Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz - Elisabeth Bühler Unter Mitarbeit von Carmen Brun (Kartografie) und Martin Steinmann (grafische Gestaltung)

Die Seite wird erstellt Florian Schiller
 
WEITER LESEN
Elisabeth Bühler
            Unter Mitarbeit von Carmen Brun (Kartografie)
            und Martin Steinmann (grafische Gestaltung)

Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz

            Reihe «Gesellschaft Schweiz»
            herausgegeben vom Schwerpunktprogramm
            ZUKUNFT SCHWEIZ
Das Schwerpunktprogramm ZUKUNFT SCHWEIZ                                          Dank
wird vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung
der wissenschaftlichen Forschung finanziell unterstützt.                         Am Anfang stand die Überzeugung, dass die Herstellung eines Frauen- und Gleichstellungs-
                                                                                 atlas Schweiz eine spannende und lohnenswerte Aufgabe ist und einer interessierten Öffent-
                                                                                 lichkeit nützliche Informationen zur Verfügung stellen kann. Ich danke den verantwortlichen
                                                                                 Personen des Schweizerischen Nationalfonds, der Expertenkommission und der Programm-
                                                                                 koordination des SPP Zukunft Schweiz sowie des Geographischen Institutes der Universität
                                                                                 Zürich für das Vertrauen und die finanziellen Mittel, die es ermöglichten, den Plan in die Tat
                                                                                 umzusetzen.
                                                                                      Ohne das Know-how der Fachleute im Bundesamt für Statistik hätte dieser Atlas nicht re-
                                                                                 alisiert werden können. Mein grösster Dank gilt Hans Steffen und den MitarbeiterInnen der
                                                                                 Fachstelle für Thematische Kartographie (ThemaKart) für die grosszügige und tatkräftige
                                                                                 Unterstützung des gesamten Projektes, insbesondere für die Durchführung der notwendigen
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme                                   Aggregierungen der Gemeindedatensätze, die Herstellung von zwei Karten speziell für die-
                                                                                 sen Atlas (Kapitel 1) und die angenehme Zusammenarbeit. Zum Gelingen dieses Atlas haben
Elisabeth Bühler:
                                                                                 weiter auch folgende Personen des Bundesamtes für Statistik massgeblich beigetragen: Anna
Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz / Elisabeth Bühler.
                                                                                 Borkowski, Pierre Fontaine, Claire Jobin, Robert Poffet, Jacqueline Schön-Bühlmann, Werner
Unter Mitarb. von Carmen Brun und Martin Steinmann. - Zürich : Seismo, 2001
         (Reihe «Gesellschaft Schweiz»)                                          Seitz und Dominik Ullmann.
         ISBN 3-908239-79-6                                                           Ein grosser Dank geht an die Repräsentantinnen folgender kantonaler Gleichstellungsbü-
                                                                                 ros, welche die Fortschritte der Arbeit mit kritischen und anregenden Hinweisen sehr geför-
                                                                                 dert haben: Kathrin Arioli und Catherine Silberschmidt, Kanton Zürich, Sina Bardill, Kanton
                                                                                 Graubünden, Marianne Frischknecht und Maria Roth-Bernasconi, Kanton Genf, Barbara Gun-
                                                                                 tern Anthamatten, Kanton Wallis, Charlotte Habegger-Zumbühl, Kanton Luzern, Gabriella Ma-
                                                                                 tefi und Simone Peter, Kanton Basel-Landschaft sowie Chiara Simoneschi-Cortesi, Präsidentin
                                                                                 der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen.
                                                                                      Schliesslich danke ich Martin Schuler sowie allen anderen Kolleginnen und Kollegen aus
Copyright © 2001, Seismo Verlag, Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen,   dem Fachbereich Geographie für zahlreiche wertvolle fachliche Hinweise. Und last but not
Postfach 313, CH-8028 Zürich                                                     least gebührt Daniela Diener-Roth und Hans Elsasser ein spezieller Dank für das sorgfältige
E-Mail: seismo@gmx.ch                                                            Lektorat des Manuskripts.
http://www.seismoverlag.ch

Basiskarten: © Carmen Brun, CH-6300 Zug

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung (Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Mikroverfilmung u. a. m.) dieses Werkes oder einzelner Teile
ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.
ISBN 3-908239-73-7

Umschlaggestaltung: Gregg Skermann, Zürich
Reliefkarte: © Bundesamt für Landestopographie (BM002046)
Druck: Druckerei Schüler AG, Biel
Inhaltsverzeichnis
                                                          Seite

1 Einleitung                                                 7
Einleitende Bemerkungen                                      8
Zielsetzungen, Aufbau und Grenzen des Atlas                  9
Die räumlichen Gliederungen                                 10
Hinweise zur Karteninterpretation                           11
Kantone und Grossregionen                                   12
MS-Regionen                                                 13
Sprachregionen und Gliederung städtisch-ländlich            14
Gemeindetypen                                               15
Methodische Bemerkungen und Literaturhinweise               16

2 Familien- und Haushaltsformen                            17
Thematischer Überblick                                      18
Ehe und Partnerschaft                                       19
Ehe                                                         20
Neuregelung der Institution Ehe                             22
Singles                                                     24
Kinder und Elternschaft                                     27
Einelternfamilien                                           28
Allein erziehende Mütter                                    30
Veränderung des Frauenanteils an den allein Erziehenden     31
Kinderlosigkeit                                             32
Ältere Personen                                             34
Allein wohnende ältere Männer                               36
Allein wohnende ältere Frauen                               37
Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise              38

3 Erwerbsarbeit und Beruf                                  39
Thematischer Überblick                                      40
Beschäftigungsgrad und -entwicklung                         41
Beschäftigungsgrad der Männer 1995                          42
Beschäftigungsgrad der Frauen 1995                          43
Teilzeitbeschäftigung                                       44
Vollzeitbeschäftigung                                       45
Vollzeitbeschäftigung der Männer 1985–1995                  46
Vollzeitbeschäftigung der Frauen 1985–1995                  47
Beschäftigungsvolumen                                       48
Beschäftigungsvolumen der Männer 1985–1995                  50
Seite                                                               Seite

Beschäftigungsvolumen der Frauen 1985–1995                    51    6 Ausbildung                                                 99
Berufliche Kompetenzen                                        52    Thematischer Überblick                                      100
Organisations- und Ausbildungskompetenzen der Männer          54    Bildungsziel Maturität                                      102
Organisations- und Ausbildungskompetenzen der Frauen          55    Maturitätsschüler                                           104
Frauen in Führungspositionen                                  56    Maturitätsschülerinnen                                      105
Lohnungleichheit                                              58    Berufsausbildung                                            106
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und weitere Rechte     60    Dissimilaritätsindex der Lehrberufe                         108
Berufspendlerinnen und -pendler                               62    Bildungsstand von Frauen und Männern                        110
Motorisierte Wegpendler                                       64    Bildungsstand der 50- bis 69-jährigen Männer                112
Motorisierte Wegpendlerinnen                                  65    Bildungsstand der 50- bis 69-jährigen Frauen                113
Motorisierte Wegpendlerinnen und -pendler                     66    Bildungsstand der 30- bis 49-jährigen Männer                114
Erwerbslosigkeit                                              68    Bildungsstand der 30- bis 49-jährigen Frauen                115
Arbeitslosenquoten der Männer                                 70    Bildungsrückstand der 50- bis 69-jährigen Frauen            116
Arbeitslosenquoten der Frauen                                 71    Bildungsrückstand der 30- bis 49-jährigen Frauen            117
Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise                72    Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise              118

4 Unbezahlte Arbeit                                          73     7 Politik                                                   119
Thematischer Überblick                                        74    Thematischer Überblick                                      120
Haus-und Kinderbetreuungsarbeit                               75    Politische Gleichberechtigung                               121
Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise                76    Frauenstimmrecht 1959                                       122
                                                                    Frauenstimmrecht 1971                                       123
5 Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit                77     Frauenvertretungen in der Bundesversammlung                 124
Thematischer Überblick                                        78    Frauenvertretungen in den kantonalen Behörden               125
Geschlechterkulturelle Familienmodelle                        79    Frauenvertretungen in den Gemeindeexekutiven                126
Traditionelles bürgerliches Familienmodell                    80    Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise              128
Modernisiertes bürgerliches Familienmodell                    82
Egalitär-erwerbsbezogenes Familienmodell                      84    8 Synthese                                                  129
Egalitär-familienbezogenes Modell                             86    Gleichstellungsindex                                        130
Geschlechterkulturelle Familienmodelle 1970                   88    Schlussfolgerungen                                          132
Geschlechterkulturelle Familienmodelle 1990                   89    Zahlentabelle zur Geschlechterungleichheit in der Schweiz   134
Mutterschaftsversicherung                                     90    Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise              136
Erwerbsgrad allein erziehender Mütter und Väter               92
Nicht erwerbstätige allein erziehende Mütter                  94
Teilzeit erwerbstätige allein erziehende Mütter               95
Vollzeit erwerbstätige allein erziehende Mütter               96
Familienergänzende Kinderbetreuung                            97
Bemerkungen zu den Daten und Literaturhinweise                98
1
Einleitung
8                                                                                             1 Einleitung

Einleitende Bemerkungen                                                                               Gleichstellung bedeutet nicht Gleichmacherei
                                                                                                      Ein Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz beruft sich auf das gesellschaftspolitische Ziel der
Frauen und Männer: gleich oder verschieden?                                                           Chancengleichheit und Gleichberechtigung beider Geschlechter, wie es beispielsweise im Arti-
Ein Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz basiert auf der Einteilung aller Menschen in weib-       kel 4 der Schweizerischen Bundesverfassung umschrieben wird (siehe Kapitel 3 «Gleicher Lohn
liche und männliche Personen, Mädchen und Knaben, Frauen und Männer. Tatsächlich ist das              für gleichwertige Arbeit und weitere Rechte»). Gleichstellung von Frauen und Männern ist dabei
Geschlecht ein Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaftsordnung in der Schweiz und vielen an-            keineswegs mit Gleichmacherei gleichzusetzen, sondern strebt den Abbau ungerechtfertigter
deren, wenn nicht gar allen, Gesellschaften und Ländern. Neben der biologischen Verschiedenheit       Privilegien oder Benachteiligungen an, die sich direkt oder indirekt als Folge der Zugehörigkeit
von Frauen und Männern hat der Faktor Geschlecht auch eine psychologische, gesellschaftli-            zu einem Geschlecht ergeben. Auf der formaljuristischen Ebene ist heute die Gleichberechtigung
che und symbolische Bedeutung. Mädchen werden «als Mädchen» und Knaben «als Knaben»                   von Frauen und Männern in der Schweiz annähernd erreicht. In der Praxis dagegen sind auf
erzogen und entwickeln eine persönliche Identität als Frau bzw. als Mann. Erwachsene Frauen           dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern noch verschiedene Hindernisse zu über-
und Männer üben weitgehend unterschiedliche Tätigkeiten und Rollen in der Gesellschaft aus.           winden. Im vorliegenden Atlas interessiert, inwiefern dieses Ziel in den einzelnen Regionen des
Bestimmte Verhaltensweisen gelten als männlich, andere dagegen als weiblich und von den Ge-           Landes bereits erreicht worden ist.
sellschaftsmitgliedern wird erwartet, dass sie sich an diese (meist ungeschriebenen) Normen hal-
ten.                                                                                                  Schweiz: kulturelle und strukturelle Vielfalt auf kleinem Raum
     Diese Betonung der Verschiedenheit von Frauen und Männern ist jedoch nur eine Sichtweise.        Die Schweiz ist trotz ihrer geringen Grösse ein vielgestaltiges Land. Diese Vielfalt kommt so-
Zumindest in der Schweiz und den anderen westlichen Industrieländern hat sich – beginnend             wohl in wirtschaftlichen und politischen als auch in sozialen und kulturellen Aspekten des
mit der Aufklärung im 17. Jahrhundert – im Laufe der Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass           Lebens zum Ausdruck. Der föderalistische Staatsaufbau gewährt den Kantonen in vielerlei Hin-
Frauen und Männer im Grunde genommen dieselben Eigenschaften als Menschen besitzen und                sicht einen grossen Handlungsspielraum für eine eigenständige Entwicklung. In geringer zeit-
deshalb auch gleiche Rechte in der Gesellschaft beanspruchen können. Selbst auf der biologi-          licher und räumlicher Distanz existieren dynamische Wirtschaftsmetropolen, allen voran Zürich,
schen Ebene weisen Frauen und Männer sehr viele Gemeinsamkeiten auf und es ist eine Frage             dessen Pendlerströme sich stets weiter in den vormals ländlichen Raum ausbreiten, und dünn
des Blickwinkels, ob man eher die biologischen Ähnlichkeiten zwischen Frauen und Männern              besiedelte Täler mit einer wenig entwickelten, nach wie vor von der Landwirtschaft geprägten
hervorheben will oder die Unterschiede. Die so genannten «natürlichen» Unterschiede in der            Wirtschaft. Auch die dominierenden Werthaltungen und Überzeugungen der Bevölkerung sind
Biologie und im Verhalten von Frauen und Männern erweisen sich jedenfalls bei genauerem Hin-          keineswegs im ganzen Land einheitlich, wie es anlässlich von eidgenössischen Volksabstim-
sehen oft als kulturelle Konstrukte. Deshalb zweifeln beispielsweise heute nur noch wenige daran,     mungen mit schöner Regelmässigkeit zum Ausdruck kommt. Stadt-Land-Kontraste, aber auch
dass Väter genauso fürsorglich mit ihren Kindern umgehen können wie Mütter oder dass Frau-            Unterschiede zwischen den drei grossen Sprachregionen prägen hier das geographische Bild.
en so gut wie Männer technische Spitzenleistungen vollbringen können.                                     Bereits 1974 haben die beiden Soziologen Thomas Held und René Levy in einer umfangrei-
     Frauen und Männer sind somit gleichzeitig sowohl gleich als auch verschieden.                    chen soziologischen Analyse auf die grosse Bedeutung wirtschaftlicher und kultureller regiona-
                                                                                                      ler Besonderheiten für die «Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft» in der Schweiz hin-
Bewusste Einnahme einer «frauenorientierten» Perspektive                                              gewiesen. Die beiden Autoren kamen zum Schluss, dass ein direkter Zusammenhang besteht
Durch den Entscheid, einen Frauen- und Gleichstellungsatlas Schweiz herzustellen, wird den            zwischen dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand, den Einstellungen der Bevölkerung zur Eman-
Unterschieden zwischen Frauen und Männern und den unterschiedlichen Rollen und Lebens-                zipation der Frauen (in jener Zeit ein zentraler Begriff) sowie der tatsächlichen Gleichstellung
bedingungen von Frauen und Männern eine vergleichsweise grosse Bedeutung beigemessen.                 der Geschlechter. «Je weniger entwickelt ein Kanton ist, desto eher neigen viele seiner Einwohner
Dieser Entscheid rechtfertigt sich aus zwei Gründen: Erstens wird in den bestehenden Atlaswerken      zu Reaktionen, die zur Verhärtung traditioneller Wertvorstellungen und zur Betonung zuge-
zur Sozialstruktur der Schweiz (siehe Literaturhinweise am Ende dieses Kapitels) der grossen Be-      schriebener Merkmale (Frauen, Ausländer) führen», wurde damals festgehalten. Die vorliegen-
deutung des Faktors Geschlecht nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zweitens gelangen in               de Untersuchung wird zeigen, ob oder inwiefern die Ergebnisse von Held und Levy auch heute
diesen Publikationen gesellschaftliche Bereiche nicht zur Darstellung, welche heute aus Sicht vie-    noch gültig sind.
ler Frauen von besonderem Interesse sind. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Bereiche
der unbezahlten und ehrenamtlichen Arbeit, Aspekte der haushaltorientierten Infrastruktur sowie
die Thematik der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie. Diese implizit männerorien-
tierte Perspektive der bestehenden Atlaswerke zur Sozialstruktur der Schweiz wird deshalb mit
dem vorliegenden Band durch eine explizit frauenorientierte Perspektive ergänzt.
1 Einleitung                                                                                            9

Zielsetzungen, Aufbau und Grenzen des Atlas                                                          cen von Frauen nachhaltig prägen. Zu diesen im vorliegenden Atlas jedoch nicht berücksich-
                                                                                                     tigten Bereichen zählen insbesondere die beiden wichtigen Bereiche Sexualität und Gewalt.
Zielsetzungen                                                                                        Daneben sind auch die internationale und nationale Migration, das kulturelle Schaffen, das Ge-
Der Frauen- und Gleichstellungsatlas verfolgt insbesondere folgende Ziele:                           sundheitswesen und viele weitere gesellschaftliche Bereiche in hohem Masse geschlechts-
     Er stellt die regionalen Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der Lebensbedin-           spezifisch geprägt. Ein Einbezug dieser Themen hätte jedoch nicht nur den gegebenen zeitlichen
gungen von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter in einer vergleichenden Weise dar.         und finanziellen Rahmen des Projektes gesprengt, sondern wäre in vielen Fällen bereits an den
Frauenerwerbsarbeit im Glarner Hinterland hat beispielsweise eine andere Bedeutung als Frau-         verfügbaren Daten gescheitert.
enerwerbsarbeit in der Stadt Genf.
     Er macht die Vielfalt der Lebensbedingungen von Frauen in verschiedenen gesellschaftlichen      Grenzen
Bereichen sichtbar. Höhere Frauenanteile in wirtschaftlichen Führungspositionen sind bei-            Atlanten und andere Werke, welche sich hauptsächlich auf quantitativ messbare, statistische
spielsweise nicht automatisch und in allen Regionen mit einer höheren Repräsentation der Frau-       Daten stützen, bilden immer nur einen begrenzten Teilbereich der gesellschaftlichen Realität ab.
en in den politischen Behörden gekoppelt, denn die gesellschaftlichen Prozesse, welche diese         Auf drei Einschränkungen der Aussagekraft dieses Atlas soll im Folgenden speziell hingewiesen
Geschlechterverhältnisse bewirken, sind komplex und teilweise widersprüchlich.                       werden.
     Er schärft das Bewusstsein für Geschlechterungleichheiten. Die tatsächliche Gleichstellung           Wie gerade angesprochen, werden die Grenzen eines Atlas erstens durch die vorhandenen
von Frauen und Männern ist überall in der Schweiz erst in Ansätzen verwirklicht. Lassen sich         statistischen Daten gesetzt. Gesellschaftliche Bereiche, welche statistisch nur unzureichend oder
trotzdem Regionen mit grösserer und geringerer Geschlechterungleichheit bestimmen? Sind die          gar nicht erfasst sind, können auch nur unzureichend oder gar nicht abgebildet werden. Die
wirtschaftlich starken Regionen auch gleichzeitig fortschrittlicher auf dem Gebiet der Gleich-       diesbezüglich grössten statistischen Lücken bestehen in der Schweiz momentan in allen Berei-
stellung?                                                                                            chen, welche die so genannte Privatsphäre betreffen. Im Privaten leisten die Frauen traditionell
     Er liefert Anstösse für weitergehende Arbeiten auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechter-     einen Hauptteil der Arbeit. Kleine Kinder werden in der Schweiz hauptsächlich in der Familie
forschung. Der Atlas stellt ein Arbeitsinstrument dar, um sich gezielt über relevante gleichstel-    oder informell von Verwandten und in der Nachbarschaft betreut. Im Gegensatz zu anderen
lungspolitische Gegebenheiten innerhalb der Schweiz zu informieren. Die angesprochenen The-          Ländern, z. B. Kanada, sind diese im Privaten erbrachten Leistungen in der Schweiz statistisch
men und aufgeworfenen Fragen bilden gleichzeitig eine Ausgangsbasis für weiterführende,              nur schlecht erfasst. Aber auch die Bereiche Sexualität und Gewalt gehören zu einem grossen
vertiefende Analysen.                                                                                Teil in die Privatsphäre. Gerade der letzte Punkt macht deutlich, dass der flächendeckenden sta-
                                                                                                     tistischen Erfassung vieler relevanter Aspekte des Zusammenlebens, z. B. mit Volkszählungen,
Aufbau                                                                                               auch grundsätzliche Grenzen gesetzt sind.
In den Hauptkapiteln werden 5 grosse gesellschaftliche Bereiche aufgegriffen und diskutiert,              Eine zweite Begrenzung der Aussagekraft der vorliegenden Publikation ist im Prinzip der Ab-
denen aus einer Frauen- und Gleichstellungsperspektive eine speziell hohe Relevanz zukommt.          bildung sozialer Sachverhalte mit Hilfe von Karten selbst begründet. In Karten werden regiona-
Es sind dies die Bereiche: Familien und Haushalte – Erwerbsarbeit und Beruf – Unbezahlte Ar-         le Muster sozialer Sachverhalte sichtbar; durch welche Prozesse diese Muster zustande kom-
beit – Bildung – Politik.                                                                            men, geht daraus grundsätzlich nicht hervor. Aus dem hohen Anteil nicht erwerbstätiger Mütter
    In der internationalen vergleichenden Geschlechterforschung besteht weitgehende Über-            im Oberwallis (Kapitel 5) lässt sich beispielsweise nicht erkennen, ob diese Lebensform auch den
einstimmung, dass diese Bereiche für eine Analyse der Geschlechterungleichheit unverzichtbar         Wertvorstellungen der betreffenden Frauen entspricht oder – falls sie lieber erwerbstätig wären
sind. Dem in der Schweiz gleichstellungspolitisch zentralen, kontrovers diskutierten Thema der       – welche persönlichen, familiären, arbeitsmarktlichen oder sonstigen Gründe sie an einer Er-
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Schlusskapitel wird so-     werbstätigkeit hindern. Um solchen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, sind vor allem
dann der Versuch unternommen, mit Hilfe einiger «harter» Merkmale der Geschlechterun-                qualitative Fallstudien geeignet.
gleichheit eine gleichstellungspolitische Rangliste der Schweizer Regionen zu erstellen.                  Drittens hat die Fokussierung auf regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Lebens-
    Nach Möglichkeit wurden nicht nur die jeweils verfügbaren aktuellsten statistischen Daten,       bedingungen von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter konsequenterweise eine Ver-
sondern auch zeitlich weiter zurückliegende Datensätze in die Auswertung einbezogen. Dieses          nachlässigung anderer sozialer Differenzierungskriterien zur Folge. Die dargestellten Durch-
Vorgehen erlaubt es, neben dem synchronen regionalen Quervergleich auch die zeitliche Dy-            schnittswerte für die gesamte Gruppe der Frauen bzw. Männer in einer Region müssen deshalb
namik der Lebensbedingungen von Frauen festzuhalten und unter anderem zu beurteilen, ob              grundsätzlich weder auf jeden Einzelfall zutreffen noch auf alle relevanten sozialen Gruppen. Ins-
sich die Regionen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse im betrachteten Zeitraum eher an-        besondere die wichtigen Unterscheidungen nach nationaler Zugehörigkeit und sozialem Status
geglichen oder auseinander entwickelt haben.                                                         konnten nicht systematisch, sondern nur ansatzweise in die Untersuchung einbezogen werden.
    Familie, bezahlte und unbezahlte Arbeit, Ausbildung und Politik sind zwar zentrale, jedoch
nicht die einzigen gesellschaftlichen Bereiche, welche die Lebenssituation und die Lebenschan-
10                                                                                            1 Einleitung

Die räumlichen Gliederungen                                                                           len keine aussagekräftige Berechnung von Relativwerten zulassen. Die Sprache ist ein erstran-
                                                                                                      giges Medium der Kulturvermittlung und Identitätsbildung, weshalb fast a priori davon ausge-
Im Frauen- und Gleichstellungsatlas werden die Lebensbedingungen von Frauen und die Gleich-           gangen werden kann, dass dominierende Einstellungen, Werte und Normen bezüglich einer gan-
stellung der Geschlechter für verschiedene, unterschiedliche Raumeinheiten vergleichend dar-          zen Anzahl sozialer Sachverhalte zwischen unterschiedlichen Sprachräumen differieren. Für die
gestellt und beurteilt. Dieses Vorgehen erlaubt, die einzelnen Sachverhalte sozusagen von ver-        Schweiz ist mittlerweile empirisch gut dokumentiert, dass sich auch die Einstellungen in Bezug
schiedenen Seiten zu beleuchten und ermöglicht dadurch mehr analytische Tiefenschärfe. Alle           auf zentrale Merkmale des Geschlechterverhältnisses zwischen den Sprachregionen deutlich
im Atlas verwendeten Raumeinheiten entsprechen offiziellen, vom Bundesamt für Statistik de-           unterscheiden.
finierten Raumgliederungen. Sie werden auf dieser Seite kurz beschrieben und auf den nach-
folgenden Kartenseiten kartographisch abgebildet.                                                     Städte, städtisches Umland und Land
                                                                                                      Städte und ländliche Räume unterscheiden sich per definitionem hinsichtlich zentraler wirt-
Kantone und Grossregionen                                                                             schaftsstruktureller Merkmale. In den städtischen Agglomerationen konzentrieren sich die mo-
Die 26 Kantone der Schweiz verfügen über teilweise weitreichende administrative und gesetz-           dernen, wertschöpfungsintensiven Dienstleistungsfirmen, die hochzentralen Dienstleistungen
geberische Kompetenzen, unter anderem in der Steuergesetzgebung und im Ausbildungsbe-                 sowie die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsfunktionen. Stadt und Land unter-
reich. Für die Situation der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter können die kanto-         scheiden sich aber auch in kultureller Hinsicht, indem kulturelle Innovationen sich oft in den
nalen politischen Kompetenzen deshalb je nachdem von nicht zu unterschätzender Bedeutung              Städten zuerst ausbreiten. Das Stadt-Land-Kontinuum ist deshalb in einer vergleichenden Ana-
sein. Wirtschaftlich, sozial und kulturell sind die meisten Schweizer Kantone jedoch sehr hetero-     lyse der Situation von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter auf jeden Fall zu be-
gene Einheiten, weshalb sie sich nur bedingt für eine vergleichende Betrachtung sozialer Sach-        rücksichtigen. Im Atlas werden die städtischen Gebiete zusätzlich unterteilt in Städte und städ-
verhalte eignen. Die 7 Grossregionen sind Zusammenzüge von Kantonen. Die Grossregionen                tisches Umland. Die Städte entsprechen den Agglomerationszentren der offiziellen Statistik und
gelangen nur einmal (Thema «Lohnungleichheit», Kapitel 3) zur Darstellung, dies weil für klei-        das städtische Umland dem Agglomerationsgürtel. Die teilweise ausgeprägte Differenzierung
nere Raumeinheiten keine repräsentativen statistischen Zahlen über die Lohneinkommen zur              von Wohnbevölkerung und Wirtschaft zwischen den Kernstädten und ihrem Umland macht diese
Verfügung stehen.                                                                                     zusätzliche Unterscheidung sinnvoll. Die neun so genannten «isolierten Städte» werden hier dem
                                                                                                      städtischen Umland zugerechnet. Auch die Stadt-Umland-Land Differenzierung wird – zusam-
MS-Regionen                                                                                           men mit den Sprachgebieten – in Form von Säulendiagrammen abgebildet.
Die 106 so genannten MS-Regionen sind heute die am meisten verwendete Analyseeinheit auf
mikroregionaler Ebene. Sie sind anfangs der Achtzigerjahre im Rahmen eines Forschungspro-             Gemeindetypen
jektes über räumliche Mobilität (MS = mobilité spatiale) aus bestehenden Berggebiets- und Raum-       Im Gegensatz zu den anderen Raumgliederungen sind die Gemeindetypen keine zusammen-
planungsregionen durch Übernahme, Aggregation und in Einzelfällen Neubildung geschaffen               hängenden Gebiete, sondern Zusammenfassungen von Gemeinden mit ähnlichen Merkmalen.
worden. Die MS-Regionen zeichnen sich durch eine gewisse räumliche Homogenität aus und                Die neun unterschiedenen Gemeindetypen werden in Form von Tabellen dargestellt. Vier Ge-
stellen vor allem in ländlichen Gebieten Kleinarbeitsmarktregionen mit funktionaler Ausrichtung       meindetypen bilden zusammen das städtische Gebiet: Die Zentren entsprechen den Agglome-
auf ein Zentrum dar. Die MS-Regionen sind die kleinste räumliche Einheit, die im Frauen- und          rationszentren (siehe oben), das städtische Umland wird unterteilt in suburbane, periurbane sowie
Gleichstellungsatlas zur Darstellung gelangt. Zur Interpretation der Geschlechterverhältnisse in      reiche Gemeinden. Auf der entsprechenden Karte lassen diese vier städtischen Gemeindetypen
den MS-Regionen sind neben ihrer kantonalen und sprachregionalen Zugehörigkeit und ihrer              meistens eine konzentrische oder axiale Siedlungsanordnung erkennen: In unmittelbarer Nähe
Situierung im Stadt-Land-Kontinuum auch regionsspezifische wirtschaftsstrukturelle Bedingun-          zur Kernstadt liegen die suburbanen Gemeinden sowie in den oft landschaftlich privilegierten
gen in Betracht zu ziehen.                                                                            Lagen die reichen Gemeinden. Sie werden von einem Kranz vormals ländlicher Gemeinden um-
                                                                                                      geben, die erst in jüngerer Zeit durch eine verstärkte Wohnbautätigkeit (Einfamilienhäuser) ins
Sprachregionen                                                                                        städtische Einzugsgebiet gelangt sind (periurbane Gemeinden). Vier der fünf ländlichen Ge-
Bekanntlich besitzt die Schweiz mit dem Deutschen, dem Französischen, dem Italienischen und           meindetypen werden hauptsächlich durch die in ihnen vorherrschende wirtschaftliche Bran-
dem Rätoromanischen 4 offizielle Landessprachen. Die Sprachgebiete sind, mit Ausnahme des             chenstruktur definiert (industrielle/tertiäre, touristische, agrarisch-gemischte sowie agrarisch-pe-
deutsch-rätoromanischen Raumes, relativ homogen, d. h. es existieren nur wenige Sprachinseln          riphere Gemeinden). Letztere, welche in diesem Atlas der Einfachheit halber als «agrarische»
innerhalb eines anderen Sprachgebietes. Im Frauen- und Gleichstellungsatlas werden die für die        Gemeinden bezeichnet werden, liegen zum grössten Teil in den Voralpen, die touristischen Ge-
Sprachregionen berechneten Merkmale in Form von Säulendiagrammen dargestellt. Die räto-               meinden dagegen ausschliesslich in den Alpen. Die Übereinstimmung des industriell/tertiären
romanischen Gemeinden werden dabei den deutschsprachigen zugeordnet, weil die geringen                Gemeindetyps mit Gebieten früher Industrialisierung ist augenfällig. Die agrarisch-gemischten
Bevölkerungs- und Arbeitsplatzzahlen in den rätoromanischen Gebieten in den allermeisten Fäl-         sowie die ländlichen Pendlergemeinden markieren räumliche Übergangsformen.
1 Einleitung                                                                                         11

Hinweise zur Karteninterpretation                                                                        Jeder Wahl der Klassengrenzen geht eine Analyse der mit der kartografischen Software Car-
                                                                                                     Thema erstellten Arbeitskarten (z. B. nach der Methode der Quartile) und der Histogramme (Er-
Karten sind Modelle der Realität; sie bilden wie jedes andere Modell Teile der Wirklichkeit, das     kennen von Gruppen und natürlichen Sprüngen) voraus. Die Festlegung der Klassengrenzen er-
so genannte Kartenthema, in einer vereinfachten Form ab. Die Art der Vereinfachung, d. h. die        folgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse statistischer Methoden nach kartografischen Regeln.
Wahl der kartografischen Darstellungsmethode, erfolgt immer zielgerichtet und hängt unter            So gilt es, Zusammengehörendes möglichst derselben Klasse zuzuordnen, die Klassengrössen
anderem vom Datenmaterial und vom Kartenmassstab ab. Es liegt auf der Hand, dass die MS-             und Anzahl Werte von Stufe zu Stufe nicht beliebig zu wechseln sowie leere Klassen – ausser in
Regionskarten im Massstab ca. 1:1700000 und die noch kleineren Kantonsübersichten keine              den Randbereichen von Kartenserien – zu vermeiden. Runde Klassengrenzen fördern zudem die
Detailinformationen enthalten können. Hingegen ermöglichen diese Karten ein Erfassen der             Übersichtlichkeit.
räumlichen Strukturen und das Erkennen von Zusammenhängen und regionaler Unterschiede.                   Dieses Vorgehen bewirkt, dass die Karte ausser den statistischen Daten auch räumliche Phä-
                                                                                                     nomene abbildet. Der Nachteil besteht darin, dass die einzelnen Karten nicht direkt vergleich-
Darstellungsmethoden                                                                                 bar sind. Ausnahmen bilden Kartenserien mit einer gemeinsamen Legende.
Die statistischen Daten beziehen sich auf MS-Regionen, Kantone oder Grossregionen. Die Farb-
abstufungen in den Karten bezeichnen Prozentanteile oder Indexzahlen, also Relativwerte, die         Legenden
sich z. B. auf eine bestimmte in der Region wohnhafte Personengruppe, nicht aber auf die Re-         Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte jede Karteninterpretation mit einem Blick auf Titel und
gionsfläche beziehen. Dadurch erhalten die grossflächigen MS-Regionen im Alpengebiet trotz           Legende beginnen. In diesem Atlas beziehen sich alle Legendentitel auf die im Untertitel der
geringer Bevölkerungszahlen ein starkes Übergewicht gegenüber den kleineren, jedoch bevöl-           Karten angegebenen Indikatoren.
kerungsreichen Gebieten im Mittelland. Um den verfälschten visuellen Eindruck zu korrigieren,            Die Zahlen vor den Legendenkästchen geben an, wieviele MS-Regionen zur betreffenden
haben wir grosse zusammenhängende unproduktive Flächen im Berggebiet (Gletscher, Geröll,             Klasse gehören, dies als Hinweis auf die Verteilung der dargestellten Daten. Die Klasseninter-
Fels usw.) ausgeschieden und weiss dargestellt.                                                      valle sind rechts neben den Legendenfeldern aufgeführt. Auf die Zugehörigkeit der Klassen-
     Die Kartenherstellung nach der relativen Methode birgt eine weitere Gefahr der Fehlein-         grenzwerte lässt sich aus der Bezeichnung der niedrigsten und der höchsten Klasse schliessen.
schätzung. Da tiefe Werte und weniger Wichtiges hell und hohe Werte bzw. Wesentliches dun-           So bedeutet «unter 50», dass der Wert 50.00 der nächst höheren Stufe zugeordnet ist. Dies
kel dargestellt werden, erhalten Flächen mit geringen Prozentwerten einen hellen Farbton zu-         drückt sich auch in der Formulierung der höchsten Klasse «65 und mehr» aus, die den Wert
gewiesen, während eine dunkel eingefärbte Fläche auf einen hohen prozentualen Anteil hinweist        65.00 einschliesst.
und optisch in den Vordergrund tritt. Über die Anzahl der betroffenen Personen sagt diese Dar-           Da ein bestimmter heller oder dunkler Farbton in verschiedenen Karten für unterschiedlich
stellung jedoch nichts aus. So weist in der Karte «Frauen in Führungspositionen» (Kapitel 3) das     niedrige oder hohe Prozentwerte stehen kann, bilden Kenntnisse über die Klassengrössen und
Goms mit nur fünf Direktorinnen und leitenden Angestellten am Stichtag der Datenerhebung             den Wertebereich der Daten (ersichtlich aus den Angaben der Minima und Maxima) eine wich-
einen hohen prozentualen Anteil von Frauen in Führungspositionen auf und erhält denselben            tige Voraussetzung für die Karteninterpretation.
dunklen Flächenton wie Genf mit ähnlichen Prozentwerten, jedoch 3495 Direktorinnen und lei-              Da die Software CarThema bei der Berechnung der flächenproportionalen Kreise die Einga-
tenden Angestellten. Ohne die hinzugefügten Absolutwerte, flächenproportional zu den ent-            be eines Referenzradius erlaubt, lassen sich mehrere Karten mit derselben Kalibrierung erstel-
sprechenden Variablen dargestellte Kreise, ginge eine wesentliche Zusatzinformation, nämlich         len und vergleichen. Dies ist nur für Variablenwerte ähnlicher Grössenordnung sinnvoll. In jedem
die Berechnungsbasis, verloren. Erst eine Kombination von relativer und absoluter Darstel-           Fall sind die Signaturenmassstäbe der Legenden zu beachten. Kleine Werte, deren berechnete
lungsmethode ermöglicht ein besseres Verständnis des Karteninhaltes.                                 Kreisflächen im Kartenbild nicht mehr erkennbar wären, sind pro Karte zu einer Gruppe zu-
     Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der eindeutigen Zuordnung zur jeweiligen Region           sammengefasst und durch einen ausgefüllten Kreis gekennzeichnet.
stehen die Signaturen nicht im Siedlungsschwerpunkt, sondern in der optischen Mitte der Flä-             Gemäss dem kartografischen Gestaltungsprinzip, Gleiches gleich und Verschiedenes unter-
che.                                                                                                 schiedlich darzustellen, erhalten einige Karten nach der Helligkeit abgestufte, zweifarbige Ska-
                                                                                                     len, bei Veränderungskarten zur Unterscheidung von Zu- und Abnahme, bei Abstimmungskar-
Klassenbildung                                                                                       ten zur Kennzeichnung von Ablehnung oder Zustimmung. Die hellsten Farbtöne weisen auf
Die Anzahl der Klassen und die Wahl der Klassengrenzen beeinflussen den optischen Eindruck           geringe Veränderungen bzw. auf einen Ja-Stimmenanteil um 50% hin, die kräftigen Farbtöne
und die Aussagekraft der Karten. Die Zahl der zu unterscheidenden Klassen wird für jede Karte        auf eine starke Veränderung bzw. auf eine starke Ablehnung oder hohe Zustimmung.
unter Berücksichtigung des Wertebereichs und der Verteilung der Daten (meist asymmetrisch,               Abschliessend sei bemerkt, dass Hinweise auf die zur Kartenherstellung verwendete Soft-
oft bimodal) individuell bestimmt. Bis auf wenige Ausnahmen geben fünf oder sechs Klassen            ware und auf Quellen für die Herstellung der Basiskarte auf der letzten Seite dieses Kapitels zu
den Karteninhalt genügend differenziert und übersichtlich wieder und berücksichtigen sowohl          finden sind.
sachliche und räumliche Zusammenhänge als auch Besonderheiten.                                                                                                                         Carmen Brun
16                                                                                            1 Einleitung

Methodische Bemerkungen                                                                               Literaturhinweise
Datensätze                                                                                            ATLAS DER SCHWEIZ (1965): Eidgenössische Landestopographie, Wabern
Bis auf einen (Frauen und Männer in den Gemeindeexekutiven, Kapitel 7) wurden sämtliche               BAHRENBERG, GERHARD ET AL. (1990): Statistische Methoden in der Geographie.
Datensätze, die im Frauen- und Gleichstellungsatlas verwendet werden, vom Bundesamt für Sta-          Bd. 1, B. G. Teubner, Stuttgart
tistik erzeugt. In erster Linie handelt es sich um Resultate der periodisch durchgeführten gros-
                                                                                                      BRUN, CARMEN (2000): Die Qualität von Karten in Geografischen Informationssystemen.
sen Vollerhebungen: die eidgenössische Volkszählung und die eidgenössische Betriebszählung.
                                                                                                      Geoprocessing Reihe, Band 37, Geografisches Institut Universität Zürich,
Auch die Resultate der eidgenössischen Volksabstimmungen sowie die Angaben zu den Ar-
                                                                                                      http://www.geo.unizh.ch/gis/research/geoprocessing/geoprocessing.shtml
beitslosenzahlen stellen Vollerhebungen dar und lassen sich wie die Daten der Volks- und Be-
triebszählung problemlos für alle möglichen Raumeinheiten aggregieren. In einigen Fällen muss-        BUNDESAMT FÜR STATISTIK (Hg.) (1994): Die Raumgliederungen der Schweiz. Bern
te jedoch auf Stichproben zurückgegriffen werden, deren Ergebnisse nur für bestimmte grössere
                                                                                                      BUNDESAMT FÜR STATISTIK: Auf dem Weg zur Gleichstellung? Frauen und Männer in der
Raumeinheiten repräsentativ sind (Lohnstrukturerhebung (LSE), Schweizerische Arbeitskräf-
                                                                                                      Schweiz. Diverse Jahrgänge, Bern und Neuchâtel
teerhebung (SAKE)).
                                                                                                      DECLERCQ, FRANKY A. N. (1995): Choropleth Map Accuracy and the Number of Class
Regionalisierung                                                                                      Intervalls. In: Proceedings of the 17th ICC, Barcelona, 918 – 922
Die Begrenzung und Definition der dargestellten Raumeinheiten entspricht grundsätzlich dem
                                                                                                      HARDING, SANDRA (1991): Feministische Wissenschaftstheorie. Zum Verhältnis von
Gebietsstand des Jahres 1990. Das hat beispielsweise zur Folge, dass der Kanton Jura, der im
                                                                                                      Wissenschaft und sozialem Geschlecht. Argument, Hamburg
Jahr 1978 gegründet wurde, in den Karten mit den Resultaten der eidgenössischen Volksab-
stimmungen über das Frauenstimmrecht in den Jahren 1959 und 1971 erscheint, obwohl er zu              HELD, THOMAS und LEVY, RENÉ (1974): Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft.
jenen Zeitpunkten noch Teil des Kantons Bern war. Die Aggregierungen der Gemeindedaten-               Eine soziologische Analyse am Beispiel der Schweiz. Huber, Frauenfeld
sätze auf die verschiedenen Raumeinheiten wurden von Experten des Bundesamtes für Statis-
                                                                                                      KRIESI, HANSPETER ET AL. (1996): Le clivage linguistique. Problèmes de compréhension
tik (Fachbereich ThemaKart) durchgeführt.
                                                                                                      entre les communautés linguistiques en Suisse. Bundesamt für Statistik, Bern
Statistische Verfahren                                                                                PFAU-EFFINGER, BIRGIT (1998): Gender Cultures and the Gender Arrangement –
In der Datenanalyse gelangten ausschliesslich Verfahren der beschreibenden Statistik zur An-          A Theoretical Framework for Cross-National Gender Research. Innovation:
wendung. Für die Beurteilung der Höhe des Zusammenhanges zwischen zwei Indikatoren wurde              The European Journal of Social Sciences, 11, 2, 147–166
der Pearson Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient r berechnet; für das Ausmass der regio-
                                                                                                      SCHULER, MARTIN ET AL. (1985): Strukturatlas der Schweiz. Ex Libris, Zürich
nalen Streuung die Standardabweichung und die Variationsbreite.
                                                                                                      SCHULER, MARTIN ET AL. (1997): Strukturatlas der Schweiz. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Hinweise zur Kartenherstellung
                                                                                                      SEAGER, JONI (1998): Der Fischer Frauen-Atlas. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main
In diesem Atlas setzt sich jedes Kartenbild aus einer Basiskarte, bestehend aus Grenz- und Gewäs-
serlinien, und aus thematischen Eintragungen, dargestellt durch Farbflächen und Kreissignaturen,      SENTI, MARTIN (1994): Geschlecht als politischer Konflikt – Erfolgsbedingungen einer
zusammen.                                                                                             gleichstellungspolitischen Interessensdurchsetzung. Eine empirische Untersuchung am Beispiel
     Für die mit der kartografischen Software «CarThema» erstellten Arbeitskarten konnten wir         der Schweiz. Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, Paul Haupt, Bern
die vom Bundesamt für Statistik in verdankenswerter Weise zur Verfügung gestellten Geome-
                                                                                                      WALBY, SYLVIA (1994): Methodological and theoretical issues in the comparative analysis
triedaten wie Gewässernetz und MS-Regionspolygone mit Labelpunkten verwenden und diese
                                                                                                      of gender relations in Western Europe. Environment and Planning A, 26, 9, 1339–1354
mit den Excel-Dateien verknüpfen.
     Die Bearbeitung der Karten erfolgte dann im Grafikprogramm «Adobe Illustrator» mit einer         WITT, WERNER (1970): Thematische Kartographie. Gebrüder Jänecke, Hannover
speziell für den Kartenmassstab generalisierten, neu erstellten Basiskarte. Grundlage für dieses
neue Grenz- und Gewässernetz bildeten die Karten 2 «Politische Gliederung» und 17 «Vegeta-
tion», beide im Massstab 1:500000, aus dem Atlas der Schweiz im Vergleich mit weiteren Kar-
ten und den vom Bundesamt für Statistik zur Verfügung gestellten Unterlagen.
     Die gesamte Atlasherstellung erfolgte digital bis zu den fertigen Druckdateien.
17

2
Familien- und Haushaltsformen
18                                                                                  2 Familien- und Haushaltsformen

Thematischer Überblick                                                                               Nationale Besonderheiten
                                                                                                     Grundsätzlich gelten die oben beschriebenen Tendenzen des Wandels in den Familien- und Haus-
Familien- und Haushaltsformen haben sich fundamental gewandelt                                       haltsformen für alle europäischen Länder. Daneben sind aber auch interessante Abweichungen
Noch in den fünfziger Jahren bescheinigten soziologische Studien der bürgerlichen Kernfamilie        und Besonderheiten für einzelne Länder- oder Ländergruppen festzuhalten. So weisen bei-
(erwerbstätiger Vater, nicht erwerbstätige Mutter, mehrere Kinder) eine hohe Stabilität und lies-    spielsweise die nordeuropäischen Länder heute wieder steigende Geburtenzahlen auf, wäh-
sen keinen Zweifel an ihrem unveränderten Fortbestand aufkommen. Diese Annahme hat sich              renddem in allen anderen europäischen Ländern tiefe bis sehr tiefe Geburtenraten zu verzeich-
jedoch als Fehlprognose erwiesen, denn in den letzten Jahrzehnten ist in der Schweiz und den         nen sind. Diese Besonderheit ist zweifellos auch auf die grossen Anstrengungen zurückzuführen,
übrigen westlichen Ländern ein fundamentaler Wandel im Zusammenleben von Frauen und Män-             welche in den skandinavischen Staaten unternommen wurden, um die Vereinbarkeit von Beruf
nern eingetreten. Ein Rückgang der formell geschlossenen Ehen, sinkende Geburtenraten, stei-         und Familie für Mütter zu erleichtern. In Bezug auf das Scheidungsverhalten unterscheiden sich
gende Zahlen von Scheidungen, allein erziehenden Eltern und erwerbstätigen Müttern trugen            dagegen die südeuropäischen Länder vom übrigen Europa. Die anhaltend tiefen Scheidungsra-
wesentlich zum Bedeutungsverlust der bürgerlichen Kernfamilie bei. Trotzdem ist die klassische       ten in Südeuropa sind mit grosser Wahrscheinlichkeit sowohl auf den nach wie vor starken Ein-
Kleinfamilie in der Schweiz nach wie vor stark verankert und prägt den Lebensalltag einer Mehr-      fluss der Kirche als auch auf fehlende Erwerbsmöglichkeiten für viele Frauen ausserhalb des Fa-
heit der Bevölkerung.                                                                                milienbetriebs zurückzuführen.

Pluralisierung und Individualisierung des privaten Zusammenlebens                                    Aufbau dieses Kapitels
Es ist heute deshalb zutreffender, von einem vielfältigen Mosaik der Formen privaten Zu-             Die regionalen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Familien- und Haushaltsformen inner-
sammenlebens zu sprechen als von einer allgemeinen «Krise der Familie». Wohngemeinschaften           halb der Schweiz stehen auf den nachfolgenden Seiten im Zentrum des Interesses. Um den ge-
jüngerer oder älterer, hetero- oder homosexueller Personen, nicht- oder voreheliche Partner-         planten Umfang dieses Atlas nicht zu sprengen, musste aus der grossen Zahl potentiell mög-
schaften, stabile Beziehungen zwischen räumlich getrennt lebenden Personen oder neu zu-              licher Merkmale zur Beschreibung von Familien- und Haushaltsstrukturen zwangsläufig eine
sammengesetzte Familien, sog. «Patchworkfamilien», sind unter anderem Ausdruck dieser Plu-           Auswahl getroffen werden. Ausgewählt wurden Merkmale, die unter dem Gesichtspunkt des
ralisierung und Individualisierung der privaten Lebensformen. Immer mehr Menschen                    Geschlechterverhältnisses speziell relevant sind und für welche aussagekräftige statistische Daten
entscheiden sich auch dauerhaft für das Alleinleben oder sie leben gewollt in einer Partnerschaft    zur Verfügung stehen.
ohne Kinder.                                                                                              Den ersten thematischen Schwerpunkt bilden die veränderten Formen des Zusammenlebens
                                                                                                     zwischen Frauen und Männern. Drei Merkmale gelangen zur Darstellung: der Wandel in der so-
Neues Rollenverständnis der Frauen als treibende Kraft                                               zial-räumlichen Verbreitung der Ehe, der Wandel in den Einstellungen der Bevölkerung über die
Für eine Erklärung des Wandels in den Familien- und Haushaltsformen sind hauptsächlich vier          Ehe, wie er im neuen Eherecht zum Ausdruck kommt sowie die sozial-räumliche Verbreitung
Elemente hervorzuheben: Der technologische Fortschritt in der Empfängnisverhütung, vor allem         des Alleinlebens, die in der zunehmenden Zahl von sogenannten «Singles» sichtbar wird.
die Verbreitung der «Pille», der Ausbau des Sozialstaates, insbesondere die Existenzsicherung             Das reproduktive Verhalten der Bevölkerung und die Formen des Zusammenlebens mit Kin-
im Alter, der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit, der zu einer starken Erhöhung des       dern stellen den zweiten thematischen Schwerpunkt dar. Beispielhaft ausgewählt werden die
Arbeitsplatzangebotes im Dienstleistungssektor führte sowie das gewandelte Rollenverständnis         Aspekte «Kinderlosigkeit» und «Einelternfamilien».
von Männern und Frauen. Diese technologischen, sozialstaatlichen, wirtschaftlichen und kultu-             Ein dritter Schwerpunkt ist dem demographischen Alterungsprozess der schweizerischen Ge-
rellen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig in starkem Masse, so dass es schwierig ist, einen      sellschaft gewidmet, der gerade auch unter einem geschlechtsspezifischen Blickwinkel speziel-
Einflussfaktor als den wichtigsten herauszuschälen.                                                  le Aufmerksamkeit erfordert.
     Verschiedene Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erachten jedoch insbesondere            Den aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht zentralen Themen der Aufteilung der
das gewandelte Selbstverständnis der Frauen als treibende Kraft. Aspekte dieses gewandelten          unbezahlten Arbeit sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind eigene Kapitel in diesem
Frauenbildes sind unter anderem die politische Emanzipation, die seit der Einführung des Frau-       Atlas gewidmet.
enstimm- und -wahlrechtes stattgefunden hat, die grössere Autonomie in der Bestimmung der
eigenen Fruchtbarkeit und die stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen. Es ist nicht
zu übersehen, dass dieser gesellschaftliche Umbruchprozess bei vielen Männern und Frauen Ver-
unsicherung ausgelöst hat, denn heute ist es schwieriger geworden, auf ein verbindliches Frau-
en-, Männer- und Familienleitbild zurückzugreifen. Viele Paare ringen jedoch um neue Formen
gleichberechtigter Partnerschaften und der gesellschaftliche Verarbeitungsprozess der Frauen-
emanzipation schreitet voran.
2 Familien- und Haushaltsformen                                                                                              19

Ehe und Partnerschaft                                                   Neben der Erhöhung des Heiratsalters und der Zunahme der
                                                                    Scheidungen ist der Rückgang der verheirateten Personen
Die formelle Ehe verliert an Bedeutung                              auch auf das Zusammenleben von Frauen und Männern ohne
Aus der oberen Abbildung ist ersichtlich, dass der Anteil ver-      Trauschein (statistischer Fachausdruck: Konsensualpartnerschaft)
heirateter Personen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren sowohl       zurückzuführen. Diese Form der Partnerschaft hat seit den Sieb-     Verheiratete Frauen und Männer zwischen
bei den Frauen als auch bei den Männern seit 1970 deutlich          zigerjahren einen starken Aufschwung erfahren. Allerdings ist       20 und 39 Jahren
zurückgegangen ist. Waren 1970 noch gut 70 Prozent der Frau-        diese Beziehungsform in der Schweiz oft nur von temporärer          Anteil an allen gleichaltrigen Frauen bzw. Männern in der Schweiz
en dieser Altersgruppe verheiratet, so betraf dies 1990 nur noch    Dauer, weil immer noch meist geheiratet wird, wenn ein Kind
56 Prozent. Aktuelle Zahlen belegen zwar, dass die Heirats-         unterwegs ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa wer-             %                                                       %
häufigkeit wieder langsam im Steigen begriffen ist; die hohen       den in der Schweiz nur wenige Kinder ausserhalb der Ehe ge-               80                                                      80
                                                                                                                                                                   Frauen           Männer
Werte früherer Jahrzehnte werden jedoch nicht mehr erreicht.        boren.                                                                    70                                                      70
Ein praktisch identischer Rückgang wie bei den Frauen ist auch
bei den verheirateten Männern zu verzeichnen. Ins Auge fällt        Immer mehr Frauen und Männer leben allein                                 60                                                      60

jedoch, dass der Anteil verheirateter Männer bei den 20- bis        Aus der unteren Abbildung geht hervor, dass zwischen 1970                 50                                                      50
39-jährigen Personen stets etwa um zehn Prozentpunkte tie-          und 1990 ein steigender Anteil Frauen und Männer in der Al-
                                                                                                                                              40                                                      40
fer liegt als derjenige der Frauen. In diesem Unterschied kommt     tersgruppe der 20- bis 39-jährigen Personen allein wohnt. Bei
in erster Linie eine bei uns vorherrschende kulturelle Norm zum     den Frauen hat sich dieser Anteil von rund 6 Prozent auf 14               30                                                      30
Ausdruck, wonach der Partner einige Jahre älter sein sollte als     Prozent mehr als verdoppelt, bei den Männern derselben Al-
                                                                                                                                              20                                                      20
die Partnerin. Das durchschnittliche Heiratsalter der Männer ist    tersgruppe von rund 6 Prozent auf 17 Prozent sogar fast ver-
deshalb einige Jahre höher als dasjenige der Frauen.                dreifacht. In letzter Zeit hat es sich eingebürgert, diese zuneh-         10                                                      10
                                                                    mend wichtiger werdende Bevölkerungsgruppe jüngerer allein
Die Scheidungsrate liegt heute bei 40 Prozent                       wohnender Personen als «Singles» zu bezeichnen. Singles sind               0
                                                                                                                                                       1970            1980              1990
                                                                                                                                                                                                      0

Der rückläufige Anteil der verheiraten 20- bis 39-jährigen Per-     allerdings keine statistische Grösse. Der Soziologe François
sonen steht im Zusammenhang mit mehreren und unter-                 Höpflinger definiert Singles als «allein lebende Personen, die
schiedlichen Verhaltensänderungen des Zusammenlebens von            eine positive Einstellung zu dieser Lebensform haben und das        In Einpersonenhaushalten lebende Frauen und Männer
Frauen und Männern. Zum einen ist das durchschnittliche Hei-        Alleinleben zumindest vorübergehend geniessen». Unter die-          zwischen 20 und 39 Jahren
ratsalter im betrachteten Zeitraum gestiegen. Heute heiratet        sem Gesichtspunkt ist es nicht hundertprozentig korrekt, alle       Anteil an allen gleichaltrigen Frauen bzw. Männern in der Schweiz
man relativ spät; das durchschnittliche Alter bei der ersten Hei-   jüngeren, allein wohnenden Personen als Singles zu bezeich-
rat liegt derzeit bei den Frauen bei etwa 28 Jahren und bei den     nen, weiss man doch nicht, ob die obige Definition auf alle sta-           %                                                     %
Männern um die 30 Jahre.                                            tistisch so erfassten Personen auch tatsächlich zutrifft. Aus              20                                                    20
                                                                                                                                                                 Frauen            Männer
     Ein weiterer Grund für den anteilsmässigen Rückgang ver-       Gründen der sprachlichen Einfachheit werden jedoch im Fol-
heirateter Personen sind die hohen Scheidungsraten. Mehr als        genden jüngere, in Einpersonenhaushalten lebende Frauen und
                                                                                                                                               15                                                    15
40 Prozent aller Ehen werden heute geschieden, und mehr als         Männer trotzdem generell als Singles bezeichnet.
die Hälfte davon haben weniger als zehn Jahre gedauert und
sind kinderlos geblieben. Bei zwei Dritteln aller Scheidungen
                                                                                                                                               10                                                    10
geht die Initiative von den Frauen aus. Sozialwissenschaft-
lerinnen und -wissenschaftler führen dies neben gewandelten
Einstellungen über Treue und Sexualität in erster Linie auf die
                                                                                                                                                5                                                    5
grösseren Handlungsmöglichkeiten heutiger Frauen zurück,
ihren materiellen Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Weit-
gehender Konsens besteht darüber, dass auch früher ein hoher
                                                                                                                                                0                                                    0
Prozentsatz der Ehen unglücklich war, die Partner jedoch trotz-                                                                                       1970             1980             1990
dem zusammen blieben.

                                                                                                                                                          Quelle: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung
20                                                                                 2 Familien- und Haushaltsformen

Ehe                                                                                                     Auch wenn die Bedeutung der Ehe in allen Sprachregionen und Siedlungsgebieten zwischen
                                                                                                    1970 und 1990 abgenommen hat, ist doch festzuhalten, dass die Unterschiede im Heiratsver-
Auf der vorhergehenden Seite wurde auf den beträchtlichen Bedeutungsverlust der formellen           halten zwischen den Siedlungsformen in diesem Zeitraum zugenommen haben. Diese Entwick-
Ehe in der Schweiz hingewiesen. Trotz dieses Rückganges des Anteils verheirateter Personen          lung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Bedeutungsrückgang der Lebensform Ehe
belegen die Abbildungen auf diesen Seiten, dass nach wie vor eine Mehrheit der 20- bis 39-          bei der städtischen Bevölkerung viel ausgeprägter war als bei der Bevölkerung auf dem Land.
jährigen Frauen verheiratet ist. Neben dem Wunsch, eine lebenslange Partnerschaft institutio-
nell und kirchlich zu bekräftigen, gibt es auch praktische Gründe – vor allem sozialversiche-
rungsmässige und erbrechtliche – für die Heirat. Der Wert der Ehe ist in der Schweizer
Bevölkerung deshalb immer noch relativ hoch, nur kann man heute nicht mehr davon ausge-
hen, dass diese Bindung lebenslang Bestand haben wird.

Auf dem Land noch am stärksten verbreitet
Die sozial-räumliche Verbreitung der Ehe variiert innerhalb der Schweiz beträchtlich. Unter den
MS-Regionen weist die Stadt Zürich mit nur noch 40 Prozent verheirateter Frauen in der Al-
tersgruppe der 20- bis 39-Jährigen den tiefsten Wert auf und das Val-de-Travers mit 72 Pro-             Verheiratete Frauen zwischen 20 und 39 Jahren
zent den höchsten. Bei den Kantonen ist der geringste Anteil verheirateter Frauen im Kanton             Anteil an allen gleichaltrigen Frauen
Basel-Stadt (45 Prozent) zu verzeichnen und der höchste im Kanton Appenzell Innerrhoden (65
Prozent). In der sozial-räumlichen Verbreitung der Ehe besteht somit in der Schweiz ein deutli-         Gemeindetypen 1990
ches Land-Stadt-Gefälle. Wie aus dem nebenstehenden Säulendiagramm hervorgeht, gilt diese                                                       %                                                               %
Feststellung für alle drei grossen Sprachregionen. Die Unterschiede zwischen den gleichen Sied-         Zentren                                 47                    Industrielle/tertiäre Gemeinden          63
lungsformen in den verschiedenen Sprachregionen sind minimal. Überall weisen die Städte die             Suburbane Gemeinden                     57                    Ländliche Pendlergemeinden               65
tiefsten, die Pendlereinzugsgebiete der Städte mittlere und die ländlichen Gebiete die höchsten         Reiche Gemeinden                        54                    Agrarisch-gemischte Gemeinden            66
Anteile verheirateter Frauen auf.                                                                       Periurbane Gemeinden                    62                    Agrarische Gemeinden                     69
    Eine augenfällige Ausnahme bildet auf der nebenstehenden Karte die ländlich-alpine Ge-              Touristische Gemeinden                  57                    Schweiz                                  56
meinde Davos, in der weniger als 50 Prozent der 20- bis 39-jährigen Frauen verheiratet sind.
Zweifellos wird hier ein Einfluss des touristischen Arbeitsmarktes sichtbar, der einer grösseren        Sprachregionen
Zahl jüngerer, unverheirateter Frauen eine meist saisonal befristete Beschäftigung bietet. Aus
                                                                                                       %                                                                                                                %
einer detaillierteren Betrachtung der Daten geht hervor, dass es sich hier – wie auch in anderen       80                                                                                                               80
stark vom Tourismus geprägten Regionen – vor allem um jüngere ausländische Frauen handelt.                                                                                      1970           1980            1990
                                                                                                       70                                                                                                               70
Im schweizerischen Durchschnitt ist dagegen der Anteil verheirateter Frauen ausländischer Na-
tionalität mit 64 Prozent deutlich höher als derjenige der Frauen schweizerischer Nationalität.        60                                                                                                               60
Diese weisen mit einem Anteil von lediglich 54 Prozent ein wesentlich weniger traditionelles
                                                                                                       50                                                                                                               50
Heiratsverhalten auf als die ausländischen Frauen.
                                                                                                       40                                                                                                               40
Gleichgerichteter Wandel in allen Landesteilen
                                                                                                       30                                                                                                               30
Aus dem nebenstehenden Säulendiagramm geht auch hervor, dass bei der Gruppe der 20- bis
39-jährigen Frauen in allen Sprachregionen und allen Siedlungsformen zwischen 1970 und 1990            20                                                                                                               20
ein Bedeutungsrückgang der Ehe stattgefunden hat. Das Land-Stadt-Gefälle in der sozialen Ver-
                                                                                                       10                                                                                                               10
breitung der Ehe war somit bereits früher vorhanden. In erster Linie ist dies wohl mit dem gros-
sen Angebot an weiterführenden beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten in den Städten in Ver-              0                                                                                                               0
bindung zu bringen, daneben jedoch auch mit der liberaleren Weltanschauung der städtischen                   Stadt     städt.   Land       Stadt      städt.   Land        Stadt     städt.      Land
                                                                                                                      Umland                         Umland                         Umland
Gesellschaft.                                                                                                     Deutschschweiz            Französische Schweiz             Italienische Schweiz           Schweiz

                                                                                                                                                                   Quelle: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung
Sie können auch lesen