Herausforderungen und die Implementierung von Factor-Investing
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Christoph Hüttl, BSc Herausforderungen und die Implementierung von Factor-Investing Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz Betreuer: o. Univ.-Prof. Dr. Edwin O. Fischer Institut: Institut für Finanzwirtschaft Graz, im Juni 2019
Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wört- lich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländi- schen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fas- sung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Datum: 20.06.2019 Unterschrift Gender Erklärung Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Sprachform des gene- rischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechts-unabhängig verstanden wer- den soll. Datum: 20.06.2019 Unterschrift
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... III Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... IV 1 Einleitung ...................................................................................................................... 1 2 Factor-Investing ........................................................................................................... 3 3 Faktoren ...................................................................................................................... 10 3.1 Value ................................................................................................................... 11 3.2 Size ..................................................................................................................... 15 3.3 Momentum .......................................................................................................... 16 3.4 Quality ................................................................................................................ 19 3.5 Minimum Volatility ............................................................................................ 21 3.6 weitere Faktoren ................................................................................................. 22 4 Herausforderungen und Chancen bei der Implementierung................................. 24 4.1 Erklärungsansätze der Faktor-Prämie ................................................................. 25 4.2 Factor Investing und Transaktionskosten ........................................................... 26 4.3 Factor-Investing und Rebalancing ...................................................................... 28 4.4 Factor-Investing und Diversifikation .................................................................. 30 4.5 Timing von Factor-Strategien ............................................................................. 31 4.6 Long-only vs. Long-Short Strategien ................................................................. 33 5 Implementierung von Factor-Investing Ansätzen................................................... 35 5.1 Factor-Investing Strategien ................................................................................. 36 5.1.1 Einzelfaktorstrategien ............................................................................. 36 5.1.1.1 Value-Investing ....................................................................... 37 5.1.1.2 Size-Investing ......................................................................... 38 5.1.1.3 Momentum-Investing .............................................................. 39 5.1.1.4 Quality-Investing .................................................................... 41 5.1.1.5 Minimum Volatility-Investing ................................................ 42 5.1.2 Multifaktorenstrategien ........................................................................... 42 5.2 Anwendung von Factor-Investing Strategien ..................................................... 49 I
5.2.1 Smart-Beta ETFs ..................................................................................... 49 5.2.2 Aktives Portfoliomanagement mit Factor-Investing ............................... 52 5.2.3 Faktor-Zertifikate .................................................................................... 53 5.2.4 Überprüfung des Factor-Exposure bestehender Portfolios ..................... 54 5.2.5 ESG-Score und Factor-Investing ............................................................ 55 6 Conclusio ..................................................................................................................... 58 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 61 II
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Erklärung der Rendite in der CAPM- und in der Factor-Investing-Welt ....... 7 III
Abkürzungsverzeichnis CAPM Capital Asset Pricing Model ETF Exchange Traded Products ETF Exchange Traded Fund SPIVA S&P Indices Versus Active) KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis KBV Kurs-Buchwert-Verhältnis KCV Kurs-Cashflow-Verhältnis DCF Discounted Cashflow ROCE Return on Capital Employed ESMA Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESG Environment Social & Governance IV
1 Einleitung In der klassischen Portfoliotheorie wird um das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ein Faktor allein ausgemacht, der die Rendite erklärt – der Marktfaktor beziehungsweise das Marktrisiko. Aus dieser Sichtweise heraus erklärt sich die Rendite einzig aus dem Umstand, dass ein systematisches, nicht diversifizierbares Risiko eingegangen wird indem Geld am Kapitalmarkt investiert wird.1 Mit der Zeit wurden Stimmen laut, die behaupteten, dass die Rendite nicht nur vom Faktor Markt abhängt. Empirische Studien2 entdeckten unter anderem den Value-Faktor oder den Size-Faktor. Das heißt, dass Unternehmen mit niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnissen, nied- rigen Kurs-Buchwert-Verhältnissen und Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung höhere Renditen erwarten lassen als Unternehmen mit gegenteiligen Eigenschaften.3 Invest- mentbanken und Akademiker untersuchen seit einigen Jahrzehnten nun schon dieses Thema und identifizierten viele neue Faktoren, die Überrenditepotential versprechen.4 Diese Arbeit beschäftigt sich damit, wie durch die Implementierung einer Factor-Investing Strategie die Performance von Portfolios verbessert werden kann. Der Fokus dieser Arbeit liegt darauf die Überlegungen, die dabei angestellt werden müssen, adäquat evaluieren zu können, basierend auf dem aktuellen Stand aus Wissenschaft und Praxis. Dieses Thema ist schon lange von akademischem Interesse, dennoch hat sich erst in den letzten Jahren ein starkes Interesse für Factor-Investing in der Praxis entwickelt. Deshalb herrscht vor allem dahingehend kein Konsens, wie Factor-Investing am besten implemen- tiert werden kann. Diese Arbeit untersucht diverse Studien aus Wissenschaft und Praxis und versucht, dadurch notwendige Informationen bezüglich Herausforderungen und Chancen von Factor-Investing in dieser Arbeit zur Verfügung zu stellen. Dadurch können die vielfäl- tigen Anwendungsmöglichkeiten, die in weiterer Folge in dieser Arbeit vorgestellt werden, evaluiert werden. 1 Vgl. Sharpe, W. (1964). 2 Vgl. Basu, S. (1977) und Banz, R. (1980). 3 Vgl. Spremann, K. (2010): S.438ff. 4 Vgl. Towers Watson (2013), S. 3. 1
Dafür wird der Ansatz zuerst allgemein vorgestellt und auf die aktuellen Entwicklungen auf- grund des stark zunehmenden Interesses an diesem Ansatz eingegangen. Anschließend daran wird vorgestellt, welche Kriterien notwendig sind um als Faktor im Sinne einer Definition des Factor-Investing Ansatzes zu gelten. Danach wird durch Einbeziehung von Studien aus Wissenschaft und Praxis auf bestimmte Faktoren eingegangen. Das nächste Kapitel beschäf- tigt sich mit den Herausforderungen und Chancen, die im Zuge von Factor-Investing entste- hen. Dies mündet in einer Erklärung der unterschiedlichen Factor-Investing Strategien und in einer Vorstellung der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Factor-Inves- ting Produkte von Finanzdienstleistern. Außerdem werden noch weitere Anwendungsmög- lichkeiten von Factor-Investing vorgestellt. 2
2 Factor-Investing Ang, Goetzmann und Schaefer bekamen den Auftrag eine quantitative und qualitative Beur- teilung des Norwegischen Pensionsfonds zu erstellen und präsentierten ihre Ergebnisse im Dezember 2009.5 Dabei beurteilten sie den größten Staatsfonds der Welt6 mit einem Vermö- gen von 884 Milliarden Euro.7 Beachtenswert ist, dass der norwegische Staatsfonds seit 1998 eine höhere durchschnittliche Rendite als der DAX (6,1% im Vergleich zu 5,6%) hat und das bei niedrigerer Volatilität.8 Ang, Goetzmann und Schaefer fanden bei der Untersuchung der Erfolgsbilanz heraus, dass aktives Management nur einen kleinen Anteil an der Perfor- mance des Pensionsfonds hat. Der größere Anteil kam laut ihnen daher, dass systematische Faktorrisiken eingegangen wurden und sie empfehlen, dass der Staatsfonds auch zukünftig von Factor-Investing profitieren soll. Sie begründen das mit der langfristigen Orientierung des Pensionsfonds und aufgrund der Tatsache, dass empirisch nachgewiesen wurde, dass Factor-Investing langfristig signifikantes Outperformancepotential hat. Der lange Anlage- horizont ist dahingehend von Vorteil, weil sich Faktoren aufgrund der in der Regel höheren Volatilität kurzfristig unterdurchschnittlich entwickeln können.9 Hunderte Faktoren, die die Rendite beeinflussen, wurden identifiziert. Viele ähneln sich stark, aber dennoch ist beachtenswert, welcher Aufwand betrieben wird, um neue Faktoren zu identifizieren. Viele Faktoren sind jedoch nicht anerkannt beziehungsweise sie können nicht langfristig bestätigt werden.10 In der Praxis erfreuen sich die Faktoren Value, Momen- tum, Minimum Volatility, Quality, Size und Dividend Yield großer Beliebtheit.11 Fama und French entwickelten ein Modell, welches neben den Faktor Markt auch die Faktoren Value und Size miteinbeziehen – das Fama/French Dreifaktorenmodell.12 Diese Arbeit sowie wei- tere Arbeiten von Fama und French und die Arbeit von Carhart sind in der Forschung hoch 5 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 5. 6 Vgl. Sovereign Wealth Fund Institute (2018), [online]. 7 Vgl. NORGES Bank (2018) - Umrechnung NOK–EUR per Kurs vom 12.09.2018. 8 Vgl. Bomsdorf, C. (2018), [online]. 9 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S.9 und vgl. Pappas, S., Dickson, J. (2015), S. 9. 10 Vgl. Baron, O. (2017), [online]. 11 Vgl. Blackrock (2018), [online] und vgl. MSCI (2018), [online]. 12 Vgl. Fama, E. F.; French, K. R. (1993). 3
angesehen. Auf diesen Studien begründet sich das besondere akademische Interesse an den Faktoren Size, Value, Profitabilität und Investitionstätigkeit13 und Momentum. Ein Weg Factor-Investing umzusetzen ist im Zuge von Smart-Beta-ETFs. Diese an der Börse gehandelten Produkte assoziieren viele mit passiven Finanzprodukten, weil viele ETFs In- dizes passiv nachbilden. Das heißt, dass die Gewichtung der Assets im Portfolio genauso erfolgt wie im abzubildenden Index. Zum Beispiel ist in einem ETF, der den DAX passiv und marktwertgewichtet nachbildet, der Anteil von SAP genauso 11% wie im DAX selbst.14 Smart-Beta-ETFs sind aber keine rein passiven Finanzprodukte. Dabei wird eine alternative Titelgewichtung zu einem marktwertgewichteten ETF vorgenommen, aufgrund von Faktor- Eigenschaften. Um beim Beispiel Value zu bleiben, werden bei einem Smart-Beta Value ETF Aktien, die zum Beispiel ein niedriges KGV haben, im Portfolio übergewichtet. Dadurch sind im ETF Aktien mit niedrigen KGV stärker vertreten als in einem marktwert- gewichtet ETF. Die Titelauswahl und das Rebalancing15 des Portfolios erfolgt dann aufgrund bestimmter, vordefinierter Regeln. Diese Regeln sind zum einen bestimmte Eigenschaften von Aktien, wie ein niedriges KGV, ein niedriges KBV, eine niedrige Marktkapitalisierung, ein positiver Kursverlauf in der jungen Vergangenheit, eine hohe Profitabilität, eine geringe Investitionstätigkeit, eine niedrige Volatilität oder aufgrund anderer Eigenschaften von Ak- tien für die eine Überrendite empirisch nachgewiesen werden konnte. Dadurch wird versucht ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis als in den rein passiven Finanzinstrumenten zu er- zeugen. Smart-Beta ETFs werden von vielen als aktive Strategien verstanden, wie beispiels- weise von der Vanguard Group.16 Prinzipiell wird versucht die Vorteile von aktiven und passiven Investments zu vereinen, daher ist die überwiegende Meinung, dass es sich hierbei um eine Kombination aus aktiver und passiver Strategie handelt.17 Abgesehen von Smart-Beta ETFs kommt bei einer aktiven Strategie Factor-Investing durch einen Portfoliomanager im Zuge der Portfolio-Selektion bei aktiv gemanagten Portfolios o- der Fonds zum Einsatz. Dabei wird kein Kauf oder Verkauf aufgrund vordefinierter Regeln 13 Die Faktoren Profitabilität und Investitionstätigkeit werden als Definition des Faktors Qualität gesehen. 14 Vgl. Boerse.de (2019), [online]. 15 Neuausrichtung des Portfolios in einem bestimmten Rhythmus (jährlich, halbjährlich, usw.) aufgrund der definierten Regeln; z. B. Aktien deren KGV zu stark gestiegen sind, werden teilweise verkauft. 16 Vgl. Pappas, S., Dickson, J. (2015). S. 10. 17 Vgl. PWC (2014), [online], und vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 136. 4
wie bei Smart-Beta ETFs durchgeführt, sondern ein Portfolio Manager führt Transaktionen, basierend auf Factor-Investing Ansätzen, durch. Dies unterscheidet sich vor allem dadurch, dass stärker von Faktor-Prämien profitiert werden kann, weil der Portfolio-Manager ad-hoc viele Aspekte berücksichtigen kann. (Darauf wird noch genauer im Abschnitt 5.2.2 einge- gangen). Natürlich sind die dafür anfallenden Gebühren um vieles höher als bei Smart-Beta ETFs. Wobei angemerkt werden muss, dass die Rendite bei Smart-Beta-ETFs ohne Berück- sichtigung der Managementgebühren tendenziell niedriger ist als bei aktiv gemanagten Fonds. In der Praxis sind jedoch im Regelfall Gebühren zu bezahlen und unter Berücksich- tigung dieser lassen Smart-Beta-ETFs höhere Nettorenditen erwarten. Es werden durch die regelgebundenen Kauf- und Verkäufe von Assets zumindest zum Teil auch die Vorteile von passiven Investments erreicht – Einfachheit, Transparenz und deutlich geringere Kosten ge- genüber aktiv gemanagten Fonds. Außerdem haben Smart-Beta-ETFs den Vorteil gegenüber vielen aktiv gemanagten Fonds der intraday Handelbarkeit über die Börse.18 Vor allem Smart-Beta ETFs sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Klassische Fonds schaffen es nicht auf Dauer und unter der Berücksichtigung der anfallenden Gebühren ihre Benchmark zu übertreffen und daher werden andere Investitionsmöglichkeiten gesucht. Zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie vom Global Research Team des S&P Dow Jones Indices. Mit zunehmender Beobachtungsdauer hat sich der Prozentsatz der aktiv gemanagten Fonds, die eine höhere Rendite als ihre Benchmark erreichen, deutlich verringert. Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, ob der Anlageschwerpunkt in der Eurozone, Deutschland, USA oder auf der ganzen Welt ist. Der Grund dafür liegt in den Kosten von aktiv gemanag- ten Fonds, welche bei einem klassischen deutschen Aktienfonds im Durchschnitt 1,57% pro Jahr betragen, wobei hier noch nicht der Ausgabeaufschlag berücksichtigt wurde. Bei ETFs liegen die durchschnittlichen Kosten bei 0,15% im Jahr.19 Smart-Beta ETFs haben einen höheren Aufwand als ETFs und verursachen daher auch höhere Kosten. Abhängig vom ge- wählten Smart-Beta ETF und seiner Komplexität verursachen sie durchschnittliche Kosten von 0,33% pro Jahr.20 18 Vgl. Riedl, D. (2018), [online] und vgl. Bayern LB Research (2017) S. 4-6. 19 Vgl. Commerzbank (2016), S. 10ff. und vgl. Bayern LB Research (2017) S. 4-6. 20 Vgl. Masarwah, A. (2019), [online]. 5
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit von Factor-Investing ist die Überprüfung des Portfo- lios auf Factor-Exposure.21 In der Welt des Factor-Investing erklären Faktoren einen Teil der Rendite. Daher ist die Information, welche Faktoren und in welchem Ausmaß die Fak- toren im Portfolio vertreten sind, ex-ante und ex-post für den Investor wertvoll; ex-post um beispielsweise die Performance des Portfoliomanagers besser beurteilen zu können und ex- ante durch zum Beispiel Anpassung der Factor-Investing Strategie. Allgemein ausgedrückt, kann durch die Überprüfung des Factor-Exposure das Rendite/Risiko-Profil im Portfolio besser verstanden werden.22 Befürworter des Factor-Investing begründen einen Teil der Überrendite von aktiv gemanag- ten Fonds unter anderem damit, dass durch Faktoren zusätzliches Risiko eingegangen wird. Zum Beispiel wurde in kleinere Firmen, die risikoreicher sind als Blue-Chip Unternehmen, investiert. Weitere Erklärungsansätze dazu sind Behavioral Finance-Erklärungsansätze oder strukturelle Erklärungsansätze (mehr dazu im Abschnitt 4.1). Der Leistung des Fondsmana- gers wird in der Factor-Investing Welt ein geringerer Teil der Überrendite zugeschrieben als in der CAPM-Welt, wo die Expertise des Fondsmanagers alleine zum Alpha geführt haben soll.23 Die nachfolgende Grafik soll illustrierend verdeutlichen, dass den Leistungen des Fondsma- nagers in der Factor-Investing Welt durch die Zerlegung der Rendite in Beta, Alpha und Faktor-Prämien, nur noch ein Bruchteil der Überrendite zugeschrieben wird.24 21 Ausmaß, wie ein Portfolio oder eine Aktie einer bestimmten Faktor-Kombination ausgesetzt ist. 22 Vgl. Israel, R.; Ross, A. (2016), S. 1. 23 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 3. 24 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 3-4 und vgl. Towers Watson (2013), S. 1-2. 6
Abbildung 1: Erklärung der Rendite in der CAPM- und in der Factor-Investing-Welt Quelle: MSCI, BayernLB Research Wohl gemerkt zählt zu den behaupteten Vorteilen von Factor-Investing nicht nur, dass eine höhere Rendite erzielt werden kann, sondern auch, dass das Risiko minimiert werden kann und die Diversifikation verbessert werden kann.25 Darauf wird in weiterer Folge in mehreren Abschnitten genauer eingegangen. Empirische Studien über Factor-Investing Ansätze versprechen viele Vorteile. Daher ist es wenig verwunderlich, dass dieser Ansatz sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Von 2014 bis 2016 steigerte sich das Volumina von Finanzprodukten, die Factor-Investing Ansätze verfolgen, um 39% auf 550,5 Mrd. Dollar. Weiter stieg der Anteil der Befragten, die einen Factor-Investing Ansatz verfolgten oder es in den nächsten 18 Monaten geplant haben, von 2014 47% auf 72% in 2016. Außerdem schrumpfte die Anzahl der Investoren, die in den nächsten 18 Monaten keinen Factor-Investing Ansatz verfolgen würden, von 25% im Jahr 2014 auf 7% im Jahr 2016. Die Umfrage lässt auch erwarten, dass sich der Trend fortsetzen wird.26 Die vom Indexanbieter FTSE Russell durchgeführte globale Umfrage aus dem Jahr 2018 im Zuge dessen 185 Investoren, die 2.000 Milliarden Dollar verwalten, befragt wurden, bestätigte den Trend des zunehmenden Interesses an Factor-Investing Ansätzen. 54% der befragten Studienteilnehmer kommen aus Nordamerika, 31% aus Europa, 11% aus Asien 25 Vgl. Blackrock (2018), [online]. 26 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 18ff. 7
und 4% aus anderen Regionen. Ein paar Fakten daraus: 77% der Befragten haben bereits eine Factor-Investing Strategie implementiert oder planen es. 56% der Studienteilnehmer sind gerade dabei eine Factor-Investing Strategie zu implementieren. Außerdem zeigt die Studie, dass Investoren bei der Implementierung von Factor-Investing Strategien hauptsäch- lich zum Ziel haben, die Renditen zu erhöhen, das Risiko zu reduzieren, die Diversifikation zu verbessern und beziehungsweise oder die Kosten zu senken.27 Empirische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Faktor-Indizes der großen In- dexanbieter langfristig höhere Renditen als ihre Benchmark erzielt haben, jedoch bei höherer Volatilität und zum Teil mehrjähriger Underperformance. Mit der langen Haltezeit kann die- sem Umstand entgegengewirkt werden, da aufgrund empirischer Studien langfristig Über- renditen erwartet werden können. Diese Erkenntnis ist auch im Einklang mit der Empfeh- lung von Ang, Goetzmann und Schaefer einen langfristigen Anlagehorizont bei Factor-In- vesting Strategien zu haben.28 Eine weitere Herangehensweise wäre die Konjunkturabhängigkeit der Faktoren zu berück- sichtigen. So outperformen die Faktoren Size, Value und Momentum wahrscheinlicher in gutem makroökonomischem Umfeld, wohingegen Minimum Volatility, Quality und High Dividend Yield wahrscheinlicher in einem schlechten makroökonomischen Umfeld outper- formen. Makroökonomische Entwicklungen können jedoch nur schwer genau vorhergesagt werden und außerdem würde dieser Ansatz viel mehr aktives Management erfordern. Eine weitere Vorgehensweise ist die Kombination von mehreren Faktoren, wodurch die Volatili- tät durch den Diversifikationseffekt verringert wird. Bekannte Indexanbieter bieten eine sol- che Kombination in Form von Multifaktorenstrategie an.29 Bedacht werden sollte auch, dass es zu unerwünschten Sektorübergewichtungen kommen kann. Zum Beispiel sind im Zuge des Dieselskandales deutsche Autobauer, gemessen am KGV, niedrig bewertet. Zum Teil ist die Ursache dessen auf erhebliche rechtliche Risiken 27 Vgl. FTSE Russell (2018b), S. 5. 28 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S.9 und vgl. Pappas, S., Dickson, J. (2015), S. 9. 29 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 3, 11-14. 8
zurückzuführen und daher ist es fraglich, ob eine Übergewichtung aller Autobauer im Port- folio das Rendite/Risikoprofil nicht verschlechtert.30 Außerdem sollte bedacht werden, dass Faktoren aufgrund vergangenheitsbezogener Daten ermittelt wurden. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Zukunft auch Überrenditen erzielen werden. Fraglich ist auch, ob die erzielten Überrenditen aufgrund von Arbitrage in Zukunft verschwinden. Unter Aka- demikern und Investmentbankern wird auch diskutiert, ob bereits ein „Crowded Trade“ vor- herrscht, was zeigt, dass eine Anlagestrategie sehr beliebt ist und dadurch bereits hoch be- wertet ist. Vor allem in Verbindung mit der Low-Volatility-Strategie wird ein „Crowded Trade“ in Erwähnung gezogen.31 30 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 13. 31 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 20. 9
3 Faktoren Doch auf welche Faktoren sollen gesetzt werden? Ang, Goetzmann und Schaefer empfehlen, dass nur jene Faktoren berücksichtigt werden, welche die nachfolgenden Eigenschaften er- füllen:32 Legitimiert durch wissenschaftliche Forschung Hat in der Vergangenheit signifikante Prämien erzielt und es kann erwartet werden, dass die Prämien in der Zukunft weiterhin Bestand haben werden Krisen sollen in den analysierten Zeitreihen beinhaltet sein In liquide und handelbare Instrumente umsetzbar Es sollten Faktoren berücksichtigt werden, die von Finanzwirtschaftler legitimiert worden sind oder Faktoren, die zumindest von der Mehrheit der Finanzwirtschaftler akzeptiert wer- den, wobei es dafür nicht zwangsläufig eine theoretische Erklärung geben muss. Wenn es keine theoretische Erklärung gibt, muss zumindest über einen längeren Zeitraum Outperfor- mancepotential nachgewiesen werden. Außerdem sollten Zeitreihen über einen längeren Be- obachtungszeitraum zur Verfügung stehen und auch Krisen beinhalten. Krisen soll der Da- tensatz deshalb beinhalten, weil dadurch Datenpunkte für extreme Drawdowns inkludiert sind und dadurch das Rendite-/Risikoprofil des Faktors besser ermittelt werden kann. Li- quide Instrumente haben den Vorteil, dass sie einfach und zu niedrigen Kosten gehandelt werden können.33 In diesem Kapitel werden die Faktoren vorgestellt, die in der Praxis und in der Wissenschaft am beliebtesten sind. Empirische Studien von Finanzwirtschaftler sowie Studien aus der Praxis werden vorgestellt und in Bezug auf Überrenditepotential in der Zukunft, Risikoop- timierung und durch welche Merkmale beziehungsweise Kennzahlen von der Faktor-Prämie profitiert werden kann, verglichen. Außerdem wird auf Herausforderungen eingegangen, die bei der Ausnutzung der Faktor-Prämie entstehen, jedoch werden diese in einem eigenen Ab- schnitt separat und detaillierter behandelt. Um von Factor-Investing profitieren zu können, müssen Transaktionskosten berücksichtigt werden. Einige Studien tun dies nicht, wobei das Einbeziehen von Transaktionskosten die Studienergebnisse ändern könnte. Weiter gilt es das 32 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 33 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 10
Rebalancing des Portfolios zu meistern. Dabei herrscht ein Trade-off zwischen maximaler Ausnutzung der Faktor-Prämie und der Transaktionskosten. Außerdem sind auch Diversifi- kationsüberlegungen zu bedenken.34 Jeder nachfolgend vorgestellter Faktor wird hinsichtlich der vier genannten Kriterien von Ang, Goetzmann und Schaefer35 auf seine Praxistauglichkeit hin evaluiert. Außerdem wer- den noch andere Faktoren vorgestellt, die sehr beliebt sind, aber in der Arbeit aus diversen Gründen nicht behandelt werden. 3.1 Value Ein Beobachtungszeitraum von US-Aktiengesellschaften von über 87 Jahren bestätigt, dass mit Value-Investing Überrenditen erzielt werden konnten. Aktien, die billig erschienen, ha- ben eine höhere Rendite als Aktien, die teuer erschienen. Als Value-Aktien werden Unter- nehmen mit niedrigem Marktwert zu Buchwertverhältnis, mit niedrigem Preis zu Gewinn- verhältnis und mit niedrigem Preis zu Cashflow Verhältnis verstanden. Anders ausgedrückt heißt das, dass Aktien gekauft werden sollen, wenn der Wert einer Aktie höher als der Preis einer Aktie ist. Der Preis ist leicht messbar und bestimmt sich durch Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt. Mit Wert einer Aktie ist der Unternehmenswert gemeint. Üblicherweise wird darunter im Value-Investing ein niedriges KGV oder ein niedriges KBV verstanden. Diese Multiples haben den Vorteil, dass sie einfach zu rechnen sind, weil sie in der Regel basierend auf vergangenheitsbezogenen Daten berechnet werden und darauf einfach zuzu- greifen ist.36 Ganz andere Schwierigkeiten würden beim Discounted-Cashflow Verfahren oder beim Ertragswertverfahren auf einen zukommen, wobei damit der Unternehmenswert viel genauer abgeschätzt werden könnte. In den letzten Jahren haben sich Growth-Unternehmen, wie beispielsweise die FANG37-Un- ternehmen, viel stärker entwickelt als Value-Aktien. Meistens hatten jedoch Value-Unter- nehmen die bessere Performance. Fama und French kamen zu dem Ergebnis, dass in 12 von 34 Vgl. Pappas, S., Dickson, J. (2015), S. 6-10 und vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 134- 135. 35 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 36 Vgl. Fama, E.; French, K. (1997), S. 1-2 und vgl. Ang, A. (2013), S.30-32 und vgl. Baldia, P. (2017), [online], Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2015), S.1-3. 37 Fang steht für Facebook, Amazon, Netflix, Google. 11
13 untersuchten Märkten höhere Renditen bei Value-Aktien als bei Growth-Aktien erzielt wurden. Der Beobachtungszeitraum war dabei von 1975 bis 1995.38 Auch deutlich aktuellere Studien kamen zu der Erkenntnis, dass Value-Aktien Überrenditen gegenüber Growth-Aktie in längeren Beobachtungszeitreihen erzielten. Die momentane Outperformance von Growth Aktien könnte mit dem aktuell vorherrschenden und mittlerweile längsten Bullenmarkt der US-Börsengeschichte zusammenhängen.39 Doch wieso erzielen Value-Aktien höhere Renditen? Lakonishok, Shleifer und Vishny (2002) kamen zu der Erkenntnis, dass bei Value Strategien Fehler der typischen Investoren nicht oder nicht so stark gemacht werden. Wachstumsaktien werden ihnen zufolge zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, weil zum Beispiel die Erfolgsgeschichten aufstrebender Firmen in den Medien präsenter sind. Jedoch sollte bedacht werden, dass im Aktienkurs von Growth-Unternehmen in der Regel Wachstumsphantasien eingepreist sind und dadurch keine Kursgewinne zu erwarten sind, sollten die erwarteten Wachstumsphantasien zukünftig nicht übertroffen werden.40 In der Studie von Fama und French „A Five-Factor Asset Pricing Model“, wo der amerika- nische Markt von 1963 bis 2013 untersucht wurde, kamen die Autoren der Studie zum Er- gebnis, dass der Faktor Value redundant ist. In einem Modell mit den Faktoren Value, Size, Profitabilität und Investitionstätigkeit konnte die Rendite nicht besser erklärt werden als in einem Modell mit den Faktoren Size, Profitabilität und Investitionstätigkeit. Unklar ist je- doch noch, ob Value nur in den USA oder international redundant ist. Deshalb verzichten weder Fama und French in ihren Analysen auf den Faktor Value noch sollte allgemein darauf verzichtet werden.41 Diese Erkenntnis stieß im Fachkreis auf Kritik und so wiederholten Asness et al. (2014) die empirische Studie und kamen unter Annahme der gleichen Prämissen zum gleichen Ergeb- nis. Nämlich, dass die Faktoren Profitabilität und Investitionstätigkeit die Renditeprognose- fähigkeit des Faktors Value eliminieren. Aber sie kritisierten die Studie von Fama und 38 Vgl. Fama, E.; French, K. (1997), S. 1-3 & S.16. 39 Vgl. Riecher, S. (2018), [online]. 40 Vgl. Lakonishok, J.; Shleifer, A.; Vishny, R. (1993), S.2 & 27-30. 41 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S. 19 und Vgl. Baron, O. (2017), [online]. 12
French insofern, dass zum einen der Faktor Momentum nicht berücksichtigt wurde, obwohl dieser Faktor hilft, die Rendite besser zu erklären. Zum anderen kritisierten sie, dass Fama und French ihr Rebalancing im Juni vornahmen, während sie die Daten vom vorangegange- nen Dezember verwenden (Buchwerte und Aktienpreise). Investoren haben bis Juni diese Informationen bereits in ihrem Portfolio verarbeitet, argumentieren sie, wodurch sich der Preis der Aktie basierend darauf schon geändert hat. Asness et al. (2014) ergänzten das 5- Faktor-Modell durch Hinzuziehen des Faktors Momentum, wodurch von einem 6-Faktoren- Modell gesprochen werden kann, und durch monatliches Rebalancing. Diese beiden Maß- nahmen führen dazu, dass in diesem 6-Faktoren-Modell Value dabei hilft die Rendite besser zu erklären. Dadurch ist der Faktor Value nicht redundant, wie Fama und French meinen, wenn Profitabilität und Investitionstätigkeit berücksichtigt sind. Warum Momentum ein be- rücksichtigenswerter Faktor ist, wird im Abschnitt 3.3 erörtert.42 Identifiziert werden beim Factor-Investing, wie bereits erwähnt, Value und Growth Aktien mit Hilfe von Multiples. Diese sind vergleichsweise einfach anzuwenden im Gegensatz zu dem Discounted-Cashflow Verfahren oder dem Ertragswertverfahren und liefern dennoch eine Indikation des Unternehmenswertes. Einen besonders hohen Aussagewert haben Mul- tiples bei Unternehmen mit konstanten beziehungsweise kontinuierlich wachsenden Unter- nehmensdaten.43 In diesem Unterabschnitt werden die typischen Multiples in diesem Zu- sammenhang erläutert: Kurs-Gewinn Verhältnis, Kurs-Cashflow Verhältnis und Kurs-Buch- wert Verhältnis.44 Eine Kennzahl, die herangezogen wird, ist das KBV. Dabei wird der Marktwert eines Un- ternehmens an der Börse mit seinem Substanzwert, also dem Buchwert des Eigenkapitals, verglichen. Je niedriger es ist, desto weniger wird dem Unternehmen Wachstumspotential zugesagt. Aufgrund dieser Kennzahl beziehungsweise dem Kehrwert der Kennzahl (Book to Market Value) erfolgte die Gewichtung in den Arbeiten von Fama und French.45 In vielen Fällen, wo das KBV kleiner 1 ist, kann das so interpretiert werden, dass bei Verkauf der 42 Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2015), S. 13-17. 43 Vgl. Högsdal, N., Brüggemann, J., & Binder, C. (2017), S. 53. 44 Vgl. Fama, E.; French, K. (1997), S. 1. 45 Fama, E.; French, K. (1993) und Fama, E.; French, K. (2015). 13
Vermögensgegenstände zu Buchwerten ein höherer Erlös erzielt werden würde als das Un- ternehmen am Kapitalmarkt wert ist.46 Eine weitere Kennzahl, die sich großer Beliebtheit bei Investoren erfreut, ist das KGV, das oft auch mit dem englischen Begriff Price/Earning Ratio bezeichnet. In einer sehr einfachen Erklärung gibt es an, in wie vielen Jahren der Gewinn einer Aktie sich im Börsenkurs wi- derspiegelt. Es gibt so eine Indikation, ob ein Unternehmen gemessen am Gewinn hoch oder niedrig bewertet ist. Wiederholt wird auch das arithmetische Mittel der Gewinne vergange- ner Jahre herangezogen, anstatt des Gewinnes eines Jahres. Ein KGV kann auch mit den Gewinnprognosen für die nächsten Jahre und dem aktuellen Kurs gebildet werden. In diesem Fall wird von einem „projected KGV“ gesprochen. In diesem Zusammenhang muss auch angemerkt werden, dass bei der Berechnung des KGVs, der Wert auch schon aufgrund der Bewertungswahlrechte abweichen können. Deshalb sollte versucht werden Unternehmen mit KGVs zu vergleichen, bei denen der Gewinn gleich ermittelt wurde beziehungsweise es sollte versucht werden die Bewertungswahlrechte selbstständig – sofern möglich – zu ver- einheitlichen.47 Beim Kurs-Cashflow Verhältnis (KCV) sind Bewertungswahlrechte irrelevant, da nicht der Gewinn, sondern der Cashflow betrachtet wird. Es gibt zwar verschiedene Definitionen des Cashflows, wie beispielsweise den Operating Cashflow oder den Free Cashflow. Sofern er einheitlich definiert ist, können vergleichbare Unternehmen aussagekräftig miteinander ver- glichen werden. Die vier Eigenschaften, welche nach Ang, Goetzmann, Schaefer (2009) vorherrschen sollen um als Faktor zu gelten, sind alle erfüllt. Der Faktor Value ist legitimiert durch die wissen- schaftliche Forschung aufgrund zahlreicher Arbeiten, die dem Faktor Überrenditepotential in der Vergangenheit nachgewiesen haben und das auch bei Einbeziehung von Krisen in der Zeitreihe. Außerdem sind Value-Aktien in den überwiegenden Fällen liquide handelbar am Kapitalmarkt.48 46 Vgl. Rudolf, M., & Witt, P. (2002), S.99-101. 47 Vgl. Rudolf, M., & Witt, P. (2002), S.94-99. 48 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 14
3.2 Size Fama und French endeckten in ihrer Studie (1993), dass kleine Firmen, sogenannte Small Caps, große Firmen (Blue Chips) outperformen49. Die Größe des Unternehmens wird ge- messen an der Marktkapitalisierung, wobei kein linearer Zusammenhang zwischen der Un- ternehmensgröße und der Rendite, die mit der Aktie erzielt werden konnte, hergestellt wer- den konnte. Es konnte einzig für kleine Unternehmen empirisch nachgewiesen werden, dass sie gegenüber größeren Unternehmen eine Outperformance erzielen. Beispielsweise outper- formt der MDAX, worin deutlich kleinere Unternehmen enthalten sind, den DAX langfristig wesentlich.50 Jedoch ist bei einer Faktor-Strategie mit Small Caps das Risiko höher als das Marktrisiko.51 In Indizes haben Large-Cap Unternehmen einen weit höheren Anteil als Small-Cap Unter- nehmen; in der Regel um die 70%. Da sich Indizes aufgrund der Marktkapitalisierung bilden, ist das wenig verwunderlich.52 In einem Vergleich mit den Faktoren Value, Momentum und Profitabilität hatte der Size- Effekt in Rendite, Sharpe-Ratio und anderen Performance-Kennzahlen die schlechteste Per- formance in einem Zeitraum, der für die diversen Faktoren allerdings variiert, zwischen 1930 (für den Faktor Profitabilität ab 1963) bis 31.12.2017.53 Eine interessante und intuitiv schlüssige Studie mit dem Titel „Size Matters, if You Control Your Junk“ behauptet, dass kleine Unternehmen trotz der oben angesprochenen Probleme signifikante Überrenditen erzielen, wenn zusätzlich qualitativ hochwertige Firmen gewählt werden (Qualität wird in Unterabschnitt 3.4 genauer beleuchtet und die Kombination der beiden Faktoren wird im Unterabschnitt 5.1.2 Multifaktorenstrategien aufgezeigt).54 49 Vgl. Fama, E.; French, K. (1997), S. 53-55. 50 Vgl. Baron, O. (2017), [online]. 51 Vgl. Riedl, D. (2018), [online]. 52 Vgl. MSCI (2019), [online]. 53 Vgl. Alquist, R.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2018), S. 8-10. 54 Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T.; Pedersen, L. (2015), S.1. 15
Von den vier Anforderungen, die Ang, Goetzmann und Schaefer (2009) stellen, kann dieser Faktor nicht ausreichend bestätigt werden. Der Size Effekt, der in den frühen 1980er Jahren als gewinnbringender Faktor entdeckt wurde, konnte allerdings in den folgenden Jahren nicht mehr empirisch bestätigt werden. Außerdem kann die Anforderung, dass in liquide handelbare Instrumente investiert werden soll, nur zum Teil erfüllt werden.55 Kleinere Un- ternehmen werden weniger gehandelt als Blue Chips, daher kann es zu Liquiditätsproblemen kommen. Deshalb wurde der Faktor verstärkt kritisch hinterfragt.56 Aufgrund der Tatsache, dass dieser Faktor zu den ältesten Kapitalmarktanomalien zählt, ein starkes akademisches Interesse an ihm herrscht, das in Form von zahlreichen Studien zum Ausdruck gebracht wird, Praktiker Factor-Strategien für Size anbieten, Wissenschaftler und Praktiker den Faktor in diversen Studien untersuchen und dieser Faktor in Multifaktoren- Strategien oftmals miteinbezogen wird, untersucht diese Arbeit den Faktor Size. 3.3 Momentum Kaum ein Faktor verspricht derart hohe Renditen wie der Faktor Momentum.57 Jegadeesh und Titman (1993) endeckten, dass Aktien, die in den vergangenen 3-12 Monate eine über- durchschnittliche Performance hatten, auch in Zukunft besser abschneiden als Unternehmen, die in den vergangenen 3-12 Monaten eine unterdurchschnittliche Performance hatten. In der Periode von 1965 bis 1989 konnten die beiden Autoren eine durchschnittliche, jährliche Rendite von 12,01% mit einer Momentum Strategie nachweisen. Ihre Studie deutet außer- dem darauf hin, dass diese Rendite nicht aufgrund von systematischem Risiko erzielt wurde. In einer Studie, die US-Daten von 1800-2014 auswertete, konnte die Faktorprämie für Mo- mentum über einen beachtenswerten Zeitraum von 215 Jahren nachgewiesen werden.58 Erklärungsansätze gibt es einige. Zum einen wird der Momentum-Effekt auf Herdenverhal- ten zurückgeführt oder zum anderen wird die höhere Rendite dadurch erklärt, dass Investo- ren eher dazu geneigt sind auf aktuell beliebte Aktien zu setzen anstatt auf Aktien, die aktuell 55 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 56 Vgl. Pappas, S., Dickson, J. (2015), S. 6. und vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T.; Pedersen, L. (2015), S.1. 57 Vgl. Robeco (2018), [online]. 58 Vgl. Jegadeesh, N., & Titman, S. (1993), S. 65 und 89-90 und vgl. Geczy, C.; Samonov, M. (2017), S. 1-3. 16
unbeliebt sind. Weitere Erklärungsansätze sind Verhaltensanomalien wie dass auf Neuigkei- ten anfänglich nicht adäquat reagiert wird.59 Fama und French haben dennoch diesen Faktor nicht in ihre Modelle integrierten, obwohl der Faktor selbst in akademischen Kreisen großen Zuspruch findet60 und Fama und French in einer Studie (2011) erhebliche Renditen aufgrund des Faktors Momentum in den Märkten Nordamerika, Europa und Asien/Pazifik nachweisen konnten.61 Ihre Argumentation für diese Vorgehensweise stützt sich darauf, dass durch Hinzuziehen des Faktors Momentum, aufgrund der Korrelationen der anderen Faktoren untereinander, es wahrscheinlich ist, dass es zu einer schlechten Diversifikation kommen kann.62 Dennoch erweitern viele Studien die Fama/French Modelle um den Faktor Momentum.63 Beispielsweise erweitert Carhart (1997) das Fama/French Modell um einen Momentum-Faktor.64 In der Studie „Fact, Fiction and Momentum Investing“ konnte in Anlehnung an das Ergebnis von Fama und French65 eine gegenteilige Aussage gemacht werden und zwar, dass der Fak- tor Momentum überragendes Diversifikationspotential bewiesen hat. Besonders in Kombi- nation mit dem Faktor Value und das auch, wenn der Faktor analog Fama und French defi- niert wurde, wobei bei abweichender Definition des Faktors Value eine noch bessere Diver- sifikation erreicht werden kann. Die Autoren der Studie gehen sogar so weit, dass sie für das Hinzuziehen des Faktors Momentum plädieren, selbst wenn er keine Rendite versprechen würde.66 Trotz dieser positiven Umstände werden Momentum Renditen zeitweilig als sporadisch und nicht wesentlich abgetan. Ein Umstand, den Asness, et al. (2014) vom Tisch weisen. In den 59 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 8 und vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S.157-159 und vgl. Cooper, M. J., Gutierrez Jr, R. C., & Hameed, A. (2004), S.1345-1346. 60 Vgl. Blitz, D.; van Vliet, P. (2015), [online]. 61 Vgl. Fama, E.; French, K. (2011), S. 22. 62 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S. 28. 63 Vgl. Butler, K. (2016), S.500. 64 Vgl. Carhart, M. (1997), S.61. 65 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S. 28. 66 Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2014), S. 15-17. 17
verschiedenen Betrachtungszeiträumen67 ihrer Studie wiesen Portfolio, die aufgrund des Faktor Momentum erstellt wurden, die höchste Rendite und die höchste Sharpe-Ratio ge- genüber Portfolios (im Zeitraum ab 1927 und ab 1963), die gewichtet aufgrund des Faktors Size oder des Faktors Value gebildet wurden. In der Betrachtung ab 1991 weisen Momen- tum-Portfolios zumindest die zweithöchste Rendite und die zweithöchste Sharpe-Ratio auf. Sehr interessant ist auch der zweite Argumentationspunkt von Asness, et al. (2014), in dem sie anschauen, wie oft zum Beispiel im Faktor Momentum, die Gewinner Aktien eine bes- sere Performance hatten als die Verlierer Aktien in den drei gleichen Untersuchungszeiträu- men. In 71% - 89% der Zeit in den verschiedenen Zeiträumen überzeugten die Winner-Ak- tien im Vergleich zu den Verlierer Aktien der letzten Monate. Diese hohen prozentuellen Überbietungen konnten bei den Faktoren Markt, Size und Value nur zum Teil erreicht wer- den und das hauptsächlich in der Untersuchungen, die ab 1991 begannen.68 Momentum-Faktor Strategien haben einen höheren Umschlag im Portfolio als zum Beispiel Value-Aktien. Dennoch kamen Studien zur Erkenntnis, dass die Steuerlast in vielen Fällen gleich ist. Bei Long und Short Portfolios werden nämlich nicht nur Gewinner-Aktien ge- kauft, sondern auch Verlierer-Aktien verkauft. Außerdem zahlen Value-Unternehmen häu- figer und höhere Dividenden, welche auch besteuert werden müssen.69 Frazzini, Israel, und Moskowitz (2012) befassten sich mit der Umsetzung von Faktor Stra- tegien unter Berücksichtigung von Transaktionskosten und kamen unter Verwendungen von Daten eines ungenannten institutionellen Investors zur Erkenntnis, dass Überrenditen für diesen Faktor trotz des Hinzuziehens von Transaktionskosten weiter bestehen bleiben.70 Erwähnenswert ist auch, dass es sich dabei um eine technische Analyse handelt, in der ver- gangene Kursdaten herangezogen werden. Durch diesen Umstand unterscheidet sich diese Analyse von der Fundamentalanalyse, bei den unternehmensspezifischen Daten beziehungs- weise das ökonomische Umfeld analysiert werden, was zum Beispiel dem Value-Investing, Size-Investing, Quality-Investing oder Minimum Volatility-Investing zugrunde liegt. 67 1927-2013, 1963-2013 und 1991-2013. 68 Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2014), S. 3-6. 69 Vgl. Asness, C.; Frazzini, A.; Israel, R.; Moskowitz, T. (2014), S.12. 70 Vgl. Frazzini, A., Israel, R., & Moskowitz, T. (2012), S. 3-4 & S. 34. 18
In der wissenschaftlichen Forschung herrscht zumindest darüber Konsens, dass empirisch signifikante Überrenditen nachgewiesen werden konnten. Außerdem beinhalten die empiri- schen Studien dazu in den Zeitreihen Krisen und der Faktor ist in liquide Instrumente inves- tierbar.71 3.4 Quality Anlageentscheidungen, die basierend auf Analysen der Qualität getroffen werden, sind in einigen Anlageinstrumenten üblich, wie beispielsweise bei Anleihen und Immobilien in Form von Bonitätsprüfungen und Sachverständigengutachten. Asness, Frazzini, Pedersen (2017) zeigten in ihrer Studie „Quality minus junk“, dass Qua- lity-Aktien eine Überrendite gegenüber Junk-Aktien erzielen und kommen so zur Erkennt- nis, dass Aktien mit guten Qualitätskriterien durchschnittlich unterbewertet und Aktien mit schlechten Qualitätskriterien durchschnittlich überbewertet sind. Es wurde versucht zu er- klären, ob die höhere zu erwartende Rendite aufgrund eines höheren Risikos entsteht. Jedoch zeigten ihre Untersuchungen keine Indikationen dafür, dass mit einer Quality-Strategie ein höheres Risiko eingegangen wird. Außerdem zeigte ihre Studie, dass Quality-Aktien in Kri- senzeiten die Tendenz haben, eine relativ gute Performance zu erzielen.72 Der Faktor Quality hat das Problem, dass es keine allgemein akzeptierte Definition von Qua- lität, im Gegensatz zu zum Beispiel Value, Size oder Momentum, gibt. In der aktuellen Stu- die von „What is Quality?“ von Hsu, Kalesnik und Kose wird versucht dieses Problem zu behandeln und sie kommen zu der Erkenntnis, dass sie robuste Forschungszusagen für Ren- tabilität (u.a. Operative Rentabilität und Bruttorentabilität), Accounting Qualität (u. a. Rück- stellungen und Änderung der Rückstellungen), Auszahlungen/Kapitalverwässerungen (u.a. Aktienemissionen und Ausschüttungssumme) und Investment (u.a. niedriges Vermögens- wachstum und niedriges Buchwertwachstum) erzielen.73 71 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 72 Vgl. Asness, C., Frazzini, A., Pedersen, L. (2017), S. 32-33. 73 Vgl. Hsu, J.; Kalesnik, V.; Kose, E. (2018), S.1 & S.20-21. 19
Profitabilität und Investment haben breite Zustimmung in der Wissenschaft und werden oft sogar als eigene Faktoren geführt.74 Besondere Aufmerksamkeit erlangten Profitabilität und Investitionstätigkeit als Fama und French sie in ihr Fünffaktormodell aufnahmen.75 Im Fünf- faktorenmodell von Fama und French wird Profitabilität als Bruttogewinn dividiert durch Bilanzaktiva definiert. Bruttogewinn ist der jährliche Umsatz abzüglich der Kosten für ver- kaufte Produkte, Zinsenaufwand und allgemeine/administrative Kosten.76 Experten empfehlen jedoch die Berechnung der Bruttorentabilität nach Novy-Marx (2013).77 Novy-Marx berechnet die Bruttorentabilität durch Division des Bruttogewinns mit dem Ver- mögen, wobei Bruttogewinn definiert ist als Umsatz abzüglich Kosten für verkaufte Pro- dukte.78 Um die Profitabilität des operativen Vermögens zu messen, bietet sich ebenso die Kennzahl Return on Capital Employed (ROCE) an. Dabei wird Finanzvermögen außer An- satz gelassen. ROCE berechnet sich wie folgt: EbIT abzüglich der Ertragssteuern, dividiert durch Investiertes Kapital und abzüglich verzinsliches Vermögen.79 Fama und French (2015) definieren Investitionstätigkeit als Wachstum der gesamten Ver- mögensgegenstände im Vergleich zum Vorjahr. Diese und andere Studien behaupten, dass mit Aktien von Unternehmen mit relativ geringen Investitionen langfristig Überrenditen er- zielt werden.80 Ein Erklärungsansatz dafür könnte sein, dass sich für Unternehmen, die viel investieren, ein überwiegender Teil dieser Investition langfristig gesehen nicht rentiert. Wo- hingegen sind bei Unternehmen, die relativ wenig investieren, die Investitionen langfristig gesehen ein wahrscheinlicher Erfolg.81 74 Vgl. Hsu, J.; Kalesnik, V.; Kose, E. (2018), S.1 & S.20-21. 75 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S. 1. 76 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S.4. 77 Vgl. Blitz, D.; van Vliet, P. (2015), [online]. 78 Vgl. Novy-Marx, R. (2013), S. 1. 79 Vgl. Ewert, R.; Wagenhofer, A. (2014), S.520-521. 80 Vgl. Fama, E.; French, K. (2015), S.1 & S. 4. 81 Vgl. Baron, O. (2017), [online]. 20
Studien wie das Fünffaktorenmodel haben eine signifikante Prämie über längere Zeitreihen, inklusive Krisen, empirisch belegt. Außerdem sind Quality-Unternehmen in liquide handel- bare Instrumente implementierbar. Daher sind die Kriterien erfüllt, die notwendig sind, um als Faktor zu gelten.82 3.5 Minimum Volatility Bei der Minimum Volatility Strategie wird in Aktien investiert, die durchschnittlich ein nied- rigeres Risiko als das Marktrisiko haben. Studien belegen, dass durch eben diese Factor- Investing Strategie eine Überrendite aufgrund historischer Daten prognostiziert wird.83 Diese Erkenntnis impliziert, dass nicht zwangsläufig durch höheres Risiko eine höhere Ren- dite erzielt wird. In einer Studie, die den Zeitraum von 1990 bis 2011 untersuchte, wurden Aktien aus 21 entwickelten Ländern und zwölf Emerging Markets, basierend auf ihrer his- torischen Volatilität der letzten zwei Jahre, in zehn Gruppen eingeteilt und anhand ihrer Rendite, ihrem Risiko sowie ihrer Sharpe Ratio miteinander verglichen. Sie kamen dabei zur gleichen Erkenntnis wie im obigen Absatz.84 Ein Erklärungsansatz aus der Welt des Behavioral Finance ist das Zurückführen des Alpha darauf, dass Investoren sich auf Unternehmen mit hoher Volatilität stürzen, weil solche Un- ternehmen höhere Renditen versprechen. Dadurch tendieren Unternehmen mit hoher Vola- tilität dazu, überbewertet zu sein und Unternehmen mit niedriger Volatilität dazu, unterbe- wertet zu sein. Baker und Haugen fanden in einer Studie heraus, dass große Finanzinstitute verstärkter volatilere Aktien halten und Analyseberichte signifikant stärker für volatilere Aktien geschrieben werden. Diese Erkenntnisse sind weitere Indikatoren dafür, dass der Be- havioral Finance-Erklärungsansatz richtig ist.85 Diese Überbewertung soll, sofern dieser Er- klärungsansatz richtig ist, der Grund für das Alpha bei Minimum Volatility Strategien erklä- ren.86 82 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 83 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 7-8. 84 Vgl. Baker, N.; Haugen, R. (2012), S. 4 & S-16-17. 85 Vgl. Baker, N.; Haugen, R. (2012), S. 14. 86 Vgl. Bayern LB Research (2017) S. 7-8. 21
Die Minimum Volatility Strategie zeichnet sich durch relativ geringe Drawdowns und rela- tive Outperformance in fallenden Märkten aus.87 Beachtenswert ist auch, dass empirisch be- obachtet werden konnte, dass Minimum Volatility Strategien stark auf Zinsänderungen rea- gieren.88 Portfolios mit einer Minimum Volatility Strategie tendieren dazu, geringere Transaktions- kosten zu haben. Auch, weil es den Analysen nach völlig ausreichend ist einen maximalen Portfolioumschlag von 30% pro Jahr zu haben. Wenn allerdings eine Multifaktorstrategie in Kombination von Minimum Volatility mit beispielsweise Value und Momentum durchge- führt wird, kann das einen höheren Umschlag pro Jahr ökonomisch rechtfertigen. Investoren sollten daher ein genaues Auge auf Minimum Volatility Fonds oder ETFs haben, die einen höheren Umschlag haben.89 3.6 weitere Faktoren In der klassischen Portfoliotheorie wird dem Faktor Markt Renditepotential eingeräumt. Das CAPM hat dem Faktor Markt und der Expertise des Fondmanagers noch die ganze Rendite zugeschrieben. Wobei mit der Zeit Stimmen laut wurden, dass es noch andere Faktoren gibt, die die Rendite erklären und so wurden wie bereits erwähnt Marktanomalien sowie Faktoren festgestellt, die eine Überrendite aufgrund bestimmter Merkmale oder Umstände erwarten lassen. Andere Faktoren sind mittlerweile viel stärker in den Fokus gerückt und vom Faktor Markt kann bereits durch marktwertgewichtete ETFs profitiert werden, weshalb hier in die- ser Arbeit nicht weiter auf diesen Faktor eingegangen wird.90 Der Faktor High Dividend Yield hat sich in der Wissenschaft ebenso wie in der Praxis durch- gesetzt. In der Praxis wurden einige Finanzprodukte darauf aufgebaut in Large-cap und Mid- cap Unternehmen mit hohen und nachhaltigen Dividenden zu investieren. Faktorprämien hieraus haben sich in der Vergangenheit als zinssensitiv erwiesen.91 In dieser Arbeit wird 87 Vgl. Blitz, D.; van Vliet, P. (2007), S. 12. 88 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 12. 89 Vgl. van Vliet, P. (2017), S. 10. 90 Vgl. Copeland, T.; Koller, T.; Murrin, J. (2002), S. 267. 91 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 12. 22
dieser Faktor vernachlässigt, weil empirisch nachgewiesen wurde, dass der Faktor High Di- vidend Yield unter Hinzuziehen der Faktoren Value und Low Volatility keinen Mehrwert stiftet.92 Wie bereits erwähnt, wurden von Praktikern und Wissenschaftlern hunderte Faktoren iden- tifiziert. Der Fokus dieser Arbeit liegt aber auf den bisher beschriebenen Faktoren, da diese sowohl von der Wissenschaft, als auch von der Praxis akzeptiert werden und weil sie die Kriterien von Ang, Goetzmann und Schaefer erfüllen.93 92 Vgl. Blitz, D. (2016), S. 8-9. 93 Vgl. Ang, A.; Goetzmann, W.; Schaefer, S. (2009), S. 132. 23
4 Herausforderungen und Chancen bei der Implementie- rung Arnott94 et al. (2016) haben bis 2016 500 wissenschaftliche Studien recherchiert, die sich mit Factor-Investing beschäftigen. Diese Studien belegen überwiegend, dass mit Factor-In- vesting in der Vergangenheit Überrenditen erzielt werden konnten, und es wird mehrheitlich prognostiziert, dass dieser Trend sich fortsetzt.95 Eine vergangene überdurchschnittliche Per- formance ist aber keine Garantie für eine zukünftige überdurchschnittliche Performance. Um ein besseres Verständnis für die Thematik und mehr Vertrauen in Factor-Investing Strate- gien zu bekommen, wird versucht zu erklären, wieso Faktor-Prämien auftreten. Dies ist be- sonders wichtig, da Factor-Investing-Strategien in der Regel eine höhere Volatilität haben, wodurch ihr Outperformancepotential vor allem langfristig zu erwarten ist. Investoren soll- ten sich dessen bewusst sein. Nervöse Investoren oder Investoren, denen das zu risikoreich ist, sollten sich daher gut überlegen, ob sie wirklich in eine Factor-Investing Strategie inves- tieren wollen. Factor-Investing Strategien haben aufgrund ihrer regelmäßigen Umschichtun- gen nicht unwesentliche Transaktionskosten, wobei die Umschichtungen zu reduzieren sich negativ auf das Factor-Exposure auswirkt. Investoren müssen diesen Trade-off abwiegen. Außerdem sollten sich Investoren mit Diversifikationsüberlegungen auseinandersetzen. Zum einen aufgrund der in der Regel höheren Volatilität und zum anderen, weil durch Fac- tor-Investing die Diversifikation im Portfolio verbessert werden kann.96 Ein Portfolio mit hohem Factor-Exposure wird durch ein Long-Short Portfolio, das bei Ak- tien mit hohem Factor-Exposure long geht und bei Aktien mit niedrigem Factor-Exposure short geht, erzielt. Eine Variante mit in der Regel weniger Risiko und weniger Factor-Expo- sure ist der Long-only Ansatz. Beide Varianten werden nachfolgend vorgestellt. Außerdem wird diskutiert, ob das Timing von Faktor-Strategien sinnvoll ist. 94 Robert D. Arnott ist Gründer und CEO von Research Affiliates. 95 Vgl. Arnott, R.; Beck, N.; Kalesnik, V.; West, J. (2016), [online]. 96 Vgl. Robeco (2017c), [online]. 24
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