Gipfel, Ministertreffen, Arbeitsgruppen - Das System der G7/G8

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Gipfel, Ministertreffen, Arbeitsgruppen – Das System der G7/G8

                                      Vorbereitungsprozess
Die Vorbereitung der Gipfel obliegt den so genannten Sherpas – „Bergführern“ also, die den
Weg zum Gipfel bahnen. Die Sherpas sind in der Regel enge Vertraute der G8-
Regierungschefs und werden von diesen ausgewählt, ohne dass diese Rolle an ein bestimmtes
Amt gebunden wäre.1 Ergänzt um zwei Sous-Sherpas – jeweils ein hoher Beamter / eine hohe
Beamtin aus dem Finanz- und dem Außenministerium – entsendet jedes beteiligte Land ein
dreiköpfiges Team zur Vorbereitung der jährlichen Gipfel.

Die Sherpas treffen sich mehrmals im Jahr zur Vor- und meist einmal zur Nachbereitung der
Gipfel, wobei die Trennlinie zwischen Nachbereitung des letzten und Vorbereitung des
nächsten Gipfels recht unscharf ist. Nicht immer nehmen die kompletten Sherpa-Teams an
diesen Zusammenkünften teil. Mal treffen sich nur die persönlichen VertreterInnen der
Regierungschefs, mal ist die Runde ressortspezifisch zusammengesetzt. Die wesentliche
Arbeit der Sherpas besteht darin, die Tagesordnung der Gipfel vorzustrukturieren und bei
konfliktbeladenen Themen mögliche Kompromisse auszuloten. Zu diesem Zweck werden
Entwürfe für die Abschlusskommuniqués der Gipfel diskutiert und mehrmals modifiziert.

Die Gipfelvorbereitungen waren allerdings nur in den Anfängen des G7-Prozesses auf die
Sherpas als „harten Kern“ beschränkt. Die ungenaue Abgrenzung von Gipfelvorbereitung und
regulären zwischenstaatlichen Beziehungen führten schnell dazu, dass die unterschiedlichsten
international relevanten Diskussionen im Rahmen der Gipfelvorbereitung geführt wurden.

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 Für manche Sherpas war diese Funktion augenscheinlich Durchgangsstation in einer größeren politischen
Karriere: Sherpa waren z.B. der spätere französische Premierminister Raymond Barre, George P. Shultz, der
unter Nixon Finanzminister gewesen war und unter Reagan Außenminister werden sollte, der spätere
Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer, der spätere IWF-Direktor und heutige Bundespräsident Horst Köhler, und
– nach einer Karriere als Leiter der Banque de France und IWF-Direktor – Michel Camdessus.

                                     RLS-Seminarmaterial „G8 und Globalisierung“, Stand 28.02.2007, erstellt von Sabine Nuss
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                                 „Outreach“ und Afrika
Mit dem Gipfel 2000 im japanischen Okinawa wurde erstmals der „Outreach“ der G8
propagiert – damit ist v. a. die stärkere Einbeziehung von Nichtmitgliedern und von
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gemeint. Entsprechende Diskussionen waren in der
G8 schon länger geführt worden; dass der Outreach 2000 dann praktiziert wurde, ist
maßgeblich auf den Eindruck zurückzuführen, den die Demonstrationen und Protestaktionen
am Rande der WTO-Tagung in Seattle 1999 erzeugt haben. Das Konzept schlägt sich in erster
Linie im Prozess der Gipfelvorbereitung nieder, bei dem Konsultationen von Nichtmitgliedern
und von ausgewählten NGOs durch die Sherpas (in Ausnahmefällen auch auf ministerieller
Ebene) zum festen Bestandteil geworden sind.

Zudem wird seit dem Gipfel von Genua 2001 an einer eigenständigen Afrikapolitik der G8
gearbeitet. Zur Umsetzung des Africa Action Plan ernennt jeder G8-Staat seither einen
zusätzlichen Sherpa, der ausschließlich für diesen Bereich zuständig ist. Teilweise werden in
den Gipfelvorbereitungen auch zivilgesellschaftliche Initiativen direkt unterstützt – so stellte
die französische Regierung anlässlich des Gipfels in Evian 2003 die Infrastruktur für einen
„Gegengipfel“. Die stärker artikulierte Kritik an der G8 als Institution und an ihrer Politik hat
freilich nicht nur die Strukturen der Vorbereitung, sondern auch ihre Inhalte beeinflusst.

                                        Ministertreffen
Die Behandlung einer sich stetig ausweitenden Themenpalette auf den Gipfeln wurde
institutionell maßgeblich dadurch ermöglicht, dass die „Kernthemen“ der G7 zunehmend auf
die Ebene der Ministerien delegiert wurden. Außen- und FinanzministerInnen der G7 trafen
sich seit deren Etablierung im Rahmen der Gipfel. Erst mit dem Gipfel von Birmingham 1998
trat hier eine Veränderung ein, als beschlossen wurde, die Gipfel auf Treffen der Staats- und
Regierungschefs zu beschränken. Seither finden die Ministertreffen kurz vor den Gipfeln statt.

Die Fünfer-Gruppe von Finanzministern, die ehemalige Library Group, hatte auch nach 1975
Bestand und hielt weiterhin geheime Treffen ab. Das änderte sich 1985 mit dem so genannten
Plaza-Abkommen: Die koordinierte Intervention zur Absenkung des Dollarkurses fand
öffentlich statt. Auf dem G7-Gipfel in Tokio 1986 wurde beschlossen, die Fünfer-Gruppe
durch Treffen der G7-FinanzministerInnen abzulösen. Auch die FinanzministerInnen nehmen

                                  RLS-Seminarmaterial „G8 und Globalisierung“, Stand 28.02.2007, erstellt von Sabine Nuss
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sich bei ihren Treffen verschiedenster Themen an: so waren im Juni 2006 beim Treffen in St.
Petersburg nicht nur die Verschuldung Russlands bei anderen G8-Ländern, die Entwicklung
der Energiepreise und eine mögliche IWF-Reform Thema, sondern auch ein „Pilotprojekt zur
Entwicklung von Impfstoffen gegen Krankheiten in armen Ländern“, das allerdings für
gescheitert erklärt wurde. Die Finanzministertreffen finden nicht nur im Vorfeld eines
Gipfels, sondern auch regelmäßig unmittelbar vor den Frühjahrs- und Herbsttagungen von
IWF und Weltbank statt. In manchen Fällen nehmen auch die Vorsitzenden der Zentralbanken
und der IWF-Direktor teil.

Die G7/G8-AußenministerInnen treffen sich seit 1984 jedes Jahr im September zur
Vorbereitung der UN-Generalversammlung. Bis 1998 trafen sie sich ebenfalls auf den
Gipfeln, seit den Birmingham-Reformen nehmen sie an diesen zwar nicht mehr teil, sind aber
ähnlich wie die FinanzministerInnen in die Vorbereitungen eingebunden. Zusätzlich finden ad
hoc-Treffen der AußenministerInnen statt, wenn dies durch aktuelle politische Entwicklungen
geboten scheint. Diese Aufwertung der ministeriellen Ebene im Gipfelvorbereitungsprozess
relativiert freilich auch die Rolle der Sherpas.

Bereits 1981, beim Gipfel von Ottawa, wurde die Einrichtung von Quadrilateralen Treffen
der Handelsminister (kurz: Quad) beschlossen. Diese setzen sich zusammen aus den
HandelsministerInnen der USA, Kanadas und Japans sowie dem EG/EU-Handelskommissar.
Sie finden drei- bis viermal jährlich statt und sind v. a. im Zusammenhang mit den
Welthandelsrunden von Bedeutung – so wurden z. B. im Rahmen der Quad wichtige
Kompromisse ausgehandelt, die die Urugay-Runde zum Abschluss brachten und damit die
Gründung der WTO ermöglichten. In wenigen Ausnahmefällen treffen sich die
HandelsministerInnen auch auf den Gipfeln. Regelmäßige Treffen der Justiz- und
InnenministerInnen finden seit 2001 statt – beherrschendes Thema ist hier der „Kampf gegen
den Terror“.

                                  RLS-Seminarmaterial „G8 und Globalisierung“, Stand 28.02.2007, erstellt von Sabine Nuss
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                                      Arbeitsgruppen

Unterhalb der ministeriellen Ebene existieren im Rahmen der G8 eine Reihe von Arbeits-
bzw. Expertengruppen. Deren Einrichtung ist i. d. R. das Ergebnis von Gipfelgesprächen zu
einem bestimmten Thema, das dann an eine neu geschaffene Gruppe delegiert wird. Teilweise
existieren diese Gremien dauerhaft, teilweise werden sie nach Erfüllung eines bestimmten
Arbeitsauftrages wieder aufgelöst. In einzelnen Fällen bestehen von Gipfeldiskussionen
inspirierte Arbeitsgruppen formal nicht als Institution der G8, sondern unter dem Dach einer
anderen internationalen Organisation, z. B. der OECD, fort. Im Folgenden werden einige
Beispiele kurz vorgestellt.

Beim Gipfel in Tokio 1986 wurde die Gründung der „expert group on terrorism“ beschlossen.
„Das 2001 in ,Rom-Gruppe’ umbenannte Expertenteam befasst sich mit der Bekämpfung der
technischen, finanziellen und personellen Infrastruktur des internationalen Terrorismus und
arbeitet eng mit der ,Lyon-Gruppe’ zur Bekämpfung des internationalen organisierten
Verbrechens zusammen.“ (Simsek 2003: 295)

1989 wurde die Financial Action Task Force (FATF) zur Bekämpfung der Geldwäsche
eingerichtet. Sie ist unter dem Dach der OECD angesiedelt. Gründungsmotiv war die
Befürchtung, illegale Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Drogenhandel und anderen
Formen des organisierten Verbrechens hätten derartige Ausmaße angenommen, dass sie zu
einer ernsthaften Bedrohung für die Stabilität des globalen Finanzsystems werden könnten.

Seit 1999 besteht eine der wesentlichen Tätigkeiten der FATF darin, über die Erstellung einer
Liste von „Non-Cooperative Countries and Territories“ Druck auf andere Länder zur
Modifizierung ihrer Bankensysteme und Finanzgesetzgebung auszuüben. Als Richtlinie hat
die FATF „vierzig Empfehlungen“ erstellt, an denen sich Mitglieds- und andere Länder
orientieren sollen. Wesentliche Stoßrichtung dabei ist die Einschränkung von Datenschutz im
Zusammenhang mit Finanztransaktionen.

Die DOT-Force, Digital Opportunity Task Force, wurde 2000 ins Leben gerufen. Sie steht
eindeutig unter den Vorzeichen des „Outreach“ des Okinawa-Gipfels: Ihr Arbeitsfeld war der
so genannte digital divide, also die globalen Ungleichheiten in der Verbreitung von IuK-

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Technologien, zu deren Verringerung die DOT-Force Vorschläge erarbeiten sollte. Dabei
wurde die „Zivilgesellschaft“ ebenso wie VertreterInnen von Entwicklungsländern in die
Strukturen der Gruppe integriert.
„Allerdings ist auffallend, dass die DOT-Force dem Anliegen einer gleichberechtigten
Beteiligung nur sehr bedingt nachkam. So hatten in allen wichtigen Gremien die
Privatwirtschaft oder Mitglieder der G8-Staaten den Vorsitz inne. [...] Lediglich in der eher
unbedeutenden Gruppe 7 ,Local Content and Applications’ waren keine Privatunternehmen
und Regierungsvertreter, sondern internationale NGOs und Vertreter der Entwicklungsländer
als so genannte DOT-Force champions eingesetzt worden.“ (Wrede 2003: 197)
Wenig verwunderlich sind dementsprechend Problemdiagnose und Lösungsstrategie, die sich
innerhalb der Gruppe durchsetzten. Entgegen der Thematisierung von Strukturen sozialer
Ungleichheit als Hintergrund des digital divide rückte eine Perspektive in den Vordergrund,
nach der Marktliberalisierung, Schaffung von Rechtssicherheit und lokale,
privatwirtschaftliche Initiative die Vorraussetzung für die Beseitigung der Ungleichheiten
bilden (ebd.: 198 f.). Die DOT-Force kann somit als konkretes Beispiel für die rein
symbolische Inkorporation von KritikerInnen des marktradikalen Ansatzes der G8 gelten. Die
Gruppe wurde 2002 wieder aufgelöst.

                                                    Fazit
Detailliertere politische Abstimmungsprozesse zu speziellen Themen finden weder auf
den Gipfeln noch in den etablierten Strukturen der Gipfelvorbereitung statt, sondern in
eigens dafür geschaffenen Gremien. Deren Zweck und Funktionsweise ist von Fall zu
Fall unterschiedlich – mal dienen sie dem Austausch und der Vernetzung der
Ministerialbürokratien unter Hinzuziehung von wissenschaftlicher Expertise (wie im
Fall der „Rom-Gruppe“ zur Terrorbekämpfung), mal sollen sie in erster Linie andere
Staaten zur Anpassung an die Politik der G7/G8 bewegen (wie die FATF) und mal
scheint ihr Hauptzweck die Selbstinszenierung der G8 als Akteurin in der Bekämpfung
von Armut und Ungleichheit zu sein (wie bei der DOT-Force).

                                    RLS-Seminarmaterial „G8 und Globalisierung“, Stand 28.02.2007, erstellt von Sabine Nuss
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Literatur:
Simsek, Sevda (2003): Die G7/G8 als eine Arena im Kampf gegen den Terrorismus. In:
Gstöhl (Hg.), S. 288-306.
Wrede, Katja (2003): Kann die G8 die ,digitale Kluft’ überwinden? In: Gstöhl (Hg.), S. 190-
213.

Diese Informationen zur Bildschirmpräsentation „G7/G8 System“
basieren unter anderem auf:

Schoppengerd, Stefan (2007): Die G7/G8-Gipfel in der internationalen politischen Ökonomie.
Studie Nr. 25 der Forschungsgruppe Europäische Integration. Marburg (zu beziehen über:
feg@mailer.uni-marburg.de)

Wahl, Peter (2006): G8: PR-Show oder Weltregierung? Weltwirtschaftsgipfel und
Globalisierung VSA-Verlag

                                RLS-Seminarmaterial „G8 und Globalisierung“, Stand 28.02.2007, erstellt von Sabine Nuss
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