GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENT-WICKLUNGSOPTIONEN IN REGIOPOLEN AM BEISPIEL ...
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GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG gis.Science 3 (2021) 69-85 Biota GmbH, Bützow; Universität Rostock GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENT- WICKLUNGSOPTIONEN IN REGIOPOLEN AM BEISPIEL DES STADT-UMLAND-RAUMS ROSTOCK Tim Hoffmann, Dietmar Mehl, Jannik Schilling, Siling Chen, Jens Tränckner, Matthias Hinz, Ralf Bill Zusammenfassung: Der Beitrag befasst sich mit der Entwicklung eines GIS-basierten Entscheidungsunterstützungssystems (GIS-EUS) zur Unterstützung von räumlichen Planungsprozessen in Stadt-Umland-Räumen auf der Maßstabsebene der Flächennutzungsplanung nach BauGB. Das GIS-EUS soll einen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit der Ressource Land ermöglichen und in praxis- und anwendungsorientierter Form zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beitragen. Neben den hard- und softwaretechnischen und strukturellen Belangen wird auf drei fachliche Schwerpunkte eingegangen: (1) ein modelltech- nisch umgesetzter Ökosystemleistungsansatz zur Bewertung der Veränderung von Flächennutzungen und damit zur Optimierung des Ressourcenschutzes, (2) modelltechnisch umgesetzte Prüf- und Bewertungsroutinen zur Kapazitätsbewertung in den wasserwirtschaft- lichen Feldern Trinkwasser, Abwasser sowie Hochwasserschutz sowie (3) ein modelltechnisch umgesetzter Prüf- und Auswertealgo- rithmus zur optimalen räumlichen Positionierung von Wertstoffhöfen als Beitrag in der Kreislauf-/Abfallwirtschaft. Für ein konkretes fiktives Beispiel der Flächennutzungsplanung werden die entwickelten Werkzeuge getestet. Schlüsselwörter: GIS-gestütztes Entscheidungsunterstützungssystem, interkommunal, Stadt und Umland, räumliche Entwicklungsoptio- nen, kommunale Flächennutzungsplanung, Ökosystemleistungen, Wasserwirtschaft, Kreislaufwirtschaft, Abfallwirtschaft A GIS-BASED DECISION SUPPORT SYSTEM FOR THE PROSPECTIVE SYNERGISTIC PLANNING OF DEVELOPMENT OPTIONS IN REGIONAL CENTRES USING THE EXAMPLE OF ROSTOCK AND ITS PERI-URBAN AREA Abstract: The article describes the development of a GIS-based decision support system (GIS-EUS) to support spatial planning pro- cesses in urban-rural areas at the scale level of zoning planning according to the German Federal Building Code (BauGB). The GIS-EUS is intended to contribute to the sustainable use of land as a resource and, in a practical and application-oriented form, also enable the implementation of the United Nations Sustainable Development Goals. In addition to the hardware, software and struc- tural concerns, three technical focal points are addressed: (1) a model-based ecosystem service approach for evaluating changes in land use and thus optimising resource protection, (2) model-based testing and evaluation routines for capacity evaluation in the water management fields of drinking water, wastewater and flood protection, and (3) a model-based testing and evaluation algo- rithm for the optimal spatial positioning of recycling centres as a contribution to recycling/waste management. The developed tools are tested for a concrete example of land use planning. Keywords: GIS-based decision support system, inter-municipal, urban and peri-urban, spatial development options, municipal land use planning, urban and peri-urban, ecosystem services, water management, system of recycling, waste management gis.Science 3/2021 I 69
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN Autoren Dr. Tim Hoffmann M. Sc. Jannik Schilling M. Sc. Matthias Hinz Dr. Dr. Dietmar Mehl Prof. Dr.-Ing. Jens Tränckner Prof. Dr.-Ing. Ralf Bill M. Sc. Siling Chen Universität Rostock Universität Rostock biota – Institut für ökologische Forschung und Professur für Wasserwirtschaft Professur für Geodäsie und Geoinformatik Planung GmbH Satower Straße 48 Justus-von-Liebig-Weg 6 Nebelring 15 D-18059 Rostock D-18059 Rostock D-18246 Bützow E: jannik.schilling@uni-rostock.de E: matthias.hinz2@uni-rostock.de E: tim.hoffmann@institut-biota.de jens.traenckner@uni-rostock.de ralf.bill@uni-rostock.de dietmar.mehl@institut-biota.de siling.chen}@institut-biota.de 1 EINLEITUNG UND MOTIVATION der ökonomischen Bewertung ab (z. B. Einwohnern zugeordnet (Abbildung 1). Der Marktpreis für Grund und Boden). Für das Stadt-Umland-Raum Rostock ist der sozio 1.1 NOTWENDIGKEIT UND HERAUS- Gemeinwohl wichtige Funktionen und Leis- ökonomische Kern der Regiopolregion FORDERUNGEN FÜR EINE SYSTEM- tungen der Ressourcen Land, Boden und Rostock (www.regiopolregion-rostock.de) UND RAUMÜBERGREIFENDE Gewässer werden deshalb immer noch und steht exemplarisch für Regiopolen des PLANUNG VON STADT-UMLAND- vorrangig durch gesetzliche Normative im Norddeutschen Tieflands mit charakteristi- RÄUMEN Sinne von Verboten, Geboten, Grenzwer- schen landschaftlich-naturräumlichen, wirt- Die sektorenübergreifende, integrale Ent- ten und anderen Konventionen bestimmt schaftlichen und sozio-demografischen Ver- wicklung von großen Städten und ihres (z. B. WRRL, FFH-RL, BNatSchG, BBoden- hältnissen. In naturräumlicher und land- Umlands ist zunehmend zur Kernfrage für SchG, WHG, UVPG, ROG, BBauG). Dies schaftlicher Sicht ist die Region Rostock die Zukunftsfähigkeit von Regionen gewor- führt bei der Frage einer geplanten konkre- bestimmt durch die glaziale Landschaftsge- den. Dies gilt umso mehr für Regiopolen, ten Flächennutzung häufig zu sektoralen nese und die postglaziale Entwicklung ein- welche außerhalb der großen Wirtschafts- und räumlich begrenzten Prüfungen einzel- schließlich der anthropogenen Landschafts- regionen mit eher agrarisch geprägtem ner Landschaftsfunktionen und ihrer mögli- veränderungen. Das wichtigste landschafts- Umland liegen. Gerade diese müssen zur chen Beeinträchtigung, was eine konsisten- prägende Talsystem bildet die Warnow mit Sicherung des Wirtschaftsstandorts attrakti- te system- und raumübergreifende Planung ihrem Talmoor, die in Rostock in das Unter- ve Bedingungen für Gewerbe und Lebens- des Stadt-Umland-Raums erschwert. warnow-Ästuar übergeht. Natürliche und qualität bieten und als Motor für wirtschaft- Rechtlich bestimmend ist die Bauleitpla- naturnahe Flächen (insbesondere Feuchtge- liche und sozioökonomische Entwicklung nung entsprechend §§ 1 ff. BauGB und biete und Niedermoore) sind im Regelfall weit in das Umland ausstrahlen. Gleichzei- die parallele Landschaftsplanung gemäß als geschützte Bio- und Geotope nach tig bieten diese Regionen vielfach aber § 9 Absatz 1 BNatSchG. Als strategi- BNatSchG bzw. NatSchAG M-V ausge- noch eine hohe Ausstattung mit naturnahen schem Bauleitplan kommt dem Flächennut- wiesen. Zudem besteht im Raum eine be- Kulturlandschaften, verbunden mit einem zungsplan eine Schlüsselrolle zu (s. hierzu deutsame NATURA-2000-Gebietskulisse. hohen Maß an Ökosystemleistungen für ausführlich bei Mehl et al. 2021), wes- Rostock und der umgebende Landkreis den Einzelnen und die Gesellschaft. Ein halb hier der ebenfalls strategische Ansatz weisen nach erheblichen Bevölkerungsver- konsequent wissensbasierter Ausgleich des (unterstützenden) GIS-EUS erfolgen lusten in den 1990er-Jahren inzwischen zwischen wirtschaftlich und sozioökono- soll. eine leichte aber stabile Zuwanderung mit misch bedingten Interessen und dem Erhalt räumlich differenzierten Gradienten auf. essenzieller Landschaftsfunktionen ist damit 1.2 U NTERSUCHUNGSGEBIET UND Die begrenzte Verfügbarkeit von bezahlba- entscheidend für die Zukunftsfähigkeit sol- KOOPERATIONSSTRUKTUREN: rem Wohnraum und Gewerbeflächen mit cher Regionen. DER STADT-UMLAND-RAUM guter Verkehrsanbindung und bedarfsge- Im Zentrum steht dabei der möglichst ROSTOCK rechter infrastruktureller Ausstattung wird sparsame Umgang mit der Ressource Land Die o. g. Herausforderungen gelten auch durch den regionalen Planungsverband als (§ 1 a Absatz 2 BauGB, Bock et al. für den raumordnerisch bestimmten Stadt- Risikofaktor für das Wirtschaftswachstum 2011). Die Abhängigkeit von Prozessen Umland-Raum der Hanse- und Universitäts- wahrgenommen. Insbesondere in Rostock räumlicher Entwicklung der Urbanisierung stadt Rostock (EM M-V 2016). Administra- wird die zunehmende bauliche Verdich- und verstärkt auch der Suburbanisierung ist tiv sind der Stadt-Umland-Region die Han- tung und Erschließung neuer Flächen zum dabei extrem hoch. Der Begriff „Land“ wird se- und Universitätsstadt Rostock mit ca. Problem für die Stadtnatur sowie die Ver- durch die Gesellschaft grundsätzlich nut- 210.000 Einwohnern sowie 18 Um- kehrs- und leitungsgebundene Infrastruktur. zungsbezogen interpretiert. Der Nutzen land-Gemeinden mit starker räumlicher Ver- Parallel werden in den Umlandgemeinden bzw. Wert bildet sich aber nur teilweise in flechtung zur Kernstadt und ca. 50.000 zum Teil umfangreiche Gewerbeansiedlun- 70 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 Abbildung 1: Stadt-Umland-Raum Rostock gen und Wohngebietsausweisungen vor- Auch die zentrale Rostocker Kläranlage und bedienen sich verschiedener Betriebs- angetrieben, mit entsprechendem Druck liegt bereits deutlich über der ursprüngli- führer. Effektive und nachhaltige Abfallwirt- auf naturnahe und landwirtschaftlich ge- chen Bemessungsgröße. In Verbindung mit schaftskonzepte bedürfen einer verbesser- nutzte Flächen, Ver- und Entsorgungsstruktu- der ebenfalls hoch ausgelasteten Netzinf- ten Kooperation. Mit den gesplitteten Ver- ren und die Gewässersysteme. rastruktur und begrenzten Aufnahmekapa- antwortlichkeiten geht auch eine entspre- Bis heute ist Rostock die einzige deut- zität der Fließgewässer ergeben sich auch chende heterogene Datenhaltung und sche Stadt, welche ihr Trinkwasser direkt aus wasserwirtschaftlich begründete Raumwi- -verarbeitung einher. der „fließenden Welle“ eines Flusses (War- derstände, die kooperativ erarbeitete Ent- now) entnimmt, verbunden mit erheblichem wicklungskonzepte erfordern. 1.3 KONKRETE ZIELSTELLUNGEN technologischem Aufbereitungsaufwand Ebenso sind im Bereich der Abfall-/ Die o. g. Herausforderungen lassen sich nur und einer grundsätzlich hohen Vulnerabilität Kreislaufwirtschaft strategische Weichen- durch eine wissensbasierte, regions- und ak- dieser Ressource. Die großräumige Trink- stellungen erforderlich, insbesondere zur teursübergreifende Zusammenarbeit lösen. wasserschutzzone wird gleichzeitig von ei- Umsetzung gesetzlicher Anforderungen zur Hierfür haben sich im vom BMBF geförder- nigen betroffenen Gemeinden als Entwick- flächendeckenden Erfassung und Verwer- ten Projekt PROSPER-RO (Prospektive syner- lungshindernis wahrgenommen. Entspre- tung von Bioabfällen sowie für die Wert- gistische Planung von Entwicklungsoptionen chend existieren seit Jahren Überlegungen stofferfassung und -nutzung. Aktuell agieren in Regiopolen – am Beispiel des Stadt-Um- zur Nutzung des nur begrenzt verfügbaren die Aufgabenträger der Hansestadt Rostock land-Raums Rostock) maßgebliche Verwal- Grundwasserdargebots in der Region. und des umgebenden Landkreises getrennt tungseinheiten des Stadt- und des Landkrei- gis.Science 3/2021 I 71
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN ses, wasserwirtschaftliche Aufgabenträger, naler Planungsverband, Wasser-/Ab- NA-Vorhabens „Umsetzung der Leitinitiative Forschungsgruppen der Universität Rostock wasserzweckverband, Planer u. a.) ge- Zukunftsstadt“ zur nachhaltigen Entwick- und privatwirtschaftliche Planungs-/For- testet und weiterentwickelt. Langfristiges lung urbaner Siedlungs- und Raumstrukturen schungseinrichtungen zusammengeschlos- Ziel ist eine nachhaltige Nutzung und an. Die hier zu untersuchenden prioritären sen. Ein entscheidendes Projektziel ist dabei Weiterentwicklung auf der beschriebe- Innovationsfelder (BMBF 2015) gelten die konsistente Zusammenführung, fachbe- nen strategischen Planungsebene bei al- grundsätzlich analog für die Kernstädte der zogene Aufbereitung und modellgestützte len Beteiligten. Regiopolen, müssen aber auf die Strukturen Bewertung der verteilten Datenbestände in und Bedarfe des ländlichen Umlandes er- einem GIS-basierten Entscheidungsunterstüt- 2S TAND DER FORSCHUNG weitert werden und die besonderen Anfor- zungssystem (GIS-EUS). Das System soll alle UND TECHNIK derungen zum Erhalt der wertvollen Kultur- planungsrelevanten Daten in einer einheitli- Konzepte für ein nachhaltiges Land- und und Naturlandschaften berücksichtigen. chen Geodatenstruktur verwalten, wichtige Flächenmanagement werden insbesondere Dies erfordert sowohl die Entwicklung an- topologische und funktionale Zusammen- seit Veröffentlichung des Brundtlandt-Re- gepasster oder sogar neuer Planungs- und hänge sachgerecht abbilden und die Aus- ports seit mehreren Jahrzehnten entwickelt Bewertungswerkzeuge als auch innovati- wirkung von Planungsalternativen durch ef- und breit diskutiert (WCED 1987). Eine ve, möglichst synergistische Systemlösun- fektive Bewertungsalgorithmen bewerten. entscheidende Basis hierfür sind die Be- gen, welche wiederum nur über einen Satz Schwerpunkt bilden hier fachliche Werk- rücksichtigung und der Ausgleich verschie- vergleichbarer Indikatoren für multiple Wir- zeuge in den drei Bereichen Ökosystemleis- denster Akteure und Interessensvertreter kungen gefunden werden können. tung/Flächennutzungsplanung, Wasser- („Stakeholder“), (Diller 2010, Schwilch et wirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Da die al. 2012). Hierfür wurden verschiedene 2.1 ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN Endnutzer des GIS-EUS in den Planungs- methodische und wertvolle Konzepte entwi- Das Konzept der Ökosystemleistungen hat und Verwaltungseinheiten häufig nicht über ckelt, unter anderem auch im Rahmen der in den 1980er-Jahren Einzug in den Main- vertiefte GIS-Kenntnisse verfügen, soll das BMBF-Fördermaßnahmen „Perspektiven für stream der Umweltökonomik gefunden und GIS-EUS webbasiert über eine nutzerfreund- das Land. Dies betrifft innovative Systemlö- wurde vor allem im englischsprachigen liche Oberfläche bedient werden können. sungen für ein Nachhaltiges Landmanage- Raum angewandt und methodisch weiter- Angesprochen wird entsprechend dem For- ment“ (BMBF 2016), auf welche auch entwickelt (Costanza et al. 1997, Daily schungskonzept nur ein regionaler Nutzer- PROSPER-RO aufbauen kann. Diese fokus- 1997, Pearce et al. 2006, Freeman et al. kreis im oben genannten Sinne, der einen sieren aber meist auf fachliche klar ab- 2014). Je nach zu bewertender Ökosys- Online-Zugang erhält. Gegen ein vollstän- grenzbare Fragestellungen (Forst, Bioener- temleistung (ÖSL) stehen verschiedene Be- dig offen verfügbares System spricht das gie, Abwasser) oder Standortspezifika wertungsmethoden zur Verfügung. Grund- notwendige Fachwissen, welches für die (Moorstandorte). Angesichts der Komplexi- sätzlich wird unterschieden zwischen markt- Nutzung eines solchen Systems unabding- tät der Einflussgrößen und Wirkungen von preisbasierten und kosten basier ten Me bar ist, um Fehlinterpretationen zu vermei- Nutzungen erfordern möglichst ganzheitli- thoden sowie Methoden, die direkt den. che Lösungen System-, Akteurs- und Fach- Zahlungs bereitschaften für ÖSL messen. Gerade im Bereich der Regionalpla- disziplin-übergreifende Informationen und Zur Bewertung von Ökosystemleistungen, nung ist ein einheitlicher Bewertungsmaß- Auswertungen. National und international die nicht auf Märkten gehandelt werden, stab der Ressource Land erforderlich. Des- wurden in den letzten Jahren zahlreiche in- werden seit ca. 20 Jahren „Stated preferen- halb sollen in PROSPER-RO die nicht han- teressante GIS-basierte Lösungen entwi- ces“ Methoden genutzt (Bateman et al. delbaren Funktionen der Ressourcen Land ckelt, welche z. T. auch für PROSPER-RO 2002). Nach anfänglicher Kritik im Hin- und Gewässer für das Gemeinwohl über nutzbar sind (Azuara et al. 2017, Grêt-Re- blick auf die Validität dieser umfragebasier- das Konzept der Ökosystemleistungen er- gamey et al. 2017, Hemidat et al. 2017, ten Methoden mit hypothetischen Entschei- fasst und bewertet werden. Auch eine mo- Hiloidhari et al. 2017, Karimi et al. 2017, dungen (Diamond & Hausman,1994) sind netäre Bewertung ist vorgesehen und könn- Wuestemann et al. 2017). Auch im Rah- die Methoden mittlerweile weiterentwickelt te den zuvor erläuterten Widerspruch zu men von BMBF-Vorhaben wurden bereits worden und lassen bei richtiger Anwen- den marktwirtschaftlich bewerteten Nut- GIS-Algorithmen entwickelt, deren Nutz- dung valide Ergebnisse erwarten (Johnston zungsaspekten auflösen helfen. Dies erfor- barkeit für die weitere Bearbeitung gezielt & Duke 2009, Haab et al. 2013). Der dert die Entwicklung und Kalibrierung ent- zu prüfen ist (z. B. „Regioprojektcheck“, Ökosystemleistungsansatz wird inzwischen sprechender Bewertungsalgorithmen, wel- „Null-Emissions-Gemeinden“). Wertvolle auch in Deutschland in verschiedenen Pro- che konsequent an die Informationen des Planungsinstrumente und beispielhafte Lö- jekten, insbesondere mit Bezug auf die GIS-EUS gekoppelt werden. sungen wurden auch durch das REFI- Wasserwirtschaft (z. B. BMBF-Projekte RESI, Das GIS-EUS mit dem eingebetteten NA-Vorhaben (Bock et al. 2011) erarbei- FLUSSHYGIENE, InStröhmung, KOGGE) Bewertungsansatz für maßgebliche Öko tet, u. a. ein indikatorbasierter Bewertungs- sowie Landmanagement (Weller et al. systemleistungen und den Planungswerk- rahmen für strategische Standortplanung 2014, Hirschfeld et al. 2017, Sagebiel et zeugen wird nun nach der dreijährigen (Kötter et al. 2009) und Fernerkundungs- al. 2017) genutzt. Erforschungs- und Entwicklungsphase in verfahren zur teilautomatisierten Erfassung Teilweise wurden auch landnutzungs- einer zweijährigen Umsetzungsphase bei der Flächennutzung. Parallel laufen gerade bedingte Stoffflüsse (z. B. Nahrungsmittel, den Praxispartnern (Umweltämter, Regio- Forschungsarbeiten im Rahmen des FO- Biomasse, Schadstoffe) quantifiziert und 72 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 ökonomisch bewertet (Hirschfeld et al. SDSS in der Regel aus fünf Komponenten, und freien Nutzung maschinenlesbar zu 2017). Auch das TEEB-Projekt hat diese darunter ein Geoinformationssystem, eine veröffentlichen. In Deutschland gibt es mit Stoffflüsse breit diskutiert und Bewertungs- Modellmanagementkomponente, eine Dia- der Geodatennutzungsverordnung Geo- ansätze zusammengetragen (TEEB 2010, logmanagementkomponente, eine Wissens- NutzV sowie mit § 11 des Geodatenzu- 2016a, b). managementkomponente (einschließlich ei- gangsgesetzes GeoZG Regelungen für Eine wichtige Dimension der ökonomi- ner Wissensdatenbank und einer Inferenz- Geodaten des Bundes. Auf Ebene der Bun- schen Bewertung ist der Raum. Werte vari- maschine) und eine Stakeholder-Komponente desländer ist der Zugang zu Geodaten je- ieren räumlich aufgrund verschiedener Fak- (einschließlich Methoden und Werkzeugen, doch unterschiedlich geregelt. Während toren, wie geologischen oder hydrologi- die die Beteiligung von und die Kommunika- u. a. die Bundesländer Baden-Württem- schen Gegebenheiten, Status quo der tion zwischen verschiedenen Akteuren unter- berg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Nie- Ausstattung an ÖSL oder auch administrati- stützen). dersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rhein- ven Grenzen, Abstand zur bewerteten ÖSL Ein entscheidender und anspruchsvoller land-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und oder der Anzahl von Substituten (Brouwer Schritt zur Lösung eines räumlichen Ent- Thüringen bereits ähnlich freizügige Geset- et al. 2010, Sagebiel et al. 2017). Diese scheidungsproblems ist daher die Entwick- ze erließen und umsetzten, stellen andere Einflussgrößen müssen bei der räumlich dif- lung eines mathematischen Modells, das Bundesländer bislang nur vereinzelte Geo- ferenzierten Bewertung von ÖSL und der die Kriterien des Problems in Form von Be- daten zur freien Nutzung bereit. Gegen- Aggregation von ökonomischen Werten schränkungen und potenziell konkurrieren- wärtig müssen hochauflösende Geobasis- berücksichtigt werden. Die Einbeziehung den Zielen formalisiert. Ein weiterer Schritt daten wie ALKIS, DGMs und Gebäudemo- der räumlichen und zeitlichen Dimension ist die Berechnung eines optimalen Kom- delle in Mecklenburg-Vorpommern bis auf für die Analyse und ökonomische Bewer- promisses zwischen diesen Zielen unter Be- Ausnahmeregelungen für Forschungszwe- tung von Daten wurde bisher nur teilweise rücksichtigung der Randbedingungen des cke i. d. R. käuflich erworben werden. Öf- systematisch verfolgt. Konsequent raumbe- Problems. Darüber hinaus wird die räumli- fentlich verfügbar, jedoch nutzungsbe- zogen und mit einheitlichem Zeitschritt bei che Entscheidungsfindung in der Regel als schränkt, sind in Mecklenburg-Vorpommern ÖSL-Fragestellungen des Gewässer- und ein iterativer Prozess betrachtet, z. B. da u. a. Digitale Orthophotos als Webservice Auenschutzes agierten aber z. B. Mehl et eine Bewertung der Lösung die Notwen- (DOP 20). Mit ORKa.MV (https://www. al. (2018) oder Podschun et al. (2018). digkeit einer Überarbeitung des Modells orka-mv.de/) stellen die Landkreise und Aktuell gibt es auf nationaler und europäi- aufzeigen kann. kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpom- scher Ebene Bemühungen zur Vereinheitli- Die Arten von Entscheidungsproble- mern auch eine offene Regionalkarte auf chung und Weiterentwicklung entsprechen- men, die mit SDSS adressiert werden, be- Basis von Katasterdaten und OpenStreet- der Methoden, wozu PROSPER-RO einen inhalten die Standortzuweisung von Res- Map-Daten bereit. wissenschaftlichen Beitrag leisten kann. sourcen (z. B. eine Entscheidung über die Das Projekt OpenGeoEdu hat bislang Zuteilung von Land zur Realisierung eines etwa 100 kommunale Datenportale in 2.2 R ÄUMLICHE ENTSCHEIDUNGS Bauprojekts), Netzwerkrouting und Erreich- Deutschland erfasst (https://portal.open- UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME barkeit (z. B. der beste Pfad von A nach B geoedu.de/), die neben Bund und Län- Räumliche Entscheidungsunterstützungssys- oder Versorgungsgebiete), Entscheidungen dern zumindest teilweise offene Daten teme (SDSS) können Raumplanern helfen, über den Zustand von Ressourcen (z. B. oder Geodaten veröffentlichen. Dazu ge- Situationsanalysen durchzuführen und an- eine Entscheidung über den Zeitpunkt der hört auch das Open Data Portal der Han- gemessene Entscheidungen zu treffen. Ernte eines Felds) und politische Entschei- sestadt Rostock OpenData.HRO (https:// SDSS sind definiert als „interaktive compu- dungen (z. B. eine Entscheidung über Sub- www.opendata-hro.de/) als eine relevan- tergestützte Systeme, die einen Benutzer ventionen zur Förderung von Windenergie) te Datenquelle für das GIS-EUS. oder eine Gruppe von Benutzern bei der (Keenan & Jankowski 2018). Erreichung einer höheren Effektivität der 2.3.2 GEODATEN IN PROSPER-RO Entscheidungsfindung während der Lösung 2.3 GEODATENLAGE Die Basisdaten des GIS-EUS wurden teil- eines halbstrukturierten räumlichen Entschei- weise für PROSPER-RO neu erhoben, teil- dungsproblems unterstützen sollen“ (Malc- 2.3.1 RAHMENBEDINGUNGEN weise aus vorhandenen Datensätzen ab- zewski 1999). In diesem Zusammenhang INSPIRE UND OPEN DATA geleitet. Neben den vorher genannten of- ist ein „semi-strukturiertes“ Problem ein Pro- Der Zugang zu qualitativ hochwertigen fenen Geodaten, z. B. aus OpenStreetMap blem, dessen Kriterien nicht a priori gut de- Geodaten, deren Austausch und Nutzungs- und OpenData.HRO, sind dies Geobasis- finiert sind, z. B. aufgrund mangelnden potenzial werden durch den Trend zu daten des Landes Mecklenburg-Vorpom- Wissens oder weil verschiedene Beteiligte Open Data und die Umsetzung der INSPI- mern sowie Daten der Projektpartner und unterschiedliche Ziele haben. SDSS kombi- RE-Direktive zur Schaffung einer europäi- mittels fachlicher Auswertungen selbst er- nieren räumliche und nichträumliche Daten schen Geodateninfrastruktur stetig verbes- stellte Daten. Die Aufbereitung der Geoda- sowie die Analyse- und Visualisierungsfunk- sert. Mit einer Frist zum 17. Juli 2021 hat ten erfolgte hauptsächlich mit dem Open- tionen von GIS und Entscheidungsmodellen die Novellierung der PSI-Richtlinie Source-GIS „QGIS“ (QGIS 2021). Zusätz- in bestimmten Domänen (Crossland 2008, 2019/1024 (EU 2019) europaweit den lich wurden für das EUS zentrale Datensätze Keenan & Jankowski 2018). Nach Sugu- Druck auf öffentliche Verwaltungen erhöht, vorprozessiert. maran & DeGroote (2011) besteht ein hochwertige Geodaten zur kostenlosen Die Datenbasis umfasst: gis.Science 3/2021 I 73
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN X Realnutzungskartierung inkl. Flächen- che, die Auswirkungen von geplanten oder Menü können Orthophotos oder Grundla- versiegelung, szenarienhaft entworfenen Landnutzungs- genkarten der Fachbereiche Wasserwirt- X Digitales Geländemodell (DGM), änderungen auf Infrastrukturen und Ökosys- schaft, Abfallwirtschaft und Ökosystemleis- X Flächennutzungspläne (F-Pläne) mit Flä- temfunktionen sowie -leistungen auf der tungen als zusätzliche Layer hinzugefügt chenkategorien nach PlanZV, Raum- und Maßstabsebene von Flächen- werden. Über interaktive Schaltflächen X Digitales Gewässer- und Feuchtgebiets- nutzungsplänen (F-Plänen) abzuschätzen. rechts der Karte kann der Nutzer Planob- kataster (Chen et al. 2021), Die räumliche Differenzierung ergibt sich jekte einzeichnen, ihre Geometrien bear- X Wasserrechtliche Erlaubnisse / Einleit- auf Basis der planerisch zugeordneten Flä- beiten bzw. Geometrien per Upload von genehmigungen, chennutzungskategorien nach PlanZV. Shapefiles in einer Zip-Datei in die Karte X Abwasserinfrastruktur, Schmutzwasser- Zu diesem Zweck wurde das GIS-EUS einfügen. In den darunterliegenden Drop- aufkommen (Mehl & Hoffmann 2017, als Webanwendung entwickelt (Abschnitte down-Menüs werden die vorgesehene Flä- Schilling & Tränckner 2020), 3.1 und 3.2). Diese ermöglicht autorisierten chennutzung sowie ggf. Maßnahmen und X Hydrologisch-hydraulische Modelle Nutzern eingegebene Flächeninformationen Details zur Flächengestaltung (z. B. Dach- (Kachholz & Tränckner 2020), und vorprozessierte Geodaten (Ab- begrünung, Baum-Rigolen etc.) als Attribu- X Trinkwasserschutzzonen und weitere schnitt 2.3) durch eigens entwickelte Bewer- te hinzugefügt. Die gewünschten Auswer- Schutzgebiete, tungsfunktionen zu verarbeiten, welche den tungsfunktionen werden durch Auswahl der X Lage und Ausstattung von Recyclinghö- Themenbereichen Ökosystemleistungen, entsprechenden Checkboxen aktiviert. fen (Vettermann et al. 2020, 2021), Wasserwirtschaft und Abfallwirtschaft zuge- Nach dem Ausführen der Bewertungs- X Verkehrsnetz, ordnet werden können. Auf Basis dieser Be- routinen öffnet sich die Ergebnisansicht als X Abfallaufkommen und Abfallpotenziale wertungsfunktionen und der zugrunde lie- neues Browserfenster. Die einzelnen Ergeb- (Vettermann et al. 2020, 2021), genden methodischen Ansätze (Ab- nisdaten lassen sich für die lokale Weiter- X Versorgende, regulative und kulturelle schnitt 3.3) können Erkenntnisse gewonnen verarbeitung exportieren. Sie werden zu- Ökosystemleistungen (Mehl et al. werden, die planerische Entscheidungen un- dem über eine eindeutige Session-ID auf 2021). terstützen und im Beitrag anhand fiktiver Sze- dem Server zwischengespeichert, sodass narien verdeutlicht werden (Abschnitt 3.4). die Berechnung beim nächsten Aufruf noch 3G IS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGS- zur Verfügung steht. UNTERSTÜTZUNGSSYSTEM 3.1 BENUTZEROBERFLÄCHE Die Benutzeroberfläche wurde unter Das GIS-EUS ermöglicht es Planern und In der Startansicht des GIS-EUS (siehe Ab- Berücksichtigung der Ansprüche zukünfti- Entscheidungsträgern der regionalen Ver- bildung 2) ist der Projektraum als topogra- ger Nutzer in Abstimmung mit der Umwelt- waltung und der Ver- und Entsorgungsbran- phische Karte dargestellt. Im linksseitigen verwaltung der Hanse- und Universitäts- Abbildung 2: Startansicht des GIS-EUS mit zentraler Web-GIS-Oberfläche 74 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 Abbildung 3: Grundsätzlicher Aufbau des GIS-EUS stadt und des Landkreises Rostock entwor- dung aus Leaflet und proj4js (proj4js 2021); GeoDjango unterstützt zudem die fen und umgesetzt und wird in der weiteren 2021) ermöglicht Darstellungen nach Verwaltung und Verarbeitung räumlicher Projektphase optimiert. Im bisherigen Ent- ETRS89/UTM Zone 33N (EPSG:25833), Daten mit der PostgreSQL-Erweiterung Post- wicklungsprozess wurden neue Funktionen dem offiziellen Koordinatenreferenzsystem GIS. Die Python-Serveranwendung und zu- regelmäßig allen Beteiligten zum Testen auf u. a. von Mecklenburg-Vorpommern für gehörige Dateien sind in einen Do- einem Demo-Server bereitgestellt und in großmaßstäbige konforme Kartenabbildun- cker-Container eingebettet. Dieser isoliert Meetings sowie in schriftlicher Korrespon- gen. Die JavaScript-Bibliotheken DataTab- einerseits den Anwendungsserver von an- denz diskutiert, wodurch die Entwickler les (SpryMedia Ltd 2021), Chart.js (CjC deren Systemkomponenten und trägt somit konstantes Feedback erhielten. 2021) und plot.ly (Plotly Inc. 2021) gestat- zur IT-Sicherheit bei. Andererseits kann mit ten moderne, teils interaktive Visualisierun- Docker und Docker-Compose die Laufzeit 3.2 TECHNISCHE UMGEBUNG gen von Daten als Tabellen und Diagram- umgebung, bestehend aus vielen unterein- Das GIS-EUS ist als Client-Server-System me. ander abhängigen Python-Bibliotheken, aufgebaut. Wie in Abbildung 3 erkennbar, Als Teil der Logikschicht werden die verwaltet durch pip und conda, leichter re- liegt dem System eine Dreischichtenarchi- Aufgaben Authentifizierung, Geoprozessie- produziert oder neu erstellt werden. Durch tektur zugrunde mit aufeinander aufbauen- rung und Datenhaltung auf dem Server ein Git-Repository werden die Versionsver- den, technisch unabhängigen Datenhal- durchgeführt. Die Implementierung dieser waltung, externe Back-ups und kollaborati- tungs-, Logik- und Präsentationsschichten. Logik basiert auf der Programmiersprache ve Weiterentwicklung des EUS ermöglicht. Die Funktionen des EUS sind für den An- Python (PSF 2020) und dem Web-Frame- Neben der Python-Anwendung existiert wender direkt im eigenen Webbrowser work Django (DSF 2020) mit der Erweite- serverseitig auch eine Instanz der Open-Sour- (Client/Präsentationsschicht) nutzbar. rung GeoDjango. Mit dynamischen HT- ce-Software Geoserver (OSGEO 2020), Das allgemeine Layout der Webseiten ML-Templates und einer Vielzahl wiederver- welche der Verwaltung der projekteigenen basiert auf CSS und den JavaScript-Biblio- wendbarer Website-Bausteine bildet Geobasis- und Geofachdaten dient und ab- theken Bootstrap (Otto et al. 2020) und Django das Bindeglied zwischen serversei- geleitete Webkarten als OGC-konforme JQuery (OJF 2021). Zur Visualisierung von tiger Prozessierung (PostGIS, Python) und Web Map Services (WMS) und Web Fea- Geodaten und zum Einbinden von der browserbasierten Nutzungsoberfläche. ture Services (WFS) bereitstellt. Diese wer- WMS-Services wurde die JavaScript-Biblio- Django unterstützt den Zugriff auf diverse den clientseitig in das EUS eingebunden thek Leaflet (Agafonkin 2020) mit verschie- Datenbanken, hier PostgreSQL (The Post- und können in verschiedenen Webkar- denen Erweiterungen benutzt. Die Verbin- greSQL Global Development Group ten-Ansichten interaktiv aus- und eingeblen- gis.Science 3/2021 I 75
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN det werden. Vereinzelt sind im EUS auch ex- der Geodaten und GeoServer zur zentra- Mehl et al. (2021) erläutert. Im Programm terne WMS-Dienste eingebunden, wie z. B. len Datenhaltung für das EUS. wird jeweils die Veränderung einer ÖSL die Offene Regionalkarte Mecklenburg-Vor- des vorgegebenen Planzustands im Ver- pommern (ORKa.MV) als Grundkarte. Die 3.3 AUSWERTUNGSFUNKTIONEN gleich zum nach Mehl et al. (2021) vorpro- Geoserver-Instanz und die Python-Anwen- Die durch den Nutzer eingegebenen Flä- zessierten Istzustand (Abbildung 4) auf Ras- dung greifen teilweise auf dieselben Kom- cheninformationen werden für das Geo- terbasis mit einer Auflösung von 10 x 10 m ponenten aus der Datenhaltungsschicht zu, processing an den Server übergeben. Die bewertet. Die relevanten Indikatoren, Ana- insbesondere auf eine gemeinsame Post- in Python implementierten Auswertungsfunk- lyse-/Klassifizierungsmethoden bzw. Mo- greSQL DBMS-Instanz. tionen nutzen als Basisbibliotheken Geo- dellkonzepte und diesbezügliche Daten- Für den projektinternen Datenaustausch Pandas (Jordahl et al. 2020), Georasters grundlagen für die Analyse und Bewer- wurde eine webbasierte Geodateninfra- (Özak 2020), Rasterio (Mapbox 2018), tung der einzelnen Ökosystemleistungen struktur (GDI) aufgebaut (Koldrack et al. Rasterstats (Rasterstats 2021) und Shapely (s. u.) sind bei Mehl et al. (2021) im Über- 2016, 2017), in der Metadaten, Geoda- (Adair et al. 2021). blick dargestellt. Alle ÖSL werden qualita- ten, Dienste und Zugriffsregelungen organi- Bislang sind in das GIS-EUS Auswer- tiv mithilfe einer ordinalen 6-stufigen Skala siert werden und die auf die Konformität tungsfunktionen für die Bewertung der Ver- bewertet (s. hierzu Mehl et al. 2021). von OGC-Diensten, ISO-Normen und IN änderung von Ökosystemleistungen sowie Klasse 0 entspricht einer „äußerst gerin- SPIRE setzt. Diese nutzt CKAN (CKAN für die Fachbereiche Wasserwirtschaft und gen/fehlenden“ und Klasse 5 einer „sehr 2021), eine offene webbasierte Datenka- Kreislaufwirtschaft integriert. hohen“ Leistung. Für eine Reihe von ÖSL talog-Software, sowie GeoNetwork als steht zudem eine monetäre Bewertung der serverseitige Metainformationssoftware, 3.3.1 ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN (ÖSL) Veränderung zur Verfügung, z. B. für die eine PostgreSQL-Datenbank mit verteilten Die gewählten Ansätze bei der Auswer- Landschaftsästhetik über eine Präferenz Zugriffsrechten zum Speichern und Abrufen tung von Ökosystemleistungen werden bei analyse. Abbildung 4: Potenzialdarstellungen einer Auswahl von vorprozessierten Ökosystemleistungen (Bereitstellung von Trinkwasser, l. o., Hochwasserregulation, r. o., Landschaftsästhetik, l. u., Kühlwirkung, r. u.) 76 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 Abbildung 5: Fiktives Planszenario in der Gemeinde Dummerstorf mit der Ausweisung von Gewerbe- (G), Wohn- (W) und Waldflächen (WLD) Die methodischen Grundlagen finden • Bereitstellung von Trinkwasser von Planungsentscheidungen in einer der sich bei Mehl et al. (2018) sowie Pod- • Bereitstellung von Brauch- und Pro- folgenden Sachgebiete verdeutlichen. schun et al. (2018); inhaltlich entspricht zesswasser dies grundsätzlich der in Leitfäden der Euro- Schmutzwasser päischen Union angewendeten 6-stufigen X Regulative ÖSL Für Planflächen im EUS wird entsprechend Skala von Burkhard & Maes (2017). Das • Hochwasserregulation ihrer Nutzungsart ein zu erwartendes, mitt- Maximum an Ökosystemleistung (100 % • Niedrigwasserregulation leres tägliches Schmutzwasseraufkommen Leistung) wird nach dem gewählten Ansatz • Nähr- und Schadstoffregulation berechnet. Dieses wird an das nächstgele- unter der Maßgabe abgeleitet (berechnet • Wasserrückhaltevermögen gene Abwassernetz übergeben. Ein Rou- oder abgeschätzt), dass es sich um die im • Bodenrückhalt ting-Algorithmus ermittelt den Fließweg im gesamten Untersuchungsraum des Stadt- • Retention von organischem Kohlen- vorhandenen Abwassernetz von der Plan- Umland-Raums beste Ausprägung handelt stoff (Humusbildung) fläche bis zur Kläranlage. Über eine ein- (vgl. Hartsch & Sandner, 1991). • Retention von Stickstoff (Denitrifizie- deutige Identifikationsnummer der Kanali- Die Berechnung der Leistungen für ein- rung) sationsabschnitte können die entlang des zelne Plan-Flächen basiert derzeit noch auf • Rückhalt von Treibhausgasen Fließwegs passierten Pumpwerke ermittelt einer initialen Experteneinschätzung. Aktu- • Kühlwirkung (Gewässer und Böden) und deren Auslastung bewertet werden ell werden diese Beurteilungen anhand der • Habitatbereitstellung (Schilling & Tranckner 2020). vorprozessierten ÖSL und digitaler F-Pläne des Untersuchungsraums kalibriert. Be- X Kulturelle ÖSL Trinkwasserbedarf trachtet werden aktuell die folgenden ÖSL • Landschaftsästhetik Analog zum Schmutzwasseraufkommen (vgl. Mehl et al. 2021): • Erholung und Tourismus lässt sich die künftige Trinkwasserversor- • Bildung und Wissenschaft gung in einem Planungsszenario bewerten. X Versorgende ÖSL Der berechnete Trinkwasserbedarf ist ab- • Pflanzliche Rohstoffe für Verarbei- 3.3.2 WASSERWIRTSCHAFT hängig von der Flächengröße und Nut- tung, pflanzliche Energierohstoffe Das GIS-EUS stellt mehrere voneinander zungsart. Anhand des Trinkwassernetzes aus Landwirtschaft, Kurzumtriebs- unabhängige Auswertungsfunktionen aus werden jedem Wasserwerk Versorgungs- plantagen, Holzwirtschaft, Bereit- dem Bereich Wasserwirtschaft zur Verfü- gebiete zugewiesen. Für jede Planfläche stellung von Kulturpflanzen gung, welche jeweils die Auswirkungen kann so abgeschätzt werden, ob die Ver- gis.Science 3/2021 I 77
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN Abbildung 6: Ergebnisansicht Ökosystemleistungen sorgungskapazität eines Wasserwerks aus- werden. Diese zusätzliche Wassermenge 3.3.3 ABFALLWIRTSCHAFT reicht, um die zukünftig benötigte Trinkwas- wird anhand der Gewässereinzugsgebiete Das GIS-EUS kann anhand der Lage von sermenge bereitzustellen. einem Gewässerabschnitt zugeordnet. Op- Wertstoffhöfen und mithilfe von Infrastruktur- tional lassen sich auch Einleitpunkt und er- und Bevölkerungsdaten nachfolgend be- Regenwasser wartete Einleitmenge manuell eingeben. schriebene Informationen über deren Er- Die Neuerschließung von Gewerbe- und Nun wird entlang des Fließwegs geprüft, reichbarkeit und Abfallaufkommen gewin- Bauflächen geht mit einer Zunahme der Flä- ob die freie Abflusskapazität (= Durchfluss, nen. Planer haben außerdem die chenversiegelung einher. In der Folge neh- den das Querprofil bei Maximaldurchfluss Möglichkeit, im GIS-EUS neue Wertstoffhö- men Oberflächenabflüsse nach Nieder- noch zusätzlich aufnehmen könnte) aller fe zu setzen, die daraus resultierende La- schlagsereignissen zu. Aufbauend auf hy- Gewässerabschnitte unterhalb ausreicht, gesituation zu bestimmen und sie mit dem draulisch-hydrologischen Modellen (Kach um die Wassermenge aufzunehmen. vorangegangenen Zustand zu vergleichen. holz et al. 2020) wird im GIS-EUS das durch eine Planfläche veränderte Abfluss- Überschneidung mit Trinkwasserschutz Erreichbarkeit und Abfallaufkommen von geschehen abgebildet, um bereits in frühen zonen Wertstoffhöfen Planungsstadien auf notwendiges Regen- Oberflächen- oder Grundwasserressourcen Im Projektgebiet befinden sich 14 Recy- wassermanagement hinzuweisen. Für ein werden durch ausgewiesene Trinkwasser- cling- bzw. Wertstoffhöfe, die durch die durch den Nutzer ausgewähltes Nieder- schutzzonen vor qualitativen und quantitati- Stadtentsorgung Rostock GmbH (im Auf- schlagsereignis berechnet der Algorithmus ven Beeinträchtigungen geschützt. Zu die- trag der Hansestadt Rostock, zuständig für den Spitzenabflussbeiwert einer Planflä- sem Zweck sind Einschränkungen bzw. Auf- das Stadtgebiet, vier Recyclinghöfe) und che. Das Produkt aus Spitzenabflussbei- lagen für die Landnutzung innerhalb der den Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Landkreis wert und maximaler Regenspende ergibt Schutzgebiete nötig. Im GIS-EUS wird daher Rostock (zehn Wertstoffhöfe) bewirtschaftet die zusätzliche Abflussspende im Planzu- durch Überschneidungsabfragen geprüft, ob werden. Die Lage der Wertstoffhöfe ist als stand. Aus der Differenz zwischen der künf- sich eine der Planflächen innerhalb einer Punktdaten erfasst. Anhand des auf tigen und der bisherigen Abflussspende oder mehrerer Schutzzonen befindet. Ist dies OpenStreetMap-Daten basierenden Ver- kann die Veränderung des Oberflächenab- der Fall, wird in der Ergebnisanzeige der An- kehrsnetzes des Projektraums werden Er- flusses der jeweiligen Planfläche berechnet teil der betroffenen Planfläche ausgegeben. reichbarkeitsisochronen im Einzugsgebiet 78 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 der Wertstoffhöfe berechnet. Diese geben den in diesem Beispiel nicht betrachtet. und einer Tabelle werden den quantitativen näherungsweise an, wie schnell (in Zeitin- Dem Planzustand liegt eine Entwicklungs- Klassen der 6-stufigen Skala zugeordnete tervallen) ein Wertstoffhof mit einem Pkw zeit von 20 Jahren zugrunde, Näheres be- Flächenanteile und in drei passenden Kar- erreichbar ist. Ein Overlay der von den Iso- schreibt Mehl et al. (2021). tenausschnitten die flächenhaften Ausprä- chronen umschlossenen Einzugsgebiete mit Die im Szenario angenommene Ände- gungen der ausgewählten ÖSL sowie de- räumlichen Bevölkerungsdaten bestimmt rung der Flächennutzung betrifft fast aus- ren Veränderungen wiedergegeben (Abbil- die Anzahl der Einwohner, welche bei ge- schließlich ursprünglich landwirtschaftliche dung 6). gebener Erreichbarkeit als mögliche Nut- Ackerflächen und wurde hinsichtlich der Im konkreten Beispiel weisen die ur- zer des jeweils nächstgelegenen Wertstoff- Veränderungen von Ökosystemleistungen sprünglichen Ackerflächen vor allem hohe hofs infrage kommen. Für genauere Aus- und wasserwirtschaftlichen Anforderungen Leistungen bei der Bereitstellung von Kultur- wertungsergebnisse wurden die auf bewertet und ausgewertet. pflanzen, Nähr- und Schadstoffregulation Stadtteil- bzw. Gemeindeebene verfügba- Nach dem Start der Auswertungsrouti- und Kühlwirkung auf. Im Planzustand verrin- ren Bevölkerungszahlen auf die Fläche von nen wird ein neuer Browser-Tab aufgeru- gern sich viele Ökosystemleistungen auf- Hausumringen aus ALKIS-Daten disaggre- fen, in dem die nach Fachthemen geordne- grund des hohen Anteils von geplanten giert. Wird ein einwohnerspezifischer Um- ten Ergebnisse angezeigt werden. Je nach Gewerbe- und Wohnflächen ohne ausrei- rechnungsfaktor zugrunde gelegt, kann zu- Fortschritt der Berechnungen auf dem Ser- chende Kompensationsmaßnahmen. Eine künftig auch ein Schätzwert für das poten- ver werden entweder Statusanzeigen zu Steigerung tritt beim (versiegelungsbeding- zielle Abfallaufkommen bestimmt werden. laufenden Prozessen oder Ergebnissen an- ten) Bodenrückhalt und beim Rückhalt von Diesbezüglich ist das Berechnungsmodell gezeigt und jeweils in Echtzeit aktualisiert. Treibhausgasen, bei der Habitatbereitstel- bisher jedoch noch nicht kalibriert. Der Nutzer muss nicht auf den Abschluss lung und bei Bildung und Wissenschaft auf- aller Berechnungen warten, sondern kann grund der hier angenommenen Neuan- 3.4 ERGEBNISSE einzelne Teilergebnisse bereits vorab ana- pflanzung von Wald auf (Tabelle 1). Bereits in der Entwicklungsphase des GIS- lysieren, während im Hintergrund die zeit- EUS wurden die vorgestellten Werkzeuge lich aufwendigeren Prozesse abgeschlos- 3.4.2 AUSWIRKUNGEN AUF DIE anhand von Planflächen auf Flächennut- sen werden. Für das fiktive Beispielszena- WASSERWIRTSCHAFT zungsplanebene getestet. Ein fiktives An- rio benötigt das System bei geringer Die Flächeninanspruchnahme durch die wendungsbeispiel zur Erläuterung der Funk- Serverauslastung für die Gesamtauswer- Gewerbegebiete hätte eine steigende Bo- tionalität besteht aus zwei vor Kurzem aus- tung ca. 15 s. denversiegelung und einen erhöhten Ober- gewiesenen Gewerbeflächen in der im flächenabfluss zur Folge, der nicht ohne Süden von Rostock gelegenen Gemeinde 3.4.1 A USWIRKUNGEN AUF geeignete Bewirtschaftung in die anliegen- Dummerstorf. Zu Demonstrationszwecken ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN den Fließgewässer gelangen dürfte. Die wurden weitere Planflächen in Form eines Nach Aufruf einer ÖSL-spezifischen Ergeb- Auswertung der Planungssituation im EUS Wohn- und eines Waldgebiets dem hier nisansicht erscheinen unterschiedliche An- zeigt für verschiedene Niederschlagssze- vorgestellten Planungsszenario hinzugefügt zeigeformen für den Vergleich von Ökosys- narien eine deutliche prozentuale Steige- (Abbildung 5). Spezielle Kompensations- temleistungen der vorgegebenen Flächen rung des Abflusses. Besonders bei Regener- maßnahmen für Ökosystemleistungen wur- im Ist- und Planzustand. In einem Diagramm eignissen mit hoher Jährlichkeit (z. B. Wie- Abbildung 7: Ergebnisansicht Regenwasser/Fließgewässer (räumlicher Ausschnitt) gis.Science 3/2021 I 79
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN derkehrintervall 100 Jahre, Abbildung 7) lichen beispielsweise der zuständigen Was- lung der Bevölkerung nach absoluten Ein- würden die prognostizierten Abflussspitzen serbehörde eine erste Einschätzung der Ab- wohnerzahlen gegenübergestellt. In der die Abflusskapazität zahlreicher Abschnitte flusssituation als Vorbereitung erforderlicher Spalte Neu ist zudem, soweit vorliegend, im weiteren Verlauf des Gewässers überstei- (hydrologisch-hydraulischer) Machbarkeits- die prozentuale Veränderung gemessen an gen. Für den im EUS prognostizierten Trink- studien oder vergleichbarer ingenieurfachli- der Gesamteinwohnerzahl Rostocks ange- wasserbedarf könnte die Kapazität der be- cher Nachweise. geben. Demzufolge wäre für insgesamt stehenden Trinkwasserinfrastruktur teilweise 17.306 Einwohner der neue Wertstoffhof überschritten sein. Insbesondere das Ver 3.4.3 A USWIRKUNGEN AUF DIE schneller zu erreichen als der bisher nächst- bundnetz der Wasserwerke Reez, Ban- ABFALLWIRTSCHAFT gelegene Hof in Lütten-Klein. Entsprechend delstorf und Niekrenz sowie die Nähe zum In Abbildung 10 sind beispielhaft die Iso- könnte dies die Auslastung der Höfe sowie Trinkwassernetz des Wasserwerks Rostock chronen für die Erreichbarkeit der Wert- die Attraktivität des Angebots an Wertstoff- bieten jedoch insgesamt eine gute Versor- stoffhöfe innerhalb der Stadtgrenzen von höfen für die Bevölkerung beeinflussen. Es gungssicherheit, um den Bedarf zu decken Rostock abgebildet, welche, wie in Ab- ist jedoch zu beachten, dass es sich bei (Abbildung 8). Weiterhin zeigt sich im EUS schnitt 3.3.3 erläutert, durch das EUS be- dem in Tabelle 2 dargestellten fiktiven Fall durch den Anschluss an die bereits beste- rechnet wurden. Es ist erkennbar, innerhalb noch nicht um kalibrierte Modellwerte han- hende Abwasserinfrastruktur eine mögliche von wie vielen Minuten ein Pkw von den delt. Die Werte dienen vorerst nur der Ver- Überlastung mehrerer Pumpwerke auf dem abgebildeten Flächen aus den nächstgele- anschaulichung. Fließweg bis zur zentralen Kläranlage in genen Wertstoffhof (bzw. Recyclinghof) er- Rostock (Abbildung 9). Zudem befinden reichen kann. Tabelle 2 zeigt ferner an, 4Z USAMMENFASSUNG UND sich die Flächen des Planungsszenarios in- wie viele Einwohner insgesamt innerhalb AUSBLICK nerhalb der Trinkwasserschutzzone der der Erreichbarkeitsisochronen von 3, 6, 9 Die Entwicklung eines GIS-basierten Ent- Warnow. Hier kann das EUS bereits in ei- oder 12 Minuten liegen (Bezugsjahr scheidungsunterstützungssystems (GIS-EUS) ner frühen Planungsphase auf potenzielle 2019) und inwiefern sich diese Erreichbar- für eine system- und raumübergreifende Pla- Konflikte hinweisen, die eine Abstimmung keit mit einem neuen, fiktiven Wertstoffhof nung des Stadt-Umland-Raums am Beispiel mit wasserwirtschaftlichen Aufgabenträgern in Warnemünde verändern würde. In den der Regiopolregion Rostock ist zunächst erforderlich machen. Die Ergebnisse ermög- Spalten Neu und Alt sind jeweils die Vertei- eine wissenschaftliche Fragestellung. In Ökosystemleistung Istzustand Planzustand* Veränderung Versorgende Ökosystemleistungen Bereitstellung von Kulturpflanzen 3,7 1,1 –2,7 Bereitstellung von Trinkwasser 3,1 1,5 –1,6 Bereitstellung von Brauch- und Prozesswasser 3,2 1,5 –1,6 Regulative Ökosystemleistungen Hochwasserregulation 2,5 1,5 –0,9 Niedrigwasserregulation 3,2 1,5 –1,6 Nähr- und Schadstoffregulation 4,7 2,8 –1,9 Wasserrückhaltevermögen 0,7 0,7 0,0 Bodenrückhalt 1,3 4,2 2,9 Retention von organischem Kohlenstoff (Humusbildung) 2,0 1,1 –0,9 Retention von Stickstoff (Denitrifizierung) 2,1 2,0 –0,1 Rückhalt von Treibhausgasen 1,0 1,5 0,5 Kühlwirkung (Gewässer und Böden) 3,9 2,1 –1,8 Habitatbereitstellung 1,2 2,1 1,0 Kulturelle Ökosystemleistung Landschaftsästhetik 2,3 1,3 –1,0 Erholung und Tourismus 2,7 1,3 –1,4 Bildung und Wissenschaft 1,2 1,5 0,4 Tabelle 1: Mittlere quantitative Ökosystemleistungen auf einer Skala von 0 (äußerst geringe/fehlende ÖSL) bis 5 (sehr hohe ÖSL) für das fiktive Planungszenario in Dummerstorf (*unkalibrierter Planzustand) 80 I gis.Science 3/2021
gis.Science 3 (2021) 69-85 Abbildung 8: Ergebnisansicht Schmutzwasser (räumlicher Ausschnitt) Abbildung 9: Ergebnisansicht Trinkwasser/Wasserwerke (räumlicher Ausschnitt) praktischer Hinsicht wird das Ziel verfolgt, Hochwasserschutz bereits bei der stra- pakete zugrunde. Dabei ist die Nutzung eine Stärkung der Zusammenarbeit von Ak- tegischen Bauleitplanung (Flächennut- ohne lokale Installation niedrigschwellig teuren aus Verwaltung und Verbänden in zungsplan). über den Browser möglich. Datengrundla- Stadt und Umland zu erreichen. 3. Berücksichtigung kreislauf- bzw. abfall- gen können dank der implementierten Ser- Die hier vorgestellten drei Module des GIS- wirtschaftlicher Aspekte (Wertstoffhöfe). ver-Client-Struktur zentral und teilweise au- EUS zielen auf folgende Optimierungen Der abschätzende Charakter aller Bewer- tomatisiert aktualisiert werden (Harvesting). räumlicher Planung: tungen ist zu betonen, was primär eine Fra- Insofern ist das System für die kommende 1. Berücksichtigung von Ökosystemleis- ge des Analyse- bzw. Bearbeitungsmaßsta- Testphase geeignet, in der weitere Anpas- tungsansätzen in der Bauleitplanung bes ist. sungen erfolgen sollen. So werden z. B. nach BauGB (hier beim Flächennut- Nach einer Entwicklungszeit von drei die bisher expertengestützt ermittelten zungsplan) und damit Erweiterung der Jahren ist nun das erste Etappenziel reali- ÖSL-Bewertungen für den Istzustand aktuell Entscheidungsgrundlagen, um einen in- siert, eine lauffähige und umfangreich fach- für alle Flächenkategorien nach PlanZV un- tegralen Ressourcenschutz zu befördern. lich-inhaltlich „gefüllte“ Testumgebung der ter Zuhilfenahme statistischer Methoden ka- 2. Frühzeitige Berücksichtigung von was Anwendung GIS-EUS. Dem System liegt libriert. Später sollen auch Möglichkeiten serwirtschaftlichen Aspekten in den Fel- ein quellenoffener, modularer Aufbau auf implementiert werden, Verluste an ÖSL dern Trinkwasser, Abwasser sowie Basis verbreiteter Open-Source-Software- durch entsprechende Kompensationsmaß- gis.Science 3/2021 I 81
GIS-BASIERTES ENTSCHEIDUNGSUNTERSTÜTZUNGSSYSTEM FÜR DIE PROSPEKTIVE SYNERGISTISCHE PLANUNG VON ENTWICKLUNGSOPTIONEN Abbildung 10: Erreichbarkeits-Isochronen der bestehenden Recyclinghöfe in Rostock unter Berücksichtigung der administrativen Grenzen Abdeckung Abdeckung Abdeckung Abdeckung 0 – 3 min > 3 – 6 min > 6 – 9 min > 9 – 12 min Hofname Alt Neu Alt Neu Alt Neu Alt Neu Warnemünde (fiktiv) 0 5.734 0 9.538 0 2.034 0 0 (+2.74 %) (+4.55 %) (0.97 %) Dierkow 15.110 15.110 25.322 25.322 5.026 5.026 131 131 Reutershagen 7.176 7.176 24.854 24.854 1.791 1.791 0 0 Lütten-Klein 16.653 16.653 44.287 35.040 11.121 3.062 0 0 (–4.41 %) (–3.85 %) Südstadt 13.046 13.046 38.472 38.472 4.757 4.757 0 0 Tabelle 2: Anzahl der Einwohner innerhalb von Erreichbarkeitsisochronen der jeweils nächstgelegenen Wertstoffhöfe der Hansestadt Rostock und errechnete Ver- änderung für einen fiktiven Wertstoffhof in Warnemünde nahmen ausgleichen zu können. Auch dif- gefördert (weitere Informationen: https:// Rostock, Professur Bodenphysik und Res- ferenzierte Authentifizierungsmechanismen prosper-ro.auf.uni-rostock.de). Wir danken sourcenschutz der Universität Rostock, BN sowie die Einführung von Benutzerrollen dem BMBF für die gewährte Förderung. Umwelt GmbH sowie Institut für ökologi- sind unterstützend angedacht. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Ver- sche Wirtschaftsforschung GmbH Berlin. öffentlichung liegt bei den Autoren. DANKSAGUNG Unser Dank gilt ebenso den Projektpart- Das diesem Beitrag zugrunde liegende Vor- nern Amt für Raumordnung und Landespla- haben „Stadt-Land-Plus-Verbundprojekt PRO- nung Region Rostock, Staatliches Amt für SPER-RO: Prospektive synergistische Pla- Landwirtschaft und Umwelt (Mittleres Meck- nung von Entwicklungsoptionen in Regiopo- lenburg), Hanse- und Universitätsstadt len am Beispiel des Stadt-Umland-Raums Rostock – Senatsbereich Bau und Umwelt, Rostock“ wird mit Mitteln des Bundesminis- Landkreis Rostock – Umweltamt, War- teriums für Bildung und Forschung (BMBF) now-Wasser- und Abwasserverband, Ei- unter dem Förderkennzeichen 033L212 genbetrieb Abfallwirtschaft des Landkreises 82 I gis.Science 3/2021
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