Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen

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Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
Nr. 64 I Mai 2010
                                         ISSN 1430-0427

Frühe Kommunikations-
entwicklung

              Psychosoziale Zuwendung
                   oder therapeutisches
Down-Syndrom-Plus            Eingreifen?
Autismusspektrumstörungen
bei Kindern mit DS              Physiotherapie
                            bei Kindern mit DS
Erlernte                        – Ziele und Chancen
Hilflosigkeit
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
g       EDITORIAL

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was tut sich in der europäischen DS-Szene? Das war der Titel meines Vortrags
auf einem skandinavischen DS-Kongress, zu dem ich im März eingeladen war.
Natürlich konnte ich Erfreuliches berichten, über gute internationale Zusam-
menarbeit, über Fortschritte bei der Integration und tolle Aufklärungskampa-
gnen gerade anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages.

All diese positiven Berichte sollten uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,
dass es noch viele negative Gefühle gegenüber Menschen mit Down-Syndrom
gibt, ja bisweilen sogar verbrecherisches Gedankengut öffentlich verbreitet
wird, wie die Facebook-Affäre uns wieder deutlich vor Augen führte. Da wur-
de – von einer italienischen Gruppierung propagiert – vorgeschlagen, Kinder
mit Down-Syndrom zu beseitigen, indem man sie als Zielscheiben in Schieß-
zentren verwendet. Diese über Facebook verbreitete, skandalöse Aktion hatte
bald sehr viele „Freunde“. Zum Glück wurden die Seiten nach wenigen Tagen
gelöscht, es bleibt aber ein bitterer Nachgeschmack. Und es zeigt uns, wie ver-
letzbar die Situation unserer Kinder noch ist.

So sind Aktionen, die weltweit zum 21. März stattfanden, um mehr Wissen zu
verbreiten und um um Verständnis zu werben, weiterhin nötig. Hoffentlich
kann der Welt-DS-Tag langfristig dazu beitragen, das Image von Down-Syn-
drom zu verbessern. Eine dieser Aktionen – eine tolle Fashionshow, die in Zü-
rich über die Bühne ging, wird in diesem Heft beschrieben.

Interessant und erfreulich ist es, dass wir immer mehr Berichte bekommen
über die Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen. Das ist ein Bereich, der
vermehrt in den Vordergrund treten wird und muss. Einige Beispiele finden
Sie in dieser Ausgabe. Lebenslanges Lernen ist Inhalt des EU-Bildungspro-
gramms Grundtvig und ist durchaus auch für Menschen mit Down-Syndrom
ein wichtiges Thema. Das DS InfoCenter beteiligt sich, gemeinsam mit Part-
nern aus fünf europäischen Ländern, am Projekt „Yes we can“, in dem die ma-
thematischen Bedürfnisse von Menschen mit DS im Mittelpunkt stehen.

Zwei Erfahrungsberichte über den anstrengenden Alltag – einmal mit Willi
und seiner Schwester, einmal mit Wolfgang. Obwohl beide Mütter oft der Er-
schöpfung und Verzweiflung nahe sind, liest man zwischen den Zeilen doch,
wie viel Spaß ihnen das Zusammenleben mit ihren Kindern bereitet und wie
bereichernd die Erfahrung ist. Das passt nun gar nicht zu der Besorgnis erre-
genden Situation in Dänemark, dort haben Babys mit Down-Syndrom heute
schon Seltenheitswert.

Und mein persönlicher Filmtipp: „Uwe geht zu Fuß“. Ergreifend schön.

Viel Lesefreude wünscht Ihnen

                                 Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   1
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
g   I N H A LT

                        Down-Syndrom
                     ein Gesicht geben
                    – Groß-Portraits in
                       Einkaufszentren
                                Seite 6

                                                                Neues aus dem DS-InfoCenter
                                                            4   Die neue Sonderausgabe ist da!
                                                            5   1000 Filme an Medienzentralen und Beratungsstellen
                                                            5   Neues Lieferprogramm
                                                            6   Welt-Down-Syndrom-Tag 2010: Fotoausstellung
                                                            7   Heute ist unser Tag! Ich bin dabei! Poster, Postkarten und Flyer

                                                                Aus dem Ausland
                                                            8   Das Leben ist bunt. Fashionshow in Zürich
                                                           10   Neues aus Skandinavien – Fortschrittliches und Bedenkliches
                                                           11   Down-Syndrom in Dänemark – Nicht gerade lustig!

                                                                Aus der Wissenschaft
                                                           12   Down-Syndrom-Plus
                                                                Autismusspektrumstörungen bei Kindern mit Down-Syndrom

                                                                Sprache
                                                           19   Studie: Guckst du? Online-Befragung über den GuK-Gebärdenwortschatz
                                                           20   Frühe Kommunikationsentwicklung bei Kindern mit Down-Syndrom

                                                                Psychologie
                                                           24   Kinder sehnen sich nach gemeinsamem Lernen
                                                           28   Erlernte Hilflosigkeit
                                                           31   Angst vor Treppen! Von der Treppenangst zum Treppendiplom
                                                           32   Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen?

          Event in Zürich!                                      Förderung
        Fashionshow vom                                    39   Babys erfolgreich stillen
                 Feinsten                                  40   Physiotherapie bei Kindern mit Down-Syndrom – Ziele und Chancen

Titelbild:
Silas Beck
Foto: Martin Beck

2     Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
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Zürich:
Da ging eine tolle Aktion
zum WDSD über die Bühne
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                                                                                        Wie Lifestyle und DS
                                                                                        zusammenpassen,
                                                                                        zeigt uns das Magazin
                                                                                        „bunt“!
                                                                                        Bericht folgt in der
                                                                                        September-Ausgabe.

                                 Weiterbildung
                            44   Internationales Projekt: Yes, we can!
                                 Mathematik und Down-Syndrom
                            45   Geschichte mit PEp
                            48   Trauerkurs. Was passiert bei einer Beerdigung?
                            50   Der Weg entsteht im Gehen.
                                 Jugendliche erschließen sich neue Welten
                            54   Pflege-Animator. Ein neues Berufsfeld?

                                 Sport und Freizeit
                            55   Der Berliner Mauerweglauf – eine Aktion zum Welt-DS-Tag
                            56   Judo (der sanfte Weg) – Eine Sportart für alle
                            58   Integration beeinträchtigter Kinder in Fußballvereinen

                                 Erfahrungsbericht
                            59   Trotz Down-Syndrom und Autismus – Wolfgang macht sich
                            62   Ein ganz normaler Tag

                                 Publikationen
                            66   Neuvorstellung von Büchern/Filmen

                                 Veranstaltungen
   Ein ganz normaler        69   Termine, Tagungen, Kongresse, Seminare
         Tag mit Willi
                                 Vorschau / Impressum
                            71   Vorgesehene Themen im nächsten Heft

                                                                                                          Uwe geht zu Fuß – ein
                                                                                                         berührender Film über
                                                                                                           einen erstaunlichen
                                                                                                           Mann und sein Dorf

                                                                            Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010     3
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down-syndrom

                   X
     d e u t s c h e s

          infocenter

Die neue Sonderausgabe
Diagnose Down-Syndrom, was nun?
                                                 Neues aus dem DS-InfoCenter ...

                                                                März 2010
                                                                 ISSN 1430-0427

                                                                  Zweitausend Exemplare der        derung. Das Stillen und die Sauberkeitser-
                                                                  vorigen Sonderausgabe ha-        ziehung werden ebenfalls angesprochen.
                                                                  ben wir innerhalb von vier           Auch die wichtige Frage, was es für eine
                                                                   Jahren verschickt. Die          Familie – insbesondere für die Geschwis-
                                                                   meisten Hefte gingen an         terkinder – bedeutet, nun mit einem Kind
                                                o n d er-
                                               S gab     e          Familien, in denen gera-       mit Down-Syndrom zusammenzuleben,
                                               aus                  de ein Kind mit Down-          wird in verschiedenen Artikeln behandelt.
                                                                     Syndrom geboren wurde.        Die Themen erstrecken sich von der Präna-
                                                                     Das bedeutet, dass wir,       talen Diagnostik bis zu der Frage nach dem
                                                                     ausgehend von achthun-        Kindergarten. Auskünfte zu Rechtsfragen
                                                                      dert Neugeborenen mit        und Tipps für weiterführende Literatur er-
                                                                      Down-Syndrom jähr-           gänzen die übrigen Informationen.
                                                                      lich, immerhin mehr              Es wurden nicht nur Fachartikel gesam-
                                                                       als die Hälfte dieser       melt. Erfahrungsberichte zu Themen, die
                                                                       neu betroffenen Fa-         Eltern am Anfang beschäftigen, und die
                                                                       milien erreichen. Das       vielen schönen Fotos machen dieses Heft
                                                                        ist erfreulich, aber es    zu etwas Lebendigem, die Geschichten sind
                                                                        muss noch besser wer-      „aus dem Leben gegriffen“. Denn man ist
                                                                         den. Alle Eltern sollen   nicht allein mit seinem Kind. Die betroffe-
                                                                         umfassende, aktuelle      nen Eltern werden bald feststellen, dass es
                                                                         Informationen mög-        auch in ihrer Nähe andere Familien gibt, in
                                   n-Synd   ro m   ,
        Diagnose Dow
                                                                          lichst schnell nach      denen ein Kind mit Down-Syndrom lebt
                                                                          der Geburt ihres Ba-     und die ihr Leben gut meistern. Der Kon-
         wa   s  n u  n  ?                                                 bys bekommen. Dies      takt zu einer Selbsthilfegruppe oder zu an-
                                                                           ist eine wichtige Vo-   deren Eltern kann deshalb eine große Hil-
                                                                            raussetzung für ei-    fe sein.
                                                                            nen guten Start in         Diagnose Down-Syndrom, was nun?
                                                                das Leben mit diesem be-           kann sicherlich einige der Fragen, die auf-
                                                sonderen Baby. Deshalb ist dieses Heft auch        tauchen nach der Geburt eines Kindes mit
               In dieser komplett neu zusam­-
                                                Bestandteil der Erstinfomappe, die von vie-        Down-Syndrom, beantworten und soll au-
          mengestellten Sonder­­­ausgabe der len Geburtskliniken regelmäßig bei uns an-            ßerdem Mut und Zuversicht vermitteln.
     Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom gefordert wird.
          sind für alle, die am Anfang des ge-       In diesem Heft Diagnose Down-Syn-
    mein­samen Lebensweges mit einem Kind       drom,      was nun? können die Themen
          mit Down-Syndrom stehen, wieder       nur    kurz  angesprochen werden, sie sol-
                                                len Eltern erste Anhaltspunkte bieten.
      viele interessante und Mut machende
                                                Ärzte und Therapeuten werden Famili-
                        Artikel aufgenommen. en weiter bei der Förderung ihres Kindes
                                                unterstützen. Außer einigen Beiträgen zu
                                                gesundheitlichen Besonderheiten, die bei
                                                Babys und Kleinkindern mit Down-Syn-
                                                drom öfter vorkommen können, gibt es ei-
                                                nen ausführlichen Bericht über die moto-
                                                rische Entwicklung, verschiedene Beiträge
                                                zur pädagogischen und sprachlichen För-

4        Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
1000 Filme „Down-Syndrom in Bewegung“
an Medienzentralen und Beratungsstellen!
Der besondere Film zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2010

                                            Wir haben uns bei dieser Aktion für zwei          Der Film „Down-Syndrom in Bewegung“
                                            Zielgruppen entschieden. Einmal wollten           vermittelt ein Bild der heutigen Lebenssi-
                                            wir Schüler erreichen, die sich z.B. im Bi-       tuation von Menschen mit der Trisomie 21
                                            ologie-, im Ethikunterricht oder in Sozial-       und kann bei der Beratung eine Hilfe sein.
                                            kunde mit dem Thema Down-Syndrom be-
                                            fassen, dabei aber hauptsächlich über Zellen      Viel Versandarbeit für Justine
                                            und Chromosomen unterrichtet werden.              Es war hauptsächlich der Job unserer Assis-
                                            Mit diesem Film können sie sich auch ein          tentin Justine, die fast 400 Filme einpackte
                                            Bild von dem Menschen mit Down-Syn-               für die ProFamilia-Beratungsstellen und
                                            drom machen. Deshalb haben wir 630 Filme          für die 70 Hebammenschulen. Eine ganz
                                            bundesweit an die Land-, Kreis- und Stadt-        schöne Arbeit. Aber Justine liebt solche Ak-
                                            bildstellen geschickt, die Medien an Schu-        tionen und war enorm stolz, als die Filme
                                            len und andere Einrichtungen ausleihen.           nach zwei Tagen alle schön verpackt zur
                                               Die zweite Zielgruppe sind die Schwan-         Post getragen werden konnten.
                                            gerenberatungsstellen – sie spielen eine             Glück hatten wir bei den Medienzentra-
                                            wichtige Rolle, wenn angehende Eltern             len. Wir konnten ihren zentralen Verteiler
                                            nach der Diagnose Down-Syndrom sich in-           nutzen und so die etwas mehr als 600 Filme
                                            formieren möchten oder auch schon wenn            an die Kreis-, Landes- und städtischen Bild-
    Im Rahmen einer einmaligen Aktion       im Vorfeld über pränatale Untersuchungen          stellen schicken.
    anlässlich des Welt-Down-Syndrom-       gesprochen wird – und die Hebammen-                  Dass das Geschenk gut ankam, zeigten
                                            schulen, weil Hebammen sowohl vor wie             die vielen Dankmails und Telefonate. Nun
Tages hat das Deutsche DS-InfoCenter in
                                            auch direkt nach der Geburt wichtige An-          hoffen wir, dass der Film tatsächlich einge-
 diesem Jahr 1000 Exemplare des neuen
                                            sprechpartner für die Eltern sind.                setzt wird.
     Informationsfilms „Down-Syndrom
               in Bewegung“ verschenkt.

         Gleichzeitig mit dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom
                    erhalten Sie das neue Lieferprogramm für 2010/2011.
       Sie finden dort eine Übersicht aller Publikationen und Materialien,
    die Sie beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen können.
                     Das Bestellformular können Sie uns per Post oder Fax
                                         (Fax: 09123 98 21 22) zuschicken.
                Natürlich nehmen wir Ihre Bestellung auch telefonisch auf
       (Tel.: 09123 98 21 21) und Sie haben die Möglichkeit, über unseren
                            Webshop zu bestellen (www.ds-infocenter.de).

                            Auf dem Titelbild lacht uns der dreijährige Silas entgegen.

                                                                                 Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   5
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
down-syndrom
        infocenter

                  X
    d e u t s c h e s

                                                   Welt-Down-Syndrom-Tag 2010

Fotoausstellung in Einkaufszentren
Unsere Fotoausstellung „Heute ist unser Tag“ wur-
de speziell zum Welt-Down-Syndrom-Tag konzi-
piert. Schon im letzten Jahr konnten Mitglieder des
Vereins sich für ein Fotoshooting mit der bekannten
Stuttgarter Fotografin Conny Wenk anmelden, das
an einem wunderschönen Tag im Nürnberger Tier-
garten durchgeführt wurde. Nicht nur entstanden
so für die Familien eine Reihe schöner Bilder ihrer
Kinder, wir hatten gleichzeitig wieder einen „Fun-
dus“ mit Fotos für unsere Publikationen und für die
geplante Ausstellung.
   Gleich in zwei großen Einkaufszentren in Nürn-
berg – City Point und Frankenzentrum – und im
Brückencenter in Ansbach wurden in der Woche
zwischen 15. und 22. März großformatige Bilder aus-
gestellt, die Menschen mit Down-Syndrom zeigten.
   Mit dieser Fotoausstellung wollten wir dem Welt-
Down-Syndrom-Tag ein Gesicht geben. Deshalb
zeigten wir große Portraitaufnahmen von Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen mit Down-Syn-
drom.
   Die Ausstellung hatte zum Ziel, neue Bilder von
Menschen mit Down-Syndrom zu vermitteln und
dadurch auch neue Sichtweisen zu eröffnen. Diese
außergewöhnlichen Bilder zeigen die Individualität,
die Unterschiedlichkeit und die Lebensfreude dieser
Menschen.
   Viele Besucher schauten sich die Fotos an und la-
sen die Informationstafeln, es gab gute, positive Ge-
spräche am Rande, aber auch einige erschreckend
negative Erfahrungen, die zeigen, wie notwendig
weiterhin Aufklärung ist.
                                                                        Auf einer großen Texttafel war bei der Ausstellung zusam­
                                                                        mengefasst, wozu der Welt-DS-Tag da ist. Außerdem wurden
                                                                        Flyer, Postkarten und die Pins verteilt.

6       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
Heute ist unser Tag! Ich bin dabei!
Poster, Postkarten und Flyer
Alle Jahre wieder ... Und auch in die-              Ein wenig Stress bereitet die Aktion hier
sem Jahr bekamen wir hunderte von Fotos         schon, vor allem Judith, unserer Posterma-
zugeschickt, die dann als Poster, versehen      cherin. Sie muss Fotos oft x-mal zurücksen-
mit Logo und Slogan, das InfoCenter ver-        den, weil diese einfach nicht entsprechend
ließen, um irgendwo in Deutschland ausge-       vorbereitet sind, oder wenn jemand sogar
druckt, aufgehängt, verschenkt, verschickt,     noch am 20. März Fotos einschickt (obwohl
gezeigt zu werden. Es bleibt einfach eine su-   der Schlusstermin eigentlich 18. März war),
per Idee, auf diese Art möglichst viele Men-    mit der Bitte, diese doch noch schnell über
schen zu motivieren, bei einer Aktion wie       Nacht zu bearbeiten, damit man sie am
dem Welt-DS-Tag mitzumachen. Andere             nächsten Tag noch einsetzen kann ...!
haben inzwischen die Idee auch aufgegrif-           Außerdem haben wir oft Angst um un-
fen, so stellen verschiedene DS-Selbsthilfe-    seren PC, dass der bei den Mengen an Bil-
gruppen ihre eigenen Poster und Postkarten      dern, die reinkommen und verschickt wer-
her. Ob wir im nächsten Jahr die Kampagne       den müssen, den Geist aufgibt.
wieder aufgreifen, ist noch nicht bekannt,          Es ist zu schade, nicht zu zeigen, welch
vielleicht fällt uns etwas anderes ein.         schöne Poster bei der Kampagne so zusam-
                                                menkommen. Deshalb gibt es in dem vor-
                                                liegenden Heft wieder einige Kostproben.
                                                Auch werden wir das eine oder andere ein-
                                                geschickte Foto – wenn es gerade zu einem
                                                bestimmten Thema passt – gern in unseren
                                                Publikationen verwenden. In einem sol-
                                                chen Fall werden wir uns mit Ihnen in Ver-
                                                bindung setzen und noch einmal um Er-
                                                laubnis bitten.
                                                    Auf eine Galerie auf der Website verzich-
                                                ten wir, da doch etliche Einsender ihr Pos-
                                                ter dort nicht gezeigt haben wollen.

                                                Postkarten
                                                Auch unsere vier Postkarten fanden viele
                                                Abnehmer. Da wir noch welche übrig ha-
                                                ben und diese mit einem „Verfallsdatum“
                                                versehen sind – wir sie also im nächsten
                                                Jahr nicht mehr verwenden können –, liegt
                                                einem Teil der Zeitschrift eine Karte bei, für
                                                unsere Leser als Andenken!

                                                Flyer
                                                Aus dem hier abgebildeten Flyer finden Sie
                                                in dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syn-
                                                drom einige Motive, denn nicht alle Leser
                                                kennen dieses Faltblatt. Wir haben die Er-
                                                fahrung gemacht, dass die wenigen, kurzen,
                                                aber aussagestarken Texte in diesem Flyer
                                                bei Außenstehenden sehr gut ankommen
                                                und oft ein „Aha-Erlebnis“ auslösen.

                                                                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   7
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
g   AUSLAND

Das Leben ist bunt …
Eine Fashionshow der Superlative
                        Welt-DS-Tag in Zürich
                                                                     Ein kunterbuntes
                                                                     Frühlingsbouquet
                                                                     T e x t : B ritta R ath

                                                                     Insieme21, Insieme-Zürich und
                                                                     Art21 haben sich zu diesem
                                                                     Anlass etwas ganz Spezielles ein-
                                                                     fallen lassen – eine Fashionshow
                                                                     unter dem Motto „Das Leben ist
                                                                     bunt“: Dreißig Jugendliche mit
                                                                     Down-Syndrom und 15 Schwei-
                                                                     zer Prominente – und alles hoch-
                                                                     professionell organisiert!

                                                                     „Catwalk“-Probe
                                                                     Bereits vier Wochen vor dem Anlass wur-
                                                                     de zu einer ersten „Catwalk“-Probe eingela-
                                                                     den. Drei Stunden lang übten alle DS-Mo-
                                                                     dels hoch konzentriert das richtige Posing
                                                                     unter Anleitung der quirligen Grazia Covre,
                                                                     die ansonsten Großveranstaltungen wie die
                                                                     Miss-Schweiz-Wahlen choreografiert.

                                                                     Dann der 21.3.2010, 10 Uhr, Regen
                                                                     Location: Der renommierte Züricher Sze-
                                                                     neclub „Kaufleuten“. Die Kids hatten ein
                                                                     straff durchorganisiertes Probenprogramm:
                                                                     Stolzieren auf dem Laufsteg à la Bruce Dar-
                                                                     nell, Top-Styling vom Team des Star-Coif-
                                                                     feurs Valentino inklusive professionellem
                                                                     Schminken, Dress-Fitting und „Walk on the
                                                                     Wild Side“ mit den Promis. Allein das war
                                                                     schon ein Event für sich.

                                                                     15 Uhr – Start zum Final Countdown
                                                                     Begleitet von fetziger Musik defilierten un-
                                                                     sere kleinen „Starletts“ – eingekleidet mit
                                                                     farbig-flippiger Frühjahrsmode vom Mo-
                                                                     dehaus Jelmoli – mit großen Stars, wie der
                                                                     Eiskunstläuferin Denise Biellmann, dem
                                                                     Model Julia Saner, dem Dreispringer Ale-
                                                                     xander Martinez, der Kunstturnerin Ariel-
                                                                     la Kaeslin oder DJ Tatana über den Laufsteg
                                                                     und liefen zu echter Hochform auf.

8    Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010
Frühe Kommunikations-entwicklung - Psychosoziale Zuwendung oder therapeutisches Eingreifen? Physiotherapie bei Kindern mit DS - Ziele und Chancen
g    AUSLAND

   Spontane Sondereinlagen zeugten von
geradezu enthusiastischem Engagement
der „Nachwuchsmodels“, sei es in Form ge-
konnter Rap-Movements, eines Überra-
schungsspagats auf der Bühne oder einer
Extra-Promenade über den Catwalk als Zu-
gabe. Das heizte die ausgelassene Stimmung
noch zusätzlich an, sodass dieser Event in
einem Überschwang der Gefühle gipfelte.
   Musikalisch untermalt wurde dieses Fest
der Emotionen durch eine warmherzige
Ballade von Nubya und das bewegende Lied
„En couleur“ des ehemaligen Musikstar-Fi-
nalisten Mario Pacchioli, das sich bei nicht
wenigen Zuhörern auch noch Tage nach
der Veranstaltung als Ohrwurm eingenistet
hat ... die CD bekamen alle Zuschauer ge-
schenkt.

15.45 Uhr – Ein Feuerwerk an ‚Highlights’
Die Stiftung „Wunderlampe“, die sich kran-
ker, behinderter oder benachteiligter Kinder
annimmt, hatte versprochen, einen vorab
eingereichten Herzenswunsch auszulosen
und zu verwirklichen. Dann die Überra-
schung: Jeder einzelne „kleine Traum“ un-
serer dreißig Models soll erfüllt werden!
   Zum abschließenden Disco-Ausklang
stürmten unsere Stars den Laufsteg und
tanzten, was die Bühnenbretter hielten. Zu-
rück in der Umkleide erwartete uns noch
Jelmoli mit einem großzügigen Abschieds-
geschenk: Alle Jungmodels durften als Sou-
venir die Kleider mit nach Hause nehmen
und bekamen zusätzlich einen Einkaufsgut-
schein über 50 Schweizer Franken. Kom-
mentar meiner Tochter beim Öffnen der Ge-
schenkkarte: „Schau Mami, 50 Rappen“ ...

26.3.2010 – Die Tage danach,
die Sonne lacht
Was ist geblieben, neben Fernsehbeiträgen
und Zeitungsartikeln? Kann es sein, dass
dieser „Selbstbewusstseinskick“ unserer
Tochter Viviane einen zusätzlichen Moti-
vationsschub gegeben hat? Warum steht
sie plötzlich morgens von alleine auf, sucht
sich selber die Kleidung zusammen und ist
megagut gelaunt, wenn sie aus der Schule
kommt? Wie dem auch sei, es war ein un-
vergesslicher Frühlingsanfang. Dieses spe-
zielle Event mit dieser einmaligen Stim-
mung wird uns allen sicher noch lange in
schöner Erinnerung bleiben.
    Allen Organisatoren und Beteiligten ein
herzliches Dankeschön für diesen gelun-
genen Tag! <

                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   9
g    AUSLAND

Neues aus Skandinavien –
Fortschrittliches und Bedenkliches                                                                                                 T EX T: CO R A H A L D E R

                                                             Studieren an der Uni Reykjavik                  Die Teddy-Methode basiert auf dem Glau-
                                                             in Island                                       ben, dass alle Kinder lernen wollen, wenn
                                                                                                             das Lernen Spaß macht und vom Erfolg ge-
In der Regel meinen wir, dass die                            Gudrun Stefansdòttir ist Pädagogin an der       krönt ist. In einem Film zeigt Julie, wie auch
Situation behinderter Menschen                               Universität in Island und Initatorin einer      Kinder mit Down-Syndrom mit viel Freude
in den skandinavischen Ländern                               regulären Berufsausbilung zum/r Kinder-         erfolgreich Englisch lernen. Die Teddy-Me-
                                                             pfleger/-in, die in Reykjavik an der Uni an-    thode und die dazugehörenden Materialien
besser ist als in Deutschland. Viel
                                                             gesiedelt ist. Dort bietet man seit 2007 eine   können so wie sie sind überall eingesetzt
Geld ist verfügbar für diese Ziel-                           zweijährige Ausbildung zum/r Kinderpfle-        werden – nur das Anleitungsheft müsste
gruppe. Gibt es da nicht durch-                              ger/-in für Menschen mit Lernschwierig-         aus dem Norwegischen übersetzt werden.
gehend schulische Integration?                               keiten an. Das Besondere dabei ist, dass sie    Eine schön gestaltete, übersichtliche Web-
Bekommen z.B. in Norwegen                                    gemeinsam mit nicht beeinträchtigten Stu-       site informiert ausführlich über Teddy, mit
nicht alle diese Menschen ab ih-                             denten den Kurs absolvieren und nicht wie       der übrigens auch alle jüngeren Kinder
                                                             an anderen Unis, wie z.B. in Dublin oder        Englisch lernen können. Auch die Materi-
rem 18. Lebensjahr eine großzü-
                                                             an verschiedenen Orten in Australien oder       albox kann in Norwegen bestellt werden.
gige Rente vom Staat? Und stellt                             in den USA, in speziellen Klassen zusam-        Informationen: www.teddylanguage.no
die zuständige Kommune nicht                                 mengefasst sind. Gelernt wird im „Tandem-
eine Wohnung zur Verfügung?                                  system“. Die ersten Schüler und Schüle-
Vieles stimmt tatsächlich, vieles                            rinnen haben ihre Ausbildung 2009 erfolg-       Ein gemeinsames Jahr in der
ist gut organisiert, manchmal                                reich abgeschlossen, darunter auch acht
                                                             Personen mit Down-Syndrom. Ein nächs-
                                                                                                             Peder-Morset-Schule
sogar ein wenig zu gut.
                                                             ter Kurs läuft bereits.
Auf der DS-Landeskonferenz,                                                                                  Viele Jugendliche in Norwegen besuchen
die im März in Bergen stattfand,                                                                             nach ihrem Schulabschluss und bevor sie
                                                             Englisch lernen mit Teddy
konnte ich mich über einige                                                                                  mit einem Studium oder einer Berufsaus-
                                                             in Norwegen                                     bildung anfangen, ein Jahr lang eine „Volks-
beispielhafte Projekte informie-
ren, u.a. über das gemeinsame                                                                                hochschule“. In Norwegen versteht man
                                                             Auch Kinder mit Lernproblemen oder lang-        darunter ein Fortbildungsjahr in einem In-
Studieren an der Uni Reykjavik,
                                                             sam lernende Kinder sollen und können eine      ternat, wo sportliche, künstlerische und so-
über eine Methode, mit der                                   Fremdsprache                                    ziale Fähigkeiten gefördert werden. Für die
langsam lernende Kinder Eng-                                 lernen und da-                                  meisten bedeutet es, zum ersten Mal über
lisch lernen, oder über ein Jahr                             mit kann schon                                  eine längere Zeit von zu Hause weg zu sein,
in einem Fortbildungsinstitut,                               früh begonnen                                   mit anderen Jugendlichen zusammenzu-
wo Jugendliche vor allem in der                              werden.                                         wohnen, gemeinsam Verantwortung für
                                                                 Eine erfolg-                                den Alltag zu übernehmen. Ausländische
Entwicklung ihrer Selbstständig-
                                                             reiche Methode,                                 Studenten leisten hier oft ein soziales Jahr
keit unterstützt werden, selbst-                             die in Norwe-                                   und gestalten gemeinsam mit den Lehrern
verständlich alles integrativ.                               gen mittlerwei-                                 das Programm. In den meisten FHS sind
                                                             le sehr verbrei-                                selbstverständlich auch junge Menschen
Aber es gibt auch überraschend
                                                             tet ist und nun                                 mit Behinderungen dabei.
Negatives. In Dänemark z.B. gibt                             auch in den an-                                    Bei der Konferenz wurde die Peder-
es kaum schulische Integration,                              deren skandi-                                   Morset-Schule im Norden des Landes vor-
weniger noch als in Deutsch-                                 navischen Län-                                  gestellt, die mit dem Konzept der umge-
land. Überhaupt ist Dänemark,                                dern auf Interesse stößt, ist das Konzept       drehten Integration arbeitet – hier leben
nicht gerade Down-Syndrom-                                   „Learning english with Teddy“. Es ist ein su-   und lernen 40 Schüler mit einer Lernein-
                                                             per einfaches Lernpaket, entwickelt von Ju-     schränkung gemeinsam mit 20 nicht behin-
freundlich. Lesen Sie dazu auf
                                                             lie Monsen, die in ihrer Tätigkeit als Lehre-   derten Schülern ein Jahr zusammen. Viele
der nächsten Seite die Glosse                                rin geeignetes Material vermisste, um auch      Jugendliche mit Down-Syndrom waren
aus einer norwegischen Zeitung.                              Kindern mit Lernproblemen Englisch bei-         schon hier und haben Kontakte geknüpft,
                                                             zubringen. Julie ist Engländerin, lebt seit     die oft ein Leben lang halten, und Wichtiges
                                                             vielen Jahren in Norwegen, ist Sprachlehre-     gelernt, vor allem an Selbstständigkeit.
                                                             rin und Sonderpädagogin.

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g   AUSLAND

Down-Syndrom in Dänemark –
Nicht gerade lustig!
T e x t : A rnt O lav K lippenberg Ü b e rs e tzung : Cora H alder

Arndt Olav Klippenberg ist Journalist und lebt in Stavanger, Süd-Norwegen. Er schreibt
schon seit mehr als zehn Jahren jeden Samstag eine Glosse im Stavanger Aftenblad. Sel-
ten bekam Klippenberg so viele Reaktionen auf einen Artikel wie auf den Text „Ikke deilig
å ha Downs i Danmark“, den Sie hier in der deutschen Übersetzung lesen können.

D      as nächste Mal wenn du in Dänemark
       bist, schau dich gut um. Irgendet-
was im Straßenbild ist anders. Die größten
                                                   Seele verloren. Alle, die sich in den letzten
                                                   Jahren mit Dänemark beschäftigt haben,
                                                   stellen fest, dass ein kälterer Wind als zu-
                                                                                                       laden. Wir können sie mitnehmen auf den
                                                                                                       Pausenhof. Vielleicht fragen sie sich dann,
                                                                                                       was das für ein süßes Mädchen ist, das uns
Charmeure der Welt findest du nicht mehr:          vor über das Land bläst, das soziale Klima          so entwaffnend charmant anlächelt, oder
die süßen Kinder mit Down-Syndrom. Sie             ist rauer geworden.                                 vielleicht wundern sie sich über den klei-
sind weg. Dänemark hat es geschafft, ein               In diesem Zusammenhang weiß ich, wo-            nen, rundlichen Jungen, der uns entgegen-
ganzes Volk auszurotten (beseitigen), ohne         von ich rede. Ich kenne viele Menschen mit          gerannt kommt, um dem fremden Gast
dass wir das gemerkt haben.                        einer psychischen Lerneinschränkung. Ei-            die herzlichste Umarmung der Welt zu ge-
    Stolze Ärzte erzählen, dass kein einziges      nige von ihnen haben über die Zustände              ben. Dann können wir den Dänen erzählen,
Land diese Aufgabe besser erledigt hat als         in Dänemark und ihr System gehört. Viel-            dass sie gerade Vertretern der norwegischen
Dänemark. Letztes Jahr wurden nur noch             leicht wird die jährliche Urlaubsreise zum          Downs-Bevölkerungsgruppe begegnet sind.
21 dänische Kinder mit Down-Syndrom bei            Legoland in diesem Jahr nicht mehr ganz so                                                     Quelle:
unserem Brudervolk geboren. Sie sind die           lustig.                                                              Stavanger Aftenblad, 2. Mai 2009,
Besten weltweit.                                       Die Dänen haben mich auf einen                               Marihøna, Bladet om Downs syndrom,
    „Ja, das ist ein Erfolg, es gibt kein an-      schrecklichen Gedanken gebracht. Was                                                  November 2009
deres Land, das ein so gutes System hat wie        wäre geschehen, wenn wir in Dänemark ge-
wir hier in Dänemark“, sagt Ann Tabor,             wohnt hätten, damals, als meine Frau un-
Oberärztin im Rikshospital.                        seren Sohn erwartete. Er ist ein super Junge,          Erschreckende Zahlen
    Das System, wovon sie spricht, ist das         mit einer geistigen Behinderung. Ich gehe              aus Dänemark
Angebot an pränatalen Diagnoseverfahren            davon aus, dass wir wie die dänischen Fami-
für alle. Anschließend haben die Eltern das        lien gewählt hätten. Das ist ja ein schreck-           Geborene und nicht geborene Babys mit
Wort. Sie brauchen nur noch zu wählen.             licher Gedanke, aber gleichzeitig zeigt es,            Down-Syndrom in Dänemark.
                                                                                                          Laut dänischer DS-Website: www.down.dk
Ine, mine mu, raus bist du!                        wo die Schuld liegt: beim Staat. Man sollte
    Dass wir nie so werden wie die Dänen!          uns nicht vor eine solche Wahl stellen dür-
                                                                                                          Geboren:             Abortus:
Dass wir nie alle Schwangeren vor eine sol-        fen. Der Staat darf uns nicht zwingen zu
                                                                                                          2004:   61           2004: 96
che teuflische Wahl stellen.                       wählen. Die Natur soll ihren Gang gehen.
                                                                                                          2005:   30           2005: 131
    In den letzten Jahren wurden immerhin          Wir Menschen sind dazu aufgefordert, sie               2006:   29
noch rund 60 Kinder mit Down-Syndrom               zu schützen. Deswegen ist das System der               2007:   26
jährlich in Dänemark geboren. Jetzt stre-          dänischen Ärzte so grausam.                            2008:   21
ben die Ärzte die Zahl 10 an. Deshalb stel-            Es ist traurig zu sehen, wie unser liebes
len sie das System zur Verfügung. Ich be-          Brudervolk sich mit der Bereinigung der
komme eine Gänsehaut, wenn ich das Wort            Bevölkerung abfindet. Die Dänen betreiben
„System“ höre. Wir kennen alle Regimes,            mit ihrem System in den Krankenhäusern
die sich gut auf Systeme verstanden und            keine ethnische Reinigung, aber eine Chro-
es fertig brachten, diejenigen herauszusor-        mosomenreinigung. Für mich ist das ge-
tieren, die nicht reinpassten. Ich kann ein-       nauso schlimm.
fach nicht verstehen, dass so etwas in Däne-           In Oslo werden jährlich üblicherwei-
mark passiert. Seit eh und je ist Dänemark         se zwischen elf und 13 Kinder mit Down-
mein Lieblingsland. Dänen sind einfach tol-        Syndrom geboren. Im letzten Jahr stieg die
le Menschen. Wie kann das sein, dass aus-          Zahl auf über 20. Hurra! Die Spezies Down-
gerechnet die Dänen dafür kämpfen, Men-            Syndrom ist in Norwegen noch nicht vom
schen mit Down-Syndrom zu beseitigen?              Aussterben bedroht. Darauf bin ich stolz.
Ich weiß nicht recht, aber eine Nation, für        In einigen Jahren können wir die Dänen
die Vielfältigkeit keinen Wert hat, hat seine      zu einer Studienfahrt nach Norwegen ein-

                                                                                        Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   11
g    AUS DER WISSENSCHAFT

Down-Syndrom-Plus                                                                         T e x t: B arbara J eltsch - S chudel

Autismusspektrumsstörungen bei Kindern mit Down-Syndrom
Zum Begriff „Down-Syndrom-Plus“ finden sich mittlerweile viele Links im Internet; es wird jedoch schnell
klar, dass es sich um einen unpräzisen Sammelbegriff handelt. Unter Plus werden verschiedene
Störungen und Krankheiten erwähnt, die bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Down-Syn-
drom (DS) auftreten können. Was genau die unterschiedlichen „Plus“ für den Einzelnen bedeuten und
welche Einflüsse sie auf sein Leben und seine Entwicklung haben, bleibt dabei offen.
Im Folgenden zeichne ich unsere Beschäftigung mit dem Thema nach, die vorwiegend in der Schweiz
stattfand und vor allem im Rahmen von Projektarbeiten Studierender an der Abteilung Klinische Heil-
pädagogik und Sozialpädagogik der Universität Freiburg/Schweiz. Die Darstellung unseres Erkenntnis
prozesses zeigt, wie die Fragestellungen sich mit den Ergebnissen der einzelnen Projektbausteine verän-
derten. Dies trägt hoffentlich zum Verständnis der Komplexität des DS-Plus bei.

1. Einführung                                                 zuvor von ihrem Sohn Fabio und von den           te, anhand von Fabios Verhalten, ‚abhaken‘ .
                                                              Sorgen erzählt, die sie und ihre Familie sich    – Für uns war das Rätsel gelöst“, schreibt sie

B    egonnen hatte meine Auseinanderset-
     zung mit dem Thema mit einem ersten
Überblicksartikel in „Leben mit Down-
                                                              seinetwegen machten. Fabio war 1991 mit
                                                              dem Down-Syndrom geboren worden. An-
                                                              drea Kühnes genaue Beschreibungen seines
                                                                                                               weiter, „Fabio hat ein Down-Syndrom und
                                                                                                               autistische Störungen und es ist der Autis-
                                                                                                               mus, der zu diesem Entwicklungsstillstand
Syndrom“ (September 2003), überschrie-                        Verhaltens und seiner Entwicklung beein-         führte, es sind die autistischen Störungen,
ben mit „Doppeldiagnose: Down-Syndrom                         druckten mich, stimmten mich nachdenk-           die Fabio in seiner Entwicklung behindern“
und Autismus“. Diesem war ein Aufruf an                       lich und ein wenig ratlos, wie andere Fach-      (Jeltsch; Kühne 2003).
betroffene Eltern angefügt. Die Elternbe-                     personen auch, die mit Fabio und seiner              Die Doppeldiagnose „Down-Syndrom
richte führten zu ersten Eindrücken der                       Familie zu tun hatten. Seine körperliche         und Autismus“ war im deutschen Sprach-
Doppeldiagnose, gaben aber auch Informa-                      Entwicklung sei sehr langsam verlaufen;          raum bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend
tionen über andere zusätzliche Störungen                      mit drei Jahren habe er seine ersten freien      unbekannt. Lediglich in der Zeitschrift „Le-
als solche aus dem Autismus-Spektrum. Di-                     Schritte gemacht, erzählte Andrea Kühne.         ben mit Down-Syndrom“ war 2000 ein von
ese Feststellung, dass die Thematik komple-                   „Während dieser Zeit sprach er ein paar          Cora Halder übersetzter Text von Capone
xer war als zunächst angenommen, wurde                        Worte, einen einzigen Dreiwort-Satz, be-         erschienen.
in der Diskussion mit Eltern von Kindern                      nutzte einfache Gebärden, lernte mit dem             In der Diskussion mit Andrea Kühne
mit DS in der Schweiz noch verstärkt. Da-                     Löffel essen und aus der Tasse und dem           und anderen Müttern der Elternvereini-
her verwendete ich fortan den gemeinsam                       Glas trinken. Er hatte große Mühe mit der        gung wurde dann eben der Begriff, „Down-
gefundenen Begriff Down-Syndrom-Plus                          Feinmotorik. (...) Auch musste man ihn im-       Syndrom-Plus“ kreiert und Fragen danach
(z.B. im Mai-Heft 2004).                                      mer wieder zu einem Blickkontakt zwingen.        aufgeworfen, was diese Doppeldiagnose für
    Am Anfang der Beschäftigung mit die-                      Nach den ersten vier Jahren ist uns klar ge-     die Situation der betroffenen Familien und
sem schwierigen Thema standen also die                        worden, dass sich Fabio sehr langsam entwi-      für die Entwicklung der Kinder bedeutet
Nöte und Leiden von Eltern, die feststell-                    ckelt. Was ich auch immer wieder feststellte     und welche Förderangebote diesbezüglich
ten, dass ihre Kinder sich nicht in der Wei-                  und was mich verunsicherte, waren gewisse        sinnvoll sein könnten.
se entwickelten wie andere Kinder mit DS.                     stereotype Bewegungen, er setzte sich im-
Dass die Bandbreite der Entwicklung von                       mer öfter auf den Boden und schaukelte hin
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen                         und her und machte dazu eigenartige Ge-          2. Was heißt Down-Syndrom
mit DS groß ist, d.h., dass sie sich sehr un-                 räusche. Ich suchte Rat bei den Fachleuten:
terschiedlich entwickeln, auch was die ein-                   Die einen meinten, er mache das, wenn er
                                                                                                               und autistische Störungen?
zelnen Entwicklungsbereiche anbelangt, ist                    müde sei, andere sagten, er mache dies, um
eigentlich schon lange bekannt. Nur war die                   sich wahrzunehmen“ (Jeltsch; Kühne 2003).        Die erste Frage, die beantwortet werden
(wissenschaftliche) Beschäftigung mit je-                     Nicht nur die Langsamkeit der Entwicklung        sollte, war, was denn eigentlich unter DS
ner Gruppe von Menschen mit DS, die als                       bereitete Sorgen, sondern viel mehr noch,        und autistischen Störungen überhaupt zu
schwerbehindert bezeichnet werden kön-                        dass Fabio gewisse erlernte Fähigkeiten          verstehen sei. Anfänglich ging es darum zu
nen, geringer und begann später als die Er-                   wieder aufgab.                                   begreifen, dass die Doppeldiagnose keine
forschung derer, die sich gut entwickeln,                        Auf die Hilflosigkeit der Fachpersonen        Addition von Trisomie 21 und Autismus ist
eine gewisse Selbstständigkeit erreichen                      reagierte Andrea Kühne nicht mit Resigna-        (Annen und Kollegen, 2004). Trisomie 21
oder mit besonderen Leistungen von sich                       tion, sondern sie machte sich auf die Su-        ist ja eine genetische Störung mit syndrom-
reden machen.                                                 che nach Hilfe – im Internet. Dort wurde         spezifischen Merkmalen und einer gro-
    Für meine etwa 2002 beginnende Be-                        sie 2001 im angelsächsischen Sprachraum          ßen, nicht normal verteilten Entwicklungs-
schäftigung mit dem DS-Plus war die Be-                       fündig: „Da habe ich mein Kind ‚wiederge-        bandbreite, während sich Autismus als ein
gegnung mit Andrea Kühne ausschlag-                           funden‘ – außer dem möglichen aggressiven        durch ein Klassifikationssystem (wie z.B.
gebend. Sie hatte mir bereits einige Jahre                    Verhalten konnte ich die Verhaltenschecklis-     die DSM-IV oder die ICD-10) festgelegtes

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g     AUS DER WISSENSCHAFT
Syndrom aus verschiedenen, definierten           ner immer größer werdenden Diskrepanz,              2.2 Zu den Autismusspektrums-
Verhaltenssymptomen zusammensetzt, die           einem Schereneffekt, der allgemein bei              störungen
aber keine eindeutigen oder einheitlichen        Kindern mit geistiger Behinderung zu be-            Bislang gibt es kein zuverlässiges biolo-
biologischen Ursachen aufweisen. Es zeigte       obachten ist. In den ersten fünf Lebensjah-         gisch-medizinisches Prüfverfahren, das die
sich, dass die Doppeldiagnose sich nicht aus     ren erfolgt die Entwickung von Kindern mit          Diagnose Autismus sichert. Die Diagno-
den syndromspezifischen Merkmalen des            DS etwa im halben Tempo wie bei nichtbe-            se muss aus Symptomen erschlossen wer-
Down-Syndroms und den definierten Ver-           hinderten Kindern.                                  den. Autismus wird aufgrund eines Klas-
haltenssymptomen des Autismus zusam-             Sprachentwicklungsstörungen: Diese                  sifikationssystems (DSM-IV oder ICD-10)
mensetzt und daher auch nicht den Ele-           werden durch die Sprechwerkzeuge einer-             diagnostiziert, das auf der Beschreibung
menten entsprechend diagnostizieren lässt,       seits bedingt, denn zum klinischen Bild ge-         bestimmter Verhaltensweisen beruht. Bei
sondern diese vielmehr zusammenzuwir-            hören ja eine kleine Nase, ein hoher Gau-           aller Verschiedenheit stimmen die Klassifi-
ken.                                             men, eine relativ große und raue Zunge, ein         kationssysteme in Bezug auf den Autismus
   Um dies zu verdeutlichen, werden erst         enger Mundraum und eine schlaffe Mund-              weitgehend überein, allerdings sind ihre Be-
einige Verhaltensmerkmale dargestellt, die       muskulatur. Dies führt zu Sprechschwierig-          grifflichkeiten nicht genau gleich. So findet
das DS einerseits und den Autismus ande-         keiten. Andererseits spielen die auditiven          man in der ICD-10 den Ausdruck „früh-
rerseits charakterisieren. Danach werden         Wahrnehmungsschwierigkeiten sowie die               kindlicher Autismus“ und in der DSM-IV
diese in den Zusammenhang einer Doppel-          verzögerte kognitive Entwicklung eine Rol-          die Bezeichnung „autistische Störung“. Bei-
diagnose gestellt.                               le. Dies wirkt sich auf Sprachproduktion            de Klassifikationssysteme ordnen das Spek-
                                                 und Sprachverständnis aus. Menschen mit             trum Autismus der Gruppe der tief greifen-
2.1 Zum Down-Syndrom                             DS zeigen also erhebliche Sprachentwick-            den Entwicklungsstörungen zu, zu denen
In der medizinischen Fachliteratur finden        lungsstörungen, wobei das Sprachverständ-           noch weitere Störungen gezählt werden.
sich eine Reihe von Merkmalen des kli-           nis deutlich besser ist als die Sprachproduk-           Im Wesentlichen werden autistische Stö-
nischen Bildes, die beispielsweise äußerliche    tion. Von den im Mundbereich liegenden              rungen in drei Diagnosekategorien aufge-
Ähnlichkeiten wie die charakteristische Au-      Schwierigkeiten sind auch die Atmung so-            teilt, denen wiederum verschiedene Sym-
genstellung oder die Muskelhypotonie be-         wie die Möglichkeiten der Nahrungsauf-              ptome zugeordnet sind. Die Diagnose wird
treffen. Wie diese sich auf das Leben des Be-    nahme betroffen. Kinder mit DS lassen sich          dann gestellt, wenn pro Diagnosekategorie
troffenen auswirken, wird kaum erwähnt.          oft Zeit damit, feste Kost zu essen.                eine Mindestanzahl von Symptomen vor-
Die Ausprägung der Merkmale hat jedoch           Hypotonie: Die relativ schlaffe Muskulatur          liegt. k
keinen direkten Zusammenhang zur Ent-            wirkt sich auf die gesamte motorische Ent-
wicklung. Damit ist gemeint, dass z.B. von       wicklung aus. Betroffen davon ist die Fort-
der Körpergröße nicht auf das kognitive          bewegung, indem Kinder mit DS oft erst
Entwicklungspotenzial geschlossen werden         spät gehen lernen und ihr Weg dazu nicht            Bereiche der Autismusspektrums-
kann.                                            immer über das Krabbeln führt, sondern              störungen
    Von Interesse für unsere Fragestellung       über andere Fortbewegungen (z.B. rutschen
sind jedoch syndromspezifische Charakte-         auf dem Po). Bereits bei Säuglingen ist die            Qualitative Auffälligkeiten der gegen-
ristika, die in entwicklungspsychologischen      Reaktivität schwächer und langsamer, was               seitigen sozialen Interaktion
und sonderpädagogischen Forschungsar-            sich auf den Sozialkontakt auswirken kann.
                                                                                                        z.B. Besonderheiten in Blickkontakt, Mimik
beiten zu finden sind:                           Kinder mit DS brauchen mehr Zeit, um auf
                                                                                                        und Gestik. Wenig Interesse an anderen
Die Entwicklungsbereiche sind unter-             Reize zu reagieren.                                    Kindern oder ungeschickte Formen der
schiedlich: Kinder mit DS können sich in         Hohe soziale Anpassungsfähigkeit: Die                  Kontaktaufnahme, Mangel, spontan mit
einzelnen Bereichen unterschiedlich ent-         soziale Anpassungsfähigkeit bzw. die Sozi-             anderen Interessen oder Tätigkeiten zu teilen
wickeln. Die geistige Entwicklung verläuft       alkompetenz ist bei Menschen mit DS hoch
beispielsweise anfänglich schneller als die      im Vergleich etwa zur Kognition.                       Qualitative Auffälligkeiten der
motorische; die visuelle Wahrnehmungsfä-         Neugierdeverhalten eher auf Ge-                        Kommunikation
higkeit ist meist besser als die auditive; si-   wohntes bezogen: Kinder mit DS zei-
multane Reize können besser verarbeitet          gen ein besonderes Neugierdeverhalten;                 z.B. verspätete oder fehlende
werden als sequenzielle. Diese Diskrepanzen      sie reagieren bereits auf geringste Anforde-           Sprachentwicklung oder Verlust von
                                                                                                        vorhandener Sprache, häufiges Wiederholen
können dazu führen, dass die einzelnen Be-       rungen höchst empfindlich. Sie entwickeln              von Wörtern oder Sätzen, Mangel an Als-ob-
reiche nicht aufeinander abgestimmt sind.        ein Vermeidungsverhalten bei sie überfor-              Spielen
Ein Kind hat beispielsweise seinen Sehplan       dernden Aufgaben. Sie verharren auf Ge-
so weit entwickelt, dass es zur Auge-Hand-       wohntem und wehren Veränderungen als
                                                                                                        Begrenzte, repetitive und stereotype
Koordination fähig wäre, aber seine Moto-        Selbstschutz vor Misserfolg und Frustrati-
                                                                                                        Verhaltensmuster, Interessen und
rik ist noch nicht weit genug entwickelt.        onen ab.                                               Aktivitäten
Verlangsamtes Entwicklungstempo: Es                  Diese Befunde beruhen auf verschie-
ist nicht linear, sondern verlangsamt sich       denen Untersuchungen von Entwicklungs-                 z.B. Drehen an Rädern von Spielzeugautos,
allmählich. Dies ist auch bei sich normal        verläufen von Kindern mit DS, die nicht                Aufreihen von Gegenständen, auffällige
                                                                                                        Hand- oder Körperbewegungen, Angst vor
entwickelnden Kindern der Fall, aber auf         ausgelesen wurden, weshalb das ganze Ent-
                                                                                                        Neuem, Unsicherheit bei Veränderungen,
Dauer verlangsamt sich das Entwicklungs-         wicklungsspektrum, die ganze Bandbrei-                 ausgeprägte Spezialinteressen
tempo der Kinder mit DS stärker und da-          te gespiegelt wird. Damit ist auch klar, dass
mit nimmt der Unterschied zur durch-             nicht alle beschriebenen Charakteristika
schnittlichen Entwicklungsgeschwindigkeit        auf jedes Kind zutreffen.
von Kindern ohne DS zu. Dies führt zu ei-

                                                                                      Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   13
g    AUS DER WISSENSCHAFT
Insbesondere im englischsprachigen Raum                       Verhaltensweisen von Kindern mit                  von sehr unterschiedlichen Menschen be-
ist man zunehmend der Ansicht, dass es                        Down-Syndrom und Autismus                         züglich Alter und Lebenssituation, sodass
einen fließenden Übergang zwischen den                                                                          nicht wirklich verglichen werden kann.
verschiedenen Formen von Autismus gibt:                                                                         Zum verlangsamten             Entwicklungs-
das sogenannte Autismusspektrum. Da-                            l   Entwicklungsrückschritte, inklusive Ver-    tempo: Es scheint, dass bei DS-ASS – ähn-
mit ist gemeint, dass es sich um ein Spek-                          lust von Sprache und sozialen Fähigkeiten   lich wie bei Autismusspektrumsstörungen
trum von Störungen handelt, die in unter-                       l   Wenig Kommunikationsfähigkeiten (viele      (ohne DS) – das Entwicklungstempo sich
schiedlicher Ausprägung in einer Vielzahl                           Kinder hatten keine sinnvolle Sprache,      nicht nur allmählich, sondern ab einem ge-
von Kombinationen vorkommen und sich                                benutzen auch keinerlei Gebärden)*          wissen Alter (in der frühen Kindheit) ab-
im Laufe der Entwicklung auch verändern                         l   Selbstverletzendes oder zerstörerisches     rupt verlangsamt und nahezu zu Entwick-
können. Es kann also nicht von einem ein-                           Verhalten (wie Hautpflücken, beißen, sich   lungsstillständen oder gar Rückschritten
heitlichen klinischen Bild gesprochen wer-                          auf den Kopf hauen, den Kopf anschla-       führt.
                                                                    gen)
den. Deshalb wird im folgenden Autismus-                                                                        Sprachentwicklungsstörungen kom-
spektrumsstörungen (ASS) verwendet.                             l   Repetitive motorische Manierismen           men bei DS und bei DS-ASS vor. Sie un-
                                                                    (Zähneknirschen, schnelle Bewegungen
                                                                                                                terscheiden sich aber insofern, als Kin-
2.3 Zur Doppeldiagnose Down-Syndrom                                 von Händen, Schaukeln mit dem Körper)*
                                                                                                                der mit DS kommunikativ sind und statt
und Autismus                                                    l   Ungewöhnliche Laute (Brummen, Sum-          Sprache auch Gebärden lernen und einset-
                                                                    men oder heisere Laute)*
Diese kurzen Bemerkungen zeigen, dass                                                                           zen können (dies gilt übrigens wahrschein-
es bei DS und Autismus um zwei verschie-                        l   Ungewöhnliche Sensibilität (Starren auf     lich auch für Kinder mit DS und Hörbehin-
dene Betrachtungsweisen geht: Für das DS,                           Lichter, Empfindlichkeit bei bestimmten     derungen). Kinder mit DS-ASS verfügen
                                                                    Geräuschen)
dessen Diagnose aufgrund der Chromoso-                                                                          über wenig kommunikative Möglichkeiten
menveränderung gestellt wird, lassen sich –                     l   Probleme bei der Nahrungsaufnahme           sprachlicher und nonverbaler Art.
wenn auch in einer großen Bandbreite – ei-                          (Verweigerung oder eine starke Vorliebe     Zur Hypotonie fehlen ebenfalls noch Un-
                                                                    für bestimmte Speisen)
nige syndromspezifische Ähnlichkeiten in                                                                        tersuchungsdaten.
der Entwicklung feststellen, während die                        l   Übertriebene Angstzustände oder auch        Die hohe soziale Anpassungsfähigkeit
Autismusspektrumsstörungen als Syndrom                              fehlende Angst vor realen Gefahren, Reiz-   ist in einem engen Zusammenhang mit dem
                                                                    barkeit, großes Unbehagen gegenüber
im Sinne eines Bündels verschiedener Sym-                                                                       Kommunikations- und Interaktionsverhal-
                                                                    Änderungen in der alltäglichen Umge-
ptome verstanden wird. Diese Unterschied-                           bung, Hyperaktivität, Schlafstörungen*      ten zu sehen, das bei Kindern mit DS-ASS
lichkeit der Betrachtungsweisen erschwert                                                                       als geringer einzuschätzen ist.
u.a. die Doppeldiagnose Down-Syndrom                                                                            Das eher auf Gewohntes bezogene Neu-
und autistische Störungen.                                                                                      gierdeverhalten wird bei Kindern mit DS
    Die vorwiegend englischsprachige Fach-                                                                      oft als gewisse Sturheit erlebt. Bei Kindern
literatur zur Doppeldiagnose zeigt, dass                                                                        mit DS-ASS dagegen handelt es sich weni-
diese relativ häufig ist. Auch wenn die An-                                                                     ger um ein Festhalten an Gewohntem, son-
gaben etwas variieren, so findet man zu-                                                                        dern ein sogar zu Angstzuständen oder Pa-
meist einen Wert von 5 bis 7 %, d.h. dass                     Die von mir mit * bezeichneten Verhaltens-        nikanfällen führendes Verhalten.
5 bis 7 von 100 Kindern, Jugendlichen und                     weisen sind gelegentlich auch bei Kindern             Auch wenn sich Differenzen formulie-
Erwachsenen mit DS auch autistische Stö-                      mit Down-Syndrom ohne autistische Ver-            ren lassen, so lässt sich nicht genau unter-
rungen haben.                                                 haltensweisen zu beobachten. Diese Liste          scheiden, was gewissermaßen auf das DS,
    Zum Vergleich: In der Literatur wird das                  gibt Anhaltspunkte, mehr nicht, und sie ist       was auf die tiefgreifenden Entwicklungs-
Vorkommen von autistischen Störungen                          auf die Auffälligkeiten bzw. Abweichungen         störungen zurückzuführen wäre. Dies weist
bezogen auf die Normalbevölkerung mit                         bezogen. Sie spiegelt den damaligen de-           darauf hin, dass es sich nicht um eine bloße
0,5 bis 2 pro Tausend angegeben. Bei Men-                     skriptiven Stand der Forschung; es sind un-       Addition handeln kann.
schen mit geistiger Behinderung liegen bei                    ter den ohnehin wenigen Publikationen vor             Zudem führt diese Betrachtungsweise
etwa 20 % autistische Störungen vor – je                      allem Beschreibungen zu finden und kaum           jedoch, so scheint es, nicht unbedingt wei-
schwerer die geistige Behinderung, desto                      Versuche, Zusammenhänge aufzudecken               ter. Zwar lassen sich mit verfeinerten Instru-
häufiger sind autistische Störungen.                          oder mehrdimensionale Bedingungsgefü-             menten genauere Zuordnungen und damit
    Das Vorkommen autistischer Störungen                      ge zu finden oder theoretische Modelle zu         präzisere Benennungen von Doppeldia-
bei Menschen mit DS liegt also höher als in                   entwerfen (wie etwa, allerdings auf Down-         gnosen vornehmen, der Nutzen für die Be-
der Normalbevölkerung und niedriger als                       Syndrom insgesamt bezogen, von Cebula et          troffenen und deren Angehörigen hält sich
bei Menschen mit geistiger Behinderung.                       al. 2010 vorgeschlagen wird).                     jedoch in Grenzen. Denn eine nur individu-
    In den 70er Jahren des letzten Jahrhun-                       Im Vergleich mit den vorher genann-           alisierende Betrachtung einer Schädigung
derts wurde in den USA und England da-                        ten syndromspezifischen Merkmalen des             ist nicht mehr zeitgemäß. Damit ist ein Be-
mit begonnen, auch schwerer und kom-                          DS werden nun die in der Fachliteratur ge-        hinderungsverständnis angesprochen, dem
plexer behinderte Menschen mit DS zu                          nannten Unterschiedlichkeiten zu DS und           der Gedanke zugrunde liegt, dass Behinde-
untersuchen. Verschiedene Fachpersonen                        Autismusspektrumsstörungen (DS-ASS)               rung ein interaktives Geschehen zwischen
führten klinische Studien durch. Bekannt                      aufgezeigt:                                       Individuen und ihrem (sozialen) Kontext
und oft zitiert sind die von Capone (2000)                    Zur Unterschiedlichkeit der Entwick-              ist. Dies spiegelt sich ein Stück weit in der
aufgeführten „variablen Charakteristika“,                     lungsbereiche: Es liegen zu wenig Un-             Internationalen Klassifikation von Funk-
die Kinder mit Down-Syndrom und Autis-                        tersuchungsdaten vor, um sie beurteilen zu        tionsfähigkeit, Behinderung und Gesund-
mus öfter zeigen:                                             können. Auch betreffen die klinischen Fall-       heit (ICF) wider. Daher kann Behinderung
                                                              beispiele der Fachliteratur Beschreibungen        nicht statisch verstanden werden, sondern

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g     AUS DER WISSENSCHAFT
vielmehr als Prozess, als etwas, das sich ent-   schwierigen Reaktionen aus der Umgebung              selbstständig an- und ausziehen konnten,
wickelt. Analog dazu ist Entwicklung eben-       auseinandersetzen. Auf dem Hintergrund               auch gewisse Gefahren erkennen konnten,
falls interaktiv zu fassen, als ein Zusam-       solcher verschiedenartiger Schwierigkeiten           sich ausdrücken konnten, wenn nicht ver-
menspiel von Anlage und Umwelt. Dieses           ist der Aufbau einer gelingenden Interakti-          bal, dann mithilfe von Gebärden. Unser Fa-
Entwicklungsverständnis wird nun kurz er-        on erschwert, die eine gedeihliche Entwick-          bio konnte nichts von all dem. Die Erkennt-
läutert.                                         lung erst ermöglicht. Behinderte Kinder              nis, dass Fabio in seiner Entwicklung stehen
                                                 und Eltern sind gefährdet, in einen Teufels-         geblieben ist und mir niemand erklären
2.4 Aspekte menschlicher Entwicklung             kreis zu gelangen, in dem sie sich gegensei-         konnte warum, stürzte mich in eine tiefe
Ein interaktives Verständnis impliziert,         tig missverstehen und aufreiben.                     Krise“ (Kühne-Francescon 2002).
dass nicht nur das sich entwickelnde Kind,           Vor allem am Anfang, für den Aufbau ih-              In diesem eindrücklichen Text wird die
sondern auch sein Entwicklungskontext be-        rer Interaktion, benötigen Eltern und Kind           Hilflosigkeit aller deutlich. Diese kumuliert
trachtet werden. Es ist daher sinnvoll, von      einen Spielraum, in dem sie sich gegensei-           gewissermaßen in der Aussage: „... und mir
Kindern, die unter der Bedingung eines           tig unbelastet kennenlernen und aufeinan-            niemand erklären konnte warum ...“ Dass
DS aufwachsen, zu sprechen. Diese For-           der einspielen können. Das ganzheitliche             die Eltern keine Erklärung finden, ist un-
mulierung verweist darauf, dass Entwick-         Wahrnehmen des Kindes und die Fähigkeit              mittelbar verständlich. Aber wenn selbst
lung nur in einem Bedingungsgefüge über-         der Mutter (oder der Eltern), Äußerungen             Fachpersonen verschiedener Disziplinen
haupt möglich ist. Dieses kann bei Kindern       des Kindes wahrzunehmen und auf sie zu               keine Gründe finden, wird es besonders für
mit DS im individuellen Potenzial und den        reagieren, müssen zu einem Zusammen-                 die Familie kritisch. Sie gerät in eine Situa-
syndromspezifischen Beeinträchtigungen           spiel kommen.                                        tion, in der sie keine Zukunftsvorstellungen
sowie den Bedingungen des sozialen Um-               Dieser notwendige Spielraum wird durch           mehr haben kann. Denn wenn Erklärungen
feldes gesehen werde.                            vielerlei beschnitten. Die Kenntnis von syn-         fehlen, kann man keine Voraussagen über
    Entwicklung setzt dreierlei voraus: die      dromspezifischen Merkmalen und Verhal-               die künftige Entwicklung machen. Die Fa-
Aktivität des sich entwickelnden Subjektes;      tensweisen kann bei den Eltern wie auch              milie verliert ihre Handlungsfähigkeit, weil
eine Umgebung, die das Subjekt mit den           bei den mit ihnen zusammenarbeitenden                das, was sie tut, nichts bringt und somit
ihm zur Verfügung stehenden Aktivitäts-          Fachpersonen eine Hilfe für die Entwick-             sinnentleert wird. Die Suche nach Erklä-
möglichkeiten wahrnehmen kann und ein            lungsförderung des Kindes sein. Sie kann             rungen wird zu einer Suche nach Versäum-
Umfeld, das dem Subjekt Gelegenheit gibt,        aber auch die Wahrnehmung des Kindes                 nissen (z.B. in der Förderung) und damit zu
sich mit ihm auseinanderzusetzen, d.h.           und seiner Verhaltensweisen verengen und             Fragen nach Verantwortung und Schuld.
durch eigenes Handeln in ihm etwas zu be-        die Sicht auf anderes verstellen, indem alle             Dass von dieser äußerst schwierigen,
wirken.                                          Äußerungen des Kindes auf das DS bezo-               ausweglos scheinenden Situation alle Betei-
    Zur genaueren Erläuterung dieser drei        gen werden. Zudem stehen alle unter dem              ligten betroffen sind, ist klar. Allerdings ist
miteinander zusammenhängenden Merk-              Druck, mit ihren Fördermaßnahmen Ent-                die Betroffenheit der Eltern eine viel stär-
male menschlicher Entwicklung setze ich          wicklungsfortschritte zu erzielen.                   kere, da sie existenziell ist. Ihre Elternrolle
einen Schwerpunkt, indem ich die Inter-                                                               und damit die Ver-Bindung zu ihrem Kind
aktion zwischen den Eltern als den wich-         2.5 Erkennung einer zweiten Diagnose                 und die Verantwortlichkeit für es können
tigsten Bezugspersonen in der Familie und        Was aber, wenn alle Bemühungen nur sehr              sie nicht aufgeben.
einem sehr kleinen Kind mit einer Behin-         wenig fruchten? Was, wenn das Kind kaum                  Die Erkennung einer zweiten Diagno-
derung beschreibe. Die Familie wird dabei        Fortschritte oder gar Rückschritte macht?            se, in diesem Fall autistischer Störungen,
als Entwicklungsumgebung des Kindes ver-         Die Zusammenarbeit mit den Eltern kann               kann in dieser Situation zu einer Entlastung
standen. Die gelingende Interaktion ist für      dadurch belastet werden. Die Fachperson              führen. Die Schuld liegt nicht bei jemandes
die Entwicklung des Kindes bzw. für die          mag sich fragen, wie viel Förderungsarbeit           Versäumnis, sondern sie liegt in einer wei-
Aufgaben, die es in seiner Entwicklung zu        die Eltern denn zu leisten bereit sind, wie          teren, bislang unbekannten Behinderung
lösen hat, ebenso wichtig wie für die Ent-       kooperativ sie die Anregungen aufnehmen.             des Kindes. Ihre Erkennung führt dazu,
wicklung der Mutter (d.h. der primären Be-       Die Eltern mögen sich fragen, ob die Fach-           dass Zukunftsmöglichkeiten – wenn auch
zugspersonen) bzw. für die mütterlichen          person genügend kompetent ist, warum sie             veränderte – wieder möglich werden.
Aufgaben, die sich stellen. Entwicklungs-        nicht bessere oder mehr Fördermöglich-                   „Einerseits war ich erleichtert, dass ich
schritte können nur geschehen, wenn eine         keiten anbietet.                                     endlich eine Antwort auf unsere vielen Fra-
Passung zwischen dem sich entwickelnden             Diese Unsicherheitsphase ist sehr be-             gen gefunden habe, auch fühlte ich mich
Kind und seiner sozialen Umwelt zustan-          lastend für alle Beteiligten, weil sich alle in      entlastet, dass ich Fabios Verhalten einen
de kommt und die Kompetenzen aufgebaut           Frage gestellt, verunsichert und inkompe-            Namen geben konnte und nicht mehr nur
werden können, die für die Bewältigung der       tent fühlen. Andrea Kühne schreibt dazu:             dastand mit einem Kind mit Down-Syn-
sich stellenden Entwicklungsaufgaben er-         „Als sich in keinem Bereich Fortschritte             drom, das bestimmt falsch oder zu wenig
forderlich sind.                                 abzeichneten, merkte ich, dass Fabio sich            gefördert wurde. Andererseits traf mich
    Familien, die erfahren, dass ihr Kind be-    nicht einfach langsamer als andere Kin-              natürlich auch die Erkenntnis, dass diese
hindert ist, sind meist zuerst in einer Kri-     der mit Down-Syndrom entwickelt, son-                schwerwiegende Behinderung nicht einfach
se. Sie müssen sich mit der Tatsache der         dern dass er sich nicht wie die meisten Kin-         wegtherapiert werden kann, sondern dass
Behinderung auseinandersetzen, werden            der mit DS entwickelt. Die Ärzte meinten,            die Zukunft für Fabio und unsere Familie
von vielen, verschiedenen Gefühlen über-         er sei einfach schwerer behindert, dasselbe          ganz anders sein wird, als ursprünglich an-
schwemmt und stellen sich Fragen nach            sagten Lehrer/-innen in der Schule. Rund-            genommen“ (Kühne-Francescon 2002).
dem Warum, nach dem Wie-Weiter. Sie              herum sah ich nur Kinder mit DS, die lang-               Die eindrückliche Schilderung des
werden durch die Pflege des Kindes gefor-        sam, aber sicher etwas selbstständiger wur-          Weges, den die Familie Kühne machen
dert und müssen sich zugleich mit teilweise      den, die Buchstaben und Zahlen übten, sich           musste, bis die zweite Diagnose gestellt wur-

                                                                                       Le b e n m i t D o w n - S y n d ro m N r. 6 4   I   Mai 2010   15
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