfüllt: 88% der gut untersucht. Kinder verlassen das Spital voll Nach wie vor besteht eine grosse gestillt, was ein sehr guter Erfolg ist. Ungleichheit in der Qualität und im Ernährung Andere Punkte sind weniger gut Zugang zur pränatalen, perinatalen erfüllt. Nach wie vor erhalten zu viele und postnatalen Versorgung. So zei- Eine ausgewogene und gesunde Säuglinge Zusatznahrung, insbeson- gen lokale Studien, dass grosse Unter- Ernährung ist nach wie vor das Privi- dere in Form von Maltose/Dextrose- schiede in der pränatalen und perina- leg derjenigen, die einen grossen Teil Lösung und Tee. Diese Zusätze ver- talen Betreuung zwischen Frauen ver- ihres Einkommens und ihrer Zeit mindern die Chance, dass das Kind schiedener Herkunft und mit verschie- dafür einsetzen können. Während lang gestillt wird. denen sozioökonomischen Charakte- der Schwangerschaft und der Stillzeit ristika bestehen, insbesondere was ist die Bedeutung der ausgewogenen Präventiontion des plötzlichen die präventiven Leistungen betrifft. Ernährung noch grösser. Ernährungs- Säuglingstodes beratung ist ein integraler Teil der Schwangerschaftsversorgung. In Spe- Im Jahre 1995 starben 57 Kinder, im Vorbereitung auf die Geburt zialfällen kann in der Schweiz auf Jahre 1996 deren 39 an dieser Todes- Kosten der Krankenversicherung eine ursache. Dieser Rückgang wird im all- In der Schweiz wird die Geburtsvorbe- Ernährungsberatung eingesetzt wer- gemeinen auf die veränderten Lage- reitung der Einzelinitiative der Ehe- den. rungen der schlafenden Säuglinge paare überlassen. Die Krankenkasse zurückgeführt (nicht auf den Bauch). bezahlt einen Beitrag von Franken Säuglingssterblichkeit 100.-- an einen Schwangerschafts- und Geburtsvorbereitungskurs, der Das Ziel, die Säuglingssterblichkeit Kleinkindesalter von Hebammen erteilt wird. Dieser (Sterblichkeit im 1. Lebensjahr) unter Beitrag deckt die Kosten der Kurse 10 pro 1'000 Lebendgeburten zu sen- Mutterschaftsurlaub, mütterliche nicht, und je nach sozialer Schicht ken, ist in der Schweiz mit einer Säu- Arbeit und Kinderkrippen und Verständnis bestehen grosse glingssterblichkeitsrate von 4.8 pro Unterschiede in der Inanspruchnah- 1'000 (1997) bei weitem erfüllt. 1999 Zum Schutz der Mutterschaft gehört me. betrug die perinatale Sterblichkeit 6.9 auch die Übernahme präventiver Lei- 13
stungen, die Lohnfortzahlungen wäh- grosse Unterschiede in deren Ausstat- attraktiv ist. rend des Mutterschaftsurlaubes, der tung. Die Nachfrage nach Kinderbe- • Bis zum Jahr 2020 rauchen in der Kündigungsschutz sowie die Unter- treuungsplätzen übersteigt das Ange- Schweiz weniger als 5% der Frauen stützung von Frauen ohne Arbeitsein- bot bei weitem. 1996 gab es in der während der Schwangerschaft, kommen. Das Krankenversicherungs- Welschschweiz 108'000 Kinder bis zu und alle Frauen kennen die schäd- gesetz enthält ein Versicherungsobli- 4 Jahren. Im Durchschnitt können lichen Wirkungen des Rauchens gatorium für die gesamte Bevölke- Eltern schätzungsweise 50 bis 60% während der Schwangerschaft auf rung (auch für schwangere Frauen). der Betreuungszeit selber überneh- die Gesundheit der Kinder. Die präventiven Leistungen während men. Das bedeutet, dass für jedes • Bis zum Jahr 2010 kommen 95% Schwangerschaft und Geburt sind Teil Kind, welches in der Westschweiz aller Kinder in „baby friendly hospi- der obligatorischen Versicherung. Seit geboren wird, eine Betreuung von tals“ zur Welt. 1945 besteht die Aufforderung an mindestens 2 Tagen pro Woche • Bis zum Jahr 2010 wird in allen den Bund, eine Mutterschaftsversi- sichergestellt werden sollte. Genaue Kantonen und Gemeinden die Müt- cherung einzuführen; diese Forde- Daten fehlen zwar, aber im Moment ter- und Väterberatung auf qualita- rung hat sich aber bisher nicht kon- dürften Kinderhorte und die abwech- tiv hochstehendem Niveau für jun- kretisiert. So ist es nach wie vor dem selnde Betreuung von Kindern durch ge Eltern angeboten. Arbeitgeber überlassen, wie lange er die Mütter nur die Hälfte dieses den Lohn fortzahlen will. Das Obliga- Bedarfes abdecken. Auch die finan- tionenrecht sieht nur 8 Wochen vor, ziellen Aspekte fallen ins Gewicht: Massnahmen viele Kantone erhöhen diese Dauer Krippenbetreuungen sind günstiger auf 16 Wochen. Zwar wird die für Personen mit geringem Einkom- Bei allgemein guter medizinischer Beschäftigung von Frauen nach der men. Beträgt das Monatseinkommen Betreuung im engen Sinne finden sich Niederkunft verboten, aber der Lohn weniger als Franken 4'000.–, kosten Lücken in der Betreuung von Klein- während des Arbeitsverbots ist nicht Krippe oder Kinderhort weniger als kindern insbesondere bei der Präven- garantiert. Viele Frauen erhalten also die Betreuung durch eine Tagesmut- tion und im sozialen Sektor. keinerlei soziale Unterstützung nach ter. Doch der Preis der Krippen steigt der Geburt. mit dem Einkommen. Damit werden 1) Familienplanung ist nach wie vor Noch immer wieder wird Frauen sie paradoxerweise zur teuersten ein essentielles Präventionsinstru- nahegelegt, zum Geburtstermin die Betreuungsmöglichkeit für beruflich ment. Informationsprogramme Kündigung einzureichen. Hausfrauen aktive Frauen, deren Einkommen über Kontrazeption sollten sich ins- erhalten keinerlei Unterstützung nach wesentlich zur Verbesserung des besondere an Adoleszente und heute geltendem Bundesrecht. Aus Haushalteinkommens beiträgt. junge Frauen aus anderen Kulturen diesem Grund haben viele Kantone richten. Die Entwicklung der Gesetzgebungen eingeführt, die Schwangerschaftsabbrüche sollte einen gewissen Mutterschaftsbeitrag Entdeckung psychosozialer genau überwacht werden, um eine gewähren. Der Anteil berufstätiger Risikosituationen Rückkehr zu früheren gefährlichen Frauen in der Schweiz ist in den letz- oder unsicheren Methoden zu ver- ten Jahren gestiegen und erreichte im Die Familienpolitik in der Schweiz soll- hindern. Jahr 1999 74,5%. Das Arbeitsgesetz te vermehrt den Bedürfnissen der 2) Prävention kann bevorzugterweise schützt schwangere Frauen und stil- modernen Kleinfamilie Rechnung tra- bei der Geburtsvorbereitung erfol- lende Mütter, soweit sich das mit gen. Steigend ist auch die Zahl der gen. Allgemeine Ratschläge zur ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber Einelternfamilien, Patchwork-Fami- Lebenshygiene, aber insbesondere vereinbaren lässt. Dieses Gesetz wird lien, informellen Partnerschaften oder solche im Bereich von Tabak und aber im allgemeinen nicht durchge- Familiengruppierungen mit verschie- Ernährung haben einen grossen setzt. denen Generationen, die sich eben- Einfluss auf die gesamte Familie. Berufstätige Eltern sollten theoretisch falls der älteren Bevölkerung anneh- Die Wirkung des Tabakkonsums auf die Unterstützung durch Krippen men. Im europäischen Vergleich ist der Mutter auf das Geburtsge- oder Kinderhorte zurückgreifen kön- die schweizerische Familienpolitik in wicht, auf die Häufigkeit der plötz- nen. Obschon es eine Bundesverord- diesem Bereich bescheiden. lichen Todesfälle sowie auf die all- nung aus dem Jahre 1977 zur ausser- gemeine Gesundheit des Kindes familiären Betreuung von Kleinkin- sollte vermehrt als Argument ein- dern gibt, fehlt eine konsistente Sozi- Ziele gesetzt werden, um Frauen (und alpolitik, was sich in der verschieden- auch Väter) zum Aufhören zu artigen Organisation und Finanzie- • Bis zum Jahr 2020 gibt es in der bewegen. Eine bessere Begleitung rung dieser Institutionen manifestiert: Schweiz ein flächendeckendes, der Raucher und Raucherinnen ist So gibt es öffentliche, teilweise sub- niederschwelliges Angebot für die notwendig, ebenso die Übernah- ventionierte oder ganz subventionier- Beratung über reproduktive Belan- me der Nikotinersatztherapie te private und vollständig private ge, welches besonders auch für durch die Krankenkassen. Institutionen. Je nach Region gibt es junge Frauen und Ausländerinnen 14
3) Die Arbeitssituation sollte zu Gun- sten der jungen Familien verbessert werden: ein Familienurlaub sollte ermöglicht, die Mutterschaftsversi- cherung endlich eingeführt wer- den und Kinderbetreuungsplätze für alle zugänglich sein. Teilzeitar- beit und Aufteilung der Familien- betreuungsarbeit sollte in unserer Gesellschaft ermöglicht werden. 4) In Zukunft sollte eine Familienpoli- tik vermehrt die neuen Bedürfnisse unserer Gesellschaft berücksichti- gen. Eine niedrige Fruchtbarkeit, ein Rückgang der Verheiratungen und eine Zunahme der Scheidun- gen kennzeichnen heute die demographische Entwicklung. Freie Verbindungen und neue Familiengründungen führen teil- weise zu neuer Armut und Aus- grenzungen. 5) Lebensstil und Wohlbefinden der Eltern sind wichtig für die Gesund- heit der Kinder: Ein sicheres Heim mit stabilen sozialen Beziehungen ist eine gute Basis für das physische und psychische Gleichgewicht und die harmonische Entwicklung des Kindes. 6) Bis zum Jahr 2008 besteht in der Schweiz eine Mutterschaftsversi- cherung, die eine gesunde und stresslose Entwicklung von Mutter und Kind erlaubt. 7) Bis zum Jahr 2010 stehen genü- gend Kleinkinderbetreuungsplätze zur Verfügung, die den Eltern erlauben, im Arbeitsleben inte- griert zu bleiben. 15
Ziel 4 Ziel 4 GESUNDHEIT JUNGER MENSCHEN (6) Bis zum Jahr 2020 sollten sich junge Menschen in der Region einer bes- seren Gesundheit erfreuen und besser in der Lage sein, ihre Rolle in der Gesellschaft zu übernehmen. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele erreicht werden: Kindern und Jugendlichen sollten bessere „Lebensfertigkeiten“ und die Fähigkeit vermittelt werden, sich für eine gesunde Lebensweise zu entscheiden. Mortalität und Behinderungen aufgrund von Gewalteinwirkung und Unfällen (7) sollten bei jungen Menschen mindestens um 50% reduziert werden. Der Anteil junger Menschen, die einer gesundheitsschädigenden Lebensweise frönen (8), indem sie Drogen, Tabak und Alkohol konsu- mieren, sollte erheblich verringert werden. Die Häufigkeit von Schwangerschaften bei Minderjährigen sollte min- Problemlage destens um ein Drittel reduziert werden. Obwohl Jugendliche in der Schweiz 6 Bis zum Alter von 18 Jahren 7 Vgl. auch Ziel 9: „Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle zurückzuführende aufgrund der vergleichsweise niedri- Verletzungen“. gen Mortalitätsraten als eine 8 Vgl. auch Ziel 12: „Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak verursachten Schäden“. besonders gesunde Bevölkerungs- gruppe gelten, sind sie von zahlrei- chen Gesundheitsproblemen betrof- kungen im Kindes- und Jugendalter. und jede/r vierte Kopfschmerzen. Die fen. Es sind nicht mehr die akuten Es wird geschätzt, dass etwa 5 bis epidemiologischen Befunde verwei- Infektionskrankheiten, sondern vor 10% aller Kinder und Jugendlichen in sen darauf, dass Mädchen hier einem allem chronische Krankheiten und westlichen Industrieländern unter grösseren Beschwerdedruck ausge- Befindlichkeitsstörungen, die ihren Asthma und bis zu 10% unter Neuro- setzt sind als Jungen. Die Ursachen Gesundheitszustand negativ beein- dermitis leiden. Weitere 10 bis 15% für diese recht hohen Prävalenzraten flussen. Fünf Problembereiche sind sind durch eine Allergie und/oder sind in einem Ungleichgewicht zwi- hier hervorzuheben: durch Heuschnupfen belastet. Die schen Risikofaktoren und Belastun- ursächlichen Faktoren sind vielfältig. gen einerseits sowie personalen und Unfälle und gewaltsame Tode Sie sind sowohl auf der biologischen, sozialen Ressourcen andererseits zu 1998 verunfallten 5'597 Kinder und psychologischen und sozialen Ebene suchen. Die Beschwerden lassen sich Jugendliche im Strassenverkehr, 71 als auch in der natürlichen Umwelt zu als “Kosten der modernen Lebens- von ihnen tödlich. Unfälle im Verkehr, suchen. weise” interpretieren, als Ausdruck in der Freizeit und im Haushalt stellen der Auseinandersetzung mit den Risi- die häufigste Todesursache dar. Jun- Infektionskrankheiten ken und Chancen einer modernen gen erleiden wesentlich häufiger HIV und Aids stellen nach wie vor ein Industriegesellschaft. Unfälle als Mädchen, was sich u.a. wichtiges Gesundheitsproblem in der mit der riskanteren Lebensweise Schweiz dar, auch wenn die Infek- Gesundheitsriskantes Verhalten schon in jungen Jahren und mit tionsraten auf Grund erfolgreicher Im Jugendalter werden gesundheits- einem höheren Mobilisierungsgrad Präventionskampagnen zurückge- relevante Verhaltensweisen gefestigt. erklären lässt. Ab dem 14. Lebensjahr gangen sind. Hier wurde in den vergangenen Jah- werden darüber hinaus Selbsttötung ren – trotz der Präventionsbemühun- und Selbsttötungsversuche als Todes- Befindlichkeitsstörungen gen – eine Zunahme des Konsums ursache bedeutsam: Die Schweiz hat Befunde zu Befindlichkeitsbeeinträch- von Alkohol und Tabak beobachtet. mit etwa 50 Fällen pro 100'000 Ein- tigungen liegen aus Befragungsstu- 17% der 15-Jährigen geben an, täg- wohner eine der höchsten Suizidraten dien vor, z.B. der Studie “Health lich zu rauchen, weitere 25% rau- im europäischen Vergleich in der Behavior in School-aged Children” chen mindestens einmal pro Woche Altersgruppe 15 bis 19 Jahre (Män- (HBSC), die als internationale Ver- (keine Geschlechtsunterschiede). 9 % ner). gleichsstudie durchgeführt wird. Aus der 15-jährigen Mädchen und 19% den Befunden der Befragung von der gleichaltrigen Jungen geben an, Chronische Erkrankungen 1997/98 wird deutlich, dass etwa mindestens einmal pro Woche Alko- Asthma und Allergien gehören zu jede/r sechste Jugendliche einmal pro hol zu trinken. Die Ursachen für den häufigsten chronischen Erkran- Woche unter Bauchschmerzen leidet. riskanten Konsum überschneiden sich Jede/r fünfte hat Rückenschmerzen zum grossen Teil mit denen für 16
Befindlichkeitsstörungen. Auch Tempolimiten und verkehrsberuhig- mit Blick auf besonders benachtei- riskantes Essverhalten stellt zuneh- ten Zonen ligte Gruppen mend ein gesundheitliches Problem • Senkung der Promillegrenze auf • Unterstützung einer realistischen dar, zumal häufiges Diäthalten ein 0,0‰ Zukunftsplanung von Jugendlichen Risikofaktor für Bulimie ist. • Helmpflicht für Fahrradfahrer und • Unterstützung der Netzwerkbil- -fahrerinnen dung von Jugendlichen (z.B. durch • Obligatorisches Verkehrssicher- die Schaffung bzw. Öffnung sozia- Ziele heitstraining für Führerscheinneu- ler Räume) linge • Strukturelle Massnahmen zur Alko- • Bis zum Jahr 2010 wird die Zahl der • Einführung des “Führerscheins auf hol- und Tabakprävention: Preiser- verletzten Kinder und Jugendlichen Probe” höhung, Zugangsbarrieren (auch in im Strassenverkehr auf unter 2000 • Ausbau der Verkehrserziehung in Bezug auf Alcopops), Verbot von pro Jahr gesenkt der Schule Zigarettenautomaten • Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der • Aufklärung von Eltern über Unfall- • Etablierung von jugendspezifischen Selbsttötung und Selbsttötungsver- verhütung im Haushalt Tabakentwöhnungsprogrammen suche von Jugendlichen auf die • Verbesserung des Zugangs zu Hälfte reduziert Allergien und Asthma psychosozialen Hilfen • Bis zum Jahr 2010 stabilisiert sich • Förderung des Stillens (siehe auch der Anteil von Kindern und Jugend- Ziel 3) Darüber hinaus sind übergreifen- lichen mit Asthma und Allergien • Aufklärung über den Zusammen- de, störungsunspezifische und reduziert sich bis zum Jahr hang zwischen Lebensstil und Massnahmen zu konzipieren: 2020 auf 60% des heutigen Stan- Gesundheit des • Rauchentwöhnungsprogramme für • Verbesserung der Gesundheitsbe- • Weniger als 1% der Jugendlichen (werdende) Mütter und Väter (Pro- richterstattung im Kindes- und machen Erfahrungen mit illegalen blem Passivrauchen) Jugendalter Suchtmitteln • Etablierung von Schulungspro- • Gesundheitsverträglichkeitsprüfun- • Bis zum Jahr 2010 sind in allen grammen für an Asthma und Neu- gen auf allen Ebenen des politi- Schulen gesundheitsfördernde Pro- rodermitis leidende Kinder und ihre schen Systems gramme eingeführt Eltern • Schaffung einer Lobby bzw. eines • Alkoholkonsum Jugendlicher geht Netzwerkes für die gesundheit- bis zum Jahr 2010 unter das Niveau Befindlichkeitsstörungen und lichen Anliegen von Kindern und von 1990 zurück gesundheitsriskantes Verhalten Jugendlichen • Bis zum Jahr 2010 wird das Ein- • Systematische Förderung persona- stiegsalter für Raucher auf 18 Jahre ler Ressourcen (z.B. Selbstwertge- erhöht, die Neueinsteigerrate sinkt fühl, Selbstwirksamkeitserwartung, unter das Niveau von 1990 Kohärenzgefühl, soziale Kompe- • Die Jugendlichen erkennen ihre tenz) durch lebenskompetenzorien- Schutzbedürfnisse im sexuellen tierte Gesundheitsförderungspro- Bereich und benützen zu 95% Kon- gramme in Schulen, am Ausbil- dome bei Geschlechtskontakt dungs-/Arbeitsplatz und in der Frei- zeit; die Programme müssen hin- Massnahmen sichtlich Geschlecht, Alter, ethni- scher Zugehörigkeit und sozialer Ein Massnahmenpaket muss risikore- Schicht spezifiziert werden duzierende Massnahmen mit ressour- • Etablierung moderner Präventions- censteigernden verbinden, wie auch programme (Sucht, sexuell über- verhaltensorientierte Interventionen tragbare Krankheiten, Gewalt) in durch verhältnisorientierte ergänzt der Schule werden müssen. Je nach Problembe- • Schaffung gesundheitsförderlicher reich müssen unterschiedliche Lebenswelten (z.B. indem Schulen Schwerpunkte gesetzt werden. motiviert werden, im Netzwerk “gesundheitsfördernde Schulen” Unfallverhütung aktiv zu werden) • (Weitere) Verbesserung der Sicher- • Unterstützung von Familien heitstechnik • Partizipation und Empowerment • Städtebauliche Massnahmen (u.a. (z.B. über die Einrichtung von Kin- Ausbau des innerstädtischen Fahr- der- und Jugendparlamenten) radwegenetzes) • Verbesserung der Ausbildungs- und • Ausweitung von innerstädtischen Arbeitsmarktsituation, vor allem 17
Ziel 5 Ziel 5 ALTERN IN GESUNDHEIT Bis zum Jahr 2020 sollten Menschen im Alter von über 65 Jahren die Möglichkeit geboten werden, ihr Gesundheitspotential voll auszu- schöpfen und eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere folgende Teilziele erreicht werden: 5.1 Die Lebenserwartung von Menschen im Alter von 65 Jahren - mit und ohne Behinderungen - soll mindestens um 20% steigen. 5.2 Der Anteil der Menschen, die im Alter von 80 Jahren in einem häus- lichen Umfeld leben und so gesund sind, dass sie ihre Unabhängig- keit, ihre Selbstachtung und ihren Platz in der Gesellschaft bewah- ren können, sollte mindestens um 50% steigen. Problemlage In der Schweiz muss eine der politi- schen Zielsetzungen des Gesund- heitswesens sein, die Menschen auf ein Altern in Gesundheit vorzuberei- ten. Das bedeutet systematisch geplante Gesundheitsförderung und Gesundheitsschutz durch das ganze Lebenserwartung 80- bis 85-Jährigen in ihrem häus- Leben hindurch. Gelegenheiten im lichen Umfeld. Ihr Gesundheitszu- sozialen, Ausbildungs- und beruf- In der Schweiz ist bereits jetzt eine im stand erlaubt ihnen, ihre Unabhän- lichen Bereich sowie die Möglichkei- internationalen Vergleich sehr hohe gigkeit, ihre Selbsterhaltung und ten der körperlichen Betätigung soll- Lebenserwartung erreicht worden. ihren Platz in der Gesellschaft zu ten genutzt werden, um den älteren Während der letzten 120 Jahre ist die bewahren Personen zu ermöglichen, eine gute Lebenserwartung bei Geburt von • Bis zum Jahr 2020 sollte keine älte- Gesundheit, Selbstwertgefühl und unter 50 Jahren auf 76.2 Jahre bei re Person ohne kognitive Behinde- Unabhängigkeit zu erlangen, diese den Männern bzw. 82.3 Jahre bei den rung mehr im Alters- oder Pflege- aufrechtzuerhalten und weiterhin Frauen gestiegen; 65-jährige Männer heim leben, wenn sie dies nicht einen aktiven gesellschaftlichen Bei- hatten 1997 eine Lebenserwartung freiwillig gewählt hat trag zu leisten. Besonders wichtig von 16.6 Jahren, die gleichaltrigen • Bis zum Jahr 2010 werden auch sind innovative Programme zur Erhal- Frauen von 20.6 Jahren. Eine grosse Wohnungen für ärmere ältere tung körperlicher Kraft sowie zur Mehrheit der Erwachsenen erreicht Bewohner mit einfachen Hilfsmit- rechtzeitigen Korrektur von Ver- das Rentenalter in gutem Gesund- teln wie Handläufen, Griffen in schlechterungen der Augen, des heitszustand, so dass vor allem "den Bädern/WC’s sowie automatischen Gehörs und der Beweglichkeit, bevor Jahren Leben zu geben" als das prio- Lichtsensoren ausgerüstet diese die Unabhängigkeit der älteren ritärere Ziel erscheint. Dennoch sollte • Bis zum Jahr 2010 hat sich der Menschen beeinträchtigen. auch in der Schweiz das Ziel verfolgt Anteil der seh- und hörbehinderten Die gesundheitlichen und sozialen werden, in Regionen und bei Bevölke- älteren Personen, die keine Hilfe Dienstleistungen in der Gemeinde rungsgruppen mit einem überdurch- erhalten, auf 2% verringert sollten zu den älter werdenden Perso- schnittlich hohen Anteil an vorzeiti- • Bis zum Jahr 2010 sind in allen nen hinausgetragen werden, um sie gen Todesfällen die heute gutbekann- Gemeinden Programme für Mit- in ihrem Alltagsleben zu unterstüt- ten Möglichkeiten der Prävention von tagstische für betagte Personen zen. Ihre Bedürfnisse und Wünsche in chronischen Zivilisationskrankheiten errichtet Bezug auf Faktoren, die ihre Unab- besonders zu intensivieren. • Bis zum Jahr 2010 stehen in allen hängigkeit und soziale Produktivität Pflegeheimen „Ferienbetten“ zur beeinflussen (Wohnung, Einkom- kurzzeitigen Entlastung pflegender men), sollten zunehmend berücksich- Ziele Angehöriger zur Verfügung tigt werden. • Bis zum Jahr 2010 liegt ein Vor- • Bis zum Jahr 2020 leben 80% der schlag zur Gestaltung und Finanzie- 65- bis 80-Jährigen und 50% der rung präventiver Hausbesuche vor 18
Sie können auch lesen