Gentechnik manipuliertes Leben - Umweltinstitut München
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Manipuliertes Leben Schon seit jeher wird mit Nahrungsmitteln Politik gemacht. Heute jedoch droht die gesamte landwirtschaftliche Erzeugung in die Hände weniger Großkonzerne zu geraten. Kontrolle beginnt beim ersten und wichtigsten Teil: dem Saatgut. Hier beherrscht der weltgrößte Gentechnikkonzern, das Unternehmen Monsanto, 27 Prozent des gesamten Weltmarktes. Ernäh- rungssouveränität und demokratische Selbstbestimmung sind zunehmend gefährdet angesichts der aggressiven Einführung genmanipulierter Pflan- zen und der Macht, die Patente auf transgene Pflanzen verleihen. Gentechnik ist ein weiterer Schritt der agroindustriellen Landwirtschaft. Sie breitet sich in einigen Gebieten der Welt stark aus und hat zum Beispiel in Nord- und Südamerika einige Pflanzenarten soweit verdrängt, dass es dort de facto keinen konventionellen Anbau mehr gibt. Pollen oder Samen, vom Wind verweht, lassen sich nicht in einer „Rück- holaktion“ wieder einsammeln, wenn sich schädliche Auswirkungen der Agro-Gentechnik zeigen. Gentechnische Verschmutzung ist bereits heu- te ein globales Problem, das gentechnikfrei wirtschaftende Bauern in ihrer Existenz bedroht. Bedroht ist auch die Wahlfreiheit der Verbraucher. Dabei lehnen 70 Prozent der europäischen Bauern und Verbraucher Gentechnik in Lebensmitteln ab. Sie wollen keine Landwirtschaft, die gegen statt mit der Natur arbeitet und Bauern in die Abhängigkeit der Agrarkonzerne bringt. 2 Umweltinstitut München e.V.
INHALT Was ist Gentechnik? 04 ............................................... Gentechnik bei Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06 Vier Pflanzen, zwei Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 Gentechnik bei Tieren . 10 ............................................. Gesetze und Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zulassung in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Gentechnik in Deutschland 12 .................................. Bienen und Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gentechnik in Lebensmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kennzeichnung mit großen Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Risiken und Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Unkontrollierte Verbreitung. 15 ................................. Resistente Schädlinge . 16 ..................................... Resistente Unkräuter . 17 ...................................... Artenwüsten statt Biodiversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Gesundheitsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Monsanto, Syngenta und Co. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Patente 19 ................................................... Wirtschaftliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Risiko Terminator-Technologie . 20 .............................. Gentechnik im Tank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gentechnik auf der Haut 22 ........................................... Global zum Scheitern verurteilt 23 ..................................... Impressum 24 ....................................................... Umweltinstitut München e.V. 3
Was ist Gentechnik? Zeitleiste Zwanzig Jahre nach der Entdeckung 1983 Erster Gentransfer bei der DNA-Struktur durch James Wat- Pflanzen (mit Agro- son und Francis Crick gelang es Wis- bacterium) senschaftlern in den USA im Jahr 1973 1987 Erste Freisetzungen in erstmals, fremde Erbsubstanz in Bak- den USA (Tabak, Tomate) terien einzuschleusen. 1987 Gentransfer mit Gen- Kanone Diese Entdeckung erschien führen- 1991 Erste Freisetzung in den Forschern als so gravierend, dass Deutschland (Petunien) sie eine Konferenz in Asilomar/Kali- 1994 Transgene Anti-Matsch- fornien einberiefen. Dort wurde über Tomate auf dem Markt ein freiwilliges Moratorium für die An- 1996/ Erster Anbau von Gen- wendung der Gentechnik beraten. Es 1997 Soja, -Mais, -Raps und sollte gelten, bis die möglichen Folgen -Baumwolle in Nord- erforscht wären. Doch die skeptischen amerika Forscher konnten sich nicht durchset- 1998 EU: Moratorium für Gen- zen. Pflanzen 2004 EU: Wiederaufnahme Gentechnische Methoden um- von Zulassungen fassen die Analyse von Erbanlagen, 2008 Gentechnikanbau in besonders aber deren Übertragung Europa fast ausschließ- und Veränderung über Artgrenzen lich in Spanien hinweg. Drastische Beispiele für die- 2009 Erstmaliger Rückgang sen Eingriff sind Kartoffeln mit dem des Gentechnikanbaus Giftgen von Skorpionen, Erdbeeren in Europa durch Anbau- mit Frostschutzgenen von arktischen verbot von MON810 in Fischen oder Salat mit Rattengenen Deutschland zur Erhöhung des Vitamin C-Gehalts. 2010 Neuzulassung der BASF-Kartoffel Amflora Die Artgrenzen, die sich im Laufe der 2012 BASF gibt auf und ver- Evolution zwischen Mikroorganismen, lagert seine Gentech- Pflanzen, Tieren und Menschen gebil- niksparte in die USA det haben, werden durch die Gentech- 2012/ Erstmals wachsen in der nologie bewusst durchbrochen. 2013 Anbausaison keine gen- manipulierten Pflanzen auf deutschen Feldern 4 Umweltinstitut München e.V.
Ein gentechnischer Eingriff hat daher nichts mit herkömmlicher Züchtung zu tun, wie oft behauptet wird: Bei tradi- tionellen Methoden werden Pflanzen oder Tiere, die zu gleichen oder nah verwandten Arten gehören, nach den natürlichen Vererbungsregeln gekreuzt. Das Gentechnikgesetz unterscheidet daher klar zwischen Gentechnik und Züchtung. Ein gentechnisch veränderter Or- ganismus (GVO) wird dort definiert als „ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert wor- den ist, wie sie unter natürlichen Bedin- gungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“. Bei der Manipulation am Erbgut wer- den fundamentale Steuerprozesse des Lebens verändert. Doch das wissen- schaftliche Modell, auf dem die Gen- technik basiert, ist inzwischen überholt. Der Ansatz, nach dem das Genom eine Art Legobaukasten ist, in das man nach Belieben neue Gene einfügen kann, weicht der Gewissheit, dass die DNA als hochkomplexes Netzwerk funktioniert. Gene werden von einem zellspezi- fischen Informationssystem gesteuert, das ihnen sagt, wann und wie sie aktiv werden sollen. Selbst Wissenschaftler geben zu: Wir verstehen dieses System nicht gut. Gentechnische Eingriffe an Pflanzen sind daher ein Lotteriespiel mit unvorhersehbarem Ausgang. Umweltinstitut München e.V. 5
Gentechnik bei Pflanzen Oft müssen tausende von Versuchen unternommen werden, bis eine trans- Trotz des großen finanziellen und tech- gene Pflanze entsteht, welche die ge- nischen Aufwands beruhen die Ergeb- wünschte Eigenschaft enthält und kei- nisse der Gentechnik vor allem auf Zu- ne äußeren Schäden aufweist. fall. Im Wesentlichen werden Pflanzen mit zwei Methoden manipuliert. Einzelne Gene können nicht isoliert übertragen werden. Neben dem Gen Bei der Übertragung mit Agrobacte- mit der gewünschten Eigenschaft wird rium tumefaciens wird ein Bakterium dabei auch eine Vielzahl von weite- als „Gen-Taxi“ genutzt. Bei der Infek- ren DNA-Abschnitten eingeschleust. tion der Pflanzenzelle durch das Bak- So hat Monsanto in seinen Bt-Mais terium überträgt dieses das Fremd- MON810 nicht nur das synthetische Bt- Gen in das Genom der Pflanzenzelle. Gen cry1Ab aus dem Bodenbakterium Häufiger wird jedoch die Gen-Kanone Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut. benutzt: Tausende Kopien des Fremd- Das Genkonstrukt enthält zusätzlich Gens werden auf Metallpartikel aufge- einen sogenannten Promotor aus dem tragen und im Schrotschussverfahren Blumenkohlmosaikvirus. Dieser zwingt auf das Pflanzengewebe geschossen. die Pflanze, das artfremde Bt-Gen zu Erfolgreich ist diese Methode, wenn ein „lesen“. Und schließlich wurde noch Metallpartikel zufällig in einen Zellkern eine Erbinformation aus einem weite- eindringt und das fremde Genkonstrukt ren Bakterium sowie Mais-DNA hinzu- in die DNA der Pflanzenzelle eingebaut gefügt. In vielen Fällen wurden zudem, wird. zur Selektion im Labor, Antibiotikare- sistenzgene in die Pflanzen eingebaut. Bei beiden Verfahren besteht nur Eine Praxis, die für Neuzulassungen eine äußerst geringe Erfolgsquote. eingeschränkt erlaubt ist. 6 Umweltinstitut München e.V.
Zusätzlich bedient sich die Gentech- auch Bruchstücke des Herbizidre- nik unpräziser Methoden, die zu unbe- sistenzgens, die sich offensichtlich herrschbaren Effekten in der Pflanze selbstständig dupliziert hatten. führen können. So ist nicht beeinfluss- bar, an welcher Stelle im Erbgut das Die Liste ist lang. Fast 20 Jahre sind artfremde Genkonstrukt eingebaut vergangen seit der Zulassung des ers- wird. Dabei ist es von großer Bedeu- ten genmanipulierten Lebensmittels, tung, wo im Erbgut Gene angeordnet der so genannten Anti-Matsch-Tomate. sind. Durch den Einbau kann es da- Einen Triumphzug hat die Agro-Gen- her zu Auswirkungen auf benachbarte technik jedoch nicht hinter sich. Die Gene kommen oder zu deren Stillle- in Freisetzungen getesteten manipu- gung, vielfach auch zu Mutationen. Es lierten Pflanzen konnten die Verspre- ist wahrscheinlich, dass nicht nur das chen der Gen-Industrie nicht erfüllen. gewünschte neue Merkmal ausgeprägt wird. Eine unüberschaubare Anzahl In den letzten Jahren entwickelten von Eigenschaften wird ebenfalls be- die Konzerne neue gentechnik-ähn- einflusst oder verändert. liche Pflanzenzuchtverfahren. Diese sollen angeblich zielsicherer sein als Nach Übertragung der artfrem- die klassische Gentechnik, weshalb die den Gene treten überdies regelmä- Firmen fordern, dass sie vom Gesetz- ßig Veränderungen des Fremd-Gens geber nicht als Gentechnik reguliert selbst auf. So auch bei Monsantos werden. MON810-Mais: Studien zeigen, dass Doch diese Methoden bringen Teile des eingebauten Genkonstrukts ähnliche Probleme mit sich wie die verlorengingen. Monsantos Roundup- klassische Gentechnik, wie etwa un- resistente Soja enthält gar völlig neue beabsichtigte Mutationen und die Ver- Gensequenzen. Beobachtet wurden letzung der Integrität der Zelle. Umweltinstitut München e.V. 7
Vier Pflanzen, Wenige Jahre wurde Bt-Mais von Mon- santo auch in Deutschland kommerziell Zwei Eigenschaften angebaut – fast ausschließlich in den ostdeutschen Bundesländern. Wegen Genmanipulierte Pflanzen wurden im der großen Widerstände wurde stets Jahr 2013 laut Industrieangaben in 27 ein hoher Prozentsatz der ursprünglich Ländern und auf rund 175 Millionen gemeldeten Flächen zurückgezogen, in Hektar angebaut. Mehr als 95 Prozent Bayern bis zu 90 Prozent. des Gentechnikanbaus finden in nur Der Mais MON810 ist derzeit die acht Ländern statt, 40 Prozent der Flä- einzige genmanipulierte Pflanze, die in che liegen in den USA. Großflächig an- der EU, vorrangig in Spanien, angebaut gebaut werden nur Soja, Mais, Baum- wird. In Deutschland gilt seit Frühjahr wolle und Raps. 2009 ein Anbauverbot. Eine zweite Seit der Einführung transgener Gen-Pflanze, die Kartoffel Amflora der Pflanzen gibt es nur zwei „neue“ Ei- Firma BASF, wurde mittlerweile vom genschaften: Insektengiftigkeit und Europäischen Gerichtshof wieder aus Herbizidresistenz. Mit einem Gen des dem Verkehr gezogen. Aktuell droht Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis mit der Zulassung von Mais 1507 der (Bt) ausgerüstet, produzieren manipu- Anbau einer weiteren Gen-Pflanze in lierte Pflanzen permanent ein bakteriel- Europa. les Gift, das bestimmte Schadinsekten Zusätzlich zum kommerziellen An- abtöten soll. Andere Gen-Pflanzen wer- bau wurden ab 1991 allein in Deutsch- den unempfindlich gegen Pflanzenver- land 192 Freisetzungsversuche mit nichtungsmittel wie Roundup gemacht. transgenen Pflanzen genehmigt. Beim Spritzen zerstören diese Total- Im Frühjahr 2013 wurden erstmals herbizide alles pflanzliche Leben. Nur in Deutschland keine Versuche mit genmanipulierte Pflanzen überleben. Gen-Pflanzen mehr durchgeführt. Gen-Pflanzen der Zukunft? Transgene Bäume, z.B. für Agro-Kraftstoffe oder die Papierindustrie Terminator-Pflanzen, deren Fortpflanzungsfähigkeit gentechnisch gestört wird und die Bauern zu jährlichem Saatgutkauf zwingen Pharma-Pflanzen, die Impfstoffe, Antikörper oder Hormone produzieren Gen-Pflanzen mit veränderter Zusammensetzung der Inhaltsstoffe Gen-Pflanzen mit besonderen Eigenschaften für Agro-Kraftstoffe 8 Umweltinstitut München e.V.
Weltweiter Genpflanzenanbau 2013 1,31 Mrd. Hektar 167 Mio. GENTECHNIKFREIE Hektar NUTZFLÄCHE WELTWEIT USA BRASILIEN ARGENTINIEN 175 Mio. Hektar INDIEN GENTECHNIKANBAU KANADA CHINA PARAGUAY SÜDAFRIKA 8 Mio. Hektar SONSTIGE Grafik: Umweltinstitut München (Industrieangaben) KANADA 6% USA 40% CHINA 2% INDIEN 6% BRASILIEN 23% PARAGUAY 2% SÜDAFRIKA 2% ARGENTINIEN 14% Grafik: Umweltinstitut München (Industrieangaben) Umweltinstitut München e.V. 9
Gentechnik bei Tieren Fischen. Eine US-Firma wartet seit über zehn Jahren auf die Zulassung Angetrieben durch die umstrittene Pa- schnell wachsender Gen-Lachse. Auf- tentierbarkeit transgener Tiere geraten grund der abzusehenden massiven heute auch Nutztiere in den Fokus der Umweltschäden – die Fische können Gentechnikindustrie. Doch diese Form leicht aus Zuchtanlagen entkommen der Gentechnik ist aus Gründen des und sich gegen natürliche Artgenossen Tierschutzes nicht zu verantworten. durchsetzen – zögert sogar die sonst Bereits 1980 wurde zum ersten Mal zulassungsfreudige Behörde. ein neuer DNA-Abschnitt in das Genom eines Säugetiers, einer Maus, einge- fügt. Schon bei diesen ersten Mäusen Forschung an mit menschlichen Wachstumsgenen Gen-Tieren wurde deutlich, dass die massiven Ein- Anpassung an die Massen- griffe in den komplexen Tierorganismus tierhaltung (z.B. BSE-resis- negative Folgen haben: Krankhafte tente Kühe, Schweine mit weniger Phosphat im Kot) Veränderungen der inneren Organe Tiere mit „optimierten Eigen- verkürzten das Leben der Versuchs- schaften“ (z.B. Milch mit ver- tiere. Schlimmer noch erging es trans- änderter Zusammensetzung) genen Schweinen: Sie litten an Ma- Weitere Steigerung der Pro- gengeschwüren, Arthritis, Nieren- und duktivität (z.B. Schafe mit mehr Hautkrankheiten. Bei genmanipulierten Wolle) Fischen fand man entstellte Köpfe und Tiere als pharmazeutische Körper, verkümmerte Schwänze und Fabriken (Medikamente aus Tumore. Gentechnik verursacht hier der Milch von Ziegen) massenhaftes Tierleid. Am weitesten Schweine als Ersatzteillager fortgeschritten ist die Entwicklung bei für die Organverpflanzung 10 Umweltinstitut München e.V.
Gesetze und Verordnungen Zwar versuchen viele Länder Vorsorge gegen die Risiken der Gentechnik zu Gen-Pflanzen wachsen weltweit nur ergreifen, doch nicht immer ist diese in wenigen Ländern. Doch durch ihre auch ausreichend. unkontrollierte Verbreitung und den internationalen Warenverkehr sind Zulassung in der EU alle Staaten gezwungen, sich mit der Über die Marktzulassung von genma- Agro-Gentechnik auseinanderzusetzen. nipulierten Produkten wird in einem europaweiten Genehmigungsverfahren In den Anbauländern ist die Verwen- entschieden, geregelt durch die Ver- dung genmanipulierter Pflanzen zum ordnung (EG) Nr. 1829/2003. Die Eu- Nutzen der Agrarkonzerne meist kaum ropäische Behörde für Lebensmittelsi- gesetzlich beschränkt und Gen-Le- cherheit (EFSA) ist federführend bei der bensmittel müssen zum Teil nicht ein- Risikobewertung. mal gekennzeichnet werden. So wächst Das Zulassungsverfahren wird häufig auch der Druck auf andere Staaten. kritisch beurteilt, da zur positiven Be- Gen-Pflanzen in den USA: freie Fahrt „Auf der Grundlage der Sicherheits- und Ernährungsbewertung, die Sie vorgenommen haben, ist es unsere Auffassung, dass Monsanto zur Schlussfolgerung gekommen ist, dass der Mais und das Futter [...] aus der neuen Sorte [...] keine Fragen aufwerfen, die eine Zulassung für die Inverkehrbringung fragwürdig machen.“ (Zulassungsbescheid für Monsantos Gen-Mais MON810, Food and Drug Administration, 25.9.1996) Umweltinstitut München e.V. 11
wertung neuer Gen-Pflanzen Untersu- Laut einer EU-Studie tritt noch in 300 chungen der Industrie herangezogen bis 400 Metern Entfernung gentech- werden. Unabhängige Beurteilungen nische Verschmutzung in einem Um- fehlen. Auch der Personaltausch zwi- fang auf, der Produkte unverkäuflich schen EFSA und Saatgutindustrie lässt macht. Maispollen werden selbst noch an deren Unabhängigkeit zweifeln. in einem Abstand von 800 Metern ge- Wesentliche Grundlage der Zulas- Deutsches sungen ist die Voraussetzung, dass die Gentechnikrecht stoffliche Zusammensetzung genmani- pulierter Organismen als gleichwertig Mindestabstände zwischen mit herkömmlichen oder substanziell genmanipuliertem und kon- ventionellem (150 Meter) äquivalent angesehen werden. bzw. ökologischem Mais Gen-Mais wird hier mit traditio- (300 Meter) nellem Mais gleichgesetzt. Damit wird Kein ausreichender An- eine aussagekräftige Risikobewertung spruch auf Entschädigung unmöglich. bei Schadensfällen Bekanntmachung von Gen- Gentechnik in Deutschland Feldern und Freisetzungen EU-Länder wie Österreich, Frankreich, im öffentlichen Standortre- Ungarn, Luxemburg oder Italien enga- gister gieren sich besonders für den Schutz Vereinfachte Genehmi- der gentechnikfreien Landwirtschaft. gungsverfahren für Frei- Deutschland hingegen fördert bis heute setzungsversuche Abstandsregelungen kön- die Ziele der Gentechnikindustrie. We- nen durch Privatabsprachen der Pollen- noch Bienenflug machen aufgehoben werden an politisch festgelegten Grenzen halt. 12 Umweltinstitut München e.V.
funden. Eine schleichende Verschmut- Gentechnik in zung des gentechnikfreien Maisanbaus Lebensmitteln ist damit vorprogrammiert. Bienen und Gentechnik Gentechnik gelangt vor allem über den Auch Schutzmaßnahmen für Imker, Import in die europäische Lebens- Bienen und Honig vor gentechnischen mittelkette. Fast 50 transgene Soja-, Verunreinigungen werden bisher nicht Mais-, Kartoffel-, Zuckerrüben- und umgesetzt. So sind die Vorausset- Rapslinien sind bislang für den Import zungen zur Gewinnung eines natur- zugelassen. belassenen und völlig rückstandsfreien Honigs bisher nicht gegeben, wie Lebensmittel sind nach einer seit Funde von genmanipulierten Mais- 2004 gültigen EU-Verordnung kenn- pollen in Honig gezeigt haben. zeichnungspflichtig, wenn sie pro In- haltsstoff „zufällige oder technisch un- Betroffene Imker haben bis zum vermeidbare“ GVO-Spuren von mehr Europäischen Gerichtshof (EuGH) ge- als 0,9 Prozent enthalten. klagt. Und sie haben Recht bekom- men: Für Honig gelten keine Ausnah- Werden GVO bewusst eingesetzt, men, die Imkerei muss beim Anbau muss dies grundsätzlich auf der Ver- von Gen-Pflanzen berücksichtigt wer- packung gekennzeichnet werden. Die den. Damit hatten weder die Politik Zutatenliste muss dann folgende Hin- noch die Gentech-Konzerne gerech- weise enthalten: net. Seit dem Urteil wird nun massiv „Enthält genetisch veränderte versucht, die Umsetzung zu verhin- ...“ oder dern – das Urteil des EuGH soll aus- „Hergestellt aus genetisch ver- gehebelt werden. ändertem ...“ Umweltinstitut München e.V. 13
Bei Lebensmitteln mit soja- oder mais- stoffe wie Aromen, Geschmacksverstär- haltigen Zutaten besteht theoretisch ker, Vitamine und Enzyme, die „mithilfe“ die Möglichkeit, auf gekennzeichnete transgener Mikroorganismen hergestellt Produkte wie etwa Öle, Granulate oder wurden. Außerdem müssen Fleisch, Lecithin zu stoßen. Milch und Eier von Tieren, die genma- Weil europäische Verbraucher aber nipulierte Futtermittel erhalten haben, in keine Gentechnik in Lebensmitteln der EU nicht als „gentechnisch verän- wollen, sind solche Produkte im Han- dert” gekennzeichnet werden. del de facto auch nicht zu finden. Auch transgene Obst-, Gemüse- oder Ge- Diese bewusste Gesetzeslücke si- treidesorten kommen in Europa daher chert der Gentechnikindustrie derzeit nicht auf den Markt. den jährlichen Import von rund 37 Milli- onen Tonnen zumeist genmanipulierter Kennzeichnung mit großen Lücken Sojabohnen oder Sojaschrot in die Nicht gekennzeichnet werden Zusatz- EU. Über 90 Prozent der importierten Hier muss gekennzeichnet werden Lebensmittel ist selbst ein GVO (Mais, Tomaten, Soja, Schweinefleisch) Lebensmittel ist aus GVO hergestellt – auch wenn das im Endprodukt nicht nachweisbar ist (Öl aus Gen-Soja oder -Raps, Stärke aus transgenem Mais) Lebensmittel enthält GVO (Joghurt mit genmanipulierten Bakterien, Weizenbier mit genmanipulierten Hefen) 14 Umweltinstitut München e.V.
Soja landen im Futtertrog. Denn der Risiken und Konsum von Fleisch, Milch und Eiern ist bei uns so hoch, dass die Tiere mit Nebenwirkungen den eigenen Flächen nicht mehr er- nährt werden können. Abholzung, Ver- Unabhängige Forscher stellen der Gen- treibungen, Pestizid-Vergiftungen und technik-Landwirtschaft ein vernichten- eine Konzentration des Landbesitzes in des Zeugnis aus: Die Agro-Gentechnik den südamerikanischen Erzeugerlän- verursacht massive Probleme ökolo- dern sind die Folge. gischer, sozialer und ökonomischer Art. Tierische Produkte können zwar frei- Gen-Pflanzen in der freien Natur sind willig als gentechnikfrei gekennzeich- ein nicht zu kontrollierendes Risiko. Ob net werden, wenn die Tiere den größ- durch kontaminiertes Saatgut, Pollen- ten Teil ihres Lebens kein Gen-Futter flug, Insekten und Bienen, Vögel, durch bekommen haben und auf transgene Erntemaschinen oder beim Transport: Zusatzstoffe verzichtet wird. Doch erst In den letzten zehn Jahren sind hun- eine verpflichtende Kennzeichnung derte Fälle von Verunreinigung von dieser tierischen Produkte würde den Feldern, Saatgut, Lebens- oder Fut- Kunden ermöglichen, genmanipulierte termitteln aufgetreten – und das auch Lebensmittel zu erkennen – Verbrau- in Ländern, in denen genmanipulierte cher haben keine Wahlfreiheit. Pflanzen gar nicht angebaut werden. Eine Alternative bietet der Ökoland- bau, denn hier dürfen keine gentech- Unkontrollierte Verbreitung nisch manipulierten Organismen ein- Eine Auskreuzung genmanipulierter gesetzt werden. Bio-Siegel garantieren Pflanzen in wilde Verwandte ist beson- neben der Gentechnikfreiheit auch eine ders kritisch. In Kanada ist dies be- artgerechte Tierhaltung. reits Realität: Genmanipulierter Raps Umweltinstitut München e.V. 15
kreuzte dort in die Wildart Rübsen aus, dien wurden negative Auswirkungen die sich nun in der Natur etabliert hat auf verschiedene Schmetterlingsarten, und die Eigenschaft Herbizidresistenz Regenwürmer und zahlreiche weitere weiter verbreitet. Insekten festgestellt. Doch auch die Kulturpflanze selbst wird zum Problem: In Kanada kann Bt-Pflanzen begünstigen zudem die auf keinem einzigen Hektar mehr gen- Bildung resistenter Schädlinge: Andau- technikfreier Raps angebaut werden, ernd dem Gift ausgesetzt, das in den da sämtliches Saatgut verunreinigt ist. Gen-Pflanzen in jeder Zelle gebildet Auch in den USA ist der überwiegende wird, werden die Schadinsekten nach Teil des Saatguts von Mais, Raps und einiger Zeit widerstandsfähig gegen Soja gentechnisch kontaminiert. das Toxin. So ist der Baumwollkapsel- bohrer inzwischen resistent gegen das Resistente Schädlinge Gift der Gentechnik-Baumwolle. Bt-Pflanzen stellen ein erhebliches Ri- siko für die Umwelt dar, denn ihr Gift In China, Indien und den USA traten wirkt nicht nur auf Schädlinge, son- nach der Dezimierung des Hauptschäd- dern auch auf Nutzinsekten. In Stu- lings durch Bt-Pflanzen andere Schad- Ökologische Risiken transgener Pflanzen Auskreuzung in Kultur- bzw. Wildpflanzen Ausbreitung in der Umwelt und Verdrängung ursprünglicher Arten Direkte Schädigung von Flora und Fauna durch Insektengift Veränderungen der Landnutzung und des Landmanagements: z.B. erhöhter Pestizidverbrauch, Monokulturen, Resistenzbildung von Schädlingen und Unkräutern 16 Umweltinstitut München e.V.
insekten vermehrt auf und führten zu klimatische oder geografische Bedin- dramatischen Ernteverlusten. gungen angepasst sind oder Resisten- zen gegen bestimmte Schädlinge und Resistente Unkräuter Krankheiten besitzen. Der Anbau von herbizidresistenten Transgene Pflanzen und Tiere ge- Gen-Pflanzen erweist sich zunehmend fährden diese ohnehin schon stark be- als Katastrophe und der damit ver- drohte Arten- und Sortenvielfalt. Durch bundene großflächige Pestizideinsatz die Konzentration auf wenige Gen- schädigt Mensch und Umwelt. techniksorten schrumpft der Genpool In einer britischen Langzeitstudie der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wurde zudem eine deutliche Beein- immer schneller, standortangepasste trächtigung der biologischen Vielfalt Lokalsorten werden verdrängt. Inzwi- von Pflanzen und Insekten festgestellt, schen sind sogar Saatgutbanken mit selbst im Vergleich zum konventio- transgenem Material kontaminiert. nellen pestizidbasierten Anbau. Nach wenigen Jahren steigt die nötige Pes- Gen-Pflanzen sind für die indus- tizidmenge bei Gen-Pflanzen steil trialisierte Landwirtschaft gemacht. an, weil immer mehr Unkräuter resis- Insbesondere in Südamerika werden tent gegen die Totalherbizide werden. Regenwälder und Savannen dem Mo- Die Umwelt wird dadurch zusätzlich nokultur-Anbau von Gen-Soja geop- geschädigt. fert. Neben ökologischen Schäden, wie der Beschleunigung von Artensterben Artenwüsten statt Biodiversität und Klimawandel, sind auch die sozia- Vor etwa 10.000 Jahren begannen die len Folgen enorm. Allein in Argentinien Menschen, systematisch Pflanzen an- mussten mehr als 60.000 Familien ihre zubauen. Sie züchteten eine Vielzahl an Felder aufgeben, um Platz für Gen-So- Kulturpflanzen, die an unterschiedliche ja-Monokulturen zu machen. Umweltinstitut München e.V. 17
Gen-Pflanzen eingebaut sind, zukünf- Gesundheitsrisiken tig Antibiotika noch schneller wirkungs- Gentechnikkonzerne und industrienahe los werden lassen. Forscher behaupten, dass transgene Pflanzen gesundheitlich unbedenklich Kein Wunder also, dass immer mehr und streng getestet seien. Weltweit kritische Forscher fragwürdige Effekte gibt es jedoch kaum belastbare Stu- von transgenen Pflanzen entdecken. dien über die Auswirkungen genma- Im Tierversuch fanden Wissenschaftler nipulierter Pflanzen auf Mensch und Bruchstücke des Erbguts von Bt-Mais Tier. Langzeituntersuchungen fehlen im Blut und in verschiedenen Organen fast völlig. Die Regel sind Kurzstudien (Leber, Milz, Niere) von Schweinen. von 21 bis 90 Tagen, bei denen zu- Veränderungen in Zellkernen von dem meist die Futterverwertung, nicht Leberzellen waren festzustellen, bei jedoch die Toxizität der Gen-Pflanzen Versuchstieren wurden starke aller- untersucht wird. Es gibt keine Daten, gische Reaktionen ausgelöst. Ge- die beweisen, dass GVO harmlos für webeschäden, Veränderungen bei die Gesundheit sind. Wachstum, Nieren und Leberfunktion sowie des Blutbildes von Ratten sind Entwarnung kann also nicht gege- Folgen der Fütterung mit genmanipu- ben werden, im Gegenteil: Der ziellose lierten Kartoffeln. Einbau der fremden Gene kann sowohl Veränderungen am Gen als auch Muta- Im Hinblick auf unser geringes Wis- tionen im Erbgut der Pflanze auslösen. sen über das Erbgut der Pflanze und Auch können die eingefügten Gene die Effekte gentechnischer Eingriffe selbst gesundheitliche Risiken ber- stellt sich die Frage, ob die Risiken gen. Zudem besteht die Gefahr, dass überhaupt sinnvoll abgeschätzt wer- Antibiotikaresistenzgene, die in vielen den können. 18 Umweltinstitut München e.V.
zent aller genmanipulierten Pflanzen Monsanto, Syngenta und Co. enthalten Patente von Monsanto. Weniger als zehn Konzerne aus den Industrieländern dominieren den Welt- Patente markt für Saatgut und Pestizide. Die Transgene Pflanzen werden grundsätz- Unternehmen planen, mithilfe der pa- lich patentiert. Damit wird die gemein- tentierbaren Gen-Pflanzen die Kontrolle same Grundlage des Lebens, das nie- über die weltweite Nahrungsmitteler- mand erfinden oder technisch herstellen zeugung zu erlangen. kann, zu privatem „geistigen“ Eigentum. Bauern und Züchter dürfen Gen-Pflan- Auch die deutsche Saatgutindustrie zen nur als Lizenznehmer nutzen. In der versucht, sich einen Markt zu erobern, EU wurden bereits mehr als 1000 Pa- so entwickeln BASF, KWS SAAT AG tente auf genmanipulierte Pflanzen er- und Bayer CropScience bereits eigene teilt, weltweit ist es ein Vielfaches. Gen-Konstrukte. Laut der Arthur An- Seit Jahrtausenden säen Bauern ei- derson Consulting Group, die 1999 die nen Teil ihrer Ernte wieder aus oder tau- Unternehmensziele von Monsanto prä- schen Saatgut mit anderen. 2,6 Milliar- sentierte, soll spätestens 2020 sämt- den Menschen leben überwiegend von liches Saatgut auf der Welt gentech- der Landwirtschaft und sind auf dieses nisch verändert und patentiert sein. Grundrecht angewiesen. Patente auf Schon heute beherrschen Mon- Pflanzen machen diese bäuerliche Tra- santo, Syngenta und DuPont über die dition zu einer kriminellen Tat. Sie zwin- Hälfte des kommerziellen Weltmarkts gen die Bauern, ihr Saatgut jedes Jahr für Saatgut, auch durch Aufkäufe ande- neu zu kaufen. Speziell in Nordamerika rer Unternehmen. Dafür gab allein Mon- nutzt Monsanto das Patentrecht, um santo zwischen 1995 und 2005 rund 15 Bauern mithilfe von Knebelverträgen Milliarden US-Dollar aus. Etwa 90 Pro- elementarer Rechte zu berauben. Umweltinstitut München e.V. 19
Wirtschaftliche Konsequenzen in großen Teilen der US-Reisernte auf- Das Konzept der sogenannten Ko- tauchte. Erst nach langen juristischen existenz zwischen Gentechnikanbau, Auseinandersetzungen wurde Bayer konventioneller und ökologischer Land- dazu gezwungen, Entschädigungen in wirtschaft erweist sich immer mehr als Höhe von rund 750 Millionen Dollar zu inszenierte Lüge. Gentechnische Ver- leisten. Das tatsächliche Ausmaß der schmutzung bringt konventionelle und Schäden war deutlich höher. ökologische Landwirtschaft in existen- zielle Bedrängnis. Ökologischer und Die wirtschaftlichen Auswirkungen konventioneller Rapsanbau ist in Kana- eines anderen Lebensmittelskandals da mittlerweile unmöglich geworden. In sind noch gar nicht abzuschätzen. In den Genmais-Gebieten Spaniens haben Brot und Müsli wurde im Herbst 2009 Bauern den Anbau von ökologischem in der gesamten EU illegale Gen-Lein- Mais fast gänzlich aufgegeben. saat entdeckt, die nur in einer einzigen Saison in Kanada angebaut wurde, Auf alle Landwirte und Lebensmittel- knapp zehn Jahre zuvor. hersteller kommen erhebliche Zusatz- Risiko Terminator-Technologie kosten für Tests, Kontrollen und Vorun- tersuchungen zu und auch die Preise Bei der Terminator-Technologie sollen für Lebensmittel erhöhen sich. So ver- Pflanzen so manipuliert werden, dass drängt Agro-Gentechnik alle anderen sie keine keimfähigen Samen mehr her- Formen der Landbewirtschaftung. Wie vorbringen. Den Pflanzen wird dazu ein drastisch die wirtschaftlichen Folgen Programm eingebaut, das den Embryo sein können, zeigte sich, als genmani- im ausgereiften Kern abtötet oder stark pulierter Reis des Bayer-Konzerns, der schädigt. Hier geht es nicht mehr um nur auf wenigen Feldern zu Versuchs- angeblich „verbesserte“ Eigenschaf- zwecken getestet worden war, 2006 ten, sondern ausschließlich darum, 20 Umweltinstitut München e.V.
dass das Saatgut nicht mehr für den nisch manipulierten Pflanzen: Im Jahr Nachbau, sprich die Aussaat im nächs- 2011 stammten rund 45 Prozent von im ten Jahr, geeignet ist. Der jährliche deutschen Agrarethanol verwendeten Neukauf von Saatgut bedeutet das fi- Mais aus den USA, wo wiederum fast nanzielle Ende für kleinbäuerliche Be- 90 Prozent des angebauten Maises triebe, insbesondere in Entwicklungs- gentechnisch manipuliert ist. und Schwellenländern. Auch in Europa laufen Anträge auf Derzeit gibt es ein weltweites Ter- Zulassung von Gen-Pflanzen, die aus- minator-Moratorium für Anbau und schließlich Rohstoffe zur Agrosprit-Pro- Freilandversuche. Daher versuchen duktion liefern sollen. So entwickelte die Gentechnik-Konzerne und Länder Syngenta bereits eine Maissorte mit wie Kanada und die USA, Termina- einem Enzym, das die Maisstärke tor-Technologie als Mittel zum Schutz im Prozess der Ethanolherstellung vor gentechnischer Verunreinigung sa- schneller in Zucker umwandelt. Auch lonfähig zu machen. die Gen-Zuckerrübe von KWS SAAT AG und Monsanto, die jahrelang auch Gentechnik im Tank auf deutschen Versuchsfeldern ge- testet wurde, könnte als Lieferant von Was Autofahrer nicht wissen: Schon Agrarenergie eingesetzt werden. heute wird deutschen Kraftstoffen Sprit aus Gen-Pflanzen beigemischt. Weitere Pflanzen sind in der Pipeline: So gelangen auch transgener Raps Mais mit einer höheren Produktion an aus Kanada und Mais aus den USA Pflanzenmasse soll die Biogasproduk- als „Bio“-Sprit in deutsche PKW. Un- tion erhöhen, cellulosereichere Hölzer ser Sprithunger schafft damit eine für eine hohe Ausbeute an Kraftstoffen zusätzliche Nachfrage nach gentech- aus Zellulose (BtL) sorgen. Umweltinstitut München e.V. 21
Gentechnik auf der Haut Über 80 Prozent der weltweit erzeugten Baumwolle stammt von genmanipu- lierten Pflanzen. Die Bt-Baumwolle produziert etwa ein Gift gegen den Baumwollkapselbohrer, einen Baum- wollschädling. Doch seit einigen Jahren werden vermehrt Resistenzen gegen das Bt-Gift festgestellt, daher müssen die Bauern zusätzlich Gift spritzen. Hauptanbauländer für Gen-Baum- wolle waren 2012 Indien, USA, China und Pakistan. In der EU ist die Aussaat von Gen-Baumwolle noch nicht gestat- tet. Die Gentechnikkonzerne Monsanto und Bayer haben jedoch bereits ent- sprechende Anträge gestellt. Für Bauern bieten die Gen-Pflanzen keine Vorteile. Das manipulierte Saatgut kostet fast viermal soviel wie herkömm- liches und muss jedes Jahr neu gekauft werden. Zusätzlich werden teure Pesti- zide und Düngemittel benötigt. Für die- se Investitionen müssen viele Bauern einen Kredit aufnehmen. Fällt die Baum- woll-Ernte dann geringer aus, bedeutet das für viele Bauern den Ruin. Besonders in Indien ist der Einsatz von Gen-Baumwolle höchst umstritten. Das UN-Hochkommissariat für Menschen- rechte zeigte sich sehr besorgt über die steigende Selbstmordrate unter Bau- ern. Seit 1997 haben 200.000 indische Kleinbauern Selbstmord begangen, besonders in Regionen, in denen Mon- santos Gen-Saatgut angebaut wird. Die Verwendung von Gen-Baumwolle ist 22 Umweltinstitut München e.V.
nicht kennzeichnungspflichtig. Nur Tex- außer einigen Großkonzernen nieman- tilien aus zertifizierter Bio-Baumwolle dem nutzt. Auf der ganzen Welt wehren sind garantiert frei von Gentechnik. De- sich daher Menschen gegen die Ein- ren Marktanteil beträgt aber bisher nur führung der Agro-Gentechnik. Mit Er- etwa ein Prozent. Doch die manipulierte folg: Immer noch wachsen Gen-Pflan- Baumwolle findet sich nicht nur in Jeans zen nur in wenigen Ländern, in Europa und T-Shirts. Bestimmte Teile werden erklären sich immer mehr Regionen zu für die Herstellung von Lebensmitteln, gentechnikfreien Zonen und Monsanto Kosmetika und Papier verwendet oder musste selbst in den USA die Kommer- sie landen in den Futtertrögen von Kü- zialisierung von genmanipuliertem Wei- hen und Schweinen. zen aufgeben. Statt agroindustriellem Anbau und Global zum Scheitern Gentechnik fordern Gentechnik-Geg- ner eine vielfältige Landwirtschaft, Verurteilt die Ressourcen schont, keine gesell- schaftlichen Folgekosten verursacht Vor fast zwanzig Jahren sind transgene und in regionale Wirtschaftskreisläufe Pflanzen in der Landwirtschaft einge- eingebunden ist. Herkömmliche Züch- führt worden – und bis heute hat die tungsmethoden sind in der Lage, wider- Gentechnikindustrie kein einziges Ver- standsfähige und lokal angepasste Sor- sprechen eingelöst. Im Gegenteil: Die ten und Rassen hervorzubringen. Doch Agro-Gentechnik ist ein erhebliches vor allem braucht es zur Bekämpfung Risiko für die Gesundheit von Mensch des Welthungers einen strukturellen An- und Tier, für die Umwelt und die Ernäh- satz. Nachhaltige Ernährungssicherheit rungssicherheit. für die wachsende Weltbevölkerung Besonders katastrophal sind die kann nur kleinbäuerlicher und ökolo- Konsequenzen für die Landwirtschaft. gischer Landbau gewährleisten. Nur Die Agro-Gentechnik ist ein völlig über- so können Klima und Böden geschützt flüssiger Eingriff in das Ökosystem, der und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Umweltinstitut München e.V. fordert: Ein generelles Verbot genmanipulierter Pflanzen und Tiere Ein Verbot der Patentierung von Leben Eine ökologisch sinnvolle, sozial gerechte und nachhaltige Landwirtschaft Bis zur Umsetzung des Gentechnikverbots: Kennzeichnung von tierischen Produkten, wenn die Tiere mit genmanipuliertem Futter gefüttert wurden Umweltinstitut München e.V. 23
IMPRESSUM Herausgeber: Umweltinstitut München e.V., Das Umweltinstitut München e.V. ist ein Verein zur Erforschung und Verminderung der unabhängiger Verein, der sich gegen Atom- Umweltbelastung, Landwehrstr. 64a, 80336 kraft, für gentechnikfreies Essen und für den München, www.umweltinstitut.org, Ökolandbau einsetzt. Spenden und Förderer info@umweltinstitut.org, Tel. (089) 30 77 49 - 0 garantieren unsere unabhängige Arbeit. Redaktion (alphabetisch): Christina Hacker, Spendenkonto : Fabian Holzheid, Joy Mann, Harald Nestler Umweltinstitut München e.V. (verantwortlich), Astrid Österreicher Konto -Nr : 883 11 03 Bilder: Julian Schmidt [M] (1), ©BLE, Bonn / BLZ : 700 205 00 Thomas Stephan (2, 17, 24), BASF (5, 6, 20), BIC: BFSWDE33MUE Fotolia (5, 13, 14, 15, 19, 21, 22), pixelio / IBAN: DE16700205000008831103 ShoTiMo (6), www.scx.hu (7, 10, 16, 17, 22), Bank für Sozialwirtschaft Bayer (7), Steve Morse photo / University of Missouri Extension and Agricultural Information Auf www.umweltinstitut.org können Sie (10), Umweltinstitut München (11, 12), BUKO online Fördermitglied werden, Infomaterial Agrar Koordination (12), pixelquelle (13), USDA bestellen und unseren Newsletter abonnie- (15, 16, 18), Unser täglich Brot (18), C. Ynouye ren. Bereits über 140.000 Menschen lassen / CIP (19), Gendreck weg (22), Kurt Schweizer sich drei bis vier Mal im Monat über die neu- (22), pixelio / Junkerli (21), Jonathan Agensky esten Entwicklungen in unseren Themenbe- - 3 BagsMedia (20), Druck: Ulenspiegel Druck reichen informieren. GmbH & Co. KG. 100% Recyclingpapier. 6. überarbeitete Auflage: April 2014 E-Mail : info@umweltinstitut.org
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