GUK - FINDEN, BEGLEITEN UND SICHERN KÜNSTLERISCHER ARBEITSPLÄTZE - SPRACHVERSTEHEN - DS-INFOCENTER

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GUK - FINDEN, BEGLEITEN UND SICHERN KÜNSTLERISCHER ARBEITSPLÄTZE - SPRACHVERSTEHEN - DS-INFOCENTER
Nr. 82 I Mai 2016
                                     ISSN 1430-0427

                                     GuK –
                                 Mit Händen
                                   sprechen
                                 Rückblick
                                 auf 30 Jahre
                               Down-Syndrom
              Finden, Begleiten und Sichern
                künstlerischer Arbeitsplätze
Sprachverstehen
bei Kindern und Jugendlichen
mit Down-Syndrom
Pflegegrade ab 2017
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g   EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist ein sonnig-frischer Tag, an dem diese Zeilen entstehen. Bis Sie die Mai-Ausgabe
der Leben mit Down-Syndrom in Ihrem Briefkasten finden, dauert es noch fast fünf
Wochen. Nun sind die Seiten, wie gewohnt, für Sie gefüllt und wir hoffen – jede und
jeder entdeckt darin interessante Ansatzpunkte oder einen Artikel, in dem man die
eigenen Erfahrungen wiederfindet.
Mir persönlich gehen Gedanken, die Cora Halder in ihrem „Rückblick auf 30 Jahre
Down-Syndrom“ zusammengefasst hat, sehr nahe. Diejenigen unter Ihnen, deren er-
wachsene Kinder mindestens so alt oder älter sind, werden bei der Lektüre staunend
auf die drei Jahrzehnte zurückblicken. Die neuen Generationen haben Gelegenheit,
die nachgezeichneten Entwicklungen „auf einen Blick“ zu erfahren.
In vielen Beratungsgesprächen hören wir: „Was für ein Glück, dass unser Kind heu-
te so viele Möglichkeiten hat. Früher hat es das so nicht gegeben.“ Dass Familien und
Menschen mit Down-Syndrom heute im Vergleich zu damals mehr Möglichkeiten
der Förderung und Teilhabe zur Verfügung stehen, verdanken wir der Generation
von Eltern, die wie Cora Halder gekämpft haben – für bessere Chancen ihrer Kinder
in der Gesellschaft. Im Rahmen unserer diesjährigen Fachtagung „Übergänge gestal-
ten“ würdigen wir das Lebenswerk von Cora Halder, in gewisser Weise auch stellver-
tretend für viele viele Eltern.
Mehr darüber und Fachartikel zu Themen aus dieser Tagung erfahren Sie in der
nächsten Ausgabe. In dieser Nummer 82 warten auf Sie Neuigkeiten über GuK, über
das Thema „Sprache und Sprachverstehen von Kindern und Jugend­lichen mit Down-
Syndrom“ (Forschungs-Ergebnisse einer Studie der Universität Köln, die sich mit
Grammatikverständnis befassen) oder ein ausführlicher Artikel, in dem das „Finden,
Begleiten und Sichern künstlerischer Arbeitsplätze“ für Personen mit Trisomie 21
thematisiert wird und impulsgebend für die aktive Suche nach einem geeigneten Job
sein kann.
Natürlich blicken wir auf den WDST 2016 sowie auf das zehnjährige Jubiläum der
DS-Sprechstunde in der Cnopf’schen Kinderklinik Nürnberg und berichten über die
Ausgabe unseres Geschwister-Buchs „Einfach Sontje“ in Französisch, das Familien in
Belgien oder Frankreich seit März unter dem Titel „Lucie, tout simplement“ lesen.
Wie immer enthält das Heft Erfahrungsberichte. Ich stelle mir vor – manche von Ih-
nen blättern auf diesen Seiten besonders gerne und beginnen damit überhaupt die
Lektüre der aktuellen Zeitschrift. Der Erfahrungsschatz ist unverzichtbar und sehr
kostbar. Das Teilen von „Erfolgen“ und die Freude über die kleinsten Entwicklungs-
Fortschritte gehen manchmal Hand in Hand mit dem Zweifeln an eigenen Erwartun-
gen an sich als Eltern. Sehr mutig verfährt damit Amelie Mahlstedt in ihrem Erfah-
rungsbericht. Alle Achtung vor Ihnen allen – Eltern, Großeltern und Geschwistern –
und Ihrer täglichen, liebevollen und selbstverständlichen Leistung!
Herzlich grüßt Sie gemeinsam mit den Team-Kolleginnen

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                   Die „Kleinen“ und die „Großen“ –
                  ihnen allen ist jede Zeile in dieser
                              Zeitschrift gewidmet!

                                                                Neues aus dem DS-InfoCenter
                                                           6    Zehn Jahre DS-Sprechstunde
                                                           7    Von „Einfach Sontje“ zu „Lucie, tout simplement“
                                                           8    Junge Erwachsene und ihre Pressemeldung
                                                           9    WDST 2016 – Auszeichnung für eine
                                                                gute Beratung

                                                                Selbsthilfe
                                                           10   Rückblick auf 30 Jahre Down-Syndrom

                                                                Sprache
                                                           18   Gebärden-unterstützte Kommunikation
                                                           24   Mit Händen sprechen                           In der DS-Sprechstunde
                                                                                                              fühlen sich die Kinder
                                                                Wissenschaft                                  wohl
                                                           27   Sprachverstehen bei Kindern und Jugendlichen
                                                                mit Down-Syndrom
                                                           33   Sozial-emotionale Kompetenzen von Kleinkindern
Die Orthopädin Ruth
                                                                mit Down-Syndrom aus Elternsicht
Kamping hilft und berät
in der DS-Sprechstunde
                                                                Medizin
                                                           37   Orthopädische DS-Sprechstunde in Hannover
                                                           40   Gelenkerkrankungen beim Down-Syndrom

                                                                Therapie
                                                           44   „Starke Kinds durch Pferdestärken“ –
                                                                Therapeutisches Reiten

TITELBILD:
Helen Faustmann, fünf Jahre
Foto: Michaela Hilgner

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                           Inklusion/Schule
                      49   Wenn die „Chemie“ stimmt
                      50   Antwort auf „Wenn die ‚Chemie‘ stimmt“

                           Arbeit/Erwachsene
                      52   Finden, Begleiten und Sichern künstlerischer Arbeitsplätze
                      59   Mehr Selbstbewusstsein, weniger Empfindlichkeit

                           Recht
                      61   Pflegestufen heißen ab 2017 Pflegegrade –
                           Was ändert sich?

                           Erfahrungsbericht
                      62   „So wie du bist“
                      64   Wenke ist ein Teil der Gemeinschaft –
                           von Anfang an
                      67   Skiwoche in Eschach
                      72   „Wir sind ein gutes Team, gell Omi?“

Nicht nur Lola hat         Publikationen
während der Ski­      76   Vorstellung neuer Bücher, Broschüren etc.
woche viel gelernt!
                      78   Leserpost                                                      Cedric mit seiner Omi

                      80   Veranstaltungen
                      81   Vorschau/Impressum

                                                                    Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016      5
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down-syndrom
        infocenter

                  X
    d e u t s c h e s

                                                Neues aus dem DS-InfoCenter ...

                                                                         Zehn Jahre DS-Sprechstunde
                                                                         in der Cnopf‘schen Kinderklinik
                                                                         Nürnberg

                                                                          Wir sind auch sehr froh über das
                                                                          seit zehn Jahren etablierte und
                                                                          engagierte Team: Dr. Gerhard
                                                                          Hammersen, Physiotherapeutin
                                                                          Barbara Lohmann, die Logopä-
                                                                          dinnen Sabine Homer-Schmidt
                                                                          und Carmen Barth. Ihre Fach-
                                                               kenntnisse und auch ihr herzliches Interes-

Z     ehn Jahre DS-Sprechstunde ist uns ein
      freudiger Anlass, zurückzublicken.
Wenn wir bedenken, dass vor zehn Jahren
                                                               se kamen den über 500 kleinen Mädchen
                                                               und Jungen mit Down-Syndrom zugute,
                                                               die bislang unsere DS-Sprechstunde ein-
noch keine einzige Spezial- Sprechstunde                       oder zweimal besucht haben. Manche von
für kleine Kinder mit Down-Syndrom in                          ihnen hatten einen langen Anreiseweg,
Deutschland existiert hat, haben wir alle ei-                  weil die Beratung interessierte Familien er-
nen Grund zur Freude und zum Dankbar-                          reichen will, unabhängig von ihrem Wohn-
Sein.                                                          ort.
    Natürlich wurden Kinder mit Trisomie                          Möglich ist all das auch, weil sich Eltern
21 auch früher, etwa seit Ende der 60er-Jah-                   finanziell an der DS-Sprechstunde beteili-
re, medizinisch und sozialtherapeutisch an                     gen und sie regelmäßig von Spenderinnen
den sogenannten Sozialpädiatrischen Zen­                       und Spendern wohlwollend bedacht wird.
tren (SPZ) deutschlandweit betreut und ge-                     Danke an dieser Stelle dafür!
fördert. Zum Beispiel in Paderborn setz-                          Seit der Gründung der DS-Sprechstun-
te sich der Kinder- und Jugendmediziner                        de in der Cnopf ’schen Kinderklinik sind er-
Dr. Wolfgang Storm nach der Geburt seines                      freulicherweise auch in anderen Bundeslän-
Sohnes in den 80er-Jahren für die gesund-                      dern weitere entstanden. Eine Übersicht ist
heitliche Vorsorge bei Kindern mit Down-                       auf unserer Webseite zu finden. Wir stehen
Syndrom ein. Den Bedarf einer „Extra-Am-                       miteinander in regelmäßigem Austausch.
bulanz“ für die Kleinen sah tvon Beginn an                     Ein ganz wichtiges Ergebnis der jährlichen
Cora Halder, die langjährige Geschäftsfüh-                     Treffen mit Ärztinnen und Ärzten sind die
rerin des DS-InfoCenters, zumal sie auch                       medizinischen DS-Leitlinien. In diesem
solche Ambulanzen und ihre hervorragen-                        Jahr werden sie online veröffentlicht (www.
de Arbeit aus dem europäischen Ausland                         awmf.de) und in Leben mit Down-Syndrom
kannte.                                                        haben wir einen Abdruck einzelner Passa-
    Und so startete 2000 eine erste Down-                      gen bereits angekündigt. Bald ist es soweit!
Syndrom-Sprechstunde für Kinder von                               „Zehn Jahre DS-Sprechstunde in der                 Von oben links nach rechts unten im Bild
null bis vier Jahren auf den Tag genau am                      Cnopf 'schen Kinderklinik“ stimmt uns zu-          Dr. Hammersen mit Millie und ihrer Mama,
21. März in der Cnopf ’schen Kinderklinik                      versichtlich, weil sich die medizinische Ver-   Klara mit ihrem Papa und Frau Lohmann, Eva,
Nürnberg. Möglich wurde das – und ist es                       sorgung von Kindern mit Down-Syndrom              ihr Papa und Frau Homer-Schmidt, Luca mit
weiterhin – dank der Gastfreundschaft der                      – ebenfalls dank der anderen DS-Ambulan-                   seinen Eltern und Elzbieta Szczebak
Klinikleitung, weil wir die Räume einmal                       zen und Beratung an SPZs – deutlich ver-
im Monat nutzen dürfen und auf das kom-                        bessert hat und weiterhin profiliert. Dass             Die Aufnahmen wurden während der
petente, hilfsbereite Krankenschwester-                        dies auch für Erwachsene gilt, muss uns al-      DS-Sprechstunde im Februar 2016 gemacht.
Team vor Ort zählen können.                                    len ein ernstes Ziel sein.

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Von „Einfach Sontje“ zu „Lucie, tout simplement“

Sontje? Lucie? Beides richtig! „Unsere“
Sontje trägt einen zweiten Vornamen,
nämlich Lucia, und das war hilfreich
für die Übersetzung des Kinderbuchs
„Einfach Sontje“, das wir 2014 heraus­
gebracht haben. Das Fotobuch für Ge-
schwister und alle, die in Bildern und
kurzen Texten den Alltag von Sontje
und ihrer Familie kennenlernen möch-
ten, liegt jetzt in Französisch vor.
Wie es dazu kam, darüber berichtet
Familie Teutsch aus Brüssel.

W       ir leben seit fast 15 Jahren in Belgi-
        en und sind seit elf Jahren Eltern ei-
nes Kindes mit Down-Syndrom. Unsere
                                                                                                  Lena mit dem Buch „Einfach Sontje“ und seiner
                                                                                             französischen Übersetzung „Lucie, tout simplement“

Tochter Lena geht mittlerweile in die fünf-
te Klasse einer französischsprachigen Re-         und die eigentlich ihr ganzes Leben Kind           nur schwer auszusprechen ist, durften wir
gelschule in Brüssel. Nicht ganz selbstver-       bleiben werden. Ein toller Film wie „Am            nach Rücksprache mit Sontjes Familie den
ständlich, denn Belgien hinkt Deutschland,        achten Tag“ mit Pascal Duquenne hat das            Namen für die hiesige Version in „Lucie“
was Inklusion betrifft, doch um einige Jahre      auch nicht ausreichend ändern können.              ändern – Lucia trägt Sontje übrigens tat-
hinterher. Sehr viele praktische Erfahrun-           Nun schauen wir uns, auch wenn wir              sächlich als zweiten Namen. Die franzö-
gen gibt es bislang nicht und viele Diskus-       schon lange in Belgien leben, regelmäßig           sische Version des Buches heißt nun also
sionen drehen sich noch darum, OB In-             an, was das Deutsche DS-InfoCenter an In-          „Lucie, tout simplement“.
klusion überhaupt gut ist, bevor man dazu         formationen, Anregungen, Materialien an-              Die Freude war groß, als das fertige
übergeht zu diskutieren, WIE Inklusion gut        bietet. Zugegeben: Da werden wir manch-            Buch Mitte März in Belgien angekommen
gelingen kann. Zum Glück gibt es auch hier        mal fast grün vor Neid.                            war, und dass es nun über „Inclusion asbl“
viele engagierte Eltern, Ärzte, Therapeuten          Als beim DS-InfoCenter „Einfach Sont-           verkauft wird – das erste Mal übrigens bei
und Lehrer, die das anders sehen. Aber es         je“ erschien, fanden wir das Buch mit der          der jährlichen Tagung der hiesigen Selbst-
ist doch noch einiges an Aufklärungsarbeit        so ganz alltäglichen Geschichte der dreijäh-       hilfevereine und Universitätskliniken mit
zu leisten.                                       rigen Sontje, mit den ansprechenden Fotos          Down-Syndrom-Sprechstunde.
    Auf der Suche nach Kinderliteratur zum        aus dem Leben der Familie Biermann, so-               Einen ganz herzlichen Dank an alle, die
Thema – um beispielsweise im Kindergar-           fort so überzeugend, dass wir uns fragten:         an der Realisierung dieses Projektes mitge-
ten oder in der Schule zu sensibilisieren –       „Einfach Sontje“ müsste es doch auch auf           wirkt haben!
sind wir im französischsprachigen Raum            Französisch geben können – oder?                            Annette, Lena und Michael Teutsch
nie wirklich fündig geworden. Hier wird              Vom DS-InfoCenter kam für dieses Vor-
in Kinderbüchern meist ein Bild von Kin-          haben rasch grünes Licht. Und „Inclusion               Unsere Freude ist auch groß. Wir wün-
dern mit Down-Syndrom gemalt, das einer           asbl“, der französischsprachige Selbsthilfe-           schen „Lucie, tout simplement“ einen
Begegnung auf Augenhöhe nicht unbedingt           verein in Belgien, war ebenfalls schnell mit        großen und stets wachsenden Leserkreis
zuträglich ist: Kinder mit Down-Syndrom           dabei. Mit vereinten Kräften wurde „Ein-                    im französischsprachigen Raum!
sind da niedliche kleine Wesen, zu denen es       fach Sontje“ also ins Französische übersetzt,
nett zu sein gilt, weil sie benachteiligt sind,   und da „Sontje“ für Französischsprachler

                                                                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016   7
GUK - FINDEN, BEGLEITEN UND SICHERN KÜNSTLERISCHER ARBEITSPLÄTZE - SPRACHVERSTEHEN - DS-INFOCENTER
d e u t s c h e s
           down-syndrom
                          infocenter

                                          X
           Junge Erwachsene gestalten unsere
                                                                                       Neues aus dem DS-InfoCenter ...

                                                                                                                                                         X
           Pressemeldung
             !           zum WDST 2016 mit
                  !
                  !
                 !

                                                                                                                                                                           E
                 !
                 !                                                                                                                                                                 s ist eine Selbstverständlichkeit und
                !                                                                                                                 d e u t s c h
                                                                                                                            down-synd           e s                                seit Jahren fortgeführte Tradition,
                !                                                                                                                        infocent m
                                                                                                                                                                      ro           die Presse mit einem Pressetext zum
                !
               !
                                                                                                                                                 er                        Welt-Down-Syndrom-Tag zu informieren.
                                                                                                                            Ham me rhö he
                                                                                                                                             3

               PR ES SE M IT TE
                                                                                                                           912 07 Lau f
                                                                                                                                                                           Die Inhalte sind davon bestimmt, was sich
               !
                                                                                                                           Tel. +49 912 3
                                IL U N G                                                                                  Fax +49 912 3
                                                                                                                                            982121
                                                                                                                                                                           als aktuelles Thema anbietet. Die Presse-
                                                                                                                                           982122
                                                                                                                          e-m ail: ds.i nfo
             Am 21.3. ist W                                                                                               ww w.d s-in foc
                                                                                                                                            cen ter@ t-o nlin
                                                                                                                                                              e.d e        meldung des DS-InfoCenters wird an ver-
                             elt-Down-Synd                                                                                                ent er.d e

             „Hallo Gesells                  rom-Tag                                                                                                                       schiedenen Orten in Deutschland an die
                            chaft – Das is
             Erwachsene m                  t uns wichtig!“                                                                                                                 Regionalzeitungen weitergegeben oder als
           !                it Down-Syndro                 – sagen
                                              m an diesem Ta
                                                              g                                                                                                            Anhaltspunkt für die eigenen Meldungen
           Am 21. März fin
                                                                                                                                                                           genutzt. Und das ist gut so – wir sind froh,
           !
                              de
           leben mit Down t der Welt-Down-Syndrom
                             -Syndrom. Me                        -Ta
                                              ist wird über sie g statt. Bis zu 50 Tausend
          „Wir wollen, da                                          gesprochen, hie                    Mens
                                                                                        r schreiben sie chen in Deutschland
                                                                                                                                                                           Elterngruppen dadurch unterstützen zu
                           ss andere me                                                                    selbst über sic
          Menschen mit
                           Down-Syndrom
                                            hr über uns er
                                                               fahren“, sagt Mi                                               h.                                           können.
         2016 in Nürnbe                        ha ben sich dazu                    ch  ae la. Sie und acht we
                            rg zusammenge                            in einem Worksho                             itere junge                                                  In diesem Jahr haben wir eine Idee um-
         junge Frau we                          funden. „Wir sin                            p der DS-Akad
                         iter aus. „Wir ha                           d unterschiedli                          emie am 5. Mä
        nicht so gut un                      ben gewisse Sc                             ch, aber gleich
                                                                                                           we
                                                                                                                                 rz                                        gesetzt, die uns sehr wichtig ist: Menschen
                          d können nicht                          hwierigkeiten:                               rtvoll“, führ t die
                                                                                    Wir sind kleine
        man uns desw
                         egen nicht zuhö
                                             so gut ausdrü
                                                               cken, was wir
                                                                                 sagen wollen.
                                                                                                      r. Wir verstehen
                                                                                                                            einiges
                                                                                                                                                                           mit Down-Syndrom als Expertinnen und
        auch nicht, ab                       rt. Das ist traur                                     Es kann passier
       Michaela ergä
                        er wir nehmen
                                           gerne Hilfe an
                                                                 ig und ärgerlic
                                                                                   h für uns. Mit                        en, dass                                          Experten in eigener Sache schrieben an
                        nzt „Wir sind dir                    .“ Sonja meint                          den Zahlen ha
                                            ekter. Ich trau                    : „Aber wir sin                          ben wir es                                         der Pressemeldung zum WDST 2016 mit.
       trauen. Wir sin                                        mich Dinge au                      d etwas Besond
                        d offen und die                                          sz us                                eres.“ und
       Rolle, was sie                       Me  nschen können                          pr ec hen, die sich an
                       beruflich mach
                                          en und wie vie
                                                                     bei uns so sein,
                                                                                          wie sie sind. Es
                                                                                                                 dere nicht                                                Zehn junge Erwachsene meldeten sich zum
      Wünsche und                                           l Geld sie habe                                   spielt für uns
                       Interessen wie                                           n. Und wir habe                                keine                                       Workshop der DS-Akademie „Hallo Ge-
      „Ich möchte ak                      alle anderen.“                                            n of
                        zeptier t werden                     „Ic h hänge gerne                           t die gleichen

     !
     arbeiten und zu                       “, fordert Helen                          mit Freunden                                                                          sellschaft – Das ist uns wichtig!“ an. Das Er-
                         Club-Spielen ge                        e. Und Christia                       ab “, sagt dazu Fe
                                            hen kann.“                            n meint: „Mir ist                         nea.
     An dieser Pres
                                                                                                       wichtig, dass ich                                                   gebnis ihrer konzentrierten und sehr enga-
                      semitteilung ha
    (29), Caroline
                     (31), Michaela
                                         ben mitgewirkt
                                                           :                                                                                                               gierten Arbeit ist auf dieser Seite zu lesen.
                                        (24), Benjamin Lukas (18 Jahre alt), Sonja
    Kurzinformation                                        (31), Helene (1                       (26), Enes (20)                                                               Nachdenklich wurden wir alle, als eine
                                                                               9) und Fenea                          , Christian
                                                                                                 (23).
    Das Down-Synd
                      rom ist eine Va                                                                                                                                      der Teilnehmerinnen plötzlich in die Run-
   Chromosomen                           riante des me
                                                          nschlichen Ch
   Nummer 21 ist
                     besteht (sonst
                                        haben Mensch                         romosomensa
                                                                                               tzes, der aus 47                                                            de sagte: „Ich selber habe die Schwierig-
                     dreifach vorhan                      en 46 Chromos
                                         den, deshalb au                       omen). Das Ch                                                                               keit in der Gesellschaft und in einem be-
   Die Trisomie 21                                            ch die Bezeich                      romosom mit
                      prägt die Gesu                                             nung Trisomie                      der
  Kinder mit DS
                   haben ein eigen
                                        ndheit und de
                                                         n Alltag der Me
                                                                                                   21.                                                                     reits Gespräch das auszusprechen was ich
  zunehmend ink                         es Lerntempo                          nschen in unter
 Erwachsene mi
                    lusive Schulen
                                      . Sie haben Ho
                                                        , besuchen he
                                                                            ute meist Rege
                                                                                                  schiedlicher We
                                                                                                                       ise.                                                eigentlich wirklich sagen möchte. Ich kom-
                   t DS arbeiten                        bbys und feier                         lkindergärten
                                    in  de                                  n Er fol ge                          und                                                       me entweder nicht dazu oder gar hinterher
 Sie können ein                            n Werkstätten                                bei Special Olym
                   eigenständige                              oder immer hä                                  pics.
                                     s Leben mit As                              ufiger auf dem
 Die Vereinten
                 Nationen habe
                                                       sistenz führen
                                                                          .
                                                                                                    ersten Arbeits
                                                                                                                        markt.                                             (...). Wie ist das bei euch, geht das euch ge-
                                   n  am 10. Novemb
offiziell ausger
                 ufen.                                    er 2011 den 21
                                                                               .3. zum Welt-D
                                                                                                                                                                           nauso?“ Diese Frage könnten wir uns alle
                                                                                                  own-Syndrom-Ta
Kontakt: Elzbie
                 ta Szczebak, 09                                                                                        g                                                  immer wieder aufs Neue stellen: Hören wir
Deutsches Do                         123 98 21 21
                wn-Syndrom Inf
                                   oCenter                                                                                                                                 wirklich zu?

  Ban kve rbin dun
                    g Spa rka sse Erla
  Ste uer -Nr. 241                     nge n | IBA N
                   /11 0/7 130 2                      DE 267 6 350 0
                                 | USt -IdN r. DE                    000 0 500 0 642
                                                  190 0 77 938                       5 | BIC BYL AD
                                                                | Trä ger Deu                       EM 1ER H
                                                                              tsc hes Dow n-S
                                                                                              ynd rom Info Cen
                                                                                                               ter e.V.

           8              Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2                           I   Mai 2016
GUK - FINDEN, BEGLEITEN UND SICHERN KÜNSTLERISCHER ARBEITSPLÄTZE - SPRACHVERSTEHEN - DS-INFOCENTER
g     W E LT- D O W N - S Y N D R O M -TA G 2 0 1 6

                                               Auszeichnung
                                               für eine gute Beratung!
                                               In unserem Beratungsalltag hören wir von Eltern nach wie vor sehr
                                               gemischte Berichte über die Gespräche und die Diagnosevermittlung
              Dr. Schneider und Anne
                                               – sowohl vor wie auch nach der Geburt. Diese Beratungssituation kann
                                               sich nachhaltig nur dann ändern, wenn angehende Ärztinnen und Ärz-
Hallo liebes DS-Team,                          te bereits im Studium gute Veranstaltungen belegen. Es müsste ihnen
ich würde sehr gerne den leitenden Ober-       natürlich ein zeitgemäßes Wissen über die Gesundheit und das Leben
arzt Hans-Christoph Schneider der Kinder-
station der Kreiskliniken in Reutlingen aus-   von Menschen mit Trisomie 21 vermittelt werden. Nur bedingt können
zeichnen lassen. Er war und ist immer für      wir und andere Eltern-Organisationen darauf Einfluss nehmen. Eine
unsere Tochter da. So wertschätzend wie er     Möglichkeit sehen wir allerdings darin, die positiven Beispiele hervor-
mit ihr und uns allen umgeht, hat er die-      zuheben und sie anzuerkennen, damit sich die Wichtigkeit des Anlie-
se Auszeichnung unbedingt verdient. Er
hat uns nach der Geburt sowie durch die        gens in der Berufsgruppe „rumspricht“. Deshalb haben wir anlässlich
schwere Zeit ihrer beiden Herzoperatio-        des WDST 2016 wieder einen Aufruf gestartet, die Auszeichnungen für
nen begleitet. Auch heute betreut er unse-     eine gelungene Diagnosevermittlung zu verteilen. Die Rückmeldun-
re Tochter Anne kinderkardiologisch! Ein       gen von rund 30 Familien lassen hoffen – das Gute setzt sich mit der
wahrer Menschenfreund!
                                               Zeit durch! Herzlichen Dank an alle, die mitgemacht haben!
Ich danke euch schon vorab.
Eure Uli Kapala

Hallo DS-InfoCenter,                           Liebe Mitarbeiterinnen                                        Dr. Triebel (Chefarzt der Gynäkologie),
vielen Dank für die schöne Urkunde. Wir        des DS-InfoCenters,                                           Dr. Willaschek (Oberarzt Kinderklinik),
haben sie unserem Dr. Schneider über-          am 21.3. haben wir unsere drei Urkun-                  Daniela und Emma Schmitt, Kinder-Bobath-
reicht. Ich habe etwas geschrieben und ein     den überreicht und wir möchten Ihnen                                  Physiotherapeut Giulio Pesenti,
Bild gemacht, vielleicht können Sie es ver-    zurückmelden, dass diese Aktion sehr,                                        Kinderärztin Patricia Arz.
wenden. Es war ein wirklich besonderer         sehr gelungen war!                                     „Die Klinik hat sich sehr gefreut über die Aus-
Tag. Ich habe mich so gefreut, endlich mal        Die Menschen waren überrascht, ha-                     zeichnung“ – schrieb uns Daniela Schmitt
ganz „offiziell“ Danke sagen zu können.        ben sich sehr gefreut und vor allem: Es                     nach der Übergabe am 21.3. im Caritas-
Und das hat einfach gepasst. Zudem haben       war eine Anerkennung ihrer täglichen                                 Krankenhaus Bad Mergentheim.
wir dann noch gleich Annes Vorsorgeunter-      Arbeit. Uns hat es gut getan, diesen Per-
suchung angeschlossen. Und Annes Herz­         sonen auch einmal etwas zurückgeben
situation war das erste Mal seit zwei Jahren   zu können.
deutlich verbessert. Ich habe das schon gar    Bitte noch viele solcher tollen Ideen.
nicht mehr für möglich gehalten. Aber ich
                                               Herzlichst,
verstehe das als kleines Zeichen. Wir sind
                                               Ihre Fam. Stölzle
seit langer Zeit das erste Mal wieder beru-
higter und sehr froh. Ich denke, diese Ur-
kunde hat genau den richtigen Menschen
erreicht. Die ganze Ambulanz hat sich für
ihren Oberarzt gefreut. Und wir hatten sehr
viel Spaß beim Fotosmachen, na ja Anne
war nicht wirklich begeistert.
Viele Grüße aus Hechingen sendet
Uli Kapala

                                                                                      Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016   9
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g    SELBSTHILFE

Rückblick auf 30 Jahre Down-Syndrom
T E X T: CO R A H A L D E R

Diesen Vortrag mit einem Rückblick auf 30 Jahre Down-Syndrom hielt die Autorin bei der Deutschen
DS-Tagung in Augsburg, Oktober 2015. Dabei referierte sie sowohl aus der persönlichen Perspektive als
Mutter wie auch mit dem beruflichen Blick der Fachfrau. Der Vortragsstil wurde in diesem Beitrag be-
wusst beibehalten.

Einleitung                                                       den Freuden, den Ängsten und den Proble-        tern-Selbsthilfe und im Besonderen die des
                                                                 men vieler anderer Eltern – 30 Jahre der El-    Deutschen DS-InfoCenters, das sicher als
Als ich vor einiger Zeit von der Tagungs-                        tern-Selbsthilfe.                               ein gutes Beispiel der Eltern-Selbsthilfe ste-
organisation gefragt wurde, ob ich ein be-                           Es bedeutete ebenso 30 Jahre des Unter-     hen kann.
stimmtes Thema auf Lager hätte für diese                         wegsseins in Sachen Down-Syndrom: Semi-            Für diesen Vortrag habe ich spontan ein-
Tagung, fiel mir ein, dass bis dahin mei-                        nare, Workshops, Vorträge in Schulen, an        fach einige Themen herausgesucht, denn in
ne Tochter gerade ihren 30. Geburtstag ge-                       Unis, vor Elterngruppen. Beratungsgesprä-       90 Minuten kann ich unmöglich alles an-
feiert haben und ich mich gerade mit dem                         che mit jungen Eltern mit ihrem Baby, mit       sprechen, also lasse ich heute nur einige we-
Wechsel in den Ruhestand beschäftigen                            Paaren, die ein Kind mit Trisomie 21 erwar-     nige Aspekte Revue passieren.
würde.                                                           ten, sowie mit Eltern und Geschwistern er-
                                                                 wachsener Personen mit Down-Syndrom.            1. Down-Syndrom-Terminologie
                                                                 Gespräche mit Erziehern/-innen, Lehrern/­-      Wie sagt man’s richtig?
                                                                 -innen, Ärzten/-innen, mit Pflegepersonal,
                                                                 Betreuern, Begleitern, Freunden, Arbeitge-      1985 war der Begriff Down-Syndrom eher
                                                                 bern, die alle in irgendeiner Weise mit ei-     unbekannt. Mongoloid und Ableitungen da-
                                                                 nem Menschen mit Down-Syndrom zu tun            von wie Mongo oder Mongölchen waren die
                                                                 hatten, dies vorhatten oder dies tun sollten!   üblichen Begriffe, damit konnte jeder etwas
                                                                     Und 30 Jahre lang Weiterbildung auf         anfangen, besonders nach der Fernsehserie
                                                                 Kongressen im In- und Ausland, durch den        aus dem Jahr 1974 Unser Walter.
                                                                 Austausch mit Fachleuten aus der ganzen             Das Wort war negativ besetzt, es tauch-
                                                                 Welt, aus Fachzeitschriften und durch zahl-     ten in den Köpfen der Menschen in der Re-
                                                                 reiche Kontakte mit Familien und Men-           gel Bilder bedauerlicher Geschöpfe auf,
                                                                 schen mit Down-Syndrom selbst.                  die nicht oder kaum sprechen, geschwei-
                                                                     Da könnte es doch Interessantes zu er-      ge denn lesen oder schreiben konnten, de-
                                                                 zählen geben. Ja, ein Rückblick auf 30 Jahre    ren Entwicklung mit vier Jahren stagnierte
                                                                 Down-Syndrom, sagte ich Herrn Schmitz,          und die lebenslang unselbstständig blieben.
                                                                 das könnte mein Thema sein. Aber je nä-         Man spürte Mitleid, aber mehr noch Ableh-
                                                                 her der Termin rückte, desto weniger gefiel     nung, die Menschen wandten sich ab.
                                                                 mir die Idee, auf 30 Jahre zurückzublicken.         Versuche unsererseits, Leute zu über-
                                                                 Es kamen Zweifel hoch: Würde sich über-         zeugen, den Begriff mongoloid nicht mehr
                                                                 haupt jemand zu diesem Vortrag anmel-           zu benutzen, wurden anfangs abgetan mit
                                                                 den? Waren nicht alle anderen Themen viel       Bemerkungen wie „So ein Quatsch, das ist
                                                                 wichtiger? Sollte man nicht lieber nach vor-    doch egal, was man sagt und ich meine es ja
                                                                 ne blicken und sich beispielsweise Gedan-       gar nicht böse“. Die Presse, wenn sie über-
                                                                 ken darüber machen, wie es in 30 Jahren         haupt über Down-Syndrom schrieb, blieb
                                                                 für unsere Menschen mit Down-Syndrom            genauso bei diesen M-Wörtern.
                                                                 aussieht? Und was bis dahin alles zu tun            So lautete beispielsweise der Titel ei-
   Dann würden genau 30 Jahre Down-                              ist? Aber es gab keinen Weg mehr zurück,        nes Artikels in den Nürnberger Nachrich-
Syndrom hinter mir liegen. Nicht nur als                         und deshalb bin ich heute hier. Tatsächlich     ten 1990 „Mongoloide sind kein Strand-
Mutter, die sich tagtäglich an Down-Syn-                         sind viele Zuhörer/-innen gekommen und          gut!“. Aber auch 2013 sprach der Chefarzt
drom-Besonderheiten erfreut, sich darüber                        möchten anscheinend doch mit mir zusam-         einer Hautklinik noch vom „Mongo mit der
gewundert oder auch geärgert hat und so                          men zurückblicken. Das freut mich – und         Schuppenflechte …“.
manches Mal schier daran verzweifelt war.                        zum Schluss kann ich dann trotzdem noch             Dabei hatte bereits 1964 die Mongo-
Sondern eben auch fast 30 Jahre Down-                            einen Blick in die Zukunft wagen.               lei im Weltgesundheitsrat den Antrag ge-
Syndrom aus der beruflichen Perspektive,                             Eng verbunden mit meiner persönli-          stellt, man möge die Bezeichnung ihrer
in der ich Tag für Tag teilhaben konnte an                       chen Geschichte ist natürlich die der El-       Rasse nicht für eine Behinderung benutzen.

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g      SELBSTHILFE
                                    Diesem Antrag hatten alle Länder zuge-             drom-Tag 2015 beschäftigte sich mit dieser
                                    stimmt und ihn unterschrieben.                     Thematik.
                                        Nicht selten war damals noch Schlim-               Wie spreche ich über Down-Syndrom?
                                    meres zu hören. So gab es, etwa bei einem          ist ein Thema, das noch nicht zu Ende dis-
                                    Familienspaziergang oder auf der Straße,           kutiert ist. Genau wie eine Reihe anderer
                                    Geraune in der Art: „… dass es heute so            Begriffe, die uns schwer im Magen liegen:
                                    etwas noch gibt, im Krieg hat man die we-          Was ist mit dem Wort „behindert“ oder gar
                                    nigstens vernichtet.“                              „geistig behindert“, und wer ist nun mehr
                                        Eigentlich waren wir da schon tapfer           oder weniger normal oder gar abnormal?
                                    und auch stolz mit unseren Babys unter-            Was meinten wir mit Integration und was
                                    wegs, wir versteckten sie nicht mehr, wie          meinen wir heute mit Inklusion, was genau
                                    noch die Generation vor uns sie versteck-          ist ein I-Kind? Und dann noch das beliebte
                                    te, obwohl auch ich Familien kannte, die           „Leiden“ am Syndrom – auch schon seit 30
                                    sich mit ihrem Kind nicht auf die Stra-            Jahren Anlass zur Diskussion.
                                    ße trauten oder den Kinderwagen immer                  Wenn ich schon dabei bin … was ist ei-
                                    wegdrehten, damit niemand hineinschau-             gentlich mit dem Wort Krankheit? Die
                                    en konnte.                                         Down-Erkrankten? Wie oft haben wir dar-
                                        Aber mit derart bösartigen Äußerun-            auf hingewiesen: „Nein, mein Kind ist nicht
                                    gen waren wir trotzdem ziemlich über-              krank, es hat nur Down-Syndrom! Selbst-
                                    fordert. Statt uns schlagfertig zu wehren,         verständlich kann es auch krank werden,
                                    blieben uns in solchen Situationen die             eine Lungenentzündung, eine Erkältung
                                    Worte im Halse stecken und kamen eher              oder Krebs haben, aber allein das Down-
                                    Tränen. Wir mussten noch viel lernen.              Syndrom bedeutet nicht, dass es krank ist!“
                                        Dabei geholfen hat uns die Postkarte               Allerdings: In wissenschaftlichen Krei-
                                    Tumur und Stephan, die wir immer dabei             sen wird genau dem schon länger wider-

                                    Wie sprechen wir über Menschen mit Down-
                                    Syndrom? Darüber ist das letzte Wort noch
                                    nicht gesprochen!

                                    hatten und dann, wenn uns wieder einer             sprochen und es heißt: Down-Syndrom sei
                                    mit dem Wort Mongölchen oder mongo-                nichts anderes als eine Stoffwechselerkran-
                                    loid ärgerte, höflich als Denkzettel über-         kung! Wenn dem tatsächlich so wäre, könn-
                                    reichten.                                          te man dann beispielsweise in den Hirnstoff-
                                       Die Diskussion um die richtige, die             wechsel eingreifen und mit Medikamenten
                                    beste Bezeichnung dieser „Behinderung“             eine Heilung herbeiführen oder doch min-
                                    hat seitdem nicht aufgehört. Sprechen wir          destens eine Verbesserung erreichen? Die
                                    lieber umständlich und kompliziert: Men-           Trisomie medikamentös zu behandeln ist
                                    schen, die unter den Bedingungen einer             heute ein großes Thema, aber genau das gab
                                    Trisomie 21 leben? Oder direkt, schlicht           es auch schon früher. Gehen wir doch ein-
                                    und einfach: Down-Mensch, Down-Kind                mal ein Stück zurück in die Zeit.
                                    oder gar – durchaus liebevoll und auch
                                    intern gern benutzt – über Downies? Und            2. Down-Syndrom-Behandlung.
                                    was ist mit dem Down-Patienten oder der            Von der Zelltherapie bis Basmisanil
                                    Down-Schülerin? Alles No-Go’s. Die sim-
                                    ple Antwort ist, Menschen mit Down-                Bereits in den 60er-Jahren versuchte man,
                                    Syndrom einfach bei ihrem Namen zu                 die „Mongolismus-Krankheit“ zu behan-
                                    nennen.                                            deln, mit Hormontherapie, mit Glutamin­
                                       Auf einem Plakat des englischen DS-             säure oder durch eine sogenannte Zell-­
                                    Vereins hieß es schon 1985: „You say               Nachreifungsbehandlung, bei der regelmä-
                                    mongol, we say Down‘s Syndrome, but                ßig hohe Dosen an Vitaminen zugeführt
                                    his mates call him David.“ Eine Antwort,           wurden.
                                    die auch heute noch gilt und die man be-              Eines der ersten Bücher, die ich nach der
Einfach David, Stephan oder Lina!
                                    kommt, wenn man junge Menschen mit                 Geburt meines Kindes geschenkt bekam,
Menschen mit Down-Syndrom
                                    Down-Syndrom selbst fragt. Ich heiße               war „Das Mongolismus-Syndrom“ von Prof.
beim Namen nennen
                                    Tobias. Sag einfach meinen Namen! Auch             Franz Schmid. Seine Methode war die Zell-
                                    die Posteraktion zum Welt-Down-Syn-                therapie. Dabei ging es um Injektionen mit

                                                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016   11
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tierischen Frisch- und Trockenzellen, die                         Über die Jahre wurden so verschiedene           Viele Fragen jedoch bleiben zunächst
die körperlichen und geistigen Fähigkei-                      Vitamine, Mineralien, Öle et cetera, ange-      unbeantwortet. Was ist mit eventuellen Ne-
ten der Kinder verbessern sollten. Den Pa-                    priesen, die alle eine positive Wirkung auf     benwirkungen, auch langfristig gesehen?
tienten wurde intramuskulär eine Sub­stanz                    die Entwicklung des Kindes haben sollten.       Muss man Basmisanil lebenslang nehmen?
gespritzt, die aus Zellen und dem Gewe-                       Es mag wohl etwas dran sein, und manche         Ändert man nicht das Wesen des Kindes?
be ungeborener und neugeborer Lämmer                          Kinder mögen tatsächlich von einer rich-        Ist das ethisch vertretbar?
stammte. Nicht nur sollten die Tierzellen im                  tig dosierten und kontrollierten Nahrungs-          Bei aller Skepsis sollten wir offen für die-
Gehirn wirksam werden, sie konnten auch                       ergänzung profitieren. Aber das eine Mittel     se Entwicklungen sein. Falls unsere Kinder
das Wachstum beschleunigen und die Phy-                       schlechthin, das für alle Kinder genau passt,   eines Tages selbst diese Mittel als hilfreich
siognomie, also äußere Merkmale der Be-                       gibt es nicht. Keine Studie auf der Welt        ansehen und sich dabei wohlfühlen, dürfen
handelten, mildern.                                           konnte dazu bisher einen Beweis liefern.        wir sie und werden wir sie ihnen nicht vor-
    Die Wirkung dieser Zelltherapie wurde                         Viele dieser Präparate werden auch im In-   enthalten.
belegt mit vielen Fotos – vor der Behand-                     ternet als erfolgversprechend angeboten und         In einem ausführlichen Artikel in der
lung und danach (ähnlich wie in Frauen-                       es ist nicht verwunderlich, dass in Ländern     ZEIT, „Eine Pille für Oskar“, beschrieb die
zeitschriften, vor und nach dem Friseur-                      wie dem Kosovo, Bosnien, Polen oder Russ-       Mutter eines Kleinkindes mit Down-Syn-
besuch oder der Kleidungsberatung). Die                       land Eltern solche Nahrungsergänzungs-          drom diese neue Forschung und die Studi-
Frischzellentherapie wurde dann allerdings                    mittel bestellen. Sie erfahren nämlich sonst    en zu Basmisanil und kommt dabei zu dem
verboten, sie erschien zu riskant (unter an-                  keine oder kaum Unterstützung bei der För-      Schluss: Man sollte versuchen, die Folgen
derem wegen BSE und Tollwut). Heute ist                       derung ihrer Kinder, es gibt weder Frühför-     der Trisomie 21 zu lindern, seinem Kind zu
sie aber wieder zugelassen, zum Beispiel im                   derung noch Therapeuten und auch keine          helfen, besser klarzukommen in einer Welt,
Rahmen von Anti-Aging-Therapien.                              informierten Ärzte. Es ist also verständlich,   die täglich komplizierter wird – auch mit
    Eltern, die damals zu Prof. Schmid nach                   dass man dann auf andere Mittel ausweicht.      einem Medikament!
Aschaffenburg reisten, erzählten aber nicht                       Grüntee-Extrakt ist zurzeit ebenfalls           Verstehen sollen wir aber auch, dass es
nur von der Zelltherapie. Er sei auch der                     im Gespräch. Wissenschaftler in Barcelo-        mit einer kleinen grünen Pille nicht ge-
einzige Arzt gewesen, der ihnen Mut ge-                       na haben den darin enthaltenen Wirkstoff        tan ist, denn das Down-Syndrom wird da-
macht habe, das Kind auch pädagogisch                         ECGC in Studien mit trisomen Mäusen ge-         mit nicht geheilt. Physiotherapie, Logopä-
zu fördern und Physiotherapie zu machen.                      testet und festgestellt, dass die Mäuse leis-   die und pädagogische Förderung bleiben
Denn in diesen Kindern stecke viel mehr,                      tungsstärker wurden. Es wird angenom-           wichtig und unverzichtbar. Inklusion und
als allgemein angenommen werde. Das war                       men, dass die antioxidante Wirkung auch         eine gute medizinische Versorgung werden
eine sehr fortschrittliche Denkweise!                         die kognitive Entwicklung von Kindern mit       nach wie vor Priorität haben.
    In den 90er-Jahren des vergangenen                        Down-Syndrom begünstigen kann. Studien
Jahrhunderts luden wir Prof. Schmid ein-                      dazu laufen, eindeutige Beweise liegen noch     3. Medizinische Aspekte
mal zu einem Vortrag ein und ich erinnere                     nicht vor.                                      Von „Herz-OP bei DS lohnt sich nicht!“
mich, dass er uns junge Eltern nicht über-                        Und doch wird es in der nahen Zukunft       bis „Endlich offizielle DS-Leitlinien!“
zeugen konnte. Einen Beweis dafür, dass                       einen Wirkstoff geben, der tatsächlich hel-
die Zelltherapie tatsächlich Verbesserun-                     fen kann. Jedenfalls, wenn man der Phar-        Im medizinischen Bereich hat sich viel getan
gen bringt, konnte er nie liefern.                            ma-Industrie Glauben schenkt. Seit vielen       und eigentlich nur Positives. Durch weltwei-
                                                                                                              te Forschung wissen wir heute gut Bescheid
                                                                                                              über die gesundheitlichen Probleme von
                                                                                                              Kindern und Jugendlichen mit Down-Syn-
Basmisanil – eine spannende Sache,                                                                            drom. Es gibt spezielle DS-Sprechstunden
die wir im Auge behalten sollten.                                                                             für sie, wir haben endlich eigene Perzen-
                                                                                                              tile, die nach Studien in Deutschland zu-
                                                                                                              sammengestellt wurden, und müssen keine
                                                                                                              mehr aus dem Ausland zum Vergleich neh-
    Auch die Welle mit Nahrungsergän-                         Jahren arbeitet die Firma Roche an einem        men. Alle Babys werden sofort auf Herz-,
zungsprodukten machte vor dem Down-                           Wirkstoff, der genau das bewirken soll, was     Darm-, Hör- und Sehprobleme untersucht,
Syndrom nicht halt und ist immer noch ein                     bis jetzt mit allen anderen Mitteln nicht ge-   eine Behandlung mit Chemotherapie bei an
Thema, obwohl es auch hier keine handfes-                     lungen ist. Nämlich, in bestimmte Hirn-         Leukämie erkrankten Kindern verläuft heu-
ten Beweise für den Erfolg einer solchen                      funktionen so einzugreifen, dass Kinder         te in der Regel erfolgreich. Herzoperatio-
Therapie gibt.                                                mit Down-Syndrom besser lernen können,          nen können schon bei ganz jungen Babys
    Angefangen hat es mit sogenannten HAP                     dass ihr Lernvermögen sowie ihre Gedächt-       durchgeführt werden und sie werden auch
Caps (High Achievement Capsules). Sie                         nis- und Konzentrationsleistungen gestei-       durchgeführt. Man muss dazu nicht mehr
enthielten Vitamine, Glutamine, Zink, Kup-                    gert werden.                                    ins Ausland reisen. Denn in den 70er- und
fer, Magnesium und Selen und wurden von                           Auch hier hat man das Produkt an Mäu-       80er-Jahren war es durchaus nicht selbst-
Dr. Jack Warner (Kalifornien, USA) auf den                    sen bereits ausprobiert. Mit Erfolg! Schon      verständlich, dass Kinder mit einem ange-
Markt gebracht. Auch er hat nie durch eine                    ist die klinische Studie in Phase II. Der       borenen Herzfehler und Trisomie operiert
Studie beweisen können, dass das Produkt                      Wirkstoff, nun auch mit einem Namen ver-        wurden, sie schafften es häufig nicht einmal
tatsächlich etwas bewirkt. Aber auch aus                      sehen, Basmisanil, wird zurzeit weltweit an     auf eine Warteliste, denn solche OPs „lohn-
Deutschland reisten verschiedene Eltern mit                   Probanden im Alter zwischen zwölf und 30        ten sich nicht für diese Kinder!“. Ich kenne
ihrem Kind in die USA, um Dr. Warner zu                       Jahren getestet. Erste Auswertungen sollen      einige Familien, die ins Ausland – zum Bei-
konsultieren.                                                 in diesem Jahr (2016) vorliegen.                spiel nach Monaco – reisten, um ihr Kind

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dort operieren zu lassen. Diese Zeiten sind     schen mit gesundheitlichen Problemen, da-          Vieles hat sich also gut entwickelt, wenn es
zum Glück vorbei, wir haben in Deutsch-         bei wird besonders häufig Hilfe bei psychi-        um die medizinische Betreuung der Klei-
land einige ausgezeichnete Herzzentren,         schen Problemen gesucht.                           nen geht, aber wie sieht es beim Erstge-
Babys werden dort, wenn das nötig ist, be-         Das Hilfreichste für uns, das es momen-         spräch aus? Auch das ein Thema, das noch
reits in den ersten Monaten operiert.           tan auf diesem Gebiet gibt, sind die beiden        immer im Fokus steht!
    Eltern sind heute in der Regel gut über     Bücher von Brian Chicoine und Dennis                  In den 70er- und frühen 80er-Jahren gab
das Down-Syndrom informiert, dazu ha-           McGuire. Wenigstens können Eltern sich             es in den Krankenhäusern, was das Down-
ben auch die Informationen des DS-Info-         hier informieren und diese Informationen           Syndrom betrifft, keine oder nur eine sehr
Centers beigetragen. Sie können mit der         Ärzten weiterleiten, die nicht über ein sol-       mangelhafte Aufklärung. Häufig noch wur-
Broschüre Medizinische Aspekte und mit          ches Detailwissen verfügen.                        de geraten, das Kind in ein Heim zu geben
dem Checkheft Ärzte auf notwendige Un-             Und damit Menschen mit Down-Syn-                und noch mal zu versuchen, schwanger zu
tersuchungen oder Down-Syndrom-spezi-           drom auch selbst lernen, bewusster mit             werden! Hie und da versuchte ein Arzt auf-
fische Probleme hinweisen.                      dem Thema Gesundheit umzugehen, wur-               munternde Worte zu finden und Mut zu
    Aber auch (Kinder-)Ärzte können heut-       de für sie das Gesundheitsbuch entwickelt,         machen, erklärte neuen Eltern zum Bei-
zutage zum Glück auf ausführliche Fachli-       mit Informationen in einfacher Sprache             spiel: „Solche Kinder können immerhin ler-
teratur zurückgreifen. Und von diesem Jahr      und einem Dokumentationsteil, in dem               nen, mit Messer und Gabel zu essen“ oder
(2016) an können sie die offiziellen Leitli-    sich wichtige medizinische Fakten und Da-          „Die meisten von ihnen können bis zum
nien für Down-Syndrom als Informations-         ten festhalten lassen.                             Alter von sechs Jahren laufen.“ Für Eltern
quelle nutzen. Das hört sich alles positiv an
und das ist es auch.
    Trotzdem sind wir nicht zufrieden, denn
ein ganz großes Thema ist die Gesundheit
                                                Der Aufbau mehrerer DS-Ambulanzen für
der erwachsenen Menschen, nicht nur die         Erwachsene sowie die Schulung von Fachärzten,
körperliche, sondern auch die psychische
Gesundheit. Diese werfen immer mehr             Psychologen und Psychotherapeuten müssen in
Fragen auf und die Suche nach Fachleuten,
die hier weiterhelfen können, mit Wissen
                                                den nächsten Jahren Priorität haben.
über die syndromspezifischen gesundheit-
lichen Besonderheiten, mit genügend Ge-
duld, Zeit und Einfühlungsvermögen für             Klar hat sich die Lebenserwartung enorm         klang das eher entmutigend und beängsti-
diese Patientengruppe … diese Suche läuft       verlängert und werden Menschen mit Triso-          gend. Häufig zählten Ärzte nur auf, welche
häufig ins Leere, denn solche Spezialisten      mie heute 60, 70, vereinzelt auch schon 80         Krankheiten mit dem Syndrom verbunden
sind extrem selten!                             Jahre. Aber dieses lange Leben sollten sie         waren, was Eltern noch mehr verzweifeln
    Eine gute gesundheitliche Versorgung        auch bei möglichst guter Gesundheit genie-         ließ. Eine positive Perspektive wurde kaum
für Erwachsene mit Down-Syndrom – da-           ßen dürfen, genau so, wie wir uns das auch         vermittelt.
von sind wir in Deutschland noch weit, sehr     für uns selbst wünschen.                               Es kamen auch ungebetene Besucher ans
weit entfernt! Es wäre ja schon ein Anfang,                                                        Bett. Das war alles gut gemeint, aber viele
wenn wir, wie in den Niederlanden, eine         4. Diagnosevermittlung                             Eltern wollten eben nicht den Herrn Pfarrer
spezielle DS-Ambulanz hätten für Erwach-        Von „Allmächt, einem Mongo hab ich                 am Bett haben, der mit einem beten woll-
sene mit Trisomie 21. In unserem kleinen        noch nie auf die Welt geholfen!“ bis zu            te und Gott danken. Wofür eigentlich, mag
Nachbarland gibt es schon in fünf Städten       Auszeichnungen für Geburtskliniken für             manch einer gedacht haben. Oder die net-
solche Anlaufstellen für erwachsene Men-        gute Beratung.                                     te, mitfühlende, mitleidende Dame des Be-
                                                                                                   hindertenverbandes, die einem ein Päck-
                                                                                                   chen Taschentücher gab, damit man die
                                                                                                   vielen Tränen, die bestimmt fließen wür-
                                                                                                   den, wegwischen konnte. Man wollte ganz
                                                                                                   und gar nichts mit einem Behindertenver-
                                                                                                   band zu tun haben! Und die Sozialarbeite-
                                                                                                   rin am Bett, was will die hier? Sind wir jetzt
                                                                                                   ein Sozialfall oder was?
                                                                                                       Viele Eltern wollten einfach in Ruhe ge-
                                                                                                   lassen werden mit ihrem Schmerz und ih-
                                                                                                   rer Verzweiflung. Wenn, dann wollten sie
                                                                                                   am liebsten mit anderen Eltern reden und
                                                                                                   spüren, dass sie nicht die Einzigen waren,
                                                                                                   dass es andere Familien gab, die das Gleiche
                                                                                                   durchgemacht hatten und die das Leben
                                                                                                   trotzdem zu meistern schienen. Zu erleben,
                                                                                                   dass diese Familien sogar stolz auf ihr Kind
                                                                                                   waren, vermittelte eine andere Perspektive.
                                                                                                       Heute ist man in den Kliniken etwas vor-
                                                                                                   sichtiger und fragt bei den Eltern nach, ob

                                                                                   Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016   13
g    SELBSTHILFE
                                                                                                              sein würde … richtig sprechen beispiels-
                                                                                                              weise. Die Hoffnung, dass das Kind Le-
                                                                                                              sen und Schreiben oder gar Rechnen ler-
                                                                                                              nen würde, sollten wir aufgeben. Genau wie
                                                                                                              auch ein Musikinstrument spielen zu kön-
                                                                                                              nen oder das Skifahren unerreichbare Zie-
                                                                                                              le seien. Man solle sich als Eltern besser
                                                                                                              auf nichts einstellen, nichts erwarten, dann
                                                                                                              könne man auch nicht enttäuscht werden!
                                                                                                                  Es war ein großes Glück, dass wir be-
                                                                                                              reits die andere Seite von Down-Syndrom
                                                                                                              kennengelernt hatten, und so glaubten wir
                                                                                                              von diesen Warnungen kein Wort und er-
                                                                                                              warteten im Gegenteil gerade viel von unse-
                                                                                                              rer Tochter (ohne dabei die Realität aus den
                                                                                                              Augen zu verlieren).
Das Ärzte-Team am Klinikum Bamberg wurde mit einer Urkunde für sein besonderes                                    Denn vielmehr hatten wir die Worte von
Engagement für Kinder mit Down-Syndrom ausgezeichnet                                                          Moira Pieterse im Ohr, der australischen
                                                                                                              Psychologin, die das Förderprogramm
sie mit jemandem sprechen möchten. Wenn                       einfühlsame Aufklärung sehr viel bei.           Small Steps entwickelt hatte. Sie sagte im-
es gut funktioniert, haben Kliniken heute                        Bei der Gründung unseres DS-Vereins          mer wieder: „If you expect more, you get
die Kontaktdaten von Eltern oder von einer                    und vieler anderer Selbsthilfegruppen in        more!“ Und genau mit diesem Förderpro-
Selbsthilfegruppe parat und können so wei-                    Deutschland damals in den 80er-Jahren           gramm Small Steps arbeiteten wir seit Ge-
terhelfen. Im Idealfall liegen dort sogar die                 war eine bessere Aufklärung nach der Ge-        burt und konnten dabei genau nachvoll-
schönen Fotobücher von Conny Wenk oder                        burt unser Hauptanliegen. Interessanter-        ziehen, was alles gelernt werden sollte und
es wird einem die Erstinfo-Mappe des Info-                    weise ist das auch heute noch genau der         auch erlernt werden konnte. Da ich von die-
Centers zur Verfügung gestellt.                               Auslöser, weshalb Eltern sich zusammen-         sem Programm so begeistert war – ich bin
    Immer noch berichtet uns etwa die Hälf-                   finden und gemeinsam versuchen möch-            es immer noch –, erwarb das DS-InfoCen-
te aller Eltern, wie unzureichend und un-                     ten, diese Situation zu verbessern.             ter die Übersetzungsrechte und konnte die-
vollständig dieses Erstaufklärungsgespräch                                                                    ses umfangreiche Förderwerk 2001 unter
verlief, und immer noch werden zum Teil                       5. Förderung, Bildung, Weiterbildung            dem Titel Kleine Schritte in deutscher Spra-
haarsträubende Dinge über Down-Syn-                           „If you expect more, you get more!“             che veröffentlichen.
drom erzählt, wird falsches Wissen weiter-                                                                        Damals war noch häufig die Rede von
gegeben und werden die Eltern noch weiter                     Das Erste, was ich über Fähigkeiten von         einem sogenannten Lernplafond: Bis zu ei-
verunsichert, als sie es in dieser unerwarte-                 Menschen mit Down-Syndrom hörte, kam            nem Alter von vier Jahren würden sich die
ten Situation ohnehin schon sind.                             von der Ärztin, die uns mit der Diagno-         Kinder entwickeln, danach sei Schluss und
                                                                                                              man müsse mit einem Stillstand oder gar
                                                                                                              mit einem Rückgang in ihrer Entwicklung
                                                                                                              rechnen. Das stellte sich glücklicherweise
Eine gute Erstaufklärung bleibt ein Thema,                                                                    bald als völlig falsch heraus. Nachdem be-
auch für die nächste Generation von Eltern.                                                                   reits überall in Deutschland Frühförderung
                                                                                                              angeboten wurde und die Kleinen sich gut
                                                                                                              weiterentwickelten, mit den Kindern flei-
                                                                                                              ßig geübt und gezielt gespielt wurde und sie
   Zum Glück gibt es aber auch sehr positi-                   se am Tag nach der Geburt unserer Toch-         bewusst zur Selbstständigkeit erzogen wur-
ve Rückmeldungen über Beratungsgesprä-                        ter konfrontierte und uns aufklären sollte.     den, merkte man bald, dass das mit dem
che nach der Geburt, Ärzte, die sich an die                   Sie erzählte ganz stolz von ihrem Neffen, ei-   Lernplafond nicht stimmen konnte. Und
Empfehlungen für ein solches Erstgespräch                     nem jungen Mann mit Down-Syndrom, der           auch nach den ersten Jahren ging es mit
halten. Sie reden nicht um den heißen Brei                    wunderbar weben konnte, am Webstuhl ei-         dem Lernen weiter. Mit zehn Jahren lern-
herum, sind direkt, sachlich, aber empa-                      gene Muster entwarf und durch Auftragsar-       ten sie immer noch Neues dazu. Und auch
thisch. Sie wissen, wie das Leben mit einem                   beiten sein eigenes Geld verdiente!             mit 15 und mit 20 Jahren noch. Vor kurzem
Kind mit Down-Syndrom heute aussehen                              Obwohl sie sicherlich auch einige gene-     stellten Studien aus Israel fest, dass rund
kann, und klären Eltern einfühlsam auf.                       tische und medizinische Aspekte erwähnte,       ums 30. Lebensjahr noch mal ein enormer
   In einer Aktion zum Welt-DS-Tag 2015                       drehte sich das Gespräch hauptsächlich da-      Lernschub möglich ist! Das bewiesen junge
konnten Familien Ärzte/-innen, Hebam-                         rum, welche Möglichkeiten die Kinder heu-       Erwachsene, die dort an der Universität von
men oder Teams aus Geburtskliniken für                        te haben und was sie alles erreichten, von      Tel Aviv studierten.
besonders gute Beratungsarbeit vorschla-                      Lesen über Radfahren bis eben hin zum               Genau das konnten wir bei der eigenen
gen, die dann vom InfoCenter mit einer                        Weben. Es war eine positive Perspektive,        Tochter auch feststellen. Kurz vor ihrem
Urkunde ausgezeichnet wurden. Die Akti-                       die wir dort vermittelt bekamen.                30. Geburtstag schloss sie eine Ausbildung
on war ein großer Erfolg. Einen guten Start                       Zurück in Deutschland, sah das jedoch       zur Betreuungsassistentin für Menschen
ins Leben wünschen wir allen Kindern mit                      ganz anders aus. Da hörten wir hauptsäch-       mit Demenz erfolgreich ab. Der Kursbe-
Trisomie 21 und dazu trägt eine gute und                      lich, was alles nicht ginge, was nie möglich    such hatte ihr enorm viel Spaß bereitet und

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g      SELBSTHILFE
                                    ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Mit viel In-       fang dort war für uns sehr positiv. Die Re-
                                    teresse und Ehrgeiz hat sie sich den Lern-         aktionen der Menschen waren ermutigend,
                                    stoff angeeignet. Von wegen, man solle             es gab viel Unterstützung bei der Förderung
                                    möglichst nichts erwarten! Von wegen, das          sowie eine gute medizinische Vorsorge. Wir
                                    Lernen stagniere!                                  ahnten damals noch nicht, dass es ein Glück
                                       Heutzutage schaffen immer mehr junge            war, dass Andrea dort geboren wurde, denn
                                    Menschen eine Berufsausbildung. Natür-             die Situation in Deutschland war zu der
                                    lich müssen die Rahmenbedingungen stim-            Zeit noch nicht so weit fortgeschritten.
                                    men, muss das richtige Material vorhan-                Aber eines war nicht gut dort: Es gab kei-
                                    den sein, muss der Kurs eventuell angepasst        ne Sonderschule! Als ich mich schon bald
                                    werden, und natürlich braucht es engagier-         erkundigte, wo diese Kinder zur Schule ge-
                                    tes Lehrpersonal und, wo notwendig, zu-            hen, war die Antwort – als ob es etwas ganz
                                    sätzliche Assistenz. Aber dann können viele        Selbstverständliches sei und ich eine dum-
                                    Menschen mit Down-Syndrom erfolgreich              me Frage gestellt hätte: „In die Sprengel-
                                    weiterlernen, ein Leben lang.                      schule natürlich, wo denn sonst?“ Die ganz
                                       Gerade auch diejenigen, die sich von            normale Regelschule? Bräuchten diese Kin-
                                    Anfang an mit dem Lernen schwer tun und            der nicht eine spezielle Förderung, ein ge-
                                    sich nur sehr langsam entwickeln, profitie-        schütztes Umfeld? Mein Gegenüber staun-
                                    ren von einem individuellen Lernangebot            te: „Die spezielle Förderung bekommen sie
                                    und erreichen Ziele, die man früher für un-        hier in der Regelschule, das Umfeld könn-
                                    erreichbar hielt.                                  te nicht besser sein, sie lernen gemeinsam

                                    Lebenslanges Lernen muss auf die To-do-Liste.

                                       Weiterbildung für Erwachsene ist das            mit den anderen, nicht behinderten Kin-
                                    Thema, das man im Auge behalten muss.              dern. Übrigens allein schon durch Nach-
                                    Denn schulisches Wissen muss weiter ge-            ahmung lernen sie dort automatisch eine
                                    nutzt und ausgebaut werden. Kurse inner-           ganze Menge. Wieso sollten sie besonders
                                    halb der normalen Erwachsenenbildung               geschützt werden? Es gibt in Neuseeland
                                    sind wichtig, in Abendschulen oder in              nur zwei spezielle Schulen, eine für blinde
                                    Volkshochschulen beispielsweise. Eine DS-          und eine für gehörlose Kinder. Aber Kinder
                                    Akademie, wie sie in Nürnberg angeboten            mit Down-Syndrom, nein, die können na-
                                    wird, ist eine weitere Möglichkeit.                türlich in eine Regelschule gehen!“
                                       Die Diskussion um die Möglichkeiten,               Ich war baff! Das ging doch ganz und gar
                                    an einer Uni zu studieren, so wie wir es           nicht. Ich kannte das Sonderschulsystem
                                    vor allem aus den USA und Kanada, aber             in den Niederlanden, in der Schweiz und
                                    auch aus Island, Spanien, Irland oder Is-          in Deutschland, und das war doch richtig:
                                    rael schon kennen, soll weitergeführt wer-         spezielle Schulen, meistens schön am Stadt-
                                    den. Erste vorsichtige Bemühungen in die-          rand gelegen, speziell ausgebildete Lehrer/
                                    ser Richtung gibt es in Hamburg.                   -innen, kleine Klassen, viel Material, finan-
                                                                                       ziell gut ausgestattet und die Kinder eben
                                    6. Dauerbrenner:                                   schön unter sich.
                                    Integration und Inklusion                             Eine Regelschule! Das war unmöglich,
                                                                                       fanden wir. In Neuseeland konnten wir
                                    Das Thema Integration begleitete mich von          mit einem Kind mit Down-Syndrom nicht
                                    Anfang an, doch zunächst ganz anders als Sie       bleiben. Weil wir also die Integration nicht
                                    vielleicht vermuten. Bevor meine Kinder ge-        wollten, kehrten wir zurück nach Deutsch-
                                    boren wurden, arbeitete ich als Sonderpäda-        land. Aus heutiger Sicht ganz und gar un-
                                    gogin. Erst in der Schweiz, dann in Deutsch-       verständlich! Denn kaum waren wir hier,
                                    land mit gehörlosen Kindern, die zusätzlich        gerieten wir mitten in die heftige Diskus-
                                    noch eine Lernbeeinträchtigung hatten. Ins-        sion um Integration, und allmählich däm-
                                    gesamt zwölf Jahre lang. Ich kannte mich aus       merte uns: Da war was dran, das könnte
                                    in dieser „Sonderschulwelt“, empfand sie als       so stimmen, gemeinsam mit anderen Kin-
                                    richtig und gut. Wie sonst auch sollte Schu-       dern leben und lernen! Von dem Moment
                                    le für Kinder mit Beeinträchtigungen funk-         an kämpften wir für die Integration un-
                                    tionieren? Integration war für mich damals         seres Kindes: in den Kindergarten, in die
Arbeiten am Computer,               noch ein unbekannter Begriff.                      Schule, in die Berufsausbildung, aber auch
Keyboard spielen oder studieren …       Meine Tochter mit Down-Syndrom kam             in die musikalische Früherziehung, in den
die Grenzen nach oben sind offen!   dann in Neuseeland zur Welt, und der An-           Schwimm- und Tanzunterricht, in einen

                                                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 8 2   I   Mai 2016   15
g    SELBSTHILFE
Kinderchor, in einen Computerkurs, beim                       unserer Wunschliste. Da tut sich ja auch        land zurückkehrt, mit der kleinen Toch-
Bauchtanzen und, ganz aktuell, wieder für                     etwas, aber es kostet enorm viel Überzeu-       ter im Gepäck, gab ich eine Annonce auf in
die Integration auf dem ersten Arbeits-                       gungskraft, Durchhaltevermögen und Fan-         der Zeitschrift Eltern und suchte Familien
markt.                                                        tasie, reguläre Arbeitsplätze für Menschen      in Nürnberg oder Umgebung, die ebenfalls
   NIE war etwas selbstverständlich, und                      mit Down-Syndrom zu schaffen und sie            ein Kleinkind mit Down-Syndrom hatten,
nie war etwas leicht, immer brauchte es Ge-                   langfristig zu erhalten. Ein Kampf gegen        zu einem Austausch. Daraufhin erhielt ich
spräche, Gutachten, Bettelbriefe oder gar                     Windmühlen, so kommt es einem biswei-           immerhin 67 Briefe (meist handgeschrie-
Drohungen, die Presse zu verständigen                         len vor. Doch auch dieser Kampf ist es wert,    ben) von Eltern aus ganz Deutschland. Mit
oder sich einen Anwalt zu nehmen. 30 Jahre                    gekämpft zu werden. Immer mehr Jugend-          einigen von ihnen bin ich heute noch be-
lang ein Bangen und Betteln um etwas, das                     liche lernen ihre ganze Schulzeit über in Re-   freundet. Kontaktaufnahme funktionierte
selbstverständlich sein sollte, ist zermür-                   gelschulen und möchten anschließend auch        anders, meistens lernte man andere Fami-
bend. So wie es uns erging, erlebten und er-                  in der „normalen“ Welt einen Arbeitsplatz       lien über eine Frühförderstelle kennen. Das
leben das viele Familien. Ich kann alle El-                   haben.                                          Internet war damals noch unbekannt, So-
tern verstehen, die sagen, wir haben genug,                                                                   ziale Medien waren noch kein Begriff, und
wir schaffen das nicht mehr. Dabei hätten                     7. Down-Syndrom im Internet                     überhaupt besaß kaum jemand privat schon
wir es so einfach haben können, wären wir                                                                     einen Computer.
nur in Neuseeland geblieben!                                  Googelt man Down-Syndrom, bekommt                    Jetzt sind unsere Kinder, Jugendlichen
   Erst ganz allmählich und sehr langsam                      man 501000 Eintragungen innerhalb ei-           und Erwachsenen mit Down-Syndrom
kommen wir, was die Integration betrifft,                     ner Sekunde, bei der englischen Variante        selbst schon fleißig im Internet unterwegs.
voran. Nur in den meisten Kindergärten                        Down-syndrome sind es sogar 42000000 Er-        Aktuell werden im Rahmen von verschie-
und Kinderkrippen funktioniert es heut-                       gebnisse. Das ist hilfreich, denn da finden     denen EU-Projekten Apps speziell für Men-
zutage relativ gut. Damals, 1989, starteten                   wir alles, was wir wissen wollen. Eine Fülle    schen mit Trisomie 21 entwickelt (beispiels-
wir eine unserer ersten Aktionen: Mitglie-                    von Informationen, direkt nach Hause auf        weise im Poseidon- und im OMO-Projekt).
der unserer Selbsthilfegruppe besuchten                       den Computer geliefert.                         Heute sitzen schon die ganz Kleinen vor ih-
Kindergärten, um Erzieherinnen über                              1985 mussten wir noch mühsam in ir-          rem eigenen iPad, sie tippen oder wischen
Down-Syndrom zu informieren, ihnen die                        gendwelchen Lexika nachschlagen und fan-        begeistert auf Smartphones und sind davon
Aufnahme eines Kindes mit Down-Syn-                           den dabei entweder gar nichts oder längst       genauso fasziniert wie unsere Kinder da-
drom „schmackhaft“ zu machen. Das hatte                       überholte Fakten und schlimme Fotos.            mals vom Kassettenrekorder mit der immer
durchaus Erfolg. Die allermeisten Kleinkin-                      Doch die millionenfachen Informatio-         gleichen Musikkassette.
der besuchen inzwischen Regeleinrichtun-                      nen aus dem Internet über Down-Syndrom
gen. Interessanterweise hat sich die Situa-                   sind ebenfalls mit Vorsicht zu genießen! Da     8. Ein neues Image von Menschen mit
                                                                                                              Down-Syndrom in den Medien und als
                                                                                                              „Self advocats“
Bestreben um Inklusion wird
                                                                                                              Das Bild von Menschen mit Down-Syn-
übergeordnetes Ziel bleiben.                                                                                  drom in der Öffentlichkeit hat sich gewan-
                                                                                                              delt, und zwar eindeutig zum Positiven.
                                                                                                              Vom eher unselbstständigen und Mitleid
tion nun umgekehrt. Das DS-InfoCenter                         wird viel Unsinn geschrieben, unsachliches      erweckenden Menschen wie damals in der
erhält regelmäßig Anfragen von Kitas, ob                      oder falsches Wissen weitergegeben und          TV-Serie Unser Walter bis zu selbstbewuss-
es nicht ein Kind mit Trisomie 21 in der                      auch häufig Negatives verbreitet. Die un-       ten, selbstbestimmenden, wortgewandten
Nähe gäbe, das wir vermitteln könnten. Der                    terschiedlichen Meinungen zu bestimmten         Erwachsenen wie Karen Gaffney aus den
Kindergarten möchte gern wieder eines                         Fragestellungen verwirren eher, als dass sie    USA oder dem Spanier Pablo Pineda.
aufnehmen! Eine erfreuliche Entwicklung.                      einem weiterhelfen.                                 Den Durchbruch brachte eine amerika-
   In der Schule haben wir diesen Zustand                         Außerdem gibt es viele, manchmal zu         nische Fernsehserie, die einen ganz ande-
noch lange nicht erreicht. Auch nicht sechs                   positive Geschichten, beinahe schon eu-         ren, neuen Blick auf Down-Syndrom ver-
Jahre, nachdem Deutschland die UN-Kon-                        phorisch und man würde meinen, ein Kind         mittelte. Manch einer von Ihnen mag sich
vention über die Rechte von Menschen mit                      mit Trisomie 21 zu bekommen, sei das Bes-       vielleicht an den Schauspieler Chris Burke
Behinderungen ratifiziert hat. Inzwischen                     te, was Eltern passieren kann. Auch nicht       erinnern, einen jungen Mann mit Trisomie
reden zwar alle von Inklusion – ein selbst-                   unbedingt das, was man selbst hören will,       21, der als Corky die Hauptrolle in der be-
verständliches Miteinander von Anfang an,                     vor allem nicht dann, wenn man mit sei-         liebten US-Filmserie Life goes on spielte und
in allen Lebensbereichen –, aber wir wis-                     nem Kind mal wieder in einer problemati-        uns alle begeisterte. So etwas war möglich?
sen auch alle, wie langsam wir hierbei vo-                    schen Phase steckt.                                 Das war Anfang der 90er-Jahre, inzwi-
rankommen.                                                        Die Kontaktaufnahme zu anderen Müt-         schen ist das heute fast schon Normalität.
   Wir schätzen, dass erst etwa zehn bis 15                   tern und Vätern läuft heute ganz fix über       Menschen mit Down-Syndrom spielen mit
Prozent der Kinder bis zu zehn Jahren Re-                     die Sozialen Medien: Chatlisten, Blogs, Fa-     in Fernsehserien, es werden Dokumentar-
gelschulen besuchen. Noch weniger gehen                       cebook oder Twitter – überall sind vor al-      filme über sie gedreht oder sie beteiligen
in weiterführende Schulen, und die Debatte                    lem die Mütter aktiv unterwegs. Schnell ist     sich an Podiumsdiskussionen über Inklusi-
um einen Studienplatz an einer Uni hat erst                   man Teil einer DS-Community, wenn man           on. Im niederländischen Fernsehen lief vor
ganz zaghaft begonnen.                                        das möchte, und hat viele, viele Freunde.       zwei Jahren sogar eine richtige Soap: Down-
   Auch das Thema Integration auf dem                             Ganz anders lief das damals in unse-        istie, in der nur Menschen mit Down-Syn-
ersten Arbeitsmarkt steht schon länger auf                    rem Fall. Aus Neuseeland nach Deutsch-          drom mitspielten.

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