Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development

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Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Economic Research &
Corporate Development

Allianz
Global Wealth
Report 2012
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz
Global Wealth
Report 2012

Kathrin Brandmeir
Dr. Michaela Grimm
Dr. Michael Heise
Dr. Arne Holzhausen
Gabriele Steck
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz Global Wealth Report 2012

Vorwort                                                                                                                        5

Auf den ersten Blick sieht die globale Vermögensentwicklung beeindruckend aus: Im letzten
Jahr lag das Geldvermögen der privaten Haushalte weltweit bei über 100 Billionen Euro. Eine
riesige Summe, mit der die Sparer die ausstehenden Staatsanleihen aller Länder dieser Welt
dreimal aufkaufen könnten.

Beim näheren Hinsehen entpuppt sich die Entwicklung jedoch alles andere als spektakulär.
Seit dem Jahr 2000 sind die Geldvermögen pro Kopf durchschnittlich mit einer Rate von 3%
im Jahr gewachsen – und damit in etwa auf dem Niveau der globalen Inflationsrate in diesem
Zeitraum. Mit anderen Worten: In den letzten elf Jahren ist es den Sparern im Durchschnitt
nicht gelungen, reale Wertzuwächse zu erzielen. Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Die
eigenen Sparanstrengungen wurden von den immer wiederkehrenden Krisen an den Finanz-
märkten zunichte gemacht; vor allem in den USA und Europa verlief die Vermögensentwick-
lung in jüngster Zeit enttäuschend. 2011 war Westeuropa sogar die einzige Region weltweit, in
der die Vermögen in Summe schrumpften.

Diese Entwicklung muss uns zu denken geben. Je länger es dauert, die Finanzmärkte neu
zu ordnen und eine nachhaltige Lösung insbesondere der Schuldenkrise im Euroraum zu
finden, desto größer wird die Gefahr, eine ganze Generation an Sparern zu „verlieren“, da sie
der langfristigen Kapitalanlage nur noch mit tiefem Misstrauen begegnet. Angesichts der gro-
ßen Herausforderungen, vor denen wir stehen, von den Verschiebungen der ökonomischen
und politischen Gewichte in der Welt über den Klimawandel bis hin zum demographischen
Wandel, können wir uns Kurzfristdenken jedoch nicht leisten. Vertrauen in die Finanzmärkte
als Ort des langfristigen Ausgleichs von Risiko und Ertrag ist unabdingbar, um nachhaltig
Wachstum und Wohlstand zu erzeugen.

Noch ein zweiter Aspekt der globalen Vermögensentwicklung birgt Risiken. Dies betrifft die
Kehrseite der Medaille, die Schulden der privaten Haushalte. Zwar hat sich das Schulden-
wachstum in den letzten Jahren weltweit deutlich verlangsamt – in den USA sind 2011 die
Schulden sogar im vierten Jahr hintereinander zurückgegangen –, aber noch immer ist die
Schuldendynamik zu hoch, vor allem in den aufstrebenden Volkswirtschaften, die auch heu-
te noch jährliche Zuwachsraten um 20% verzeichnen.

Die dritte Ausgabe des „Allianz Global Wealth Report“, mit der wir unsere Analyse der
globalen Vermögens- und Schuldensituation der privaten Haushalte auf Basis einer inter-
nationalen Datenbasis weiter fortführen, bietet also wieder, neben zahlreichen Daten und
Vergleichen, reichlich Stoff zum Nachdenken. Ich bin überzeugt, dass der Report auf diese
Weise einen wichtigen Beitrag leistet, indem er die derzeitigen Probleme aus einer anderen
Perspektive beleuchtet, nämlich der Perspektive der Sparer, die in der politischen Diskussion
leider viel zu oft übergangen wird, die für unseren langfristigen Wohlstand aber gleichwohl
essentiell ist.

Michael Diekmann
Vorstandsvorsitzender der Allianz SE
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Inhaltsverzeichnis
 9 Zusammenfassung

13 Entwicklung des globalen Geldvermögens:
		 Private Vermögensbilanz im Zeichen der Krise

29 Verteilung des globalen Geldvermögens:
		 Wie groß ist die globale Vermögensmittelschicht?

37 Regionale Unterschiede:
		 Das Geldvermögen in den einzelnen Regionen

91 Literatur

92 Appendix A: Methodologische Anmerkungen

95 Appendix B: Geldvermögen nach Ländern
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Zusammenfassung
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Allianz Global Wealth Report 2012

Die Entwicklung des globalen Brutto-            mögen Ende 2011 zudem immer noch leicht
Geldvermögens der privaten Haushalte            unter dem historischen Höchstwert, der 2007                                  9

verlief 2011 weitgehend enttäuschend. Die       erreicht wurde.
Wachstumsrate fiel auf 1,6% zurück, dem
schwächsten Wachstum seit dem Krisenjahr        Globale Wohlstandslücke und
2008. Nicht zuletzt aufgrund des schwäche-      unterschiedliche Aufholprozesse

ren Euro lag das Geldvermögen in den von        Um ein differenzierteres Bild der globalen
uns untersuchten 52 Ländern mit EUR 103,3       Vermögensverteilung nach Ländern zu
Billionen dennoch Ende 2011 erstmals über       zeichnen, teilt der Allianz Global Wealth
der Schwelle von EUR 100 Billionen. Seit 2000   Report – in Anlehnung an die Einkommens-
ist das globale Geldvermögen durchschnitt-      klassen der Weltbank – die untersuchten
lich um 4,0% pro Jahr gewachsen – und damit     Länder in drei Vermögensgruppen ein: High
langsamer als die nominale Wirtschaftsleis-     Wealth Countries (HWC) mit einem durch-
tung. Das Wachstum des Geldvermögens pro        schnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf
Kopf lag mit gut 3% nur auf dem Niveau der      von über EUR 26.800; Middle Wealth Coun-
durchschnittlichen Geldentwertung über          tries (MWC), mit einem Netto-Geldvermögen
denselben Zeitraum. In den letzten elf Jahren   pro Kopf zwischen EUR 4.500 und EUR 26.800;
konnten also die Sparer weltweit im Durch-      sowie Low Wealth Countries (LWC), mit
schnitt keinen realen Vermögenszuwachs          einem Netto-Geldvermögen pro Kopf unter
erzielen.                                       EUR 4.500.

Auch bei den Schulden der privaten Haus-        Die Vermögen sind weltweit sehr ungleich
halte wurde 2011 mit EUR 31,8 Billionen         verteilt. Noch immer befinden sich etwa 85%
ein neuer Rekordwert erzielt. Die Wachs-        des globalen Netto-Geldvermögens in den
tumsdynamik der Schulden hat sich seit          Händen der Privathaushalte in den HWC –
der Finanzkrise 2007/08 allerdings deutlich     obwohl in diesen Ländern weniger als 20%
abgeschwächt, im letzten Jahr betrug der        der Menschen leben. Auch in der Pro-Kopf-
Zuwachs „nur“ 2,2%. Dadurch verbesserte         Betrachtung ist die globale Wohlstandslücke
sich die globale Schuldenquote (Verbindlich-    immens: Das Netto-Geldvermögen pro Kopf
keiten der privaten Haushalte in Prozent des    betrug Ende 2011 in den HWC EUR 70.590
Welt-BIP) auf 67,0% und lag damit deutlich      und lag damit um ein Vielfaches höher als
unter dem Vorkrisenhoch von 2007 (71,4%).       in den LWC, die nur auf EUR 2.040 pro Kopf
                                                kamen. In den MWC verfügten die Menschen
Das globale Netto-Geldvermögen (Brutto-         durchschnittlich über ein Netto-Geldvermö-
Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten)       gen in Höhe von EUR 10.240.
erreichte Ende 2011 den Wert von EUR 71,5
Billionen. In der zurückliegenden Dekade
blieb das Wachstum des Netto-Geldvermö-
gens mit 3,4% pro Jahr signifikant hinter
dem des Brutto-Geldvermögens zurück, eine
Folge des starken Schuldenwachstums ins-
besondere vor Ausbruch der Finanzkrise. Mit
EUR 14.880 pro Kopf lag das Netto-Geldver-
Allianz Global Wealth Report 2012 - Economic Research & Corporate Development
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

                                   Die enormen Unterschiede im Niveau er-                        Israel, Japan, Taiwan und Singapur liegt der
10                                 klären zugleich die großen Differenzen im                     entsprechende Wert für die Schwellenländer
                                   Wachstum. Seit 2000 sind die Netto-Geld-                      Asiens sogar nur bei EUR 2.320.
                                   vermögen pro Kopf in den LWC jährlich um
                                   annähernd 16% gewachsen und damit acht-                       Die osteuropäischen Haushalte weisen als
                                   mal schneller als in den HWC. Zu Beginn                       Region zwar noch immer das geringste
                                   des Jahrzehnts war das Geldvermögen pro                       Netto-Geldvermögen pro Kopf auf, sie sind
                                   Kopf in den HWC noch 141 mal so hoch wie                      aber sowohl im letzten Jahr als auch in der
                                   in den LWC, inzwischen hat sich der Faktor                    gesamten letzten Dekade Wachstumsspit-
                                   auf 35 verringert. In diesen großen Wachs-                    zenreiter: Im Durchschnitt legte das Netto-
                                   tumsunterschieden spiegeln sich auch                          Geldvermögen pro Kopf um nahezu 12% pro
                                   die unterschiedlichen Auswirkungen der                        Jahr seit 2000 zu. Ähnlich dynamisch verlief
                                   jüngsten Finanzkrisen wider. In den ärme-                     die Entwicklung auch in Lateinamerika und
                                   ren Ländern hinterließen sie kaum Spuren:                     den Schwellenländern Asiens. In allen drei
                                   So liegt beispielsweise das durchschnittliche                 Regionen hat die Finanzkrise allerdings zu
                                   Netto-Geldvermögen pro Kopf in den LWC                        einer deutlichen Verlangsamung des
                                   heute bereits wieder fast 38% über dem Wert                   jährlichen Wachstums geführt. Noch gra-
                                   von Ende 2007, in den HWC dagegen noch                        vierender sind die Auswirkungen der Krise
                                   immer 3,2% unter dem Vorkrisenniveau.                         in den reicheren Weltregionen: In diesen
                                                                                                 Regionen (Nordamerika, Westeuropa und
                                   Im Vergleich zu den LWC durchliefen die                       Ozeanien) befindet sich das Netto-Geldver-
                                   MWC seit 2000 einen deutlich langsameren                      mögen pro Kopf im Vergleich zu 2007 immer
                                   Aufholprozess. Das jährliche Wachstum der                     noch im Minus. Sowohl über die gesamte
                                   Netto-Geldvermögen pro Kopf war in dieser                     Dekade seit 2000 (+1,3% pro Jahr) als auch
                                   Ländergruppe „nur“ doppelt so hoch wie in                     2011 (-1,5%) verzeichnete dabei Westeuropa
                                   den reicheren Ländern. Die Ursache ist in                     das schwächste Wachstum. Die Eurokrise
                                   der Kombination von bereits relativ hohen                     fordert ihren Tribut.
                                   Schuldenniveaus und starker Schuldendy-
                                   namik dieser Länder zu finden: Nicht nur die                  Weltweite Flucht in sichere Anlagen
                                   Brutto-Geldvermögen, sondern eben auch                        Neben Vermögenshöhe und -wachstum ist
                                   die Schulden wuchsen parallel mehr als                        auch die Vermögensstruktur weltweit sehr
                                   doppelt so schnell wie in den HWC.                            unterschiedlich. In den HWC verteilt sich
                                                                                                 das Geldvermögen annähernd gleichge-
                                   Haushalte in Osteuropa                                        wichtig auf die drei großen Anlageklassen
                                   bleiben Wachstumschampion                                     Bankeinlagen, Versicherungen/Pensionen
                                   In regionaler Betrachtung ergibt sich das                     und Wertpapiere – wobei letztere mit über
                                   erwartete Bild: Für Nordamerika, Westeu-                      37% noch immer dominieren. In den LWC
                                   ropa und Ozeanien betragen die durch-                         ist der weitaus größte Teil des Vermögens
                                   schnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf                     (63%) – wie bereits vor der Finanzkrise – in
                                   zwischen knapp EUR 32.000 und EUR 87.400,                     Bankeinlagen gebunden; auch in MWC ma-
                                   in Asien, Lateinamerika und Osteuropa                         chen Bankeneinlagen noch mehr als 40% des
                                   erreichen sie dagegen nur Werte zwischen                      Geldvermögens aus.
                                   EUR 2.430 und EUR 6.620; ohne die vier HWC
Allianz Global Wealth Report 2012

Allerdings ist eine eher sicherheits- als ren-   723 Millionen Menschen bilden
diteorientierte Anlagestruktur mittlerweile      die globale Vermögensmittelschicht                                              11

ein globaler Trend geworden. Bankeinlagen        Die Analyse der Vermögensverteilung nach
konnten ihren Anteil am globalen Geld-           Ländern lässt die Unterschiede innerhalb
vermögen im abgelaufenen Jahrzehnt um            der einzelnen Länder unberücksichtigt. Der
annähernd fünf Prozentpunkte steigern; in        Allianz Global Wealth Report berechnet
den reicheren Regionen wie Australien, West-     daher auch das durchschnittliche Netto-
europa und Nordamerika konnten Bank-             Geldvermögen pro Kopf je Bevölkerungsdezil
einlagen teilweise sogar überproportional        innerhalb der untersuchten Länder. Dem-
profitieren. Mit Blick auf einen notwendigen     nach zählten 2011 weltweit 723 Millionen
langfristigen Vermögensaufbau erscheint          Menschen zur globalen Vermögensmittel-
die Flucht in risikoarme Anlagen jedoch          schicht (Netto-Geldvermögen pro Kopf EUR
kontraproduktiv. Vor diesem Hintergrund ist      4.500 bis EUR 26.800). Seit 2000 hat sich diese
eine schnelle Lösung der Schuldenkrisen als      Zahl mehr als verdoppelt. Die neue Vermö-
Voraussetzung für die Rückkehr des Vertrau-      gensmittelschicht rekrutiert sich dabei fast
ens der Anleger dringend geboten.                ausschließlich aus den aufstrebenden Län-
                                                 dern, aus denen mittlerweile knapp 55% der
Schuldenabbau kommt langsam voran                Mittelschicht stammen (2000: gut 16%).
Ähnlich groß wie beim Sparverhalten sind
die Differenzen bei der Verschuldung. Der        428 Millionen Menschen können weltweit zur
Löwenanteil der privaten Schulden wurde in       Vermögensoberschicht gerechnet werden; im
den HWC angehäuft: Knapp 80% der welt-           Gegensatz zur Mittelschicht liegt diese Zahl
weiten Schulden entfallen auf sie. Allerdings    leicht unter dem Wert von 2000. Während
ist hier auch das Schuldenwachstum am            der Anteil der Menschen mit hohen Vermö-
geringsten, insbesondere seit der Finanz-        gen, die nicht in den Industrieländern leben,
krise: In den letzten vier Jahren betrug in      sowohl absolut (+15 Millionen) als auch
den HWC der durchschnittliche Zuwachs            relativ (+3,5 Prozentpunkte) gestiegen ist,
nur noch 0,6% pro Jahr; die MWC und LWC          hat sich die Zahl der „Reichen“ in den Indus-
verzeichneten dagegen Raten von 3,9% bzw.        trieländern um etwa 32 Millionen reduziert.
21,0% pro Jahr. Verglichen mit dem Jahr 2007     Finanzkrise und Schuldenexzesse hinterlas-
konnte die Schuldenquote so zumindest            sen deutliche Spuren.
in den HWC reduziert werden. Nach einem
weiteren Anstieg der Quote in den Jahren         Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es
2008 und 2009 ging diese schließlich auch in     aufschlussreich, länderspezifische Beson-
den MWC in den letzten beiden Jahren um          derheiten jeweils im regionalen Kontext zu
insgesamt rund 2 Prozentpunkte zurück. In        betrachten und zu analysieren. Nach einem
den LWC dagegen ist diese Rate über all die      Überblick über die Entwicklung und Vertei-
Jahre kontinuierlich gestiegen und erreichte     lung des Geldvermögens im globalen Kontext
Ende 2011 26,2%. Damit liegt sie aber immer      widmet sich der zweite Teil des Allianz Glo-
noch signifikant unter der globalen Quote        bal Wealth Reports diesen Punkten daher auf
von 67,0%.                                       regionaler Ebene.
Entwicklung des
globalen Geldvermögens

Private
Vermögensbilanz
im Zeichen
der Krise
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

14                       Auf zwei wachstumsstarke Jahre, in denen die                        erhöht, da eine überzeugende und nachhaltige
                         in der Finanzkrise 2007/2008 erlittenen Vermö-                      politische Lösung der Eurokrise auf sich warten
                         gensverluste zumindest auf globaler Ebene wie-                      ließ. In dieser Lage kam es daher zu deutlichen
                         der wettgemacht werden konnten, folgte insbe-                       Veränderungen im Sparverhalten, die sich in
                         sondere für die Sparer in den Industrieländern                      entsprechenden Verschiebungen im Anlage-
                         ein enttäuschendes Jahr 2011.                                       Portfolio niederschlagen: Liquiditätspräferenz
                                     Das Eskalieren der Eurokrise und der                    und das Bedürfnis nach Sicherheit genießen
                         Absturz an den Aktienmärkten im Sommer ver-                         in unsicheren Zeiten eine höhere Priorität als
                         gangenen Jahres hinterließen deutliche Spuren                       Rendite und Ertrag. Im Licht der sich abzeich-
                         in der Vermögensbilanz der privaten Haushalte.                      nenden „Rentenkrise“ aufgrund des demogra-
                         Vor allem im Süden Europas mussten teilweise                        phischen Wandels kann diese Entwicklung nur
                         kräftige Verluste in Kauf genommen werden.                          mit gemischten Gefühlen betrachtet werden. Es
                         Die Eurokrise ist dort längst im Portemonnaie                       steht zu befürchten, dass sich die Sparanstren-
                         der Sparer angekommen. Aber auch jenseits der                       gungen auf lange Sicht als unzureichend erwei-
                         „Krisenländer“ sind die Auswirkungen deut-                          sen werden, um finanzielle Sicherheit im Alter
                         lich zu spüren. Die historisch niedrigen Zinsen                     zu gewährleisten.
                         implizierten in vielen Ländern negative Real-
                         renditen und machten es für die Sparer immer
                         schwieriger, Anlagemöglichkeiten zu finden, die
                         zumindest den realen Werterhalt ihres Vermö-
                         gens garantieren. Gleichzeitig blieb die Volati-
                         lität über alle Vermögensklassen hinweg stark

                         Globales Geldvermögen: Aufholprozess verliert an Fahrt
                         Netto-Geldvermögen und Schulden,                                    Netto-Geldvermögen und Schulden pro Kopf,
                         in Mrd. Euro                                                        in Euro

                          100.000                                                              22.000

                           90.000                                                              20.000

                           80.000                                                              18.000

                                                                                               16.000
                           70.000
                                                                                               14.000
                           60.000
                                                                                               12.000
                           50.000
                                                                                               10.000
                           40.000
                                                                                                8.000
                           30.000
                                           CAGR* 2001-2011:                                     6.000          CAGR* 2001-2011:
                           20.000          Netto-Geldvermögen:       +3,4% p.a.                                Netto-Geldvermögen:       +2,5% p.a.
                                                                                                4.000
                                           Verbindlichkeiten:        +5,5% p.a.                                Verbindlichkeiten:        +4,6% p.a.
                           10.000          Brutto-Geldvermögen:      +4,0% p.a.                 2.000          Brutto-Geldvermögen:      +3,1% p.a.
                                 0                                                                   0
                                     ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11                     ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

                         *CAGR = durchschnittliche jährliche Wachstumsrate                                                          Verbindlichkeiten
                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.                                    Netto-Geldvermögen
Allianz Global Wealth Report 2012

        Neben dem Schatten auf der Vermö-           Finanzkrisen – vom Einbruch der Aktienmärkte                               15

gensentwicklung in den Industrieländern gab         zu Beginn der Dekade infolge des Platzens der
es aber 2011 auch Licht auf anderer Seite: Der      Dotcom-Blase über den Lehman-Schock bis hin
Aufholprozess in den aufstrebenden Volkswirt-       zur aktuellen Eurokrise – zahlen die Sparer die
schaften setzte sich ohne große Ermüdungser-        Zeche in Form entgangener Renditechancen. In
scheinungen fort. Damit verbunden ist aller-        einer nachhaltigen Welt sollten die Vermögen
dings auch eine unterschiedliche Entwicklung        ungefähr eine Rendite in Höhe des nominalen
der Verschuldung. Während in vielen Indus-          Wachstums erzielen; hinzu käme die jährliche
trieländern die Zeichen eher auf Schuldenabbau      Geldvermögensbildung, d.h. Sparleistungen in
(„Deleveraging“) standen, wuchsen die privaten      Höhe von etwa 2% der globalen Wirtschaftsleis-
Schulden in den Schwellenländern weiter. In         tung. Unter diesen eher konservativen Annah-
manchen dieser Länder sind daher die Schul-         men läge das globale Geldvermögen heute um
denquoten (Verbindlichkeiten in Prozent des         etwa EUR 26 Billionen oder gut ein Viertel höher.
BIP) in den letzten Jahren deutlich gestiegen und           Die enttäuschende Entwicklung wird
erreichen teilsweise bereits kritische Werte.       noch deutlicher, wenn die privaten Brutto-
                                                    Geldvermögen pro Kopf betrachtet werden. 2011
Globales Vermögenswachstum                          entfielen weltweit knapp EUR 21.500 auf jeden
schaltet einen Gang zurück                          Einzelnen. Dies bedeutet einen Zuwachs um
Der Zuwachs des globalen Brutto-Geldvermö-          0,8% gegenüber 2010. Der vorherige Spitzenwert
gens erreichte 2011 nur 1,6% und lag damit weit     von EUR 21.180 pro Kopf aus dem Jahr 2007 wur-
unter dem Durchschnittswachstum der beiden          de damit um immerhin 1,5% übertroffen. Insge-
Vorjahre (7,3% per annum). Absolut erzielte der     samt stiegen die Brutto-Geldvermögen pro Kopf
Vermögensbestand einen neuen Höchstwert             seit Beginn des neuen Jahrtausends aber nur
von EUR 103,3 Billionen.                            um 3,1% pro Jahr und somit genau so schnell wie
        Insgesamt ist das globale Geldver-          die durchschnittliche Inflation weltweit. In den
mögen seit dem Jahr 2000 durchschnittlich           letzten elf Jahren hat es also im Durchschnitt
um 4,0% pro Jahr gewachsen und somit etwas          keinen realen Vermögenszuwachs für die Sparer
schneller als die weltweite Inflation in diesem     weltweit gegeben. Ein ernüchterndes Fazit.
Zeitraum (3,1%), aber langsamer als die globale
Wirtschaftsleistung, die im gleichen Zeitraum       Schuldenwachstum gebremst
nominal um etwa 5,1% pro Jahr angestiegen ist.      Die Brutto-Geldvermögen beschreiben nur die
Alles in allem ist die Vermögensentwicklung in      eine Seite der Vermögensmedaille; auf der ande-
den letzten elf Jahren also eher enttäuschend       ren Seite stehen die Schulden. Auch hier wurde
verlaufen. Für die immer schnellere Abfolge von     2011 mit EUR 31,8 Billionen ein neuer Rekordwert
                                                    erzielt, der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr
                                                    betrug 2,2% - und lag damit nach drei Jahren
                                                    wieder über dem Wachstum der Brutto-Geld-
                                                    vermögen. Dennoch steht auch die globale Ent-
                                                    wicklung der Schulden deutlich im Zeichen der
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

16                       Krise: Während in den Jahren von 2003 bis 2007                      Wachstum auf 2,5% und fällt damit deutlich hin-
                         die Schulden jährlich um 8,1% wuchsen, belief                       ter die Inflationsrate zurück. Mit EUR 14.880 pro
                         sich das Post-Krisen-Wachstum (2008 bis 2011)                       Kopf lag das Netto-Geldvermögen Ende 2011 zu-
                         nur noch auf durchschnittlich 2,4%. Die globa-                      dem immer noch leicht unter dem historischen
                         le Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent                      Höchstwert, der 2007 erreicht wurde. Auch wenn
                         des Welt-BIP) hat sich dadurch von ihrem Höhe-                      also das Schuldenwachstum in den letzten Jah-
                         punkt von 71,8% (2006) auf zuletzt 67,0% verbes-                    ren zumindest eingedämmt wurde, erscheinen
                         sert. In diesem Sinne macht das „Deleveraging“                      die diesbezüglichen Anstrengungen angesichts
                         der privaten Haushalte durchaus Fortschritte,                       der schwachen Entwicklung der Brutto-Geldver-
                         die relative Schuldenlast wird langsam aber be-                     mögen noch lange nicht ausreichend, um eine
                         ständig kleiner.                                                    nachhaltige Steigerung der Vermögensposition
                                   Aus Brutto-Geldvermögen und Schul-                        zu erreichen.
                         den ergeben sich die Netto-Geldvermögen. Sie
                         erreichten Ende 2011 einen Stand von EUR 71,5                       Betrachtung nach Vermögensklassen
                         Billionen (+1,4%). Wenig überraschend blieb                         Um ein differenzierteres Bild der globalen Ver-
                         angesichts der Schuldendynamik in der Ver-                          mögensverteilung nach Ländern zu zeichnen,
                         gangenheit das Wachstum der Netto-Geldver-                          teilt der Allianz Global Wealth Report – in Anleh-
                         mögen über die gesamte Zeitspanne seit 2000                         nung an die Einkommensklassen der Weltbank
                         mit durchschnittlich 3,4% pro Jahr hinter dem                       – die untersuchten Länder in drei Vermögens-
                         des Brutto-Geldvermögens (4,0%) zurück. In                          gruppen ein: High Wealth Countries (HWC) mit
                         Pro-Kopf-Rechnung reduziert sich das jährliche                      einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen
                                                                                             pro Kopf von über EUR 26.800; Middle Wealth

                         Verschiebung der Gewichte
                         Anteil der Ländergruppen am globalen Geldvermögen, in %

                          100

                           90

                           80

                           70

                           60
                                                                                                                                                  LWC
                                                                                                                                                 MWC
                           50                                                                                                                    HWC
                                 ‘00    ‘01     ‘02     ‘03     ‘04     ‘05    ‘06     ‘07     ‘08     ‘09    ‘10     ‘11

                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UNU WIDER, Weltbank, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

Countries (MWC), Netto-Geldvermögen pro Kopf                              Auch in der Pro-Kopf-Betrachtung ist                                 17

zwischen EUR 4.500 und EUR 26.800; sowie Low                   die globale Wohlstandslücke riesig. Das Netto-
Wealth Countries (LWC), Netto-Geldvermögen                     Geldvermögen pro Kopf in den HWC war Ende
pro Kopf unter EUR 4.500 (zur Bestimmung                       2011 mit EUR 70.590 um ein Vielfaches höher
der einzelnen Vermögensklassen siehe Appen-                    als in den LWC, die im Schnitt nur auf EUR 2.040
dix A).                                                        pro Kopf kamen. In den MWC verfügten die Men-
                                                               schen durchschnittlich über ein Geldvermögen
Globale Wohlstandslücke riesig                                 in Höhe von EUR 10.240 netto.
Das Ergebnis dieser Betrachtung überrascht
nicht: Die Vermögen sind weltweit sehr ungleich                Unterschiedliche Aufholprozesse
verteilt. Noch immer sind etwa 85% des globalen                Trotz dieses enormen Unterschieds waren die
Netto-Geldvermögens in den Händen der Privat-                  letzten elf Jahre aber keine verlorenen für die är-
haushalte in den HWC – obwohl diese Länder                     meren Länder der Welt. Seit 2000 sind die Netto-
einen Anteil von nur 18% an der Gesamtbevöl-                   Geldvermögen pro Kopf in den LWC jährlich um
kerung und rund 60% der globalen Wirtschafts-                  beinahe 16% gewachsen und damit gut achtmal
leistung haben. Zumindest aber „stimmt“ der                    schneller als in den HWC. Diese großen Wachs-
Trend: Seit 2000 ist der Anteil der HWC um gut                 tumsunterschiede hängen stark mit den unter-
8 Prozentpunkte zurückgegangen – die ärmeren                   schiedlichen Auswirkungen der Finanzkrisen
Länder gewinnen an Bedeutung.                                  zusammen. In den Vermögen der ärmeren Län-
                                                               der hinterließen sie so gut wie keine Spuren.
                                                               Dies wird vor allem deutlich, wenn die Entwick-
                                                               lung der Geldvermögen seit der Finanzkrise in

Großes Geldvermögensgefälle weltweit
Netto-Geldvermögen pro Kopf, in Euro
High Wealth Countries                    Middle Wealth Countries                   Low Wealth Countries

 80.000                                    11.000                                      2.200
                                           10.000                                      2.000
 70.000
                                            9.000                                      1.800
 60.000                                     8.000                                      1.600

 50.000                                     7.000                                      1.400
                                            6.000                                      1.200
 40.000
                                            5.000                                      1.000
 30.000                                     4.000                                       800

 20.000                                     3.000                                       600
                                            2.000                                       400
 10.000
                                            1.000                                       200
       0                                        0                                         0
           ‘00    ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11               ‘00     ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11                ‘00   ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UNU WIDER, Weltbank, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

18                       den HWC direkt mit der in den LWC kontrastiert                      periodische Finanzkrisen hier –, würden die ab-
                         wird: Während das Netto-Geldvermögen pro                            soluten Unterschiede erst Mitte der 2020er Jahre
                         Kopf in den ärmeren Ländern seit Ende 2007 um                       kleiner werden.
                         knapp 38% gestiegen ist, lag das durchschnitt-                                Der Aufholprozess der MWC verläuft da-
                         liche Geldvermögen pro Kopf in den HWC Ende                         gegen viel langsamer. Die Netto-Geldvermögen
                         2011 immer noch 3,2% unter dem Vorkrisenni-                         pro Kopf sind in dieser Ländergruppe seit 2000
                         veau.                                                               „nur“ doppelt so schnell wie in den reicheren
                                      Durch diese unterschiedliche Entwick-                  Ländern gewachsen. Dies liegt weniger im Ver-
                         lung ist der „Ungleichheitsfaktor“ zwischen der                     mögenszuwachs selbst begründet – schließlich
                         reicheren und der ärmeren Ländergruppe, der im                      sind auch die Brutto-Geldvermögen pro Kopf
                         Jahr 2000 noch bei 141 lag, auf jetzt 35 gefallen.                  doppelt so schnell gestiegen –, sondern vielmehr
                         Dies ist ohne Frage eine eindrucksvolle Entwick-                    im stärkeren Schuldenwachstum, das um das
                         lung und unterstreicht zumindest die relative                       2,5-fache über dem der HWC lag. Ein Blick auf die
                         Konvergenz der Geldvermögen. Denn auf der an-                       Länder, die zu den jeweiligen Vermögensgrup-
                         deren Seite hat sich im selben Zeitraum der ab-                     pen gehören, erhellt diese Unterschiede.
                         solute Unterschied der Netto-Geldvermögen pro                                  Die HWC sind vornehmlich in Nord-
                         Kopf von knapp EUR 57.000 auf rund EUR 68.550                       amerika und Westeuropa zu finden. Aus den üb-
                         vergrößert – trotz Finanzkrise, die zeitweise für                   rigen Weltregionen qualifizieren sich lediglich
                         ein Schrumpfen der Lücke sorgte. Selbst wenn
                         die unterschiedliche Wachstumsdynamik der
                         vergangenen Dekade auch in Zukunft Bestand
                         hätte – ungebrochene Aufholbewegung dort,

                         Entwicklung der Geldvermögen pro Kopf
                         Index (2000=100)

                          500          2011, in Euro
                                       70.590
                          450

                          400

                          350
                                                       10.243
                                                                      2.036
                          300

                          250

                          200

                          150
                                                                                                                                                  LWC
                          100
                                                                                                                                                 MWC
                           50                                                                                                                    HWC
                                ‘00      ‘01     ‘02      ‘03       ‘04       ‘05    ‘06      ‘07      ‘08      ‘09      ‘10

                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UNU WIDER, Weltbank, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

Australien, Israel, Japan, Singapur und Taiwan                    reichen. Ohne die vier HWC Israel, Japan, Taiwan                                    19

für den Club der reichen Länder. Zu den MWC                       und Singapur liegt das Netto-Geldvermögen in
zählen neben Chile und Mexiko aus Lateiname-                      den Schwellenländern Asiens sogar nur bei EUR
rika sowie Malaysia und Südkorea aus Asien vor                    2.320 pro Kopf. Auf der anderen Seite erreicht
allem osteuropäische Länder und Krisenländer                      Osteuropa, wenn nur die EU-Mitglieder berück-
der Eurozone wie Griechenland, Irland, Portugal                   sichtigt werden, einen Wert von EUR 5.070. Das
und Spanien. Zum Teil kennzeichnet diese Län-                     durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen von EUR
der ein hohes Schuldenniveau und -wachstum;                       3.560 in Lateinamerika spiegelt den Fortschritt
die verhaltene Steigerung der Netto-Geldvermö-                    dieser Region in den letzten Jahren wider (2000:
gen in der letzten Dekade ist daher keine Über-                   EUR 1.130).
raschung mehr. Auch die LWC verzeichneten in                               Etwas anders stellt sich die Situation
diesem Zeitraum zwar als Gruppe ein rasantes                      beim Blick auf die relative Vermögensposition
Schuldenwachstum, aber das Ausgangsniveau                         dar, d.h. bei der Analyse der Netto-Geldvermö-
lag weitaus niedriger.                                            gen in Relation zur Wirtschaftsleistung. Zwar
          Insgesamt zeigt die Vermögenswelt-                      liegt auch hier Nordamerika vorne, aber noch
karte aber das zu erwartende Bild: Den reichen                    vor Westeuropa und Ozeanien steht jetzt Asien.
Nationen in Nordamerika, Westeuropa und Oze-                      Ohne die vier HWC Israel, Japan, Taiwan und Sin-
anien mit durchschnittlichen regionalen Pro-                      gapur fiele Asien allerdings wieder deutlich hin-
Kopf-Vermögen zwischen EUR 31.960 (Ozeanien)                      ter Westeuropa zurück, läge aber immer noch
und EUR 87.400 (Nordamerika) netto stehen die                     vor Ozeanien. Ebenso bemerkenswert ist die
ärmeren Länder in Asien, Lateinamerika und
Osteuropa gegenüber, die nur Werte zwischen
EUR 2.430 (Osteuropa) und EUR 6.620 (Asien) er-

Globale Ungleichgewichte
Geldvermögen pro Kopf in Euro, 2011
                                                                                Osteuropa

                                                 Westeuropa
             Nordamerika
 100.000                    87.401                                                          2.434
                                                              41.241     ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11
   50.000                                                                                             Asien
         0
             ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11             ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11
                                                                                                               6.615

                                                                                            ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

                   Lateinamerika
                                                                                                    Ozeanien

                                 3.561
                                                                                                               31.956
                 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11
                                                                                            ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

20                       Entwicklung seit 2000: Es gibt nur eine Region,                     Kopf erzielen; auch die Finanzkrise haben sie
                         die sich bei dieser Kennziffer in den letzten elf                   im Durchschnitt gut gemeistert und die Pro-
                         Jahren verbessern konnte: Lateinamerika. Alle                       Kopf-Vermögen lagen Ende 2011 bereits um rund
                         anderen Regionen mussten dagegen teils emp-                         44% über dem Vorkrisenniveau. Dennoch ist der
                         findliche Einbußen hinnehmen, am kräftigsten                        Einschnitt der Finanzkrise immer noch spür-
                         fiel der Rückgang in Ozeanien aus. Insgesamt                        bar, die jährliche Wachstumsrate ist seitdem
                         unterstreicht diese Entwicklung eindrucksvoll,                      von annähernd 13% vor der Krise (durchschnitt-
                         dass Wachstum und Wohlstand in der Vergan-                          licher jährlicher Zuwachs im Zeitraum 2000 bis
                         genheit vor allem auf Schulden gebaut wurden.                       2007) auf knapp 10% danach gesunken (durch-
                                                                                             schnittlicher jährlicher Zuwachs im Zeitraum
                         Haushalte in Osteuropa                                              2007 bis 2011). Noch stärker ist der Einbruch in
                         bleiben Wachstumschampions                                          Lateinamerika, wo die Netto-Geldvermögen pro
                         Dennoch sind die Vermögen in den zurücklie-                         Kopf seit 2007 im Schnitt um 6,5 Prozentpunk-
                         genden Jahren natürlich gewachsen, teilweise                        te langsamer als zuvor wuchsen. Dies erscheint
                         sogar außerordentlich kräftig. Dabei konnten                        auf den ersten Blick überraschend, da die Aus-
                         die osteuropäischen Haushalte (Gesamtregion)                        wirkungen der Eurokrise im nahen Osteuropa
                         seit dem Jahr 2000 mit einer durchschnittlichen                     sicherlich stärker spürbar sein sollten als im
                         jährlichen Wachstumsrate von nahezu 12% die                         fernen Lateinamerika. Wiederum hilft der Blick
                         größten Zuwächse im Netto-Geldvermögen pro                          auf die Schuldenentwicklung: In Lateinamerika
                                                                                             gab es keine dämpfenden Effekte auf die priva-
                                                                                             te Verschuldung, im Gegenteil: Das Wachstum
                                                                                             privater Schulden hat sich in den letzten Jahren
                                                                                             weiter beschleunigt. In Osteuropa kann davon

                         Netto-Geldvermögen bleiben hinter Wirtschaftswachstum zurück
                         Netto-Geldvermögen, in % des BIP

                                     Nordamerika

                                             Asien

                                      Westeuropa

                                   Asien ex HWC

                         Australien/Neuseeland

                                   Lateinamerika

                                                                                                                                                 2000
                                        Osteuropa
                                                                                                                                                 2011
                                                         0           50            100             150            200             250

                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

keine Rede sein; die Schuldendynamik hat deut-                            Insgesamt zeigt sich auch in der regi-                          21

lich nachgelassen, vor allem in den osteuropä-                    onalen Betrachtung, dass gerade die ärmeren
ischen EU-Ländern: Während in den Jahren vor                      Länder in der vergangenen Dekade stürmische
der Krise jährliche Wachstumsraten um 30% er-                     Vermögenszuwächse verzeichnen konnten. Ei-
reicht wurden, lag die Zunahme in jüngster Zeit                   nen deutlichen Kontrast dazu bieten die reichen
bei “nur“ noch 5%.                                                Regionen. Dort verlief nicht nur das Wachstum
          Auch die Schwellenländer Asiens (Asien                  der Pro-Kopf-Geldvermögen in den letzten elf
ex HWC) sind nicht ganz ohne Kratzer davon-                       Jahren deutlich langsamer – vor allem in Nord-
gekommen. Die durchschnittlichen jährlichen                       amerika und Westeuropa mit Zuwachsraten von
Wachstumsraten seit 2007 befinden sich mit                        2,1% bzw. 1,3% – auch der Rückschlag durch die
7,9% immer noch deutlich unter dem Vorkrisen-                     Finanzkrise war deutlich stärker: Alle drei Re-
niveau. Betrachtet man die Entwicklung der ge-                    gionen befanden sich Ende 2011 verglichen mit
samten Region Asiens, fällt dieser Wert mit 1,8%                  dem Höchststand des Jahres 2007 noch immer
im Durchschnitt per annum sogar entscheidend                      im Minus. Hinter dieser Gemeinsamkeit verber-
geringer aus. Der niedrige Wert für Gesamtasi-                    gen sich jedoch drei ganz unterschiedliche Ge-
en für die letzten vier Jahre ist dabei allein dem                schichten. In Ozeanien, wo das Minus mit rund
Stillstand in Japan, dem mit Abstand reichsten
Land der Region, geschuldet, das seit 2007 sogar
einen Rückgang der Netto-Geldvermögen pro
Kopf von 0,6% hinnehmen musste.

Wachstum im Vergleich: Champion Osteuropa
Durchschnittliches jährliches Wachstum der Netto-Geldvermögen pro Kopf, in %

            Westeuropa

           Nordamerika

Australien/Neuseeland

                   Asien

         Lateinamerika

                                                                                                       seit 2000
              Osteuropa
                                                                                                       seit 2007
                                -4                0                   4          8             12

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

22                       15% am größten ist, liegt die Ursache vor allem                        te dabei nicht aus, um die Netto-Geldvermögen
                         im global überdurchschnittlich hohen Schul-                            wieder über das Niveau von 2007 zu heben. In
                         denwachstum. In Nordamerika lagen Ende 2011                            Westeuropa schließlich kommen beide Fakto-
                         die Netto-Geldvermögen pro Kopf noch immer                             ren zusammen. Die Schulden wuchsen weiter,
                         6,4% unter dem Niveau von 2007. Bei dieser Ent-                        wenn auch deutlich langsamer als vor der Krise,
                         wicklung spielten die Brutto-Geldvermögen die                          und die Entwicklung der Brutto-Geldvermögen
                         Hauptrolle: Nirgendwo war der Einbruch 2008                            war schwach. Zwar war der direkte Vermögens-
                         stärker (-17,2%); die Erholung in den Folgejahren                      schock 2008 kleiner als in Nordamerika und
                         konnte diesen Schock noch nicht kompensieren,                          auch Ozeanien, die Erholung danach aber auch
                         Nordamerika ist daher auch die einzige Region,                         deutlich langsamer. Im vergangenen Jahr zwang
                         in der die gesamten Brutto-Geldvermögen noch                           dann die fortdauernde Eurokrise die westeuro-
                         unter dem Höchstwert aus dem Jahre 2007 ver-                           päischen Haushalte erneut in die Knie: Die Regi-
                         harren. Dass gleichzeitig Nordamerika auch die                         on musste als einzige weltweit einen Rückgang
                         einzige Region ist, in der seitdem in jedem Jahr                       der Brutto-Geldvermögen hinnehmen. Damit
                         die privaten Schulden reduziert wurden, reich-                         lag nur in neun der 16 Länder Westeuropas das
                                                                                                Netto-Geldvermögen pro Kopf mit Ablauf des
                                                                                                vergangenen Jahres über dem Rekordstand von
                                                                                                2007; auch bezogen auf die Region insgesamt ist
                                                                                                es mit -1,1% gegenüber 2007 im letzten Jahr wie-
                                                                                                der in den negativen Bereich gerutscht.

                         Konservative Vermögensstruktur in den ärmeren Ländern
                         Anlageklassen in % des Brutto-Geldvermögens, 2011

                          100

                                                                                                                   14
                                                                                           22
                                      30                        32
                           75
                                                                                                                   19

                                                                                           34
                           50         35                        37

                                                                                                                   63

                           25                                                                                                                     Rest
                                                                                           41
                                      33                                                                                              Versicherungen
                                                                28
                                                                                                                                         Wertpapiere
                             0                                                                                                          Bankeinlagen
                                    Welt                      HWC                       MWC                       LWC

                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

Konservative Vermögensstruktur                                             Insgesamt gibt es zwischen den Länder-                            23
in den ärmeren Ländern                                             gruppen mit Blick auf die Vermögensstruktur si-
Gründe für die unterschiedlichen Wirkungen                         gnifikante Unterschiede. In den HWC verteilt sich
auf die Geldvermögen sind zum einen im Cha-                        das Geldvermögen annähernd gleichgewichtig
rakter der Krise selbst zu finden – die Finanzkri-                 auf die drei großen Anlageklassen Bankeinlagen,
se ist eine Krise der entwickelten Märkte, zuerst                  Versicherungen/Pensionen und Wertpapiere –
mit Schwerpunkt in den USA, heute mit Schwer-                      wobei letztere mit 37% dominieren. In den LWC
punkt in Europa –, zum anderen in den Diffe-                       ist der weitaus größte Teil des Vermögens (63%)
renzen im Sparverhalten vor der Krise; daraus                      – wie bereits vor Ausbruch der Finanzkrise – in
resultierten sehr unterschiedliche Vermögens-                      Bankeinlagen gebunden; auch in MWC machen
strukturen und Schuldendynamiken.                                  Bankeneinlagen noch mehr als 40% des Geldver-
          Der Zusammenhang von Vermögens-                          mögens aus. Diese ausgesprochen risikoaverse
struktur und Krisenanfälligkeit lässt sich relativ                 Vermögenszusammensetzung hat den ärme-
leicht nachvollziehen. Je höher der Anteil von                     ren Ländern ohne Frage geholfen – auch wenn
volatilen Kapitalmarktinstrumenten im Vermö-                       dies natürlich nicht immer eine bewusste An-
gensportfolio, desto stärker schlagen Wertver-                     lageentscheidung oder unmittelbare Folge der
luste dieser Papiere auf die Gesamtentwicklung                     Finanzkrise war, sondern in den meisten Fällen
durch. Deshalb waren beispielsweise die pri-                       den Umständen, d.h. dem Entwicklungsstand
vaten Haushalte in den USA und Griechenland                        des jeweiligen Finanzsystems, geschuldet ist.
2008 besonders stark betroffen: Vor der Krise,
Ende 2007, lag der Wertpapieranteil am Geld-
vermögen in diesen beiden Ländern bei fast 60%
bzw. über 40%.

Wachsende Risikoscheu
Anlageklassen in % des Brutto-Geldvermögens

100

         29                         29            29              30        30         30
  75

  50                                              35                        36         35
         41                         41                            36

  25                                                                                                          Rest

                                                  33              32                   33           Versicherungen
         28                         27                                      31
                                                                                                       Wertpapiere
   0                                                                                                  Bankeinlagen
        2000                       2007          2008         2009         2010       2011

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

24                       Zunehmende Risikoscheu weltweit                                               Hauptleidtragender dieser Entwicklung
                         Eine eher sicherheitsorientierte als renditeorien-                  ist die Wertpapierklasse: Sie verliert in nahezu
                         tierte Anlage ist aber im Zeichen der Finanz- und                   allen Regionen der Welt an Bedeutung, auch in
                         Schuldenkrisen keineswegs nur ein Merkmal der                       den ärmeren. Lediglich in Lateinamerika halten
                         ärmeren Länder. Weltweit lässt sich mittlerweile                    die Anleger dieser Vermögensklasse die Treue,
                         dieser Trend beobachten. Während Wertpapiere                        was vor allem eine Folge der besseren Perfor-
                         deutlich in der Gunst der Anleger verloren, konn-                   mance der dortigen Aktienbörsen sein dürfte.
                         ten Bankeinlagen seit Beginn des neuen Jahr-                                  Dagegen können Versicherungen und
                         tausends ihren Anteil am globalen Geldvermö-                        Pensionen Vermögensanteile hinzugewinnen;
                         gen um annähernd 5 Prozentpunkte ausbauen.                          sie profitieren vom Trend zu sicheren Anlage-
                         Darin spiegelt sich die zunehmende Risikoscheu                      produkten. Nirgendwo wird dies deutlicher als
                         der Anleger weltweit wider. Allerdings gilt dies                    in Europa (West und Ost), wo diese Anlageklas-
                         nicht für alle Regionen und Länder im gleichen                      se einen zusätzlichen Schub durch die teilweise
                         Maße, denn tatsächlich verstecken sich hinter                       weitreichenden Rentenreformen der letzten Jah-
                         diesen globalen Zahlen regional sehr unter-                         re erhielt. Die möglichen Folgen des demogra-
                         schiedliche Entwicklungen.                                          phischen Wandels für den Wohlstand im Alter
                                     So erlangten Bankeinlagen vor allem                     scheinen vielen Sparern mittlerweile bewusst
                         in den reicheren Regionen wie Ozeanien, West-                       zu werden. Ähnliches gilt auch für Lateinameri-
                         europa und Nordamerika einen zunehmenden                            ka, wohingegen die Entwicklung in Asien vor al-
                         Anteil am Vermögensportfolio. Hier, wo viele                        lem durch die weitgehende Stagnation in Japan
                         Haushalte bereits über beträchtliche Vermögen                       überschattet wird.
                         verfügen, ist die Furcht vor Verlusten sehr aus-                              Dass in der globalen Betrachtung für
                         geprägt; zugleich stehen (oder standen) diese                       die Anlageklasse Versicherungen und Pensio-
                         Regionen im Fokus der derzeitigen Krisen. Hohe                      nen nur relativ geringe Anteilsgewinne zu ver-
                         Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwick-                     zeichnen sind, liegt maßgeblich an der Situation
                         lung an den Kapitalmärkten ist die Folge und                        in den beiden größten Märkten der Welt, Japan
                         trägt zu Attentismus und Liquiditätspräferenz                       und USA. Im letzteren spielen Versicherungen
                         der Anleger bei.                                                    und Pensionen zwar seit langem eine tragende
                                                                                             Rolle in der Altersvorsorge, diese Position konn-
                                                                                             te aber in den letzten Jahren nicht weiter aus-
                                                                                             gebaut werden. Zudem werden diese Produkte
                                                                                             dort auch nicht unbedingt als sicherer Hafen
                                                                                             in turbulenten Zeiten wahrgenommen, da viele
                                                                                             Produkte wie etwa Variable Annuities einen ex-
                                                                                             pliziten Kapitalmarktbezug aufweisen.
Allianz Global Wealth Report 2012

                     Mit Blick auf die Schuldenkrise der öf-                                                                                 zu beobachtende „Flucht“ in (vermeintlich) ri-                                                                                                  25

fentlichen Haushalte und die dramatischen                                                                                                    sikoarme Anlagen wie Bankeinlagen kontra-
Veränderungen in der Alterstruktur vieler eu-                                                                                                produktiv. Der weitgehende Verzicht auf eine
ropäischer Länder bleiben aber zumindest                                                                                                     angemessene Verzinsung bedeutet, dass die
Zweifel, ob die bisher eingeleiteten Reformmaß-                                                                                              Sparanstrengungen noch höher ausfallen müs-
nahmen und Reaktionen im Sparverhalten aus-                                                                                                  sen, um das notwendige finanzielle Polster
reichend sind. Unsere Berechnungen lassen je-                                                                                                aufzubauen.                       Eigenverantwortliche                                                   Vorsorge
denfalls darauf schließen, dass die sogenannte                                                                                               schließt letztlich die Übernahme von Risiken
„Rentenlücke“ noch lange nicht geschlossen ist.                                                                                              ein.
Ohne eine weitere Anpassung der (steuerlichen)                                                                                                                       Die Zurückgewinnung des Vertrauens
Rahmenbedingungen ist zu befürchten, dass                                                                                                    der Sparer in die Finanzmärkte und eine lang-
viele private Haushalte in ihrem Sparverhal-                                                                                                 fristige Anlage ist von essentieller Bedeutung.
ten hinter dem Erforderlichen zurückbleiben                                                                                                  Denn je länger es dauert, die Finanzmärkte neu
werden. Mit Blick auf den notwendigen lang-                                                                                                  zu ordnen und eine nachhaltige Lösung ins-
fristigen Vermögensaufbau ist die vielerorts                                                                                                 besondere der Eurokrise zu finden, desto grö-
                                                                                                                                             ßer wird die Gefahr, eine ganze Generation an
                                                                                                                                             Sparern zu „verlieren“, da sie der langfristigen
                                                                                                                                             Kapitalanlage nur noch mit tiefem Misstrauen
                                                                                                                                             begegnet.

Anlageklassen profitieren unterschiedlich
Veränderung des Vermögensanteils der Anlageklassen zwischen 2000 und 2011, in Prozentpunkten
Bankeinlagen                                                                         Wertpapiere                                                                               Versicherungen/Pensionen
7                                                                                     5                                                                                         8

6
                                                                                                                                                                                6
                                                                                      0
5
                                                                                                                                                                                4
4                                                                                     -5

                                                                                                                                                                                2
2
                                                                                     -10
1                                                                                                                                                                               0

0                                                                                    -15                                                                                        -2
    Lateinamerika
                    Asien
                            Osteuropa
                                        Nordamerika
                                                      Westeuropa
                                                                   Ozeanien

                                                                              Welt

                                                                                           Ozeanien
                                                                                                      Westeuropa
                                                                                                                   Osteuropa
                                                                                                                               Nordamerika
                                                                                                                                             Asien
                                                                                                                                                     Lateinamerika

                                                                                                                                                                        Welt

                                                                                                                                                                                     Nordamerika
                                                                                                                                                                                                   Asien
                                                                                                                                                                                                           Lateinamerika
                                                                                                                                                                                                                           Westeuropa
                                                                                                                                                                                                                                        Osteuropa
                                                                                                                                                                                                                                                    Ozeanien

                                                                                                                                                                                                                                                                   Welt

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

26                       Beginn des Deleveraging in den reichen Ländern                      Aber auch die privaten Haushalte in den MWC
                         Ähnlich groß wie bei der Vermögensstruktur                          können Erfolge beim Deleveraging vorweisen: So
                         sind die Differenzen bei der Verschuldung. We-                      reduzierte sich die Geschwindigkeit des Schul-
                         nig überraschend wurde der Löwenanteil der                          denwachstums um rund 73%, wenn die vier Jah-
                         privaten Schulden in den HWC angehäuft: Knapp                       re nach Ausbruch der Finanzkrise mit den vier
                         80% der weltweiten Schulden entfallen auf sie. In-                  Jahren davor verglichen werden. Das Verhältnis
                         teressanter ist jedoch die Analyse der Schulden-                    der Verbindlichkeiten zur Wirtschaftsleistung
                         entwicklung. Seit 2000 ist die private Verschul-                    sank Ende vergangenen Jahres auf 67,3% und
                         dung in den HWC um durchschnittlich 4,3% pro                        lag damit um 2,1 Prozentpunkte unter dem Re-
                         Jahr gewachsen, die entsprechenden Werte für                        kordwert aus dem Jahr 2009. Die Schuldenquote
                         die MWC und LWC lauten 10,0% bzw. 18,3%. Noch                       der LWC ist dagegen über all die Jahre kontinu-
                         ausgeprägter sind die Unterschiede allerdings in                    ierlich gestiegen und erreichte Ende 2011 26,2%.
                         den letzten vier Jahren: In den HWC betrug der                      Damit liegt sie aber immer noch deutlich unter
                         durchschnittliche Zuwachs nur noch 0,6% pro                         der globalen Quote: Weltweit summierten sich
                         Jahr; die MWC und LWC verzeichneten dagegen                         die Schulden der Privathaushalte Ende 2011 auf
                         Raten von 3,9% bzw. 21,0% pro Jahr. Da im selben                    67,0% der Wirtschaftsleistung.
                         Zeitraum die nominale Wirtschaftsleistung in                                   In keiner Region war die Schuldenlast
                         den HWC doppelt so schnell wie die Verbindlich-                     der privaten Haushalte dabei höher als in Aus-
                         keiten gewachsen ist (+1,2% durchschnittlich                        tralien und Neuseeland, wo sie rund 109% des
                         pro Jahr), konnte die Schuldenstandsquote um                        BIP ausmachte. Ozeanien ist auch die einzige
                         2,1 Prozentpunkte nach unten gedrückt werden.                       reichere Region, in der die Schulden seit der
                                                                                             Jahrtausendwende im Durchschnitt pro Jahr
                                                                                             mit einer zweistelligen Rate wuchsen. An der

                         Verschuldungsdynamik in den HWC und MWC gestoppt
                         Entwicklung der globalen Schuldenlast,                              Entwicklung der globalen Schuldenlast,
                         in Mrd. Euro                                                        in % des BIP

                           35.000                                                            100

                                                                                              90
                           30.000
                                                                                              80

                           25.000                                                             70

                                                                                              60
                           20.000                                                                                                                 Welt
                                                                                              50                                                  LWC
                           15.000                                                             40                                                 MWC
                                                                                                                                                 HWC
                           10.000                                                             30

                                                                                              20
                             5.000
                                                                                              10

                                 0                                                             0
                                     ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11               ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

                         Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

Spitze der „Schuldenmacher“ stehen aber mit                                 Mit der Verlangsamung des Schulden-                                      27

weitem Abstand die osteuropäischen Haushalte                      aufbaus nach der Finanzkrise steht Osteuropa
mit einem durchschnittlichen Schuldenwachs-                       keineswegs alleine da. Dieses Phänomen lässt
tum von nahezu 27% pro Jahr. Dieses atemberau-                    sich in nahezu allen Regionen beobachten. In
bende Tempo hat zwei Ursachen: Zum einen ist                      den USA, dem immer noch größten „Schulden-
das Schuldenniveau noch immer relativ niedrig,                    markt“, haben die Haushalte in den vergange-
zum anderen haben die Öffnung der Banken-                         nen vier Jahren ihre Kredite in Summe sogar
märkte im Zuge des EU-Beitritts und die lange                     reduziert – auch dank Zahlungsausfällen und
Zeit so beliebten Niedrigzinskredite in Fremd-                    Abschreibungen auf Hypothekenkredite: Ihre
währung (Schweizer Franken oder Euro) den                         Schulden liegen heute um 5,4% unter dem Vor-
Zugang zu Krediten für private Haushalte erheb-                   krisenniveau. Neben den USA gibt es noch sechs
lich erleichtert. Mit der Finanzkrise hat sich die-               weitere Länder, in denen die Kredite in diesem
ses Bild aber grundlegend gewandelt, nach mehr                    Zeitraum absolut abgebaut wurden: Japan, Ir-
oder weniger Stagnation im Jahr 2009 sind die                     land, Spanien, Estland, Lettland, und Kasach-
Schulden im letzten Jahr in Summe „nur“ noch                      stan. In allen Regionen konnte daher als Folge
mit rund 13% gewachsen – mit zunehmenden                          dieser Umkehrung der Schuldendynamik die
Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern                      Schuldenquote im letzten Jahr reduziert werden
der Region: Derzeit verzeichnen nur noch Russ-                    – mit einer Ausnahme: Lateinamerika verzeich-
land, die Türkei und mit Abstrichen auch Polen                    nete Ende 2011 einen neuen Rekordwert der re-
eine rasante Zunahme der privaten Schulden,                       lativen Verschuldung; überall sonst stehen die
in anderen Ländern wie den baltischen Staaten,                    Zeichen auf „Deleveraging“.
Bulgarien oder Ungarn werden die Schulden
mittlerweile zurückgeführt.

Entwicklung der Schulden im regionalen Vergleich
Verbindlichkeiten, indexiert (2000=100)                           Schulden in % des BIP

1.300    pro Kopf in Euro, 2011                         120
                                                        110
                            40.000
1.100                                                   100
                            20.000                       90
  900                       0                            80
                                                         70                                                      Osteuropa
  700                                                    60                                                   Lateinamerika
                                                         50                                                       Ozeanien
  500                                                    40                                                   Nordamerika
                                                         30                                                    Westeuropa
  300                                                    20                                                          Asien
                                                         10                                                   Asien ex HWC
  100                                                      0                                                          Welt
     ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11        ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ‘11

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.
Verteilung des
globalen Geldvermögens

Wie groß ist die
globale Vermögens-
mittelschicht?
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

30                         Die Bildung von Gesellschaftsschichten orien-                                            Bei der Definition einer globalen Ver-
                           tiert sich in der Regel am Einkommen. Entspre-                                  mögensmittelschicht gehen wir daher nicht
                           chend wird die Mittelschicht über die Höhe ihres                                von den üblichen Einkommensklassen, son-
                           Einkommens definiert. Eine Einteilung in ver-                                   dern vom weltweiten durchschnittlichen Geld-
                           schiedene „Vermögensklassen“ gibt es dagegen                                    vermögen pro Kopf aus. Allerdings stellen wir
                           nicht.                                                                          in diesem Jahr auch bei der Untersuchung der
                                                    Verfügbares Einkommen und Vermögen                     Vermögensklassen die Netto-Betrachtung in
                           sind allerdings korreliert. Es bedarf des Über-                                 den Vordergrund. Das durchschnittliche Netto-
                           schreitens einer gewissen Einkommensschwel-                                     Geldvermögen pro Kopf lag 2011 bei EUR 14.880.
                           le, damit Haushalte überhaupt erst die Möglich-                                 Als Länder mit mittlerem Vermögen definieren
                           keit haben, Vermögen aufzubauen.                                                wir diejenigen Länder, die zwischen 30% und
                                                    Untere Einkommensschichten und Teile                   180% des weltweiten durchschnittlichen Pro-
                           der (Einkommens-) Mittelschicht haben in der                                    Kopf-Vermögens besitzen. Als durchschnittli-
                           Regel kein oder nur ein sehr geringes Vermögen.                                 che Einkommensgrenzen für die MWC ergibt
                           Einkommens-                          und       Vermögensmittelschicht           sich für das Netto-Geldvermögen pro Kopf 2011
                           sind daher nicht identisch; zwischen der Ver-                                   die untere Grenze von EUR 4.500. Zu den HWC
                           teilung der Einkommen und Vermögen beste-                                       gehört ein Land mit einem durchschnittlichen
                           hen vielmehr nicht unerhebliche Unterschiede:                                   Pro-Kopf-Vermögen ab 26.800 EUR. Brutto liegen
                           Während beim Einkommen etwa ein Drittel der                                     die Grenzen bei EUR 6.400 und EUR 38.700 (zur
                           Bevölkerung die Hälfte aller Einkommen auf                                      Herleitung der Bestimmung der Vermögens-
                           sich vereint, sind es beim Vermögen im Schnitt                                  grenzen siehe Appendix A).
                           lediglich 10% der Bevölkerung, die die Hälfte al-
                           ler Vermögen besitzen.

                           Enger Zusammenhang zwischen Wirtschaftsleistung und Vermögen
                           Netto-Geldvermögen der privaten Haushalte und BIP pro Kopf 2011, in Euro

                                                 100.000
                                                                                                                         USA       Japan

                                                  80.000

                                                                                                                        Belgien
                                                                                                                                     Niederlande
                         Geldvermögen pro Kopf

                                                  60.000                                                                  Singapur     Kanada

                                                                                                                                                    Dänemark
                                                                                                                   Frankreich
                                                                                                        Italien                          Schweden
                                                  40.000                                                     Deutschland          Österreich
                                                                               Mexiko
                                                                                                                                   Irland
                                                               Malaysia
                                                  20.000 Rumänien                   Portugal                                          Finnland
                                                                                               Südkorea      Spanien
                                                       Thailand                  Chile              Griechenland
                                                   Indonesien                           Tschechische Republik      Neuseeland
                                                                     Peru       Ungarn
                                                      0         Kasachstan    Brasilien
                                                           0     5.000     10.000     15.000   20.000    25.000    30.000       35.000     40.000   45.000
                                                                                               BIP pro Kopf

                           Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UN, Allianz SE.
Allianz Global Wealth Report 2012

Die neue Vermögensmittelschicht                                          Bei der Brutto-Betrachtung fallen von                                31

Die Staatsverschuldung vieler Industrieländer                  unseren 52 analysierten Ländern 20 in die Kate-
ist in aller Munde, aber wie sieht es bei den pri-             gorie der HWC. Hierbei handelt es sich nahezu
vaten Haushalten aus? Dieser Frage wollen wir                  ausschließlich um etablierte Industrieländer
auch bei der Betrachtung der weltweiten Vermö-                 (plus Singapur und Taiwan). Gerade in den In-
gensmittelschicht auf den Grund gehen. Wer ge-                 dustrieländern mit gut entwickelten Finanz-
hört nach Berücksichtigung der Verbindlichkei-                 systemen ist aber auch die Verschuldung der
ten weiterhin zu den Ländern mit hohem (HWC)                   Haushalte am höchsten. Im Schnitt liegt die
oder mittlerem (MWC) privaten Vermögen? Sind                   Pro-Kopf-Verschuldung hier bei EUR 27.670 ge-
Länder aufgrund ihrer Verbindlichkeiten in den                 genüber gerade mal EUR 970 in den Schwellen-
letzten Jahren aus dem Kreis der HWC oder MWC                  ländern. Natürlich stehen diesen Schulden oft
ausgeschieden und wie hat sich die Vermögens-                  reale Vermögenswerte gegenüber, aber dennoch
verteilung innerhalb dieser Länder seit 2000 ver-              müssen Tilgung und Zinsen aus den laufenden
ändert?                                                        Einnahmen beglichen werden. Gerade in der
                                                               Krise mit teilweise rapide fallenden Hauspreisen
                                                               wurde klar, dass Schulden Schulden bleiben, d.h.
                                                               Verbindlichkeiten, die unter allen Umständen
                                                               zurückgezahlt werden müssen.

Ungleiche Verteilung
Anteile am weltweiten Netto-Geldvermögen (52 Länder, 4,8 Mrd. Menschen), in %
Zehntel mit den niedrigsten Vermögen                                                Zehntel mit den höchsten Vermögen

                                                                                                                 55

                                                                                                      17

                                                                                            10
                                                                               7
                                                                  5
                                         2           3
     0         0            1

     1.        2.          3.           4.           5.           6.           7.            8.        9.        10.

Quelle: Nationale Zentralbanken und Statistikämter, UNU WIDER, Weltbank, Allianz SE.
Vorwort . Zusammenfassung . Entwicklung des globalen Geldvermögens . Verteilung des globalen Geldvermögens . Regionale Unterschiede . Literatur . Appendix

32                                 In Finnland, Norwegen und Irland führt                    und 2007 um über 22% jährlich und der Anstieg
                         die Verschuldung der Haushalte dazu, dass die                       des Brutto-Geldvermögens (jährlich 11,7%)
                         Länder in der Netto-Betrachtung nur noch ein                        konnte bei diesen Wachstumsraten nicht mit-
                         mittleres Vermögen besitzen. Finnische Haus-                        halten. Im Zuge der Krise geriet dann die Ein-
                         halte sind im Schnitt mit EUR 23.940 pro Kopf                       kommensseite unter Druck und die Verbindlich-
                         verschuldet, Irländer mit EUR 40.790 und Norwe-                     keiten konnten nur langsam reduziert werden.
                         ger sogar mit EUR 66.080 pro Kopf. Deshalb ha-                      Seit 2009 sinken aber die Verbindlichkeiten und
                         ben die norwegischen Haushalte mit netto EUR                        das Geldvermögen steigt langsam wieder an, so
                         6.510 auch das niedrigste Pro-Kopf-Vermögen                         dass Irland 2011 mit einem durchschnittlichen
                         in Europa. Während Finnland (EUR 19.100 pro                         Geldvermögen von EUR 25.460 netto pro Kopf nun
                         Kopf) und Norwegen schon lange bei der Netto-                       schon wieder knapp davor steht, den Wiederauf-
                         Betrachtung zu den MWC gehören, kam es in                           stieg in die Gruppe der HWC zu schaffen. In den
                         Irland erst 2007 zum Abstieg. Die Verschuldung                      anderen europäischen Krisenländern ist dage-
                         der privaten Haushalte stieg hier zwischen 2000                     gen eine Umkehr der Entwicklung noch nicht zu
                                                                                             erkennen: In Griechenland, Portugal und Spani-
                                                                                             en sind die Netto-Geldvermögen pro Kopf auch
                                                                                             im letzten Jahr weiter gefallen. Allerdings zähl-
                                                                                             ten diese drei Länder bei den Netto-Vermögen
                                                                                             auch vor der Krise nicht zur Gruppe der HWC;
                                                                                             zumindest Portugal und Spanien gehörten aber
                                                                                             in der Brutto-Betrachtung zu den HWC, verloren
                                                                                             diesen Status aber 2010 bzw. 2011.

                         Einteilung der Länder nach Netto-Geldvermögen pro Kopf

                                           HWC                                       MWC                                        LWC
                                       Australien                                    Chile                                  Argentinien
                                         Belgien                                   Estland                                   Brasilien
                                       Dänemark                                   Finnland                                   Bulgarien
                                      Deutschland                               Griechenland                                   China
                                       Frankreich                                   Irland                                     Indien
                                     Großbritannien                               Kroatien                                  Indonesien
                                          Israel                                  Malaysia                                  Kasachstan
                                         Italien                                    Mexiko                                  Kolumbien
                                          Japan                                   Norwegen                                    Lettland
                                         Kanada                                    Portugal                                   Litauen
                                      Niederlande                                Rumänien                                   Neuseeland
                                       Österreich                                Slowenien                                      Peru
                                       Schweden                                    Spanien                                      Polen
                                        Schweiz                                   Südkorea                                   Russland
                                        Singapur                            Tschechische Republik                            Slowakei
                                         Taiwan                                    Ungarn                                    Südafrika
                                           USA                                                                               Thailand
                                                                                                                               Türkei
                                                                                                                              Ukraine

                         Quelle: National Central Banks and Statistical Offices, UNU WIDER, World Bank, Allianz SE.
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