HYDROGRAPHISCHE NACHRICHTEN - www.dhyg.de - Deutsche Hydrographische ...

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HYDROGRAPHISCHE NACHRICHTEN - www.dhyg.de - Deutsche Hydrographische ...
www.dhyg.de                      HN 98 • 31. Jahrgang • Juni/Juli 2014

HYDROGRAPHISCHE
NACHRICHTEN
Fachzeitschrift
Fachzeitschrift für
                 für Hydrographie
                     Hydrographie und
                                  und Geoinformation
                                      Geoinformation
Schwerpunkt Navigation
• S-100 – Auf dem Weg
  zum Weltmodell
• E-Navigation – ein Überblick
• E-Navigation – Integrity in
  the maritime traffic system
• Produktion von
  maßgeschneiderten
  elektronischen Seekarten
  für die deutschen Lotsen
• eLORAN – Renaissance
  eines Ortungsverfahrens
• Untersuchung Inertialer
  Navigationssysteme

Binnengewässer
Projekt GeNeSee –
Der Schlammkörper
im Neusiedler See

Wissenschaftsgespäch
»Wir waren schon überall« –
Werner und Andres Nicola
im Interview
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MEERESTECHNIK IN DER TIEFE
                                                                     EXPLORE AND RECOVER

                                                       Unsere Website hält weitere spannende Informationen für Sie bereit.
                                                       www.m-b-t.com

                                                                                                      79          102 35
                                                                                                            41   8 5 7     4
                                                                                                                        52
                                                                                                                     20     1
                                                                                                                          6
                                              FIRMENPROFIL                 STECKVERBINDER & KABEL           OZEANOGRAPHISCHE SYSTEME

                                     HYDROGRAPHISCHE SYSTEME              LAUNCH & RECOVERY SYSTEME              SERVICE & SUPPORT

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                                  UN DE RW AR TE
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                                  SEMINARS
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HYDROGRAPHISCHE NACHRICHTEN - www.dhyg.de - Deutsche Hydrographische ...
Vorwort — 06-2014 — HN 98

Liebe Leserinnen und Leser,
bekanntlich hat sich die Hydrographie der »Sicher-      Um bei der Kommunikation und beim Datenaus-
heit und Leichtigkeit der Schifffahrt« verschrieben.    tausch keinen Schiffbruch zu erleiden, ist ein Da-
Manche Darstellung vermittelt einem sogar den           tenstandard gefragt, der den Rahmen für die Mo-
Eindruck, dass der Daseinszweck der Hydrogra-           dellierung und Codierung von Geodaten vorgibt.
phie in der Hauptsache darin besteht, Daten für         Mit S-100 hat die IHO einen solchen Standard ge-
die Seekarten bereitzustellen. Der Aspekt der Na-       schaffen. Genau darauf baut E-Navigation auf. Ma-
vigation wird immer sehr deutlich betont.               thias Jonas vom BSH führt im Detail aus, wie sich
  Das machen wir in dieser HN-Ausgabe auch. Ei-         S-100 – als ursprünglich hydrographisches Daten-
nen Großteil dieses Hefts widmen wir der Navigati-      modell! – anschickt, zum Weltmodell zu werden.                                            3
on. Aber nicht der Navigation, wie wir sie seit Jahr-
tausenden kennen. Nein, wir gehen einen Schritt         Auch viele andere Beiträge in dieser Ausgabe
weiter. Wir erkunden etwas Neues. Die Rede ist          kreisen um das Thema Navigation. Friedhelm               Lars Schiller
von »E-Navigation«.                                     Moggert-Kägeler zeigt, was heute schon möglich
                                                        ist. Mittlerweile sind die elektronischen Seekarten
Verknüpfen Sie schon eine konkrete Vorstellung          maßgeschneidert und ermöglichen eine immer
mit diesem Wort?                                        präzisere Navigation auf engsten Wasserstraßen.
  In Gesprächen haben wir festgestellt, dass die           Wir verschließen aber auch vor den Tücken der         Ein neues Wort
meisten an ganz unterschiedliche Dinge denken,          Navigation nicht die Augen. In einer Zeit, da GPS        Im Englischen schreibt man:
                                                                                                                 e-navigation. Doch wie sollen
wenn ihnen der Ausdruck »E-Navigation« begeg-           gestört werden kann und die Schiffe unbemerkt            wir das deutsche Äquivalent
net. Daher haben wir uns vorgenommen, den Be-           vom Kurs abkommen könnten, macht sich Man-               schreiben?
griff mit Inhalt zu füllen.                             fred Bauer Gedanken über Ersatzsysteme. Mit              In den deutschen Sprachraum
                                                        eLORAN könnte die Renaissance der Hyperpelor-            hat der Begriff bisher kaum
                                                                                                                 Einzug gehalten. Daher gibt es
Gleich drei Beiträge beschäftigen sich mit E-Na-        tung ausgerufen werden.                                  auch keine Empfehlung, wie
vigation. In einem Überblicksartikel stellt Ihnen          Mit Navigationstücken ganz anderer Art haben          man das Wort schreibt. Drei
Jan-Hendrik Oltmann von der GDWS in Kiel den            wir es bei der hydrographischen Vermessung zu            Schreibweisen konkurrieren
Denkrahmen für E-Navigation vor, wie ihn die            tun, wenn das Inertiale Navigationssystem plötz-         miteinander: e-Navigation,
                                                                                                                 eNavigation und E-Navigation.
Weltschifffahrtsbehörde IMO ersonnen hat. Die           lich verrückt spielt. Stefan Benecke hat solche Sys-     Wir haben uns für die
Ziele klingen bedeutungsvoll, sind aber abstrakt.       teme untersucht und erklärt, welche Produkte sich        rechtschreibkonforme
Irgendwie soll der Schiffsverkehr von Bord und          effizient bei der Vermessung einsetzen lassen.           Schreibung mit großem E
von Land aus neu gelenkt werden. Zum Konzept               Längst nicht alle, so sein Fazit, denn die Systeme    entschieden, in Anlehnung an
                                                                                                                 andere aus dem Englischen
gehört daher auch eine andere Art der Kommu-            liefern nicht in jeder Situation, was sie versprechen.   übernommene Ausdrücke wie
nikation – sowohl an Bord als auch mit den Stati-       Der Artikel birgt durchaus Sprengstoff. Von Inte-        E-Mail, E-Learning, E-Bike.
onen an Land.                                           grität im Sinne von E-Navigation sind wir jedenfalls     Die Schreibung überlässt
   Etwas konkreter werden Evelin Engler, Frank          noch ein wenig entfernt.                                 Ihnen, wie Sie das Wort
                                                                                                                 aussprechen wollen, ob
Heymann und Ralf Ziebold vom DLR in Neustre-                                                                     englisch, wie in E-Book, oder
litz. Sie beschäftigen sich mit der »Integrität« des    Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre          deutsch, wie in E-Buch.
neuen Verkehrssystems. Dabei geht es um zuver-          dieser Schwerpunktausgabe.
lässige Echtzeitinformationen, die direkt für die Na-
vigation verwendet werden können. Die Integrität          Ihr
ist gegeben, wenn die Daten wie erwartetet be-
reitgestellt werden – rasch genug, im richtigen
Format und genau genug –, um die Navigations-
aufgabe wie vorgegeben richtig, vollständig und
zeitgerecht umzusetzen.
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HN 98 — 06-2014 — Inhaltsverzeichnis

       Schwerpunkt:

       Von der Navigation zur E-Navigation

               Forschung & Entwicklung                                             Berichte

               6 S-100 – Auf dem Weg zum Weltmodell                                 24 Produktion von maßgeschneiderten
                 Das universelle hydrographische                                       elektronischen Seekarten für
                 Datenmodell der IHO                                                   die deutschen Lotsen
                 von Mathias Jonas                                                     von Friedhelm Moggert-Kägeler

               14 E-Navigation – Ein Überblick                                      26 eLORAN – Renaissance eines
                  von Jan-Hendrik Oltmann                                              Ortungsverfahrens
                                                                                       Teil II – Ein Blick voraus auf eLORAN
               20 E-Navigation – Integrity in the                                      von Manfred Bauer
4                 maritime traffic system
                  by Evelin Engler, Frank Heymann                                   31 Untersuchung Intertialer
                  and Ralf Ziebold                                                     Navigationssysteme
                                                                                       Positionsgenauigkeit und Effektivität
                                                                                       im Vermessungseinsatz
                                                                                       von Stefan Benecke

    Wir können nicht
    übers Wasser gehen.
    Aber erstklassig
    damit umgehen.

    Der Umgang mit dem                      Innerhalb des Hülskens-Firmenverbandes             Dükerbau • Rammarbeiten • Spundwandarbeiten •
                                                                                               Nassbaggerarbeiten • Hydrographie • Geschiebe-
                                            ist Hülskens Wasserbau der Experte für
                                                                                               management • Ufersanierung • Spezialtechniken
    Element Wasser braucht                  wasserbauliche Herausforderungen. Mit
                                            modernster Technik und innovativen Ver-
    keine Wunder – sondern                  fahren realisieren wir selbst anspruchsvolle
                                            Großprojekte im Wasser- und Hafenbau.
    Know-how, Kreativität                   Zuverlässig. Terminsicher. Fachgerecht. Kein
                                            Wunder also, das Hülskens Wasserbau zu den
    und Erfahrung.                          führenden Unternehmen der Branche zählt.                    www.huelskens-wasserbau.de
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Inhaltsverzeichnis — 06-2014 — HN 98

Binnengewässer                                  DHyG intern

37 Projekt GeNeSee                              52 Hydrographie und Hanse
   Mächtigkeit und Verteilung des                  Auf dem 28. Hydrographentag in Lübeck wurde
   Schlammkörpers im Neusiedler See                der DHyG Student Excellence Award vergeben
   von Erwin Heine, Ilse Kogelbauer,               von Lutz Christiansen
   Thomas Zechmeister und Willibald Loiskandl

                                                Veranstaltungen

                                                54 CARIS 2014 legt Schwerpunkt                       5
                                                   auf »Blue Economy«
                                                   von Erin Roberts und Ottokarl
                                                   Büchsenschutz-Nothdurft

                                                55 Besuch der Oceanology International 2014
                                                   von Markéta Pokorná

                                                Literatur

Geodatenmanagement                              56 Atlas der abgelegenen Inseln
                                                   von Lars Schiller
42 Internetportal für bathymetrische
   Daten der Ostsee                             57 The IHO-IOC GEBCO Cook Book
   von Thomas Dehling                              von Hartmut Pietrek

Wissenschaftsgespräch                           Nachrichten

44 »Wir waren schon überall«                    58 MB-System: Entwicklertreffen
   Ein Wissenschaftsgespräch mit                   in Moss Landing
   Werner und Andres Nicola                        von Hartmut Pietrek
   von Lars Schiller
                                                59 HCU kooperiert mit Firmen und Instituten
                                                   von Markéta Pokorná, Vasiliki Kekridou
                                                   und Babajide Maiyegun

                                                62 Neues HCU-Gebäude direkt am Wasser
                                                   von Markéta Pokorná und Delf Egge

                                                        Die nächste HN-Ausgabe wird im
                                                       Oktober/November 2014 erscheinen.
                                                      Redaktionsschluss: 15. September 2014
                                                       Anzeigenschluss: 15. September 2014
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HN 98 — 06-2014 — Forschung & Entwicklung

       S-100 – Auf dem Weg zum Weltmodell
       Das universelle hydrographische Datenmodell der IHO
       Ein Beitrag von Mathias Jonas

       Kaum hatte vor zehn Jahren die weltweite ENC-Produktion so richtig begonnen, wurde
       beschlossen, den IHO-Datentransferstandard S-57 gründlich zu modernisieren. S-100
       war geboren. Heute gilt der neue IHO-Standard als modernster verfügbarer Transpor-
       ter für Geodaten. Mit S-100-kompatiblen Datensätzen lassen sich nun auch hydrogra-
       phische Daten problemlos in das riesige Umfeld der raumbezogenen Anwendungen
       einfügen. Wichtigste Neuerung ist die »Registry«, eine Art Online-Aktenschrank, die es
       erlaubt, äußerst flexibel
       auf neue Anforderun- S-100 | S-57 | ENC | ECDIS | Elektronische Seekarte | E-Navigation | Datenmodell | Registry | Register
       gen in puncto Struktur ISO 19100 | Geospatial Information Registry | Marine Information Registry | UHDM
       und Inhalt von Daten-
       satzdefinitionen           zu 1    Elektronische Seekarten                        system – dem mit ENCs arbeitenden sogenannten
6      reagieren. Diese Funk-             setzen sich durch                              ECDIS (Electronic Chart Display and Information
       tionalität soll einen grö- Die Männer und Frauen auf dem Gruppenfoto System) – waren dementsprechend verhalten. Der
       ßeren interdisziplinären der Jahrestagung des IHO Committee on Hydro- überwiegende Marktanteil bei der Ausstattung
       Nutzerkreis ansprechen graphic Requirements and Information Standards elektronischer Seekartensysteme lag bei den An-
       – um hydrographische (CHRIS) im Sommer 2005 in Rostock schauen zu- bietern privater Seekartendaten.
       Daten mit z. B. ozeano- versichtlich drein. Sie sind sich der Bedeutung der         2014 zeigt sich ein verändertes Bild: Alle Indus-
       graphischen und me- soeben getroffenen Entscheidung, den IHO-Da- triestaaten mit schiffbaren Territorialgewässern
       teorologischen Daten tentransferstandard S-57 in den kommenden Jah- stellen regelmäßig ENCs her; viele Schwellenlän-
       intelligenter als bisher ren technisch grundlegend zu erneuern, offenbar der sind inzwischen hinzugekommen und die kar-
       verknüpfen zu können.         bewusst, weswegen sie beschlossen haben, ihn tographisch ›weißen Flecken‹ beschränken sich im
                                     mit einer eingängigen Nummer als S-100 heraus- Wesentlichen auf die Krisenregionen wie zum Bei-
                                     zugeben – als sinnfälliges Zeichen für den Ände- spiel am Horn von Afrika. Die IHO konnte den Mit-
                                     rungsumfang mit erweiterter Zweckbestimmung gliedsstaaten der Weltschifffahrtsorganisation der
                                     als universelles Datenmodell. Was zu diesem Zeit- Vereinten Nationen (IMO) bereits im Jahr 2010 mel-
                                     punkt als modernisierende Fortschreibung des den, dass die Überdeckung mit ENCs etwa dem
                                     Standards für die digitale Seekartographie ange- Umfang des weltweit verfügbaren gedruckten
       Autor                         legt war, hat sich nun – fast ein Jahrzehnt später Seekartenwerks entspricht und dass für den über-
       Dr. Mathias Jonas ist         – zu einem aussichtsreichen Kandidaten eines uni- wiegenden Anteil der weltweit verfügbaren ca.
       Vizepräsident des BSH und     versellen Datenmodells für den gesamten mariti- 12 000 ENCs regelmäßig Aktualisierungen bereit-
       National Hydrographer.        men Bereich entwickelt.                             gestellt werden (Abb. 1). Dieser enorme Fortschritt
       Außerdem ist er Vorsitzender     Im Jahr 2005 war jedoch noch keineswegs aus- war für die IMO letztendlich ausschlaggebend, die
       des IHO-Standardisierungs-
       kommittees HSSC               gemacht, dass sich der Vorläuferstandard S-57 ECDIS-Ausrüstungspflicht für die internationale
                                     überhaupt global als Grundlage für alle digitalen Schifffahrt einzuführen, die 2012 für neu gebaute
       Kontakt unter:                amtlichen Seekarten – die ENCs – durchsetzen Tanker und Fahrgastschiffe eingesetzt hat und bis
       mathias.jonas@bsh.de          würde. Sowohl die Hydrographischen Dienste 2018 alle wesentlichen Schiffsklassen der in Fahrt
                                     als auch die Hersteller von Navigationssystemen befindlichen Tonnage erfassen wird.
                                     und letztlich auch die Nutzer hatten mit erhebli-
                                     chen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Überfüh- 2 S-57: Globale Standardisierung
                                     rung der Produktionsverfahren für Geodaten der           für global agierende Nutzer
                                     zuständigen Hydrographischen Dienste von der Ein wichtiger Anteil an der Schaffung einer glo-
                                     analogen in die digitale Welt verlief schleppend; bal standardisierten Datenbasis hydrographischer
                                     die nur selten angebotene Produktionssoftware Daten für die Navigation in der Seeschifffahrt ge-
                                     arbeitete nicht fehlerfrei; um die Distribution und bührt dem IHO-Standard S-57, dessen Wurzeln in
                                     um die Verschlüsselung der Daten war internati- einem in Hamburg unter Mitwirkung des dama-
                                     onal gerade eine heftige Kontroverse entbrannt. ligen Schifffahrtsinstitutes SUSAN und des BSH
                                     Dementsprechend wuchs die ENC-Überdeckung durchgeführten Forschungsprojektes Anfang der
                                     weltweit nur langsam; die Daten waren qualitativ neunziger Jahre liegen. Mit S-57 hat die Hydrogra-
                                     zum Teil unzureichend und zu teuer; die Endge- phie damit schon früh auf GIS-Konzepte gesetzt,
                                     räte arbeiteten mitunter instabil und Rasterdaten die erst ein Jahrzehnt später erfolgreich im Land-
                                     als digitale Faksimile der Papierkarten erfreuten bereich eingeführt wurden:
                                     sich einer weit größeren Akzeptanz als die in ENCs     • Vektordaten, deren geometrische Elemente
                                     enthaltenen Vektordaten. Die Rufe nach einer Aus-        Punkte, Linien und Flächen sind,
                                     rüstungspflicht der internationalen Seeschifffahrt     • topologisch geschlossene Beschreibung von
                                     mit einem amtlichen elektronischen Seekarten-            Flächen,
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Forschung & Entwicklung — 06-2014 — HN 98

  • Digitalisierung in Form geometrischer Ob-              kann für die aktuellen ENCs nur mühselig
    jekte, denen spezielle Eigenschaftsobjekte             und sehr zeitverzögert umgesetzt werden,
    zugeordnet sind,                                       da jede Änderung des Objektkatalogs und
  • Aufstellung von Objekt- und Attributka-                der Datendarstellung Eingriffe in die Daten-
    talogen und Spezifizierung der erlaubten               produktionssoftware an Land und die Ap-
    Zuordnungen in einer Produktspezifikation,             plikationssoftware an Bord erfordern. Dies
  • darstellungsfreie binäre Codierung,                    ist bedingt durch den erschwerten Zugriff
  • ISO-konforme Datenkapselung.                           auf Schiffe in der internationalen Fahrt oft
                                                           nur mit großer zeitlicher Verzögerung und
Weltweit haben sich drei Anbieter etabliert, die           manchmal gar nicht mit akzeptablem Auf-
ENC-Produktionssoftware liefern können. Der                wand umsetzbar. Selbst einfache Anpassun-
Leistungsumfang reicht von der objektorientier-            gen wie die kartographische Darstellung der
ten Digitalisierung von Papierseekarten bis zur            von der IMO ab Juli 2005 vorgeschriebenen
Komplettlösung einer hydrographischen Produk-              Wegeführung in ökologisch empfindlichen
tionsdatenbasis, die die Herstellung von analogen          Inselwelten (Archipelagic Sea Lanes) bedurf-
und digitalen Seekartenprodukten in einem inte-            ten fast vier Jahre bis zu ihrer Umsetzung in
grierten Workflow verspricht und dabei interessan-         ENC-Erweiterungen und deren Darstellung
terweise auch intern auf dem Objektkonzept des             in Bordgeräten. Papierseekarten konnten
S-57-Standards aufbaut. Ist die Anzahl der Wettbe-         das Problem natürlich weitaus schneller                                     7
werber in diesem Bereich leicht überschaubar, so           lösen.
zeigt die Applikationsseite ein anderes Bild: Über       • Der Mehrwert elektronischer Seekartensys-
fünfzig der in der Berufs- und Freizeitschifffahrt         teme besteht unter anderem in der Kom-
tätigen Hard- und Softwareanbieter unterstützen            bination der Ortsinformation in Form von
den Import S-57-basierter ENCs, es gibt Konverter          Geodaten mit operativen Informationen aus
und Freeware. Und die Anwendung von ENCs hat               Radar, AIS (Automatic Identification System
sich inzwischen neue Felder in der Erforschung,            – UKW-basiertes Kommunikationssystem
der Administration und der Exploration der mari-           zum kooperativen Datenaustausch zwischen
timen Umwelt erobert.                                      Schiffen) und synoptischen Quellen für das
   Der IHO-Datentransferstandard S-57 und das              Wetter, den Strom und den Seegang. Eine
einzige bisher daraus abgeleitete Produkt – die            interaktive Zusammenfassung dieser Infor-
ENCs – sind zweifellos ein Erfolg, aus dem sich            mationen auf Funktionsebene gelingt mit
zwangsläufig die Frage nach der Notwendigkeit              den S-57-basierten ENCs nur unzureichend.
seiner Überarbeitung als Anlass für die Entwick-
lung von S-100 ergibt. Die folgenden Nachteile der   3     Was soll S-100 können?
S-57-basierten Produkte sollen mit S-100 ›geheilt‹   S-100 setzt auf strikte Konformität mit den ISO-
werden:                                              19100-Standards für Geoinformation (IHO 2010).
   • Bezogen auf die themenspezifische Stan-         Diese Serie bildet alle Elemente des Umgangs mit
     dardisierung von Geoinformationen und der       geographischen Daten unabhängig von ihrer the-         Abb. 1: Derzeitige Über-
     resultierenden Datenspezifikation, ist S-57     matischen Ausrichtung ab und erlaubt damit die          deckung europäischer
     eine proprietäre Lösung. Das macht die Her-     Einbindung hydrographischer Daten in das erwei-            Gewässer mit ENCs
     stellung und die Pflege von Softwarekompo-
     nenten für die Produktion und die Anwen-
     dung von ENCs sehr aufwendig und teuer.
   • In einer ENC sind die Datenstruktur und das
     Datenformat (ISO 8211) eng miteinander
     verwoben, was einer Produktdiversifizierung
     entgegensteht.
   • ENCs sind als binärcodierte Vektordaten kom-
     pakt – eine intelligente Kompression könnte
     aber die zu übertragenden Datenvolumina
     deutlich reduzieren und damit ihre vermehrte
     drahtlose Übertragung an Bord unterstützen.
   • Eine ENC ist konzeptionell eine digitale
     Nachbildung der traditionellen Seekarte.
     Moderne Datenstrukturen aus der Seever-
     messung wie Gitterdaten, zeitvariante Vor-
     hersagedaten und Visualisierungstechniken
     aus dem Internet- und dem Computerspiele-
     bereich sind damit nicht umsetzbar.
   • Die Anforderungen an die Karteninhalte
     sind auch in der digitalen Seekarte nicht
     statisch. Der fortlaufende Anpassungsbedarf
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                              terte Umfeld raumbezogener georeferenzierter                  • Portrayal Register – thematische Sammlun-
                              Anwendungen:                                                    gen von Darstellungsregeln,
                                 • Datenmanagement (einschließlich Definition               • Metadata Register – thematische Sammlun-
                                   und Beschreibung),                                         gen für Metadatenstrukturen,
                                 • Akquisition, Prozessierung, Analyse, Zugriff             • Data Producer Code Register – Datenwörter-
                                   und Darstellung,                                           buch für originäre ENC-Producer-Codes,
                                 • Datenübertragung zwischen Systemen und                   • Product Specifications Register – Sammlung
                                   Nutzern.                                                   von Produktspezifikationen.

                              S-100 kann deshalb eine Vielzahl von modernen             Alle Register können in Unterregister für bestimm-
                              Anwendungen für hydrographische Informatio-               te Thematiken unterteilt sein, z. B: Seekartographie
                              nen abdecken: Bilddaten, Gitterdaten, 3D- und             (Hydro), textgebundene nautische Publikationen
                              zeitvariante Informationen werden in Datenforma-          (NPubs), Eisbedeckung (Ice), Seezeichen (AtoN)
                              ten angeboten werden können, die über die klas-           und Verkehrsleitsysteme (VTS). Die Liste der Unter-
                              sische Seekartographie hinaus ganz neue Anwen-            register ist erweiterbar.
                              dungen erschließen.
                                                                                        4     Welche Vorteile hat S-100?
                              3.1 Neue Terminologie und                                 Betrachtet man nur den Umfang der Verände-
8                                 neue Kernelemente                                     rungen in der Terminologie, erscheinen die Un-
                              Die Anbindung von S-100 an die ISO-19100-Serie            terschiede zu S-57 zunächst nicht gravierend.
                              macht es gegenüber S-57 erforderlich, einige De-          Tatsächlich bietet die Umstellung auf ISO 19100
                              finitionen und Strukturen zu verändern. In der Ta-        jedoch eine ganze Reihe grundlegender Vorteile,
                              belle sind die wichtigsten Benennungen in S-100           die S-100 zu einer stark erweiterten Bedeutung in
                              und S-57 gegenübergestellt.                               der datenmäßigen Beschreibung der maritimen
                                                                                        Umwelt verhelfen könnten:
                               S-100                        S-57                           • Konformität mit ISO 19100: Neue Kompo-
                               Registry
                                                            Keine Entsprechung
                                                                                             nenten werden nicht länger für isolierte
                               Register                                                      Fachanwendungen entwickelt. Stattdessen
                               Feature                      Object                           wird das Spektrum der Anwendbarkeit
                               Feature Attribute            Attribute                        hydrographischer Informationen über die
                               Enumerated values            Attribute values                 Hydrographischen Dienste und ECDIS hinaus
                               Curve                        Edge
                                                                                             auf alle ISO-basierten Fachanwendungen für
                                                                                             Geoinformationen vergrößert.
                               Point                        Node
                                                                                           • Anwendbarkeit kostengünstiger standar-
                               Surface                      Face                             disierter Software für die Datenerzeugung
                               Feature concept dictionary   Oject catalogue                  und die aufbauenden GIS-Applikationen bei
                               Portrayal catalogue          Keine Entsprechung               niedrigeren Implementierungskosten.
                               Application schema           Application profile            • »Plug and Play«-Aktualisierungen von
                                                                                             Datenformat-, Symbol- und Softwareerwei-
                                                                                             terungen durch Erweiterungsmöglichkeiten
                              3.2 Die »Registry« und die Register                            des Kernstandards ohne die Notwendigkeit,
                              Das bedeutendste neue Element hinsichtlich der                 neue Versionen von Produktspezifikationen
                              Herstellung der ISO-Konformität ist der Aufbau                 zu erzeugen. Bei Änderungen des Datenmo-
                              einer »Registry«, die eine hierarchisch geordnete              dells bzw. der Darstellungsregeln werden
                              Struktur von Registern enthält. Für den Begriff der            diese Elemente in maschinenlesbarer Form
                              »Registry« gibt es keine deutsche Übersetzung,                 gemeinsam mit dem angepassten Datensatz
                              sie ist als ein Online-Aktenschrank beschreibbar,              ausgeliefert. Die Applikationssoftware kann
                              dessen Schubladen verschiedenen Themenge-                      so ›vor Ort‹ angepasst werden.
                              bieten zugeordnet sind. Diese Schubladen sind
                              die Register. Die Register enthalten thematische          Insbesondere der Registry-Ansatz unterstützt
                              Sammlungen und Wörterbücher (dictionaries) zu             diese Anforderungen viel flexibler als die bisherige
                              jeweils einem speziellen Schwerpunkt (domain)             Technologie, die auf veränderte Anforderungen
                              des Themengebietes. Die dictionaries enthalten            an Struktur und Inhalt einer ENC nur mit erhebli-
                              den vereinbarten (standardisierten) »Wortschatz«          cher Verzögerung reagieren konnte:
                              zur datentechnischen Beschreibung des Themen-
                              schwerpunktes. Die IHO hat auf ihrer Webseite             Erweiterbare Feature Concept Dictionaries (FCDs)
                              eine solche ISO-konforme »IHO Geospatial Infor-           Diese Datenwörterbücher verwalten jeweils erwei-
                              mation (GI) Registry« installiert (http://registry.iho.   terbare Definitionen von Objekten, Objektattribu-
                              int/s100_gi_registry/home.php), die folgende Re-          ten und – als neues Element – Aufzählungen (Enu-
                              gistertypen (Schubladen) umfasst:                         merations) als frei kombinierbare Basiselemente
                                 • Feature Concept Dictionary (FCD) Register –          aller georeferenzierbaren Informationen, die auf
                                    Datenwörterbücher für Objekte und Attribute,        irgendeine Weise für den ›nassen Bereich‹ relevant
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Forschung & Entwicklung — 06-2014 — HN 98

sind. Dazu gehören Inhalte darstellungs- und text-      zifikationen erzeugen zu müssen. Ungültige (non
orientierter nautischer Veröffentlichungen ebenso       valid) Einträge werden gespeichert, um ihre er-
wie Umweltinformationen, Strömungsinformatio-           neute ungerechtfertigte Einführung zu vermeiden
nen, Eisbedeckungen und andere. Aus Kombinati-          bzw. die vormalige Zurückweisung erkennbar zu
onen der in den Dictionaries enthaltenen Basisele-      machen.
mente werden spezifische Objektkataloge (feature
catalogues) für Produktspezifikationen erzeugt,         Geometrien
die im Product Specifications Register gesam-           Die ein- und zweidimensionale Geometrie in S-57,
melt werden. Die zweckdienliche Erweiterung der         bestehend aus Knoten und Kanten, wird in S-100
Feature Concept Dictionaries steht grundsätzlich        erweitert. Hinzu gekommen sind komplexe Kur-
jedem offen; das Management der Einträge wird           vaturen (composite curves) und Oberflächen (sur-
einer Expertengruppe bzw. -organisation übertra-        faces), die Schwierigkeiten bei der Teilfüllung von
gen, die nicht notwendigerweise der IHO zuge-           Flächen an den Datengrenzen beheben sollen. Da-
ordnet ist.                                             durch wird es auch an Datengrenzen möglich, ei-
                                                        ner attributierten Fläche eine eindeutige Geome-
Feature-Kataloge                                        trie zuzuordnen, während dies in S-57 nur durch
Die Flexibilität gegenüber dem aus S-57 bekann-         die Aneinanderreihung mehrerer Flächenobjekte
ten Objektkatalog erhöht sich durch folgende            einschließlich eigener Geometrien möglich war.
Neuerungen:                                                                                                                            9
   • Feature-Kataloge für individuelle Produkt-         Gitterdaten und Bilddaten
     spezifikation können aus der Kombination           Seevermessungsdaten sind Linien oder Wolken
     von FCD-Einträgen und bereits bestehenden          einzelner Messpunkte. Sie können in Form irregu-
     Feature-Katalogen zusammengestellt wer-            lärer Gitter und durch eine zwischengeschaltete
     den.                                               Modellierung als reguläre Gitter mit konstanter
   • Die Definition der Kombination zwischen            Zellgröße aufbereitet werden. S-100 stellt dafür
     Features und Attributen wird durch die Hin-        die erforderliche Definition für Datencontainer zur
     zufügung der Wertebereiche numerischer             Verfügung. Dies gilt auch für Bilddaten, wie sie bei-
     Attribute ergänzt.                                 spielsweise die Fernerkundung, LIDAR oder auch
   • Ein neues Feature vom Typ »Information«            das Scannen von Papierkarten liefern.
     wird eingeführt. Es hat keinen eigenen
     Raumbezug, sondern wird von georeferen-            Variable Codierung
     zierten Features assoziiert. Dies kann z. B. für   Die S-100-Datenstruktur ist vollständig vom Da-
     die Digitalisierung einer Textinformation im       tenformat getrennt, das heißt, dass verschieden-
     Zusammenhang mit einer Pipeline verwen-            artig formatierte Verwertungsformen des identi-
     det werden.                                        schen Inhalts möglich sind. S-100 wird aktualisierte
   • Ein neuer Typ eines komplexen ISO-Attributs        Schemata für eine ISO-8211-Formatierung, aber
     als »Attribut eines Attributs« wird eingeführt.    auch GML (ein auf Geodaten spezialisiertes XML-
                                                        Derivat) zur Unterstützung von Web Mapping und
Portrayal-Kataloge und Darstellungsregeln               Web Feature Services enthalten. Weitere Formate
Ähnlich wie die FCD-Register enthält das Portrayal-     für neue Anforderungen werden bei Bedarf ent-
Register Sammlungen von Symbolisierungen und            wickelt. Die erforderliche Software – der »feature
komplexen Darstellungsregeln. Symbolkataloge,           catalogue builder« und der »portayal catalogue
die aus diesen Elementen bestehen, stehen im            builder« befinden sich in der Testphase. Sie un-
Portrayal-Register bereit und können als Elemente       terstützen die Auswahl nahezu beliebiger Kom-
von Produktspezifikationen in gleicher Weise wie        binationen von feature-attribute-Kombinationen
Feature-Kataloge registriert werden.                    und die Zuordnung von grafischen Elementen
                                                        (Symbole, Linien, Flächen, Text), die zudem mit
Flexible Versionskontrolle                              bestimmten Randbedingungen für ihren Aufruf
Ein wesentlicher Vorteil des Registerkonzeptes ist      wie den Zuweisungen von Mindesttiefen für die
seine Flexibilität. Verschiedene Versionen eines        »safety contour« verknüpft werden können. Diese
Dictionary-Eintrags können durch eine einheitli-        Zusammenstellungen erfolgen über eine Soft-
che Nomenklatur identifiziert und klassifiziert wer-    ware, die auf die Registerbestände zugreift und
den:                                                    den resultierenden Katalog in den genannten For-
   • valid (aktuell gültige Version)                    matierungen maschinenlesbar exportiert.
   • superseded (vorhergehende Version)
   • retired (nicht mehr in Gebrauch)                   Standardisierte Produktspezifikationen
   • non valid (vorgeschlagen, aber noch nicht          Eine Produktspezifikation ist die komplette Be-
      akzeptiert, oder nicht mehr akzeptiert).          schreibung aller Elemente eines Geodatenproduk-
                                                        tes. Sie umfasst die Datenstruktur, also alle Objekte,
Durch diese Vereinbarung ist es möglich, die auf        Attribute und deren Beziehungen einschließlich
den Eintrag verweisenden Produktspezifikationen         der Anweisung zur Herstellung, Distribution und
aktuell zu halten, ohne neue Versionen dieser Spe-      Pflege der Datensätze und – bei Bedarf – die Dar-
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HN 98 — 06-2014 — Forschung & Entwicklung

                              stellungsregeln. Die standardisierten Elemente ei-       für die Benennung der Register Manager und stellt
                              ner Produktspezifikation in S-100 gliedern sich wie      Schnittstellen für die Register-Nutzer bereit. Im
                              folgt:                                                   konkreten Fall ist die IHO Registry Owner und Re-
                                 • Produktbeschreibung,                                gister Owner gleichermaßen.
                                 • Dateninhalte und Struktur,
                                 • Koordinatenreferenzsystem,                          Registry bzw. Register Manager
                                 • Datenqualität,                                      Der Register Manager ist ein vom Registry bzw.
                                 • Datengewinnung,                                     Register Owner benannter Fachmann, der die
                                 • Datenpflege,                                        Datenbankeinträge der Register administriert, Än-
                                 • Darstellung,                                        derungsvorschläge umsetzt, seine Aktivitäten mit
                                 • Codierung,                                          dem Registry bzw. Register Control Body koordi-
                                 • Datendistribution.                                  niert und dem Registy bzw. Register Owner regel-
                                                                                       mäßig über alle Aktivitäten, die die Registry und
                              Produktspezifikationen können auch auf Einträ-           die enthaltenen Register betreffen, berichtet.
                              ge anderer Register referenzieren, wenn sie ISO-
                              19100-konform sind.                                      Registry Control Body
                                                                                       Das Gremium wird durch die Leiter der ver-
                              Metadaten                                                schiedenen technischen Arbeitsgruppen des
10                            Hydrographische Dienste dienen zunehmend                 Hydrographic Standards and Services Committee
                              auch als nationale Kataster der Territorialgewässer.     (HSSC) der IHO sowie die Vertreter anderer Orga-
                              Für den steigenden Umfang der zu archivierenden          nisationen gebildet, die sich der IHO-Registry be-
                              Daten sind Aussagen über deren Herkunft, das an-         dienen. Es entscheidet über Grundsatzfragen der
                              gewandte Messverfahren und die Datenqualität             Struktur und der Nutzung der Registry.
                              von hoher Bedeutung. Die S-100-Metadatenkom-
                              ponente stellt Strukturen bereit, die entsprechend       Register Control Body
                              den speziellen Anforderungen eines Datensatzes           Gemeint ist eine Gruppe von technischen Exper-
                              ergänzt werden können. Das angelegte Register            ten, die vom Register Owner benannt wurde und
                              ist in erster Linie für die Markierung digitaler Da-     die über die vorgeschlagenen Änderungen und
                              tenbestände in Form entsprechender Sammlun-              Ergänzungen der Registereinträge wacht und den
                              gen ausgelegt; eine Ausweitung auf gedruckte             Register Manager entsprechend beauftragt. Typi-
                              Karten, textorientierte Dokumente und andere             scherweise handelt es sich hier um Mitwirkende
                              nicht explizit raumbezogene Quellen ist jedoch           der verschiedenen technischen Arbeitsgruppen
                              möglich.                                                 des HSSC der IHO.

                              Kontinuierliche Fortschreibung                           Submitting Organisations
                              S-100 wird im Gegensatz zu S-57 nicht auf einem          Damit werden alle Körperschaften bezeichnet, die
                              bestimmten Entwicklungsstand für einige Zeit             entsprechend dem Wissen und der Aufsichtsfunk-
                              ›eingefroren‹, sondern kann in seinen einzelnen          tion des Register Managers kompetent sind, so-
                              Elementen beständig weiterentwickelt werden –            wohl Änderungs- und Ergänzungsvorschläge für
                              allerdings übt die IHO als Eigentümerin des Regis-       die bestehenden Register zu machen als auch die
                              ters eine strenge Versionskontrolle aus. Alle Ände-      Einrichtung neuer Register anzuregen.
                              rungen müssen einem der nachfolgenden Typen
                              zuzuordnen sein:                                         6    Plan zur S-100/S-101-Entwicklung
                                  • Clarification (Klarstellung),                           und -Implementierung
                                  • Correction (Korrektur),                            Der Basisstandard S-100 »IHO Universal Hydro-
                                  • Extension (Erweiterung).                           graphic Data Model« (UHDM) ist gemäß den
                                                                                       Regularien der IHO nach Abstimmung der 80
                              5    Das Registry- bzw.                                  Mitgliedsstaaten verabschiedet und seit dem
                                   Register-Management                                 1. Januar 2010 formell etabliert worden. Ähnlich
                              Die inhaltliche Verantwortung für ein Register wird      wie S-57 die Basis für die Definition der gegen-
                              durch folgende Instanzen ausgeübt:                       wärtig genutzten »ENC Product Specification«
                                 • den Registry bzw. Register Owner,                   als separates Dokument liefert, soll S-100 als Rah-
                                 • den Registry bzw. Register Manager,                 menwerk für eine ganze Familie von Produktab-
                                 • die Registry bzw. Register Control Bodies,          leitungen mit unterschiedlichen thematischen
                                 • die Submitting Organisations.                       Schwerpunkten dienen. Die wichtigste auf S-100
                                                                                       basierende Produktspezifikation aus Sicht der IHO
                              Registry bzw. Register Owner                             wird S-101 sein – die ENC-Produktspezifikation der
                              Diese Körperschaft hat die Verantwortung für die         nächsten Generation. Abb. 2 zeigt den aktuellen
                              Registry bzw. das Register als Ganzes, d. h. sie steu-   Stand der »S-101-Roadmap« für die Entwicklung
                              ert die Einrichtung, den Betrieb und deren konzep-       und den Test bis zur Marktreife von S-101. Wird
                              tionelle Ausrichtung. Der Register Owner beruft          das »Year 0« mit dem Jahr 2014 gleichgesetzt, so
                              das Steuerungsgremium (»Control Body«), sorgt            ergibt sich bis zur Einführung ein Zeitraum von
Forschung & Entwicklung — 06-2014 — HN 98

weiteren dreieinhalb Jahren bis zum Beginn des        eine Aufgabe der schiffsausrüstenden Industrie,
Jahres 2018.                                          durch die Verdeutlichung von Produkt- und Kos-
   Ein solcher Zeitraum erscheint in Zeiten be-       tenvorteilen den Umstieg zu beschleunigen. Dafür
schleunigter technologischer Veränderung un-          bietet die Entgrenzung des S-100-Konzepts über
angemessen lang – jedoch ist der Bereich der          die Hydrographie hinaus attraktive Möglichkeiten.
Navigationsausrüstung für die internationale See-
schifffahrt aus Sicherheitsgründen außerordent-       7    Der Zauber der Interoperabilität
lich stark reglementiert und Anpassungen sind         Von Anfang der Entwicklung an wurde die Ab-
dementsprechend zeitaufwendig. Zudem erfor-           leitung von S-100-basierten Datenprodukten für
dert auch die Umstellung der Datenproduktions-        einen vergrößerten themenübergreifenden Nut-
systeme bei den staatlichen Hydrographischen          zerkreis – z. B. in der Ozeanographie und dem inte-
Diensten einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf      grierten Küstenzonenmanagement – angestrebt.
– und selbst in solchen Zeiträumen ist noch mit er-   Die offensichtlichen Vorteile des S-100-Konzepts
heblichen Schwierigkeiten zu rechnen. S-101 wird      sind unterdessen schon von weiteren Interessen-
S-57 als Basisstandard für ENCs zwar vermutlich im    gruppen akzeptiert worden. Einige Produktablei-
Jahr 2018 ablösen – aber auch danach wird es wei-     tungen sind bereits in der Umsetzungsphase; für
terhin ein paralleles Angebot von S-57-ENCs für       andere wurde zumindest der Namensraum zu-
Bestandsgeräte geben müssen. Noch ist unklar, in      künftiger Datenstandards bereits festgelegt (HSSC
welcher Weise die Produktionssysteme diese Par-       2013, Annex G):                                                                     11
allelität unterstützen werden.
   Für einen gewissen Zeitraum ist auch eine Kon-     International Hydrographic Organization IHO
vertierung denkbar, die gegebenenfalls auch beim         S-101 to S-199
Datenprovider durchgeführt wird. Solche Konver-          • IHO S-101 ENC (in Bearbeitung),
tersoftware ist bereits in einer Testphase. Dieses       • IHO S-102 Bathymetric Surface
Konzept versagt jedoch dann, wenn S-101-ENCs               (bereits verfügbar),
vom Hersteller zukünftig Eigenschaften mitgege-          • IHO S-103 Sub-surface Navigation,
ben werden, die in S-57 nicht vorgesehen sind.           • IHO S-111 Surface Currents,
Dazu gehören neue Geometriemöglichkeiten                 • IHO S-121 Maritime limits and boundaries
und bestimmte Attributierungen. Fraglich ist,              (in Bearbeitung),
ob die IMO in diesem Fall die Ausstattung der in         • IHO S-122 Marine Protected Areas,
Fahrt befindlichen Schiffe mit S-101-kompatiblen         • IHO S-123 Radio Services,
ECDIS-Systemen forcieren wird, denn mit einem            • IHO S-124 Navigational warnings,
Softwareupdate vorhandener Systeme wird eine             • IHO S-125 Navigational services,
Aufwärtskompatibilität in den meisten Fällen nicht       • IHO S-126 Physical Environment,
möglich sein. Vielmehr muss stattdessen erwartet         • IHO S-127 Traffic Management,
werden, dass es im Seebereich für einen gewissen         • IHO S-1xx Marine Services,
Zeitraum eine Zweiklassengesellschaft von Schif-         • IHO S-1xx Digital Mariner Routeing Guide,
fen mit S-57-kompatibler und S-100-kompatibler           • IHO S-1xx Harbour Infrastructure,
Navigationstechnik geben wird. Hierin liegt auch         • IHO S-1xx (Social/Political).
                                                                                                            Abb. 2: Value added Roadmap
                                                                                                            für die Entwicklung und
                                                                                                            Implementierung von S-101,
                                                                                                            Stand Mai 2014 (IHO 2014)
HN 98 — 06-2014 — Forschung & Entwicklung

                                         International Lighthouse Authority IALA                  • maritime Informations- und Datendienste
                                            S-201 to S-299                                          der Landseite (»Maritime Service Portfolios«),
                                            • IALA S-201 Aid to Navigation Information,           • die Kommunikationstechnologie,
                                            • IALA S-20x Inter-VTS Exchange Format,               • die hochverfügbare Bestimmbarkeit von
                                            • IALA S-20x Application Specific Messages,             Position, Kurs und Zeit,
                                            • IALA S-20x (Maritime Safety Information).           • die landseitige Infrastruktur.

                                         International Oceanographic Commission IOC             Das S-100-Register ist in seiner gegenwärtigen
                                            S-301 to S-399                                      Struktur für diesen über die Hydrographie hinaus
                                            • …                                                 enorm erweiterten thematischen Umfang nicht
                                                                                                eingerichtet. Der Autor dieses Artikels hat deshalb
                                         Various                                                vorgeschlagen, die S-100-Register-Definition auf-
                                           S-401 to …                                           zuweiten. Ziel ist die Transformation der gegen-
                                           • IEHG S-401 Inland ENC,                             wärtigen »Geospatial Information Registry« in eine
                                           • JCOMM S-411 Sea ice (bereits verfügbar),           »Marine Information Registry« unter Beibehaltung
                                           • JCOMM S-412 Met-ocean forecasts.                   der grundsätzlich in S-100 vorgegebenen Struk-
                                                                                                turen und technischen Realisierungen. Zu diesem
                                         Auf dem langen Weg von der Vision des S-100-           Zweck sollten folgende Registertypen eingeführt
12                                       Ansatzes zu dessen Realisierung in Form abgelei-       werden:
                                         teter Datenproduktdefinitionen ist dabei vor allem        • Feature (Objektklassen und Attribute),
                                         der Vorteil der Interoperabilität der Datensätze          • Exchange (Datenaustausch),
                                         unterschiedlicher Themengebiete als wirklich be-          • Portrayal (Visualisierung),
                                         deutender Technologieschritt immer deutlicher             • Interaction (Bedienerschnittstelle),
       Literatur
                                         geworden. Bei konsequenter Anwendung können               • Metadata (Daten über Daten).
       HSSC (2013): HSSC5 Final          nun auf der Anwenderseite auf vergleichsweise
          Minutes, Shanghai,             einfache Art Informationen aus Wissensgebieten         Diese Registertypen können zu einer Gruppe zu-
          November 2013                  miteinander verknüpft werden, die sich bisher          sammengefasst werden, die das »Basic Register«
       IHO (2010): IHO S-100 Standard    zwar immer thematisch, aber selten technisch           bildet. Das Gruppenelement »Exchange« wurde
          Version 1.0.0 – January 2010
       IHO (2014): IHO S-100 Value       nahe waren. Offensichtliche Assoziationen sind         eingefügt, um Datenaustauschformate aufzu-
          added Roadmap, May 2014        hier die Hydrographie, die Ozeanographie und           nehmen. Ebenfalls neu ist das Gruppenelement
       IMO (2009): IMO-MSC86/26:         die Meteorologie. Die E-Navigation-Strategie           »Interaction«. Es beheimatet Vereinbarungen über
          Report of the Maritime         der IMO könnte allerdings den Anlass bieten, die       ergonomische Anforderungen an Bedienknöpfe,
          Safety Committee on
          its eighty-sixth Session,      S-100-Architektur thematisch noch erheblich wei-       über Menüs und Ähnliches in Hard- und Software.
          London, 12 June 2009           ter ausgreifen zu lassen.                              Neben dem »Basic Register« wird ein »Product Re-
                                                                                                gister« aufgebaut. Es soll Produktspezifikationen
                                         8    E-Navigation baut auf S-100 auf                   enthalten, die – in Abwandlungen des gegenwär-
                                         Der Ausdruck »E-Navigation« tauchte erstmals           tigen S-100-Konzepts – nicht auf Datenaustausch-
                                         2008 auf dem Arbeitsplan des Schiffssicher-            formate beschränkt sind, sondern auch komplexe
                                         heitsausschusses MSC der IMO auf (IMO 2009).           Modelle von Dienstleistungen und physischen Ge-
                                         Die seinerzeit eingerichtete Korrespondenzar-          räten abbilden können. Möglicherweise bedarf es
                                         beitsgruppe unter norwegischer Leitung erfuhr          hier auf einer weiteren Ebene der Unterscheidung
                                         enorme Zustimmung und führt seitdem eine               zwischen »Services« und »Devices«. Daraus würde
                                         leidenschaftliche Debatte, wie die seemänni-           sich z. B. ergeben, dass für ECDIS eine komple-
                                         sche Schiffsführung im Zusammenwirken mit              xe maschinenlesbare Funktionsbeschreibung als
                                         der von Land aus betriebenen Verkehrslenkung           Produktspezifikation im »Product Register« bzw.
                                         im 21. Jahrhundert technisch ausgestaltet sein         »Product Device« enthalten sein könnte. Die Spe-
                                         könnte. Eine der wenigen allgemein akzeptierten        zifikationen für Datenaustauschformate der Geo-
                                         Ergebnisse dieser noch andauernden Diskussion          spatial Information Registry würden in den Regis-
                                         ist das Erfordernis der Definition eines übergrei-     tertyp »Exchange« verschoben. Die Spezifikation
                                         fenden E-Navigation-Datenmodells, welches alle         für S-101-ENCs würde sich dann unter dem Eintrag
                                         schifffahrts- und umweltbezogenen Thematiken           »Basic Register/Exchange/Environment/Hydrogra-
                                         strukturell abbilden kann.                             phy« wiederfinden.
                                            Diese sogenannte »Common Maritime Data                 Um tatsächlich alle Felder des E-Navigation-
                                         Structure« (CMDS) soll laut Beschluss der IMO auf      Konzepts in einer Registerstruktur abbilden zu
                                         dem S-100-Rahmenwerk der IHO aufbauen. Die             können, sollten – bis auf den Bereich »Metadata«
                                         CMDS bildet eine der sogenannten »sieben Säu-          – alle Registertypen in weitere thematische Haupt-
                                         len der E-Navigation« (siehe den Beitrag auf S. 14).   kategorien gegliedert werden:
                                         Möglicherweise ist sie das bedeutendste Element,           • Environment,
                                         denn sie liefert den verbindenden ›Zement‹ für die         • Infrastructure,
                                         anderen sechs Trägerelemente:                              • Units,
                                             • die generelle Systemarchitektur,                     • Operation,
                                             • die technische Schiffsausrüstung,                    • Load.
Forschung & Entwicklung — 06-2014 — HN 98

Der Vorschlag unterstellt, dass diesen fünf thema-      cation based services« – als detailreiche ergänzen-
tischen Hauptkategorien jedwede maritime The-           de Informationen zum aktuellen Aufenthaltsort in
matik, Gegebenheit und Aktivität zugeordnet wer-        Handys gehen konzeptionell weit über den von
den kann! Natürlich müssen die Hauptkategorien          ECDIS bekannten »pick report« als Abfrage der
für detaillierte Registereinträge noch weiter verfei-   Objekteigenschaften an einer geographischen
nert werden. Das folgende Beispiel soll diese Ver-      Position hinaus. S-100 wird die Implementierung
feinerung illustrieren, wobei zu bedenken ist, dass     solcher Funktionserweiterungen der Bordsysteme
das Registerkonzept insgesamt auf den weiteren          ebenso unterstützen wie »Augmented reality«:
Ausbau ausgelegt ist, wenn die Modellierung dies        die Fusion kartographisch aufbereiteter Geodaten
erfordert (vgl. Abb. 3):                                und dreidimensionaler fotografierter oder com-
    • Environment                                       putergenerierter Abbilder der Realität, die bereits
      Hydrography, Oceanography, Meteorology …          für die Navigation im Nebel erfolgreich erprobt
    • Infrastructure                                    wurden. Die sich im Landbereich sehr dynamisch
      Waterways, Harbour facilities, WWRNS, AIS,        entwickelnden mobilen GIS-Systeme werden
      LRIT, Communication systems (all relevant         dank S-100 ihre anwendungsgerechten Adaptio-
      frequency bands) …                                nen im Seeeinsatz wiederfinden. Derzeit steht vor
    • Units                                             allem die Dynamisierung des Kartenbilds durch
      Vessel, Floating unit, Group of units, Offshore   die Auswertung aktueller Strom- und Gezeiten-
      installation, Aircraft …                          daten ganz oben auf der Wunschliste der Anwen-                                       13
    • Operation                                         der. Hier wird die Interoperabilität der Datensätze
      Voyage, Crew, ISM, Pilotage, Security, VTS,       ebenso für Fortschritte sorgen wie auch bei einer
      MIS, SAR …                                        integrativen Verwertung ozeanographischer und
    • Load                                              meteorologischer Daten, die die unzeitgemäße
      Cargo, Passenger, Fuel, Waste …                   Separation der Hydrographie, der Ozeanographie
                                                        und der Meteorologie überwinden und den Be-
Die nächste Ebene könnte folgendermaßen verfei-         darfsträgern ganz neue thematische Verknüpfun-
nert sein (vgl. Abb. 3):                                gen von Informationen des Seeraumes anbieten
   • Vessel                                             könnte. Ein darüber noch hinausreichendes Ziel
     Navigation, Voyage, Engine, Facilities, Spare      könnte die Modellierung aller marinen Aspekte im
     parts …                                            Rahmen der E-Navigation-Strategie der IMO sein.
                                                        Die Umsetzungsschritte des daraus abgeleiteten
Die notwendige Granularität der Registerstruktur        Programms sind unter den IMO-Mitgliedsstaaten
hängt von den spezifischen Anforderungen der zu         jedoch derzeit umstritten. Vom Verlauf dieser Dis-
modellierenden Entität ab. In überlappenden The-        kussion wird abhängen, wann sich der Blick wie-
mengebieten müsste das Registermanagement               der auf die Notwendigkeit der Ertüchtigung von
für eindeutige Zuweisungen sorgen. Beispiele            S-100 als maritimes Weltdatenmodell richten wird.
dafür wären die Registerbereiche »Hydrography«          Die IHO muss die verbleibende Zeit nutzen, um
                                                                                                                    Abb. 3: Vorschlag für
unter der Aufsicht der IHO und »Oceanography«           Realisierungen des S-100-Konzepts in Form von            eine Registerstruktur zur
in der Zuständigkeit der IOC. Seezeichen und Ver-       S-100-konformen Datendiensten auf den Weg zu          objektorientierten Beschrei-
kehrsleitdienste könnten dagegen von der IALA           bringen. “                                               bung der Entität »Vessel«
betreut werden usw. Die Koordinierung dieser
Registeraufsicht könnte durch die bereits durch
die IMO eingerichtete »IMO/IHO Harmonization
Group on Data Modeling« (HGDM) erfolgen, die
ihre Tätigkeit jedoch noch nicht aufgenommen
hat. Für die am stärksten im Fokus der Modellie-
rung stehende Einheit – das »Schiff« (»Vessel«) –
könnte das Registermanagement direkt im Auf-
trag der IMO ausgeübt werden. Abb. 3 zeigt ein
Beispiel, wie die entsprechende Struktur in einer
zukünftigen »Marine Information Registry« aufge-
baut sein könnte.

Ausblick
Die Elektronische Seekarte kann für sich das histo-
rische Verdienst beanspruchen, das erste mobile
digitale Geoinformationssystem gewesen zu sein,
das die Mobilität seines Trägers aktiv steuert. Wur-
den im Seeeinsatz zunächst einige Entwicklungen
vorweggenommen, die später im Landbereich re-
üssierten – z. B. die Routenplanung –, so scheint
sich dieser Trend gegenwärtig umzukehren. »Lo-
HN 98 — 06-2014 — Forschung & Entwicklung

       E-Navigation – ein Überblick
       Ein Beitrag von Jan-Hendrik Oltmann

       Dieser Aufsatz stellt die E-Navigation-Strategie der Weltschifffahrtsbehörde IMO in ei-
       nem Überblick vor. Ausgehend von den Grundprinzipien dieser Strategie, namentlich
       die Harmonisierung der maritimen Datenwelt, wird in einem ersten Teil die abstrakte
       Definition der IMO für E-Navigation erläutert, anschließend werden deren Ziele darge-
       stellt. Der zweite Teil widmet sich der konkreten Ausgestaltung und den beabsichtigten
       konkreten Umsetzungsschritten für E-Navigation: Zunächst werden die »sieben Säulen
       von E-Navigation« im Einzelnen vorgestellt. Anschließend werden die wesentlichen
       Inhalte des gegenwär-
       tig in einer Entwurfs- E-Navigation-Denkrahmen | Harmonisierung | Standardisierung | Maritime Dienste-Angebote – MSPs
       fassung vorliegenden Gemeinsame Maritime Datentruktur – CMDS | PNT (Position, Navigation, Timing) | Kommunikationsmittel
       »E-Navigation-Strate- Nachhaltiges Maritimes Transportsystem – SMTS | Schiffsausrüstung | Landinfrastruktur | S-100 | S-99
       gie-Implementierungs- Strategy Implementation Plan – SIP | Funknavigationssystem – WWRNS | Seenotrettungssystem – GMDSS
       Plans« (SIP) der IMO
14     summarisch dargestellt. 1          Die Harmonisierung der                             Liegeplatz zu Liegeplatz und damit zusammen-
       Der Aufsatz schließt               maritimen Datenwelt – oder:                        hängender Dienste, zur Verbesserung der Sicher-
       mit einer Einschätzung             die »drei Seiten der Münze«                        heit auf See in jeder Hinsicht und zum Schutz der
       zu den zu erwarten- Seit 2008 arbeitet die Weltschifffahrtsbehörde maritimen Umwelt (Übersetzung des Autors).
       den Auswirkungen von IMO (International Maritime Organisation) mit Sitz
       E-Navigation.                in London an der Ausgestaltung ihrer E-Navigati- In dieser Definition treten nun folgende Einzelhei-
                                    on-Strategie.                                            ten hervor:
                                       Kurz und bündig zusammengefasst ist das Neue             • E-Navigation ist eine Strategie, die einen
                                    an E-Navigation, dass man die gemeinsame Sicht                neuen Denkrahmen schafft, also ein strate-
                                    auf die Schiffsseite, die Landseite und auf die zwi-          gisches Konzept. Es gibt also kein E-Naviga-
                                    schen beiden erforderlichen Kommunikationsmit-                tion-Gerät oder E-Navigation-System, das
                                    tel und Kommunikationsbeziehungen auf dem                     man irgendwo kaufen könnte oder müsste.
                                    Weg der maritimen Welt in das »digitale Zeitalter«            Natürlich hat jeder (neue) Denkrahmen frü-
                                    konsequent zum Ausgangspunkt macht und zum                    her oder später Auswirkungen auf konkrete
       Autor                        obersten   Gestaltungsprinzip    erhebt.                      Installationen und Anwendungen. Die be-
       Jan-Hendrik Oltmann ist         Die Abb. 1 illustriert die so entstandene Sicht als        reits erkennbaren Auswirkungen dieser Art
       Dezernent für Maritime Ver-  die »drei Seiten der Münze« – derselben Münze.                sollen in diesem Aufsatz vorgestellt werden.
       kehrstechnik in der General- Dieser Denkrahmen erfordert notwendigerweise                • E-Navigation bezieht sich auf Daten und
       direktion Wasserstraßen und  überall »Harmonisierung«, und so ist Harmonisie-              Informationen. Insofern Daten und Infor-
       Schifffahrt in Kiel
                                    rung auch bei E-Navigation ein häufig gebrauch-               mationen nicht an sich Gegenstand einer
       Kontakt unter:               tes Wort.                                                     fachlichen Betrachtung oder eines (Daten-)
       jan-hendrik.oltmann                                                                        Produktes sind, bezieht sich E-Navigation
       @wsv.bund.de                 2 Die abstrakte Definition                                    auf die informationstechnischen Abbilder
                                          von E-Navigation                                        (»Datenmodelle«) von realen Objekten. Inso-
                                    Mit dieser Zusammenfassung als Ausgangspunkt                  fern sollte sich jeder, der mit (elektronischen)
                                    kann man sich nun der abstrakten Definition von               Abbildern der physischen Realität, wie sie z. B.
                                    E-Navigation nähern, um das Anliegen, das die                 in elektronischen Seekarten vorliegen, um-
                                    IMO mit E-Navigation verfolgt, noch umfassender               zugehen gewohnt ist, im Denkrahmen von
                                    zu erfassen:                                                  E-Navigation grundsätzlich zu Hause fühlen.
                                       »E-navigation is the harmonized collection, inte-        • Die einzelnen Funktionen, die man auf ma-
                                    gration, exchange, presentation and analysis of ma-           ritime Daten und Informationen anwenden
                                    rine information on board and ashore by electronic            kann und die mittels E-Navigation harmo-
                                    means to enhance berth to berth navigation and                nisiert werden sollen, werden benannt als
                                    related services for safety and security at sea and pro-      deren Sammlung, Integration (d. h. Zusam-
                                    tection of the marine environment« (IMO 2009).                menführung oder Verknüpfung), deren
                                                                                                  Austausch, Darstellung und Analyse.
                                    Die deutsche Übersetzung der Definition lautet:             • Eine ganzheitliche Sicht auf die Bord- und
                                       E-Navigation ist die harmonisierte Sammlung,               Landseite und die elektronischen Mittel zur
                                    die harmonisierte Integration, der harmonisierte              Datenübermittlung ist bereits in der Definiti-
                                    Austausch, die harmonisierte Darstellung und die              on von E-Navigation angelegt; dadurch wird
                                    harmonisierte Analyse von schifffahrtsbezoge-                 grundsätzlich auch der Datenpfad insgesamt
                                    ner Information an Bord von Schiffen und auf der              in den Blick genommen: Es wird unterstellt,
                                    Landseite durch elektronische Hilfsmittel mit dem             dass es eine Datenquelle und eine Datensen-
                                    Ziel der Verbesserung der Fahrt von Schiffen von              ke für jedes Datenobjekt gibt, deren Eigen-
Forschung & Entwicklung — 06-2014 — HN 98

    schaften im Idealfall einer weltweit harmo-               benannt, was im Deutschen aber nur mit »Si-
    nisierten Beschreibung entsprechen (sollen),              cherheit« oder »Sicherheit in jeder Hinsicht«
    und dass dies auch für die oben genannten                 wiedergegeben werden kann.
    Datenverarbeitungsfunktionen entlang des                • Der »Schutz der maritimen Umwelt« wird
    Datenpfades zutrifft.                                     nicht eingegrenzt auf ein bestimmtes Ver-
•   Dabei wird die Konnektivität zwischen mari-               ständnis von »Schutz der maritimen Umwelt«.
    timen Teilnehmern nicht eingeschränkt; im               • Per Definition nimmt E-Navigation zwar die
    Gegenteil: Es werden bewusst alle grund-                  Fahrt eines Schiffes »von Liegeplatz zu Liege-
    sätzlich denkbaren Datenpfade – wie z. B.                 platz« in den Blick, aber es ist auch erklärtes
    ausschließlich an Bord des eigenen Schiffes,              Ziel von E-Navigation, Transport und Logistik
    zwischen verschiedenen Schiffen, zwischen                 insgesamt zu unterstützen (siehe unten).
    Schiff und Land (in beide Richtungen) und               • Beiden letztgenannten Aspekten gleichzei-
    auch zwischen Land-Systemen – einbezogen.                 tig Rechnung tragend, wurde E-Navigation
•   E-Navigation bezieht sich auf »elektronische              inzwischen selbst in den größeren Zusam-
    Hilfsmittel«. Das ist weder ausschließlich                menhang des vom Generalsekretär der
    gleichzusetzen mit »digital«, noch wird damit             IMO propagierten »Nachhaltigen Maritimen
    ausgeschlossen, dass der von E-Navigation                 Transportsystems« (Sustainable Maritime
    inzwischen aufgespannte Denkrahmen auch                   Transportation System, SMTS) gestellt, näm-
    nicht-elektronische Hilfsmittel der Schifffahrt,          lich als ein wesentlicher Beitrag zu diesem                                         15
    z. B. im visuellen Bereich, in den Blick nimmt,           (IMO 2013).
    nämlich um diese mit dem Denkrahmen von
    E-Navigation zu harmonisieren.                      3     Die abstrakten Ziele
•   Die Bedeutung von »navigation« im Eng-                    von E-Navigation
    lischen ist wesentlich umfassender als die          Diese Definition wird entfaltet und untermau-
    Bedeutung des Worts »Navigation« im Deut-           ert durch eine präzise und nach wie vor gültige
    schen: Im Deutschen stellt »Navigation« eine        Ziel- und Inhaltsbeschreibung der IMO für ihre
    Untermenge der Nautik dar und bedeutet im           E-Navigation-Strategie (IMO 2008, vgl. IMO 2009,
    Wesentlichen die Standortbestimmung und             wo der Wortlaut identisch ist). Die elf »Kernziele«
    Routenplanung auf See. Im Englischen gibt           von E-Navigation lauten übersetzt (und im engli-
    es kein Wort für »Nautik«, und es wird daher        schen Original-Wortlaut):
    der Ausdruck »navigation« verwendet. Daher             • die in jeder Hinsicht sichere Fahrt von Schif-
    ist in der Definition von E-Navigation das                fen unter Berücksichtigung von hydrogra-
    englische Wort »navigation« im Deutschen                  phischen, meteorologischen und navigatori-
    mit »Fahrt« (von Schiffen) zu übersetzen,                 schen Informationen und Risiken zu fördern
    was im Übrigen aus dem Zusammenhang                       (»facilitate safe and secure navigation of vessels
    mit »berth-to-berth« als von »Liegeplatz zu               having regard to hydrographic, meteorological
    Liegeplatz« in der Definition hervorgeht.                 and navigational information and risks«);
•   Im englischen Wortlaut werden sowohl                   • die Beobachtung und das Management des
    »Safety« als auch »Security« ausdrücklich als             Schiffsverkehrs durch landseitige Einrichtun-
    Teil der Zweckbestimmung von E-Navigation                 gen zu fördern, wo angebracht
                                                                                                                   Abb. 1: Die »drei Seiten der
                                                                                                                   Münze« von E-Navigation –
                                                                                                                   derselben Münze

       »harmonisierte Sammlung, die         »harmonisierter Austausch«   »harmonisierte Sammlung, die
        harmonisierte Integration, der           mittels virtueller       harmonisierte Integration, der
        harmonisierte Austausch, die              und physischer          harmonisierte Austausch, die
        harmonisierte Darstellung und die         Verbindungen            harmonisierte Darstellung und die
        harmonisierte Analyse von                (mit geeigneten          harmonisierte Analyse von
        maritimer Information an Bord«            Technologien)           maritimer Information an Land«
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