Neobiota: Pflicht zur Schadensbegrenzung - g'plus Magazin für die grüne Branche
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UMWELT Demnächst wird im Parlament über eine Gesetzesrevision debattiert, mit der invasive Neophyten wie der Götterbaum (oben) und der Japanische Staudenknöterich (rechts) konsequenter bekämpft werden sollen. Fotos: Shutterstock / Iva Villi; Urs Rüttimann Neobiota: Pflicht zur Schadensbegrenzung Die Zahl der invasiven gebietsfremden Arten nimmt in der Schweiz zu. Mit neuen Rechtsvorschriften und einem umfassenden Management will man Neobiota überwachen, eingrenzen und bei drohendem Schaden tilgen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die kantonale Plattform «Cercle Exotique». Text: Urs Rüttimann Mit eingeschleppten invasiven Neophyten Neobiota, so die übergeordnete Bezeich- CE unter anderem über die Bekämpfung und Neozoen befassen sich vor allem Ex- nung für gebietsfremde Pflanzen und Tie- invasiver Neobiota aus und bringen ihre perten. Auch erhalten die Verantwortlichen re, sind Begleiterscheinungen des globalen Interessen gegenüber dem Bund ein. Jar- von Unterhaltsdiensten, die Gemeinde- und Handels, des Tourismus und des Klima- dinSuisse ist Mitglied der CE-Arbeitsgruppe Kantonsbehörden sowie die Gärtner regel- wandels. Insbesondere invasive Vertreter, «Vollzug der Grünen Brache» und vertritt mässig Informationen zu diesem Thema. die erwiesenermassen Schäden anrichten, die Interessen der Gärtner. Mit der The- In der Bevölkerung ist die Problematik der sollten unverzüglich bekämpft oder besser matik der gebietsfremden Arten setzen sich Neobiota hingegen nur wenigen bekannt, bereits mit Prävention und Monitoring ein- auf kantonaler Ebene ausserdem die Natur- wie Studien zeigen. Dabei liefern lokale gedämmt werden. Dieses Anliegen vertraten schutzfachstellen (KBNL) und die Konfe- Ereignisse genügend Anschauungsmate- an der Online-Tagung von «Cercle Exo- renz der kantonalen Pflanzenschutzdienste rial, wie ein Befall sich auswirken kann: tique» Wissenschaftler sowie Fachleute aus (KPSD) auseinander. Gebietsfremde invasive Arten können in Behörden und Wirtschaft. 300 Zuhörer und Neben kantonsübergreifenden Orga- einer neuen Umgebung grossen Schaden 40 Referenten nahmen an der Tagung teil. nisationen sind CE drei Arbeitsgruppen anrichten, beispielsweise durch Verdrängen angegliedert: Die Arbeitsgruppe «Neophy- der einheimischen Vegetation oder durch Durchdachte Organisation tenmanagement» versucht mit Umfragen Ernteausfall in der Landwirtschaft. Weltweit «Cercle Exotique» (CE) ist der neue N ame Wissenslücken ausfindig zu machen und setzen invasive Neophyten und Neozoen für die Arbeitsgruppe für invasive Neo- zu schliessen sowie die Meinungsbildung die einheimische biologische Vielfalt fast phyten (Agin), zu der sich die kantonalen voranzutreiben. Im Fokus steht der Vollzug gleich stark unter Druck wie der Mensch Neobiota-Fachleute zusammengeschlossen der Prävention und Bekämpfung. Die Fach- mit der Zerstörung von Biotopen, wie die haben. Vergleichbar mit anderen «Cercles», leute suchen in ihren Kantonen nach den «International Union for Conservation of beispielsweise zu den Themen Wasser, Luft besten Lösungsansätzen, arbeiten Merkblät- Nature» warnt. und Lärm, tauschen sich die Fachleute von ter und Empfehlungen aus und gewährleis- 24 7/2021
ther von der Abteilung Biodiversität und Landschaft des Bundesamtes für Umwelt (Bafu). Der Entwurf des neuen USG basiert auf der vom Bafu ausgearbeiteten «Strategie der Schweiz zu invasiven gebietsfremden Arten», die im Mai 2016 vom Bundesrat gutgeheissen wurde. Sie ist als Stufenkon- zept ausgearbeitet. Unterteilt wird dabei in nicht invasive und invasive gebietsfremde Arten. Zudem stuft das Konzept die Bekämp- fung nach den Kriterien Schadensausmass, Verbreitung und nach den zur Verfügung stehenden Bekämpfungsmassnahmen ein: –– A: Schadensvorbeugung durch Selbstkon- trolle –– B: Schadensverhütung durch vorschrifts- und anweisungsmässigen Umgang –– C: Eindämmung durch inhaberverbind- lichen Unterhalt –– D1: Tilgung mit dem Ziel der vollstän- digen Beseitigung auf der gesamten Lan- desfläche –– D2: Eindämmung in Befallszonen und Tilgung ausserhalb von Befallszonen Kampf gegen die Ausbreitung Für die gebietsfremden Arten hat der Bund ten den Austausch geprüfter Massnahmen. Neues Gesetz zur Bekämpfung ein Expertengremium zusammengestellt. Darüber hinaus will die Arbeitsgruppe den Die Revision des Umweltgesetzes (USG) soll Dieses Gremium überwacht, aktualisiert betrieblichen Unterhalt von Strasse und unter anderem bessere Grundlagen für den und untersucht einerseits die Ausbreitung Schiene sowie das Vorgehen der Land- und Handel mit gebietsfremden Pflanzen und die von Neophyten und Neozoen. Andererseits Forstwirtschaft und der Branchenverbände Bekämpfung invasiver Neophyten schaffen. bemüht es sich, neue Arten im Wissensaus- koordinieren. Ausserdem verlangt eine 2020 von beiden tausch mit anderen Staaten frühzeitig zu Die Arbeitsgruppe «Vollzug Grüne Bran- Kammern des Parlaments angenommene erkennen, um sie bei Befall in der Schweiz che» befasst sich hauptsächlich mit der Motion (Nationalrätin Claudia Friedl/SP frühzeitig zu lokalisieren. Für die invasi- Kontrolle der Betriebe und dem Strafmass St. Gallen), dass der Bundesrat beauftragt ven gebietsfremden Arten hat der Bund ein bei Nichteinhalten von Vorschriften. Über wird, «die rechtliche Diskrepanz von inva- Entscheidungsmodell für eine Priorisierung die Kantonsgrenzen hinweg versucht sie, siven Neophyten und deren Bekämpfung entwickelt. Eingeschätzt wird die Gefahr Massnahmen und Regeln zu harmonisieren. aufzulösen und den Verkauf aller invasiver eines Neobionten nach den zuvor genann- Zusätzlich gewährleistet sie den Wissen- Neophyten zu verbieten»*. ten Kriterien des Stufenkonzepts. Je nach stransfer von den Experten über die Behör- Art werden spezifische Ziele ausgearbeitet, den und Verbände bis hin zu den Garten- wie sie verhältnismässig und effizient ein- bauern und Landschaftsarchitekten. «Neophyten sind nicht gedämmt oder bekämpft werden. Fragen, wie gebietsfremde Organismen nur invasiv» Das Bafu trägt die neuen Fachinformatio erfasst und ihr mögliches Schadpotenzial Mehr zum Thema Seite 26 nen über Neobiota, die sich in der Schweiz ermittelt werden kann, klärt die Arbeits- etablieren konnten, laufend zusammen. gruppe «Monitoring». Mit breit angelegten «Aktuell gehen wir von rund 1400 gebiets- Beobachtungen aus der Bevölkerung und fremden Arten aus. Davon sind nur 185 von Experten sollen invasive gebietsfrem- Der vom Bundesrat ausgearbeitete gebietsfremd und invasiv», sagt Walther. de Organismen früh erkannt werden und Revisionsentwurf zum USG verfolgt das Diese sind gemäss dem zuvor aufgeführten eine Verbreitung soll möglichst schon lokal Ziel, mit neuen Vorschriften invasive ge- Stufenkonzept klassifiziert als B, C, D1 und unterbunden werden. Datenzentralen mit bietsfremde Organismen besser zu verhü- D2. In den nächsten Wochen kommen ver- exakten Standortmeldungen sollen den In- ten, zu bekämpfen und zu überwachen. mutlich 40 weitere Arten hinzu, allerdings formationsaustausch zu den zuständigen Die Vernehmlassung zur Revision wurde noch ohne Einstufung zwischen B bis D2. Vollzugsstellen der Kantone gewährleisten. im September 2019 abgeschlossen, und mo- Die nationalen Daten- und Informations- mentan überarbeitet das Departement für zentren sind: Umwelt, Verkehr, Energie und Kommuni- * Die Liste der invasiven Pflanzen wird bei –– Info Species: www.infospecies.ch kation (Uvek) den Gesetzesentwurf. «Der Inkrafttreten des neuen Umweltschutzgesetzes angepasst. –– Info Flora: www.infoflora.ch Bundesrat soll noch im Jahr 2021 über diese Aktuelle Informationen über invasive Neophyten: –– Info Fauna: www.cscf.ch Gesetzesvorlage zuhanden des Parlaments www.jardinsuisse.ch→Umwelt→invasive Neophyten –– SwissFungi: www.swissfungi.wsl.ch entscheiden können», sagt Gian-Reto Wal- Web mit Broschüre: www.neophyten-schweiz.ch 7/2021 25
UMWELT Neophyten sind nicht nur invasiv Invasive Neophyten verdrängen in der freien Natur eine lokale Vegetation. Als Alternative ist in Siedlungen eine Gestaltung von Grünfläche und Gärten mit einheimischen Pflanzen erwünscht. Doch nicht ausschliesslich: Die Klimaerwärmung hat die Ökologie bereits so weit verändert, dass über angepasste Bepflanzungen auch mit kultivierten und gebietsfremden Arten nachgedacht werden muss. Text: Urs Rüttimann Die Gärtnerbranche wurde in den vergan- timent und vernichten sie.» Weber kennt genen Jahren verpflichtet, verschiedene allerdings auch Händler und Käufer, die Rechtsvorschriften zu invasiven Neophy- solche Pflanzen nach wie vor beziehen und ten umzusetzen. «JardinSuisse instruierte pflanzen. Verboten ist dies nicht; zurzeit gilt die Gärtner, wie sie invasive Neophyten be- für sogenannte Neophyten mit invasivem kämpfen können», sagt Hans-Ruedi Weber, Potenzial nur die Informationspflicht: Auf der im Fachvorstand Baumschulen für den der Verkaufsetikette muss deklariert werden, Bereich Umwelt zuständig ist und zuvor in dass solche Pflanzen die Natur gefährden der Umweltkommission des Verbandes tätig und ihr Wuchs in der Siedlung kontrolliert war. Für verschiedene invasive Pflanzenar- werden muss. ten sind Methoden zur Tilgung vorhanden. Seit 2005 hat JardinSuisse schriftliches In- oft nur beiläufig behandelt oder dann zum Die Gärtnereien und Gartencenter bieten formationsmaterial wie Broschüren, Plakate Opfer gegenseitiger Interessen, obschon Ge- gemäss Weber Kunden, die invasive Pflan- und Merkblätter zur Problematik der in- staltung und Ökologie keine Widersprüche, zen aus Unkenntnis kaufen wollen, eine vasiven gebietsfremden Pflanzen erarbeitet sondern eine Chance wären. Der Berufsver- Vielzahl von Ersatzpflanzen an. Auch die und die Webseite www.neophyten-schweiz. band BSLA hat deshalb 2019 das «Positions- Gartenlandschaftsbauer kennen die Proble- ch geschaffen. Seit 2008 werden zusätzlich papier Biodiversität» veröffentlicht. «Der matik der invasiven Neophyten und können Kurse dazu angeboten. Weber ist überzeugt: Biodiversität ist in der Interessenabwägung beraten, was, wo, in welchem Boden gedeiht «Gärtner sind heute stark sensibilisiert auf mehr Gewicht zu geben», hält Wullschle- und wie viel Pflegeaufwand eine Pflanzung die Problematik der invasiven Neophyten. ger fest. «Dies ist auch notwendig, weil die erfordert. «Zusätzlich soll die Pflanzenwahl Sie tragen dazu bei, invasive gebietsfremde Leistungen der Natur erheblich zum Funk- vielseitig sein», nennt Weber einen weiteren Pflanzen einzudämmen.» tionieren von Städten beitragen, etwa bei wichtigen Aspekt. «Je mehr einheimische Themen wie Stadtklima, Hochwasserschutz, Pflanzen, Kulturpflanzen und Obstgehöl- Siedlungen mit mehr Biodiversität Erholung und Wohlbefinden.» ze nebeneinander verwendet werden, desto Gefordert sind auch die Landschaftsarchi- Damit sich die Biodiversität in Stadt und besser ist das für die Biodiversität.» tekten. «Je weniger ökologische Vielfalt in Landschaft künftig besser entfalten kann, Feld, Wald und Wiesen zu finden ist, desto müssen Landschaftsarchitekten gemäss Po- Sortiment ohne invasive Neophyten sitionspapier die Artenvielfalt, die Vernet- JardinSuisse empfiehlt Gärtnereien, Baum- zung und die Durchlässigkeit der Räume schulen und Gartencentern, invasive Neo- bewusst planen. Nur so können sie gemäss phyten möglichst nicht mehr zu verkaufen. «Neobiota: Pflicht BSLA die Artenvielfalt aktiv fördern. Die Ge- «Die meisten invasiven Neophyten sind in zur Schadensbegrenzung» staltungsplanung einer Überbauung muss den vergangenen Jahren aus dem Sortiment Mehr zum Thema Seite 24 sich dazu auf natürliche Prozesse abstützen. entfernt worden», berichtet Weber, der in Ebenso sollten traditionelle Garten- und der Geschäftsleitung der Hauenstein AG Naturbilder auf tatsächliche Naturnähe ist und die Pflanzenproduktion leitet. Auch überprüft werden, damit wirklich Lebens- weil eine mittlerweile sensibilisierte Kund- wichtiger wird der Beitrag von Siedlungen räume für viele Pflanzen- und Tierarten ge- schaft solche Pflanzen gar nicht mehr kauft: und Städten», sagt Peter Wullschleger, Ge- schaffen werden. Dazu sind bei der Wahl der «Der Kirschlorbeer und die Hanfpalme bei- schäftsführer des Bundes Schweizer Land- Pflanzen bisherige Routinen zu hinterfra- spielweise werden kaum noch nachgefragt. schaftsarchitekten und Landschaftsarchi- gen, wie der BSLA-Geschäftsführer auffor- Die meisten Gärtnereien nehmen Pflan- tektinnen (BSLA). Die Biodiversität werde dert. Klar zu unterscheiden sei insbesondere zenarten ohne Absatz schnell aus dem Sor- jedoch in der Stadt- und Projektplanung zwischen gebietsfremden und invasiven ge- 26 7/2021
SCHWERPUNKTRUBRIK Links: Die invasive kanadische Goldrute kam um 1650 von Nordamerika nach Europa und beeinträchtigt heute die Biodiversität. Foto: Wikimedia / Muriel Bendel Rechts: Der Sonnenhut stammt ebenfalls aus Nordamerika und ziert die Gärten in Mitteleuropa. Foto: Urs Rüttimann bietsfremden Arten: «Im extremen Stadtkli- die Qualität sowie den Wert eines Freiraums aufgeschalteten Webplattform floretia.ch ma sind heimische Arten nicht immer die langfristig zu erhalten.» Verkaufsstellen aufgelistet und Pflegetipps standortgerechte Wahl. Kultivierte Arten zusammengestellt. «Das kostenlose Infor- und Neophyten sind eine Chance.» Wildpflanzen als Alternative mationsangebot zu Wildpflanzen richtet Neuen Pflegekonzepten spricht er in Für eine Gestaltung mit Wildpflanzen statt sich beiderseits an Privatpersonen und Gar- einer solchen Stadtnatur eine besondere mit Neophyten setzt sich der Verein Flore- tenprofis», so Balmer. Bedeutung zu. Gleichzeitig müsse disku- tia ein. «Wir schlagen auf unserer Website Mit «Floretia+» realisiert der Verein ein tiert werden, dass Biodiversität nicht kos- für jeden Standort in der Schweiz passende weiterführendes Projekt zur Beurteilung tenlos sei, aber für die Wirtschaft und für Wildpflanzen und Strukturen vor», sagt Da- eines Bepflanzungsplans, das unter ande- die Gesellschaft wertvoll: «Differenzierte niel Balmer, der Geschäftsleiter von Flore- rem das Bundesamt für Umwelt sowie die Pflegekonzepte helfen Kosten zu sparen und tia. Zusätzlich sind auf der vor zwei Jahren Kantone Zürich und Aargau mitfinanzie- Anzeige Unsere Eigenproduktion in Rafz: Frühlingsblüher mit vielen Talenten: Gehölze. Hauenstein Baumschule www.hauenstein-rafz.ch/gehoelze 7/2021 27
ren. Dieses Instrument soll vor allem von Schatten und Kühlung und übernehmen –– Baumarten mit hoher Biodiversität geben Gartenbauern und Landschaftsarchitekten Funktionen der Gestaltung, filtern den die Stadtgärtner den Vorzug. genutzt werden können, aber auch von Bau- Feinstaub, speichern Wasser, produzieren –– Die Baumvielfalt fördern sie gezielt mit herren und Architekten. Voraussichtlich ab Sauerstoff und schützen vor Lärm. Mischalleen anstelle von Monokulturen. Juli wird das Webangebot nach Testläufen «Tendenziell sollten aufgrund der verän- –– Ebenso bepflanzen sie die Baumscheiben unter anderem mit Gemeinden, kantona- derten Standortkriterien vermehrt ‹Exoten› vielfältig. len Stellen und Firmen aufgeschaltet sein. gepflanzt werden», wünscht sich Hans-Jürg –– Bei der Auswahl beziehen die Stadtgärtner «Floretia+» greift auf das für die Web- Bosshard. Der Projektleiter von Grün Stadt vermehrt Wildformen ein. plattform des Vereins bereits aufbereitete Zürich verweist dazu auf die Standortfakto- –– Invasive Neophyten dürfen keine mehr Wissen zu und verwertet es für die Beurtei- ren, die sich durch die Klimaerwärmung in verwendet werden. lung geplanter Bepflanzungen. «Das Tool den vergangenen Jahren deutlich verändert kann die Bepflanzung auf die Standortge- haben. Für die heimischen Baumarten hat Erwärmung begünstigt Neophyten rechtigkeit und den ökologischen Wert über- dies Auswirkungen: «Wir sind gezwungen, «Die Neophyten nehmen seit dem Jahr prüfen sowie auf invasive Neophyten und bei der Auswahl von Stadtbäumen darauf 1800 ungebremst zu», sagt Niklaus Zim- andere Problempflanzen wie beispielsweise zu reagieren. In Zürich haben wir mittler- mermann, Mitarbeiter der Eidgenössischen Weideunkräuter oder Feuerbrandüberträger weile ein Steppenklima.» Zusätzlich wur- Forschungsanstalt Wald, Schnee und Land- hinweisen», führt Balmer aus. Ebenso liefert den mit dem globalen Pflanzenhandel neue schaft (WSL) und Professor am Departe- es automatisch ein Feedback, fragt allenfalls Schädlinge in die Schweiz eingeschleppt, die ment Umweltsystemwissenschaften der ETH nach den präzisen Namen der Pflanzenarten keine Fressfeinde haben und sich deshalb Zürich. Die Ursache dafür ist der Mensch. und schlägt Alternativen zu den weniger ungehindert vermehren können. Um öko- Zumeist gelangen Neophyten über den Han- passenden oder problematischen Pflanzen logische Gleichgewichte zu erhalten und del in Gärten. Von dort können sie sich vor. Der Arbeitsaufwand, um die Pflanzlis- die Artenvielfalt zu fördern, hat Grün Stadt in die Landschaft ausbreiten, je nach Art te mitsamt der Postleitzahl und gewissen Zürich einen Biodiversitätsindex für Bäume invasiv vermehren und in der neuen Um- Standortparametern (fakultativ) hochzu- erarbeitet. Im Index aufgelistet sind sowohl gebung die angestammte lokale Vegetation laden, beträgt gemäss dem Geschäftsführer heimische Stadtbäume als auch erprobte zerstören. von Floretia zwei bis fünf Minuten. «Gar- «exotische» Zukunftsbäume*. Ob dabei bereits auch der Klimawandel tenbauer und Landschaftsarchitekten kön- Damit der richtige Baum am richtigen Ort eine Rolle spielt, beantwortet Zimmermann nen so ihre Projekte ökologisch verbessern, gepflanzt wird, orientiert sich das Zürcher mit einem Ja, wenn dies auch für die ein- ohne dass sie grosse ästhetische Änderungen Grünamt an 50 Bewertungsfaktoren. Die zelne Art noch nicht präzis nachgewiesen am Konzept vornehmen müssen.» Liste der verwendeten Bäume ist in den ver- werden kann. Die Evolution von Pflanzen gangenen Jahren von 74 Baumarten auf 110 bei Erwärmung jedoch ist erforscht: Viele Klimawandel setzt Zwang für «Exoten» erweitert worden. Hinzugekommen sind 5 Pflanzenarten werden durch eine zu kalte Soll die Biodiversität im Siedlungsraum in anderen Städten verwendete Arten und Temperatur in der Ausbreitung limitiert oder gefördert werden, verdienen insbesondere 33 Klimabäume. Übergeordnet richten sich überleben in der Winterhärtezone nicht. die Stadtbäume Beachtung. Dem Wachs- die Wahl, die Planung und die Pflege der Sobald die Temperaturen jedoch steigen, tum und der Gesundheit der Bäume setzen Stadtbäume nach den Grundsätzen: werden neue Pflanzen aus wärmeren Regio die engen Verhältnisse im bebauten Raum –– Alte Bäume sollen möglichst erhalten nen begünstigt, robust anzuwachsen, zu Grenzen. Doch möglichst viele Stadtbäume bleiben. Ersatzpflanzungen muss das blühen, und reife Samen auszubilden. Sie sind erwünscht: Sie bieten den Bewohnern Zürcher Grünamt trotzdem rechtzeitig beginnen sich also ohne Pflege auszubreiten. von Städten und Ballungsgebieten nebst anhand des Lebenszyklus einer Baumart «Mit dem Klimawandel können deshalb der Biodiversität zahlreiche Leistungen wie planen. Neophyten invasiv werden, die zuvor nicht Anzeige
ratur von Lugano vor 100 Jahren», führt Zimmermann aus. Zu bedenken gilt es: Im Tessin haben sich bisher weit mehr invasive Arten als nördlich der Alpen etabliert. «Bei fortschreitendem Klimawandel finden diese auch bei uns Bedingungen vor, die zu einer invasiven Ausbreitung führen können», so der Forscher der WSL. Beobachtet werden kann dies bereits beim Götterbaum, der sich früher erst im Tessin invasiv vermehrt hat, und seit Neustem auch bei der Hanfpalme. Modelle der Klimaerwärmung zeigen für die Schweiz, wie sich die Vegetation entwi- ckeln könnte. Künftig sinkt die Temperatur in vielen Regionen nördlich der Alpen nur noch in einzelnen Jahren tageweise unter minus 10 Grad. Voraussichtlich ab etwa 2050 werden solche kühlen Temperaturen nicht mehr erreicht. «Wir haben hier bald Bedingungen, die dem heutigen Tessin ent- sprechen oder sich durch noch mehr Wärme auszeichnen werden», so Zimmermann. Die Gefährdung durch Neophyten nimmt dann zu. Zudem wird sich ab 2050 die Buche aus dem Mittelland in die Berge zurückziehen, während Eichenarten den neuen Bedingun- Forscher vermuten, dass sich die Hanfpalme aufgrund der Klimaerwärmung bald auch nördlich der gen standhalten. Allein schon dieses Bei- Alpen invasiv ausbreiten könnte. Foto: Shutterstock / J. Need spiel zeigt, wie rasch und folgenreich der Klimawandel die Ökosysteme und damit die Bedingungen für Flora und Fauna aus auf der Liste der zu bekämpfenden Arten re-Perioden unterteilt, so zeigt sich, dass die dem Lot bringen könnte. waren», warnt Zimmermann. «Für alle ge- Periode 1991 bis 2010 gegenüber 1961 bis bietsfremden Arten sollte deshalb geprüft 1990 um 0,9 bis zuletzt 1,5 Grad wärmer ge- werden, ob sie bereits in anderen Ländern worden ist. Wird mit den Perioden vor 1910 invasiv geworden sind. Vor allem gilt dies verglichen, beträgt der Anstieg sogar bis 2,5 für importierte Pflanzen, die wärmere und Grad. Auch die Minimumtemperaturen im * Weitere Informationen zum Thema Stadtbäume trockenere Bedingungen lieben, als sie bis- Winter sind deutlich angestiegen. Um 1900 vermittelt Ihnen die Broschüre «Der ökologische her bei uns vorgefunden haben.» lagen sie für Zürich noch bei minus 15 Grad, Wert von Stadtbäumen bezüglich der Biodiversität» (Gloor S & Göldi Hofbauer M.). Darin enthalten ist ein «Das Klima der Schweiz ist eindeutig jetzt sind sie auf minus 10 Grad angestiegen. Biodiversitätsindex von 70 Stadtbäumen, die in Mit- wärmer geworden», sagt der WSL-Forscher. «Heute haben wir in der kalten Jahreszeit teleuropa oft gepflanzt werden. Download des PDF: Wird die Zeit von 1870 bis 2010 in 30-Jah- in Zürich ungefähr die Minimumtempe- www.swild.ch → Angebote → 2018 mehr Ruhe Infos unter: https://tinyurl.com/ VolvoElectric oder E-Mail an mit den innovativen elektrischen Maschinen emobility@robert-aebi.com Volvo ECR25 Electric und L25 Electric. Leiser, sauberer und komfortabler.
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