The Future of Farming in Tyrol - Prof. Dr. Johann Füller - Wissenschaftliche Studie über die Zukunft der Tiroler Landwirtschaft - Lebensraum Tirol ...
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1 The Future of Farming in Tyrol Prof. Dr. Johann Füller The Future of Farming in Tyrol Wissenschaftliche Studie über die Zukunft der Tiroler Landwirtschaft
2 The Future of Farming in Tyrol Inhalt The Future of Farming in Tyrol // Executive Summary 3 Making of 4 1. Tiroler Landwirtschaft // Ein Lagebericht 5 1.1. Landwirt*In - Beruf und Berufung 6 1.1.1. Voraussetzungen 6 1.1.2. Sonnenseiten 6 1.1.3. Schattenseiten 6 2. Einflüsse auf die Landwirtschaft 9 2.1. Konsumentenperspektive 9 2.1.1. Nachhaltigkeit 9 2.1.2. Regionalität 9 2.1.3. Zunehmendes Bewusstsein für gesunde Ernährung 9 2.1.4. Gütesiegel 9 2.2. Demographische, technologische und politische Herausforderungen 10 2.2.1. Generationswechsel 10 2.2.2. Digitalisierung 10 2.2.3. Politik in der Landwirtschaft 11 2.2.4. Handel 11 3. Tiroler Landwirtschaft von morgen // Lösungsräume 12 3.1. Vermarktung – neue Wege 13 3.2. Tourismus und Erlebnis 16 3.3. Vorwärtsintegration 16 3.4. Kooperationen – gemeinsam stärker 17 3.4.1. Mit Start-ups innovativ in die Zukunft 18 3.4.2. Kollaboration der Tiroler Landwirt*Innen 21 4. Tiroler Landwirtschaft // drei konkrete Umsetzungsvorschläge 22 4.1. Regionalitätsladen in der Maria-Theresien-Straße 22 4.2. Landwirtschaft goes Media 22 4.3. Landwirtschaftsinkubator 22 Das vorerst letzte Wort 23 Impressum24 Bildnachweise24 Endnoten 25
3 The Future of Farming in Tyrol The Future of Farming in Tyrol // Executive Summary Die Zukunft der Landwirtschaft Tirols ist ein heiß disku- z. B. durch Social Media und Start-ups, innovativen Ver- tiertes Thema und im Blickpunkt vieler unterschiedlicher triebsmöglichkeiten z. B. durch Lieferdienste, Foodtrucks Organisationen, Interessens- und Bevölkerungsgruppen. und -Festivals, Bauernhofautomaten, Regionalitätsge- Kleine Landwirtschaften, meist als Familienbetriebe ge- schäften oder Koch-Abos, über die Vorwärtsintegration führt und in der Milcherzeugung und Viehzucht tätig, durch neue Lebensmittelkreationen und Spezialitäten, bis fühlen den demographischen Wandel, wirtschaftliche und hin zu einer Stärkung des Tourismus durch Urlaub auf dem soziale Gegebenheiten hautnah; genauso wie die Klima- Bauernhof, Schulbesuche, Naturretreats und Bauernhöfe veränderung und die Digitalisierung. als Veranstaltungslocations. Ein wichtiger Schlüssel liegt Unsere Studie zeigt auf, wie Tiroler Landwirt*Innen, Kon- dabei in der Kooperation und Zusammenarbeit der Land- sument*Innen und Start-ups den Status quo einschätzen wirt*Innen untereinander und darüber hinaus mit Start- und welche Zukunftsszenarien sie sich zur Entwicklung der ups, Gastbetrieben, Handel, Schulen und Genossenschaf- Tiroler Landwirtschaft ausmalen. ten. Sie identifiziert die Herausforderungen durch Klima- wandel, Digitalisierung und Massenproduktion, und Ein herzlicher Dank gilt all jenen, die diese Studie mit Ideen, zeigt Trends und Chancen durch Nachhaltigkeit, Re- Interviews, Perspektiven, Kreativität, Engagement und Tat- gionalität, Ernährungswandel, Transparenz und Gesund- kraft unterstützten. heitsbewusstsein. Die COVID-19 Pandemie führt uns Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre und viel gerade sehr deutlich vor Augen, wie wichtig die hei- Freude bei der Entdeckung neuer Zukunftsbilder. mische Produktion ist. Sie sichert die regionale Ver- sorgung unabhängig von weltweiten Lieferketten. Die skizzierten Lösungsräume für die Landwirtschaft von morgen reichen von neuen Wegen der Vermarktung Johann Füller Digitalisierung kleine Landwirtschaften Familienbetriebe Milcherzeugung & Viehzucht Klimawandel Wandel Demographie, Wirtschaft & soziokulturelle Gegebenheiten Massenproduktion Heraus- Status quo forderungen Trends & Chancen BIO Vegan Bio Transparenz Gesundheit Nachhaltigkeit Regionalität Abbildung 1 Status quo Herausforderungen und Trends & Chancen auf einen Blick
4 The Future of Farming in Tyrol Making of Das Team für Innovation und Entrepreneurship der Uni- Herzlichen Dank an versität Innsbruck hat gemeinsam mit der Landwirtschafts- kammer Tirol anhand von 35 Interviews sowie Expertenge- Michael Kirchmair, Innovationsberater der Landwirt- sprächen, einem Validierungsworkshop und einem offenen schaftskammer Tirol, der mit seinem Fachwissen zur Verfü- Ideenwettbewerb auf der HYVE Crowd unter www.land- gung stand, Mit-Initiator, Pate und Aufgabensteller sowie wirtschaft.zukunft-tirols.at den Status quo der Tiroler tatkräftiger Unterstützer und Projektbetreuer seitens der Landwirtschaft untersucht und Stärken, Schwächen und Landwirtschaftskammer (und Teil der Fachjury des Wett- Herausforderungen identifiziert sowie Lösungsvorschlä- bewerbs). ge und Zukunftsszenarien hervorgebracht. Die 17 besten Ideen aus den 71 eingereichten Lösungsvorschlägen des Die Fachjury des Wettbewerbs: Wettbewerbes wurden weiterentwickelt und fanden Ein- Josef Hechenberger (Präsident Landwirtschaftskammer zug in die vorliegende Studie. Tirol), Josef Margreiter (GF Lebensraum Tirol Holding GmbH), Dr. Johannes Ortner (CEO Raiffeisen-Landesbank Tirol), Prof. Dr. Katja Hutter (Professorin an der Universität Inns- bruck und Vizerektorin für Digitalisierung und Innovation an der Universität Salzburg), Matthias Pöschl (GF Agrarmarketing Tirol) und Stephanie Hörfarter (Landesleitung Landjugend/Jungbau- ernschaft Tirol). Die Spender*Innen der Sachpreise für den Ideenwett- bewerb, Norbert Gleirscher, Lebensraum Tirol Holding GmbH und MyEier (www.shop.myeier.de). Sandra Lemmer von HYVE für die textliche Aufbereitung der Studie. Melanie Eckl für die graphische Umsetzung. Niclas Kröger, Projektpartner für die HYVE Crowd, der den offenen Ideenwettbewerb über die Zukunft der Land- wirtschaft in Tirol betreute. Kathrin Kronberger, Studentin an der Universität Inns- bruck, die im Rahmen der Studie ihre Bachelorarbeit ver- fasste. Die Studierenden des Research Kurses für die Durchfüh- rung der Interviews und des Innovationsmanagement Kur- ses für die Mitwirkung am Ideenwettbewerb.
5 The Future of Farming in Tyrol 1. Tiroler Landwirtschaft // Ein Lagebericht K ühe, die auf saftigen Wiesen grasen, hoch oben in den Tiroler Alpen. Dort, wo die Uhren noch ein bisschen langsamer gehen und der*die Landwirt*In sich noch mit Die landwirtschaftliche Produktion belief sich im Jahr 2010 auf 250 Mio. Euro. Sie dient zur Erzeugung von Lebens- mitteln, bietet verschiedenste Dienstleistungen, wie zum viel Liebe und Verbundenheit um Vieh und Natur küm- Beispiel Urlaub auf dem Bauernhof an und gestaltet die Ti- mert: auch Ihre Assoziation, wenn Sie an die Tiroler Land- roler Kulturlandschaft. 31,4% der Tiroler Alpen werden für wirtschaft denken? landwirtschaftliche Zwecke genutzt.1 In Tirol konzentrie- Zur Fantasie der entschleunigten Idylle kommen die da- ren sich die meisten Betriebe auf die Milcherzeugung und raus resultierenden hochqualitativen Produkte, natürlich Viehzucht. In den Tälern wird auch Ackerbau sowie Gemü- ohne Spritz- und Düngemittel und umweltschonend er- se- und Obstanbau betrieben.2 Die Landwirtschaft hat in zeugt. In Tirol sind Landwirt*Innen omnipräsent. Inmitten den letzten Jahrzenten eine deutliche Verwandlung durch- der Alpen, bekannt für atemberaubende Natur und hohen gemacht. Ursachen sind der Wandel von Demographie, Lebensstandard, prägen viele kleine Bauernhöfe das Land- Wirtschaft und sozio-kulturellen Gegebenheiten3. Außer- schaftsbild. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Nahrungs- dem reagieren gerade Bergregionen stark auf den Klima- mittelproduzent und zusammen mit dem Tourismus ein be- wandel4/5, welcher sich durch die zunehmenden Wetterex- deutendes Standbein Tirols. treme bemerkbar macht. Hangrutsche, (Schlamm)Lawinen, Muren, starke Dürren, abnehmende Biodiversität machen die Auswirkungen sichtbar.
6 The Future of Farming in Tyrol 1.1. Landwirt*In - Beruf und Berufung 1.1.2. Sonnenseiten Im Großen und Ganzen schätzen die Landwirt*Innen die Bekannt als Herzstück der Alpen und umgeben von Ber- Erzeugung und den Umgang mit hochwertigen regiona- gen bietet Tirol über 1 Mio. Hektar Agrarfläche sowie rund len landwirtschaftlichen Produkten. Besonders im Fokus 16.900 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die etwa stehen hervorragende Qualität, frische und nahrhafte 44.000 Arbeiter*Innen beschäftigen. 5,7% der regionalen Lebensmittel, guter Umgang mit den Tieren, Herstellung Arbeitsplätze in Tirol entfallen damit auf die Landwirt- ohne Antibiotika und Wachstumsmittel. schaft, wobei 85% der landwirtschaftlichen Betriebe fami- liengeführt sind. Die von den Alpen dominierte Region ist charakterisiert von steilen Hängen und wenig großen Feldern im Flachen. Daher ist dieses Gebiet auch relativ schwierig zu bewirt- schaften; in manchen Gebieten kommt man ohne Spezial- maschinen nicht aus. Aufgrund dieser Herausforderungen sind Großbetriebe eher die Ausnahme. „Auch wenn nicht als Hauptberuf, viele in Tirol sind mit Leib Viele Landwirt*Innen genießen es, Selbstversorger zu sein und Seele Bauern.“ und ein Produkt von Anfang bis zum Ende begleiten zu dürfen. Das Vertrauen und die Dankbarkeit, wenn man das Dafür gibt es zahlreiche kleine Landwirtschaften. Die meis- Endprodukt einem*einer zufriedenen Kund*In überreicht, ten von ihnen sind Familienbetriebe. Des Weiteren werden bedeutet dem*der Landwirt*In besonders viel. Auch die zwei Drittel der Bauernhöfe von Teilzeitbauern betrieben2. Arbeit an sich beinhaltet viel Positives für den*die Land- Besonders bei den kleinen Betrieben wirft der Hof oftmals wirt*In: der abwechslungsreiche Alltag und die Kreativität nicht genügend ab, um von den Erträgen leben zu können. gehören mit dazu. Aber auch jeden Tag an der frischen Luft sein zu können, mit Tieren und der Natur zu arbeiten und 1.1.1. Voraussetzungen sich die Zeit selbst einzuteilen, betrachten Landwirt*Innen als große Bereicherung. „Ich denke, alles was man mit Überzeugung und Herzblut 1.1.3. Schattenseiten macht, wird gut!“ „Wir haben eine sehr hohe Arbeitsbelastung mit sehr viel Beweggründe, sich für den Beruf des*der Landwirts*In zu entscheiden gibt es viele; in Tirol einen – im wahrsten Sin- Verantwortung. Dagegen steht ne des Wortes – ganz ursprünglichen: aufgrund der zahl- leider sehr wenig Ertrag, da wir nicht reichen Familienbetriebe werden viele Landwirt*Innen in viel für unsere Produkte bekommen.“ die Landwirtschaft hineingeboren. Das ganze Leben lang wächst man mit den landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf, Diesen Annehmlichkeiten und Freiheiten stehen jedoch und eines Tages ist es naheliegend, den Hof selbst zu über- auch Schattenseiten gegenüber: das hohe und kaum zu nehmen. Viele heiraten auch in das bäuerliche Leben hin- bewältigende Arbeitspensum, die saisonale und wetter- ein. Das allein reicht jedoch nicht, um Herzblut und harte abhängige Arbeit. Insbesondere der Klimawandel schadet Arbeit zu investieren. Landwirt*In zu sein ist eine Beru- den Landwirt*Innen, durch beispielsweise längere Dürre- fung, nicht nur ein Beruf! perioden. Oftmals fallen unerwartet ganze Ernten aus, was kompensiert werden muss. Zunehmende Wetterext- reme, Unwetter, Stürme, Hagel und Muren stellen Land- wirt*Innen vor immer größere Herausforderungen. 2018 beispielsweise vernichtete eine lange Dürreperiode viele
7 The Future of Farming in Tyrol Ernten. Landwirt*Innen brauchen Möglichkeiten und fi- glauben, nicht mehr mit dem hohen Tempo mithalten zu nanzielle Spielräume, damit sie sich ausreichend um den können und sehen sich in naher Zukunft vor dem Ausstieg. Hof kümmern können. Diese Existenzängste sind nicht unbegründet: Landwirt*In- Die Entwicklung der letzten Jahre vergrößert zunehmend nen stehen vor vielen neuen Anforderungen. Um diesen den Druck auf Kleinbetriebe. Aufgrund von Massenpro- gerecht zu werden, müssen teilweise hohe Investitionen duktion und Groß- und Einzelhandel werden landwirt- in Maschinen und Technologien getätigt werden; Kleinbe- schaftliche Produkte oft unter ihrem Wert verkauft; da triebe können sich dies oft nicht leisten. Hinzu kommt die bleibt nicht viel für den kleinen Betrieb übrig. fehlende fachliche Kompetenz. Zu den Schattenseiten zählt leider oftmals auch das Image. Obwohl Landwirt*Innen einen wichtigen Beitrag zur Ver- „Auch in Tirol geht der sorgung der Bevölkerung leisten, sucht man die Anerken- Strukturwandel sehr schnell voran. nung dafür bei weiten Teilen der Bevölkerung vergebens. Groß frisst Klein einfach auf. Das Trotz der erschöpfenden Arbeit wird der Beruf oftmals nicht genug wertgeschätzt. Ebenso wenig wie der Beitrag finde ich sehr bedrückend.“ der Landwirtschaft für die Natur und damit den florierenden Tourismus. Der Beruf des*der Landwirt*In ist ein 24/7 Job, der es den Landwirt*Innen kaum ermöglicht, sich auch nur ein paar Tage Auszeit zu nehmen. Je nach Saison können auch mal 16 oder 17 Stunden Tage anfallen. In den Urlaub zu fahren ist immer mit Organisationsaufwand verbunden, da man Angestellte oder Familie benötigt, die in dieser Zeit den Hof bewirtschaften. Während bergige Gegenden jedes Jahr viele Tourist*Innen anziehen, er- schweren Hanglagen und verhältnismä- ßig kurze Anbauzeiten die Produktion hochwertiger, naturbelassener Nah- rungsmittel, was den Wettbewerb auf internationalem Preisniveau schwierig macht. Dies führt zu Existenzängsten. . „Ich habe hier nicht nur Bedenken. Es wird unausweichlich sein, dass Landwirte um ihre Existenz bangen „Das Wissen der nicht müssen.“ bäuerlichen Welt für die Viele haben Angst vor der Zukunft; eini- bäuerliche Welt geht ge sehen das Aufnehmen einer Neben- immer mehr verloren.“ tätigkeit als unumgänglich, um genug Einkommen zu generieren. Andere
8 The Future of Farming in Tyrol Ein zusätzliches Problem ist der Massenmarkt. Durch die kleinstrukturierten Betriebe ist der Preiskampf mit den großen Massenproduzenten unmöglich. „Vor allem der Preisdruck der großen Einzelhandelsketten ist ein Faktor, der speziell kleine Landwirte in die Knie zwingt.“ Hinzu kommt, dass der*die Landwirt*In zunehmend vom Abnehmer getrieben wird. Der Handel bestimmt die Prei- se und optimiert die Spannen, für den*die Produzenten*In bleibt kaum mehr etwas übrig. Aufgrund von geringem Einkommen, relativ zu anderen Wirtschaftssektoren, geringen Innovationen, limitierter Flexibilität und ungünstigen topographischen Bedingun- gen haben daher mehr und mehr Berglandwirt*Innen in den Alpen ihren Bauernhof stillgelegt. Zwischen 1980 und 2000 haben im gesamten Alpenraum 2,2% pro Jahr ihre Landwirtschaft aufgegeben, wobei Österreich mit 0,7% pro Jahr noch das Land mit den wenigsten Hofaufgaben ist. Trends wie etwa Künstliche Intelligenz, vegane Ernährung oder der Anbau von Heilpflanzen bieten zahllose Möglich- keiten, diesen Beruf neu zu erfinden. Dennoch müssen auch die aufkommenden Herausforderungen wie Klima- wandel, Massenproduktion und Preispolitik bedacht und gemeistert werden.
9 The Future of Farming in Tyrol 2. Einflüsse auf die Landwirtschaft Da die Tiroler Landwirtschaft vielen Einflüssen wie Digi- Mit Regionalität wird auch automatisch gute Qualität talisierung, Klimawandel, verändertem Konsumverhalten gleichgesetzt. Man weiß, wo das Produkt herkommt und u.v.a. ausgesetzt ist, stellt sich die Frage: Wie verändert kann dadurch auch Landwirt*Innen in der Region unter- sich die Tiroler Landwirtschaft? Wie sieht die Tiroler Land- stützen; außerdem erlaubt es, den CO2 Ausstoß durch wirtschaft in der Zukunft aus? Was sind die Notwendig- kurze Transportstrecken zu minimieren. Zudem zeigt die keiten, Chancen und Möglichkeiten, Voraussetzungen und COVID-19 Pandemie wie wichtig die heimische Produkti- Anforderungen? on ist. Sie sichert die regionale Versorgung unabhängig von weltweiten Lieferketten und stellt eine Versorgung losge- löst von Weltwirtschaft und Gesundheit sicher. Auch spielt 2.1. Konsumentenperspektive der biologische Landbau eine zunehmend wichtige Rolle. In der Bio-Landwirtschaft gehört die Tiroler Landwirtschaft „Ich wünsche mir, dass bereits zum Spitzenfeld in Europa. 2016 machten Bio-Be- Massentierhaltung weniger triebe einen Anteil von 20% der Landwirtschaft in Tirol aus6. wird und Landwirte in Zukunft fairer behandelt werden, siehe 2.1.3. Zunehmendes Bewusstsein für gesunde Milchpreis. Außerdem sollte sich die Ernährung Nachhaltigkeit der Produkte und der Produktion deutlich verbessern.“ Viele Konsument*Innen haben kaum direkten Kontakt zur Landwirtschaft. Oftmals mangelt es an dem notwendigen 2.1.1. Nachhaltigkeit Wissen, um die Qualität hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte zu erkennen und den damit verbundenen Auf- Nachhaltigkeit, also der bewusste und schonende Um- wand richtig einschätzen zu können; die meisten Verbrau- gang mit Ressourcen, Umwelt, Mensch und Tieren ist ein cher*Innen wollen sie konsumieren, sind aber häufig nicht Trend, der sich positiv auswirkt und Stellschrauben für bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. die Landwirtschaft eröffnet: beim Produkt selbst, bei der Allerdings steigen die Anforderungen an landwirtschaft- Vermarktung und natürlich auch bei der Gestaltung neu- lich, regional erzeugte, nachhaltige Lebensmittel und damit er Geschäftsmodelle. Ein nachhaltiges Angebot und auch auch das Bewusstsein für Qualität, Erzeugung, Verpackung nachhaltiges Wirtschaften kann helfen, sich von Massen- und Konsum. Weg vom reinen Produkt, hin zur bewussten produktion abzugrenzen. und gesunden Ernährung, oftmals auch vegetarisch und vegan. Preisbewusstsein bedeutet nicht länger, das güns- tigste Produkt zu kaufen, sondern sich des Wertes eines 2.1.2. Regionalität Produkts bewusst zu sein und ihn zu bezahlen. „Besonders bei Fleisch, Fisch, Milch 2.1.4. Gütesiegel und Eiern ist die Qualität besonders wichtig - hier nehme ich immer Eine Möglichkeit, um Qualität, Regionalität und Nachhaltig- regionale Produkte mit der keit erlebbar zu machen, stellen Gütesiegel dar. Allerdings ist die Meinung der Konsument*Innen zwiegespalten. höchsten Qualität.“ Viele achten nicht auf Gütesiegel, stehen diesen kritisch gegenüber oder werden dadurch sogar verwirrt. Einerseits Neue Chancen für die Tiroler Landwirt*Innen bietet vor al- suggerieren Gütesiegel eine hohe Transparenz und geben lem die Entwicklung der letzten Jahre im Bewusstsein und den Verbraucher*Innen Sicherheit beim Kauf hochwertiger der Einstellung der Konsument*Innen. Das wohl wichtigs- Produkte. Was einzelne Siegel aber genau bedeuten und te Thema ist dabei die Regionalität. Kaum ein(e) Konsu- ob sie mehr Qualität beinhalten als konventionelle Produk- ment*In hat während der Interviews nicht dieses Thema te, wird aufgrund des Wildwuchses an Gütesiegeln des Öf- angesprochen. teren in Frage gestellt.
10 The Future of Farming in Tyrol 2.2. Demographische, technologische und 2.2.2. Digitalisierung politische Herausforderungen „Ja, ich würde mir wünschen, dass die Eine Reihe kritischer Faktoren macht eine Neuausrichtung Tiroler Landwirtschaft auch weiterhin der Landwirtschaft unausweichlich. Ihnen optimal zu be- geschätzt wird, dass die Bauern sich gegnen, ist entscheidend für den künftigen Erfolg eines ein wenig öffnen, ein wenig moderner landwirtschaftlichen Betriebes. werden, aber dass man auch mit Fingerspitzengefühl vorgeht, wo man Digitalisierung einsetzen kann, wo sie Sinn macht und wo man sie definitiv nicht einsetzen sollte.“ Digitalisierung ist in aller Munde; auch im traditionsreichen Sektor der Landwirtschaft verändern die neuen Techno- logien die Arbeitsprozesse maßgeblich. Zu vielen Teilen im positiven Sinn; da die rasanten Entwicklungen von „Inter- net of Things“ sowie „Cloud Computing“ und „Smart Far- ming“, also intelligente Landwirtschaft, eine immer wich- tigere Rolle spielen. Die Kombination von intelligenten 2.2.1. Generationswechsel Maschinen mit Sensoren und „Big Data“ machen es mög- lich, immer mehr landwirtschaftliche Prozesse datengetrie- „Schwierig wird es werden, da ben zu steuern, und dadurch effizienter zu gestalten7. Von computergesteuerten Lenksystemen für die Feldbe- die jungen Leute für weniger wirtschaftung, zur automatischen Fütterungsanlage und Arbeit mehr Geld bekommen Tierüberwachung, bis hin zu Drohnen, ist der Technik kei- und die Freizeit für einen Bauern ne Grenze mehr gesetzt. „Smart Farming“ und „Big Data“ Mangelware ist, wenn man Tiere haben auch große Vorteile für Kleinbetriebe. Es existieren besitzt. Da stellt sich die Frage, bereits Plattformen zum Machine-Sharing oder Wissens- austausch. ob die junge Generation sich das antut!“ In der Digitalisierung steckt viel Potential. Jedoch stellt sich für Viele die Frage, wie weit die Technik in die Land- Eine Herausforderung, die momentan bei vielen Tiroler wirtschaft eingreifen soll, ohne dass die Authentizität der Höfen ansteht, ist der Generationswechsel. Einerseits Tiroler Landwirtschaft gefährdet ist. Wenn man einige fällt es der älteren Generation schwer, loszulassen und Landwirt*Innen befragt, gibt es eine klare Stellung dazu: die Verantwortung abzugeben. Andererseits wollen die Nachkommen oftmals den Betrieb aus mangelnden Zu- Digitalisierung - kunftsaussichten gar nicht erst übernehmen. Die junge zur Flächenbearbeitung ja, Generation für die Arbeit als Landwirt*In zu begeistern aber kein vollautomatisierter und ist nicht leicht; Stichwort Work-Life-Balance. Landwirt*In zu sein bedeutet viel Arbeit und die Freizeitgestaltung ist robotisierter Umgang aufgrund der starken Eingebundenheit schwierig. Weite- mit den Tieren. re Spannungsfelder ergeben sich dadurch, dass in vielen Familienbetrieben oft mehrere Generationen zusammen- Der direkte Kontakt mit den Tieren ist wichtig, da diese arbeiten. Die jüngere Generation ist eher offen für Digita- keine Ware darstellen und der Umgang sowohl zur Quali- lisierung und neue Konzepte; wobei die Älteren sich sich tät der Haltung aber auch der Produkte beiträgt. oft schwer tun mit diesen Entwicklungen. Eine weitere große Hürde ist die Kostenfrage. Die Digi-
11 The Future of Farming in Tyrol talisierung eines Hofes erfordert hohe Investitionen; In- lagen. Handelskonzerne entscheiden damit immer stärker vestitionen, die sich gerade Kleinbetriebe oft nicht leisten mit ihrer Marktmacht über Sein oder Nichtsein von bäuer- können. Hinzu kommt die Komplexität der Technologien. lichen Existenzen. In vielen Tiroler Betrieben ist man daher noch weit weg Der Konkurrenzkampf unter den Handelsketten verschärft von modernen Prozessen. Oftmals wird noch alles schrift- die Situation. Neue Werbestrategien müssen her, um Pro- lich mit Notizblock festgehalten und viel händisch ge- dukte interessanter zu machen. So setzt die Forderung macht, was in Zeiten des Internets, von Smartphones und etwa nach Freilaufställen landwirtschaftliche Betriebe Apps deutlich einfacher und schneller gehen würde. Einfa- enorm unter Druck, gerade wenn große Handelskonzerne che Apps und Kalkulationsprogramme reichten häufig be- z.B. Milch-Hauptabnehmer sind. reits aus, um einen besseren Überblick über den aktuellen Stand und finanzielle Möglichkeiten zu erhalten. Gerade die ältere Generation hat noch Vorbehalte gegen die Di- gitalisierung. Eine Verschließung vor den neuen Techno- logien hilft aber nicht weiter und erlaubt Großbetrieben, veraltete Kleinbetriebe noch weiter abzuhängen. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist die effiziente Kommunikation. Einerseits können Landwirt*Innen besser zusammenarbeiten, andererseits bieten die Technologien die Möglichkeit, direkten Kontakt mit einer Vielzahl von Kund*Innen zu pflegen. Der Schritt vom Kundenkontakt zur Direktvermarktung lässt sich mittels digitaler Lösungen leicht bewältigen. 2.2.3. Politik in der Landwirtschaft Auch in der Politik gibt es Nachholbedarf. Häufig bemän- geln Landwirt*Innen die Überregulierung. Sie fordern mehr Handlungsspielraum und fühlen sich von den vielen Vor- schriften und Auflagen stark einschränkt. Aber nicht nur Überregulierungen, sondern auch der bürokratische Auf- wand macht Landwirt*Innen zu schaffen. Wozu eine Über- regulierung führen kann wird beispielsweise beim Umgang mit Lebensmitteln sichtbar; beim kleinsten Makel werden diese wieder zurückgeschickt und dürfen nicht verkauft werden. Hier ist eine Lockerung sicherlich sinnvoll, wenn auch der*die Konsument*In nicht darunter leiden darf. Obwohl die EU-Subventionen für die Tiroler Landwirt- schaft zu begrüßen sind, gibt es Kritik an der Verteilung und der Bemessungsgrundlage. Subventionen werden größtenteils nach Hektar berechnet und kommen vor al- lem den Großbetrieben zugute. Die Verteilung der Gelder fairer und zukunftsorientierter zu gestalten, wäre ein wich- tiger Schritt. 2.2.4. Handel Der Druck auf die Landwirtschaft durch die Handelsket- ten nimmt stetig zu. Geleisteter Mehraufwand durch die Landwirte wird nicht entsprechend abgegolten. Beispiele dafür sind die immer höheren Umwelt- und Tierwohlauf-
12 The Future of Farming in Tyrol 3. Tiroler Landwirtschaft von morgen // Lösungsräume „Trends wie Regionalität, Gesundheitsbewusstsein, artgerechte Haltung müssen berücksichtigt werden, um sich differenzieren zu können.“ Z ukunftsorientierte Landwirt*Innen müssen sich den aktuellen Herausforderungen stellen und mit neuen Lösungen und Geschäftsmodellen darauf antworten. Das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Bevölke- rung kommt der Tiroler Landwirtschaft zugute. Eine gesun- de Ernährung und das eigenhändige Zubereiten von Ge- Dabei gilt es nicht, mit Massenproduzenten zu konkurrie- richten mit frischen Zutaten nehmen einen immer höheren ren, sondern sich mit hochwertigen, einzigartigen Produk- Stellenwert ein. Fastfood ist heute häufig nicht Junk-Food, ten abzuheben und zu differenzieren. Außerdem bietet die sondern hochwertig, vegan und frisch – eine große Chan- Kombination von Landwirtschaft und Tourismus in der Ur- ce für die Tiroler Landwirt*Innen. laubsregion Tirol eine Vielzahl von interessanten Möglich- keiten8. Die aufgeführten Trends erlauben nicht nur neue Produktion / Haltung / Verarbeitung / hochwertige Produkte, sondern auch innovative und nach- Logistikkette haltige Verpackungen. Ein Beispiel dafür ist „Landpack“9, ein Unternehmen, das 2016 mit dem Deutschen Verpa- Transparenz der Herkunft wird für Verbraucher*Innen ckungspreis ausgezeichnet wurde. Sie entwickeln Kühlbo- immer wichtiger. Gerade durch die Lebensmittelskandale xen aus Stroh, die zu 100% kompostierbar sind. Ein ers- und billigst produzierte Massenprodukte, ist es für Konsu- ter Schritt auf der Suche nach Materialien, die wie Plastik ment*Innen wichtig zu wissen, was sie genau kaufen und verwendet werden können, aber zu 100% kompostierbar konsumieren. sind, gelang „TIPA“10, einem Unternehmen, das tragfähige, Apps können hier helfen. Der gescannte QR Code kann kompostierbare, flexible Verpackungslösungen entwickelt. zum Beispiel genaue Auskunft über die Haltung, Art der Zucht und Schlachtung des Stück Fleisches geben, wel- „Es wird immer mehr Wert auf ches der*die Konsument*In in der Hand hält. gesunde Ernährung gelegt, davon Eine zentrale Online-Seite, z.B. betrieben von der Land- wirtschaftskammer Tirol, könnte Landwirt*Innen in Tirol profitiert die Tiroler Landwirtschaft.“ listen und Informationen über Produkte, Erfolgsgeschich- ten, Kooperationen und Adresse etc. geben, die dazu bei-
13 The Future of Farming in Tyrol tragen, erlebbare Lebensmittel aus anonymen Waren zu “I like to buy at the local farmer machen. shop but it‘s not open every day.” Im Allgemeinen muss man sich gut überlegen, wie man mit den Möglichkeiten umgeht, welche nachhaltig sind, bevor Der Klassiker darunter ist natürlich ein Wochenmarkt, wie der eigene Betrieb darauf angepasst wird. der Bauernmarkt am Innsbrucker Marktplatz. Hofläden bieten eine weitere Möglichkeit, Produkte direkt ab Hof zu „I think it’s also important to verkaufen und Logistik zu vermeiden. Ein großes Problem understand that different farms dieser Vertriebsart ist allerdings die Erreichbarkeit und die Verfügbarkeit des Angebotes. have different goals and needs, so there isn’t one solution to fix all.“ „Aber ansonsten besuche ich Bauernläden nicht gezielt, sondern Die vielen Trends, Technologien und Herausforderungen kaufe dort ein, wenn ich zufällig bieten eine ganze Reihe neuer Lösungsräume: angefan- gen von neuen Vertriebs- und Marketingkanälen bis hin bei einem Bauernladen oder Markt zu innovativen Produkten, Kooperationen und Formen der vorbeikomme.“ Wertschöpfung. Die steigende Nachfrage z. B. für regiona- le Produkte sowie wachsendes Nachhaltigkeitsbestreben Im stressigen Alltag wollen Menschen schnell und mög- erlauben es, die Landwirtschaft der Zukunft neu zu gestal- lichst jederzeit alle Lebensmittel an einem Ort, am besten ten. gleich um die Ecke, kaufen. Bequeme und ganztägige Öff- nungszeiten setzen klassische Supermärkte in Führung. 3.1. Vermarktung – neue Wege Viele Konsument*Innen gaben an, dass sie grundsätzlich dann bei Bauernläden oder auf -märkten einkaufen, wenn Vom Rohstofferzeuger zum sie zufällig daran vorbeilaufen. Einerseits sollte man daher Lebensmittelanbieter die Verfügbarkeit von Wochenmärkten ausbauen; bei- spielsweise würde ein Markt in der Maria-Theresien-Stra- Eine Chance besteht darin, nicht nur Rohstoffe, sondern ße viel Laufkundschaft anziehen. Andererseits ist es not- hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Zum Beispiel wendig, neue Vertriebsarten zu erschließen, die dem*der altbekannte Käsesorten herzustellen, oder auch komplett Kunde*In entgegenkommen und die bequeme Verfügbar- neue zu kreieren, etwa Trüffelkäse oder Rosenkäse. Man keit sicherstellen. kann auch schon früher ansetzten und ganz neue Sorten anbauen und vermarkten; violetten Sprossenkohl bei- spielsweise. Generell wird Differenzierung immer wichtiger. Durch ent- sprechendes Marketing und konsequente Fokussierung können Regionen aber auch einzelne Landwirt*Innen ihre eigenen Spezialitäten kreieren: „Alpbachtaler Heumilch- käse“ oder das „Osttiroler Berglamm“ haben ihren Namen schon etabliert und profitieren vom Wiedererkennungs- wert. Vertrieb Welcher Vertriebskanal passt zum Hof? Wen möchte ich bedienen? Wofür stehe ich? Wie viel kann ich anbieten? Nach diesen Kriterien sind Vertriebswege anzupassen: Internetanbieter, Bauernkiste11, Gemüsebox, Restaurants, direkt auf eigener Website, Bauernmarkt, Wochenmarkt, Food Trucks & Food Festivals, Hofläden oder Supermärkte stellen nur eine Auswahl an Möglichkeiten dar.
14 The Future of Farming in Tyrol „In der Produktion ist die Tiroler den und von wo aus die Bestellungen weiter zu den Kon- Landwirtschaft gut, sogar sument*Innen nachhause gesendet werden. Anstatt nur ausgezeichnet gut, oft ist aber das einzelne Lebensmittel anzubieten, können beispielsweise Problem wie ich diese Produkte zum individuelle Frühstücksbuffets zusammengestellt und zu den Kund*Innen geliefert werden. Konsumenten bringe.“ Eine App, bei der man Push-Benachrichtigungen bekommt, sobald bestimmte Lebensmittel bei einem*einer Land- wirt*In gerade geerntet wurden und zur Abholung bereit- Gerade im Vertrieb besteht großer Verbesserungsbedarf. stehen, stellt eine weitere Vermarktungsmöglichkeit dar. Ein wichtiger Schritt beim Vertrieb liegt im Zusammen- Es gibt eine ganze Reihe an weiteren interessanten digi- schluss von Betrieben und einem gemeinsamen Angebot. talen Lösungen: Man kann beispielsweise verfügbare Le- Eine weitere Idee ist es, Wochenmärkte auch in Super- bensmittel in seiner Nähe abrufen. Stellt man den Standort märkten zu veranstalten oder dort zumindest eine Ecke ein, zeigt die App alle Landwirt*Innen, Metzgereien, Bio- mit landwirtschaftlichen Produkten zu erstellen. Beispiele läden etc. in einem bestimmten Radius an. Hinzu kommen wie die „Bio vom Berg“ Produktlinie12 und die zahlreichen noch Beschreibungen wie Name, Adresse, Produkte und in Produktinitiativen der Agrarmarketing Tirol13 zeigen, wie welchen Mengen die Produkte zur Verfügung stehen. Am Produkte von Landwirt*Innen aus der Umgebung positio- Ende muss der*die Verbraucher*In nur noch entscheiden, niert werden können. Nun geht es um deren Verfügbarkeit ob er*sie selbst die Waren vom Hof abholt oder sich zu- und Durchdringung des Marktes mittels unterschiedlicher senden lässt. Vertriebskanäle. Das Produktsortiment hat durch den ei- genen Bereich einen klaren Wiedererkennungswert. Bes- Die „Gutes vom Bauernhof“ App14, besser bekannt unter tenfalls entstehen dadurch starke regionale Marken. „Schmankerl-Navi“ zeigt heute schon 1400 Ab-Hof Be- Die Digitalisierung eröffnet auch im Vertrieb neue Wege: triebe und Bauernläden, 380 Bauern- und Wochenmärkte, die Idee der Bauernkiste ist eine fortschrittliche Lösung, 1160 Wirtshäuser und 2200 „Urlaub auf dem Bauernhof“- wenn auch die Reichweite relativ gering ist. Kund*Innen ist Betriebe an. es bei solch einem Lieferservice besonders wichtig, wählen zu können, welche Lebensmittel sie von welchem Bauern- Eine neue Vertriebsart ist der Bauernautomat15. Obwohl hof bekommen. Auch sollte nicht nur Obst und Gemüse dieser noch nicht so weit verbreitet ist, birgt er hohes Po- zur Verfügung stehen, sondern auch weiterverarbeitete tential, da zu jeder Tages- und Nachtzeit die Möglichkeit Lebensmittel, wie Brot, Käse, Speck oder auch Müsli. für den*die Kund*In besteht, landwirtschaftliche Produkte zu kaufen. Befüllt werden kann er mit Milch, Eier, Grill- „Ich denke, wenn Hauslieferungen steaks, Würsten, Konserven, belegten Brötchen, Speck, bei uns angeboten werden würden, Milch und Käse. würde ich viel mehr Produkte vom Im Innsbrucker Stadtteil Hötting, ermöglicht ein „Milkomat“, Landwirt kaufen.“ rund um die Uhr frische Milch vom*von der Landwirt*In zu erwerben. Allerdings sind entsprechende Investitionen Gemüse- und Bauernkisten gibt es schon seit Jahrzehnten; notwendig und ein Mindestumsatz, damit sich diese rech- jedoch kann man Hauslieferungen neu denken und weiter nen. ausbauen. Apps bieten dahingehend viele Möglichkeiten: so könnte man zum Beispiel eine Lieferapp erstellen, wie Abgesehen vom Vertrieb gibt es eine Vielzahl spannender es viele Restaurants bereits anbieten, oder einen digitalen Gastrokonzepte, die den Absatz ankurbeln. Einmal wö- Marktplatz aufbauen, um Produkte von den unterschied- chentlich Brunch am Hof ist eine interessante Möglichkeit, lichsten bäuerlichen Anbieter*Innen zu beziehen. Des Verbraucher*Innen an den Hof einzuladen und von den Weiteren könnte ein Koch-Abo Rezepte mit den dazu- eigenen Produkten zu begeistern. Gleichzeitig fördert man gehörigen Zutaten in einem regelmäßigen Abstand an die dadurch den Hofverkauf und den Markenaufbau. Abonnenten senden. Weitergedacht können Markthallen künftig zusätzlich als „Was ich vermisse, ist eine regionale Versandhaus und Abholstationen für Lieferservices ge- und gesunde Fastfoodkette.“ nützt werden, welche von Landwirt*Innen beliefert wer-
15 The Future of Farming in Tyrol Im stressigen Berufsalltag muss es oft schnell gehen. Sich bewerbs über die Zukunft der Landwirtschaft Tirols* greift gesund zu ernähren ist gerade unter Zeitstress eine Her- diesen Gedanken auf und überzeugte die Jury. ausforderung, da die meisten Fastfood-Ketten das genaue Gezielt ausgesuchte Influencer, die regionale Produkte un- Gegenteil anbieten. Eine gesunde Fastfood-Alternative terstützen und die Produkte durch ihre Reichweite an die oder ein Food Truck mit Schmankerln, produziert aus land- Öffentlichkeit bringen, sind ein wichtiger Schritt für die On- wirtschaftlichen Produkten aus der Nähe, stellt eine mög- line Vermarktung. Da viele Konsument*Innen nicht direkt liche Lösung dar. Am Burgerrestaurant Ludwigs16 in Inns- an landwirtschaftlichen Betrieben vorbeikommen, kaufen bruck oder am Burrito Laden Machete17 mit aus regionalen sie oft nur die Produkte, die sie bereits kennen. Durch ge- Zutaten hergestellten Burritos erkennt man den Trend von zielte Werbung auf Social Media-Kanälen, wie Instagram gesunden, qualitativ hochwertigen Fast und Slow Food mit Bildern oder YouTube mit Bewegtbild, könnte sich das Gerichten. Diesen Trend könnte man natürlich auch auf ändern. Zudem lässt sich mittels „swipe up“ direkt auf eine Tiroler Gerichte umlegen: Ein(e) Käsespätzle-Spezialist*In, Webseite oder App zugreifen, auf der die Produkte zum der*die bei der Zubereitung auf Tiroler Bergkäse zurück- Kauf angeboten werden. greift; oder ein Kartoffel-Imbiss, der günstige und gesunde Mittagssnacks, aus Tiroler Kartoffeln anbietet, genau wie ein Anbieter von unterschiedlichen Knödelspezialitäten sind denkbar. Außerdem kann man Events organisieren; beispielsweise Food Festivals oder ein Familienfest. Ein Beispiel dafür ist „Woody`s Schmankerlkiste“18; mit gesunder, regionaler und saisonaler Kost ist Woody in Innsbruck und Umge- bung unterwegs. Social Media Marketing Professionelle Social Media-Kanäle und Homepages gehö- ren zur Basis erfolgreicher Unternehmen dazu; so auch in der Landwirtschaft. Das Marketing und die Kommunika- tion ist das A und O, um die Menschen auf die guten land- wirtschaftlichen Produkte aufmerksam zu machen. Gerade Social Media entwickelte sich als bedeutendes und zum Teil günstiges Marketingwerkzeug. Regelmäßig Fotos und Videos von der Hofarbeit und den Produkten zu posten, schafft besonders bei der jüngeren Generation Aufmerk- samkeit. Außerdem hilft es, die Transparenz zu erhöhen und Bewusstsein zu schaffen, mit wie viel Schweiß und Herzblut die Lebensmittel hergestellt werden. Die Land- Der Ressourcenaufwand für die Selbst-/ Direktvermark- wirtschaftskammer Tirol ist hier gefordert, indem sie bei- tung ist allerdings beträchtlich und funktioniert oftmals nur spielsweise jede Woche ein anderes Video über eine*n durch Spezialisierung und in Zusammenarbeit. Die Land- Landwirt*In aus der Region auf ihren Kanälen veröffent- wirtschaftskammer ist bereits dabei, die Tiroler Land- licht; eine*n Landwirt*In interviewt und bei seiner*ihrer wirt*Innen auch online zu vermarkten; gerade auf Face- Arbeit begleitet. book und YouTube und künftig Instagram. Allerdings kann Landwirt*Innen müssen noch aktiver auf Social Media und muss hier noch zugelegt werden. werden und sich intensiver damit auseinandersetzten; aber es gibt auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit: Food Blogger beispielsweise sprechen eine große Commu- nity im richtigen Segment an. Würden diese Bilder und Vi- deos von landwirtschaftlichen Produkten veröffentlichen, könnte man zusätzliche Resonanz erzeugen. Die zweite Gewinneridee Kooperation mit Influencern des Ideenwett- *www.landwirtschaft.zukunft-tirols.at/contribution/show/3467
16 The Future of Farming in Tyrol 3.2. Tourismus und Erlebnis sind oft nur leistbar, wenn genügend Arbeitskräfte zur Ver- fügung stehen oder die landwirtschaftliche Produktion ge- „Mit Urlaub am Bauernhof habe drosselt wird. ich super Erfahrungen gemacht. „Work and Travel als interessantes Man ist einfach direkt in der Natur, Konzept, helfende Hände kann hat Kontakt mit den Tieren und man auf Bauernhöfen immer bekommt täglich frische Milch zum gebrauchen“ Frühstück.“ Den Tourismus kann man aber auch auf ganz andere Art Landwirtschaft und Tourismus gehören in Tirol einfach zu- und Weise nutzen. Insbesondere die jüngere Generation sammen. Gerade Urlaub auf dem Bauernhof erfährt einen hat das Langzeitreisen für sich entdeckt. Eine beliebte hohen Zulauf. Durch die Urbanisierung und den stressi- Möglichkeit, um sich währenddessen finanziell über Was- gen Alltag genießen viele Menschen ein paar Tage im Jahr ser zu halten, ist das „Work and Travel“. Gerade in der Ern- auf dem Bauernhof, wo sie in der Natur zur Ruhe kommen tezeit beispielsweise könnten Landwirt*Innen diese Platt- können. Speziell für Kinder bietet ein Bauernhof viel Raum form nutzen, um junge, engagierte Helfer*Innen für eine zum Austoben und Entdecken. gewisse Zeit zu beschäftigen. Auch erfolgreiche Manager tauschen immer häufiger Laptop gegen Heugabel und nehmen sich Auszeiten auf Tiroler Almen, um Körper statt Kopf arbeiten zu lassen. Alles in allem kann man sagen, dass der Tourismus die Tiroler Landwirtschaft vielseitig ergänzt. Inwiefern Landwirt*Innen weg von Lebensmittel- produktion Richtung Tourismus oder beides kombiniert machen, hängt natürlich sehr von den eigenen Präferen- zen, Fähigkeiten und den Gegebenheiten ab, die ein Hof und die Lage bieten. 3.3. Vorwärtsintegration Ein weiterer Schritt in die Zukunft ist die Entwicklung des*der Landwirt*In vom Rohstofferzeuger hin zum Na- turproduktproduzent. Bei dieser Vorwärtsintegration er- wirtschaftet der*die Landwirt*In nicht nur die Basisstoffe, sondern verarbeitet diese auch direkt weiter. Ein Landwirt Der Tourismusstandort Tirol kann natürlich noch besser erzählt, dass er an einer Klein-Käserei anteilsmäßig betei- genützt werden: Wanderungen bzw. Naturexpeditionen ligt ist, und so seine Milch zu einem rentableren Produkt rund um den Bauernhof, Streichelzoos und Motto Hotels weiterverarbeiten kann. Eine Landwirtin wiederum macht (wie Heuhotels, oder Wellnessoasen) können zusätzliche hausgemachte Suppen und Schönheitsprodukte. Besucher*Innen anziehen. Dabei spielen die Kosten natür- Der Vorteil hierbei ist, dass man die Wertschöpfung erhö- lich auch immer eine maßgebliche Rolle. hen kann und ein veredeltes Produkt zur Verfügung stellt Immer öfter werden Bauernhöfe auch als Veranstaltungs- und nicht nur die Rohstoffe. Gerade in Zeiten eines nied- locations für Hochzeiten, Geburtstage und andere Veran- rigen Milchpreises kann die direkte Weiterverarbeitung staltungen genutzt. Gewisse Teile des Hofes könnten auch zu Käse, Joghurt etc. zu höheren Margen beitragen, vor zu Seminarräumen ausgebaut werden. allem wenn auch der Aufbau einer bekannten Marke und In Zusammenarbeit mit Schulen kann man Kindern die die direkte Vermarktung gelingt. Außerdem trägt die Vor- Landwirtschaft näherbringen. Auch Schulungen, Weiter- wärtsintegration dazu bei, ein unverwechselbares Angebot bildungen, pädagogische und therapeutische Ansätze las- zu kreieren welches sich deutlich von Discounter Produk- sen sich gut integrieren. Tierpatenschaften führen zu einer ten abhebt. Dabei muss es sich nicht nur um Lebensmittel engen Bindung an Höfe. Solche Initiativen kosten Zeit und handeln, auch Kosmetik, Naturpflegeprodukte oder natür-
17 The Future of Farming in Tyrol liche Bau- und Dämmstoffe bieten eine Möglichkeit für wirt*Innen: Keine hohen Investitionskosten für ein eigenen die Naturprodukterzeugung. Wie ein Zusammenschluss in Laden, Verkauf in der Stadt, ohne große Zwischenhändler Genossenschaften aussehen kann, sieht man am Beispiel wie Hofer oder MPreis. Freiheit in der Preisgestaltung, Ver- Südtirol mit seinen zahlreichen Zusammenschlüssen und kauf von neuen und innovativen Produkten, professionelle Kooperativen19. Bewerbung, keine Arbeit mit der Verkaufsabwicklung und inklusive Abholservice gegen eine Gebühr. Die Vorteile für 3.4. Kooperationen – gemeinsam stärker den*die Ladenbetreiber*In liegen bei frischen Produkten, einer Gewinnbeteiligung an allen verkauften Produkten Insbesondere kleinere Bauernhöfe müssen handeln, um und planbaren Mieteinnahmen. sich neben größeren und internationalen Wettbewerbern zu behaupten. Da neue Technologien vor allem größeren landwirtschaftlichen Betrieben zugute kommen, braucht es ein Netzwerk untereinander, damit auch kleinere Bau- ernhöfe davon profitieren. Kooperationen bringen viele Vorteile mit sich und werden auch schon in unterschiedlichsten Varianten praktiziert: Der Maschinenring beispielsweise bietet die Möglichkeit, Maschinen inkl. Bediener*Innen zu leihen; besonders für Kleinbetriebe eine finanzielle Erleichterung. Typisch sind auch gemeinsame Bauernläden; was wiederum für die Kund*Innen praktisch ist, da sie an einem Ort unterschied- lichste Produkte erhalten. Ein gutes Beispiel einer Zusam- menarbeit schildert jene Landwirtin aus Tirol: am Ende Die Digitalisierung ist auch hier wieder ein nützliches jeden Bauernmarktes nimmt sich immer ein(e) andere(r) Werkzeug, um den gemeinsamen Laden zu bestücken und Landwirt*In der Restprodukte an, und fährt zu seinen*ih- die Abverkäufe und den Warenbestand in Echtzeit zu ver- ren Stammkundschaften, um diese dort zu verkaufen. folgen. Eine Urlaubsvertretung für den Hof kann im Hof-Verbund Eine weitere Möglichkeit bietet die Zusammenarbeit mit geregelt werden. Auch der Maschinenring kann die nöti- Hotels, Restaurants und Gasthäuser, die oft gerne auf re- gen Arbeiter*Innen für die Zeit zur Verfügung stellen. gionale Erzeugnisse zurückgreifen und mit hochwertigen Produkten werben. Die Landwirt*Innen bauen dadurch treue Abnehmer*Innen mit kurzen Belieferungswegen auf. Kooperation statt Konkurrenz! Kooperationen sind in vielen Bereichen sinnvoll, und hel- „Man sollte immer offen gegenüber fen zur Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und dem Austausch mit Firmen sein, ökologischen Leistungen von landwirtschaftlichen Einhei- damit man die hohen Standards ten20 und zur Wertsteigerung von traditionellen Produk- ten. Außerdem erlauben Netzwerke schnelleres Wachs- halten und Prozesse optimieren tum ohne große Investitionen für den Einzelnen. kann. Außerdem können sich so Zusammenarbeit hilft auch, den eigenen Horizont zu er- neue Geschäfts- und Tätigkeitsfelder weitern und Erfahrungen auszutauschen. ergeben, die man vorher vielleicht Die Gewinneridee des Ideenwettbewerbs über die Zu- gar nicht beachtet hat.“ kunft der Landwirtschaft Tirols. Der kooperative Farmer- laden* skizziert dieses Model erfolgsversprechend: Das Geschäftslokal könnte von einer unabhängigen Person Landwirt*Innen sind mehr und mehr gefordert, neben der oder einem Unternehmen geführt werden oder von einer gewohnten Arbeit mit neuen Technologien und Vermark- Organisation wie der Landwirtschaftskammer. Die Land- tungsansätzen zu arbeiten. Gerade hier können externe wirt*Innen können verschiedene Geschäftsflächen für Unternehmen und Spezialist*Innen unter die Arme greifen. mindestens ein Jahr zu verschiedenen Preisen mieten und Außerdem bietet der Austausch mit externen Partner*In- mit Lebensmitteln wie frisches Obst und Gemüsen, Brot, nen die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder zu erschließen, Käse, Getreide, Fleisch versorgen. Vorteile für die Land- die man vorher nicht beachtet hat. *www.landwirtschaft.zukunft-tirols.at/contribution/show/3412
18 The Future of Farming in Tyrol Ein wichtiger erster Schritt ist es, die Aufmerksamkeit der Verschiedenste Start-ups haben sich der Digitalisierung Landwirt*Innen bezüglich dieses Themas zu wecken. Pilot- in der Landwirtschaft angenommen und versuchen mit projekte zeigen auf welcher Nutzen in verschiedenen Ko- innovativen Ideen, Lösungsansätze zu bieten. Geoprospec- operationen steckt und erlauben es, Erfahrungen im Um- tors22, ein Start-up aus Niederösterreich hat zum Beispiel gang zu sammeln. ein System entwickelt, das landwirtschaftliche Bodendaten automatisiert und berührungslos erfassen kann. Es unter- „Kooperation ist ein stützt Landwirte, Ressourcen zu sparen und Betriebsmittel absolutes Zukunftsfeld.“ effizient einzusetzen. Kooperationen zwischen Landwirt*Innen und Start-ups Die Landwirtschaftskammer organisiert Unternehmer- bieten beträchtliche Chancen und Möglichkeiten. Land- tage21, die unter anderem das Ziel haben, Betriebe mitei- wirtschaftliche Betriebe bewirtschaften ihre Fläche, pro- nander zu vernetzen. Dabei geben die Betriebe Einblick, duzieren hervorragende Rohstoffe und verfügen über wie sie durch Umstellung am Hof profitieren. Voneinander interessante Kundenbeziehungen. Start-ups hingegen und miteinander lernen sind dabei die zentralen Aspekte. verfügen über digitales Know-how, können gut mit neuen Zukunftsthemen erfordern derartig neue Fähigkeiten und Technologien umgehen und versuchen, rasch skalierbare Kompetenzen, dass sie von einzelnen Landwirt*Innen nur Lösungen zu entwickeln. Eine Zusammenarbeit zwischen selten bewältigt werden können. Selbst untereinander Landwirt*Innen und Start-ups bietet die Möglichkeit, von wird es schwer, dies zu gewährleisten. den Stärken beider zu profitieren – dem Know-how der Bodenbewirtschaftung und Rohstoffproduktion und der 3.4.1. Mit Start-ups innovativ in die Zukunft Nutzung neuster Technologien und das Entwickeln und Vermarkten neuer Lösungen z.B. von Lebensmitteln, Kos- metikprodukten oder Tourismusangeboten. Beispiele für „Die Zusammenarbeit mit landwirtschaftliche Start-ups und Zusammenschlüsse Start-ups ermöglicht es, sich zwischen Landwirtschaft und Start-ups gibt es bereits vie- gegenseitig zu ergänzen, die le: so stellt das Start-up Kornelia23 Urkornteig her. Sechs jeweiligen Stärken zu bündeln und Landwirt*Innen aus Niederösterreich produzieren dafür Schwächen auszugleichen. Sie das nährstoffreiche Urkorn. Mit Frische, Transparenz, Re- gionalität und Natürlichkeit will das Start-up die Konsu- bietet das Potential, die künftigen ment*Innen überzeugen. Herausforderungen zu meistern.“ Maschinenring Sennereien Vertriebswege gemeinsam stärken Eigenmarke KOOPERATIONEN Stärken kombinieren Chillmahl Kornelia IP-Garten Agrando Geoprospectors Alpenlachs Kauf ne Kuh Start-ups Knödelkult Alpengarnelen Tiroler Gemeinschaftsgarten Abbildung 2: Wegeweisende Kooperationsformen der künftigen Landwirtschaft
19 The Future of Farming in Tyrol Auch im Bereich der regionalen und nachhaltigen Essens- sich an, neue und ansprechende Alternativen dafür zu ent- lieferungen werden immer mehr Start-ups aktiv. Basis da- wickeln. für sind gute Kooperationen mit Landwirten, um Zugang zu den entsprechenden Produkten zu erhalten. Das Start- Die Alpengarnelen28 züchten in Hall - 574 Meter über dem up Chillmahl24, liefert Kunden*Innen Essen aus nachhalti- Meeresspiegel - Garnelen. Frei von Antibiotika und ohne gen und lokalen Produkten direkt nachhause und kleinere chemische Zusätze werden die White Tiger Garnelen in Unternehmen, die keine Kantine haben aber trotzdem auf reinem Tiroler Quellwasser zu einem edlen Produkt. ein gesundes Mittagsessen vor Ort setzen. Die Chillmahl- Food-station auf zwei Quadratmetern ersetzt eine her- Das Start-up Agrando29 aus München erlaubt Landwirt*In- kömmliche Kantine. Das Cook&Chill Verfahren welches nen und Händler*Innen, ihre Betriebsmittel online abzuwi- frische Produkte haltbar macht und das einfache Warm- ckeln. Landwirt*Innen können Anfragen bezüglich Futter-, machen im Ofen oder der Mikrowelle erlaubt, machen dies Pflanzenschutz-, und Düngemittel oder Saatgut erstellen. möglich. Anschließend können sie zwischen den besten Angeboten der Händler*Innen auswählen. Zusätzlich wird eine leicht Ein weiteres erfolgreiches Zusammenspiel zwischen Land- verständliche Auswertung über den individuellen Betriebs- wirt*Innen und Start-up kommt aus Berlin und heißt mitteleinkauf erstellt und auf Basis dieser Werte Optimie- IP-Garten25. Dabei können Kund*Innen einen 16qm großen rungsvorschläge angeboten. Garten bewirtschaften, und das online vom Handy aus! Die Anwendung ist wie ein Videospiel gestaltet, bei dem Das Start-up Kauf ne Kuh30 vermarktet Rindfleisch und Kund*Innen eingeben können, was mit ihrem Garten pas- stellt sicher, dass eine Kuh erst dann geschlachtet wird, sieren soll. Mit einer Live-Webcam lässt sich der Fortschritt sobald für alle Stücke des Tieres Käufer gefunden sind und im Garten rund um die Uhr mitverfolgen. In der virtuellen somit eine gesamte Verwertung erfolgt. Besonderer Wert Welt kann der/die Kund*In so zum/zur Landwirt*In werden wird dabei auf Transparenz und hohe Qualität gelegt. Bei und beispielsweise die Bewässerung steuern. In der realen der gängigen Verwertungspraxis landen viel zu oft Teile Welt bleiben die restlichen landwirtschaftlichen Aufgaben des Rindfleischs im Müll, weil wir es gewöhnt sind, nur die dem*der Landwirt*In vorbehalten. Nach der Ernte werden allerbesten Stücke zu kaufen. Die Gründer wollen dieser die Lebensmittel direkt nachhause versendet. Verschwendung entgegenwirken und animieren mit Re- zepten ihre Kund*Innen neue Spezialitäten vom gesamten Auch im Tiroler Gemeinschaftsgarten26 kann man von einem Rind auszuprobieren. Fachmann bepflanzten, 40qm-Gemüsegarten pachten. Ti- roler Bauern stellen dabei einen Acker zur Verfügung und Das Start-up Knödelkult31 zeigt, dass man aus Lebensmit- unterteilen diesen in Gemüsebeet-Parzellen, auf der zu teln, die normalerweise im Müll landen auch Delikatessen Beginn der Saison rund 20 Gemüsesorten ausgesät und zaubern kann. Allein in Wien wird so viel Brot weggewor- gepflanzt werden. Auch für eigene Bepflanzungswünsche fen, dass man damit die zweitgrößte Stadt Österreichs, bleibt Raum! Für die nötigen Fachkenntnisse sorgt der*die Graz, mit Knödel versorgen könnte32. Darum haben die Landwirt*In, der*die den Hobby-Gärtner*Innen zur Seite Gründer vom Bodensee beschlossen, ihre per Hand befüll- steht. ten Knödelgläser aus 100% gerettetem Brot zu produzie- ren. Hinzu kommt plastikfreier und klimaneutraler Versand. Das Start-up Alpenlachs27 vermarktet den Alpen-See-Saib- ling der auf biologische und nachhaltige Weise gezüchtet „Es werden Trends wie Regionalität, wird und hat bereits mehrere Fischzüchter und Fischerei- Gesundheitsbewusstsein, betriebe als Partner gewonnen. Die regionale Alternative artgerechte Haltung genutzt und zu den teilweise in Verruf geratenen internationalen An- bietern erlaubt es, mit guten Gewissen zum Fisch zu grei- damit neuartige Angebote erstellt, fen. Der Gründer sieht nicht nur bei Fisch sondern auch die sich deutlich von den etablierten bei Gemüse und weiteren Lebensmitteln große Chancen in Angeboten abheben.“ der Zusammenarbeit zwischen Landwirt*Innen und Start- ups. Derzeit kommen noch viele Lebensmittel in großen Co-Farming Space*, der dritte Gewinner unseres Ideen- Mengen aus dem Ausland, obwohl Regionalität und eine wettbewerbs über die Zukunft der Landwirtschaft Ti- transparente Nachverfolgung im Trend liegen. Es bietet rols brachte einen Lösungsvorschlag ein, wie innovative *www.landwirtschaft.zukunft-tirols.at/contribution/show/3420
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