Herbarium vivum - es lebe das Herbarium! - Gesellschaft zur Erforschung der Flora Deutschlands
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BOTANIK ÖKO·L 40/1 (2018): 7-21 Herbarium vivum – Prof. Michael HOHLA es lebe das Therese-Riggle-Straße 16 Herbarium! A-4982 Obernberg am Inn m.hohla@eduhi.at Es geht um das „Heu des Botanikers“, das vielgeliebte, „fröhliche“, manchmal auch verhasste Sammeln von Pflanzen zu verschiedensten Zwecken: weil man es muss, weil man süchtig danach ist, weil man´s zu Hause gerne anschaut, weil man einem gnadenlosen Sammel- trieb verfallen ist, weil´s sonst keiner glaubt, … Leserinnen und Leser mögen mir verzeihen, dass die im Titel dieses Aufsatzes vorgenommene Übersetzung eigentlich Nonsens ist, aber sie liest sich gut, wirkt engagiert und bringt Leben ins Reich der toten Pflanzen. Außerdem: Das verstaubte Herbarium von gestern ist der wertvolle Datenspei- cher von morgen! Es ist der 1. Juni 1997, ein brütend heißer Tag. Ich sitze mit Helmut Melzer (1922–2011), dem großar- tigen österreichischen Botaniker aus Zeltweg, im Schatten eines Strauches am Gelände des Welser Verschiebe- bahnhofes. Herr Melzer nimmt einen Schluck aus seiner Flasche und beißt in ein mitgebrachtes Stück Paprika. Ich nehme diese kurze, willkom- mene Pause zum Anlass und frage Herrn Melzer, wozu er eigentlich die Pflanzen sammle und in seine Mappe einlege. Würde es nicht genügen, diese zu fotografieren? Er meint, ich würde schon bald die Vorzüge von Herbarbelegen merken und auch selber sammeln … Ich saß an diesem Tag noch bis fast Mitternacht mit ihm zusammen; wir diskutierten und bestimmten die Funde dieses Tages. Am nächsten Morgen stand Herr Melzer (Abb. 1) gegen fünf auf und legte die Pflanzen Abb. 1: Helmut Melzer (1922–2011) am 2. Juni 1997 am Bahnhof Schärding – beim in seiner Feldpresse trocken, das Einlegen von Geranium purpureum (Purpur-Storchschnabel) in seine Pressmappe. heißt, er wechselte das feucht gewor- dene Zeitungspapier gegen trockenes aus. Die Deckel seiner Presse be- lang täglich gewechselt werden, damit Es waren damals die ersten Wochen standen aus festem Karton, welcher die Pflanzen nicht schimmlig würden meines „Botanikerlebens“. Ich er- mit Leder überzogen war. Das passe oder gar verfaulten. Die feuchten innere mich da auch noch an einen gut in seinen Rucksack, meinte er Zeitungsblätter wurden wiederum im Moment, wo ich in einer großen Linzer damals. Die Mappe verschnürte er mit Zimmer oder draußen in der Sonne Buchhandlung vor den Regalen stand Hilfe einer raffinierten, leicht lösbaren zum Trocknen ausgelegt. Mangelte und allen Ernstes überlegte, ob ich Knotentechnik. Mir kam dieses Pro- es an frischen Zeitungen, bediente mir die damalige erste Auflage der zedere schon sehr aufwändig vor. Die er sich unterwegs ganz einfach in Österreichischen Exkursionsflora Zeitungsbögen mussten einige Tage Altpapiertonnen. (Adler u. a. 1994) überhaupt kaufen ÖKO·L 40/1 (2018) 7
Abb. 2: Alte Herbarschränke im Herbarium der Universität Zagreb. Foto: Gergely Király Abb. 3: Ein wunderschöner, mustergültiger Pilzbeleg (mit Sporenbild) einer Ziegenlippe (Xerocomus subtomentosus, früher Boletus Abb. 4: Zwei durch subtomentosus) gesammelt im Herbst Krusten-Rotalgen 1899 von Gustav Herpell (1828–1912) am (Hildenbrandia Hunsrück, einem Mittelgebirge im Grenz- rivularis) rot gefärbte gebiet von Rheinland-Pfalz und Saarland Steine als Herbar- in Deutschland. beleg – gesammelt Foto: Archiv Biologiezentrum Linz von Franz Grims (vgl. Hohla u. Lenzenweger 2012). Abb. 5: Herbarium vivum-Kassetten – Botanische Samm- lung der Sternwarte/ Stift Kremsmünster. Foto: Archiv Sternwarte/ Stift Kremsmünster sollte, wo sie doch so wenige Bilder und so viel kleingeschriebenen Text enthielt. Tja, so ändern sich die Zeiten! Auch an einen besonders magischen Moment erinnere ich mich gerne: Herrn Melzers Augen leuchteten vor Begeisterung, als wir 1998 am Bahnhof Linz-Wegscheid die Turiner Wolfsmilch (Euphorbia Abb. 6: Einige der 184 Bände der Holzbuchsammlung („Xylothek“) aus der 1. Hälfte des taurinensis) entdeckten, die etwa 19. Jahrhunderts – Botanische Sammlung der Sternwarte/Stift Kremsmünster. 100 Jahren zuvor und noch einmal Foto: Archiv Sternwarte/Stift Kremsmünster etwa 50 Jahre davor in Linz gefunden 8 ÖKO·L 40/1 (2018)
Abb. 7: Herbarium des Biologiezentrums Linz – mit großen Verschieberegalen – Lagerort von mehr als 1,1 Millionen Herbarbelegen aus Österreich und weiten Teilen der Welt. wurde, worauf sie jedoch beide Male büchern des ausgehenden Mittelalters Arzt, schuf ein bahnbrechendes neues wieder verschwand ... bis eben zu und dann vor allem in den bereits ge- System der Pflanzen- und Tierwelt, jenem Zeitpunkt (Hohla u. a. 1998, druckten Büchern des 16. und 17. Jahr- die sogenannte „binäre Nomenklatur“. Hohla 2015). Wir beide saßen auf hunderts kam es daher zu einer Fusion Linné studierte Pflanzen an seinen den dort lagernden Bahnschwellen. antiken Wissens mit dem heimischen eigenen Belegen aber vor allem auch Herr Melzer nahm einen Schluck aus um die Heilkraft von Pflanzen. anhand von ihm zugeschickten Prä- seiner Flasche und meinte: „Dies ist paraten und Lebendpflanzen. Das eine Weihestunde!“ Die Erfindung des Buchdruckes und Linne´sche Herbarium existiert noch die Entdeckung Amerikas waren Eck- heute und kann in Uppsala eingese- Heute ist das Sammeln von Belegen punkte einer neuen Zeit, der Neuzeit. hen werden (Koerner 2001). etwas völlig Normales für mich. So Es war die Ära der großen Seefahrer. ganz nebenbei haben sich über die „Pflanzenjäger“, getrieben von wissen- Herbaria viva Jahre mehr als 16 000 Herbarbelege schaftlicher Neugier und Ehrgeiz, von mir im Herbarium des Biologie- Gewinnstreben und Abenteuerlust, Die ersten Herbarien wurden Mitte des zentrums Linz angesammelt (Pfosser schwärmten in der Folge in weite Teile 16. Jahrhunderts angelegt (Kerner u. a. 2013). Durch das Sammeln der Erde aus, um neue Kultur- und 1866, Schönbeck-Temesy 1992, Hurka ergeben sich viele Vorteile, auf die ich Zierpflanzen zu erkunden und vor u. Neuffer 2011). Dabei handelt es im Folgenden näher eingehen werde. allem dieses „grüne Gold“ auch zu sich um zu Forschungs-, Archiv- und erbeuten (Hielscher u. Hücking 2007). Lehrzwecken angelegte Sammlungen Pflanzenjäger Die Pflanzenjäger gingen auf ihren getrockneter, meist gepresster und Sammelreisen nicht gerade zimper- auf Papierbögen gehefteter („aufge- Beginnen wir mit einem kurzen lich vor. Herrscherhäuser und wohlha- zogener“) Pflanzen (Abb. 2, 7, 22). Rückblick in die lange Geschichte bende Privatpersonen zahlten gut und Eine solches Herbarium nannte man der Botanik: Im Mittelalter lag das liebten es, sich mit Sammlungen exo- auch einen „Hortus siccus“, einen Studieren der heimischen Pflanzen- tischer Pflanzen und Tiere zu zieren. „trockenen Garten“. Botanik ist ein welt noch hauptsächlich in Händen Ungeachtet der vielen Gräueltaten weites Feld: Neben den Blütenpflan- der Klöster, ganz in der Tradition der der Entdecker war es eine Zeit des zen wurden und werden noch viele mittelalterlichen Heilkräuterkunde. wissenschaftlichen Aufschwunges; weitere Gewächse gesammelt: Farne, Man denke etwa an das überlieferte man begann auch in der Heimat an Moose, Flechten, Pilze (Abb. 3; heute botanische Wissen der vielseitigen allen Ecken und Enden zu forschen, oft gefriergetrocknet), Algen (Abb. 4 Hildegard von Bingen (Müller 2008). zu sammeln und zu dokumentieren. u. 31), Rostpilze, Gallen. Nicht nur In dieser Zeit entstanden die ersten Die ersten botanischen Gärten und „Gottes Zoo“ ist unerschöpflich! kunstvollen Bücher über heimische wissenschaftlichen Natursammlungen Pflanzen. In der Renaissance wurden entstanden in dieser Epoche. In den heutigen Museen und Klöstern vermehrt Schriften der Antike einbe- kann man wunderbare alte Pflan- zogen, allerdings gab es viele der von Viele Pflanzen- und Tierarten wurden zensammlungen bestaunen (Kraml Aristoteles, Theophrast, Dioskurides, damals neu für die Wissenschaft be- 2010). Zu diesen Kostbarkeiten Plinius & Co behandelten Pflanzen in schrieben. Carl von Linné (1707–1778), zählen etwa „Herbaria viva“ (Kom- unserer Gegend nicht. In den Kräuter- ein schwedischer Naturforscher und binationen von Herbarblättern und ÖKO·L 40/1 (2018) 9
Büchern, Abb. 5) oder „Xylotheken“ (Holzbibliotheken, das sind Samm- lungen von Holz und anderen Be- standteilen verschiedener Baumarten, Abb. 6). Derartige Preziosen zeugen von einstiger Akribie und Kunst- fertigkeit. So präsentieren sich die wertvollen Objekte dem staunenden Bewunderer, nachdem diese die vie- len Gefahren, wie etwa Fressattacken von Schädlingen, Schimmel, Feuers- brünste, Bombenhagel, Hochwasser, Unwissenheit oder Schlamperei über- standen haben. Heute sind die biolo- gischen Sammlungen in Mitteleuropa eher durch Einsparungs- und Um- strukturierungsmaßnahmen bedroht! (Es erinnert an die Zeit, als man nach dem Zweiten Weltkrieg alte „wertlose“ Möbel aus den Fenstern warf und dies später bitter bereute; oder Bäche in Betonwannen zwängte und heute für teures Steuergeld renaturiert!) Abb. 8: Aufgeschlagene Seiten des „Linzer“ Herbariums von Hieronymus Harder aus dem Jahr 1599 – mit Bach-Nelkenwurz (Geum rivale) und Ochsenauge (Buphtalmum Die Sammlungen des Naturhisto- salicifolium) – kunstvolle Kombination von gepressten Pflanzen und ergänzender Malerei. rischen Museums Wien (Abb. 22) Foto: Archiv Biologiezentrum Linz, vgl. auch Speta u. Grims 1980 gehen auf den naturliebenden Kaiser Franz II. (I.; 1768–1835) zurück. Die- ser war ein leidenschaftlicher Gärtner, der zudem enthusiastisch Pflanzen für sein Herbar sammelte und ebenso auch großes Interesse für Aufsamm- lungen von zoologischen Objekten zeigte. Nach mehrfachen Umgliede- rungen der kaiserlichen Sammlungen folgte 1807 die Gründung eines ei- genen Pflanzenkabinetts. Der Kaiser legte dafür mit der Schenkung seines Privatherbars den Grundstock (Fischer u. a. 1976). Die Ursprünge des heutigen Herba- riums im Biologiezentrum Linz (Abb. 7) reichen in die Gründungszeit des Oberösterreichischen Landesmuse- ums (Musealverein) 1833 zurück. Die ältesten Pflanzenbelege des Linzer Biologiezentrums stammen aus dem Jahr 1599 (Speta u. Grims 1980). Es handelt sich um das berühmte „Linzer“ Herbarium des Hieronymus Harder (1523–1607; Abb. 8 u. 9). Der erste Referent für Botanik war ab 1834 der k.k. Hauptzollamts-Kontrol- lor in Linz, Josef Ritter von Mor auf Suneg und Morberg. Er spendete zu- nächst eine Reihe von Dubletten aus seinem Privatherbar und schließlich gelangte seine gesamte Sammlung ans Museum. Heute werden im Bio- logiezentrum Linz über 1,1 Millionen Herbarbelege verwahrt und betreut Abb. 9: Europäischer Frauenschuh (Cypri- Abb. 10: Ein Blatt eines Wiesen-Kerbels aus (Pfosser u. a. 2013). pedium calceolus) – aus dem „Linzer“ dem Schülerherbar von Franz Wallner – ge- Herbarium von Hieronymus Harder aus sammelt 1983 in der 2. Klasse Gymnasium Im 19. Jahrhundert kam es zur dem Jahr 1599. Schärding – liebenswürdig und vollkommen Gründung vieler botanischer Vereine Foto: Archiv Biologiezentrum Linz, richtig als „Blumen“ bestimmt! und musealer Sammlungen in Europa. vgl. auch Speta u Grims 1980 Foto: Franz Wallner, Rainbach Auch professionelle Tauschvereine 10 ÖKO·L 40/1 (2018)
entstanden. Berufssammler erstellten sogenannte Exsikkatenwerke (von Latein. exsiccatus = ausgetrocknet). Das sind Herbarbelege, die systema- tisch, in größerer Anzahl zusammen- gestellt und samt Etiketten zum Tausch oder Verkauf angeboten wer- den (Abb. 31). So mancher Botaniker lebte damals vom Pflanzensammeln und Handel mit Belegen. Für diese Exsikkaten wurden jeweils sehr große Serien gesammelt, was den Pflanzen- beständen in manchen Fällen sicher- lich enorm zusetzte, vor allem, wenn es sich um seltene Arten handelte, zu denen viele Botaniker regelmäßig pilgerten um zu sammeln. Herbarium macht(e) Schule Viele ältere Leserinnen und Leser werden sich noch – meist verbunden mit einem Anflug an Nostalgie – er- innern können, wie sie in der Schule Abb. 11 und 12: Besser geht´s nicht: Zwei Beispiele aus einem der schönsten und arten- ein Herbarium anlegen mussten. Man reichsten Herbarien Europas, dem Herbarium Hans Metlesics (1900–1985) – Klatsch- Mohn (Papaver rhoeas) und Niedriger Enzian (Gentiana pumila). sammelte und presste die Pflanzen Fotos: Archiv Biologiezentrum Linz in dicken Telefonbüchern oder in eigenen Pressen mit Flügelmuttern. Die Wiesen waren bunt und das ten. Der Begriff Herbarium klingt zwar Jahre zuvor gesammelt worden und Sammeln fiel nicht sonderlich schwer. antiquiert und verstaubt, ist es aber nicht vor fast zweihundert Jahren. Heute gibt es beides nur mehr selten: mitnichten. Beginnen wir mit dem Diese Belege „atmen“ noch immer buntblühende Wiesen und sammeln- ästhetischen Motiv: Getrocknete den Hauch der Sammler und deren deSchüler (Abb. 10). Nur in land- Pflanzen können ganz einfach sehr Tinte scheint erst kurz zuvor aufge- wirtschaftlichen Schulen oder in schön sein (vgl. Abb. 11–13). Es trocknet zu sein! pädagogischen Hochschulen werden wundert nicht, dass in den letzten Schüler bzw. Studenten noch dazu Jahren einige großformatige Folianten aufgefordert bzw. verpflichtet. Ich auf dem Markt erschienen sind mit half in der Vergangenheit schon so Fotos von Herbarbelegen (z. B. mancher verzweifelten Mutter, deren Bertrand 2016, Burgerbibliothek Sohn das Sammeln und Herbarisie- Bern 2016, Wittich 2016 u. a.). Auch ren der vorgeschriebenen Arten zu das mit eigenhändig angefertigten lange aufgeschoben hatte. „Plötzlich“ Pflanzenaquarellen versehene „Hei- rückte der Abgabetermin näher und tere Herbarium“ von K. H. Waggerl die Schüler sollten alles fertig haben, vermittelt diese Schönheit und des- nur: Frühlingspflanzen im Herbst zu sen fast kindliche Freude an Blumen sammeln ist halt ein Ding der Un- (Waggerl 1950). möglichkeit! Die Eleganz getrockneter Pflanzen Während meines Studiums an der in Kombination mit alten, handge- Pädagogischen Akademie der Diöze- schriebenen Etiketten begeistert se Linz sammelte ein Kollege einen auch (oder gerade!?) den modernen Großteil der für das positive Absolvie- Menschen (Abb. 14–17). Es ist, als ren der mündlichen Lehramtsprüfung ob man in eine längst vergangene in Biologie notwendigen Pflanzen auf Welt zurückversetzt würde. Vor dem einen Schwung und legte alles in die geistigen Auge tritt ein Botaniker mit Presse. Kurz vor der Prüfung stellte Botanisiertrommel, Pflanzenstecher er dann mit Entsetzen fest, dass ein und Lupe aus Büschen hervor, wel- großer Teil der Pflanzen verfault war. cher Pflänzlein für Pflänzlein begut- Die Möglichkeit einer Nachreichung achtet und so manches Zweiglein mit rettete schließlich noch seinen er- einem Schmunzeln und dem warmen folgreichen Abschluss. Gefühl der heimlichen Freude in seine Trommel steckt (Abb. 18). Ähnlich Der Herbarbeleg – ein Evergreen! faszinierend ist es, echte, sehr alte Abb 13: Beeindruckender Herbarbeleg einer Herbarbelege unter dem Mikroskop Drachenwurz (Dracunculus vulgaris) – von Auf die Frage, warum man heute zu betrachten. Auch die kleinsten Franz Speta, Gerhard Kleesadl und Rudolf noch Pflanzen sammeln und trocknen Merkmale der Pflanzen sind noch zu Gadringer 1996 auf Kreta gesammelt. sollte, gibt es eine Reihe von Antwor- sehen, als wäre der Beleg erst einige Foto: Archiv Biologiezentrum ÖKO·L 40/1 (2018) 11
Abb. 14: Etikett eines Herbarbeleges aus dem Herbar Rauscher Abb. 15: Herbaretikett (Schede) eines Herbarbeleges des Echten (Biologiezentrum Linz), einer der ältesten Belege des Innviertels Eibisch (Althaea officinalis) im Biologiezentrum Linz. Leseprobe (Johannes Rauscher, „um Braunau“, ohne Datumsangabe, ca. für Leserinnen und Leser. – Die Lösung (Abschrift) finden Sie 1850), noch dazu von Pyrola rotundifolia (Großes Wintergrün), in weiter unten (Abb. 16). Dieser undatierte Beleg kam über das dieser Region schon sehr lange verschollen. Herbar des Petrinums („Saxinger, Oberleitner, Stieglitz“) an das Biologiezentrum. Mausohrhabichtskraut (Hieracium Oft handelt es sich bei Herbarbele- Forensische Botanik hoppeanum) im „Innerstoder“ und gen um Pflanzen, die von Autoren den Flachblatt-Steinbrech (Saxifraga von Publikationen im Rahmen ihrer Man stelle sich nur vor, wie beschwer- muscoides) am Großen Priel. Untersuchungen gesammelt und als lich viele Sammelexkursionen noch Beweis hinterlegt wurden. So kann im 19. Jahrhundert waren: die Mühen In den Kommentaren der aktuellen man später stets nachprüfen, was der der Anreise, die langen Märsche, Roten Liste Oberösterreichs (Hohla Autor darunter verstanden hat und ob Bergbesteigungen ohne atmungs- u.a. 2009) heißt es dazu wie in die Pflanzen richtig bestimmt wurden aktive, wasserdichte Kleidung, ohne einem kriminalistischen Gutachten: (Abb. 17, 19–22, 27). Man kann die Hightech-Schuhe und ohne das heute „Generell ist anzumerken, dass die Herbarbelege auch an Spezialisten übliche technische Schnick-Schnack, auf Aufsammlungen von Langeder … Aber die Herren Botaniker des 19. schicken, damit diese sie bestim- beruhenden Angaben für die Kalkal- Jahrhunderts sammelten nicht alles pen Oberösterreichs in Duftschmid men (det. für determinavit = er/sie selber. Sie waren oft auf ortsansäs- (1870–1885) aus heutiger Sicht hat bestimmt), bestätigen (conf. für sige geländekundige Gewährsleute wenigstens zum Teil als sehr frag- confirm oder est!) oder korrigieren angewiesen, die die langen Fußmär- würdig einzustufen sind, da sich im (rev. für revidiert). Hat man schlecht sche vornahmen und auch in entle- Wurzelbereich der von ihm belegten gesammelt, kann oft sogar eine Fach- genen, schwer erreichbaren Gebieten Pflanzen schon mehrfach Glimmer- frau oder ein Fachmann die Pflanze für ihre Auftraggeber sammelten. Und schieferreste und Quarzkörnchen am Beleg nicht bestimmen. Hin und sie taten es wohl nicht nur wegen der fanden, was für eine Aufsammlung in wieder steht dann sogar eine nette Ehre alleine. Aus übertriebenem Eifer den Zentralalpen spricht.“ Tja, Lehrer Botschaft am Herbaretikett, wie etwa: oder Geldgier ging da manchmal auch verdienten früher wahrlich nicht gut! „... ist bestenfalls als Pfeifentabak etwas nicht mit rechten Dingen zu: geeignet ...!“ … ein Anreiz, nächstes Vertrauen ist gut, … Mal schöner und besser zu sammeln! Im Zuge von Recherchen und Re- visionen für die Rote Liste der Ge- Bei manchen älteren Florenwerken Die Möglichkeit, die Herbarbelege sind die dazugehörigen Herbare fäßpflanzen Oberösterreichs (Hohla jederzeit überprüfen zu können, ist heute leider verschollen, wie etwa u. a. 2009) wurde einigen dubiosen Angaben nachgegangen. Fast wie in also ein wichtiges Motiv zu sammeln. jenes von Franz Seraphim Sailer einer Kriminalgeschichte wurden Be- Aus diesem Grund sollte man die (1792–1847), der die älteste Flo- weise in Form von Herbarbelegen im Pflanzen nicht in Folie einschweißen ra Oberösterreichs verfasst hatte Herbarium des Biologiezentrums Linz oder mit Klebefolie überziehen. Zum (Abb. 23). Diese zweibändige „Flora gesichtet und untersucht. Es zeigte Befestigen der Pflanzen auf den Oberoestreichs“ (Sailer 1841) enthält sich, dass etliche der fragwürdigen Herbarbögen eignen sich am besten viele interessante, aber leider auch oberösterreichischen Angaben von schmale weiße Papierstreifen, die zweifelhafte Angaben. Ebenfalls ver- einem gewissen Heinrich Langeder man mit Hilfe eines handelsüblichen schollen sind die Herbarbelege des stammen, seinerzeit „Schullehrer im Klebestiftes am Bogen fixiert. So Augustiner Chorherren Leopold Reuß Innerstoder“, welcher in den „Sto- kann man die Pflanze später jeder- (1775–1850), der mit der „Flora von deralpen“ gar sonderbare, für die zeit lösen, um auch die Rückseite zu Reichersberg“ die älteste Gebietsflora Kalkalpen ungewöhnliche Pflanzen untersuchen, falls nötig. Kunststoff- unseres Bundeslandes schuf (Reuss für den Linzer Arzt und Botaniker Klebestreifen (Tixo, in Deutschland: 1819, Hohla 2002). Die Floren von Johann Duftschmid entdeckte: das Tesa) sollen nicht verwendet werden, Duftschmid (1870–1885, Abb. 15 Kärntner Felsenblümchen (Draba da diese rasch vergilben (Abb. 10) u. 16) und Vierhapper (1885–1889, siliquosa) am Priel, das Hoppe- und sich im Laufe der Zeit lösen. Abb. 24–27) sind hingegen gut durch 12 ÖKO·L 40/1 (2018)
Abb. 16: Abschrift des Herbaretiketts des Eibisch-Beleges Abb. 17: Der Flutende Wasserhahnenfuß (Ranunculus fluitans) – von (Abb. 15) von Johann Duftschmid. Engelbert Ritzberger (1868–1923) im Jahre 1887 in der Antiesen bei Ried im Innkreis gesammelt – diese Art ist vermutlich heute in ganz Oberösterreich ausgestorben bzw. verschollen (Beleg im Biologiezentrum Linz). Herbarbelege abgesichert. Auch die Abb. 18: Franz unvollendet gebliebene Flora von Oberleitner Ritzberger (1904–1914) ist teilweise (1829–1897) – Botaniker und durch Belege gestützt (Abb. 17); Seelsorger – auf kaum durch Belege abgesichert dem Foto mit ist hingegen die „Flora von Ober- einem jungen Oesterreich“ von Brittinger (1862), Gehilfen, die zudem einige fragliche Angaben Wanderstab, enthält. Botanisiertrommel, Pflanzenstecher und ernstem Verschollen, arrangiert Blick. Anonymus & kompostiert (1897): „Sein Geist war bis in Unbedingt nachprüfenswert erschie- die letzte Zeit nen mir einige Literaturangaben von frisch, aber der außerordentlichen Pflanzenfunden Körper, einst so im Innviertel. Meine Nachsuche an feder-kräftig, dass eine di- den angegebenen Orten blieb ohne recte Ersteigung Erfolg. So versuchte ich, zwecks der Prielwände Klärung bzw. Prüfung von Herbarbe- von Norden von legen Kontakt mit den beiden Auto- Oberleitner wie ren der Publikationen aufzunehmen. ein Spaziergang Kurios: Einer der Autoren ist der allein oder nur Botanik verlustig gegangen, er ist mit seinem sozusagen verschollen, von der Bild- treuen Hünd- chen unternom- fläche verschwunden: Keiner meiner men wurde, Kolleginnen und Kollegen der Bota- versagte und nikerszene hat seitdem mehr etwas verleidete ihm von ihm gehört oder weiß, wo er sich sogar die aufhält. Die andere Autorin teilte mir Arbeit an am Telefon mit, sie hätte zwar gesam- seinem melt, aber die Herbarbelege wären grossartigen Herbar …“ nicht mehr vorhanden; diese wurden von ihr entweder zu künstlerischen Foto: Archiv Collagen verarbeitet, den Rest hat sie Biologiezen- schließlich auf einem Komposthaufen trum Linz entsorgt … Zukunftsaussichten Das Wissen um Pflanzen befindet sich im steten Wandel; auch Pflan- zennamen und die Systematik ändern ÖKO·L 40/1 (2018) 13
Abb. 19: Der Aargauer Gold-Hahnenfuß Abb. 20: Der Oellgaard-Flachbärlapp (Di- Abb. 21: Die Saratoi-Wolfsmilch (Euphorbia (Ranunculus argoviensis) – am 1. Mai 1887 phasiastrum oellgaardii) aus dem Herbar A. saratoi) – im August 1903 von Leopold von Pfarrkooperator Michael Haselberger Dürrnberger – gesammelt am 4. September Petri auf dem Umschlagplatz in Linz in Andorf gesammelt – dort österreichweit 1869 an der Rückseite des Luftenberges gesammelt – man beachte auch hier die einzigartig aber leider schon verschwunden! – mit sieben (!) Bestimmungen am Beleg unterschiedlichen Bestimmungsergebnisse (Beleg im Biologiezentrum Linz). (Beleg im Biologiezentrum Linz). auf den Herbaretiketten – man spricht von Foto: Jürgen Plass der „Revisionskette“! (Beleg im Biologie- zentrum Linz). sich laufend. Nicht selten werden von sterbende Art, ihr Wissen geht verlo- Theoretisch kann beim Beschreiben Spezialisten auf Grund neuer Erkennt- ren, ihre Arbeitsplätze schwinden. Im einer neuen Art auch eine Illustration nisse Arten von bisherigen Arten ab- Jargon des Fachs könnte man genau- gewählt werden. Der Ort des erst- gespalten bzw. in mehrere neue Arten so gut sagen: Die Pflanzenkunde ist maligen Auffindens dieser Pflanze oder Unterarten aufgeteilt. Dann ist vom Aussterben bedroht. Und damit wird als locus classicus bezeichnet. es gut, Belege prüfen zu können. Aus ist eine grundlegende Kulturtechnik, Ist ein Holotypus verloren gegangen einer Literatur- oder Kartierungsanga- eine der ältesten Wissenschaften oder gab es diesen gar nicht, kann be allein ist die Unterscheidung meist der Menschheit in Gefahr (Karlsson ein Ersatz (Lectotypus) aus ähnlichen nicht mehr möglich. 2015). Belegen (Isotypen) gewählt werden. Sind alle im Protolog genannten Durch moderne genetische Untersu- Besondere Typen Belege verloren gegangen, kann ein chungsmethoden (Abb. 28 u. 29) ist Neotypus bestimmt werden (McNeill es heute auch möglich, getrocknetes Etwas ganz Besonderes sind Typus- u. a. 2012). Auf dem Herbarbeleg ist Pflanzenmaterial zu untersuchen belege (nicht: Typhus!). Sie sind der meist ein färbiger Aufkleber zu finden, (Pfosser 2013). Dieser Umstand der den Typusbeleg kenntlich macht. macht Herbarbelege zu äußerst Stolz der öffentlichen Herbarien. Die Typen sind in der Regel besonders wichtigen Quellen der zukünftigen Diese gibt es auch in anderen Or- verwahrt und gesichert, gleich einem Forschung. Gerade in Zeiten allge- ganismengruppen (Insekten, Schne- schlagenden Herzen inmitten des mein schwindender Artenkenntnis cken, aber auch Fossilien …). Wenn Herbariums! (Hofrichter 2016) ist das Vorhan- jemand eine Art (oder Unterart usw.) densein von richtig bestimmtem und neu für die Wissenschaft beschrei- Retrospektive von Fachleuten überprüftem Material ben will, so nimmt er dies mit einer besonders wichtig. Was nutzen die entsprechenden Publikation vor, Es ist wahrlich ein Vergnügen, an kal- raffiniertesten Untersuchungsmetho- welche die Beschreibung der Pflanze ten unfreundlichen Wintertagen die den und Projekte, wenn man unwis- auf lateinisch oder englisch enthält, während des Jahres eigenhändig ge- sentlich falsche Pflanzen verarbeitet der sogenannte Protolog. Eine Ein- sammelten, gepressten und getrock- und dadurch die Auswertungen nicht zelpflanze der neuen Art wird dabei neten Pflanzen zu bestimmen, sie zu stimmen. Angesichts des unschätz- vom Autor ausgewählt und in einem beschriften und die Daten am besten baren Wertes von Sammlungen für die öffentlichen Herbarium hinterlegt, noch in eine Datenbank einzugeben. zukünftige Wissenschaft ist es völlig der sogenannte Holotypus. Wenn Dann können diese später am Com- absurd, wenn man immer häufiger von andere Botaniker ähnliche Pflanzen puter abgefragt, ausgewertet und die Schließungen und Auflösungen von untersuchen, kann es notwendig sein, Funde auf Verbreitungskarten darge- großen Sammlungen hört. Derartig diese mit dem Typus zu vergleichen. stellt werden. Die Datenbank ZOBO- kurzsichtige Einsparungsmaßnahmen In letzter Konsequenz kann man bei DAT des Biologiezentrums Linz eignet vernichten heute unser Vermögen von einer Bestimmung nur durch den Ab- sich dafür bestens. Kolleginnen und morgen! gleich mit dem Typusbeleg (Abb. 30) Kollegen vom Biologiezentrum und Wenn wir schon bei Herzensanliegen sicher sein, dieselbe Art (im Sinne des der Botanischen Arbeitsgemeinschaft sind: Pflanzenkenner sind eine aus- Artautors) vor sich zu haben. („Treffpunkt Botanik“) sind gerne 14 ÖKO·L 40/1 (2018)
bereit, zu informieren und zu helfen. Beim Bearbeiten der Pflanzenbelege kommen die vielen schönen Momente des Jahres wieder in Erinnerung: die ersten warmen Frühlingstage in der Au, die Blütenpracht der letzten mageren Wiesen, das Baden und Schnorcheln im türkisblauen Atter- see, die schönen Stunden am Berg und auch der prachtvoll gefärbte Laubwald im Altweibersommer, die letzten warmen, sonnigen Tage vor dem großen Blattfall und den Nebeln des Novembers. Bauchgefühl Ich hätte so manchen interessanten Fund nicht gemacht, hätte ich nicht auch Herbarbelege gesammelt. Ich sammle gerne Pflanzen, die irgendwie Abb. 22: Thomas Gregor beim Bestimmen etwas anders aussehen. Da vertraue bzw. Revidieren von Armleuchteralgen-Be- ich oft auf mein „Bauchgefühl“. legen im Herbarium des Naturhistorischen Erst später – beim entspannten Be- Museums Wien. stimmen, hinter meinen Büchern im „stillen Kämmerlein“ – kommt dann oft die Erleuchtung. So hatte ich etwa 2012 in der Hagenauer Bucht eine hochwüchsige Glyceria gesammelt, die sich später als Amerikanisches nicht mehr viel bedeutet und Verlieren Schwadengras (Glyceria grandis) ist schon gar nicht lustig. Vielleicht herausstellte. Ein weiteres Beispiel: wäre die Welt etwas besser, würden Die vermeintliche Echte Mehlbeere sich noch mehr Leute für Pflanzen (Sorbus aria) aus den Salzachleiten bzw. für die Natur interessieren? So bei Hochburg-Ach entpuppte sich meinte einst auch ein mit „starkem später als eine vor wenigen Jahren Feuer“ botanisierender Jean-Jacques erst neu beschriebe Art: die Hügel- Rousseau über das Sammeln und Mehlbeere (Sorbus collina). Auch das Beschäftigen mit Pflanzen: „Das ist nachträglich erst von mir erkannte das Mittel, in meinem Herzen keiner- Europäische Büchsenkraut (Lindernia lei Rache oder Haßgefühl keimen zu procumbens) hatte ich Gott sei Dank lassen …“ (Rousseau 1924). Abb. 23: Titelblatt der 2011 in der Hagenauer Bucht am „Flora Oberoestreichs“ von Franz Seraphim unteren Inn belegt (Hohla 2012 u. Pflanzen sammeln und ein Herba- Sailer (Sailer 1841) – die erste Landesflora 2014, Hohla u. Kleesadl 2016). Bei rium führen kann viel Freude und unseres Bundeslandes. manchen schwierig zu bestimmenden Abwechslung in den Alltag bringen, Pflanzengruppen geht ohne Belege und vermutlich auch Trost und Ab- oft gar nichts, weswegen ich etwa bei lenkung in schwierigen Zeiten. Auch den Brombeeren, den Gräsern oder Rosa Luxemburg – eine gebürtige den Armleuchteralgen (Abb. 31) ein Polin, charismatische Politikerin und Vergleichsherbar zu Hause eingerich- Vertreterin der europäischen Arbeiter- tet habe. Übrigens: Pflanzen, die man bewegung – legte ab 1913 ein Herba- selber gesammelt und bestimmt hat, rium an. Sie sammelte Pflanzen, wo prägt man sich viel besser ein. Es ist sie ging und stand – in der Freiheit wie bei den Schwindelzetteln in der wie im Gefängnis (1915/16, 1916 bis Schule: Nach dem Schreiben braucht 1918). Bis zum Oktober 1918 füllte man sie meist nicht mehr! sie insgesamt 17 Schulhefte, deren Inhalt 2016 erstmals komplett veröf- Herbartherapie fentlicht wurde, nachdem die Hefte erst im Jahre 2009 in einem Archiv Sich mit Pflanzen zu beschäftigen in Warschau wieder aufgefunden hat etwas Friedliches, Gewaltloses an wurden (Wittich 2016). sich. Seit ich der Botanik nachgehe, habe ich im Sport den „Killerinstinkt“ Nie zu spät! verloren. Ich stehe heute auf dem Abb. 24: Titelblatt des „Prodromus einer Tennisplatz und frage mich, warum Es ist nie zu früh oder zu spät, mit der Flora des Innkreises“ von Friedrich Vierhap- ich eigentlich ans Netz vorrücken Botanik und mit dem Pflanzensam- per, seinerzeitiger Professor am Gymnasium sollte, wo mir doch das Gewinnen meln zu beginnen. Das dachte sich Ried im Innkreis (Vierhapper 1885–1889). ÖKO·L 40/1 (2018) 15
auch Anton Rechberger, ein ehema- So sind – um ein Beispiel zu nennen liger Mitarbeiter der Post, der sich bei – bei den Seggen (Carex spp.) neben Pensionsantritt spontan entschloss, den gut ausgebildeten Früchten noch alle Pflanzen Oberösterreichs („Schläuchen“) bei vielen Arten auch kennenzulernen. Dieser spätberufene die unterirdischen Teile wie Wurzeln Autodidakt brachte in den 1990er- bzw. Ausläufer nötig. Abgefallene Jahren einen Spitzenfund nach dem Samen oder Früchte kann man in ein anderen ans Biologiezentrum. Bei kleines Kuvert oder Papiersäckchen den monatlichen Arbeitsabenden der geben und am Herbarblatt befesti- Botanischen Arbeitsgemeinschaft gen. Flüchtige Merkmale wie etwa wartete man stets gespannt auf ihn Pflanzendüfte oder Blütenfarben und seine neuen Überraschungs- sollten zusätzlich am Beleg notiert funde. Die Ornithologen mögen mir werden. Bei Schmarotzerpflanzen ist verzeihen: Er hatte damals bei diesen es wichtig, auch die Wirtspflanze zu Zusammenkünften regelmäßig „den ermitteln und am Beleg anzuführen. Vogel abgeschossen“! Als Postpen- Das Fotografieren der Pflanze und sionist konnte er kostengünstig mit des Lebensraumes bringt weitere dem Bus durch die Landschaft fah- wichtige Informationen. Ebenfalls ren; Auto brauchte er daher keines. Erfahrungssache ist, dass man am Die Fahrscheine nutzte er manchmal Fundort Pflanzen bzw. Pflanzenteile zugleich als Herbaretikette, welche er am besten in verschiedenen Reifesta- auf der Rückseite mit seinem unver- dien sammelt. Bei den Gräsern etwa, Abb. 25: Der Große Wasserfenchel (Oenan- gleichlichen zittrigen Bleistiftgekritzel sollten reife Ährchen am Beleg sein, the aquatica) – gesammelt in Wiesen- versah. aber auch im Schatten gesammelte sümpfen in St. Georgen bei Salzburg am grüne Ährchen, an denen noch die Helmut Melzer und ich stießen an 3. August 1876 von Friedrich Vierhapper für die Bestimmung oft wichtigen (Beleg im Herbarium der Universität Wien). unserem ersten gemeinsamen Ex- kursionstag, dem besagten 1. Juni Staubfäden (Antheren) zu finden sind. 1997 (s. o.) am Welser Bahnhof unter Gelegentlich findet man bei Pflanzen anderem auch auf die Roggen-Segge im Herbst noch Nachblüher, falls zur (Carex secalina). Dieser Fund war Bestimmung Blüten erforderlich sind. zugleich der erste seiner Art für Ober- österreich. Es gibt zwar angeblich Das Sackerl für´s Pflanzerl Abb. 26: Entsprechender Textausschnitt keine Zufälle …, aber Anton Rech- aus dem „Prodromus einer Flora des Inn- berger fand die Roggen-Segge völlig Das Plastiksackerl (für unsere deut- kreises“ (Vierhapper 1885–1889) zum unabhängig von uns am nächsten schen Leserinnen und Leser: Tüte) Vorkommen des Großen Wasserfenchels Tag in Linz! Leider hielt eine schwere zählt zu den wohl bedeutendsten (unter dem Synonym Oe. Phellandrium). Erkrankung Anton Rechberger vom Erfindungen für uns Botaniker, hatte Erreichen seines heiß ersehnten mir dereinst Helmut Melzer (s. o.) Zieles ab. Da er nie publizierte, sind augenzwinkernd eröffnet. (Er liebte seine Herbarbelege zugleich sein es zudem, das „ck“ spaßhalber botanisches Vermächtnis! sprachlich zu trennen, was dann zu einem „Satz-Kerl“ wurde.) Man stelle Die Kunst des Sammelns sich vor, wir müssten noch immer die unhandliche Botanisiertrommel Welche Teile man für Herbarbele- (Abb. 18) durch die Gegend schlep- ge sammeln sollte, hängt von der pen. Im Plastiksack halten die ge- jeweiligen Pflanze ab: Gräser oder sammelten Pflanzen lange frisch kleine einjährige Pflanzen können und welken nicht, wenn man sie gut als Ganzes herbarisiert werden; von geschlossen hält. Am besten ist es Bäumen, Sträuchern oder großen jedoch, die Pflanzen so rasch wie Stauden sind am besten Blätter und möglich in die Feldpresse (Abb. 32) Früchte zu belegen. Ob man zusätz- zu legen. Gerade bei den Kreuzblüt- lich Wurzeln, Früchte, Blüten oder lern ist dies besonders wichtig, da reife Samen benötigt, hängt davon ab, Kressen, Rauken und andere Vertreter welche Teile der Pflanze eine sichere dieser Familie sonst rasch skurrile, Bestimmung ermöglichen. Das ist abartige Krümmungen entwickeln, oft Erfahrungssache, kann aber auch die dann beim Trocknen nicht mehr jederzeit den Schlüsseln der gängigen geradezubiegen sind. Bestimmungsbücher (z. B. Fischer u. a. 2008) entnommen werden. Forman Meist werden herbargerechte Exem- u. Bridson (1989) haben ein Buch plare gesammelt, das heißt Pflanzen, Abb. 27: Das Ästige Leinblatt (Thesium über das Anlegen eines Herbariums die schön auf Herbarbögen (meist im ramosum) – gesammelt 1891 von Friedrich verfasst. Sie geben im Kapitel „What A3-Format) passen (Abb. 33 u. 34). Karl Max Vierhapper (jun.) an Grasplätzen an den Bahndämmen um Ried im Innkreis to collect“ wertvolle Hinweise, was Dies ist zwar legitim, bildet jedoch – heute ist diese Art in Oberösterreich vom bei den einzelnen Pflanzenfamilien die Wirklichkeit nicht wirklich ab. So Aussterben bedroht! oder -gattungen gesammelt werden werden die Maße für Bestimmungs- Foto: Archiv Biologiezentrum Linz sollte. schlüssel in den Büchern oft an 16 ÖKO·L 40/1 (2018)
Abb. 28: Im Kapillar-Sequenzierer des Biologiezentrums kann die Abb. 29: Die DNA aller Lebewesen enthält nicht nur sämtliche Erbinformation nach einem Markierungsverfahren in einem automa- Baupläne zum Aufbau, sondern auch Informationen über die tischen Verfahren direkt durch Anregung mit Laserlicht abgelesen evolutionäre Geschichte dieser Organismen (vgl. Pfosser 2013). werden (vgl. Pfosser 2013). Foto: Archiv Biologiezentrum Foto: Archiv Biologiezentrum Herbarbelegen gemessen (Fischer u. a. Etikett zu notieren. Arbeitet man 2008). Kein Wunder also, wenn etwa mit einer Datenbank wie ZOBODAT, die Maximalgrößen in den Büchern kann man nach dem Eingeben der oft zu gering angegeben sind … Es Daten perfekte Etiketten für den ist daher wertvoller, besonders kleine Herbarbeleg ausdrucken. Wie man und/oder besonders große Pflanzen einen mustergültigen Herbarbeleg mit zu sammeln, wie überhaupt Pflanzen Herbaretikett gestaltet, kann man in außerhalb der Norm. Aber auch das Fischer u. a. (2008) und Forman u. Banale, Gewöhnliche ist zu sammeln, Bridson (1989) nachlesen. nicht immer nur das Schöne, Edle, Seltene. Darauf machte mich einst Naturschutz vs. Herbar mein Freund Franz Grims (1930– 2011) aufmerksam. Wenn niemand Das Sammeln von Pflanzen, Tie- eine Brennnessel (Urtica dioica) oder ren und anderen Dingen der Natur ein Gänseblümchen (Bellis perennis) unterliegt jedoch besonderen Be- sammelt, werden diese Arten in den schränkungen. So ist die Entnahme in Herbarien der Zukunft fehlen. Wenn Naturschutzgebieten (mit Ausnahme wir weiter keine Wiesen-Glockenblu- von genehmigten wissenschaftlichen men (Campanula patula) belegen, Projekten) verboten. Das Pflücken von wird es vielleicht bald zu spät sein. gesetzlich geschützten Arten ist auch Diese Massenart früherer Wiesen und außerhalb von Schutzgebieten streng Weiden wird von Jahr zu Jahr seltener, untersagt. Und: Sehr seltene Pflanzen Abb. 30: Isotypusbeleg von Hieracium aber nicht etwa durch die Sammler … sollten nicht noch durch Sammler de- dunkelii – einem von Günter Gottschlich zimiert werden, auch wenn diese Ar- neu für die Wissenschaft beschriebenen ten vielleicht nicht unter Naturschutz Habichtskraut – gesammelt in Südtirol – vgl. WWW = Wo, … Wann, Wer, … stehen. Gerade bei den Orchideen ist Gottschlich 2001 (Beleg im Biologiezen- das Fotografieren viel sinnvoller, denn trum Linz). Foto: Jürgen Plass Oberste Priorität am Herbaretikett getrocknete Orchideen werden meist (Abb. 35, auch Schede genannt) unansehnlich und verlieren die Far- hat die Angabe des Fundortes; wei- ben. Für die Bestimmung der Arten ters wichtig sind Funddatum und sind Fotos (Habitus, Blütendetails) Finder („leg.“ von legit = er/sie hat aussagekräftiger und schonender für gesammelt). Der Name der Pflanze den meist ohnehin schon gefährdeten (wissenschaftlicher und deutscher Bestand. Name) kann jederzeit nachträglich festgestellt werden. Die Koordinaten Andere Länder, andere Sitten: Sam- des Fundortes können heute mit meln im Ausland kann ordentlich ins Hilfe von Mobiltelefonen, Navis oder Auge gehen. Immer wieder hört man GPS-Geräten leicht ermittelt werden von großen Schwierigkeiten. Vor allem (Abb. 36 u. 37). In „Google Earth“ einige südliche Urlaubsländer haben Abb. 31: Beleg der Furchenstacheligen Armleuchteralge (Chara rudis) aus der kann auch die Seehöhe des Fundes sehr strenge Bedingungen (Abb. 38). Sammlung „Kryptogamae exsiccatae“ ohne viel Mühe abgelesen werden. Für Wird man mit Sammelgut erwischt, (Nr. 1214): „Stiria: in lacu Grundlsee spätere Recherchen ist es hilfreich, drohen hohe Geldstrafen und sogar prope Aussee …“ gesammelt von L. und den Lebensraum und die Größe des Arrest. Es ist dringend geboten, sich C. Rechinger – heute im Herbarium des Pflanzenbestandes (Abundanz) am vor Antritt der Reise über die jewei- Naturhistorischen Museums Wien. ÖKO·L 40/1 (2018) 17
Abb. 32: Gergely Király (Universität Sopron) beim Einlegen von Abb. 33: Vojtech Žíla aus Strakonice im Mai 2015 beim Einlegen Brombeerbelegen in die Feldpresse – weitere Akteure auf dem Foto: von Löwenzahn bei einer Exkursion im Sauwaldgebiet in Ober- Katze, Angéla Király und Konrad Pagitz (Universität Innsbruck) – österreich. Brombeerworkshop 2013 Kärnten. Abb. 35: Herbaretikett (Schede) mit allen erforderlichen Daten – generiert aus der Datenbank ZOBODAT (Biologiezentrum Linz) – leg. = gesammelt von …; det. = bestimmt von … Abb. 34: Zwei in Vollblüte befindliche Abb. 36: Die Koordinaten Abb. 37: Display eines professionellen GPS-Gerätes mit Schönheiten auf einem Zeitungsbogen: eines Fundortes kann man Koordinaten und Seehöhe. ein österreichischer Löwenzahn und eine heute leicht mit einem tschechische Badenixe. Mobiltelefon ermitteln. Abb. 38: „Pflücken verboten“ – diese netten Tafeln stehen in Abb. 39: Genial: die Trockenmaschine im Auto von Vojtech Žíla aus Istanbul inmitten von hunderttausenden Tulpen – gar nicht nett: Strakonice, welche während des Fahrens die Herbarbelege trocknet Das Sammeln von Herbarbelegen ohne Bewilligung wird in der – links: der Entwickler der Maschine; rechts: Bohumil Trávnicek Türkei streng bestraft! (Universität Olomouc); im Hintergrund: Manfred Fischer (em. o. Univ.-Prof. Universität Wien) – Brombeerworkshop 2014 Salzburg. 18 ÖKO·L 40/1 (2018)
ligen Bestimmungen zu informieren und sich gegebenenfalls offizielle Sammelgenehmigungen einzuholen. Zusätzlich gibt es internationale Schutzbestimmungen: Der Handel mit geschützten Tieren und Pflanzen ist strafbar. Basis ist die 1973 in Washington ausgehandelte „Conven- tion on International Trade in Endan- gered Species of wild Fauna and Flora“, kurz CITES. Das Washingtoner Artenschutzabkommen trat 1975 international und 1982 in Österreich in Kraft. Für alle EU-Mitgliedstaaten ist das Abkommen seit 1997 rechtlich verbindlich umzusetzen. In der EU Abb. 40 wird das internationale Übereinkom- men durch die Verordnung 338/97 umgesetzt. Arten die in Anhang A, der strengsten Kategorie, aufgeli- stet sind, dürfen kommerziell nicht gehandelt werden. Insgesamt sind in der EU-Verordnung 74 heimische Tier- und 40 Pflanzenarten gelistet (Umweltbundesamt 2017). Trockenstress Rasches Pressen und Trocknen führt bei Herbarbelegen zu optimalen Ergebnissen. Die herkömmliche Me- thode ist das tägliche Wechseln der Zeitungspapierbögen solange, bis die Abb. 41 Belege trocken sind. Das kann bei größeren Pflanzen bis etwa eine Wo- Abb. 40 und 41: Der Wollkrautblütenkäfer alias „Museumskäfer“ (Anthrenus sp.) und che dauern. Dann kommen sie aus der seine hungrige Larve. Fotos: H. Bellmann/Archiv Biologiezentrum Linz Pressmappe in eine Mappe des Her- bars. Später werden die getrockneten Luft wird mittels eines Heizgerätes Ich habe von Kollegen gehört, die Pflanzen auf einen Karton „montiert“ über einen Stoffschlauch seitlich die Pressmappen sogar am Autodach und der fertige Beleg schließlich zum durch dieses „Sandwich“ hindurch fixieren und die Pflanzen durch den Schutz der Pflanzen in Seidenpapier geblasen; dies ist wegen der Well- Fahrtwind trocknen lassen: etwas eingeschlagen. Bei langen Exkursi- pappe möglich. So wird die Feuch- unelegant, aber bei guter Ladungs- onen kommt es aber meist zu vollen tigkeit rasch nach außen abgeleitet. sicherung sicher effizient! Pressmappen, bei denen das tägliche Wasserpflanzen legt man am besten Wechseln der Zeitungen einen zu erst in einen Bogen Backpapier (jenes Absolut kein Faschingsscherz! großen Aufwand bedeuten würde. für´s Keksebacken) und dann erst in Außerdem ist die Gefahr der Fäulnis das „Sandwich“; dies verhindert das Es war vor etwa zehn Jahren an einem und Schimmelbildung zu groß. Dann Ankleben der zerbrechlichen Pflanzen Faschingsdienstag: Meine Frau fragte ist es Zeit, mit Warmluft zu trocknen am Papier (Hohla u. Gregor 2011). mich, ob ich die ungewöhnlich vielen (Abb. 39). Der Vorteil dieser Metho- Motten im Lager schon bemerkt hät- de: Die Belege sind innerhalb eines Besonders schlecht ist es, die Press- mappe oder den Plastiksack mit den te. Wie von der berühmten Tarantel Tages trocken und die Farben bleiben Pflanzen an einem sonnigen Tag im gestochen hielt ich unverzüglich besser erhalten. Kleiner Nachteil: Auto zu lagern. Dort kommt es rasch Nachschau, wobei sich mir das ganze Man kann zwischendurch die Belege zur Schimmelbildung oder zu einem Drama offenbarte: Es war ein Gemet- nicht mehr schön zurecht richten, Fermentieren der Pflanzen, das heißt, zel sondergleichen, was die Motten arrangieren und die umgeknickten sie werden unansehnlich braun oder – besser gesagt, deren Larven – mit Blätter ausbiegen. Hier gilt wie beim sogar schwarz. Bei manchen Pflanzen meinen Belegen veranstaltet hatten. Kartenspiel: „Was liegt, das pickt!“ ist dies aber ganz normal, etwa beim Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt Beim Trocknen durch Warmluft gibt Klappertopf (Rhinanthus spp.) oder etliche tausend Herbarbelege in es einige Methoden. Am besten be- bei Wachtelweizen (Melampyrum Mappen im Heizraum schön trocken währt sich die Sandwich-Methode: In spp.); bei einigen Weiden ist dies und warm gelagert. Vor allem bei den der Pressmappe befinden sich viele sogar ein Bestimmungsmerkmal, wie Habichtskräutern (Hieracium spp.) Lagen: Wellpappe–saugfähiger Filz– bei der Schwarz-Weide (Salix myrsi- und den Doldenblütlern (Apiaceae) Zeitungsbogen mit Pflanze–Schaum- nifolia). Dieses Schwarzwerden kann wüteten die Insekten gnadenlos. stofflage–Zeitungsbogen mit Pflanze– nur durch das Trocknen mit Warmluft Ich habe noch heute den traurigen Filz–Wellpappe–Filz–usw.). Warme verhindert werden. Anblick der blüten- und blattlosen ÖKO·L 40/1 (2018) 19
Abb. 42: Botanikers Albtraum: traurige Abb. 43: Wichtig ist ein kontrollierter Zutritt zu den großen Herbarien: Passierschein für skelettierte Reste eines Beleges der Zwei- die Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien. färbigen Brombeere (Rubus bifrons) aus Seewalchen – als Herbarbeleg nun leider ungeeignet! Pflanzenskelette vor Augen. Bei man- bekämpfung kann man in sehr kalten historische Pflanzennachweis ist chen Habichtskräutern lagen die In- Frostnächten die Belege in Müll- wichtig und ganz sicherlich findet sich sektenlarven radiär wie Blütenblätter säcken im Freien oder einige Tage in noch der eine oder andere Wissens- um die kahlgefressenen Blütenkörbe Gefriertruhen lagern. In den großen schatz darunter, bereit von Fachleu- angeordnet. Beinahe hatte ich den öffentlichen Herbarien werden die ten gehoben und bewahrt zu werden! Eindruck, sie würden mich von dort Räume jährlich von einem Spezial- Für die großartige Unterstützung dan- aus schadenfroh angrinsen. unternehmen hermetisch abgedich- ke ich meinen Kollegen des Biologie- tet und Gas eingeleitet. Nach dem Ich gab die Mappen in große Müll- zentrums Linz (Gerald Brandstätter, Absaugen des giftigen Gases kann säcke und fror Mappe für Mappe in HR Mag. Fritz Gusenleitner, Gerhard dort wieder weitergearbeitet werden. Kühltruhen der Nachbarn einige Tage Kleesadl, Univ.-Doz. DI Dr. Martin Als weitere Sicherheitsmaßnahmen Pfosser, Jürgen Plass und Christian durch. Anschließend separierte ich gibt es in den Herbarien sehr feine Schröck), Herrn Univ.-Prof. Dr. Gerge- die brauchbaren Belege und brachte Fenstergitter, verschiedene Typen von ly Király (Westungarische Universität sie später nach Linz, wo ich diese dem Herbarium des Biologiezentrums Insektenfallen (z. B. Monitoringfallen) Sopron), Herrn Pater Dr. Amand übergab. Den Rest leerte ich auf den und spezielle Zugangsbeschrän- Kraml (Sternwarte Kremsmünster/ Komposthaufen. Das war mir eine kungen (Abb. 43). Frisch eingelangte Stift Kremsmünster) und DI Franz große Lehre! Aber warum gerade an Belege werden vor dem Inserieren in Wallner (Rainbach) sehr herzlich. einem Faschingsdienstag? Seither die Sammlung des Biologiezentrums lagern bei mir zu Hause nur die einige Tage lang in großen Kühltruhen Literatur wirklich erforderlichen Herbarbelege, durchgefroren. vor allem relativ unempfindliche, von Adler W., Oswald K., Fischer R. (1994): Früher war man beim Schützen der Exkursionsflora von Österreich. Stuttgart, Insekten eher ungeliebte Pflanzen. Sammlungen nicht gerade zimper- Ulmer. Alles andere kommt so rasch wie lich: Man verwendete Mottenku- möglich nach Linz! Anonymus (1897): † Franz S. Oberleitner. geln, Naphthalin, Paradichlorbenzol, Jber. Ver. Naturkunde ob der Enns 26: 3–5. Quecksilberchlorid, arsenhaltige Mitgift Bertrand B. (2016): Herbarium Orbis: Das Mittel, „Lindan“ und weitere Gifte, große Buch der Kräuter und Pflanzen. auf die man heute gerne verzichtet. Hamburg, earbooks, Edel Germany GmbH. Herbarbelege zu Hause aufzubewah- Historische Belege in botanischen ren erfordert also große Vorsicht. Es Brittinger C. (1862): Flora von Ober- Sammlungen tragen nicht selten Oesterreich. Verh. Zool.-Bot. Ges. Wien gibt eine Reihe von Fraßschädlingen, die Inschrift „vergiftet“ oder „subli- 12: 977–1140. die den Herbarbelegen enorm zuset- matisiert“, was auf Behandlung mit Burgerbibliothek Bern (Hrsg., 2016): zen können (Abb. 40–42). Forman u. Quecksilber hinweist. Dann ist für den Das Herbarium des Felix Platter. Bern, Bridson (1989) widmen den kleinen Bearbeiter Vorsicht geboten! Haupt Verlag. hungrigen „Biestern“ ein eigenes Duftschmid J. (1870-1885): Die Flora von Kapitel: „Pests and Treatments“. Falls Leserinnen und Leser zu Hau- Oberösterreich. Band 1–4. Oberösterr. Aber auch Feuchtigkeit ist ein se irgendwo noch alte Mappen mit Museum Francisco-Carolineum, Linz. großes Problem für die Sammlung. getrockneten und beschilderten Fischer M. A., Oswald K., Adler W. (2008): Die Mappen („Faszikel“) sollten am Pflanzen liegen haben, kann ich nur Exkursionsflora von Österreich, Liech- besten in Müllsäcken eingeschlagen wärmstens empfehlen, diese an das tenstein und Südtirol, 3. Auflage. Oö. verwahrt werden. Zwecks Schädlings- Biologiezentrum Linz zu geben. Jeder Landesmuseen, Linz. 20 ÖKO·L 40/1 (2018)
40 Jahre Fischer M., Moschner I., Schönmann R. McNeill J., Barrie F. R., Buck W. R., De- (1976): Das Naturhistorische Museum in moulin V., Greuter W., Hawksworth D. L., Wien und seine Geschichte. Ann. Natur- Herendeen P. S., Knapp S., Marhold K., histor. Mus. Wien 80: 1–24. Prado J., Prud’homme Van Reine W. F., Smith Forman L., Bridson D. (Eds., 1989): The G. F., Wiersema J. H. (2012): International Herbarium Handbook. Royal Botanik Code of Nomenclature for algae, fungi, and Gardens, Kew. plants (Melbourne Code. Adopted by the Eighteenth International Botanical Con- Gottschlich G. (2001): Hieracia nova Alpi- gress Melbourne, Australia, July 2011). um II. Linzer biol. Beitr. 33(1): 583–594. Regnum Vegetabile. Königstein, Koeltz Hofrichter R. (2016): Artenkenntnis: das Scientific Books. Als vor 40 Jahren das erste ÖKO .L große Einmaleins der Biologie. Sommer- Müller I. (2008): Die pflanzlichen Heil- erschien, hätte wohl niemand – ich ausgabe, natur&land 102(2): 20–23. mittel bei Hildegard von Bingen. Heil- eingeschlossen – gedacht, dass Hohla M. (2002): “Flora von Reichers- wissen aus Klostermedizin. Freiburg, daraus eine derartige Erfolgsge- berg“ Reuss 1819 einst und jetzt – (k)ein Basel, Wien, Herder. schichte werden würde. Ich habe Vergleich! ÖKO.L 24(2): 17–23. die Entwicklung immer mit großem Pfosser M. (2013): Das DNA-Labor des Hohla M. (2012): Glyceria grandis var. Biologiezentrums Linz. Beitr. Naturk. Interesse verfolgt. Von den vielen grandis (Amerikanisches Schwadengras) Oberösterreichs 23(1): 97–105. Magazinen und Fachjournalen, die – ein Neuzugang der Flora von Österreich. mir ins Haus flattern, ist ÖKO.L im- Floristische Rundbriefe 45/46: 62–70. Pfosser M., Brandstätter G., Kleesadl G., Hauer G., Wiesmüller H., Humer N., mer dasjenige, das ich gleich durch- Hohla M. (2014): Hystrix patula – neu Hierschläger M., Koller J., Grasser M., blättere und einige Artikel auch so- für Österreich, sowie weitere Beiträge Sageder P., Kump A. (2013): Die Botani- fort lese. Mit der Synthese von Wis- zur Flora von Oberösterreich, Salzburg, schen Sammlungen und die Botanische Steiermark und Vorarlberg. Stapfia 101: sensvermittlung auf hohem Niveau Arbeitsgemeinschaft am Biologiezentrum und lokal-regionaler Relevanz mit 83–100. Linz. Beitr. Naturk. Oberösterreichs 23(1): Hohla M. (2015): Gedenken an Helmut 77–96. Informationen über Themen, die der Melzer (1922–2011) – den Doyen der vielzitierte „Normalverbraucher“ in österreichischen Floristik. Neilreichia 7: Reuss L. (1819): Flora von Reichersberg. dieser ansprechenden und trotz- 295–297. Passau, Peter Ambrosi. dem gründlichen Form sonst nicht Hohla M., Gregor T. (2011): Armleuchter- Ritzberger E. (1904, 1905, 1906, 1907, findet, hat ÖKO .L ein Alleinstel- algen – Lebende Fossilien unserer Gewäs- 1908, 1910, 1911, 1913, 1914): Pro- lungsmerkmal. Ad multos annos! ser. ÖKO.L 33(4): 21–35. dromus einer Flora von Oberösterreich (unvollendet), I. Teil (5 Abt.: 1904-1908), Emer. Univ.Prof. Dr. Georg Grabherr Hohla M., Kleesadl G. (2016): Das Euro- II. Teil (4 Abt.: 1910-1914). Jahresber. .................................................... päische Büchsenkraut (Lindernia procum- Ver. Naturk. Österreich ob der Enns 33: bens) in Oberösterreich an Inn und Donau. Stapfia 105: 99–108. 1–59, 34: 1–111, 35: 1–64, 36: 1–28, Die Zeitschrift ÖKO.L hat mich von 37: 1–101, 39: 1–69, 40: 75–131, 41: Anfang an, schon als jungen Lehrer Hohla M., Kleesadl G., Melzer H. (1998): 133–162, 42: 163–202. Floristisches von den Bahnanlagen Ober- für Biologie und auch als Natur- österreichs. Beitr. Naturk. Oberösterreichs Rousseau J.-J. [1924]: Phantasien eines schützer seit meinen Anfängen, 6: 139–301. einsamen Wanderers. Wien, Berlin, begleitet und wertvolle Inhalte und Leipzig, New York, Interterritorialer Verlag Beiträge für meine Arbeit als Lehrer Hohla M., Lenzenweger R. (2012): Ein „Renaissance“ (Erdtracht). Schattendasein – die auffällige Krusten- und ehrenamtlicher Naturschützer Rotalge (Hildenbrandia rivularis) in Ober- Sailer F. S. (1841): Die Flora Ober- geliefert. Die attraktive Gestaltung, österreich. ÖKO.L 34(3): 3–12. oesterreichs. Erster u. Zweiter Band. Linz, die wertvollen und immer fachlich Quirin Haslinger. Hohla M. Stöhr O., Brandstätter G., Dan- hervorragenden Beiträge, vor allem ner J., Diewald W., Essl F., Fiereder H., Schönbeck-Temesy E. (1992): Zur Geschich- die Artikel, die, abgesehen von den Grims F., Höglinger F., Kleesadl G., Kraml te des Herbars der Wiener Universität. Ab- linzspezifischen Inhalten, allge- A., Lenglachner F., Lugmair A., Nadler handlungen der Zoologisch-Botanischen K., Niklfeld H., Schmalzer A., Schratt- meine Themen und Schwerpunkte Gesellschaft in Österreich 26: 69–95. Ehrendorfer L., Schröck C., Strauch M., der Naturkunde behandelten und Wittmann H. (2009): Katalog und Rote Speta F., Grims F. (1980): Hieronymus behandeln, waren und sind mir Liste der Gefäßpflanzen Oberösterreichs. Harder und sein „Linzer“ Herbarium aus wertvolle Hilfe und Grundlage für Stapfia 91: 1–324. dem Jahr 1599. Katalog Oberösterr. Lan- meine Arbeit sowie Wissenserwei- desmuseums 105, zugleich Linzer Biol. Hurka H., Neuffer B. (2011): Geschichte Beiträge 12(1): 307–330. terung. Dafür gebührt herzlicher und Bedeutung von Herbarien. Osna- Dank den Herausgebern und Ver- brücker Naturwissenschaftliche Mittei- Umweltbundesamt (2017): Washingtoner Ar- antwortlichen sowie Gratulation zu lungen 37: 115–134. tenschutzabkommen. Umweltbundesamt. Internet: http://www.umweltbundesamt. den großartigen Erfolgen. Ich hoffe Karlsson P. (2015): Warum noch Blumen at/umwelt/naturschutz/naturrecht/int_ und wünsche mir, dass ÖKO.L noch pressen? Zeit Online. Internet: http://www. zeit.de/2015/30/botanik-pflanzenkunde- konventionen/cites/ (Abfrage: 19. 9. 2017). vielen Menschen wie mir Freude forschung. (Abfrage: 25. 9. 2017). macht und wertvollste Hilfestellung Vierhapper F. (1885–1889): Prodromus ei- Kerner A. (1866): Das älteste österreichi- ner Flora des Innkreises in Oberösterreich. für die persönliche Arbeit liefert. sche Herbarium. Österreichische Botani- Mag. Hermann Frühstück Jber. d. k.k. Staatsgymn. in Ried I. Teil sche Zeitschrift 16: 137–141, 172–179, Gymnasiallehrer für Biologie 246–253, 319–324. 1885: Bd. 14: 1–37, II. Teil 1886, Bd. 15: 1–35, III. Teil 1887a, Bd. 16: 1–37, IV. von 1975–2003 Koerner L. (2001): Linnaeus. Nature and Na- Teil 1888a, Bd. 17: 1–28, V. Teil 1889a, Obmann Naturschutzbund tion. Cambridge, Harvard University Press. Bd. 18: 1–29. Burgenland 1983–2003 Kraml A. (2010): Botanisches Sammeln Waggerl K. H. (1950): Heiteres Herbari- Umweltanwalt Land Burgenland in Kremsmünster. Vom Apothekergarten um: Blumen u. Verse. Auflage: 29.–30. zur Verbreitungsdatenbank. In: Schrott G., 2003–2015 Auflage. Salzburg, O. Müller. Knedlik M. (Hrsg.): Klösterliche Sammel- Präsidiumsmitglied Naturschutzbund praxis in der Frühen Neuzeit. Nordhausen, Wittich E. (2016): Herbarium. Berlin, Karl Österreich seit 1983 Verlag Traugott Bautz Gmbh: 325–362. Dietz Verlag. ÖKO·L 40/1 (2018) 21
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