Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz - Elisabeth Bühler Unter Mitarbeit von Carmen Brun (Kartografie) und Martin Steinmann (grafische Gestaltung)
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Elisabeth Bühler Unter Mitarbeit von Carmen Brun (Kartografie) und Martin Steinmann (grafische Gestaltung) Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz Reihe «Gesellschaft Schweiz» herausgegeben vom Schwerpunktprogramm ZUKUNFT SCHWEIZ
Das Schwerpunktprogramm ZUKUNFT SCHWEIZ Dank wird vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziell unterstützt. Am Anfang stand die Überzeugung, dass die Herstellung eines Frauen- und Gleichstellungs- atlas Schweiz eine spannende und lohnenswerte Aufgabe ist und einer interessierten Öffent- lichkeit nützliche Informationen zur Verfügung stellen kann. Ich danke den verantwortlichen Personen des Schweizerischen Nationalfonds, der Expertenkommission und der Programm- koordination des SPP Zukunft Schweiz sowie des Geographischen Institutes der Universität Zürich für das Vertrauen und die finanziellen Mittel, die es ermöglichten, den Plan in die Tat umzusetzen. Ohne das Know-how der Fachleute im Bundesamt für Statistik hätte dieser Atlas nicht re- alisiert werden können. Mein grösster Dank gilt Hans Steffen und den MitarbeiterInnen der Fachstelle für Thematische Kartographie (ThemaKart) für die grosszügige und tatkräftige Unterstützung des gesamten Projektes, insbesondere für die Durchführung der notwendigen Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Aggregierungen der Gemeindedatensätze, die Herstellung von zwei Karten speziell für die- sen Atlas (Kapitel 1) und die angenehme Zusammenarbeit. Zum Gelingen dieses Atlas haben Elisabeth Bühler: weiter auch folgende Personen des Bundesamtes für Statistik massgeblich beigetragen: Anna Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz / Elisabeth Bühler. Borkowski, Pierre Fontaine, Claire Jobin, Robert Poffet, Jacqueline Schön-Bühlmann, Werner Unter Mitarb. von Carmen Brun und Martin Steinmann. - Zürich : Seismo, 2001 (Reihe «Gesellschaft Schweiz») Seitz und Dominik Ullmann. ISBN 3-908239-79-6 Ein grosser Dank geht an die Repräsentantinnen folgender kantonaler Gleichstellungsbü- ros, welche die Fortschritte der Arbeit mit kritischen und anregenden Hinweisen sehr geför- dert haben: Kathrin Arioli und Catherine Silberschmidt, Kanton Zürich, Sina Bardill, Kanton Graubünden, Marianne Frischknecht und Maria Roth-Bernasconi, Kanton Genf, Barbara Gun- tern Anthamatten, Kanton Wallis, Charlotte Habegger-Zumbühl, Kanton Luzern, Gabriella Ma- tefi und Simone Peter, Kanton Basel-Landschaft sowie Chiara Simoneschi-Cortesi, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen. Schliesslich danke ich Martin Schuler sowie allen anderen Kolleginnen und Kollegen aus Copyright © 2001, Seismo Verlag, Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen, dem Fachbereich Geographie für zahlreiche wertvolle fachliche Hinweise. Und last but not Postfach 313, CH-8028 Zürich least gebührt Daniela Diener-Roth und Hans Elsasser ein spezieller Dank für das sorgfältige E-Mail: seismo@gmx.ch Lektorat des Manuskripts. http://www.seismoverlag.ch Basiskarten: © Carmen Brun, CH-6300 Zug Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung (Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung u. a. m.) dieses Werkes oder einzelner Teile ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. ISBN 3-908239-73-7 Umschlaggestaltung: Gregg Skermann, Zürich Reliefkarte: © Bundesamt für Landestopographie (BM002046) Druck: Druckerei Schüler AG, Biel
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung 7 Einleitende Bemerkungen 8 Zielsetzungen, Aufbau und Grenzen des Atlas 9 Die räumlichen Gliederungen 10 Hinweise zur Karteninterpretation 11 Kantone und Grossregionen 12 MS-Regionen 13 Sprachregionen und Gliederung städtisch-ländlich 14 Gemeindetypen 15 Methodische Bemerkungen und Literaturhinweise 16 2 Familien- und Haushaltsformen 17 Thematischer Überblick 18 Ehe und Partnerschaft 19 Ehe 20 Neuregelung der Institution Ehe 22 Singles 24 Kinder und Elternschaft 27 Einelternfamilien 28 Allein erziehende Mütter 30 Veränderung des Frauenanteils an den allein Erziehenden 31 Kinderlosigkeit 32 Ältere Personen 34 Allein wohnende ältere Männer 36 Allein wohnende ältere Frauen 37 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 38 3 Erwerbsarbeit und Beruf 39 Thematischer Überblick 40 Beschäftigungsgrad und -entwicklung 41 Beschäftigungsgrad der Männer 1995 42 Beschäftigungsgrad der Frauen 1995 43 Teilzeitbeschäftigung 44 Vollzeitbeschäftigung 45 Vollzeitbeschäftigung der Männer 1985–1995 46 Vollzeitbeschäftigung der Frauen 1985–1995 47 Beschäftigungsvolumen 48 Beschäftigungsvolumen der Männer 1985–1995 50
Seite Seite Beschäftigungsvolumen der Frauen 1985–1995 51 6 Ausbildung 99 Berufliche Kompetenzen 52 Thematischer Überblick 100 Organisations- und Ausbildungskompetenzen der Männer 54 Bildungsziel Maturität 102 Organisations- und Ausbildungskompetenzen der Frauen 55 Maturitätsschüler 104 Frauen in Führungspositionen 56 Maturitätsschülerinnen 105 Lohnungleichheit 58 Berufsausbildung 106 Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und weitere Rechte 60 Dissimilaritätsindex der Lehrberufe 108 Berufspendlerinnen und -pendler 62 Bildungsstand von Frauen und Männern 110 Motorisierte Wegpendler 64 Bildungsstand der 50- bis 69-jährigen Männer 112 Motorisierte Wegpendlerinnen 65 Bildungsstand der 50- bis 69-jährigen Frauen 113 Motorisierte Wegpendlerinnen und -pendler 66 Bildungsstand der 30- bis 49-jährigen Männer 114 Erwerbslosigkeit 68 Bildungsstand der 30- bis 49-jährigen Frauen 115 Arbeitslosenquoten der Männer 70 Bildungsrückstand der 50- bis 69-jährigen Frauen 116 Arbeitslosenquoten der Frauen 71 Bildungsrückstand der 30- bis 49-jährigen Frauen 117 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 72 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 118 4 Unbezahlte Arbeit 73 7 Politik 119 Thematischer Überblick 74 Thematischer Überblick 120 Haus-und Kinderbetreuungsarbeit 75 Politische Gleichberechtigung 121 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 76 Frauenstimmrecht 1959 122 Frauenstimmrecht 1971 123 5 Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit 77 Frauenvertretungen in der Bundesversammlung 124 Thematischer Überblick 78 Frauenvertretungen in den kantonalen Behörden 125 Geschlechterkulturelle Familienmodelle 79 Frauenvertretungen in den Gemeindeexekutiven 126 Traditionelles bürgerliches Familienmodell 80 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 128 Modernisiertes bürgerliches Familienmodell 82 Egalitär-erwerbsbezogenes Familienmodell 84 8 Synthese 129 Egalitär-familienbezogenes Modell 86 Gleichstellungsindex 130 Geschlechterkulturelle Familienmodelle 1970 88 Schlussfolgerungen 132 Geschlechterkulturelle Familienmodelle 1990 89 Zahlentabelle zur Geschlechterungleichheit in der Schweiz 134 Mutterschaftsversicherung 90 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 136 Erwerbsgrad allein erziehender Mütter und Väter 92 Nicht erwerbstätige allein erziehende Mütter 94 Teilzeit erwerbstätige allein erziehende Mütter 95 Vollzeit erwerbstätige allein erziehende Mütter 96 Familienergänzende Kinderbetreuung 97 Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise 98
1 Einleitung
8 1 Einleitung Einleitende Bemerkungen Gleichstellung bedeutet nicht Gleichmacherei Ein Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz beruft sich auf das gesellschaftspolitische Ziel der Frauen und Männer: gleich oder verschieden? Chancengleichheit und Gleichberechtigung beider Geschlechter, wie es beispielsweise im Arti- Ein Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz basiert auf der Einteilung aller Menschen in weib- kel 4 der Schweizerischen Bundesverfassung umschrieben wird (siehe Kapitel 3 «Gleicher Lohn liche und männliche Personen, Mädchen und Knaben, Frauen und Männer. Tatsächlich ist das für gleichwertige Arbeit und weitere Rechte»). Gleichstellung von Frauen und Männern ist dabei Geschlecht ein Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaftsordnung in der Schweiz und vielen an- keineswegs mit Gleichmacherei gleichzusetzen, sondern strebt den Abbau ungerechtfertigter deren, wenn nicht gar allen, Gesellschaften und Ländern. Neben der biologischen Verschiedenheit Privilegien oder Benachteiligungen an, die sich direkt oder indirekt als Folge der Zugehörigkeit von Frauen und Männern hat der Faktor Geschlecht auch eine psychologische, gesellschaftli- zu einem Geschlecht ergeben. Auf der formaljuristischen Ebene ist heute die Gleichberechtigung che und symbolische Bedeutung. Mädchen werden «als Mädchen» und Knaben «als Knaben» von Frauen und Männern in der Schweiz annähernd erreicht. In der Praxis dagegen sind auf erzogen und entwickeln eine persönliche Identität als Frau bzw. als Mann. Erwachsene Frauen dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern noch verschiedene Hindernisse zu über- und Männer üben weitgehend unterschiedliche Tätigkeiten und Rollen in der Gesellschaft aus. winden. Im vorliegenden Atlas interessiert, inwiefern dieses Ziel in den einzelnen Regionen des Bestimmte Verhaltensweisen gelten als männlich, andere dagegen als weiblich und von den Ge- Landes bereits erreicht worden ist. sellschaftsmitgliedern wird erwartet, dass sie sich an diese (meist ungeschriebenen) Normen hal- ten. Schweiz: kulturelle und strukturelle Vielfalt auf kleinem Raum Diese Betonung der Verschiedenheit von Frauen und Männern ist jedoch nur eine Sichtweise. Die Schweiz ist trotz ihrer geringen Grösse ein vielgestaltiges Land. Diese Vielfalt kommt so- Zumindest in der Schweiz und den anderen westlichen Industrieländern hat sich – beginnend wohl in wirtschaftlichen und politischen als auch in sozialen und kulturellen Aspekten des mit der Aufklärung im 17. Jahrhundert – im Laufe der Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass Lebens zum Ausdruck. Der föderalistische Staatsaufbau gewährt den Kantonen in vielerlei Hin- Frauen und Männer im Grunde genommen dieselben Eigenschaften als Menschen besitzen und sicht einen grossen Handlungsspielraum für eine eigenständige Entwicklung. In geringer zeit- deshalb auch gleiche Rechte in der Gesellschaft beanspruchen können. Selbst auf der biologi- licher und räumlicher Distanz existieren dynamische Wirtschaftsmetropolen, allen voran Zürich, schen Ebene weisen Frauen und Männer sehr viele Gemeinsamkeiten auf und es ist eine Frage dessen Pendlerströme sich stets weiter in den vormals ländlichen Raum ausbreiten, und dünn des Blickwinkels, ob man eher die biologischen Ähnlichkeiten zwischen Frauen und Männern besiedelte Täler mit einer wenig entwickelten, nach wie vor von der Landwirtschaft geprägten hervorheben will oder die Unterschiede. Die so genannten «natürlichen» Unterschiede in der Wirtschaft. Auch die dominierenden Werthaltungen und Überzeugungen der Bevölkerung sind Biologie und im Verhalten von Frauen und Männern erweisen sich jedenfalls bei genauerem Hin- keineswegs im ganzen Land einheitlich, wie es anlässlich von eidgenössischen Volksabstim- sehen oft als kulturelle Konstrukte. Deshalb zweifeln beispielsweise heute nur noch wenige daran, mungen mit schöner Regelmässigkeit zum Ausdruck kommt. Stadt-Land-Kontraste, aber auch dass Väter genauso fürsorglich mit ihren Kindern umgehen können wie Mütter oder dass Frau- Unterschiede zwischen den drei grossen Sprachregionen prägen hier das geographische Bild. en so gut wie Männer technische Spitzenleistungen vollbringen können. Bereits 1974 haben die beiden Soziologen Thomas Held und René Levy in einer umfangrei- Frauen und Männer sind somit gleichzeitig sowohl gleich als auch verschieden. chen soziologischen Analyse auf die grosse Bedeutung wirtschaftlicher und kultureller regiona- ler Besonderheiten für die «Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft» in der Schweiz hin- Bewusste Einnahme einer «frauenorientierten» Perspektive gewiesen. Die beiden Autoren kamen zum Schluss, dass ein direkter Zusammenhang besteht Durch den Entscheid, einen Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz herzustellen, wird den zwischen dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand, den Einstellungen der Bevölkerung zur Eman- Unterschieden zwischen Frauen und Männern und den unterschiedlichen Rollen und Lebens- zipation der Frauen (in jener Zeit ein zentraler Begriff) sowie der tatsächlichen Gleichstellung bedingungen von Frauen und Männern eine vergleichsweise grosse Bedeutung beigemessen. der Geschlechter. «Je weniger entwickelt ein Kanton ist, desto eher neigen viele seiner Einwohner Dieser Entscheid rechtfertigt sich aus zwei Gründen: Erstens wird in den bestehenden Atlaswerken zu Reaktionen, die zur Verhärtung traditioneller Wertvorstellungen und zur Betonung zuge- zur Sozialstruktur der Schweiz (siehe Literaturhinweise am Ende dieses Kapitels) der grossen Be- schriebener Merkmale (Frauen, Ausländer) führen», wurde damals festgehalten. Die vorliegen- deutung des Faktors Geschlecht nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zweitens gelangen in de Untersuchung wird zeigen, ob oder inwiefern die Ergebnisse von Held und Levy auch heute diesen Publikationen gesellschaftliche Bereiche nicht zur Darstellung, welche heute aus Sicht vie- noch gültig sind. ler Frauen von besonderem Interesse sind. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Bereiche der unbezahlten und ehrenamtlichen Arbeit, Aspekte der haushaltorientierten Infrastruktur sowie die Thematik der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie. Diese implizit männerorien- tierte Perspektive der bestehenden Atlaswerke zur Sozialstruktur der Schweiz wird deshalb mit dem vorliegenden Band durch eine explizit frauenorientierte Perspektive ergänzt.
1 Einleitung 9 Zielsetzungen, Aufbau und Grenzen des Atlas cen von Frauen nachhaltig prägen. Zu diesen im vorliegenden Atlas jedoch nicht berücksich- tigten Bereichen zählen insbesondere die beiden wichtigen Bereiche Sexualität und Gewalt. Zielsetzungen Daneben sind auch die internationale und nationale Migration, das kulturelle Schaffen, das Ge- Der Frauen- und Gleichstellungsatlas verfolgt insbesondere folgende Ziele: sundheitswesen und viele weitere gesellschaftliche Bereiche in hohem Masse geschlechts- Er stellt die regionalen Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der Lebensbedin- spezifisch geprägt. Ein Einbezug dieser Themen hätte jedoch nicht nur den gegebenen zeitlichen gungen von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter in einer vergleichenden Weise dar. und finanziellen Rahmen des Projektes gesprengt, sondern wäre in vielen Fällen bereits an den Frauenerwerbsarbeit im Glarner Hinterland hat beispielsweise eine andere Bedeutung als Frau- verfügbaren Daten gescheitert. enerwerbsarbeit in der Stadt Genf. Er macht die Vielfalt der Lebensbedingungen von Frauen in verschiedenen gesellschaftlichen Grenzen Bereichen sichtbar. Höhere Frauenanteile in wirtschaftlichen Führungspositionen sind bei- Atlanten und andere Werke, welche sich hauptsächlich auf quantitativ messbare, statistische spielsweise nicht automatisch und in allen Regionen mit einer höheren Repräsentation der Frau- Daten stützen, bilden immer nur einen begrenzten Teilbereich der gesellschaftlichen Realität ab. en in den politischen Behörden gekoppelt, denn die gesellschaftlichen Prozesse, welche diese Auf drei Einschränkungen der Aussagekraft dieses Atlas soll im Folgenden speziell hingewiesen Geschlechterverhältnisse bewirken, sind komplex und teilweise widersprüchlich. werden. Er schärft das Bewusstsein für Geschlechterungleichheiten. Die tatsächliche Gleichstellung Wie gerade angesprochen, werden die Grenzen eines Atlas erstens durch die vorhandenen von Frauen und Männern ist überall in der Schweiz erst in Ansätzen verwirklicht. Lassen sich statistischen Daten gesetzt. Gesellschaftliche Bereiche, welche statistisch nur unzureichend oder trotzdem Regionen mit grösserer und geringerer Geschlechterungleichheit bestimmen? Sind die gar nicht erfasst sind, können auch nur unzureichend oder gar nicht abgebildet werden. Die wirtschaftlich starken Regionen auch gleichzeitig fortschrittlicher auf dem Gebiet der Gleich- diesbezüglich grössten statistischen Lücken bestehen in der Schweiz momentan in allen Berei- stellung? chen, welche die so genannte Privatsphäre betreffen. Im Privaten leisten die Frauen traditionell Er liefert Anstösse für weitergehende Arbeiten auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechter- einen Hauptteil der Arbeit. Kleine Kinder werden in der Schweiz hauptsächlich in der Familie forschung. Der Atlas stellt ein Arbeitsinstrument dar, um sich gezielt über relevante gleichstel- oder informell von Verwandten und in der Nachbarschaft betreut. Im Gegensatz zu anderen lungspolitische Gegebenheiten innerhalb der Schweiz zu informieren. Die angesprochenen The- Ländern, z. B. Kanada, sind diese im Privaten erbrachten Leistungen in der Schweiz statistisch men und aufgeworfenen Fragen bilden gleichzeitig eine Ausgangsbasis für weiterführende, nur schlecht erfasst. Aber auch die Bereiche Sexualität und Gewalt gehören zu einem grossen vertiefende Analysen. Teil in die Privatsphäre. Gerade der letzte Punkt macht deutlich, dass der flächendeckenden sta- tistischen Erfassung vieler relevanter Aspekte des Zusammenlebens, z. B. mit Volkszählungen, Aufbau auch grundsätzliche Grenzen gesetzt sind. In den Hauptkapiteln werden 5 grosse gesellschaftliche Bereiche aufgegriffen und diskutiert, Eine zweite Begrenzung der Aussagekraft der vorliegenden Publikation ist im Prinzip der Ab- denen aus einer Frauen- und Gleichstellungsperspektive eine speziell hohe Relevanz zukommt. bildung sozialer Sachverhalte mit Hilfe von Karten selbst begründet. In Karten werden regiona- Es sind dies die Bereiche: Familien und Haushalte – Erwerbsarbeit und Beruf – Unbezahlte Ar- le Muster sozialer Sachverhalte sichtbar; durch welche Prozesse diese Muster zustande kom- beit – Bildung – Politik. men, geht daraus grundsätzlich nicht hervor. Aus dem hohen Anteil nicht erwerbstätiger Mütter In der internationalen vergleichenden Geschlechterforschung besteht weitgehende Über- im Oberwallis (Kapitel 5) lässt sich beispielsweise nicht erkennen, ob diese Lebensform auch den einstimmung, dass diese Bereiche für eine Analyse der Geschlechterungleichheit unverzichtbar Wertvorstellungen der betreffenden Frauen entspricht oder – falls sie lieber erwerbstätig wären sind. Dem in der Schweiz gleichstellungspolitisch zentralen, kontrovers diskutierten Thema der – welche persönlichen, familiären, arbeitsmarktlichen oder sonstigen Gründe sie an einer Er- Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Schlusskapitel wird so- werbstätigkeit hindern. Um solchen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, sind vor allem dann der Versuch unternommen, mit Hilfe einiger «harter» Merkmale der Geschlechterun- qualitative Fallstudien geeignet. gleichheit eine gleichstellungspolitische Rangliste der Schweizer Regionen zu erstellen. Drittens hat die Fokussierung auf regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Lebens- Nach Möglichkeit wurden nicht nur die jeweils verfügbaren aktuellsten statistischen Daten, bedingungen von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter konsequenterweise eine Ver- sondern auch zeitlich weiter zurückliegende Datensätze in die Auswertung einbezogen. Dieses nachlässigung anderer sozialer Differenzierungskriterien zur Folge. Die dargestellten Durch- Vorgehen erlaubt es, neben dem synchronen regionalen Quervergleich auch die zeitliche Dy- schnittswerte für die gesamte Gruppe der Frauen bzw. Männer in einer Region müssen deshalb namik der Lebensbedingungen von Frauen festzuhalten und unter anderem zu beurteilen, ob grundsätzlich weder auf jeden Einzelfall zutreffen noch auf alle relevanten sozialen Gruppen. Ins- sich die Regionen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse im betrachteten Zeitraum eher an- besondere die wichtigen Unterscheidungen nach nationaler Zugehörigkeit und sozialem Status geglichen oder auseinander entwickelt haben. konnten nicht systematisch, sondern nur ansatzweise in die Untersuchung einbezogen werden. Familie, bezahlte und unbezahlte Arbeit, Ausbildung und Politik sind zwar zentrale, jedoch nicht die einzigen gesellschaftlichen Bereiche, welche die Lebenssituation und die Lebenschan-
10 1 Einleitung Die räumlichen Gliederungen len keine aussagekräftige Berechnung von Relativwerten zulassen. Die Sprache ist ein erstran- giges Medium der Kulturvermittlung und Identitätsbildung, weshalb fast a priori davon ausge- Im Frauen- und Gleichstellungsatlas werden die Lebensbedingungen von Frauen und die Gleich- gangen werden kann, dass dominierende Einstellungen, Werte und Normen bezüglich einer gan- stellung der Geschlechter für verschiedene, unterschiedliche Raumeinheiten vergleichend dar- zen Anzahl sozialer Sachverhalte zwischen unterschiedlichen Sprachräumen differieren. Für die gestellt und beurteilt. Dieses Vorgehen erlaubt, die einzelnen Sachverhalte sozusagen von ver- Schweiz ist mittlerweile empirisch gut dokumentiert, dass sich auch die Einstellungen in Bezug schiedenen Seiten zu beleuchten und ermöglicht dadurch mehr analytische Tiefenschärfe. Alle auf zentrale Merkmale des Geschlechterverhältnisses zwischen den Sprachregionen deutlich im Atlas verwendeten Raumeinheiten entsprechen offiziellen, vom Bundesamt für Statistik de- unterscheiden. finierten Raumgliederungen. Sie werden auf dieser Seite kurz beschrieben und auf den nach- folgenden Kartenseiten kartographisch abgebildet. Städte, städtisches Umland und Land Städte und ländliche Räume unterscheiden sich per definitionem hinsichtlich zentraler wirt- Kantone und Grossregionen schaftsstruktureller Merkmale. In den städtischen Agglomerationen konzentrieren sich die mo- Die 26 Kantone der Schweiz verfügen über teilweise weitreichende administrative und gesetz- dernen, wertschöpfungsintensiven Dienstleistungsfirmen, die hochzentralen Dienstleistungen geberische Kompetenzen, unter anderem in der Steuergesetzgebung und im Ausbildungsbe- sowie die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsfunktionen. Stadt und Land unter- reich. Für die Situation der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter können die kanto- scheiden sich aber auch in kultureller Hinsicht, indem kulturelle Innovationen sich oft in den nalen politischen Kompetenzen deshalb je nachdem von nicht zu unterschätzender Bedeutung Städten zuerst ausbreiten. Das Stadt-Land-Kontinuum ist deshalb in einer vergleichenden Ana- sein. Wirtschaftlich, sozial und kulturell sind die meisten Schweizer Kantone jedoch sehr hetero- lyse der Situation von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter auf jeden Fall zu be- gene Einheiten, weshalb sie sich nur bedingt für eine vergleichende Betrachtung sozialer Sach- rücksichtigen. Im Atlas werden die städtischen Gebiete zusätzlich unterteilt in Städte und städ- verhalte eignen. Die 7 Grossregionen sind Zusammenzüge von Kantonen. Die Grossregionen tisches Umland. Die Städte entsprechen den Agglomerationszentren der offiziellen Statistik und gelangen nur einmal (Thema «Lohnungleichheit», Kapitel 3) zur Darstellung, dies weil für klei- das städtische Umland dem Agglomerationsgürtel. Die teilweise ausgeprägte Differenzierung nere Raumeinheiten keine repräsentativen statistischen Zahlen über die Lohneinkommen zur von Wohnbevölkerung und Wirtschaft zwischen den Kernstädten und ihrem Umland macht diese Verfügung stehen. zusätzliche Unterscheidung sinnvoll. Die neun so genannten «isolierten Städte» werden hier dem städtischen Umland zugerechnet. Auch die Stadt-Umland-Land Differenzierung wird – zusam- MS-Regionen men mit den Sprachgebieten – in Form von Säulendiagrammen abgebildet. Die 106 so genannten MS-Regionen sind heute die am meisten verwendete Analyseeinheit auf mikroregionaler Ebene. Sie sind anfangs der Achtzigerjahre im Rahmen eines Forschungspro- Gemeindetypen jektes über räumliche Mobilität (MS = mobilité spatiale) aus bestehenden Berggebiets- und Raum- Im Gegensatz zu den anderen Raumgliederungen sind die Gemeindetypen keine zusammen- planungsregionen durch Übernahme, Aggregation und in Einzelfällen Neubildung geschaffen hängenden Gebiete, sondern Zusammenfassungen von Gemeinden mit ähnlichen Merkmalen. worden. Die MS-Regionen zeichnen sich durch eine gewisse räumliche Homogenität aus und Die neun unterschiedenen Gemeindetypen werden in Form von Tabellen dargestellt. Vier Ge- stellen vor allem in ländlichen Gebieten Kleinarbeitsmarktregionen mit funktionaler Ausrichtung meindetypen bilden zusammen das städtische Gebiet: Die Zentren entsprechen den Agglome- auf ein Zentrum dar. Die MS-Regionen sind die kleinste räumliche Einheit, die im Frauen- und rationszentren (siehe oben), das städtische Umland wird unterteilt in suburbane, periurbane sowie Gleichstellungsatlas zur Darstellung gelangt. Zur Interpretation der Geschlechterverhältnisse in reiche Gemeinden. Auf der entsprechenden Karte lassen diese vier städtischen Gemeindetypen den MS-Regionen sind neben ihrer kantonalen und sprachregionalen Zugehörigkeit und ihrer meistens eine konzentrische oder axiale Siedlungsanordnung erkennen: In unmittelbarer Nähe Situierung im Stadt-Land-Kontinuum auch regionsspezifische wirtschaftsstrukturelle Bedingun- zur Kernstadt liegen die suburbanen Gemeinden sowie in den oft landschaftlich privilegierten gen in Betracht zu ziehen. Lagen die reichen Gemeinden. Sie werden von einem Kranz vormals ländlicher Gemeinden um- geben, die erst in jüngerer Zeit durch eine verstärkte Wohnbautätigkeit (Einfamilienhäuser) ins Sprachregionen städtische Einzugsgebiet gelangt sind (periurbane Gemeinden). Vier der fünf ländlichen Ge- Bekanntlich besitzt die Schweiz mit dem Deutschen, dem Französischen, dem Italienischen und meindetypen werden hauptsächlich durch die in ihnen vorherrschende wirtschaftliche Bran- dem Rätoromanischen 4 offizielle Landessprachen. Die Sprachgebiete sind, mit Ausnahme des chenstruktur definiert (industrielle/tertiäre, touristische, agrarisch-gemischte sowie agrarisch-pe- deutsch-rätoromanischen Raumes, relativ homogen, d. h. es existieren nur wenige Sprachinseln riphere Gemeinden). Letztere, welche in diesem Atlas der Einfachheit halber als «agrarische» innerhalb eines anderen Sprachgebietes. Im Frauen- und Gleichstellungsatlas werden die für die Gemeinden bezeichnet werden, liegen zum grössten Teil in den Voralpen, die touristischen Ge- Sprachregionen berechneten Merkmale in Form von Säulendiagrammen dargestellt. Die räto- meinden dagegen ausschliesslich in den Alpen. Die Übereinstimmung des industriell/tertiären romanischen Gemeinden werden dabei den deutschsprachigen zugeordnet, weil die geringen Gemeindetyps mit Gebieten früher Industrialisierung ist augenfällig. Die agrarisch-gemischten Bevölkerungs- und Arbeitsplatzzahlen in den rätoromanischen Gebieten in den allermeisten Fäl- sowie die ländlichen Pendlergemeinden markieren räumliche Übergangsformen.
1 Einleitung 11 Hinweise zur Karteninterpretation Jeder Wahl der Klassengrenzen geht eine Analyse der mit der kartografischen Software Car- Thema erstellten Arbeitskarten (z. B. nach der Methode der Quartile) und der Histogramme (Er- Karten sind Modelle der Realität; sie bilden wie jedes andere Modell Teile der Wirklichkeit, das kennen von Gruppen und natürlichen Sprüngen) voraus. Die Festlegung der Klassengrenzen er- so genannte Kartenthema, in einer vereinfachten Form ab. Die Art der Vereinfachung, d. h. die folgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse statistischer Methoden nach kartografischen Regeln. Wahl der kartografischen Darstellungsmethode, erfolgt immer zielgerichtet und hängt unter So gilt es, Zusammengehörendes möglichst derselben Klasse zuzuordnen, die Klassengrössen anderem vom Datenmaterial und vom Kartenmassstab ab. Es liegt auf der Hand, dass die MS- und Anzahl Werte von Stufe zu Stufe nicht beliebig zu wechseln sowie leere Klassen – ausser in Regionskarten im Massstab ca. 1:1700000 und die noch kleineren Kantonsübersichten keine den Randbereichen von Kartenserien – zu vermeiden. Runde Klassengrenzen fördern zudem die Detailinformationen enthalten können. Hingegen ermöglichen diese Karten ein Erfassen der Übersichtlichkeit. räumlichen Strukturen und das Erkennen von Zusammenhängen und regionaler Unterschiede. Dieses Vorgehen bewirkt, dass die Karte ausser den statistischen Daten auch räumliche Phä- nomene abbildet. Der Nachteil besteht darin, dass die einzelnen Karten nicht direkt vergleich- Darstellungsmethoden bar sind. Ausnahmen bilden Kartenserien mit einer gemeinsamen Legende. Die statistischen Daten beziehen sich auf MS-Regionen, Kantone oder Grossregionen. Die Farb- abstufungen in den Karten bezeichnen Prozentanteile oder Indexzahlen, also Relativwerte, die Legenden sich z. B. auf eine bestimmte in der Region wohnhafte Personengruppe, nicht aber auf die Re- Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte jede Karteninterpretation mit einem Blick auf Titel und gionsfläche beziehen. Dadurch erhalten die grossflächigen MS-Regionen im Alpengebiet trotz Legende beginnen. In diesem Atlas beziehen sich alle Legendentitel auf die im Untertitel der geringer Bevölkerungszahlen ein starkes Übergewicht gegenüber den kleineren, jedoch bevöl- Karten angegebenen Indikatoren. kerungsreichen Gebieten im Mittelland. Um den verfälschten visuellen Eindruck zu korrigieren, Die Zahlen vor den Legendenkästchen geben an, wieviele MS-Regionen zur betreffenden haben wir grosse zusammenhängende unproduktive Flächen im Berggebiet (Gletscher, Geröll, Klasse gehören, dies als Hinweis auf die Verteilung der dargestellten Daten. Die Klasseninter- Fels usw.) ausgeschieden und weiss dargestellt. valle sind rechts neben den Legendenfeldern aufgeführt. Auf die Zugehörigkeit der Klassen- Die Kartenherstellung nach der relativen Methode birgt eine weitere Gefahr der Fehlein- grenzwerte lässt sich aus der Bezeichnung der niedrigsten und der höchsten Klasse schliessen. schätzung. Da tiefe Werte und weniger Wichtiges hell und hohe Werte bzw. Wesentliches dun- So bedeutet «unter 50», dass der Wert 50.00 der nächst höheren Stufe zugeordnet ist. Dies kel dargestellt werden, erhalten Flächen mit geringen Prozentwerten einen hellen Farbton zu- drückt sich auch in der Formulierung der höchsten Klasse «65 und mehr» aus, die den Wert gewiesen, während eine dunkel eingefärbte Fläche auf einen hohen prozentualen Anteil hinweist 65.00 einschliesst. und optisch in den Vordergrund tritt. Über die Anzahl der betroffenen Personen sagt diese Dar- Da ein bestimmter heller oder dunkler Farbton in verschiedenen Karten für unterschiedlich stellung jedoch nichts aus. So weist in der Karte «Frauen in Führungspositionen» (Kapitel 3) das niedrige oder hohe Prozentwerte stehen kann, bilden Kenntnisse über die Klassengrössen und Goms mit nur fünf Direktorinnen und leitenden Angestellten am Stichtag der Datenerhebung den Wertebereich der Daten (ersichtlich aus den Angaben der Minima und Maxima) eine wich- einen hohen prozentualen Anteil von Frauen in Führungspositionen auf und erhält denselben tige Voraussetzung für die Karteninterpretation. dunklen Flächenton wie Genf mit ähnlichen Prozentwerten, jedoch 3495 Direktorinnen und lei- Da die Software CarThema bei der Berechnung der flächenproportionalen Kreise die Einga- tenden Angestellten. Ohne die hinzugefügten Absolutwerte, flächenproportional zu den ent- be eines Referenzradius erlaubt, lassen sich mehrere Karten mit derselben Kalibrierung erstel- sprechenden Variablen dargestellte Kreise, ginge eine wesentliche Zusatzinformation, nämlich len und vergleichen. Dies ist nur für Variablenwerte ähnlicher Grössenordnung sinnvoll. In jedem die Berechnungsbasis, verloren. Erst eine Kombination von relativer und absoluter Darstel- Fall sind die Signaturenmassstäbe der Legenden zu beachten. Kleine Werte, deren berechnete lungsmethode ermöglicht ein besseres Verständnis des Karteninhaltes. Kreisflächen im Kartenbild nicht mehr erkennbar wären, sind pro Karte zu einer Gruppe zu- Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der eindeutigen Zuordnung zur jeweiligen Region sammengefasst und durch einen ausgefüllten Kreis gekennzeichnet. stehen die Signaturen nicht im Siedlungsschwerpunkt, sondern in der optischen Mitte der Flä- Gemäss dem kartografischen Gestaltungsprinzip, Gleiches gleich und Verschiedenes unter- che. schiedlich darzustellen, erhalten einige Karten nach der Helligkeit abgestufte, zweifarbige Ska- len, bei Veränderungskarten zur Unterscheidung von Zu- und Abnahme, bei Abstimmungskar- Klassenbildung ten zur Kennzeichnung von Ablehnung oder Zustimmung. Die hellsten Farbtöne weisen auf Die Anzahl der Klassen und die Wahl der Klassengrenzen beeinflussen den optischen Eindruck geringe Veränderungen bzw. auf einen Ja-Stimmenanteil um 50% hin, die kräftigen Farbtöne und die Aussagekraft der Karten. Die Zahl der zu unterscheidenden Klassen wird für jede Karte auf eine starke Veränderung bzw. auf eine starke Ablehnung oder hohe Zustimmung. unter Berücksichtigung des Wertebereichs und der Verteilung der Daten (meist asymmetrisch, Abschliessend sei bemerkt, dass Hinweise auf die zur Kartenherstellung verwendete Soft- oft bimodal) individuell bestimmt. Bis auf wenige Ausnahmen geben fünf oder sechs Klassen ware und auf Quellen für die Herstellung der Basiskarte auf der letzten Seite dieses Kapitels zu den Karteninhalt genügend differenziert und übersichtlich wieder und berücksichtigen sowohl finden sind. sachliche und räumliche Zusammenhänge als auch Besonderheiten. Carmen Brun
16 1 Einleitung Methodische Bemerkungen Literaturhinweise Datensätze ATLAS DER SCHWEIZ (1965): Eidgenössische Landestopographie, Wabern Bis auf einen (Frauen und Männer in den Gemeindeexekutiven, Kapitel 7) wurden sämtliche BAHRENBERG, GERHARD ET AL. (1990): Statistische Methoden in der Geographie. Datensätze, die im Frauen- und Gleichstellungsatlas verwendet werden, vom Bundesamt für Sta- Bd. 1, B. G. Teubner, Stuttgart tistik erzeugt. In erster Linie handelt es sich um Resultate der periodisch durchgeführten gros- BRUN, CARMEN (2000): Die Qualität von Karten in Geografischen Informationssystemen. sen Vollerhebungen: die eidgenössische Volkszählung und die eidgenössische Betriebszählung. Geoprocessing Reihe, Band 37, Geografisches Institut Universität Zürich, Auch die Resultate der eidgenössischen Volksabstimmungen sowie die Angaben zu den Ar- http://www.geo.unizh.ch/gis/research/geoprocessing/geoprocessing.shtml beitslosenzahlen stellen Vollerhebungen dar und lassen sich wie die Daten der Volks- und Be- triebszählung problemlos für alle möglichen Raumeinheiten aggregieren. In einigen Fällen muss- BUNDESAMT FÜR STATISTIK (Hg.) (1994): Die Raumgliederungen der Schweiz. Bern te jedoch auf Stichproben zurückgegriffen werden, deren Ergebnisse nur für bestimmte grössere BUNDESAMT FÜR STATISTIK: Auf dem Weg zur Gleichstellung? Frauen und Männer in der Raumeinheiten repräsentativ sind (Lohnstrukturerhebung (LSE), Schweizerische Arbeitskräf- Schweiz. Diverse Jahrgänge, Bern und Neuchâtel teerhebung (SAKE)). DECLERCQ, FRANKY A. N. (1995): Choropleth Map Accuracy and the Number of Class Regionalisierung Intervalls. In: Proceedings of the 17th ICC, Barcelona, 918 – 922 Die Begrenzung und Definition der dargestellten Raumeinheiten entspricht grundsätzlich dem HARDING, SANDRA (1991): Feministische Wissenschaftstheorie. Zum Verhältnis von Gebietsstand des Jahres 1990. Das hat beispielsweise zur Folge, dass der Kanton Jura, der im Wissenschaft und sozialem Geschlecht. Argument, Hamburg Jahr 1978 gegründet wurde, in den Karten mit den Resultaten der eidgenössischen Volksab- stimmungen über das Frauenstimmrecht in den Jahren 1959 und 1971 erscheint, obwohl er zu HELD, THOMAS und LEVY, RENÉ (1974): Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft. jenen Zeitpunkten noch Teil des Kantons Bern war. Die Aggregierungen der Gemeindedaten- Eine soziologische Analyse am Beispiel der Schweiz. Huber, Frauenfeld sätze auf die verschiedenen Raumeinheiten wurden von Experten des Bundesamtes für Statis- KRIESI, HANSPETER ET AL. (1996): Le clivage linguistique. Problèmes de compréhension tik (Fachbereich ThemaKart) durchgeführt. entre les communautés linguistiques en Suisse. Bundesamt für Statistik, Bern Statistische Verfahren PFAU-EFFINGER, BIRGIT (1998): Gender Cultures and the Gender Arrangement – In der Datenanalyse gelangten ausschliesslich Verfahren der beschreibenden Statistik zur An- A Theoretical Framework for Cross-National Gender Research. Innovation: wendung. Für die Beurteilung der Höhe des Zusammenhanges zwischen zwei Indikatoren wurde The European Journal of Social Sciences, 11, 2, 147–166 der Pearson Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient r berechnet; für das Ausmass der regio- SCHULER, MARTIN ET AL. (1985): Strukturatlas der Schweiz. Ex Libris, Zürich nalen Streuung die Standardabweichung und die Variationsbreite. SCHULER, MARTIN ET AL. (1997): Strukturatlas der Schweiz. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Hinweise zur Kartenherstellung SEAGER, JONI (1998): Der Fischer Frauen-Atlas. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main In diesem Atlas setzt sich jedes Kartenbild aus einer Basiskarte, bestehend aus Grenz- und Gewäs- serlinien, und aus thematischen Eintragungen, dargestellt durch Farbflächen und Kreissignaturen, SENTI, MARTIN (1994): Geschlecht als politischer Konflikt – Erfolgsbedingungen einer zusammen. gleichstellungspolitischen Interessensdurchsetzung. Eine empirische Untersuchung am Beispiel Für die mit der kartografischen Software «CarThema» erstellten Arbeitskarten konnten wir der Schweiz. Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, Paul Haupt, Bern die vom Bundesamt für Statistik in verdankenswerter Weise zur Verfügung gestellten Geome- WALBY, SYLVIA (1994): Methodological and theoretical issues in the comparative analysis triedaten wie Gewässernetz und MS-Regionspolygone mit Labelpunkten verwenden und diese of gender relations in Western Europe. Environment and Planning A, 26, 9, 1339–1354 mit den Excel-Dateien verknüpfen. Die Bearbeitung der Karten erfolgte dann im Grafikprogramm «Adobe Illustrator» mit einer WITT, WERNER (1970): Thematische Kartographie. Gebrüder Jänecke, Hannover speziell für den Kartenmassstab generalisierten, neu erstellten Basiskarte. Grundlage für dieses neue Grenz- und Gewässernetz bildeten die Karten 2 «Politische Gliederung» und 17 «Vegeta- tion», beide im Massstab 1:500000, aus dem Atlas der Schweiz im Vergleich mit weiteren Kar- ten und den vom Bundesamt für Statistik zur Verfügung gestellten Unterlagen. Die gesamte Atlasherstellung erfolgte digital bis zu den fertigen Druckdateien.
17 2 Familien- und Haushaltsformen
18 2 Familien- und Haushaltsformen Thematischer Überblick Nationale Besonderheiten Grundsätzlich gelten die oben beschriebenen Tendenzen des Wandels in den Familien- und Haus- Familien- und Haushaltsformen haben sich fundamental gewandelt haltsformen für alle europäischen Länder. Daneben sind aber auch interessante Abweichungen Noch in den fünfziger Jahren bescheinigten soziologische Studien der bürgerlichen Kernfamilie und Besonderheiten für einzelne Länder- oder Ländergruppen festzuhalten. So weisen bei- (erwerbstätiger Vater, nicht erwerbstätige Mutter, mehrere Kinder) eine hohe Stabilität und lies- spielsweise die nordeuropäischen Länder heute wieder steigende Geburtenzahlen auf, wäh- sen keinen Zweifel an ihrem unveränderten Fortbestand aufkommen. Diese Annahme hat sich renddem in allen anderen europäischen Ländern tiefe bis sehr tiefe Geburtenraten zu verzeich- jedoch als Fehlprognose erwiesen, denn in den letzten Jahrzehnten ist in der Schweiz und den nen sind. Diese Besonderheit ist zweifellos auch auf die grossen Anstrengungen zurückzuführen, übrigen westlichen Ländern ein fundamentaler Wandel im Zusammenleben von Frauen und Män- welche in den skandinavischen Staaten unternommen wurden, um die Vereinbarkeit von Beruf nern eingetreten. Ein Rückgang der formell geschlossenen Ehen, sinkende Geburtenraten, stei- und Familie für Mütter zu erleichtern. In Bezug auf das Scheidungsverhalten unterscheiden sich gende Zahlen von Scheidungen, allein erziehenden Eltern und erwerbstätigen Müttern trugen dagegen die südeuropäischen Länder vom übrigen Europa. Die anhaltend tiefen Scheidungsra- wesentlich zum Bedeutungsverlust der bürgerlichen Kernfamilie bei. Trotzdem ist die klassische ten in Südeuropa sind mit grosser Wahrscheinlichkeit sowohl auf den nach wie vor starken Ein- Kleinfamilie in der Schweiz nach wie vor stark verankert und prägt den Lebensalltag einer Mehr- fluss der Kirche als auch auf fehlende Erwerbsmöglichkeiten für viele Frauen ausserhalb des Fa- heit der Bevölkerung. milienbetriebs zurückzuführen. Pluralisierung und Individualisierung des privaten Zusammenlebens Aufbau dieses Kapitels Es ist heute deshalb zutreffender, von einem vielfältigen Mosaik der Formen privaten Zu- Die regionalen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Familien- und Haushaltsformen inner- sammenlebens zu sprechen als von einer allgemeinen «Krise der Familie». Wohngemeinschaften halb der Schweiz stehen auf den nachfolgenden Seiten im Zentrum des Interesses. Um den ge- jüngerer oder älterer, hetero- oder homosexueller Personen, nicht- oder voreheliche Partner- planten Umfang dieses Atlas nicht zu sprengen, musste aus der grossen Zahl potentiell mög- schaften, stabile Beziehungen zwischen räumlich getrennt lebenden Personen oder neu zu- licher Merkmale zur Beschreibung von Familien- und Haushaltsstrukturen zwangsläufig eine sammengesetzte Familien, sog. «Patchworkfamilien», sind unter anderem Ausdruck dieser Plu- Auswahl getroffen werden. Ausgewählt wurden Merkmale, die unter dem Gesichtspunkt des ralisierung und Individualisierung der privaten Lebensformen. Immer mehr Menschen Geschlechterverhältnisses speziell relevant sind und für welche aussagekräftige statistische Daten entscheiden sich auch dauerhaft für das Alleinleben oder sie leben gewollt in einer Partnerschaft zur Verfügung stehen. ohne Kinder. Den ersten thematischen Schwerpunkt bilden die veränderten Formen des Zusammenlebens zwischen Frauen und Männern. Drei Merkmale gelangen zur Darstellung: der Wandel in der so- Neues Rollenverständnis der Frauen als treibende Kraft zial-räumlichen Verbreitung der Ehe, der Wandel in den Einstellungen der Bevölkerung über die Für eine Erklärung des Wandels in den Familien- und Haushaltsformen sind hauptsächlich vier Ehe, wie er im neuen Eherecht zum Ausdruck kommt sowie die sozial-räumliche Verbreitung Elemente hervorzuheben: Der technologische Fortschritt in der Empfängnisverhütung, vor allem des Alleinlebens, die in der zunehmenden Zahl von sogenannten «Singles» sichtbar wird. die Verbreitung der «Pille», der Ausbau des Sozialstaates, insbesondere die Existenzsicherung Das reproduktive Verhalten der Bevölkerung und die Formen des Zusammenlebens mit Kin- im Alter, der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit, der zu einer starken Erhöhung des dern stellen den zweiten thematischen Schwerpunkt dar. Beispielhaft ausgewählt werden die Arbeitsplatzangebotes im Dienstleistungssektor führte sowie das gewandelte Rollenverständnis Aspekte «Kinderlosigkeit» und «Einelternfamilien». von Männern und Frauen. Diese technologischen, sozialstaatlichen, wirtschaftlichen und kultu- Ein dritter Schwerpunkt ist dem demographischen Alterungsprozess der schweizerischen Ge- rellen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig in starkem Masse, so dass es schwierig ist, einen sellschaft gewidmet, der gerade auch unter einem geschlechtsspezifischen Blickwinkel speziel- Einflussfaktor als den wichtigsten herauszuschälen. le Aufmerksamkeit erfordert. Verschiedene Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erachten jedoch insbesondere Den aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht zentralen Themen der Aufteilung der das gewandelte Selbstverständnis der Frauen als treibende Kraft. Aspekte dieses gewandelten unbezahlten Arbeit sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind eigene Kapitel in diesem Frauenbildes sind unter anderem die politische Emanzipation, die seit der Einführung des Frau- Atlas gewidmet. enstimm- und -wahlrechtes stattgefunden hat, die grössere Autonomie in der Bestimmung der eigenen Fruchtbarkeit und die stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser gesellschaftliche Umbruchprozess bei vielen Männern und Frauen Ver- unsicherung ausgelöst hat, denn heute ist es schwieriger geworden, auf ein verbindliches Frau- en-, Männer- und Familienleitbild zurückzugreifen. Viele Paare ringen jedoch um neue Formen gleichberechtigter Partnerschaften und der gesellschaftliche Verarbeitungsprozess der Frauen- emanzipation schreitet voran.
2 Familien- und Haushaltsformen 19 Ehe und Partnerschaft Neben der Erhöhung des Heiratsalters und der Zunahme der Scheidungen ist der Rückgang der verheirateten Personen Die formelle Ehe verliert an Bedeutung auch auf das Zusammenleben von Frauen und Männern ohne Aus der oberen Abbildung ist ersichtlich, dass der Anteil ver- Trauschein (statistischer Fachausdruck: Konsensualpartnerschaft) heirateter Personen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren sowohl zurückzuführen. Diese Form der Partnerschaft hat seit den Sieb- Verheiratete Frauen und Männer zwischen bei den Frauen als auch bei den Männern seit 1970 deutlich zigerjahren einen starken Aufschwung erfahren. Allerdings ist 20 und 39 Jahren zurückgegangen ist. Waren 1970 noch gut 70 Prozent der Frau- diese Beziehungsform in der Schweiz oft nur von temporärer Anteil an allen gleichaltrigen Frauen bzw. Männern in der Schweiz en dieser Altersgruppe verheiratet, so betraf dies 1990 nur noch Dauer, weil immer noch meist geheiratet wird, wenn ein Kind 56 Prozent. Aktuelle Zahlen belegen zwar, dass die Heirats- unterwegs ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa wer- % % häufigkeit wieder langsam im Steigen begriffen ist; die hohen den in der Schweiz nur wenige Kinder ausserhalb der Ehe ge- 80 80 Frauen Männer Werte früherer Jahrzehnte werden jedoch nicht mehr erreicht. boren. 70 70 Ein praktisch identischer Rückgang wie bei den Frauen ist auch bei den verheirateten Männern zu verzeichnen. Ins Auge fällt Immer mehr Frauen und Männer leben allein 60 60 jedoch, dass der Anteil verheirateter Männer bei den 20- bis Aus der unteren Abbildung geht hervor, dass zwischen 1970 50 50 39-jährigen Personen stets etwa um zehn Prozentpunkte tie- und 1990 ein steigender Anteil Frauen und Männer in der Al- 40 40 fer liegt als derjenige der Frauen. In diesem Unterschied kommt tersgruppe der 20- bis 39-jährigen Personen allein wohnt. Bei in erster Linie eine bei uns vorherrschende kulturelle Norm zum den Frauen hat sich dieser Anteil von rund 6 Prozent auf 14 30 30 Ausdruck, wonach der Partner einige Jahre älter sein sollte als Prozent mehr als verdoppelt, bei den Männern derselben Al- 20 20 die Partnerin. Das durchschnittliche Heiratsalter der Männer ist tersgruppe von rund 6 Prozent auf 17 Prozent sogar fast ver- deshalb einige Jahre höher als dasjenige der Frauen. dreifacht. In letzter Zeit hat es sich eingebürgert, diese zuneh- 10 10 mend wichtiger werdende Bevölkerungsgruppe jüngerer allein Die Scheidungsrate liegt heute bei 40 Prozent wohnender Personen als «Singles» zu bezeichnen. Singles sind 0 1970 1980 1990 0 Der rückläufige Anteil der verheiraten 20- bis 39-jährigen Per- allerdings keine statistische Grösse. Der Soziologe François sonen steht im Zusammenhang mit mehreren und unter- Höpflinger definiert Singles als «allein lebende Personen, die schiedlichen Verhaltensänderungen des Zusammenlebens von eine positive Einstellung zu dieser Lebensform haben und das In Einpersonenhaushalten lebende Frauen und Männer Frauen und Männern. Zum einen ist das durchschnittliche Hei- Alleinleben zumindest vorübergehend geniessen». Unter die- zwischen 20 und 39 Jahren ratsalter im betrachteten Zeitraum gestiegen. Heute heiratet sem Gesichtspunkt ist es nicht hundertprozentig korrekt, alle Anteil an allen gleichaltrigen Frauen bzw. Männern in der Schweiz man relativ spät; das durchschnittliche Alter bei der ersten Hei- jüngeren, allein wohnenden Personen als Singles zu bezeich- rat liegt derzeit bei den Frauen bei etwa 28 Jahren und bei den nen, weiss man doch nicht, ob die obige Definition auf alle sta- % % Männern um die 30 Jahre. tistisch so erfassten Personen auch tatsächlich zutrifft. Aus 20 20 Frauen Männer Ein weiterer Grund für den anteilsmässigen Rückgang ver- Gründen der sprachlichen Einfachheit werden jedoch im Fol- heirateter Personen sind die hohen Scheidungsraten. Mehr als genden jüngere, in Einpersonenhaushalten lebende Frauen und 15 15 40 Prozent aller Ehen werden heute geschieden, und mehr als Männer trotzdem generell als Singles bezeichnet. die Hälfte davon haben weniger als zehn Jahre gedauert und sind kinderlos geblieben. Bei zwei Dritteln aller Scheidungen 10 10 geht die Initiative von den Frauen aus. Sozialwissenschaft- lerinnen und -wissenschaftler führen dies neben gewandelten Einstellungen über Treue und Sexualität in erster Linie auf die 5 5 grösseren Handlungsmöglichkeiten heutiger Frauen zurück, ihren materiellen Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Weit- gehender Konsens besteht darüber, dass auch früher ein hoher 0 0 Prozentsatz der Ehen unglücklich war, die Partner jedoch trotz- 1970 1980 1990 dem zusammen blieben. Quelle: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung
20 2 Familien- und Haushaltsformen Ehe Auch wenn die Bedeutung der Ehe in allen Sprachregionen und Siedlungsgebieten zwischen 1970 und 1990 abgenommen hat, ist doch festzuhalten, dass die Unterschiede im Heiratsver- Auf der vorhergehenden Seite wurde auf den beträchtlichen Bedeutungsverlust der formellen halten zwischen den Siedlungsformen in diesem Zeitraum zugenommen haben. Diese Entwick- Ehe in der Schweiz hingewiesen. Trotz dieses Rückganges des Anteils verheirateter Personen lung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Bedeutungsrückgang der Lebensform Ehe belegen die Abbildungen auf diesen Seiten, dass nach wie vor eine Mehrheit der 20- bis 39- bei der städtischen Bevölkerung viel ausgeprägter war als bei der Bevölkerung auf dem Land. jährigen Frauen verheiratet ist. Neben dem Wunsch, eine lebenslange Partnerschaft institutio- nell und kirchlich zu bekräftigen, gibt es auch praktische Gründe – vor allem sozialversiche- rungsmässige und erbrechtliche – für die Heirat. Der Wert der Ehe ist in der Schweizer Bevölkerung deshalb immer noch relativ hoch, nur kann man heute nicht mehr davon ausge- hen, dass diese Bindung lebenslang Bestand haben wird. Auf dem Land noch am stärksten verbreitet Die sozial-räumliche Verbreitung der Ehe variiert innerhalb der Schweiz beträchtlich. Unter den MS-Regionen weist die Stadt Zürich mit nur noch 40 Prozent verheirateter Frauen in der Al- tersgruppe der 20- bis 39-Jährigen den tiefsten Wert auf und das Val-de-Travers mit 72 Pro- Verheiratete Frauen zwischen 20 und 39 Jahren zent den höchsten. Bei den Kantonen ist der geringste Anteil verheirateter Frauen im Kanton Anteil an allen gleichaltrigen Frauen Basel-Stadt (45 Prozent) zu verzeichnen und der höchste im Kanton Appenzell Innerrhoden (65 Prozent). In der sozial-räumlichen Verbreitung der Ehe besteht somit in der Schweiz ein deutli- Gemeindetypen 1990 ches Land-Stadt-Gefälle. Wie aus dem nebenstehenden Säulendiagramm hervorgeht, gilt diese % % Feststellung für alle drei grossen Sprachregionen. Die Unterschiede zwischen den gleichen Sied- Zentren 47 Industrielle/tertiäre Gemeinden 63 lungsformen in den verschiedenen Sprachregionen sind minimal. Überall weisen die Städte die Suburbane Gemeinden 57 Ländliche Pendlergemeinden 65 tiefsten, die Pendlereinzugsgebiete der Städte mittlere und die ländlichen Gebiete die höchsten Reiche Gemeinden 54 Agrarisch-gemischte Gemeinden 66 Anteile verheirateter Frauen auf. Periurbane Gemeinden 62 Agrarische Gemeinden 69 Eine augenfällige Ausnahme bildet auf der nebenstehenden Karte die ländlich-alpine Ge- Touristische Gemeinden 57 Schweiz 56 meinde Davos, in der weniger als 50 Prozent der 20- bis 39-jährigen Frauen verheiratet sind. Zweifellos wird hier ein Einfluss des touristischen Arbeitsmarktes sichtbar, der einer grösseren Sprachregionen Zahl jüngerer, unverheirateter Frauen eine meist saisonal befristete Beschäftigung bietet. Aus % % einer detaillierteren Betrachtung der Daten geht hervor, dass es sich hier – wie auch in anderen 80 80 stark vom Tourismus geprägten Regionen – vor allem um jüngere ausländische Frauen handelt. 1970 1980 1990 70 70 Im schweizerischen Durchschnitt ist dagegen der Anteil verheirateter Frauen ausländischer Na- tionalität mit 64 Prozent deutlich höher als derjenige der Frauen schweizerischer Nationalität. 60 60 Diese weisen mit einem Anteil von lediglich 54 Prozent ein wesentlich weniger traditionelles 50 50 Heiratsverhalten auf als die ausländischen Frauen. 40 40 Gleichgerichteter Wandel in allen Landesteilen 30 30 Aus dem nebenstehenden Säulendiagramm geht auch hervor, dass bei der Gruppe der 20- bis 39-jährigen Frauen in allen Sprachregionen und allen Siedlungsformen zwischen 1970 und 1990 20 20 ein Bedeutungsrückgang der Ehe stattgefunden hat. Das Land-Stadt-Gefälle in der sozialen Ver- 10 10 breitung der Ehe war somit bereits früher vorhanden. In erster Linie ist dies wohl mit dem gros- sen Angebot an weiterführenden beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten in den Städten in Ver- 0 0 bindung zu bringen, daneben jedoch auch mit der liberaleren Weltanschauung der städtischen Stadt städt. Land Stadt städt. Land Stadt städt. Land Umland Umland Umland Gesellschaft. Deutschschweiz Französische Schweiz Italienische Schweiz Schweiz Quelle: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung
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