Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 03.12.2018 - Bayerischer Landtag

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Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 03.12.2018 - Bayerischer Landtag
18. Wahlperiode                                                                                            08.03.2019  Drucksache                        18/63

                 Schriftliche Anfrage
                 der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD
                 vom 03.12.2018

                 Armutsgefährdung in Bayern

                 Ich frage die Staatsregierung:

                 1. a) Wie viele Menschen waren zwischen 2007 und 2018 in Bayern von Armut be-
                       droht (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Gesamtbayern, Regierungsbezirken,
                       Landkreisen, kreisfreien Städten, Geschlecht, Altersgruppen, absoluten Zahlen
                       und Prozentzahlen angeben)?
                    b) Wie viele Kinder (bis 12 Jahre), Jugendliche (zwischen 13 und 17 Jahren) und
                       junge Erwachsene (zwischen 18 und 25 Jahren) waren zwischen 2007 und 2018
                       in Bayern von Armut bedroht (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Gesamtbayern,
                       Regierungsbezirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, Geschlecht, Altersgrup-
                       pen, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)?
                    c) Was waren die Gründe bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Er-
                       wachsenen für ihre Armutsgefährdung?

                 2. a) Wie viele Menschen lebten zwischen 2007 und 2018 in Bayern in Armut?
                    b) Wie viele Kinder (bis 12 Jahre), Jugendliche (zwischen 13 und 17 Jahren) und
                       junge Erwachsene (zwischen 18 und 25 Jahren) lebten zwischen 2007 und 2018
                       in Bayern in Armut?
                    c) Was waren die Gründe bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Er-
                       wachsenen für ihre Armutssituation?

                 3. a) Wie hat sich die Armutsgefährdungsquote bei Kindern, Jugendlichen, jungen Er-
                       wachsenen und Erwachsenen zwischen 2007 und 2018 verändert?
                    b) Was waren die Gründe für die Veränderung?

                 4.		      Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Armut und die Armutsge-
                           fährdung bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Erwachsenen zu
                           verringern?

                 Antwort
                 des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit
                 dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
                 vom 02.01.2019

                 Allgemeine Hinweise:
                 Die (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung in Haus-
                 halten wieder, deren Nettoäquivalenzeinkommen unter 60 Prozent des Medianein-
                 kommens der Gesamtbevölkerung liegt. Die Armutsgefährdung von Personen leitet
                 sich somit aus deren Haushaltszusammensetzung und einem relativ geringen Haus-
                 haltseinkommen ab. Vermögen und weitere wohlfahrtsbeeinflussende Faktoren (u. a.
                 Sachtransferleistungen, Bildung, Gesundheit) bleiben dabei unberücksichtigt.

 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar.
 Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung.
Drucksache 18/63                 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                Seite 2/8

             Um Haushalte unterschiedlicher Größe miteinander vergleichen zu können, wird eine
          Äquivalenzgewichtung anhand der sog. neuen OECD-Methode vorgenommen, die grö-
          ßeren Haushaltsformen ein relativ hohes Einsparpotenzial unterstellt. Die Armutsge-
          fährdung von Personen in kleineren Haushaltsformen wird dementsprechend tenden­
          ziell etwas überzeichnet.
             Als Datengrundlage zur fortlaufenden Ermittlung der Armutsgefährdung hat sich in
          Deutschland der Mikrozensus etabliert. Im Rahmen dieser jährlichen Haushaltsbe-
          fragung wird rund ein Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten nach ihrer wirt-
          schaftlichen und sozialen Lage befragt. Das Nettoeinkommen wird als Summe aller
          Einkunftsarten für den Haushalt und die einzelnen Haushaltsmitglieder entsprechend
          vorgegebener Einkommensklassen erhoben. Hierbei ist nicht auszuschließen, dass die
          Fehleranfälligkeit mit zunehmender Vielzahl an Einkunftsarten (Einkünfte aus selbst-
          ständiger bzw. unselbstständiger Arbeit, Vermögen etc., diverse Sozialtransfers) zu-
          nimmt, was verstärkt in den unteren und höheren Einkommensbereichen auftreten
          dürfte.
             Aufgrund der Hochrechnung der Ergebnisse der einprozentigen Haushaltsbefragung
          auf die Gesamtbevölkerung ist die Armutsgefährdungsquote als ein mittlerer Schätz-
          wert anzusehen, wobei sich die eigentliche Quote mit einer gewissen statistischen
          Wahrscheinlichkeit in einem Intervall um diesen mittleren Schätzwert bewegt. Leich-
          te Veränderungen der Armutsgefährdungsquote können sich demnach im Bereich der
          statistischen Insignifikanz bewegen bzw. zum Teil auf die Erhebung, die Hochrechnung
          und die variierende Verteilung der Personen bzw. Haushalte innerhalb der Einkom-
          mensklassen zurückzuführen sein.

          1. a) Wie viele Menschen waren zwischen 2007 und 2018 in Bayern von Armut
                bedroht (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Gesamtbayern, Regierungsbe-
                zirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, Geschlecht, Altersgruppen, abso-
                luten Zahlen und Prozentzahlen angeben)?
             b) Wie viele Kinder (bis 12 Jahre), Jugendliche (zwischen 13 und 17 Jahren)
                und junge Erwachsene (zwischen 18 und 25 Jahren) waren zwischen 2007
                und 2018 in Bayern von Armut bedroht (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren,
                Gesamtbayern, Regierungsbezirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, Ge-
                schlecht, Altersgruppen, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)?

          Hinsichtlich der angefragten Daten zur (Einkommens-)Armutsgefährdung wird größten-
          teils auf die Antwort zur Schriftlichen Anfrage vom 24.11.2017 betreffend Armutsgefähr-
          dung in Bayern verwiesen, die am 29.01.2018 erfolgte und als Drs. 17/20414 verfügbar
          ist. Einzig hinsichtlich der (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote nach Altersgruppen
          und Geschlecht sowie für die Regierungsbezirke und die Großstädte München und
          Nürnberg sind neuere Daten für 2017 verfügbar, die im Rahmen der amtlichen Sozial­
          berichterstattung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder im Laufe des
          Jahres 2018 veröffentlicht wurden. Nachfolgende Tabelle beinhaltet die verfügbaren
          Daten für 2017.
             Die (Einkommens-)Armutsgefährdungsquote blieb zuletzt zwischen den Jahren 2016
          und 2017 in Bayern unverändert und lag mit 12,1 Prozent auch im Jahr 2017 deutlich
          unter dem gesamtdeutschen Vergleichswert von 15,8 Prozent (Westdeutschland: 15,3
          Prozent).
             Auch unter den Altersgruppen und nach Geschlecht gab es in Bayern keine größeren
          Veränderungen zwischen den Jahren 2016 und 2017. Neben dem leichten Rückgang
          der Armutsgefährdungsquote der ab 65-jährigen Bevölkerung ist einzig die Verschie-
          bung bei den jüngeren Erwachsenen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren auffällig. In
          dieser Gruppe wiesen erstmalig in der Datenreihe im Jahr 2017 die Männer eine höhere
          relative Armutsgefährdung auf als die Frauen.
Drucksache 18/63                      Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                            Seite 3/8

           Darstellung: Armutsgefährdungsquote* nach soziodemografischen Merkmalen und Re-
           gionen* (in Prozent)

           Ergebnisse des Mikrozensus. Ab 2011 basiert die Hochrechnung auf den fortgeschriebenen Ergebnissen
           des Zensus 2011. Durch Effekte der Umstellung auf eine neue Stichprobe im Berichtsjahr 2016 sowie durch
           Sondereffekte im Kontext der Bevölkerungsentwicklung ist die Vergleichbarkeit der Mikrozensusergebnisse
           ab dem Berichtsjahr 2016 mit den Vorjahren eingeschränkt. IT.NRW.
           * Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 Prozent des Medians der Äquiva-
             lenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung, gemessen am Bundesme-
             dian. Das Äquivalenzeinkommen wird auf Basis der neuen OECD-Skala berechnet.
           Quelle: Amtliche Sozialberichterstattung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder

             c) Was waren die Gründe bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen
                und Erwachsenen für ihre Armutsgefährdung?

           Nachdem sich eine mögliche Armutsgefährdung weiterhin aus dem Haushaltskon-
           text ableitet und sich für die meisten Personengruppen keine großen Veränderungen
           ergaben, wird auch hier auf die Ausführungen zur Antwort der Staatsregierung vom
           29.01.2018 (Drs. 17/20414) auf die gleichlautende Schriftliche Anfrage vom 24.11.2017
           verwiesen. Hiernach geht eine erhöhte Armutsgefährdung meist mit einer geringen
           (auch ehemaligen) Erwerbsbeteiligung einher.
             Wie auch bereits in o. g. Antwort ausgeführt, ist für junge Erwachsene der Auszug aus
           dem elterlichen Haushalt mit einer erhöhten Armutsgefährdung verbunden. Mangels
           eines ausreichenden eigenständigen Einkommens, insbesondere während der Ausbil-
           dungsphase, unterliegt dieser Personenkreis einer vorübergehend etwas erhöhten Ar-
Drucksache 18/63                  Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                 Seite 4/8

           mutsgefährdung, die sich aber zumindest in einigen Fällen u. a. aufgrund von Sach- und
           nicht berücksichtigten Geldtransferleistungen des elterlichen Haushalts nicht wirklich
           materialisieren dürfte. Nachdem junge Frauen das Elternhaus durchschnittlich deutlich
           früher verlassen als junge Männer, fiel deren Armutsgefährdung bislang i. d. R. höher
           aus.

           2. a) Wie viele Menschen lebten zwischen 2007 und 2018 in Bayern in Armut?
              b) Wie viele Kinder (bis 12 Jahre), Jugendliche (zwischen 13 und 17 Jahren)
                   und junge Erwachsene (zwischen 18 und 25 Jahren) lebten zwischen 2007
                   und 2018 in Bayern in Armut?
              c) Was waren die Gründe bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen
                   und Erwachsenen für ihre Armutssituation?
           Die Fragen 2 a bis 2 c werden entsprechend des Wortlauts der Antwort der Staatsre-
           gierung vom 29.01.2018 (Drs. 17/20414) zur Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten
           Dr. Simone Strohmayr (SPD) vom 24.11.2017 gemeinsam beantwortet.
              Der deutsche Sozialstaat ist durch das Grundgesetz dazu verpflichtet, seinen Bürge-
           rinnen und Bürgern das soziokulturelle Existenzminium zu sichern. Nach dem Urteil des
           Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom
           09.02.2010 – 1 BvL 1/09 – Rn. (1-220)) umfasst dieses sowohl „die physische Existenz
           des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und
           Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher
           Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen
           und politischen Leben […], denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen
           Bezügen“.
              Als „arm“ könnten allenfalls jene Personen gelten, deren soziokulturelles Existenzmi-
           nimum nicht gedeckt ist. Dieses Existenzminimum wird in jedem Fall (auf Antrag) mit
           der Grundsicherung gedeckt. Da durch die Leistungen der Grundsicherung also Armut
           vermieden wird, können weder Zahlen zu Armen noch zu Gründen für Armut genannt
           werden.

           3. a) Wie hat sich die Armutsgefährdungsquote bei Kindern, Jugendlichen, jun-
                 gen Erwachsenen und Erwachsenen zwischen 2007 und 2018 verändert?

           Siehe Antwort zu den Fragen 1 a und 1 b.

              b) Was waren die Gründe für die Veränderung?

           Auch hierzu wird vornehmlich auf die Antwort der Staatsregierung vom 29.01.2018
           (Drs. 17/20414) auf die Schriftliche Anfrage vom 24.11.2017 verwiesen.
              Die damalige Mutmaßung, der Anstieg der Armutsgefährdungsquote der 18- bis un-
           ter 25-Jährigen könnte auf die massive Zuwanderung von Flüchtlingen zurückzuführen
           sein, wird durch die jüngsten Entwicklungen untermauert. Von 2016 auf 2017 setzte
           sich der Anstieg der Armutsgefährdungsquote für junge männliche Erwachsene fort,
           während für die Quote der jungen weiblichen Erwachsenen eine deutliche Gegenbe-
           wegung nach unten verzeichnet wurde. Dies führte dazu, dass die Armutsgefährdungs-
           quote junger erwachsener Männer im Jahr 2017 erstmalig die ihrer Altersgenossinnen
           überstieg.

           4.		    Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Armut und die Armuts-
                   gefährdung bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Erwach-
                   senen zu verringern?

           Zur Unterscheidung von Armut und sog. Armutsgefährdung wird auf die Antwort zu den
           Fragen 2 a bis 2 c verwiesen.
             Die Lebenslage von Kindern und Jugendlichen kann nicht isoliert von der Situation
           der Eltern angegangen werden. Ein ausreichendes Einkommen der Eltern ist demnach
           der Schlüssel, um die sog. Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen zu verrin-
           gern.
Drucksache 18/63                  Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                  Seite 5/8

           Arbeitsmarkt
           Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist ein florierender Arbeitsmarkt. Hier steht Bayern
           dank jahrzehntelanger umsichtiger Struktur- und Arbeitsmarktpolitik hervorragend da.
           Diese erfolgreiche Politik wird fortgesetzt.
              Die Arbeitslosigkeit lag im Jahresdurchschnitt 2017 bei nur 3,2 Prozent, dem nied-
           rigsten Wert seit Einführung der aktuellen Erhebungsmethodik. Es ist mit Abstand die
           niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer. Die Zahl der Arbeitslosen wurde in
           den vergangenen zehn Jahren um rund 34 Prozent reduziert und die Arbeitslosenquo-
           ten der Regierungsbezirke haben sich sehr deutlich angenähert. Der Abstand zwischen
           dem höchsten und dem niedrigsten Wert beträgt nur noch einen Prozentpunkt. Die
           Arbeitskräftenachfrage ist weiter ungebrochen hoch. 2018 ist darüber hinaus erneut
           ein überproportionaler Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gelungen (bis einschließlich
           November 2018 um 12,1 Prozent) und auch bei der Arbeitslosigkeit von Älteren ist ein
           Rückgang zu verzeichnen (um 3,7 Prozent).
              Die Staatsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Langzeitarbeitslosigkeit weiter zu
           reduzieren. Sie setzt dabei auf den ganzheitlichen Ansatz, der in zwei Modellprojekten
           in Nürnberg und Fürth erfolgreich getestet wurde. Mit dem Gesamtkonzept „CURA –
           Coaching von Familien zur Bekämpfung urbaner Arbeitslosigkeit“ wird dieser Ansatz auf
           weitere Standorte – vor allem in urbanen Zentren mit vergleichsweise hoher Arbeitslo-
           sigkeit – ausgeweitet. Kern des ganzheitlichen Ansatzes ist die intensive Zusammenar-
           beit von Jobcenter und Jugendamt, um nicht nur die Langzeitarbeitslosen, sondern ihre
           ganzen Familien in den Blick zu nehmen. Erwerbsfähigen soll so der Weg zurück in den
           Arbeitsmarkt und Kindern ein förderliches Aufwachsen ermöglicht werden. Die Staats-
           regierung unterstützt die Jobcenter hier mit bis zu 1,8 Mio. Euro aus Mitteln des Europä-
           ischen Sozialfonds (ESF). Zudem ist, entsprechend dem Beschluss des Landtags, seit
           März 2018 das Landesförderprogramm „CURA – Niedrigschwellige Unterstützung von
           Bedarfsgemeinschaften durch die Jugendämter“ gestartet, um die betroffenen Familien
           durch eine zusätzliche sozialpädagogische Fachkraft im Jugendamt zu unterstützen.
           Ziel ist es, durch die Veränderung der familiären Gesamtsituation Rahmenbedingungen
           zu schaffen, damit junge Menschen für sich positive Zukunftsperspektiven entwickeln
           können und Sozialleistungsbezug nicht von einer Generation zur nächsten weitergege-
           ben wird.
              Integration in Ausbildung und Arbeit ist ein zentraler Baustein für gelingende Inte­
           gration und ermöglicht Menschen mit Fluchthintergrund, ihren Lebensunterhalt selbst
           zu finanzieren und in unserer Gesellschaft anzukommen. Die Staatsregierung hat be-
           reits im Oktober 2015 mit der bayerischen Wirtschaft und der Regionaldirektion Bay-
           ern der Bundesagentur für Arbeit die Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und
           Arbeit“ unterzeichnet. Gemeinsam wollen die Vereinbarungspartner 60.000 Flüchtlinge
           bis Ende 2019 in Arbeit integrieren. Dieses Ziel wurde bereits im März 2018 mit
           über 64.000 Arbeitsmarktintegrationen erreicht. Bis zu diesem Datum wurden ca.
           154.000 Personen vermittelt, davon 81.200 in Praktika, 8.080 in Ausbildung und
           64.511 in Arbeit. Zahlreiche Maßnahmen aller Partner des Paktes unterstützen weiter-
           hin die Integration in Ausbildung und Arbeit.

           Ausbildung
           Jugendliche und junge Erwachsene haben in Bayern beste Chancen am Arbeitsmarkt
           und damit auf auskömmliche Einkommen. Die Jugendarbeitslosigkeit (unter 25-Jähri-
           ge) lag im Jahresdurchschnitt 2017 bei nur 2,8 Prozent. Mit der „Allianz für starke Be-
           rufsbildung“ wird die Staatsregierung gemeinsam mit den Allianzpartnern, dies sind die
           Wirtschaftsverbände und die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit,
           auch weiterhin jene Jugendlichen unterstützen, die – trotz hervorragender Situation
           am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt – Schwierigkeiten haben, den ersten Schritt in den
           Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt zu gehen, denn er ist entscheidend für eine erfolgreiche
           Erwerbsbiografie.
              Ein bewährtes Element der Allianzvereinbarung ist die Ausbildungsplatzförderung
           „Fit for Work – Chance Ausbildung“. Durch die Förderung „Fit for Work – Chance Aus-
           bildung“ aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds werden die Chancen auf eine be-
           triebliche Ausbildungsstelle für junge Menschen erhöht, die Schwierigkeiten haben,
           einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Damit soll für junge Menschen, die aufgrund der
           Situation am Ausbildungsmarkt, der persönlichen Lebenslage, wegen Bildungs- und
           Qualifizierungsdefiziten oder geringeren sozialen und persönlichen Kompetenzen keine
           Ausbildungsstelle bekommen haben (benachteiligte junge Menschen), der Eintritt ins
           Erwerbsleben gefördert und ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss unterstützt wer-
Drucksache 18/63                  Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                 Seite 6/8

           den. Durch Zuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds wurden in der Förderpe-
           riode 2014–2020 bereits 1.399 Ausbildungsstellen für benachteiligte junge Menschen
           gefördert. Insgesamt belaufen sich die Gesamtkosten hierbei auf rd. 18,7 Mio. Euro
           (ESF-Mittel 5,6 Mio. Euro).

           Besondere Unterstützung sozial benachteiligter junger Menschen durch Jugend-
           sozialarbeit an Schulen (JaS) und Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit (AJS)
           Trotz der guten Arbeitsmarktlage bedarf die Zielgruppe der individuell beeinträchtigten
           und sozial benachteiligten jungen Menschen der besonderen Unterstützung, damit sie
           ihr Leben meistern, in der Schule erfolgreich sind und am Arbeitsmarkt Fuß fassen.
           Auch zur Integration junger Migranten und Flüchtlinge leistet Jugendsozialarbeit einen
           wichtigen Beitrag. Wenngleich es sich um eine kommunale Jugendhilfeaufgabe auf der
           Grundlage des § 13 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) handelt, unterstützt
           der Freistaat die Kommunen seit Langem mit zwei bundesweit beachteten Förder-
           programmen (AJS seit 1983, JaS seit 2002) in erheblichem Umfang: 2018 mit rund
           23,6 Mio. Euro (JaS und AJS) und zudem 40 Mio. Euro ESF-Mittel von 2014 bis 2020
           (für AJS).
              Im Bereich der JaS erfolgt die Unterstützung der jungen Menschen durch die Jugend-
           hilfe direkt am Ort der Schule. Die AJS bietet einer Ausbildung vorgeschaltete Qualifi-
           zierungsmaßnahmen (sog. Vorschaltmaßnahmen) sowie Ausbildungsmaßnahmen an.
           Auch wird derzeit mit dem Aufruf „Dabei sein – Heranführung“ im Rahmen von ESF-
           Modellprojekten erprobt, wie für die schwer erreichbaren benachteiligten jungen Men-
           schen die Heranführung an Ausbildung und Arbeitswelt durch innovative niedrigschwel-
           lige Ansätze zur Förderung und Motivation, eine Ausbildungsperspektive zu entwickeln,
           noch besser gelingen kann. Für die ESF-Modellprojekte stehen 1,3 Mio. Euro aus dem
           Europäischen Sozialfonds, 800.000 Euro aus Mitteln der bayerischen Jobcenter und
           etwa 500.000 Euro Landesmittel zur Verfügung. Sechs Modellprojekte sind im Juli 2018
           gestartet.
              Hinsichtlich der erfolgreichen Unterstützung der Integration von Flüchtlingen in Aus-
           bildung wird auf die Ausführungen zur Initiative „Integration durch Ausbildung und Ar-
           beit“ unter dem Punkt „Arbeitsmarkt“ verwiesen.

           Fort- und Weiterbildung
           Qualifizierung sowie Fort- und Weiterbildung sind der Schlüssel zu einer möglichst
           ununterbrochenen Erwerbsbiografie. Eine solche ist sowohl während als auch nach
           dem Erwerbsleben der beste Schutz vor niedrigen Einkommen, die statistisch Armuts-
           gefährdung bedingen. Deshalb fördert die Staatsregierung mit dem Arbeitsmarktfonds
           (Fördervolumen 2018: 4,35 Mio. Euro) und dem Europäischen Sozialfonds (bisheriges
           Fördervolumen in der aktuellen Förderperiode 2014–2020 rd. 102 Mio. Euro Gesamt-
           kosten, davon rd. 50 Mio. Euro ESF-Mittel und 0,7 Mio. Euro Landesmittel) Weiterbil-
           dungsaktivitäten von Beschäftigten und Unternehmen.
              Im Juni 2018 wurde der „Pakt für berufliche Weiterbildung 4.0“ zusammen mit der
           Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Arbeitsverwaltung unterzeichnet. Der Pakt
           wendet sich an Beschäftigte und Betriebe mit dem Ziel, mit konkreten Maßnahmen
           und Projekten die Weiterbildungsbereitschaft und Weiterbildungsbeteiligung auch der
           unterrepräsentierten Personengruppen im erwerbsfähigen Alter mit Blick auf die Digita-
           lisierung der Arbeitswelt nachhaltig zu steigern. Bereits im Dezember 2018 startete die
           Staatsregierung mit der Förderung von 16 Weiterbildungsinitiatoren, die in allen Regie-
           rungsbezirken verortet und von einer Stelle bayernweit koordiniert werden. Sie sollen
           Beschäftigte und Betriebe für die Notwendigkeit beruflicher Weiterbildung sensibilisie-
           ren sowie ihnen bei der Auswahl und der Aufnahme von Weiterbildungsmaßnahmen zur
           Seite stehen. Die Umsetzung der Themenplattform „Arbeitswelt 4.0“ startete Mitte No-
           vember 2018 mit der Tätigkeitsaufnahme der Plattformkoordinatorin beim Zentrum Di-
           gitalisierung Bayern (ZD.B). Die Themenplattform soll Handlungsansätze und Bedarfe
           gerade für kleine und mittlere Unternehmen insbesondere in Bezug auf die zukünftige
           Organisation von Arbeit und Weiterqualifizierung im Zeichen der Digitalisierung aufzei-
           gen. Die Themenplattform wird Wissenschaft und Wirtschaft miteinander vernetzen und
           den Transfer zwischen Forschung und Praxis herstellen.

           Vereinbarkeit von Familie und Beruf
           Auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt für möglichst ununterbrochene
           Erwerbsbiografien besondere Bedeutung zu. Hierzu tragen vor allem bedarfsgerechte,
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           qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote, der Ausbau der Ganztagsangebote
           und eine familienfreundliche Arbeitswelt bei. Die Staatsregierung fördert die Vereinbar-
           keit insbesondere über ihre massive Unterstützung der Kommunen beim Ausbau und
           beim Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen. Im Rahmen des derzeit laufenden
           vierten Sonderinvestitionsprogramms werden bis 2023 für Kinder von der Geburt bis
           zur Einschulung 42.000 neue Plätze in Kindertageseinrichtungen geschaffen. Außer-
           dem werden in den nächsten fünf Jahren 2.000 Stellen für Tagespflegepersonen im An-
           stellungsverhältnis gefördert, um das pädagogische Personal in den Einrichtungen zu
           entlasten, die Randzeitenbetreuung zu verbessern und neue Betreuungsplätze in der
           Tagespflege zu schaffen. Zudem soll gemeinsam mit dem Bund der Rechtsanspruch
           auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter umgesetzt werden. Als Sofortmaßnahme
           werden 10.000 Hortplätze neu geschaffen.
              Neben den Angeboten der Kinderbetreuung wurde mit dem „Familienpakt Bayern“
           ein einzigartiges Instrument geschaffen, um einen Werte- und Kulturwandel in den bay-
           erischen Unternehmen zu fördern und die Arbeitswelt an Familienbelange anzupassen.
           Über 650 Mitglieder und Netzwerkpartner sind bereits registriert. Sie erhalten neue Im-
           pulse, Fachinformationen und umsetzungsnahe Hilfestellungen, um die Vereinbarkeit
           von Familie und Beruf innerbetrieblich weiter zu verbessern. Den erfolgreich angesto-
           ßenen Wertewandel in den bayerischen Unternehmen gilt es auszubauen, stetig zu
           begleiten und breiter in der Unternehmenskultur zu verankern. Deshalb wird der „Fami-
           lienpakt Bayern“ bis 2023 fortgesetzt.
              In den Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Mittelfranken,
           Oberfranken und Schwaben bieten insgesamt 13 Servicestellen zielgerichtetes und be-
           darfsgerechtes Coaching für Frauen im Erwerbsleben. Die Angebote richten sich primär
           an Frauen, die in der Phase der Berufsorientierung bzw. -rückkehr, zur Verbesserung
           ihrer aktuellen Beschäftigungssituation oder bei der Aufnahme einer selbstständigen
           Tätigkeit Unterstützung benötigen. Dabei sind die konkreten Hilfen ausgerichtet auf die
           Aktivierung zur Selbsthilfe sowie auf den Abbau von Hemmnissen und Hürden, die der
           Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder der Verbesserung der Erwerbssituation entge-
           genstehen. Die Servicestellen werden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und
           bayerischen Mitteln gefördert (bisheriges Fördervolumen in der aktuellen Förderperiode
           2014–2020 ca. 5,45 Mio. Euro ESF-Mittel, 2,33 Mio. Euro Landesmittel).

           Finanzielle Unterstützung für Familien aus Landesmitteln
           Neben den guten Chancen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, werden die Lebensbedin-
           gungen für Familien zudem durch viele Leistungen gestärkt: Familien werden durch
           Familien- und Sozialleistungen des Bundes und des Freistaates Bayern finanziell unter-
           stützt (u. a. Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss, Wohngeld, Bayerisches
           Familiengeld, Elternbeitragszuschuss). Viele dieser Leistungen wurden erst kürzlich
           angehoben bzw. eingeführt oder werden aktuell ausgeweitet.
             Das Bayerische Familiengeldgesetz ist am 01.08.2018 in Kraft getreten, seit
           03.09.2018 wird die Leistung ausgezahlt. Vom Familiengeld profitieren alle Eltern von
           ein- und zweijährigen Kindern. Es wird unabhängig von Einkommen, Betreuungsform
           und Erwerbstätigkeit gezahlt. Dazu wurden das bisherige Bayerische Betreuungsgeld
           und das Bayerische Landeserziehungsgeld gebündelt und aufgestockt. Familien er-
           halten für das erste und zweite Kind monatlich 250 Euro. Mehrkindfamilien werden
           besonders gefördert: Ab dem dritten Kind gibt es monatlich 300 Euro. Das Bayerische
           Familiengeld ist damit im bundesweiten Vergleich einzigartig.

           Familienpolitische Aktivitäten auf Bundesebene
           Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vom 07.02.2018 wurde zur gezielten Entlastung
           von einkommensschwächeren Familien (insbesondere auch Ein-Eltern- und Mehrkind-
           familien) und Bekämpfung der Kinderarmut eine Reform von Leistungen auf Bundes-
           ebene vereinbart: Beim Kinderzuschlag sollen Verbesserungen z. B. durch Wegfall der
           „harten Abbruchkante“ (Einkommenshöchstgrenze) für ein langsames Auslaufen der
           Leistung bei steigendem Einkommen erreicht werden. Das Bildungs-/Teilhabepaket soll
           entbürokratisiert werden. Zudem soll das Schulstarterpaket aufgestockt werden. Der
           Eigenanteil bei der Mittagsverpflegung und der Schülerbeförderung soll entfallen. Hier-
           zu liegt bereits ein Gesetzentwurf, das „Starke-Familien-Gesetz“ der Bundesregierung,
           vor. Das Familienentlastungsgesetz u. a. mit einer Anhebung von Kindergeld und Kin-
           derfreibeträgen ist bereits beschlossen und verkündet.
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             Zudem ist auf die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses im Grundsatz auf alle Kin-
           der unter 18 Jahren seit Juli 2017 hinzuweisen.

           Maßnahmen für ältere Erwachsene
           Generell muss für alle Rentner gelten: Wer sein Leben lang gearbeitet und vorgesorgt
           hat, muss im Alter ausreichend versorgt sein. Aus diesem Grund setzt sich die Staatsre-
           gierung auf Bundesebene weiter dafür ein, dass das Rentenniveau auskömmlich bleibt.
              Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung profitieren Frauen und Männer von
           den von der Staatsregierung bereits durchgesetzten oder geforderten gezielten renten-
           rechtlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut. Hierzu zählen insbesondere
           die mit dem Rentenpaket I bereits umgesetzte Anrechnung von 2,5 Kindererziehungs-
           jahren für Mütter oder Väter mit vor 1992 geborenen Kindern, eine verbesserte Absiche-
           rung von Erwerbsgeminderten sowie die Entlastung von Geringverdienern (Midijobs)
           von Sozialversicherungsbeiträgen.
              Mit dem Rentenpaket II soll 2019 die Lebensleistung von Menschen, die jahrelang
           gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, durch eine Grundrente
           stärker honoriert werden. Auch sollen Selbstständige, die nicht bereits anderweitig ab-
           gesichert sind, mit einer gründerfreundlich ausgestalteten Altersvorsorgepflicht im Alter
           besser versorgt werden.
              Um die sog. Armutsgefährdungsquote älterer Menschen (ab 65 Jahre) zu reduzieren,
           sind langfristige Maßnahmen nötig. Essenziell für die finanzielle Absicherung im Alter ist
           eine möglichst durchgängige Erwerbsbiografie. Hierfür stehen die Chancen in Bayern
           aufgrund der hervorragenden Arbeitsmarktsituation (vgl. o.) besonders gut. Damit der
           Anteil v. a. an Frauen mit niedrigem Einkommen im Alter sinkt, ist deren Erwerbsbetei-
           ligung besonders wichtig. Hier sind die o. a. Maßnahmen zur Verbesserung der Verein-
           barkeit von Familie und Beruf von großer Bedeutung.
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