Greenpeace Paderborn und der gLB Stadtheide - Dokumentation der Aktivitäten seit 2015, mit einem Ausflug in die Geschichte der Dubeloh und des ...
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Greenpeace Paderborn und der gLB Stadtheide Dokumentation der Aktivitäten seit 2015, mit einem Ausflug in die Geschichte der Dubeloh und des Paderborner Naturschutzes Paderborn, Juli 2021 Ulrich Mertens
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens Inhalt 1. Einleitung - der gLB Stadtheide ..................................................................................................... 3 2. Geschichte..................................................................................................................................... 4 2.1. gLB Stadtheide ....................................................................................................................... 4 2.2. Die Nachbarschaft ............................................................................................................... 10 2.2.1. Dubeloh ........................................................................................................................ 10 2.2.2. Fischteiche.................................................................................................................... 11 2.2.3. Exerzierplatz & Schieß- bzw. Scheibenstände .............................................................. 13 2.3. Straßen und Wege ............................................................................................................... 16 2.4. Diverses ............................................................................................................................... 17 3. Personen ..................................................................................................................................... 19 4. Organisationen ............................................................................................................................ 34 5. Natur ........................................................................................................................................... 43 5.1. Greenpeace Paderborn in der Stadtheide ........................................................................... 43 5.2. Die Pflegeeinsätze................................................................................................................ 43 5.3. Tierwelt ................................................................................................................................ 45 5.4. Pflanzen - Neophyten .......................................................................................................... 46 5.5. Pflanzen - Rote Liste & Co. ................................................................................................... 47 5.6. Hecken & Co. ....................................................................................................................... 49 6. Helfen .......................................................................................................................................... 50 7. Anhang ........................................................................................................................................ 51 7.1. Pflanzen im gLB .................................................................................................................... 51 7.2. Tiere im gLB Stadtheide ....................................................................................................... 64 7.3. Antrag NSG Stadtheide (1937) ............................................................................................. 65 7.4. Lebensraumtypen ................................................................................................................ 67 8. Literatur ...................................................................................................................................... 68 Alle Rechte vorbehalten Copyright © 2021 by Ulrich Mertens, V.i.S.d.P.: Ulrich Mertens Texte & Fotos: Ulrich Mertens, mit folgenden Ausnahmen: Collagen (Seiten 50 und 70): Dr. Mark Lindert, Screenshot Homepage (Seite 50): Greenpeace Deutschland -2- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens 1. Einleitung - der gLB Stadtheide im Norden der Stadt Paderborn, am Rande des Naherholungsgebiets Fischteiche, liegt der 2,5 Hektar große, geschützte Landschaftsbestandteil Stadtheide (nachfolgend „gLB Stadtheide“). Die Fläche in der Dubeloh, so der präzisere Flurname, war eines der ersten Naturschutzgebiete (NSG) der Stadt Paderborn. 1999 wechselte der Status zum (weniger bekannten) geschützten Landschaftsbestandteil (gLB), mit jedoch ähnlichem Schutz und „Pflegeplan“. Geschützt werden soll ein von Besenheide (Calluna vulgaris) dominiertes Gebiet, mit einem noch zu erkennenden Dünencharakter. Es ist der letzte Rest des südlichen Ausläufers der Senne, der historisch bis an die Paderborner Innenstadt reichte. Botanisch lässt sich der gLB Stadtheide den Lebensraumtypen Sandheiden mit Besenheide und Ginster auf Binnendünen (LRT 2310) und Trockene Heiden (LRT 4030) zuordnen (siehe Anhang). Den FFH-Monitoring-Kriterien (EU-Bewertungs- system im Naturschutz) folgend, ist das lebensraumtypische Arteninventar lückenhaft. Bei den Beeinträchtigungen ist der hohe Anteil von Vergrasung, Gehölz, Neophyten und Ruderalarten, inklusive der in früheren Jahrzehnten starken Zerstö- rung des Dünenreliefs, negativ hervorzuheben. Es findet sich jedoch eine recht gute Ausprägung der Altersphasen: In allen Bereichen, insbesondere den neu freigelegten Stellen, kommt ein-, zwei- und dreijährige Besenheide hoch, flächig ist junge bis mittelalte und nur wenig überalterte Besenheide vorhanden. Seit mehr als 5 Jahren pflegt Greenpeace Paderborn den gLB Stadtheide, mit Unterstützung der Nachbarschaft, Sympa- thisant*innen, der Biologischen Station Kreis Paderborn – Senne, der Stadt Paderborn als Eigentümerin (Umweltamt und Stadtforst) und dem Kreis-Umweltamt als der zuständigen Fachaufsicht. Naheliegend, aber leichter gesagt als getan, somit etwas über die Geschichte der Fläche zu schreiben: Wie, wann und warum wurde sie unter Schutz gestellt? Mit welchen Bauten und Orten der Nachbarschaft steht sie in Verbindung? Die Schießstände, der Exerzierplatz, der Zoo, die Wasenmeisterei u.v.a. sind nur noch wenigen ein Begriff. Der „Beifang“ dieser historischen Nachforschungen war ein Ausflug in die Geschichte des Paderborner Naturschutzes. Der Schwerpunkt liegt eindeutig in deren Entstehungsgeschichte, also den 1910er, 1920er und 1930er Jahren. Welche Personen und Organisationen haben sich schon damals um Botanik, Tierschutz und Naturkunde verdient gemacht? Ent- täuscht werden die sein, die eine flüssig geschriebene Deutungsgeschichte erwarten, voller Anekdoten, Erklärungen und Thesen, warum der Natur- und Umweltschutz sich in Paderborn in diese oder jene Richtung entwickelt hat. Dieses Skript kann und soll(!) dazu nur den Startschuss geben. Im Kapitel Natur folgt dann eine Dokumentation der Pflegeeinsätze, eine Bestandsaufname einiger dort vorkommender Tiere und Pflanzen und eine Erklärung zur Gestalt der Fläche. Der Anhang enthält dann Material für alle, die noch mehr wissen wollen. Im Literaturverzeichnis folgen die zitierten Quellen, teilweise mit einem Link zum Download. Alle in diesem Skript vom Verfasser getroffenen Aussagen sind nicht zwangsläufig Meinung von Greenpeace Paderborn, Greenpeace Deutschland oder Greenpeace International. Helfen Sie mit! Möchten Sie bei den Pflegearbeiten mithelfen? Verfügen Sie über Wissen oder Fotos zur Paderborner Naturschutzge- schichte? Dann senden Sie uns einfach eine Nachricht, entweder an Greenpeace Paderborn oder direkt an ulrich.mertens@gmail.com. Der Verfasser Ulrich Mertens ist seit vielen Jahren für Greenpeace Paderborn aktiv, im Vorstand des NABU Kreis Paderborn, für diesen im Naturschutzbeirat des Kreises Paderborn, Mitglied bei der Umweltbildungsinitiative (UBI OWL), in der AG Botanik der Biologischen Station Kreis Paderborn - Senne und im Naturwissenschaftlichen Verein. Er arbeitet als Sozialpädagoge im Migrationsdienst des Caritasverbandes Paderborn. -3- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens 2. Geschichte 2.1. gLB Stadtheide Die Stadtheide, der mit Besenheide und Birken bestandene, unfruchtbare Sandboden im Norden der Stadt, war für viele Jahrhunderte in Hudegenossenschaften (Viehhüte-Gemeinschaften) aufgeteilt. Mit der Säkularisation (1809/10) wurden diese aufgelöst und die Flächen zum Eigentum der Stadt. Von 1823-74 sollen diese Flächen aber wiederum an die Hudebe- rechtigten (entsprach praktisch den Hausbesitzern) vergeben worden sein, während einige abseits gelegene, größere Flächen im Eigentum der Stadt blieben, so auch die Stadtheide. Der Paderborner Magistrat klagt, „[…] daß die Stadt Paderborn bei der Separation stiefmütterlich behandelt sei, und daß sie überall solche Gründe bekommen habe, die kein anderer haben wollte“1 1821 setzt Heinrich Heine mit seinem Gedicht „Gespräch auf der Paderborner Heide“ dem Paderborner Norden ein doppeldeutiges Denkmal. In der 1860er Jahren wird der Weg aus der Stadt zu den heutigen Fischteichen als beschwerlich beschrieben. „Er führte durch ein wüstes kahles Gelände voller tiefer Sandlöcher. Kam man endlich an der `Fillerkuhle´ an, mußte man ein gutes Stück Heide durchqueren, durchsetzt mit den Stümpfen abgehetzter Tannenbäume. Hier hatte ein Tannenwald gestanden - die erste Kulturanlage der Stadt in der Heide - den sie in Verzweiflung darüber, daß ihr so viele Bäume daraus entwendet wurden, kurzerhand kurz vorher hatte abhauen lassen.“2 Als Bürgermeister Franckenberg 1886/87 bzw. 1889 seine Pläne für die Fischteiche und den dort anzupflanzenden Wald entwickelt, bleibt wiederum die Fläche des späteren „gLB Stadtheide“ davon ausgespart. Alte Karten deuten darauf hin, dass hier die Dünen besonders ausgeprägt waren. Die aufzuforstende Fläche musste jedoch mit dem Dampfpflug befahr- bar sein, um deren wasser- und wurzelundurchlässige Ortsteinschicht für Baumanpflanzungen aufzubrechen. Es lässt sich auch spekulieren, dass die Fläche für die Aufforstung ungeeignet und als Heidefläche relativ gut erhalten war, weil von dort der Oberboden abgetragen wurde, um daraus die Schutzwälle für die benachbarten Schießstände aufzuschichten. Übrig blieb weißer Sand: schlecht für Bäume, gut für die Heide. Im 1. Weltkrieg wird die Fläche militärisch genutzt, möglicherweise zum Handgranatenwerfen.3 Im Februar 1925 findet sich erstmals ein Hinweis auf ein geplantes Schutzgebiet, geäußert von Bürgermeister Gerbaulet in einer Ratssitzung: „Die sog. Galoppierbahn eigne sich ihres schlechten Bodens wegen nicht zur Aufforstung, auch sei beabsichtigt, diese Fläche als eine Art Naturpark in ihrem ursprünglichen Zustande zu erhalten. Auch andere Flächen in der Um- gebung der Scheibenstände kämen für die Aufforstung nicht in Betracht, zumal da die Militärverwaltung die Fläche zwischen den Scheibenständen, dem Birkenwäldchen und der Besitzungen Prior anpachten und als Übungsplatz einfriedigen lassen wolle.“4 Maßgeblicher Vorkämpfer für die Unterschutzstellung ist Dr. Karl Heuß, Oberstabsveterinär der 1906 in der Paderborner Abdinghofkaserne gegründeten Offiziersreitschule (s. Kapitel Personen) und Vorsitzender des Ausschusses für Natur- schutz. Im Oktober 1925 regt er an, 1 zit. nach HOHMANN 2003: Er schreibt, dass ein Präfekturbeschluss des Königreichs Westphalen die Paderborner Huden 1810 aufgelöst habe. Die gesetzlichen Grundlagen für die Separation gemeinsam genutzter Flächen seien erst 1821 durch den preußischen Staat ge- schaffen worden. Die letzte gemeinsame Viehdrift (gemeinsame Hütung) wird aber nach ELBERS mit 1840, nach GEMMEKE mit 1860 angegeben, vgl. Hohmann 2003, S. 36. Nach AUFFENBERG soll diese mühselige Aufteilung 1823 begonnen und am 15.09.1874 (Schluss- rezess) geendet haben, die Hauptarbeit in die Jahrzehnte von 1840-70 gefallen sein, vgl. AUFFENBERG 2018, S. 70-72. Auf der FLURKARTE 1937 dieses Gebiets wird die Separation mit „1851/60“ über einem durchgestrichenen „1868“ angegeben. 2 Erinnerungen eines alten Paderborners, in: WV vom 17.01.1929; „Filler = Schlachtabfälle, Kadaver. Diese wurde vielfach in Fillerkuh- len (Sumpf, Teich) versenkt.", vgl. brakel-agrar.de [...] [07.02.2021] 3 Hinweise darauf finden sich nur am Rande in Artikeln des WV vom 16.02.1925 und vom 14./15.05.1927 4 vgl. WV vom 16.02.1925 – der geplante Zweck lässt sich dem Folgesatz entnehmen: „Stadtv. Schniedermeyer hält die Scheiben- stände als Uebungsplatz für das Handgranatenwerfen für ausreichend.“ (ebenda) -4- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens „beim Magistrat zu beantragen, daß die sog. Galoppierbahn hinter den Scheibenständen als ein ursprüngliches Stück Heideland liegen bleibe, um den Nachkommen ein Bild von dem Urzustande des Sennegebiets zu hinterlas- sen.”5 Einen Monat später folgt dann bei der Präsentation der von Oberförster Luis [Louis] ausgearbeiteten „Forstkultur- und Verbesserungspläne für 1926“ die Entscheidung gegen die Galoppierbahn und für die heutige Fläche. „Erwähnt sei noch, daß in dem Plane die Aufforstung der sog. Galoppierbahn hinter den Scheibenständen, sowie die Belassung eines benachbarten, etwa 15 Morgen großen Heidestückes des Naturschutzpark und ferner die Her- gabe eines angrenzenden Geländes als Spielplatz für den Arbeiter-Sportverein vorgesehen ist. Die Vorlage wird ohne weitere Aussprache angenommen.“6 Der Begriff „Naturschutzpark“ findet sich auch noch auf der 1937 neu angelegten Flurkarte (evtl. kurz vor Eintragung in das Reichsnaturschutzbuch und somit vor der offiziell nötigen Neu-Registrierung!?), dürfte also eine formale Verbindlich- keit gehabt haben, wurde aber offenbar weitgehend ignoriert, wie auch die nachfolgenden Zitate zeigen.7 Kurz vor dem Ziel, diskutieren die Naturschützer in der Sitzung des Naturkundlichen Ausschusses des Westfälischen Hei- matbundes im März 1926 die Umsetzbarkeit. "Eine lebhafte Aussprache entstand wegen Herrichtung und Beibehaltung eines zwischen den Fischteichen und den Scheibenständen liegenden Geländestückes als Urheide. Es wurde nämlich bezweifelt, ob es möglich sein werde, dieses nur noch zum Teil eine Heideflora aufweisende Stück wieder in eine urwüchsige Heidelandschaft zu verwan- deln. Die Mehrzahl der Mitglieder war jedoch der Ansicht, daß dies gelingen werde. Der Ausschuß beschloß, das Geländestück am Montagnachmittage zu besichtigen."8 Im Mai 1926 diskutiert der Naturkundliche Ausschuß die Ergebnisse der Besichtigung der Fläche und eines Gutachtens. "Am 12. v.Mts. [vorigen Monats, U.M.] hat der Ausschuß das westlich von den Scheibenständen liegende Oedland besichtigt, das als ein sog. Heide-Reservat [Hervorhebung im Original 9] erhalten bleiben soll. Das Gelände zeigt im Großen und Ganzen noch die der Heide eigentümliche Bodenformation, dagegen ist die Heideflora, besonders das Heidekraut, durch den Graswuchs stark verdrängt worden. Es kommt nun in Frage, das Gras zu beseitigen und durch Heidekraut zu ersetzen. Nach dem schriftlichen Gutachten eines Sachverständigen wird dieses gelingen, wenn die Grasnabe mit sog. Plaggen überdeckt wird. Dies wird keine besonderen Schwierigkeiten verursachen, weil die Plaggen einem benachbarten Heidegrundstücke entnommen werden können. Auch die Bepflanzung des Gelän- des mit den charakteristischen Heidebäumen - Birke, Fichte [gemeint sind Kiefern, U.M.], Wacholder, Heidekrabbe 10 usw. - wird sich unschwer durchführen lassen. Kostspielig dagegen stellt sich die Einfriedung des 10-12 Morgen großen Stückes. Wenn nicht anders, dann muß die Einfriedung - die nicht entbehrt werden kann, wenn hier wieder ein Stück Urheide entstehen soll - erst nach und nach geschaffen werden. Es wird damit gerechnet, daß hierzu die Provinz, die Stadt und die hiesigen Heimatvereine beisteuern werden."11 Im Februar 1927 beschließt der Heimatverein, den Magistrat auf Bitten seines Naturkundlichen Ausschusses um „baldige Abgrenzung des Stückes“ zu ersuchen.12 Schon im Mai 1927 wird auf dessen Hauptversammlung die erfolgreiche Umset- zung gemeldet. Die Bemühungen, in der Stadtheide ein sogen. Heidereservat in seinem Urzustande dauernd zu erhalten, haben insofern Erfolg gehabt, als hierfür vom Magistrat ein 10-12 Morgen großes Gelände bestimmt und überwiesen worden ist, um dessen Herrichtung als Naturschutzgebiet sich der Heimatverein bemühen wird. Das Gelände ist während der Kriegszeit zu militärischen Zwecken benutzt worden, wodurch es manches von seiner Eigentümlichkeit 5 vgl. WV vom 27.10.1925 6 vgl. WV vom 16.11.1925 7 vgl. die Flurkarte 1937, dort findet sich auch im Winkel Pirolweg (südlich) und Birkenweg (westlich) die Eintragung „Sportplatz“, was zu der genannten Fläche für den Arbeiter-Sportverein passen würde. 8 zit. nach PA vom 13.04.1926. Gestritten wurde darüber aber auch offenbar noch nach der Umsetzung, vgl. WV vom 07.12.1928 9 nachfolgend H.i.O. abgekürzt 10 Damit ist vermutlich die Stechpalme (Ilex aquifolium) gemeint, die auch als Hülse oder Hülskrabbe bezeichnet wird. "Heidekrabbe" ist entweder ein selten gebrauchter Ausdruck des Paderborner Dialekts oder schlicht ein Fehler. 11 zit. nach WV vom 12.05.1926 (Sitzung des NKA am 07.05.1926) 12 Zusätzlich sollte noch eine weitere, benachbarte 4 Morgen große Heidefläche geschützt werden. Dieser Plan wurde aber nicht ver- wirklicht, Gründe oder weitere Hinweise finden sich nicht, vgl. WV vom 15.02.1927 -5- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens verloren hat. Es ist aber zu erwarten, daß das Gelände im Laufe der Zeit sein früheres Aussehen wieder erlangen, insbesondere, daß sich auch das Heidekraut wieder ansiedeln wird." 13 Im April 1928 wird dort eine Gedenkeiche gepflanzt. „Am 13. April 1928 wurde auf dem Gelände zur Erinnerung an den hochverdienten Heimat- und Naturschützers Herrn Apothekenbesitzers Hugo Koch eine Gedenkeiche gepflanzt.”14 Endlich hat auch Paderborn sein erstes Naturschutzgebiet. Umso verständlicher die Empörung über den massiven Van- dalismus, der zur Einzäunung der Fläche im September 1928 führt. Als überraschendes(?) Sittenbild der damaligen Zeit, sei es hier in epischer Breite zitiert: "Paderborner Naturschutzgelände. Bekanntlich wurde vor mehreren Jahren eine bei den alten Schießständen bele- gene, in rentabler Weise nicht kultivierbare Bodenfläche dem Ausschuß für Naturschutz der Abteilung Paderborn des Westfälischen Heimatbundes zugewiesen mit der Bestimmung, als letzter Rest der vor einigen Jahrzehnten noch bis an die Pader und Detmolder Straße heranreichenden Stadtheide erhalten zu bleiben. Leider wurden alle Bemühungen, die für eine Heidelandschaft typische Pflanzenwelt allmählich wieder Heranwachsen zu lassen, durch das naturfeindliche Verhalten eines Teiles des dort verkehrenden Publikums immer wieder gestört. Die Blütensten- gel des jungen Heidekrauts und anderer angepflanzten Heideblumen wurden trotz ihrer Kleinheit in Massen abge- pflückt oder gar ausgerissen. Aeste und Zweige der in bester Entwicklung begriffenen Bäume und Sträucher wurden rücksichtslos abgerissen, neue Anpflanzungen wurden bei verbotswidrigem Weidenlassen von Schafherden abge- fressen u. dergl. m. Um diesen Mißständen zu begegnen, wird das Gelände in diesen Tagen mit einer Umzäunung versehen; bis auf weiteres darf das eingefriedigte Gebiet nur von dazu befugten Personen betreten werden. In spä- teren Zeiten, wenn der ursprüngliche Zustand der Heide wieder hergestellt sein wird, soll das Gelände allgemein dem naturliebenden und naturschonenden Publikum wieder zugänglich gemacht werden. Inzwischen wird die ge- samte Anlage dessen Schutze empfohlen, damit in unmittelbarer Nähe unserer Vaterstadt unseren Nachfahren wenigstens noch ein kleines Stück des ehemaligen Landschaftsbildes der dortigen Gegend überliefert wird. Gleich- zeitig folgt damit unsere Vaterstadt dem Beispiele anderer Städte und besitzt nunmehr ein wenn auch nur in ganz bescheidenem Rahmen gehaltenes Naturschutzgebiet, wie solche, allerdings in weit größeren Ausmaßen, in zahl- reichen Städten und Gegenden, namentlich des rheinisch-westfälischen Industriebezirks und des Münsterlandes, schon seit langen Jahren geschaffen wurden."15 1929 folgt ausgerechnet kurz nach den Anpflanzungen (wie schon beim Fischteiche-Projekt), ein außergewöhnliches Dür- rejahr. Von der Senne wird berichtet, große Teile seien zuerst erfroren und dann im Sommer vertrocknet.16 1930 wird die Einzäunung als Erfolg gewertet, eine weitere Gedenkeiche gepflanzt und die Anpflanzung verlorengegan- gener Heidevegetation geplant… "Die Einfriedung des Naturschutzgebietes in der Stadtheide bewährt sich sehr gut, indem die vorher kümmerliche Restheide eine erfreuliche Entwicklung und Ausdehnung erkennen lässt. Daselbst wurde am 10. Dezember anläßlich des 70. Geburtstages des verdienstvollen Ausschußmitgliedes, Herrn Limberg, eine Gedenkeiche gepflanzt. […] Be- züglich des vom Ausschuß betreuten Naturschutzgebietes in der Paderborner Stadtheide wurde beschlossen, im Laufe der Zeit ehemals dort bodenständig gewesene Pflanzenarten wieder anzusiedeln; zunächst kommen hierfür in Betracht der Wacholder – Juniparus [sic] communis, die Stechpalme – Ilex aquifulium [sic] – und die Krautheide – Erica carnea -; über letztere, welche ihre Blütezeit im März hat, schreibt Grünne [sic] im Jahre 1868, daß sie in früheren Jahren auf dem Heideplatz am ˋalten Fillerhäuschen´ zu Kränzen besonders für das Königsgeburtstagsfest am 22. März in Mengen geholt worden sei.“17 … und auch umgesetzt (Anpflanzungen sind heutzutage in Naturschutzgebieten nicht mehr üblich, meist sogar verbo- ten). Dass darunter auch Bärlapp war, deutet wohl auf den damals deutlich feuchteren Charakter der Fläche hin. 13 zit. nach WV vom 14./15.05.1927 14 KARL HEUß: Naturschutz im Jahre 1928, in: Heimatborn 1929, Nr. 3, 9 Jg., S. 1 15 zit. nach WV vom 07.09.1928 – Der noch früher geschützte (vgl. Kreis Paderborn, Naturschutzgebiete) Langenbergteich (zwischen Sennelager und Hövelhof) gehörte damals zur Gemeinde Sande (vgl. WV vom 10.02.1927). Evtl. auch aufgrund der Abgeschiedenheit, finden sich darüber kaum Notizen aus der damaligen Zeit, die Ausweisung scheint wie „aus heiterem Himmel“ geschehen zu sein, Pläne dazu finden sich aber schon 1926, vgl. WV vom 11.06.1926 (hier unter Ostenland!) 16 vgl. WV vom 20.08.1929 (Vereinigung der Sennefreunde) 17 zit. nach WV vom 11.02.1930 – Schreibfehler „Grünne“: gemeint ist F.W. GRIMME, Flora von Paderborn, 1868, dort findet sich der Text auf S. 158 -6- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens „Nach mehreren Berichten über das Naturschutzgebiet in der Paderborner Stadtheide zeigte die diesjährige Heide- blüte zur großen Freude und Augenweide der dortigen Spaziergänger eine prachtvolle Entwicklung. Leider musste die Beobachtung gemacht werden, daß vereinzelte Naturschänder sich durch die Einfriedigung nicht abhalten lie- ßen, einzudringen und große Heidebüsche auszureißen. Es sollte doch jeder vorübergehende Bedenken, daß die Schönheiten des Gebietes für die Allgemeinheit, nicht für einen Einzelnen geschaffen werden sollen. Nur in diesem Sinne bringt der Auschuß Opfer an Arbeit, Geld und Zeit, um ein wenn auch nur kleines Stück ursprünglichen Land- schaftsbildes zu erhalten bezw. wieder herzustellen. Die dort im letzten Frühjahr angesiedelten Exemplare der fleischfarbigen Krautheide – Erica carnea – sind zum größten Teil bisher angegangen. Neu angepflanzt wurden im Laufe dieses Sommers die Sandkiefer – Pinus silvestris -, der Kolbenbärlapp – Lycopodium clavatum – und der Zyp- ressenbärlapp – Lycopodium complanatum var. chamaecyparissus -, alles Arten, welche typisch für die Heide sind. Bei mehrmaligen vom Vorsitzenden in Gemeinschaft mit Herrn Ernst vorgenommenen Besichtigungen konnten bis- her auf dem Gelände nicht weniger als rund 60 verschiedene Pflanzenarten festgestellt werden, wobei sämtliche Gräser sowie die meisten Moose, Flechten, Pilze und Algen unberücksichtigt geblieben sind. Die Untersuchungen sollen im nächsten Jahre fortgesetzt werden.“18 1935 berichtet Josef Seifert (s. Kapitel Personen), nach dem Tod von Dr. Heuß neuer Leiter des Ausschusses, im Amtsblatt des Dachverbandes mit markigen Worten über das NSG Stadtheide: Durch das Eingreifen des Ausschusses gelang es, die schönste und uralte Linde in Busch, Kr. Paderborn, zu erhalten und vor dem Gefälltwerden zu schützen. Ebenso konnte das zur Stadt Paderborn gehörende Naturschutzgebiet `Stadtheide´ vor der durch Aufforstung drohenden Vernichtung bewahrt und sein Fortbestand gesichert werden.“ 19 Für 1937 ist die bis 1970 letzte Pflegemaßnahme dokumentiert. Es bleibt unklar, ob bis dahin Schafherden diese für ein Heidegebiet unerlässliche Pflege übernahmen – auch wenn dies 1929 noch als Zerstörung gegeißelt wurde. (Evtl. völlig zurecht, denn wenn Schafe zur falschen Zeit die wenige, frisch austreibende Besenheide auffressen, ist das nicht hilf- reich.)20 Bis 1937 war das NSG Stadtheide über die Eintragung ins Grundbuch gesichert worden. Mit dem neuen Reichsnatur- schutzgesetz wird eine Eintragung ins Reichsnaturschutzbuch erforderlich. Dies beantragt Seifert als „Kreisbeauftragter für Naturschutz“ am 06.05.1937 beim „Herrn Landrat zu Paderborn“. Auf etwas mehr als einer Schreibmaschinenseite findet sich eine floristisch-botanische Bestandsaufnahme, etwas Heimatkunde, Begründung und Antrag.21 Das Ergebnis: Naturschutzgebiet Stadtheide. Gemäß Verordnung über das Naturschutzgebiet Stadtheide im Stadtbezirk Paderborn, Kr. Paderborn, vom 16. 8. 1937 (Reg.-Amtsblatt Stück 34 S. 117) ist eine trockene bis feuchte Heide am nördlichen Stadtrande von Pader- born in das Reichsnaturschutzbuch eingetragen und damit dem Schutze des Reichsnaturschutzgesetzes unterstellt worden. Das Schutzgebiet hat eine Größe von 2,4950 ha und umfaßt im Stadtbezirk Paderborn Kartenblatt 40 die Parzelle 335/22.22 Dies erklärt, warum in den amtlichen Quellen das NSG Stadtheide erst 1937 entstanden sein soll. Die Unebenheit des Gebiets, von SCHAFMEISTER als stark geschädigtes Relief ehemaliger Binnendünen bezeichnet, wird in Erzählungen älterer Anwohner auch manchmal mit nach 1945 zur Explosion gebrachten Blindgängern oder dort explo- dierten Minen erklärt – beides schließt sich nicht aus. 18 zit. nach WV vom 10.10.1930 19 zit. nach Natur und Heimat, Heft 2, 1935, S. 35 unter www.lwl.org [...] 20 vgl. Schafmeister 1980, S. 19 – Gegenüber dem Verfasser [U.M.] berichtete eine Besucherin, dass bis etwa Mitte der 1970er Jahre einmal wöchentlich ein Schäfer in das Gebiet gekommen sei um die Schafe weiden zu lassen. 21 Das Dokument befindet sich als einziges amtlich-historisches Dokument zum Gebiet in der Akte der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Paderborn. P. Gräbner führt 1934 in seiner "Übersicht aller am 1. Oktober 1934 bestehenden Naturschutzgebiete der Pro- vinz Westfalen" die Stadtheide schon als Naturschutzgebiet auf, vgl. Natur und Heimat. Blätter für den Naturschutz und alle Gebiete der Naturkunde, 1934, 4. Heft Oktober/Dezember, S. 88 und 90. 1936 schreibt er: " Aus der in Jhrg. I, H. 4 (1934) der Zeitschrift 'Natur und Heimat' aufgeführten Liste der westfälischen Naturschutzgebiete mußten entsprechend den durch das R. N. G. und die Kommen- tare gegebenen Grundlagen alle Gebiete gestrichen werden, die ohne rechtliche Unterlagen z. T. jahrelang als Naturschutzgebiete bezeichnet worden sind. Unser Streben muß aber in erster Linie sein, diese Gebiete, soweit ihnen wirklich besonderer Wert zukommt, dem Schutze des R. N. G. zu unterstellen." Vgl. www.lwl.org [...], S. 42 - auch hier wird die Stadtheide (zus. mit 3 anderen NSG) wiede- rum genannt. 22 Natur und Heimat, Heft 4, 1937, S. 103 unter lwl.org [...] 04_1937.pdf -7- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens 1960 wird in GRAEBNERS Naturschutzführer für den Kreis Paderborn das "NSG 'Stadtheide', ein früher etwas feuchteres, heute trockenes 2,5 ha großes Heide- und Buschwaldgelände" als eines von 7 NSG im Altkreis Paderborn erwähnt. 23 1961 schreibt RUNGE, die Heide entwickle sich "langsam zu einem [Stiel-] Eichen-Birkenwald mit eingestreuten Waldkiefern […], falls man den Jungwuchs nicht entfernt".24 1967 wird die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Stadtheide" im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold vom 16.05.1967, Nr. 20, veröffentlicht und der Bestand als NSG gesichert. Für 1970 ist laut SCHAFMEISTER eine erste Pflegemaßnahme seit 1937 dokumentiert: Bäume und Sträucher sollen aus dem Zentrum der Fläche entnommen worden sein.25 1972 attestiert SERAPHIM dem NSG Stadtheide einen "stark geschädigten Zustand [ohne] eine einzige schützenswerte Pflanzenart". "Als einziges Beispiel für den Versuch, eine offene bis halboffene Heidelandschaft zu erhalten, ist das NSG Stadt- heide bei Paderborn zu nennen, das sich von seinem Landschaftscharakter mit niederen, von Eichen, Birken, Kiefern und Heidekraut bewachsenen Dünenkuppen noch als Ausläufer der Senne verstehen läßt. Die 2,5 ha große Fläche ist, 35 Jahre nach der Unterschutzstellung, heute in einem stark geschädigten Zustand, wie man ihn sonst nur aus überbeanspruchten Freizeitgebieten in der Erschließungszone von Erholungslandschaften kennt. In dem ganzen Gebiet gibt es z. Z. nicht eine einzige schützenswerte Pflanzenart, nachdem, wie Runge (1958) berichtet, die einst- mals angepflanzten (!) seltenen Sennepflanzen inzwischen wieder verschwunden sind. Auch von einem nur annä- hernd intakten Ökosystem kann keine Rede sein. Dieses Schicksal ist bemerkenswert, weil es uns verdeutlicht, wel- che Dimension unter Schutz gestellte Heidegebiete haben müssen, um gegenüber der Beanspruchung durch den Erholung suchenden Menschen eines nahen Dichtezentrums hinreichend resistent zu sein. Statt mit 2,5 ha muß man, ähnlich wie in den entsprechenden Naturschutzgebieten des nordwestdeutschen Tieflandes, schon mit einer Größenordnung von etwa 200 ha rechnen."26 1977 folgt eine weitere Pflegemaßnahme, vergleichbar mit der von 1970.27 1980 folgt eine umfangreiche Bestandsaufnahme durch die Vegetationskundlerin Dr. ANITA SCHAFMEISTER. Ihre Beschrei- bung der vorkommenden Pflanzengesellschaften und der Freizeitaktivitäten hilft, den damaligen ökologischen Zustand des Gebiets zu verstehen. Sie hatte nachmittags 600-1.150 querende Passant*innen gezählt, beschrieb daneben scho- nungslos die sonstigen Freizeitaktivitäten: „Die Auswirkungen dieser Nutzungsart sind im Naturschutzgebiet überaus deutlich sichtbar. Trampelpfade und gar breite Wege wurden kreuz und quer durch das Gebiet angelegt. Viele Fahrradfahrer nutzen die Wege im Natur- schutzgebiet. Vor allem aber werden auf ihnen von jugendlichen Moped- und Motorradfahrern häufig Geländeren- nen und Geschicklichkeitsfahrten durchgeführt. Es war für mich keine Seltenheit, bei gutem Wetter gleichzeitig bis zu neun, gar bis zu vierzehn motorisierte Jugendliche im Naturschutzgebiet anzutreffen. Die Stadtverwaltung scheint diese Eigenmächtigkeiten zu sanktionieren und leistet noch Beiträge zur Nutzung die- ses Gebietes als Freizeitgelände, indem sie es mit einem fleißig genutzten Reitweg `bereicherte´, der mitten durch das Naturschutzgebiet führt. Ferner wurden - der Naturschutzordnung zum Trotz - noch eine Bank und ein Tisch mit Bänken und Papierkorb aufgestellt. Von dem stets überfüllten Papierkorb verteilt sich der Unrat auf die Umge- bung. In weitem Umkreis um die Bänke, besonders aber um den Tisch herum liegen ständig und nach abendlichen Gelagen, bei denen auch Feuer im Naturschutzgebiet entfacht wurden, noch stark vermehrt Mengen von Scherben, leeren Flaschen, Plastikresten und Pappschachteln. Der große Besucherstrom hinterläßt im gesamten Naturschutz- gebiet ähnlichen Unrat, nur nicht in dieser Fülle.“ 28 1995 scheint auch die BEZIRKSREGIERUNG DETMOLD vor dem Vandalismus zu kapitulieren: 23 zit. nach GRAEBNER 1960, Seite 5. Dass das NSG Stadtheide in dieser Kürze erwähnt wird, erklärt sich aus dem Umfang des kleinfor- matigen 20-seitigen Heftes, in dem zugleich die lückenlose Aufzählung aller Naturdenkmäler großen Platz einnimmt. 24 RUNGE 1961, möglich, dass der Zustandsbericht schon einige Jahre alt ist 25 vgl. Schafmeister 1980, S. 19 26 Seraphim 1972, S. 124f 27 vgl. SCHAFMEISTER 1980, S. 19, bis 1980 sei dann keine weitere Pflegemaßnahme erfolgt, a.a.O. 28 vgl. Schafmeister 1980, S. 14f; Bemerkenswert, dass sie bei den Bäumen schon die Spätblühende Traubenkirsche erwähnt, nicht aber die Roteiche (beides Neophyten aus Nordamerika), andererseits auch nicht Ilex und Eibe, die mittlerweile(?) recht häufig im Ge- biet vorkommen. -8- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens Beide Naturschutzgebiete sind jedoch durch eine negative Entwicklung gekennzeichnet. Das Naturschutzgebiet Stadtheide ist aufgrund seiner örtlichen Lage insbesondere einem starken Nutzungsdrang durch Erholungssu- chende, Moped- und Radfahrer ausgesetzt. […] Durch diese Aktivitäten ist der Naturschutzwert […] stark gemindert, so daß noch zu klären ist, ob der Schutzstatus weiterhin aufrechterhalten bleiben soll.29 1995/96 wird nur noch auf einem Hektar Gehölz entfernt.30 Wie schon 1970, dürfte sich das daraus ergeben, dass sich die Bäume vom Rand der Heidefläche immer weiter zur Mitte ausgedehnt haben. Ende 1999 wird mit Erstellung des „Landschaftsplans Paderborn-Bad Lippspringe“ aus dem Naturschutzgebiet (NSG) der heutige geschützte Landschaftsbestandteil (gLB) Stadtheide. Kapitulation oder weise Einsicht, dass eine derart kleine Flä- che, mit derart großen Zahlen an Besucher*innen, die hohen Anforderungen an ein Naturschutzgebiet nicht erfüllen kann!? Die Verordnung ermöglicht zumindest mehr als nur den „schönen Schein“ zu wahren: 2.4.29 LB "Stadtheide" (1) Der geschützte Landschaftsbestandteil "Stadtheide“ liegt unmittelbar nördlich des Fußweges "An den Fischtei- chen" im Waldgebiet "Fischteiche“ in der Gemarkung: Paderborn Flur: 76, Flurstück: 14 Die Festsetzung als geschützter Landschaftsbestandteil erfolgt gemäß § 23 Buchstaben a, b und c LG, insbeson- dere auch zur Sicherstellung der Wirkungen der Heideflächen mit Sandrasen und Gehölzen im Naturhaushalt als Lebensstätte seltener und gefährdeter sowie landschaftsraumtypischer Tier- und Pflanzenarten im Stadtbereich sowie zur Bewahrung der kulturhistorischen Landschaftsstruktur. (2) Spezielle Verbote Zusätzlich zu den allgemeinen Verboten ist es insbesondere verboten: a) Tiere oder Pflanzen einzubringen; b) Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Pflanzenbehandlungsmittel, Silage, Gärfutter oder Gülle zu lagern oder diese Stoffe auszubringen. (3) Spezielle Gebote Es ist insbesondere geboten: − die offenen Heideflächen und Sandrasen zu erhalten und zu pflegen; − neu aufkommende Gehölze im Kernbereich zu entfernen. Vgl. unter Ziffer 5.1.16 Entwicklungs- und Pflegemaßnahmen. 5.1.16 Pflegemaßnahme im LB „Stadtheide“ (Paderborn; 76/14) Die Heidefläche ist abschnittweise in Teilbereichen in einem 5 - 8-jährigen Turnus ab Oktober zu mähen. Das Mähgut ist abzufahren. Neu aufkommende Gehölze sind regelmäßig im Winterhalbjahr zu entfernen. 31 2001 Die Kolpingfamilie St. Heinrich beginnt damit, den gLB Stadtheide zu pflegen.32 2009 Die Stadtheidevereinigung pflegt das letzte Mal(?) den gLB (14.11.09). "09.00 Uhr bis 13.00 Uhr: Säubern der Heidelandschaft im Naturschutzgebiet `An den Fischteichen´. Sechzehn Mit- glieder der Stadtheidevereinigung trafen sich, um die noch ursprüngliche Heidelandschaft im Naturschutzgebiet zu säubern. Brombeeren und Gebüsch schneiden, Bäume auslichten bzw. fällen, den Waldrand auf seinen ursprüng- lichen Verlauf zurückschneiden, Moos hacken waren nur einige der Tätigkeiten an diesem wennschon nicht sonni- gen, aber "Gott sei Dank" trockenen Vormittag. Einige große Haufen Materials wurden aufgeschichtet, die in den nächsten Tagen geschreddert und abgefahren werden müssen." 33 2015 Nach Absprache mit den zuständigen Stellen übernimmt Greenpeace Paderborn die Pflege des gLB Stadtheide. Ansprechpartner*in sind: - Stadt Paderborn (Eigentümerin der Fläche), vertreten durch Herrn Moritz (Umweltamt) und Herrn Wullenweber (Stadtforst) 29 BEZIRKSREGIERUNG DETMOLD (Hrsg.): Die Naturschutzgebiete im Kreis Paderborn, Detmold 1995 30 STADT PADERBORN: Baumpflege und Fällungen, Herbst 1995 – Herbst 1996, Paderborn 1995, nach: Ratsinformationssystem der Stadt Paderborn, Vorgang 0673/96 31 zit. nach Kreis Paderborn: Landschaftsplan Paderborn-Bad Lippspringe, unter www.kreis-paderborn.de [...] 32 Neue Westfälische, 14.09.01 - Dort wird berichtet, die Pflege sei schon im Halbjahr davor erfolgt. 33zit. nach http://www.stadtheidevereinigung.de/Archiv/ -9- Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens - Kreis Paderborn (Aufsichtsbehörde), vertreten durch Frau Vogt-Krehs und Frau Riekschnitz (Umweltamt bzw. Un- tere Landschaftsbehörde) - Biologische Station Kreis Paderborn – Senne (praktische Umsetzung der Landschaftspflege, sobald „schweres Gerät“ nötig ist), vertreten durch Herrn Ahnfeldt und Herrn Rüther - Greenpeace Paderborn (ebenfalls praktische Umsetzung der Landschaftspflege), vertreten durch Herrn Mertens. Kurz danach kamen Sympathisant*innen der Fläche oder auch von Greenpeace hinzu, insbesondere aus der Nach- barschaft, hier sei insbesondere Herr Rese erwähnt. Im Dezember 2017 wird das komplett mit Brombeeren, jungen Roteichen und Spätblühender Traubenkirsche zugewach- sene Südwestfeld gerodet um wieder zur Heidefläche werden zu können (weitere Arbeiten in diesem Feld erst wieder im September 2018). Im Januar 2018 finden dann auch erste Arbeiten im Nordwestfeld statt. Ein sehr trockener Sommer lässt etwa ein Drittel der Besenheide vertrocknen. Im Oktober entfernt eine Hövelhofer Firma im Auftrag des Stadtforst einige ältere Sträucher und Bäume. Am 08.03.2019 werden im gLB Stadtheide vom Umweltamt der Stadt Paderborn 2 Infotafeln aufgestellt. Während im Februar 2021 Temperaturen von unter 20° C ein weiterer Rückschlag für die Entwicklung der Besenheide war, dürfte sich das sehr regnerische Frühjahr eher positiv ausgewirkt haben. 2.2. Die Nachbarschaft Die nachfolgende Karte wurde vom Verfasser aus dem Zeitraum der 1890er – 1920er Jahre zusammengebastelt. Details der Karte passen daher zeitlich nicht zwangsläufig zueinander, auch ist nicht jeder Strich und Punkt historisch belegt. „Stadtheide“ (violette Fläche) steht für das ehemalige NSG bzw. den heutigen gLB Stadtheide. 2.2.1. Dubeloh Der gLB Stadtheide liegt im Gebiet der Dubeloh. Das 1523 erstmals als Douwelau (später auch Duwenlau, Duwelau und Dubbeloh) erwähnte Gebiet, erstreckte sich vom Fürstenweg bis an die Lippe und zu den Kreggenhöfen (heute - 10 - Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens Neubaugebiet Kreienhöfen). Der Name leitet sich vermutlich vom niederdeutschen duwe bzw. diuwe für taub/ unfrucht- bar und -loh/-lau für Gehölz (das Loh) bzw. Sumpf oder Feuchtigkeit (die Loh) her, schreibt ROHRBACH.34 KIEPKE beschreibt die Dubeloh folgendermaßen: „Denn noch vor rund 50 Jahren [1890, U.M.] war das Gebiet an den heu- tigen Fischteichen `öde, sandige und heiße Heide´. Es war die sogenannte `Dubeloh´ […] Dünenartige Sandhügel zogen sich wellenförmig und teilweise zerklüftet durch sumpfige Heidegründe oder über weite, mit hohem Heidekraut bestandene ebene Flächen. […] das rund 160 Morgen große Oedgelände am Dubelohgraben war in seiner Bodenbeschaffenheit so mannigfaltig, daß es schon den Anlaß zu allerlei `Fachmeinungen´ [bzgl. der Nutzung des Geländes, U.M.] geben konnte.“35 Der Dubelohgraben stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts „um Wasser aus dem sumpfigen Gelände zwischen Ma- rienloh und dem Norden der Stadtheide (Kluswiesen, Kreienhöfen) abzuleiten“ (HOFMANN). Später folgte in der Stadtheide ein ganzes System an Entwässerungsgräben, die an Dubelohgraben, Rothe und Pader angeschlossen waren – deutlich sichtbar auf den Flurkarten von 1896 und 1937. Heute sind sie noch teilweise im Wald der Fischteiche zu entdecken oder auch entlang der östlichen Mauer des Ausbesserungswerks bei der Estkowskistraße. Soll der Zweck des Dubelohgrabens zuerst die Torfgewinnung gewesen sein (in einem offenbar sachkundigen Artikel von 1921 wird eine Torfgewinnung in der Stadtheide jedoch nicht erwähnt36), stand die Nutzbarmachung der Grundstücke als Bau- und Ackerland sicherlich später im Vordergrund.37 Von wem diese Entwässerungsgräben in welchem Zeitraum angelegt wurden, dazu scheinen Quellen völlig zu fehlen. 2.2.2. Fischteiche Denn nicht an erster Stelle sind sie bestimmt, der Kämmereikasse große Einnahmequellen zu erschließen, sondern sie sind vornehmlich aus dem Gedanken hervorgegangen, dem Toten und Schmucklosen Leben, Zier und Anmuth zu verleihen, allen Bürgern ohne Ausnahme […].“ (Franckenberg)38 Über die Fischteiche finden sich in der Literatur etliche, bestens recherchierte Aufsätze. Daher soll über ihre Geschichte hier auch nur in aller Kürze berichtet werden. Selten jedoch nur findet sich, dass an derselben Stelle schon die 1866 angelegten (kleiner dimensionierten) Eisteiche für die Paderborner Brauereien lagen. Sie wurden schon damals auch zum Schlittschuhlaufen genutzt, waren aber insbesondere Grundlage für die größer dimensionierten Fischteiche:39 Erste Pläne, die Dubeloh in großem Stil zu kultivieren, finden sich schon 1880/81. Dazu gehörten die Rieselwiesen, die wegen der Kosten zuerst auf den Lothewiesen, dem Paderbruch und der Ochsenwiese (links der Pader) mit großem Erfolg angelegt wurden. Mit Abschluss dieser Projekte äußerte Franckenberg für die Dubeloh erstmals die Idee, „dem Fischerei- wesen und der Hebung der Fischzucht […] durch Beschaffung von Fischteichen ein gut Theil beizutragen“, um dann ab 1889 Pläne zu entwickeln, den "unkultivirten Rest der öden Haide“ in ein Naherholungsgebiet umzuwandeln.40 Der Streit mit den Stadtverordneten und Einzelakteuren wurde auch über die Paderborner Zeitungen ausgetragen. Gutachten be- scheinigten die Rentabilität und Durchführbarkeit, darunter auch die gesicherte Wasserversorgung der Teiche. 41 Die 34 vgl. ROHRBACH 1963, S. 48f 35 zit. nach WV vom 03.12.1940 36 vgl. WV vom 30.08.1921 („Torf als Heizmaterial“, dort wird einzig das weit entfernte Hochmoor zwischen Lichtenau und Kleinenberg erwähnt, das heutige NSG Eselsbett und Schwarzes Bruch.) 37 vgl. und zit. nach HOFMANN 2020, S. 22-49 (Zitat S. 26). Prof. Hofmann beschreibt hier u.v.a. anhand einer aufgearbeiteten Flurkarte von 1896 das Entwässerungssystem in der Stadtheide. 38 vgl. WV vom 10.12.1940 (Kiepke) 39 Erinnerungen eines alten Paderborners, im WV vom 17.01.1929. Einer Randnotiz ist zu entnehmen, dass dort noch 1936 Eis gewon- nen wurde, vgl. WV vom 11.02.1936 40 Verwaltungsbericht des Magistrats 1886/87, S. 49, zit. nach HOHMANN 2003, S. 38. Hohmann hat Franckenbergs Arbeit an der Auf- wertung der o.g. Flächen, u.a. anhand der jährlichen Verwaltungsberichte des Magistrats, sorgfältig aufgearbeitet, vgl. Hohmann 2003, S. 36ff 41 Einige längere Plädoyers finden sich im WV vom 19.07.1890, 16.08.1890 (dieses, wohl wortgleich, im PA vom 14. und 16.08.1890) und 12.12.1891. Das Gutachten wurde vom Ehren-Amtmann von Düker (Menden), dem Vorsitzenden des Fischerei-Vereins für die Provinz Westfalen erstellt, vgl. WV vom 29.10.1890 - 11 - Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens Stadtverordneten bezweifelten dies und verlangten weitere Gutachten. (Der Wassermangel zeigte sich schon in den ers- ten Jahren und ist bis heute vorhanden.)42 Am 29.09.1891 besichtigen Magistrat, Stadtverordnete und Sympathisanten des Projekts die Dubeloh, am 18.03.1892 bewilligt die Stadtverordneten-Versammlung die veranschlagten 25.000 Mark. Zu den Kosten gehört auch, die am Weg zum Schützenplatz gelegenen, an „städtische Arme verpachtet[en]“ Grundstücke, an den Behrenteich zu verlegen.43 Im April 1892 beginnen die Arbeiten: Neben den Fischteichen (40 Morgen) sollen 181 Morgen städtisches Land aufge- forstet (geplant und beaufsichtigt vom Kommunaloberförster Löffelmann) und Rieselwiesen (16 Morgen) angelegt wer- den.44 Anfang Mai beginnt ein Dampfpflug der Firma F. Ottomeyer (Steinheim), den Ortstein, eine wasser- und wurzelun- durchlässige Schicht der Heideböden, aufzubrechen. Zuerst werden die Hügel beiderseits der heutigen Dubelohstraße aufgeforstet und die 4 östlichen Teiche angelegt, 1893 folgte der große „Kahnteich“, ca. 1896 dann der als Zuchtteich genutzte „Höpperteich“ westlich der Bahnlinie.45 „Oberförster Löffelmann legt in seinem Bericht vom 17. August 1893 Rechenschaft ab über die Aufforstung von 19,12 Hektar. Am Thuner Weg über 5,86 Hektar waren 800 Eichen, 300 Akazien [Robinien!?, U.M.], 200 Erlen, 1 000 Birken, 8 000 Fichten und 1 000 Kiefern gepflanzt (die beiden Letzeren vor allem auf schlechten Böden als Erstpflanzung, die Kiefer vor allem auf sandiger Heide, d. Verf. [Anm. Hohmann]). In der Dubeloh und am Schützen- platz umfasste die Anpflanzung auf 13,21 Hektar 11 100 Eichen, 1 570 aus einer Pflanzung gerodete Buchen, 200 Erlen, 1 890 Birken, 1 000 Akazien, 40 000 zweijährige Kiefern, 26 000 Fichten, 3 000 Schwarzkiefern, 2 000 Lär- chen, 1 000 Weymuthkiefern und 500 Weißtannen. 600 Vogelbeeren, 25 Birken, 160 Ulmen, 24 Platanen, 80 Ahorne, 20 Kastanien, 36 Linden, 250 Eichen, fünf Silberpappeln und eine Blutbuche säumten Wege und Plätze.“46 Franckenberg und Löffelmann bringen die Fischteiche kein Glück: Schon 1893 hat es im Sommer 3 Monate lang nicht geregnet, die Teiche fallen trocken, viele gepflanzte Bäume gehen ein. 700 Mark für Nachpflanzungen werden vom Rat verweigert. Sie kommen erst durch Spenden und Zuschüsse zusammen.47 Franckenberg fällt bei Arbeiten an einer Ul- menallee am Thuner Weg (Fischteiche) von der Leiter und stirbt daran 1894.48 Löffelmann stirbt 1896 mit 48 Jahren.49 Die große Bedeutung der Fischteiche zeigt sich auch an der Existenz einer „Promenaden- und Fischteichkommission“ (als eine von 9) im Paderborner Stadtrat. Mitglieder sind die Stadtverordneten „Paderstein, Block, Dr. Westhoff, Proppe, Dr. Lauffs, Vonderbeck, ferner Verlagsbuchhändler J. Schöningh, Reg.- und Forstrat Hüffer, Gemeindeoberförster Balthasar, Kaufmann H. Peters.“ (1910).50 1927 führt die Firma Jung, finanziert aus der „staatlichen produktiven Erwerbslosen-Fürsorge“, Instandsetzungsarbeiten durch: Zuletzt werden am „Teich 6 [Höpperteich, U.M.] Ausschilfung des Teiches, seine Vertiefung um 35-40 Zentimeter 42 vgl. WV vom 02.08.1890, 09.11.1890 und 07.12.1890 –Das Gutachten für die Wiesen erstellte Vermessungs-Revisor Breme (Müns- ter), das für die Aufforstung der kommunale Oberförster Löffelmann, vgl. Hohmann 2004, S. 23. Es wurden Pläne diskutiert, die Was- serversorgung über die Lippe oder den „Graben am Konviktsgrundstück“ mit „nie versiegende[n] Quellen“, aber auch den Abwässern aus dem Ükern, sicherzustellen, um 1940 schien sicher, dass die Lippe in Zukunft das Wasser liefere, vgl. WV vom 10.12.1940 (Kiepke). 43 vgl. WV vom 03.12.1940 (Kiepke) 44 vgl. Die Umwandlung der sog. Dubeloh-Haide zu Wiesen-, Park-, Forst- und Teich-Anlagen, in: WV vom 23.03.1892 und WV vom 26.03.1892 (Bericht und Verding), ein kurzer Bericht über die Arbeiten im WV vom 13.04.1892 45 vgl. WV 22.10.1894 und HOHMANN 2004, S. 23ff - Hier findet sich eine detailreiche Dokumentation der Arbeiten an den Fischteichen. 46 zit. nach HOHMANN 2004, S. 25 47 Dr. Wilhelm Löffelmann, Sohn des o.g. Oberförsters Gustav Löffelmann, berichtete in einem Leserbrief, dass die 700 Mark dann von Rudolf Ullner als private Spende seinem Vater zuging. (Hohmann schreibt dazu, der Stadtverordnete Kaufmann Rudolf Ullner sei damit auf eigenes Risiko in Vorleistung für eine spätere Bewilligung durch den Rat gegangen, vgl. Hohmann 2004, S. 26.) Mit Löffelmanns Tod (1896) hätten die Anpflanzungen nicht nur gestockt, auch hätte von der Stadt „damals für geringes Geld noch sehr viel Land hätte angekauft werden können“, habe ihm der spätere Aufseher der Teiche, „Harbrock“, vermutlich ist Harbort gemeint, wiederholt mitge- teilt, vgl. Leserbrief von W. Löffelmann, Die Warte, 18. Jg., Heft 3, 1957, S. 34. Außerdem wurden 300 Mark vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, 500 Mark vom Vorstand des Fischereivereins für Westfalen und Lippe und 500 Mark vom Minister für öffentliche Arbeiten bewilligt. 48 vgl. KIEPKE 1956, S. 45f. 49 vgl. Hohmann 2004, S. 27 – Darin wird auch ausführlicher auf Löffelmanns Wirken eingegangen. 50 zit. nach WV vom 09.01.1910 – Mit „J.“ wird Josef Schöningh gemeint sein, vgl. www.schoeningh.de [...] - 12 - Stand: 17.07.2021
GREENPEACE PADERBORN gLB Stadtheide Ulrich Mertens und die Uferbefestigung“ durchgeführt. Zugleich gibt es „wegen einer besseren Auffüllung der Teiche mit der Gräfl. West- phalenschen Verwaltung Verhandlungen wegen Wasserentnahme aus der Lippe“.51 Der Wasserknappheit wird 1929 durch einen artesischen Brunnen etwas abgeholfen, ausgeführt vom Brunnenbohrer Schmidt (Lippspringe).52 In den 1930er Jahren schwärmt Atorf von zweireihig gepflanzten Weißdornhecken bei den Teichen, den Mehlbeeren, der „Domallee“ (einer Ebereschen-Allee bis zur Bahnlinie mit Blick zum Dom) und einer Birkenallee: „Diese kann man nicht schildern, man muß sie erleben.“53 1946 entsteht an den Teichen eine Laufbahn für die Leichtathletik, 1972 entsteht der Trimm-Dich-Pfad.54 2.2.3. Exerzierplatz & Schieß- bzw. Scheibenstände Der Exerzierplatz befand sich dort, wo in den 1970er Jahren die „Flachdachsiedlung“, einige Hochhäuser, die Kita Heide- haus und die Bonifatius-Grundschule entstanden sind: Begrenzt durch Bayernweg, Brandenburger Weg, Haustenbecker Straße und den Fußweg südlich des Schleswiger Wegs. Die benachbarten Schießstände (auch „Scheibenstände“55) lagen dort, wo sich heute der Tennisplatz befindet, bis hin zur heutigen Haustenbecker Straße. Sie bestanden aus vier 300 Meter-Bahnen.56 Zu erkennen ist heute noch der Kugelfang als hoher Erdwall im Westen, worauf eine rote Ziegelsteinmauer stand. Nur zu vermuten ist, dass das Erdreich dem Süden des heutigen gLB Stadtheide entnommen wurde. Dort findet sich heute eine mit Wald bestandene, größere Senke. Die meisten fachkundig(er)en Autoren der lokalen Geschichte verlegen die Entstehung der Schießstände (und des Exer- zierplatzes) in der Stadtheide auf Anfang der 1890er Jahre bzw. Ende des 19. Jh., ohne jedoch auf Primärquellen zu ver- weisen.57 These des Verfassers ist, dass dies auf einer Verwechslung mit den exakt zu dieser Zeit gebauten neuen Schieß- ständen und neuem Exerzierplatz am Diebesweg beruht. Die Autoren dürften zu jung für eigenes Erleben gewesen sein, Primärquellen lagen ihnen wohl nicht vor (sonst gäbe es ein genaueres Datum) und ein Teil der nachfolgenden Sekundär- quellen dürfte ihnen unbekannt gewesen sein:58 51 zit. nach WV vom 11.04.1927 – Beides aus dem Bericht des WV über die Sitzung der Stadtverordneten. Obwohl der Stadtv.-Vorste- her Peters „voraussichtlich ein befriedigendes Ergebnis“ erwartete, kam es nie zu dieser Wasserentnahme. Was heute auf Karten wie eine Verbindung zwischen nördlicher Spitze der Fischteiche und Lippe aussieht, ist tatsächlich eine Verbindung zwischen Dubelohgra- ben und Lippe, die im Zusammenhang mit dem Bau der B1n entstanden ist, jedoch auch mit Fließrichtung in Richtung Lippe. Der Dube- lohgraben floss zuvor in die „Kleine Pader“, vgl. HOFMANN 2020, S. 31 52 vgl. ATORF 1935, S. 66 53 vgl. ATORF 1935, S. 65ff; im WV vom 09.05.1940 wird von dem gerade in der Blüte befindlichen Weiß- und Rotdorn geschwärmt 54 vgl. Infotafel des Heimatvereins und der Stadt Paderborn am Parkplatz Fischteiche, Jahr(?) 55 Gleich im ersten Nachweis über die Existenz dieses Bauwerks findet sich der synonyme Gebrauch beider Begriffe durch Bürgermeis- ter Wördehoff: „Die diesjährigen Schießübungen der hier garnisonirenden Eskadron des 1. Westfälischen Husaren-Regiments Nr. 8 beginnen am 19. d.Mts. Vor unvorsichtiger Annäherung an die auf der Haide hinter dem Schützen-Platze befindlichen Scheibenstände wird gewarnt und zugleich darauf aufmerksam gemacht, daß die widerrechtliche Zueignung der Bleikugeln aus den Schießständen [beide Unterstreichungen nicht im Original, U.M.] der Truppen nach § 349 Nr. 5 des Strafgesetzbuches mit Geldbuße bis zu 50 Thlr. oder mit Gefängnis bis zu 6 Wochen bestraft wird. Paderborn den 18 Juni 1865. Der Bürgermeister: Wördehoff“, vgl. WV vom 21.06.1865 56 So gekennzeichnet auf einer Militärkarte „Umgebung von Paderborn und Neuhaus“ (ca. 1900), auf der auch der Kavallerie-Exerzier- platz und die Schießstände (3 Bahnen á 600 m), beide am Diebesweg, eingezeichnet sind. 57 So heißt es bei ELBERS 1998 (Seite 5), dass zu Beginn der 1890er Jahre mit der Errichtung der Schießstände und des Exerzierplatzes begonnen worden sei. ZACHARIAS 2013 schreibt (Seite 22): „Ende des 19. Jahrhunderts legte das Militär Exerzierplätze und einen Schieß- stand (Nähe Fischteiche) an.“ WINKLER 2006 datiert die Entstehung des Exerzierplatzes sogar auf 1847, was nach einer Verwechslung des (Kavallerie-) Exerzierplatz am Diebesweg mit dem (Infanterie-) Exerzierplatz in der Stadtheide aussieht. Er berichtet davon, dass der Exerzierplatz Ringelsbruch die „(Alte) Schanze“ (heute Kreis-Mülldeponie) 1847 verkauft und dafür die „Neue Schanze“ in der Stadtheide als Ersatz erworben wurde. Denkbar aber auch, dass dies die erste Funktion des Platzes zu Beginn war: Schanze = das Aus- heben von Schützengräben üben, sich verschanzen. 58 Eine Recherche in den Grundbüchern der Stadt (begonnen, aber noch nicht abgeschlossen), alten Zeitungsbeständen, Militärarchi- ven oder dem Stadtarchiv (Ziegeleien, Militär o.Ä.) könnte Genaueres bringen. - 13 - Stand: 17.07.2021
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