Einführung der Fallpauschalen in der Schweiz - eine Frage der Ethik

 
WEITER LESEN
Tr e n d t a g e G e s u n d h e i t                                                        AUTRES GROUPEMENTS ET INSTITUTIONS

Einführung der Fallpauschalen in der Schweiz –
eine Frage der Ethik

Verina Wild,                           «Entscheidend ist […] der jeweilige ‹Marktwert›                 tausch. Herstellung von Transparenz würde da-
Nikola Biller-Andorno                  von Arzt, Patient und vor allem dessen Krank-                   bei zur vertrauensbildenden Massnahme. DRGs
                                       heit (DRG) […]. In dieser neuen schönen Welt                    seien um so vertrauensbildender, je mehr sie an
                                       der Ökonomen hat eine vertrauensvolle, enga-                    Objektivität und Vergleichbarkeit gewännen [2].
Résumé en français                     gierte Arzt-Patienten-Beziehung keinen Platz,                       In der Schweiz werden die Fallpauschalen
voir page suivante                     nein, sie stört nur. Was uns älteren Ärzten an                  derzeit eingeführt. Das sogenannte «Scharfstel-
                                       Ethik und Patientenzuwendung vorbildlich er-                    len», das obligatorische, flächendeckende Ab-
                                       schien, ist heute ganz offensichtlich schädlich.                rechnen nach DRG, wird voraussichtlich ab dem
                                       Es ist diese Enthumanisierung, die den Arztberuf                Jahre 2012 umgesetzt. Parallelen zur Entwick-
                                       heute so freudlos macht.» So schreibt Prof. Dr.                 lung in Deutschland finden sich hinsichtlich der
                                       med. Lothar Schuchmann (Facharzt für Kinder-                    angestrebten Ziele und der praktischen Um-
                                       und Jugendmedizin) in einem Leserbrief an das                   setzung. Die Einführung der DRGs zielen in bei-
                                       Deutsche Ärzteblatt [1].                                        den Ländern auf Kostensenkung, Transparenz,
                                           In einer Informationsveranstaltung am 17. Ja-               Effizienz, leistungsgerechte Abrechnung, Stär-
                                       nuar 2008 in St. Gallen zur Einführung der Fall-                kung der Selbstverantwortung und Ermutigung
                                       pauschalen in der Schweiz deklariert Eugen                      zum Wettbewerb der Krankenhäuser unter-
                                       Münch, Aufsichtsratvorsitzender der Rhön-Kli-                   einander. Als praktische Grundlage für die
                                       nikum AG in Deutschland, die Basis der «alten                   SwissDRG hat die Schweiz die Rechte an G-DRG
                                       Medizin» – nämlich die Einzelbeziehung und                      (German-DRG) käuflich erworben und ist der-
                                       damit verbundene Vertrauensbasis zwischen                       zeit dabei, die Transformierung in die Schweizer
                                       Arzt und Patient – für abgelöst. Die «neue Medi-                Nomenklatur vorzunehmen.
                                       zin» als Massenphänomen beinhalte keine Ver-                        Wie anhand der beiden Eingangszitate illu-
                                       trauens- und Beziehungsebene mehr, vielmehr                     striert, wird im deutschen Kontext in begleiten-
                                       handele es sich dabei um einen Leistungsaus-                    den Diskussionen stark polarisiert: Auf der einen

                                       4. Trendtage Gesundheit Luzern
                                       Mittwoch, 5. und Donnerstag, 6. März 2008, KKL Luzern

                                       Die 4. Trendtage Gesundheit Luzern stehen unter dem Titel
                                       «Gesundheit nach Mass: Machbarkeit – Finanzierbarkeit –
                                       Ethik». Im Mittelpunkt stehen individualisierte Medizin und
                                       massgeschneiderte Medikamente, Altersgesellschaft oder
                                       auch massgeschneiderte Finanzierungsmodelle (DRG).
                                       Die Trendtage Gesundheit Luzern haben das Ziel, den interdisziplinären Dialog zwischen Ent-
Korrespondenz:                         scheidungsträgern aus allen Kreisen des Gesundheitssektors zu fördern. Sie richten sich an
Dr. med. Verina Wild
                                       Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Behörden, Ärzteschaft und Pharmazeuten,
Prof. Dr. Dr. Nikola Biller-Andorno
Institut für Biomedizinische Ethik     Spitälern, Versicherern, Patienten- und Konsumentenorganisationen sowie ethische und wei-
Universität Zürich                     tere Interessentenkreise.
Zollikerstrasse 115
                                       Information und Anmeldung: Forum Gesundheit Luzern, Horwerstrasse 87, 6005 Luzern, Tel. 041
CH-8008 Zürich
                                       318 37 97, Fax 041 318 37 10, E-Mail: info@trendtage-gesundheit.ch, Internet: www.trendtage-
wild@ethik.uzh.ch
                                       gesundheit.ch
biller-andorno@ethik.uzh.ch

                                       Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 9   361
Editores Medicorum Helveticorum
Tr e n d t a g e G e s u n d h e i t                                                        AUTRES GROUPEMENTS ET INSTITUTIONS

                                       Seite steht eine «ärztlich-medizinische Sicht»,
                                                                                                        Introduction des forfaits par cas
                                       die einen moralischen Verfall der Medizin antizi-
                                       piert und Verrat an der traditionell karitativen                 en Suisse: une question d’éthique
                                       Rolle des Arztes beanstandet (vgl. auch [3]); auf
                                       der anderen Seite eine «ökonomische Sicht», die                  En Suisse, le système tarifaire DRG (Diagnosis Re-
                                       aufgrund der eben genannten erhofften Merk-                      lated Groups), destiné à assurer la rémunération
                                       male wie Transparenz, Effizienz und Kosten-                      forfaitaire par cas des séjours hospitaliers en soins
                                       senkung dem sich vollziehenden Wandel positiv
                                                                                                        somatiques aigus, sera très probablement appli-
                                       begegnet.
                                           Wir vertreten in diesem Beitrag drei Thesen:                 qué dès 2009 déjà. L’introduction des DRG vise à
                                       1. aktuell findet ein Prozess statt, der in vielen               réduire les coûts, à garantir la transparence, l’effi-
                                       wichtigen Bereichen der Gesundheitsversorgung                    cacité et une indemnisation adéquate des presta-
                                       grundlegende Veränderungen bringt; 2. eine Po-
                                                                                                        tions, ainsi qu’à renforcer la responsabilité person-
                                       larisierung von Medizin und Ökonomie ist der
                                       Diskussion weder angemessen noch zuträglich;                     nelle et à encourager la concurrence entre hôpi-
                                       3. die weitreichenden Veränderungen, u. a. hin-                  taux.
                                       sichtlich der Einführung der Fallpauschalen,                     Au-delà des DRG, un processus porteur de change-
                                       müssen dringend aus ethischer Perspektive un-
                                                                                                        ments fondamentaux visant l’efficacité des coûts
                                       tersucht und dauerhaft begleitet werden. Hierbei
                                       müssen die spezifischen Rahmenbedingungen                        est actuellement en cours dans de nombreux do-
                                       des Schweizer Gesundheitssystems Eingang fin-                    maines importants du système de santé. Dans ce
                                       den.                                                             contexte, une polarisation des débats entre méde-
                                                                                                        cine d’une part et économie d’autre part n’est ni
                                       Die Einführung der Fallpauschalen
                                       und die Aufgaben der Ethik                                       appropriée ni utile. Il n’est toutefois pas du tout
                                       Am 22. März 2006 unterzeichneten die Verant-                     évident de concilier l’objectif suprême de l’action
                                       wortlichen von SwissDRG und InEK GmbH (In-                       du médecin tel que le définit la déontologie médi-
                                       stitut für das Entgeltsystem im Krankenhaus,
                                                                                                        cale, à savoir la santé des personnes, avec le prin-
                                       Deutschland) ihren Kooperationsvertrag. Damit
                                       wurden die AP-DRG abgelöst, die im Rahmen der                    cipe d’une médecine économiquement efficace, lui
                                       langjährigen Vorbereitungsphase auf das Fallpau-                 aussi ancré dans l’éthique médicale et appliqué de
                                       schalensystem genutzt wurden. Die AP-DRG als                     plus en plus systématiquement.
                                       Eigentum des Staates New York beinhalten ein-
                                                                                                        Un nouveau projet de recherche de l’Institut
                                       geschränkte Nutzungsrechte und somit fehlende
                                       Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Am 18. Ja-                  d’éthique biomédicale de l’Université de Zurich est
                                       nuar 2008 folgte die Gründung der SwissDRG                       consacré à l’évaluation des forfaits par cas sous
                                       gemeinnützigen Aktiengesellschaft durch santé-                   l’angle de l’éthique. Il examine quels sont les
                                       suisse (2 Sitze), H+ Die Spitäler der Schweiz
                                                                                                        aspects éthiques à prendre en considération et se
                                       (2 Sitze), die FMH (1 Sitz), die MTK (1 Sitz)
                                       und die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK                       demande s’il existe un consensus (relatif) quant à
                                       (3 Sitze) [4]. Im Jahre 2012 ist geplant, die helve-             ces aspects et à leur importance pour la situation
                                       tisierte Version der G-DRG schweizweit für die                   telle qu’elle se présente en Suisse.
                                       stationäre, akut-somatische Spitalabrechnung
                                       tarifwirksam einzusetzen.
                                            Die Einführung der Fallpauschalen lässt sich
                                       nicht isoliert, sondern als Element und Sym-                    vermehrter Einsatz von Patientenpfaden, Quali-
                                       ptom einer umfassenden Umstrukturierung des                     tätsmanagement und Benchmarking. Darüber
                                       Gesundheitswesens betrachten. Derzeit sind ver-                 hinaus sind weitere Veränderungen hinsichtlich
                                       bunden mit dem Stichwort der anhaltenden                        der Entscheidungsstrukturen, Kostenträger und
                                       Kostenexplosion (z. B. aufgrund des «demogra-                   Leistungskriterien zu erwarten.
                                       phischen Wandels») verschiedene Phänomene                           Wie zahlreiche Publikationen und Veranstal-
                                       zu beobachten. Im Sinne einer «kosteneffiziente-                tungen zur Thematik belegen, werden diese Ver-
                                       ren» und «transparenteren» Gesundheitsversor-                   änderungen von einer Vielzahl an Überlegungen
                                       gung werden scheinbar alternativlose Prozesse                   begleitet, vor allem aus gesundheitsökonomi-
                                       angestossen. Dazu gehören etwa: die Verstärkung                 scher, gesundheits- und professionspolitischer,
                                       von Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern;                     betriebswirtschaftlicher und Public-Health-
                                       der Ausbau von Managed-Care-Modellen; ein                       Perspektive (vgl. u.a. [5–8]). Die Fragen der Ratio-

                                       Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 9         362
Editores Medicorum Helveticorum
Tr e n d t a g e G e s u n d h e i t                                                        AUTRES GROUPEMENTS ET INSTITUTIONS

                                       nierung und Gerechtigkeit werden derzeit zu-                    Perspektive zu untersuchen.* Diese «üblichen
                                       nehmend auch ethisch diskutiert (vgl. u. a. [9,                 Kritikpunkte» beinhalten zentrale Aspekte von
                                       10]). Hinsichtlich der ethischen Beurteilung der                weitreichender ethischer Relevanz: etwa die
                                       Fallpauschalen findet sich jedoch deutlich weni-                grundsätzliche Frage, in welchem Verhältnis die
                                       ger Material. Zwar ist in den Diskussionen über                 Behandlung von Krankheit und pekuniäre Ein-
                                       die Einführung der DRGs – etwa bezüglich finan-                 zelinteressen stehen sollen. Weiter wäre zu fragen,
                                       zieller Gewinner und Verlierer des neuen Vergü-                 wie die Einhaltung des standesethisch definier-
                                       tungssystems, bezüglich einer zu erwartenden                    ten obersten Zieles ärztlichen Handelns, näm-
                                       Patientenselektion und Verweildauerreduktion –                  lich des gesundheitlichen Wohls des Menschen
                                       die ethische Dimension häufig implizit enthal-                  [12], mit dem Gebot einer kosteneffektiven
                                       ten, doch werden die antizipierten Probleme                     Medizin [13] in Einklang zu bringen ist. Die
                                       der Fallpauschalen zumeist nicht mit Bezug auf                  unproblematische Integration beider Ziele wird
                                       medizinethische Begrifflichkeiten und zugrunde-                 beispielsweise dann fragwürdig, wenn durch
                                       liegende ethische Prinzipien oder Konzepte                      Bonusausschüttung an leitende Ärzte verstärkt
                                       dargestellt und daher auch nicht angemessen                     (betriebswirtschaftlich motivierter) Druck auf
                                       analysiert.                                                     Assistenzärzte ausgeübt wird.
                                           Die Medizin-Ökonomie-Polarisierung ist der                      Qualitative und quantitative Erfassungen der
                                       medizinethischen Analyse nicht angemessen, da                   Arbeitszufriedenheit des Personals in Medizin,
                                       die Thematik komplexer ist und sich nicht auf                   Pflege und Verwaltung bieten sich an zu unter-
                                       eine einfache Dichotomie reduzieren lässt. Zu-                  suchen, ob aufgrund der heteronomen Steue-
                                       sätzlich zum heterogenen Spektrum medizini-                     rung durch eine ökonomisch orientierte Instanz,
                                       scher sowie ökonomischer Fragestellungen müs-                   mit deren Prioritäten und Motiven sich die An-
                                       sen auch Perspektiven etwa der Patientinnen                     gestellten möglicherweise nicht identifizieren
                                       und Patienten und der Gesellschaft insgesamt                    können, Unzufriedenheit in Medizin und Pflege
                                       in die Erfassung der Problematik einbezogen                     sowie messbare Verringerungen der Arbeitsmoti-
                                       werden. Die Medizinethik als integratives Fach                  vation und dadurch möglicherweise auch der
                                       muss daher – ohne moralisierend aufzutreten –                   Versorgungsqualität entstehen. In Deutschland
                                       versuchen, die unterschiedlichen Aspekte zu re-                 wird derzeit diskutiert, ob die Einführung der
                                       flektieren, um konstruktive Vorschläge für ein                  DRG und damit zusammenhängende weitere
                                       verantwortungsbewusstes Vorgehen im Gesund-                     Ökonomisierungsprozesse nicht bereits zu einer
                                       heitswesen einzubringen.                                        solchen Entwicklung führen [14].
                                           Aufgrund der Tragweite der Veränderungen                        Auf Patientenseite gilt es zu fragen, ob sie
                                       und der gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen                   ihrerseits mit ihrer neuen Rollenzuschreibung
                                       ist es geboten, Fragen nach «Rosinenpickerei»                   des mündigen Kunden einverstanden sind. Es
                                       (Patientenselektion) oder «blutigen Entlassun-                  mag für aufgeklärte, medienversierte Patienten
                                       gen» (Verkürzung der Verweildauer) systema-                     eine willkommene Aufwertung der ethisch ge-
                                       tisch und gründlich auch aus medizinethischer                   forderten Patientenautonomie sein, sich bezüg-

                                       Fallpauschalen in Schweizer Spitälern:                          2. Eruierung eines Konsenses relevanter
                                       Grundlagen für die ethische                                        Stakeholder im Schweizer Gesundheits-
                                       Begleitforschung                                                   wesen bezüglich der Frage, welche ethi-
                                       Forschungsprojekt des Instituts für Biomedi-                       schen Aspekte im Hinblick auf die Ein-
                                       zinische Ethik der Universität Zürich; Förde-                      führung der SwissDRGs bedeutsam sind
                                       rung durch den Käthe-Zingg-Schwichten-                             und wie diese angemessen berücksichtigt
                                       berg-Fonds der SAMW, 2008/09                                       werden können;
                                                                                                       3. Definition geeigneter Kriterien und Rah-
                                       Ziele des Projekts                                                 menbedingungen für die ethische Begleit-
* Selbstverständlich ist hier auch
  versorgungsbezogene Begleit-         1. wissenschaftliche Analyse der Schweizer                         forschung in der Phase der Implementie-
  forschung notwendig, die Daten           wie der internationalen Literatur im                           rung der SwissDRGs, die sich gegebenen-
  erhebt, inwieweit diese Effekte          Hinblick auf ethische Aspekte fallpauscha-                     falls in eine breiter angelegte Evaluation
  überhaupt auftreten. Die Begleit-
  forschung ist in Deutschland             lierter Vergütungssysteme im stationären                       im Rahmen der Qualitätssicherung inte-
  rechtlich vereinbart, bisher aber        Bereich, mit Blick auf deren Bedeutsam-                        grieren liessen.
  nur unzureichend umgesetzt               keit im Schweizer Gesundheitssystem;
  worden (vgl. [11]).

                                       Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 9     363
Editores Medicorum Helveticorum
Tr e n d t a g e G e s u n d h e i t                                                         AUTRES GROUPEMENTS ET INSTITUTIONS

                                        lich neuer medizinischer Methoden und trans-                    Forschungsprojekt «Fallpauschalen
                                        parenter Krankenhausstatistiken detailliert selbst              in Schweizer Spitälern: Grundlagen
                                        informieren zu können. Die Medizinethik muss                    für die ethische Begleitforschung»
                                        hier jedoch ihr Augenmerk darauf legen, welche                  Ein neues Forschungsprojekt am Institut für Bio-
                                        Patientengruppen nicht von der möglichen                        medizinische Ethik der Universität Zürich wen-
                                        Zunahme der Autonomie profitieren (etwa bil-                    det sich der ethischen Evaluation der Fallpau-
                                        dungsschwächere Gruppen). Weiterhin muss                        schalen zu (s. Kasten). Es will die zu erwartenden
                                        der Frage nachgegangen werden, ob mit der zu-                   Konsequenzen – seien es Probleme oder Chan-
                                        nehmenden Steuerung – durch homogenisierte                      cen – im Schweizer Kontext explizit machen.
                                        Behandlungspfade und gesteuerte Versorgung                      Dies geschieht nicht nur unter Berücksichtigung
                                        sowie durch den solchermassen eingeschränk-                     bereits zur Verfügung stehender Literatur, son-
                                        ten Handlungsspielraum des Arztes – nicht auch                  dern vor allem unter Konsultation der relevan-
                                        Einschränkungen der Patientenfreiheit einher-                   ten Stakeholder. Somit wird nicht nur deutlich,
                                        gehen.                                                          welche ethischen Aspekte theoretisch zu berück-
                                            Es bedarf schliesslich auch einer ethischen                 sichtigen wären, sondern auch, ob bezüglich die-
                                        Analyse, inwieweit die Möglichkeit einer nicht-                 ser Aspekte und ihrer Relevanz für die Schweizer
                                        gewinnorientierten Medizin geschützt werden                     Situation ein (relativer) Konsens besteht.
                                        müssen, in der also fürsorgliche Handlungen,                        Das Ergebnis dieses Prozesses könnte als
                                        die reiner Kosteneffektivität bisweilen sogar ent-              Orientierung für die Evaluation der Implemen-
                                        gegenstehen können, ethisch geboten sind. Hier                  tierung der SwissDRGs dienen, so dass diese als
                                        müsste die kritische Frage jedoch auch retrospek-               «lernendes System» den Erfordernissen des
                                        tiv gestellt werden, nämlich, inwieweit bisherige               Schweizer Gesundheitswesens bestmöglich an-
** Im Bereich der Begleitforschung zu   Spielräume im ärztlichen Handeln möglicher-                     gepasst werden können.**
   DRGs kann auf erste Erfahrungen
   in Deutschland zurückgegriffen       weise auch im Sinne des eigenen Profits ausge-
   werden, vgl. [15–17].                nutzt wurden.

 Le point de vue de la FMH                                                        prestations ¡ Tarifs ¡ SwissDRG ¡ Position de la FMH au sujet de
 Dans la perspective des questions d’éthique que soulève le pré-                  SwissDRG). Il s’agit donc de questions à la fois éthiques, médi-
 sent article, la qualité des prestations constitue une priorité pour             cales et économiques.
 le corps médical. A cet égard, la relation de confiance entre méde-                  Nous partageons l’avis des auteurs selon lequel une polarisa-
 cin et patient représente bien sûr un des fondements essentiels                  tion entre médecine et économie ne conduit nulle part. Actuelle-
 d’un bon traitement. Il est donc d’une importance cruciale de                    ment déjà, les médecins doivent tenir compte, dans leurs déci-
 continuer à garantir la qualité des traitements médicaux lors de                 sions thérapeutiques, des critères d’efficacité, d’adéquation et
 l’introduction de SwissDRG. En fin de compte, le Parlement n’a                   d’économicité (EAE) fixés dans la loi en vigueur. Il est essentiel
 pas fait qu’approuver l’introduction des forfaits par cas et la pro-             que tout en respectant ces critères, le corps médical puisse prati-
 motion de la transparence, il a aussi arrêté que des indicateurs de              quer une médecine de haute qualité et conserver sa liberté théra-
 la qualité médicale devront être établis. Toutefois, il a également              peutique. Quant à la transparence du système de santé, nous y
 prescrit l’économicité des prestations, qui se trouve déjà ancrée                sommes nous aussi favorables tant que la protection des données
 dans la LAMal actuelle.                                                          est assurée. Ainsi, une saisie transparente des prestations consti-
     Les conditions générales sont ainsi posées. Il s’agit mainte-                tue la base d’un bon fonctionnement du système DRG. En re-
 nant de participer aussi activement que possible à leur mise en                  vanche, transmettre de manière générale les données sensibles
 application. Pour permettre un dépistage précoce d’éventuelles                   des patients aux assureurs, comme la demande santésuisse, est
 indications erronées du système DRG, la FMH exige depuis long-                   une mesure inutile et nous nous y opposons fermement. Une telle
 temps qu’une activité de recherche parallèle soit instituée avant                pratique soulèverait notamment des questions d’éthique.
 l’introduction de SwissDRG. Des investigations en matière                                                                      Dr Pierre-François Cuénoud,
 d’éthique devraient en être un volet important. Outre cet aspect,                                                          Membre du Comité central FMH,
 nous demandons que ladite recherche porte sur des thèmes tels                                                            responsable du domaine SwissDRG
 que la qualité, la sécurité de l’approvisionnement, la protection
 des données, l’adéquation de la rémunération des prestations,                                                                                Dr Yves Guisan,
 l’évolution des charges liées au processus de documentation et la                                                                   Vice-président de la FMH
 garantie de la formation pré- et postgraduée (voir à ce sujet la prise                                                                    Beatrix Meyer,
 de position de la FMH concernant SwissDRG, www.fmh.ch ¡ Nos                                              Responsable opérationnelle SwissDRG de la FMH

                                        Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 9        364
Editores Medicorum Helveticorum
Tr e n d t a g e G e s u n d h e i t                                                        AUTRES GROUPEMENTS ET INSTITUTIONS

                                       Literatur                                                       10 Bettina Schöne-Seifert et al. (Hrsg.). Gerecht behan-
                                       1 Schuchmann L. Informationspolitik: Keine                         delt? Rationierung und Priorisierung im Gesund-
                                         Verbesserung. Deutsches Ärzteblatt. 2000;97(39):                 heitswesen. Paderborn: Mentis; 2006.
                                         A-2520/B-2150/C-2014 BRIEFE.                                  11 Flintrop J. Nebenwirkungen der DRG-Einführung:
                                       2 www.gesundheitssymposium.ch/pflege_vortraege/                    Augen zu und durch. Deutsches Ärzteblatt. 2007;
                                         chancen_risiken_und_tendenzielle_folgen.pdf                      104(34-35):A-2305/B-2041/C-1973.
                                         (letzter Zugriff am 8.2.2008).                                12 Standesordnung der FMH. Präambel. www.fmh.ch/
                                       3 Maio G. Die moderne Dienstleistungsmedizin auf                   de/data/pdf/stao_2007_d.pdf.
                                         ethischem Prüfstand. Schweiz Ärztezeitung. 2007;              13 Standesordnung der FMH. Artikel 3. ebd.
                                         88(49):2084-9.
                                                                                                       14 Flintrop J. Auswirkungen der DRG-Einführung:
                                       4 www.swissdrg.org/assets/pdf/Medienmitteilung_                    Die ökonomische Logik wird zum Mass der Dinge.
                                         SwissDRG_AG_18.01.08-d.pdf (letzter Zugriff am                   Deutsches Ärzteblatt. 2006;103(46):A-3082/B-2683/
                                         8.2.2008).                                                       C-2574.
                                       5 Cuénoud P. Müssen wir uns vor den DRGs fürch-                 15 Manzeschke A. «Wenn das Lächeln verloren geht».
                                         ten? Schweiz Ärztezeitung. 2007;88(8):309.                       Beobachtungen zu Profession und Ethos in den Ge-
                                       6 Hölzer S. Nutzung von ökonomischen Anreizen                      sundheitsberufen. Sozialer Sinn. Zeitschrift für her-
                                         in einem wettbewerblichen, sozialen Gesundheits-                 meneutische Sozialforschung. 2006;2(7):251-72.
                                         wesen. Schweiz Ärztezeitung. 2004;85(16):835-9.               16 Kühn H, Klinke S, Kaiser, R. Empirische Untersu-
                                       7 Indra P. Die Einführung der SwissDRGs in Schwei-                 chungen zu Arbeitsbedingungen und Versorgungs-
                                         zer Spitälern und ihre Auswirkungen auf das                      qualität im Krankenhaus unter DRG-Bedingungen.
                                         schweizerische Gesundheitswesen. Zürich: Schwei-                 Erste Teilergebnisse zur Arbeitszeit von Kranken-
                                         zerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik; 2004.              hausärztinnen und -ärzten. Hessisches Ärzteblatt.
                                                                                                          2005;666(11):742-4.
                                       8 Oggier W. Einführung der SwissDRGs in der
                                         Schweiz. Managed Care. 2005;1:35-6.                           17 Braun B, Müller, R. DRG-Einführung wird wissen-
                                                                                                          schaftlich begleitet. Public Health Forum. 2004;
                                       9 Zimmermann-Acklin M, Halter H (Hrsg.). Rationie-                 12(44):6.
                                         rung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen. Bei-
                                         träge zur Debatte in der Schweiz. Basel: EMH; 2007.

                                       Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 9          365
Editores Medicorum Helveticorum
Sie können auch lesen