Heilpädagogik im Einflussbereich des demographischen Wandels

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Judith Adler, Karin Bernath, Monika Wicki, Jürgen Steiner

Heilpädagogik im Einflussbereich
des demographischen Wandels

Zusammenfassung
Dieser Beitrag betont, dass die Heilpädagogik auch für Fragen des Alterns zuständig ist. Im Kontext ei-
ner drohenden oder manifesten Behinderung stellen sich bezogen auf das Alter zwei Aufgaben:
Zum einen braucht es zukunftsorientierte heilpädagogische Konzepte für alte(rnde) Menschen, die be-
hindert werden, und zum anderen braucht es eine sinnvolle Verknüpfung von Konzepten für behinderte
Menschen, die alt werden.
Mit ihrer Diagnostik und Methodik, mit ihren bewährten Massnahmen hilft die Heilpädagogik, die al-
tersbedingte Behinderung bzw. die spezifischen Erschwernisse von Menschen mit Behinderungen im Al-
ter zu kompensieren oder zu korrigieren. Weshalb ist das, was die Heilpädagogik in diesen Fragestel-
lungen beitragen kann, wichtiger denn je?

Résumé
Cet article souligne le fait que la pédagogie spécialisée est également concernée par des questions liées
au vieillissement. Dans le contexte d’un handicap potentiel ou acquis, les deux tâches suivantes en rap-
port avec le vieillissement se profilent :
Des concepts de pédagogie spécialisée orientés vers l’avenir pour des personnes vieillissantes devenant
handicapées sont nécessaires ; Une mise en rapport judicieuse de concepts pour des personnes en situa-
tion de handicap devenant âgées s’impose.
Avec son diagnostic, sa méthodologie et ses mesures éprouvées, la pédagogie spécialisée contribue à com-
penser, voire à corriger le handicap allant de pair avec le vieillissement et les difficultés rencontrées par
des personnes vieillissantes en situation de handicap. Pourquoi les apports de la pédagogie spécialisée
dans ce domaine sont-ils plus que jamais de première importance ?

Demographischer Wandel                                                        150 Jahren nahezu verdoppelt und steigt
Die Gesellschaft verändert sich. Für diese                                    weiter an. Hinter den Zahlen steckt noch ei-
Tatsache des demographischen Wandels ist                                      ne weitere Veränderung: Nach einer Phase
die Bevölkerung inzwischen sensibilisiert:                                    der sicheren Gesundheit müssen Anpassun-
Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich                                    gen vorgenommen werden – gesellschaft-
die Zahl der über 60-Jährigen vervierfacht,                                   lich und individuell. Nach dem 80sten Le-
jene der 80-Jährigen verzehnfacht. Dieses                                     bensjahr gehören krankheits- und behinde-
Jahrhundert setzt sich diese Entwicklung                                      rungsbedingte Erschwernisse zum Alltag.
fort: Im Jahr 2000 betrug der Altersquotient
25 %, 2010 liegt er bei 27,5 %, 2020 wird er                                  Gleichzeitig gibt es immer mehr behinderte
auf 33,4 % und 2030 auf 43 % steigen (Bun-                                    Menschen, die alt werden. Ein Fünftel aller
desamt für Statistik, 2009). Die durch-                                       Personen, die 2008 Leistungen der Invali-
schnittliche Lebenserwartung hat sich seit                                    denversicherung IV bezogen – etwa 82 000

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 17, 2/11                                                                                            11
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     Personen –, waren älter als 60 Jahre (Bundes-                            Stationäre Unterstützung
     amt für Sozialversicherungen, 2009). Be-                                 Personen, die von Geburt weg behindert
     reits in den 80er Jahren des letzten Jahrhun-                            sind oder früh behindert werden, leben häu-
     derts haben Fachleute in Holland, Frank-                                 figer in Einrichtungen, wenn sie älter wer-
     reich und der Schweiz darauf aufmerksam                                  den: ca. 40 bis 50 % der über 45-Jährigen le-
     gemacht, dass sich beispielsweise die Zahl                               ben in Einrichtungen. Je nach Behinde-
     der älteren geistig Behinderten innert weni-                             rungsform variiert der Prozentsatz. So leben
     gen Jahrzehnten dramatisch erhöhen wird,                                 beispielsweise gegen 80 % der über vierzig-
     dass sozusagen ein spezifischer demogra-                                  jährigen geistig behinderten Menschen in
     phischer Wandel im allgemeinen demogra-                                  Institutionen. Damit wird aber auch klar,
     phischen Wandel stattfindet. Vermutet wur-                                dass vom demographischen Wandel deshalb
     de, dass sich letztlich die Zahl der älteren                             auch Behinderteneinrichtungen betroffen
     geistig Behinderten an der Gesamtpopulati-                               sind, die Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten
     on der geistig behinderten Menschen der                                  für Menschen mit Behinderungen anbieten
     allgemeinen Bevölkerung angleichen wird:                                 (Bieri & Stremlow, 2008).
     von 5 % im Jahr 1990 auf 25 % im Jahr 2025
     (Bernath, 1990).                                                         Rolle der Heilpädagogik
                                                                              im demographischen Wandel
     Ambulante Unterstützung                                                  Mit anderen Worten: Immer mehr Men-
     Was in der Schweiz speziell ist: mehr als                                schen werden alt, und damit werden ver-
     90 % der über 65-Jährigen leben bei sich zu                              mutlich absolut gesehen immer mehr Men-
     Hause, kaum 10 % in Alters- und Pflegehei-                                schen behindert. Alterungsprozesse bedeu-
     men (Bayer-Oglesby & Höpflinger, 2010, S.                                 ten bekanntlich, dass jemand immer schlech-
     35). Etwa 13 % der Menschen über 65 Jahre,                               ter hört, sieht, geht und eventuell sogar sich
     die zu Hause leben, sind hör-, seh- und/oder                             Dinge schlechter merken kann. Die Heilpäd-
     körperbehindert (Bundesamt für Statistik,                                agogik befasst sich mit all diesen Behinde-
     2005). 77 % der Personen, die in einem Al-                               rungsformen, das heisst, sie kann hier einen
     ters- oder Pflegeheim leben, leiden an einem                              Betrag leisten. Sie fokussiert unter anderem
     gesundheitlichen Problem, das schon min-                                 im Kontext von erschwerten Bedingungen:
     destens 6 Monate dauert: 39 % werden als                                 œ Ra]d]$
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ihre Lernfähigkeit und -fertigkeit aufrecht                                   geistig behinderten Personen selbst und an
zu erhalten, ihnen trotz abnehmendem Seh-                                     ihre Geschwister.
vermögen die Mobilität aufrecht zu erhalten
helfen – dies und mehr sind Aufgaben, die                                     Bei der Suche nach geeigneten Programmen
Heilpädagogen und Heilpädagoginnen wahr-                                      zeigte sich schon bald, dass es sinnvoll ist,
nehmen.                                                                       das Interventionsprogramm des Rehabilita-
                                                                              tion Research and Training Center on Aging
Die Zukunft ist jetzt! Beispiel eines heil-                                   with Developmental Disabilities (RRT-
pädagogischen Angebots für ältere Menschen                                    CADD) von DeBrine et al. (2009) zu überset-
mit einer geistigen Behinderung                                               zen und an schweizerische Verhältnisse an-
«Die Zukunft ist jetzt!» ist ein Kursangebot,                                 zupassen, denn Ansätze zur familienorien-
das an der Hochschule für Heilpädagogik                                       tierten Zukunftsplanung sind im deutsch-
HfH im Forschungsprojekt «Auf der Suche                                       sprachigen Raum kaum vorhanden, die
nach einem neuen Zuhause» zur Unterstüt-                                      Zukunftsplanung wird bei diesen vor allem
zung der Zukunftsplanung von erwachse-                                        auf der Ebene der Individuen umgesetzt
nen Menschen mit einer geistigen Behinde-                                     (Oermann, 2008).
rung, die bei ihren Eltern leben, in Zusam-
menarbeit mit betroffenen Familien, Verei-                                    Um die schweizerischen Verhältnisse zu
nen und Verbänden entwickelt wird.                                            analysieren, wurde in einem ersten Schritt
                                                                              in einer Expertenbefragung erhoben, wel-
Die demographische Alterung bei Menschen                                      che Dienstleistungen in der Schweiz für er-
mit Behinderung hat komplexe Folgen, die                                      wachsene Menschen mit einer geistigen Be-
in der Schweiz noch kaum erforscht sind.                                      hinderung, die bei ihren Eltern leben, vor-
Betroffen sind auch erwachsene Menschen                                       handen sind oder nötig wären, damit sie mit
mit einer geistigen Behinderung, die bei ih-                                  ihren Angehörigen mit der Zukunftspla-
ren Eltern wohnen. Mit der steigenden Le-                                     nung beginnen können. 129 deutschspra-
benserwartung der behinderten Personen                                        chige regionale, kantonale und nationale
werden die Eltern die Betreuung ihrer Söh-                                    Stellen der Organisationen Pro Infirmis, in-
ne und Töchter nicht mehr bis zu deren Le-                                    sieme, cerebral, Procap, Pro Senectute, Insos
bensende leisten können. Ohne vorangehen-                                     und Curaviva sowie verschiedene Institutio-
de Planung kann es bei Krankheit oder To-                                     nen wurden per E-Mail angeschrieben, mit
desfall der Eltern zu schwierigen Übergän-                                    der Bitte, an der Online-Befragung teilzu-
gen, zu unzulänglichen rechtlichen Ab-                                        nehmen; 50 regionale und kantonale Stellen
sicherungen oder zu Notfallüberweisungen                                      sind dem Aufruf gefolgt.
in unpassende Wohnsituationen kommen.
In der Schweiz ist die Zukunftsplanung für                                    Die Ergebnisse der Befragung waren für die
schätzungsweise 5000 betroffene Familien                                      Anpassung des Kursangebotes an die
ein wichtiges Thema. Das Forschungspro-                                       schweizerischen Verhältnisse sehr wichtig.
jekt hat zum Ziel, ein Angebot für die Zu-                                    Tatsache ist, dass sehr viele regionale und
kunftsplanung von alten Eltern, die erwach-                                   kantonale Stellen verschiedener Organisati-
sene Familienmitglieder mit einer geistigen                                   onen Dienstleistungen anbieten, die für die
Behinderung betreuen, bereitzustellen. Das                                    Zukunftsplanung von Familien, die mit er-
Angebot soll sich an Eltern richten, an die                                   wachsenen Menschen mit einer geistigen

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 17, 2/11                                                                                            13
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     Behinderung zusammenleben, bedeutsam                                     für Menschen mit einer geistigen Behinde-
     sind. Tatsache ist aber auch, dass die Eltern                            rung in der Region und zu finanziellen und
     wie auch die Personen mit einer geistigen                                rechtlichen Fragen. Diskutiert werden zu-
     Behinderung selber genau diese Angebote,                                 dem Fragen zu Planungsschwierigkeiten
     nach Angaben der Expertinnen und Exper-                                  und Freundschaften und Beziehungen. Da-
     ten, nur selten nutzen (Adler & Wicki, 2010).                            neben erhalten die Familien viel Raum um
     Ob die Angebote nicht bekannt sind, ob die                               Erfahrungen auszutauschen. Der Kurs wird
     Eltern und die Personen mit einer geistigen                              in einer Gruppe für die behinderten Söhne
     Behinderung die Angebote nicht sinnvoll                                  und Töchter und in einer Gruppe für die El-
     finden, oder ob die Hürden zu hoch sind, um                               tern und Geschwister durchgeführt. Zur
     die Angebote häufiger zu nutzen, soll im                                  Auswertung des Kurses nehmen die Famili-
     Forschungsprojekt in einer erweiterten Be-                               en auch an einer Befragung und an einer
     fragung erhoben werden. Zudem werden die                                 Feedbackrunde teil (Adler et al., 2010).
     Organisationen stärker bei der Durchfüh-
     rung des Kurses miteinbezogen.                                           Nach dem Abschluss des Pilotkurses ist eine
                                                                              18 Monate dauernde Interventionsstudie
     An einer Informationsveranstaltung für Fa-                               mit 50 Familien und einer Kontrollgruppe
     milien von erwachsenen Menschen mit ei-                                  mit ebenso vielen Familien geplant. Haupt-
     ner geistigen Behinderung, die mehr als 20                               ziel der Intervention ist die Aufnahme der
     betroffene Familien am 25. September 2010                                Planungstätigkeit durch die Familien. Ein
     an der HfH besuchten, wurden Eltern und                                  weiteres wichtiges Ziel ist, dass die Familien
     Angehörigen Informationen zur finanziel-                                  ihre Unterstützungsbedürfnisse formulie-
     len und rechtlichen Zukunftsplanung gege-                                ren und sich dafür einsetzen können und
     ben. Gleichzeitig wurden die Eltern ange-                                diese auch erhalten. Die Wirksamkeit der
     fragt, am übersetzten und angepassten Kurs-                              Intervention wird daran gemessen, ob die
     angebot teilzunehmen, den Kurs im Rah-                                   beteiligten Eltern Aktivitäten bezüglich der
     men eines Pilotkurses zu prüfen und an der                               Zukunftsplanung aufnehmen. Im Einzel-
     Entwicklung mitzuarbeiten.                                               nen sind dies die Planung der finanziellen
                                                                              Vorsorge, die Planung der Betreuung und
     Der Pilotkurs startete am 29. November                                   Verantwortung (Absichtserklärung, Vor-
     2010 in Zusammenarbeit mit dem Bildungs-                                 mundschaft) oder die Planung der Wohnsi-
     club von Pro Infirmis Zürich mit 8 Familien                               tuation (z. B. Informationen einholen, Ein-
     erfolgreich. Es konnten für den Pilotkurs                                trag in Wartelisten, Reservationen vorneh-
     vorwiegend Eltern mittleren Alters erreicht                              men). Aufgrund der Studie von Heller und
     werden. Die Personen mit einer geistigen Be-                             Caldwell (2006) können zudem eine Abnah-
     hinderung, ihre Eltern, Geschwister und                                  me der subjektiv empfundenen Belastung
     Angehörigen werden an 5 Abenden zu je 2.5                                der Betreuungsperson durch die Betreu-
     Stunden beim Erarbeiten einer zukunftsge-                                ungssituation, eine Zunahme von selbst ge-
     richteten Absichtserklärung, in der biogra-                              fällten Entscheidungen durch die behinder-
     phische Angaben sowie Wünsche und Un-                                    te Person sowie eine Zunahme der Bespre-
     terstützungsbedarf der Familie festgehalten                              chungen von Zukunftsplänen der Familien-
     werden, unterstützt. Sie erhalten Informati-                             angehörigen mit der behinderten Person
     onen über Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten                                 erwartet werden.

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M E N S C H E N M I T B E H I N D E R U N G E N I M Z U N E H M E N D E N A LT E R
                                                                                                                                                 •
Kann die Wirksamkeit des Kursangebotes                                        Ziel im Kontext Demenz ist die Aufrechter-
auch für die Schweiz bestätigt werden,                                        haltung der Wohnselbständigkeit bzw. das
wird der Kurs an Anbieter in der Praxis                                       Hinausschieben der institutionalisierten
übergehen. Die Forschungsergebnisse kön-                                      Pflege. Wenn Wohnselbständigkeit und
nen auf diese Weise sowohl für die Famili-                                    häusliche Pflege in der Familie bzw. konkret
en mit behinderten Söhnen und Töchtern                                        vom Ehepartner oder der Ehepartnerin ge-
als auch für Organisationen im Bereich der                                    leistet wird (Grond, 2009), braucht dieser
geistigen Behinderung nutzbar gemacht                                         Hilfe und Unterstützung. Es gilt die Gesund-
werden.                                                                       heit des Systems aufrecht zu erhalten. Für
                                                                              den Primärbetroffenen geht es um Kontakt,
Auftrag der Logopädie im Themenkreis                                          Orientierung, Sinn und kognitive Aktivität;
Demenz – Beispiel eines heilpädagogischen                                     für den Sekundärbetroffenen geht es um die
Angebots für ältere Menschen mit Kommu-                                       Abwendung einer psychosomatischen Ge-
nikationsbehinderungen                                                        fährdung (z. B. Depression). Für beide Seiten
Der Logopädie geht es nicht nur um Worte.                                     fungieren Sprache und Kommunikationsfä-
Worte sind Kontextelemente, die Ich, Du                                       higkeit als wesentlicher Schlüssel, denn sie
und die Welt verbinden; sie machen dann                                       sind der Kern des Miteinanders.
Sinn, wenn sie in Interaktionen gebraucht
werden – als Teile von mündlichen Äusse-                                      Als erster Schritt der Logopädie in Richtung
rungen, als Dialoge, als schriftliche Texte.                                  Regelangebot in der Geriatrischen Rehabili-
                                                                              tation ist die Klärung der Indikation. Ist die
Im Falle einer Demenz geht der Kontext ver-                                   Logopädie wirklich zuständig?
loren; Kommunikation – Kognition und Ge-
dächtnis sind immer weniger in der Lage                                       Die Argumentationskette für eine dialogi-
sich gegenseitig zu stützen. Der Begriff «De-                                 sche Ausrichtung des logopädischen Ange-
menz» ist ein Sammelbegriff, der degenera-                                    botes der Logopädie/Sprachtherapie kann
tive und vaskuläre, teils aber auch degenera-                                 wie folgt geführt werden (vgl. Braun et al.,
tiv-vaskuläre Mischformen einschliesst. Die                                   2010):
Alzheimersche Erkrankung macht 60–75 %                                        œ Hgkalan]CgeemfacYlagfakl]af]oa[`la-
aller Demenzen aus.                                                              ge Säule für das Gelingen der Paarbezie-
                                                                                 hung.
Die systematische Beschäftigung der Diszip-                                   œ Hgkalan] CgeemfacYlagf akl ]Z]fkg \]j
lin Logopädie/Sprachheilpädagogik im The-                                        entscheidende Prädiktor für das Gelingen
menkreis Demenz hat eine etwa zwanzig-                                           der Paarbeziehung mit Demenz bzw. der
jährige Tradition; sie ist als Angebot im Mo-                                    entscheidende Faktor der Resilienz in Be-
ment dabei sich zu etablieren. Einer heilpä-                                     zug auf psychosoziale Störungen/Belas-
dagogischen Logopädie für Demenz geht es                                         tungen des pflegenden Ehepartners bzw.
um die Aufrechterhaltung der Kommunika-                                          der -partnerin.
tion und um Herstellung von Sinn, Kompe-                                      œ Cgfr]hl]rmjKl–lrmf_\]jHYjlf]j%
•   M E N S C H E N M I T B E H I N D E R U N G E N I M Z U N E H M E N D E N A LT E R

     Für ein Angebot im Bereich der Schriftspra-                              3. Vorschläge zur Einzeltherapie, zur kom-
     che spricht, dass gerade die Schrift zu den                                 munikativ geführten Gruppentherapie,
     erwartbaren Ressourcen bei Menschen mit                                     zum Dialogcoaching und zur Beratung
     einer Alzheimerschen Erkrankung gehört.                                     liegen als Buch (Steiner, 2010) vor.
     Bourgeois & Hickey (2009) haben sprachlich-                              4. Ein virtuelles Kompetenzzentrum ist mit
     kommunikative Ressourcen in verschiede-                                     www.demenzsprache-hfh.ch aufgestar-
     nen Stadien der Alzheimerschen Erkran-                                      tet; es wird zur Zeit ausgebaut.
     kung zusammengestellt. Wir können von                                    5. Ein Film zu Validation und Logopädie bei
     Folgendem ausgehen:                                                         Demenz («Gelingende Kommunikation
     œ ^j–`]kKlY\ame2aflYcl]H`gfgdg_a]mf\                                  mit dementen Menschen») ist über www.
        Syntax, gute Lese- und Schreibfähigkeit                                  hfh.ch/shop zu bestellen.
        (Textebene), gute Konzentrationsfähig-                                6. Das Thema «Sprache und Alter» ist seit
        keit, Fehlerbewusstsein,                                                 2008 im Weiterbildungsprogramm der
     œ ealld]j]k KlY\ame2 aflYcl] H`gfgdg_a]                                HfH mit unterschiedlichen Angeboten
        und Syntax, gute Lese- und Schreibfähig-                                 verankert.
        keit (mindestens auf Wortebene),                                      7. HfH-intern gibt es eine Arbeitsgruppe
     œ khl]kKlY\ame2Y\imYl]]eglagfYd]J]-                                  Gerontagogik, auf internationaler Ebene
        aktionen, ansprechbar für Musik, an-                                     werden in einer internationalen und mul-
        sprechbar für taktile und visuelle Reize,                                tiprofessionellen Arbeitsgruppe Schritte
        Wunsch nach Kommunikation.                                               in Richtung erster Leitlinien für Logopä-
                                                                                 die und Demenz diskutiert (Deutscher Be-
     Die Indikation für Logopädie als Regelange-                                 rufsverband der Logopäden, DBL, Mainz,
     bot im Problemfeld Demenz wird nach die-                                    www.dbl-ev.de).
     ser Argumentation als gegeben angenom-
     men. Was ist an Bearbeitungen an der Hoch-
     schule für Heilpädagogik HfH, Zürich, bis-                               Ausblick
     her erreicht worden?                                                     Die ausgeführten Beispiele sind Anzeichen
                                                                              dafür, dass sich Heilpädagoginnen und
     Das Thema Sprachabbau bei beginnender                                    -pädagogen weiterhin und vertieft um die
     Demenz ist in der Hochschule mehrfach ver-                               komplexen Fragestellungen rund um Men-
     ankert und hat zu folgenden Ergebnissen ge-                              schen, die aufgrund ihres Alters behindert
     führt:                                                                   werden, und um Menschen, die behindert
     1. In der Lehre ist Sprachabbau bei begin-                               sind und alt werden, kümmern. Die Beispie-
        nender Demenz mit einem Credit im re-                                 le ermuntern aber auch, sich intensiver mit
        gulären Angebot des Bachelorstudiums                                  übergeordneten Konzeptionen zu befassen.
        Logopädie gesichert; es existieren zusätz-                            Es steht an, zukunftsorientierte heilpädago-
        liche Wahlangebote mit weiteren Credits                               gische Konzepte für alternde Menschen zu
        zum Thema. Einige Bachelorthesen zum                                  diskutieren und die vorhandenen Konzepte
        Thema sind entstanden.                                                für behinderte Menschen, die alt werden, zu
     2. Logopädisch orientierte Diagnostiktools                               ergänzen – zum Beispiel mit oben erwähn-
        und Therapievorschläge stehen als Down-                               ten Methoden und Massnahmen – und sie
        load zur Verfügung (www.hfh.ch, who is                                sinnvoll zu verknüpfen. Die Heilpädagogik
        who, Steiner).                                                        ist gefragt!

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M E N S C H E N M I T B E H I N D E R U N G E N I M Z U N E H M E N D E N A LT E R
                                                                                                                                                 •
                                                                              Literatur
                                                                              Adler, J. & Wicki, M. T. (2010). Bericht zur Expertenbe-
                                                                                  fragung im Rahmen des Projektes «Auf der Suche
                                                                                  nach einem neuen Zuhause. Zukunftsgestaltung
                                                                                  von erwachsenen Menschen, die bei ihren Eltern
Lic. phil. Judith Adler                                                           leben.» Ein Entwicklungsprojekt. Zürich: Interkan-
judith.adler@hfh.ch                                                               tonale Hochschule für Heilpädagogik.
                                                                              Adler, J. et al. (2010). Die Zukunft ist jetzt. Ein Kursan-
                                                                                  gebot für die Zukunftsplanung von erwachsenen
                                                                                  Menschen mit einer geistigen Behinderung und ih-
                                                                                  ren Angehörigen. Zürich (orig.: DeBrine et al.
                                                                                  (2009). The Future ist Now. A Training Planning
                                                                                  Curriculum for Families and their Adult Relatives
Dr. phil. Karin Bernath                                                           with Developmental Disabilities. Illinois & Chica-
karin.bernath@hfh.ch                                                              go: RRTCADD).
                                                                              Bayer-Oglesby, L. & Höpflinger F. (2010). Statistische
                                                                                  Grundlagen zur regionalen Pflegeheimplanung in
                                                                                  der Schweiz. Methodik und kantonale Kennzahlen
                                                                                  (Obsan Bericht 47). Neuchâtel: Schweizerisches
                                                                                  Gesundheitsobservatorium.
                                                                              Bernath, K. (1990). Die neuen «Senioren», Bulletin
Dr. phil. Monika Wicki                                                            SZH-SPC, [3], 5–9.
monika.wicki@hfh.ch                                                           Bieri, A. & Stremlow, J. (2008). Angebot und Ange-
                                                                                  botsstrukturen stationärer Betreuung der erwach-
                                                                                  senen Menschen mit Behinderung im Kanton Zü-
                                                                                  rich. Angebotsinventar 2007, Luzern.
                                                                              Bourgeois, M. Hickey, E. (2009). Dementia. From Dia-
                                                                                  gnosis to Management – A functional Approach.
                                                                                  New York: Taylor & Francis.
Prof. Dr. habil. Jürgen Steiner                                               Braun, M. et al. (2010). Die subjektive Belastung pfle-
juergen.steiner@hfh.ch                                                            gender Ehepartner von Demenzerkrankten: Hin-
                                                                                  weise zur Validität des deutschen Zarit Burden In-
                                                                                  terviews. Zeitschrift für Gerontologie und Geriat-
Interkantonale Hochschule                                                         rie, 43, 111–119.
für Heilpädagogik HfH, Zürich                                                 Bundesamt für Statistik (2005). Gesundheit und Ge-
Schaffhauserstrasse 239                                                           sundheitsverhalten in der Schweiz 1992–2002.
8050 Zürich                                                                       Schweizerische Gesundheitsbefragung. Neuen-
                                                                                  burg: Bundesamt für Statistik.
                                                                              Bundesamt für Statistik (2009). Ständige Wohnbevöl-
                                                                                  kerung nach Alter am Jahresende 2009. Internet:
                                                                                  http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/
                                                                                  themen/01/02/blank/key/alter/gesamt                    [Stand
                                                                                  3.12.2010]

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 17, 2/11                                                                                            17
•   M E N S C H E N M I T B E H I N D E R U N G E N I M Z U N E H M E N D E N A LT E R

     Bundesamt für Statistik (2010). Gesundheitszustand
         von betagten Personen in Institutionen 2008/09,
                                                                                Impressum
         Medienmitteilung, 7.6.2010.
                                                                                Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik
     Bundesamt für Sozialversicherungen (Hrsg.) (2009).
                                                                                17. Jahrgang, 2/2011, Februar
         Schweizerische Sozialversicherungsstatistik.                           ISSN 1420-1607
     DeBrine, E. et al. (2009). The Future is Now: A Future
                                                                                Herausgeber
         Planning Training Curriculum for Families and
                                                                                Stiftung Schweizer Zentrum
         Their Adult Relatives with Developmental Disabili-                     für Heil- und Sonderpädagogik (SZH)
                                                                                Haus der Kantone, Speichergasse 6, CH-3000 Bern 7
         ties. Chicago, IL.: Rehabilitation Research and
                                                                                Tel. 031 320 16 60, Fax 031 320 16 61
         Training Center (RRTC) on Aging with Develop-                          szh@szh.ch, www.szh.ch
         men-tal Disabilities, University of Illinois and Chi-
                                                                                Redaktion und Herstellung
         cago.                                                                  redaktion@szh.ch
                                                                                Chefredaktion: Martin Sassenroth
     Grond, E. (2009). Pflege Demenzerkrankter. 4. überar-
                                                                                Redaktion und Koordination: Martin Sassenroth
         beitete Auflage. Hannover: Brigitte-Kunz-Verlag.                        Rédaction: Isabelle Frézier, Myriam Jost-Hurni
                                                                                Rundschau und Dokumentation: Andri Janett
     Heller, T. & Caldwell, J. (2006). Supporting Aging Ca-
                                                                                Layout: Monika Feller
         regivers and Adults With Developmental Disabili-
                                                                                Erscheinungsweise
         ties in Future Planning. Mental Retardation, 44 (3),
                                                                                jeweils in der ersten Woche des
         189–202.                                                               Monats (mit 1– 2 Doppelnummern pro Jahr)
     Oermann, L. (2008). Erwachsene Menschen mit geis-
                                                                                Redaktionsschluss
         tiger Behinderung im Elternhaus – Perspektiven                         6 Wochen vor Erscheinen
         für eine Familienorientierte Zukunftsplanung. Ge-
                                                                                Inserate
         meinsam leben, 3, 158–161.                                             inserate@szh.ch
                                                                                Annahmeschluss: 10. des Vormonats; Preise: ab CHF. 220.–
     Steiner, J. (2010). Sprachtherapie bei Demenz. Aufga-
                                                                                exkl. MWSt; Mediadaten unter
         bengebiet und ressourcenorientierte Praxis. Praxis                     www.csps-szh.ch / szhcsps / zeitschrift / inserieren.html
         der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik,
                                                                                Auflage
         Bd.5. München: Reinhardt.                                              3250 Exemplare
                                                                                (WEMF-bestätigt)

                                                                                Druck
                                                                                Ediprim AG, Biel
         Hinweis:
         DVD zum Thema                                                          Jahresabonnement
                                                                                Schweiz CHF 75.– exkl. MWSt; Ausland CHF 89.– / ¤ 59.–
         Sprache und Demenz
                                                                                Einzelnummer: Schweiz + Ausland CHF 8.– / ¤ 5.– plus Porto
         www.hfh.ch/shop                                                        Preise Kollektivabonnemente: auf Anfrage
         siehe auch S. 64
                                                                                Abdruck
                                                                                erwünscht, bei redaktionellen Beiträgen jedoch nur mit
                                                                                ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.

                                                                                Hinweise
                                                                                Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge von Autoren und
                                                                                Autorinnen muss nicht mit der Auffassung der Redaktion
                                                                                übereinstimmen.

                                                                                Informationen zur Herstellung von Artikeln erhalten Sie
                                                                                unter www.csps-szh.ch / szhcsps / zeitschrift / publizieren.html

                                                                                Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Website
                                                                                www.szh.ch

18                                                                                            Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 17, 2/11
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