Ifo Dresden berichtet 2/2015 - ifo Institut
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2/2015 www.ifo-dresden.de ifo Dresden berichtet Kommentar Alexander Eck, Sabine Gralka, Julia Heller und Joachim Ragnitz VorwortzudieserAusgabe Joachim Ragnitz ForschungsförderunginOstdeutschland:EinKommentar Aktuelle Forschungsergebnisse Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller NeueHerausforderungenimHochschulbereichOstdeutschlands?! EineBestandsaufnahmederdemographischenundrechtlichen Rahmenbedingungen Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller ImmerwenigerStudierende?ImmerwenigerGeld?EineBestands- aufnahmemonetärerundnichtmonetärerKennzahlenfürostdeutsche Hochschulen Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller ZurEffizienzderHochschulenindenost-undwestdeutschen Flächenländern Tina Haußen und Silke Übelmesser MobilitätvonHochschulabsolventeninDeutschland Im Blickpunkt Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller ProjektionderStudierendenzahlen:Ostdeutschlandwirdes schwerhaben Daten und Prognosen RegionalisierungdesifoKonjunkturtests ArbeitsmarktentwicklunginSachsen
ifo Dresden berichtet ISSN0945-5922 22. Jahrgang(2015) Herausgeber:ifoInstitut– Leibniz-InstitutfürWirtschafts- forschunganderUniversitätMünchene. V., NiederlassungDresden,Einsteinstraße3,01069Dresden, Telefon:0351 26476-0,Telefax:0351 26476-20 E-Mail:dresden@ifo.de Internet:http://www.ifo-dresden.de Redaktion:JoachimRagnitz TechnischeLeitung:KatrinBehm Vertrieb:ifoInstitut,NiederlassungDresden Erscheinungsweise:zweimonatlich Bezugspreisjährlich:25,00€ PreisdesEinzelheftes: 5,00€ Preiseeinschl.Mehrwertsteuer,zzgl.Versandkosten TeilnehmeranregelmäßigenifoUmfragenerhalteneinenRabatt. GrafikDesign:© ifoInstitutMünchen SatzundDruck:c-macspublishingserviceDresden NachdruckundsonstigeVerbreitung(auchauszugsweise): NurmitQuellenangabeundgegenEinsendung einesBelegexemplares.
Inhalt 1 ifo Dresden berichtet 2/2015 Kommentar Vorwort zu dieser Ausgabe 3 Alexander Eck, Sabine Gralka, Julia Heller und Joachim Ragnitz Forschungsförderung in Ostdeutschland: Ein Kommentar 4 Joachim Ragnitz Aktuelle Forschungsergebnisse Neue Herausforderungen im Hochschulbereich Ostdeutschlands?! Eine Bestandsaufnahme der demographischen und rechtlichen Rahmenbedingungen 7 Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller Die demographischen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Hochschulen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des IFO INSTITUTS, Niederlassung Dresden, zu den Rahmenbedingungen der Leistungserstellung ostdeutscher Hochschulen. Der Hoch- schulbereich wird seit der Föderalismusreform 2006 dem alleinigen Zuständigkeitsbereich der Länder zu- geordnet. Sie geben die Ausrichtung der Hochschulen vor und stellen Mittel zur Finanzierung bereit. Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, welchen Bedingungen die Länder bei der Hochschulfinanzierung aus demographischer Sicht gegenüberstehen und inwiefern sich die rechtlichen Rahmenbedingungen der Hochschulfinanzierung für die Hochschulen in den Ländern unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass die ostdeutschen Flächenländer den Rückgang der Studienberechtigtenzahl seit dem Jahr 2008 durch die Attrahierung von Studienanfängern bis zum Jahr 2012 weitgehend haben kompensieren kön- nen. Der Vergleich der rechtlichen Rahmenbedingungen zeigt, dass bundesweit ein zunehmender Wett- bewerb zwischen und auch innerhalb von Hochschulen angestrebt wird. So werden die den Hochschulen global zur Verfügung gestellten Mittel zunehmend leistungsorientiert an die Hochschulen vergeben. Immer weniger Studierende? Immer weniger Geld? Eine Bestandsaufnahme monetärer und nichtmonetärer Kennzahlen für ostdeutsche Hochschulen 17 Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller Die ostdeutschen Hochschulen können die veränderten demographischen Rahmenbedingungen durch Wanderungsgewinne annähernd kompensieren – die Zahl der Studierenden bleibt, ebenso wie die Lau- fenden Ausgaben je Studierenden, etwa konstant. Gleichzeitig sinken jedoch die vom Land zugewiesenen Mittel. Die Bedeutung der Drittmitteleinnahmen an den Hochschulen steigt folglich an. Zu diesen Ergeb- nissen kommt das IFO INSTITUT, Niederlassung Dresden, in einer Auswertung monetärer und nichtmonetä- rer Kennzahlen für die ostdeutschen Hochschulen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Struktur und Entwicklung des Hochschulbereichs in Ostdeutschland. Dies geschieht vor dem Hinter- grund veränderter demographischer und rechtlicher Rahmenbedingungen, welche die Aufgabenerfüllung im Bereich der Lehre und Forschung jedoch nicht einschränken dürfen. Zur Effizienz der Hochschulen in den ost- und westdeutschen Flächenländern 33 Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller Die Effizienz der Hochschulen in den Flächenländern Ost und West liegt im Durchschnitt auf annähernd gleichem Niveau. Innerhalb der ostdeutschen Flächenländer sind auf Länderebene zwischen den Univer- sitäten jedoch erhebliche Effizienzunterschiede festzustellen. Zu diesen Ergebnissen kommt das IFO INSTI- TUT, Niederlassung Dresden, in einer Effizienzanalyse für deutsche Universitäten und Fachhochschulen. Zur Bestimmung der Effizienz werden zwei Ansätze, die Data Envelopment Analysis (DEA) sowie die ifo Dresden berichtet 2/2015
2 Inhalt Stochastic Frontier Analysis (SFA), herangezogen. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Methode und Anwendung der Effizienzanalyse und zeigt im Anschluss die Ergebnisse der Untersuchung für beide betrachteten Hochschultypen (Universitäten und Fachhochschulen) auf. Mobilität von Hochschulabsolventen in Deutschland 42 Tina Haußen und Silke Übelmesser Der demographische Wandel wird viele Bundesländer in Zukunft vor große wirtschaftspolitische Heraus- forderungen stellen, da die Abnahme der Erwerbsbevölkerung die wirtschaftliche Dynamik bremst. Dem Versuch, den Fachkräftebedarf durch verstärkte Ausbildung zu decken, sind wegen der hohen Mobilität junger Arbeitskräfte jedoch Grenzen gesetzt, denn Hochschulabsolventen sind gerade für ihre ersten Be- schäftigungsverhältnisse über Bundeslandgrenzen hinweg sehr mobil. Dies schwächt für einige Bundes- länder die demographisch bedingten Auswirkungen ab, während es sie für andere verstärkt. Im Rahmen dieses Beitrags soll das Wanderungsverhalten von Hochschulabsolventen analysiert werden. Ein beson- deres Augenmerk liegt dabei auf den Wanderungsdefiziten bzw. -überschüssen während der ersten fünf Jahre nach Studienabschluss. Dies ermöglicht wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Bereitstellung und Finanzierung von Hochschulbildung Im Blickpunkt Projektion der Studierendenzahlen: Ostdeutschland wird es schwer haben 51 Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller Den ostdeutschen Flächenländern wird es in ihrer Gesamtheit zukünftig möglicherweise nicht mehr ge- lingen, die Effekte des demographischen Wandels durch Wanderungsgewinne zu kompensieren. Dies ist das Ergebnis verschiedener Projektionen zur zukünftigen Entwicklung der Studierendenzahl, die das IFO INSTITUT, Niederlassung Dresden, auf Basis der Bildungsvorausberechnung 2012 und der Studien- anfängerprognose der KULTUSMINISTERKONFERENZ berechnet hat. In diesem Blickpunkt wird zunächst die Entwicklung der Studienanfängerzahlen in den ostdeutschen Flächenländern im Vergleich zu den Flächenländern West dargestellt. Auf Basis dieser Zahlen wird für diese Regionen die Zahl der Studie- renden bis zum Jahr 2025 berechnet. Die Projektion ist für die Flächenländer West in den Szenarien eher optimistischer als für die einzelnen ostdeutschen Flächenländer. Daten und Prognosen Starkes erstes Quartal 2015 der ostdeutschen Wirtschaft: ifo Geschäftsklima im März 2015 56 Robert Lehmann Uneinheitliche Entwicklungen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt 59 Michael Weber Aus der ifo Werkstatt ifo Veranstaltungen 62 ifo Vorträge 62 ifo Veröffentlichungen 64 ifo intern 65 ifo Dresden berichtet 2/2015
Kommentar 3 Vorwort zu dieser Ausgabe Alexander Eck, Sabine Gralka, Julia Heller und Joachim Ragnitz* Hochschulen haben eine große Bedeutung für die Attrak- einem dritten Beitrag eine Übersicht über die Effizienz im tivität und Entwicklung einer Region. Für die Länder, in Mitteleinsatz der ostdeutschen Universitäten und Fach- deren Verantwortungsbereich Hochschulsteuerung und hochschulen. Die empirischen Befunde zeigen, dass die Hochschulfinanzierung liegen, bestehen daher große An- Effizienz der Hochschulen in den Ländergruppen Flä- reize, ein reichhaltiges Hochschulangebot bereitzustellen. chenländer Ost und West im Durchschnitt auf gleichem Hierdurch sollen Fachkräftenachschub für die Region, Niveau liegt. Es sind jedoch erhebliche Effizienzunter- Ausgründungen, Forschung und Entwicklung sowie Wei- schiede zwischen den Universitäten der ostdeutschen terbildungsangebote gesichert werden. Da die Hochschul- Flächenländer feststellbar. In einem weiteren Artikel wird finanzierung jedoch einen erheblichen Teil der Länder- untersucht, inwieweit die Ausbildungsleistung der Hoch- haushalte ausmacht, muss gleichzeitig kontrolliert werden, schulen einer Region tatsächlich der dortigen Wirtschaft wie die Hochschulen mit den vereinnahmten Mitteln um- zugutekommt. Tatsächlich zeigt sich, dass die Mobilität gehen. Vor diesem Hintergrund hat der LANDESRECHNUNGS- von Studienabsolventen vergleichsweise hoch ist, so- HOF MECKLENBURG-VORPOMMERN das IFO INSTITUT, Nieder- dass einige Bundesländer deutlich mehr Studenten aus- lassung Dresden im Rahmen eines Prüfauftrags [vgl. LRH bilden als fünf Jahre nach Abschluss dort beschäftigt sind. M-V (2014)] mit der Erstellung eines Gutachtens beauf- Abschließend wird im Blickpunkt kurz wiedergegeben, tragt, in dem die Finanzierung und die Leistungen der wie sich die Studierendenzahlen in den ostdeutschen Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern untersucht Flächenländern gemäß verschiedener Schätzungen zu- werden sollten [ECK et al. (2015)]. künftig entwickeln könnten. Die Zahl der Studierenden Ausgesuchte Inhalte aus dem Gutachten sollen in wird dabei bis zum Jahr 2025 in den Projektionsrechnun- dieser Themenausgabe von ifo Dresden berichtet einem gen in allen ostdeutschen Flächenländern stabil oder breiten Publikum zugänglich gemacht werden.1 Dafür leicht rückläufig sein. Politik und die Hochschulen müs- wurde zugunsten einer übersichtlichen Ergebnisdarstel- sen daher weiterhin Anstrengungen unternehmen, die lung eine Beschränkung auf den Ländervergleich vorge- Attraktivität des eigenen Hochschulstandorts zu erhalten. nommen, mithin auf eine Darstellung auf Ebene einzelner Hochschulen verzichtet, und der Berichtskreis auf alle öffentlichen Hochschulen Ostdeutschlands ausgeweitet. Literatur Zunächst werden in einem ersten Beitrag die Rah- menbedingungen der Leistungserstellung und Finanzie- ECK, A.; GRALKA, S.; HELLER, J.; NAGL, W. und J. RAGNITZ rung von Hochschulen in Ostdeutschland dargestellt. (2015): Hochschulfinanzierung in Mecklenburg-Vorpom- Dies umfasst einerseits die demographischen Entwick- mern, Gutachten im Auftrag des Landesrechnungs- lungen in den ostdeutschen Flächenländern ebenso wie hofs Mecklenburg-Vorpommern, ifo Dresden Studien 75, das Wanderungsverhalten von Studienanfängern, ande- München/Dresden. rerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen der Hoch- LRH M-V – LANDESRECHNUNGSHOF MECKLENBURG-VORPOM- schulfinanzierung, beispielsweise die Ausgestaltung der MERN (Hrsg.) (2014): Sonderbericht über die Prüfung Mittelzuweisungen an die Hochschulen. In einem weite- der Hochschulfinanzierung, 18. 12. 2014, Schwerin. ren Beitrag werden die Einnahmen und Ausgaben der Hochschulen auf Länderebene dargestellt und mit dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer vergli- chen. Während die Laufenden Ausgaben der Hochschu- * Prof. Joachim Ragnitz ist stellvertretender Geschäftsführer; Alexander len im Ländervergleich in den vergangenen Jahren einen Eck und Julia Heller sind Doktoranden der Niederlassung Dresden des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität annähernd konstanten Verlauf aufweisen, zeigt sich bei München e. V., Sabine Gralka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der der Betrachtung der Einnahmen eine zunehmend größer Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung der Technischen Universität Dresden. werdende Bedeutung der zusätzlich zur Grundfinan- 1 Einzelne Textpassagen können sich dabei mit denen im Gutachten [ECK zierung eingenommenen Drittmittel. Hiernach erfolgt in et al. (2015)] decken. ifo Dresden berichtet 2/2015
4 Kommentar Forschungsförderung in Ostdeutschland: Ein Kommentar Joachim Ragnitz* Zu Recht gilt die Erhöhung der Innovationstätigkeit in es nicht darauf ankommt, wo technologische Erfolge er- Ostdeutschland inzwischen als wichtigstes politisches zielt werden, sondern nur darauf, dass sie überhaupt Handlungsfeld des Aufbau Ost: Zum einen kann unter realisiert werden. Die von der Bundesregierung in Über- den Bedingungen globalen Wettbewerbs ein hohes Ein- einstimmung mit entsprechenden EU-Vorgaben in den kommens- und Beschäftigungsniveau auf Dauer nur durch letzten Jahren propagierte „Hightech-Strategie“ konzen- fortgesetzte Stärkung der technologischen Leistungs- triert sich daher nur folgerichtig auf Zentren wissenschaft- fähigkeit, also durch Produkt- oder Prozessinnovationen licher Exzellenz in bestimmten Themenfeldern unabhän- erreicht werden, und zum anderen ist ein Nachholbedarf gig von deren Standort. Im Rahmen dieser Strategie sind bei den „klassischen“ Handlungsfeldern der Wirtschafts- allerdings auch Sonderprogramme für die neuen Länder förderung (Ausbau der Infrastruktur, Sachkapitalförde- aufgelegt worden [insbesondere die Initiativen „Zentren rung) inzwischen kaum mehr festzustellen. Forschung und für Innovationskompetenz“ (2002–2017), „Spitzenfor- Innovation sind hingegen bis heute eher schwach ausge- schung und Innovation in den Neuen Ländern“ (2009– prägt (vgl. Tab. 1): Die Aufwendungen für Forschung und 2014) und „Zwanzig20: Partnerschaft für Innovation“ Entwicklung (FuE) liegen in Relation zum Bruttoinlands- (2013–2020)]. Die im Rahmen dieser Programme geför- produkt zwischen knapp 3 % in Sachsen und weniger als derten thematischen Forschungscluster zeigen recht deut- 1,5 % in Sachsen-Anhalt, während in den forschungs- lich, dass es auch in Ostdeutschland Spitzenforschungs- stärksten Bundesländern Westdeutschlands deutlich über einrichtungen gibt – aber auch, dass sich diese auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts in FuE investiert werden. einige wenige (Hochschul-)Standorte konzentrieren und Dies resultiert dann wiederum auch in einer niedrigen daher nicht unbedingt in der Breite der neuen Länder Zahl an Patentanmeldungen als wichtigstem outputseiti- wirken. gen Innovationsindikator. Jüngste Erhebungen des ZEW Ohnehin weist eine auf Exzellenz ausgerichtete For- (2015) zeigen überdies, dass der mit neuen Produkten schungsförderung eine Reihe von Problemen auf: Zum erzielte Umsatzanteil bei den Industrieunternehmen in einen sind die Aktivitäten der Spitzenforschung primär im Ostdeutschland mit 12,1% deutlich niedriger ist als in Bereich der Grundlagenforschung angesiedelt und damit Westdeutschland (19,6 %). in den seltensten Fällen unmittelbar auch wirtschaftlich Vergleichsweise gut positionieren sich die ostdeut- nutzbar. Gerade die lokale Wirtschaft profitiert hiervon schen Länder zwar bei den FuE-Aktivitäten im Hoch- zudem nur wenig: Soweit es zu Kooperationen „mit der schulsektor und bei der staatlich finanzierten Forschung; Wirtschaft“ kommt, sind eher international orientierte unter den Flächenländern belegen ostdeutsche Länder Großkonzerne die hierfür geeigneten Partner, weil nur hier die Spitzenplätze. Bei der FuE in der Wirtschaft hin- diese die personellen und finanziellen Kapazitäten auf- gegen liegen sie (mit Ausnahme Sachsens) weit hinten. weisen, Ergebnisse der Grundlagenforschung in die markt- Die Gründe hierfür sind bereits häufig benannt worden: fähige Produkte zu transformieren. Und zum anderen ge- Ein eher schwach ausgeprägter industrieller Sektor (als neriert gerade diese „High-End“-Forschung in hohem wesentlicher Träger von FuE), die Dominanz von reinen Maße ein Expertenwissen, das durch hohe Exklusivität Produktionsstätten ohne eigene FuE-Abteilungen und gekennzeichnet ist und deswegen nur in eingeschränk- schließlich die kleinteilige Wirtschaftsstruktur (Forschung tem Maße externe Effekte für Dritte generieren kann. findet in Deutschland vor allem in Großunternehmen Vielmehr erwerben die jeweiligen Akteure durch ihre For- statt). schung einen Wissensvorsprung, der durch Außenstehen- Sieht man Forschung und Innovation vor allem unter de nur noch schwer aufgeholt werden kann. Die hieraus technologiepolitischem Aspekt, so muss die Konzentra- resultierenden „Skalenerträge“ wissenschaftlicher For- tion von FuE-Aktivitäten auf Länder wie Bayern, Baden- schung sind nach den Erkenntnissen der „New Econo- Württemberg oder Hessen nicht weiter bekümmern, da mic Geography“ ein wesentlicher Grund dafür, dass es entgegen den Vorhersagen der neoklassischen Wirt- schaftstheorie eben nicht zur Konvergenz von Regionen * Prof. Joachim Ragnitz ist stellvertretender Geschäftsführer der Nieder- lassung Dresden des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung kommt, sondern eher zu einer Polarisierung. Dies gilt an der Universität München e. V. insbesondere dann, wenn, wie in vielen Regionen der ifo Dresden berichtet 2/2015
Kommentar 5 Tabelle 1: Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung 2012 am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (in %) Bundesland Staat Hochschulen Wirtschaft Insgesamt Baden-Württemberg 0,40 0,56 4,18 5,14 Bayern 0,34 0,44 2,45 3,23 Berlin 1,29 0,90 1,40 3,60 Brandenburg 0,77 0,37 0,57 1,70 Bremen 0,94 0,76 1,02 2,71 Hamburg 0,48 0,53 1,31 2,32 Hessen 0,22 0,47 2,46 3,15 Mecklenburg-Vorpommern 0,73 0,68 0,70 2,10 Niedersachsen 0,38 0,52 1,99 2,89 Nordrhein-Westfalen 0,33 0,50 1,25 2,08 Rheinland-Pfalz 0,17 0,43 1,48 2,07 Saarland 0,43 0,49 0,56 1,48 Sachsen 0,81 0,80 1,30 2,91 Sachsen-Anhalt 0,50 0,49 0,44 1,43 Schleswig-Holstein 0,38 0,39 0,71 1,49 Thüringen 0,55 0,66 1,06 2,27 Deutschland 0,41 0,51 1,96 2,88 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014). neuen Länder, die Voraussetzungen für erfolgreiche Grund- aus regionalökonomischer Sicht bedeutsam und daher lagenforschung nicht gegeben sind; hier fehlt es nicht ein wesentlicher Bestandteil regionalwirtschaftlicher Ent- nur an geeigneten Institutionen, sondern oftmals auch an wicklungsstrategien. den benötigten Fachkräften. Eine Politik, die auf die För- Eigene FuE-Aktivitäten sind ein möglicher Bestandteil derung von Spitzenforschung setzt, kann insoweit die entsprechender Strategien; genauso wichtig kann aber – Ziele einer regionalen Ausgleichspolitik konterkarieren. aus unternehmerischer Perspektive – auch die Übernah- Aus regionalökonomischer Sicht geht es daher auch me und ggf. Adaption anderswo bereits existierender nicht so sehr darum, wissenschaftliche Spitzenleistun- Neuerungen sein. Die genannte ZEW-Untersuchung zeigt, gen zu erbringen, sondern vielmehr darum, die regionale dass nur rund die Hälfte der Innovationsaufwendungen Wirtschaftskraft durch Innovationen in den Unternehmen in Deutschland auf FuE-Ausgaben entfällt (Ostdeutsch- zu stärken. Dabei kann es zwar auch um die Überfüh- land: 47 %/Westdeutschland: 58 %). Eine innovations- rung neuer technologischer Erkenntnisse in Produkte und orientierte Regionalpolitik darf sich daher nicht allein auf Verfahren gehen, häufiger aber ist der Fall, dass beste- die Unterstützung von FuE beschränken, sondern sollte hende Produktlinien durch inkrementelle Veränderungen auch alternative Innovationswege (z. B. durch Koopera- besser an sich wandelnde Bedürfnisse der Nachfrager tion oder Technologietransfer) sowie die Umsetzung von angepasst oder durch Effizienzsteigerungen in den Pro- Innovationen in marktgängige Produkte einbeziehen. Dies duktionsprozessen Kostenersparnisse realisiert werden. ist in Deutschland bislang nur ansatzweise gelungen Es geht also primär darum, für die ansässigen Unter- (z. B. durch Programme zur Unterstützung von Koopera- nehmen Marktanteile zu gewinnen oder Produktivitäts- tionen sowie durch Innovationsförderprogramme für steigerungen durchzusetzen. Innovationen auf der unter- Kleinstunternehmen ohne eigene FuE-Potenziale). Die in nehmerischen Ebene stehen daher häufig nicht an der diesem Zusammenhang immer wieder diskutierte breit Spitze der technologischen Entwicklung, sind gleichwohl angelegte steuerliche Innovationsförderung konnte in ifo Dresden berichtet 2/2015
6 Kommentar Deutschland hingegen bislang nicht umgesetzt werden regionale Innovationssysteme sind zudem gemeinhin [vgl. z. B. RAUCH et al. (2013)]. durch eine enge Kooperation von Unternehmen und Regionalpolitisch motivierte Innovationsförderprogram- Wissenschaftseinrichtungen geprägt, wofür in einer gan- me sind typischerweise bei den Wirtschaftsministerien zen Reihe von Regionen Ostdeutschlands (und auch von Bund und Ländern angesiedelt und damit dem „Ex- Westdeutschlands) die geeigneten Partner fehlen. Und zellenzgebot“ entzogen. Wichtigstes Förderprogramm auf schließlich muss man auch sehen, dass in einer altern- Bundesebene ist dabei das „Zentrale Innovationspro- den Gesellschaft die Innovationsbereitschaft und -fähig- gramm Mittelstand“, das zwar grundsätzlich allen mittel- keit sinken kann, weil ältere Arbeitnehmer im Regelfall ständischen Unternehmen offensteht und insoweit keine keinen so leichten Zugang zu neuem technologischen regionalpolitische Komponente aufweist, in Ostdeutsch- Wissen haben bzw. in überkommenen Routinen verhar- land jedoch leicht höhere Fördersätze erlaubt als in ren. Eine innovationsorientierte Regionalpolitik muss in- Westdeutschland. Darüber hinaus gibt es in der Pro- soweit auch Aspekte wie (Weiter-) Bildung und Siche- grammfamilie „Unternehmen Region“ des BMBF eine rung des Arbeitskräftepotenzials durch Zuwanderung in Reihe von Sonderprogrammen für die neuen Länder, die den Blick nehmen. vor allem auf eine verstärkte Kooperation zwischen Alles in allem muss man feststellen: Eine Politik, die auf Forschungseinrichtungen und Unternehmen abzielen Forschung und Innovation setzt und hierbei insbesonde- und insoweit den Technologietransfer unterstützen sollen. re auch die Bedürfnisse des Unternehmenssektors ver- Insgesamt ist die Förderung dabei grundsätzlich tech- stärkt einbezieht, scheint am ehesten geeignet, dem Auf- nologieoffen angelegt, was positiv zu bewerten ist, weil bau Ost nochmals neuen Schwung zu geben und die auf auch in typischerweise nicht forschungsintensiven Sek- aggregiertem Niveau festzustellenden Wirtschaftskraft- toren durchaus Innovationspotenziale bestehen. Darüber unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zu hinaus weisen auch die Länder eine Reihe ähnlich ge- verringern. Eine Strategie, die allein (oder auch nur über- lagerter Programme auf. wiegend) auf wissenschaftliche Spitzenleistungen setzt, Die Förderung von Forschung und Innovation ge- wird dies hingegen vermutlich nicht leisten können und schieht vor allem über finanzielle Hilfen. Tatsächlich gibt es sollte daher nicht im Mittelpunkt einer künftigen Strategie gute Gründe hierfür, weil private Kreditgeber häufig das des „Aufbau Ost“ stehen. erhöhte Risiko einer Innovationsfinanzierung scheuen. Die Förderung läuft allerdings dann ins Leere, wenn die grundlegenden Voraussetzungen für Innovationen nicht Literatur in ausreichendem Maße vorhanden sind. So gibt es in- folge der Abwanderung gerade jüngerer Menschen in RAUCH, C.; KLOOS, J.; KROHMER, O.; OCHSNER, C., RAGNITZ, weiten Teilen Ostdeutschlands inzwischen einen Mangel J. und M. SCHULTE (2013): Ausgestaltung eines neuen an ausreichend qualifizierten Fachkräften, die sich in den EFRE-Förderinstruments Innovationszulage, ifo Dresden Innovationsprozess einbringen können; dies gilt insbe- Studien 69, ifo Institut, München/Dresden. sondere für eher peripher gelegene ländliche Regionen. ZEW – ZENTRUM FÜR EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG In kleinen Unternehmen lohnt es sich häufig auch nicht, (Hrsg.) (2015): Indikatorenbericht zur Innovationserhe- eine eigene FuE-Abteilung zu unterhalten. Erfolgreiche bung 2014, Mannheim. ifo Dresden berichtet 2/2015
Aktuelle Forschungsergebnisse 7 Neue Herausforderungen im Hochschulbereich Ostdeutschlands?! Eine Bestandsaufnahme der demographischen und rechtlichen Rahmen- bedingungen Alexander Eck, Sabine Gralka und Julia Heller* Einleitung bewerbsdenkens im Hochschulbereich. Neben der Kon- kurrenz um Studierende führen größer werdende Spar- Die Hochschulen sind in der Erbringung ihrer Leistungen zwänge und der damit verbundene Stellenabbau zu von Umweltvariablen beeinflusst, die außerhalb ihres Ein- einer erhöhten Konkurrenz der Hochschulen um Finan- flussbereichs liegen. Zwei Faktoren, die die Leistungen zierungsmittel. Daher wird im zweiten Teil dieses Beitrags der Hochschulen beeinflussen, werden im vorliegenden dargestellt, wie sich die Rahmenbedingungen der Hoch- Artikel genauer betrachtet. Zum einen ist die demo- schulfinanzierung über die Zeit verändert haben. graphische Entwicklung ein wesentlicher Bestimmungs- Die Landespolitik stellt den Hochschulen durch flexi- faktor für die Auslastung der Hochschulkapazitäten, ble Finanzierungskonzepte eine größere Autonomie und zum anderen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen ein Instrument zur Attrahierung von Studierenden zur der Hochschulfinanzierung entscheidend, wenn es um Verfügung. Allerdings müssen die Länder im Rahmen der Optionen und Instrumente bei der Gestaltung des Hoch- Hochschulsteuerung Anreize für die Hochschulen set- schulangebots geht. zen, die vom Land verfolgten Ziele anzustreben. Aus die- Die ostdeutschen Flächenländer sind geprägt von Be- sem Grund kommen innerhalb der Hochschulsteuerung völkerungsrückgang und -alterung. In den Jahren 1992 vermehrt leistungsorientierte Instrumente zum Einsatz, bis 2012 schrumpfte die Bevölkerungszahl um knapp welche das Ziel verfolgen, Effizienz-, Leistungs- und 13 %. Auch der Anteil junger Menschen sank. Waren im Qualitätsgewinne zwischen (und in) den Hochschulen zu Jahr 1992 noch rund 22 % der Bevölkerung jünger als erzielen. Beispiele für solche Instrumente sind die Ein- 18 Jahre und rund 38 % jünger als 30 Jahre, lag der ent- führung von Globalhaushalten sowie Ziel- und Leistungs- sprechende Wert für die Unter-18-Jährigen im Jahr 2012 vereinbarungen. Auch aus diesem Grund ist daher in nur noch bei knapp 14 %, für die Unter-30-Jährigen bei jüngerer Vergangenheit eine zunehmend politische For- gut 26 % [STATISTISCHES BUNDESAMT (2015)]. Können die cierung auf einen gesteigerten Wettbewerb zwischen Kapazitäten an den Hochschulen nicht durch Studie- den Hochschulen zu beobachten. rende aus anderen Bundesländern oder dem Ausland Die aus diesem Beitrag gewonnenen Erkenntnisse ausgelastet werden, sind die staatlichen Hochschulen dienen in den folgenden Artikeln dieser Ausgabe von ifo bei gegebener Studierneigung unmittelbar vom demo- Dresden berichtet als Grundlage für eine Beurteilung graphischen Wandel betroffen. hinsichtlich der Finanzausstattung ostdeutscher Hoch- Um für das Land ausreichend Fachkräfte auszubilden schulen sowie einer Analyse der Effizienz deutscher und Ausgründungen sowie Forschung und Entwicklung Hochschulen. zu unterstützen, ist es jedoch notwendig, dass genügend junge Menschen sich für ein Studium an den jeweiligen Hochschulen im Land entscheiden. Dieser Beitrag soll Demographische Rahmenbedingungen der daher zunächst die Frage beantworten, wie sich die Leistungserstellung demographischen Rahmenbedingungen für die Hoch- schulen Ostdeutschlands im Zeitverlauf verändert haben. Die demographische Entwicklung ist eine wichtige Deter- Der Fokus der Analyse liegt hierbei auf den Schulabsol- minante der Nachfrage nach Studienplätzen. Aus diesem venten mit entsprechender Hochschulzugangsberechti- Grund werden in diesem Abschnitt demographische gung, dem Übergang von der Schule an die Hochschulen Kennziffern ausgewertet, die einen Einfluss auf die Zahl ebenso wie auf den Wanderungsbewegungen, die unter den Studienanfängern zwischen den Bundesländern zu * Alexander Eck und Julia Heller sind Doktoranden der Niederlassung beobachten sind. Dresden des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V., Sabine Gralka ist wissenschaftliche Mitarbei- Darüber hinaus stellen sich den Hochschulen neue terin an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschafts- Herausforderungen hinsichtlich eines gesteigerten Wett- politik und Wirtschaftsforschung der Technischen Universität Dresden. ifo Dresden berichtet 2/2015
8 Aktuelle Forschungsergebnisse der Studierenden an den Hochschulen Ostdeutschlands rungsrückgang von rund 6 % bis 10 %. Die westdeut- haben. Diese Kennziffern umfassen den Besatz be- schen Flächenländer hingegen verzeichneten relativ zum stimmter Kohorten, die Neigung von Schulabsolventen, Jahr 2001 bis zum Jahr 2010 keine Bevölkerungsverluste nach dem Schulabschluss ein Hochschulstudium auf- und wiesen im Jahr 2012 noch immer rund 99 % der Ein- zunehmen, sowie deren Bereitschaft, dafür in ein ande- wohnerzahl des Jahres 2001 auf. res (Bundes)Land zu migrieren. Die Größe der relevanten Bemerkenswert ist die Veränderung der Bevölkerungs- Kohorten wirkt unmittelbar auf die Zahl der Studien- zusammensetzung in den einzelnen Regionen. Wird die berechtigten. Letztere bestimmt, wie groß das Studieren- Kohorte der 18- bis 21-Jährigen betrachtet, die eine we- denpotenzial ist. Aus dem Studierendenpotenzial und sentliche Determinante für die Zahl der Studienanfänger der Studienneigung, welche anhand von Übergangsquo- in einer Region ist, so zeigt sich in allen ostdeutschen ten abgebildet wird, ergibt sich die Studienanfängerzahl Flächenländern etwa ab dem Jahr 2008 ein erheblicher in Deutschland insgesamt sowie die Herkunft aller Stu- Einbruch (vgl. Abb. 1, rechts). Lag beispielsweise der dienanfänger in Deutschland. Die räumliche Verteilung Anteil der 18- bis 21-Jährigen an der Gesamtbevölke- bei der Aufnahme eines Studiums durch die Studien- rung in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2007 noch anfänger wird abschließend durch eine Betrachtung der bei rund 5,8 %, betrug er nur fünf Jahre später, im Jahr Wanderungssalden der Studienanfänger in den einzelnen 2012, mit 2,7 % nicht einmal mehr die Hälfte. Die Ur- Bundesländern untersucht. sache liegt im Geburteneinbruch in Ostdeutschland un- In den ostdeutschen Flächenländern ist die Einwoh- mittelbar nach der Wiedervereinigung begründet, der nerzahl im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2012 erheblich sich in der relevanten Kohorte etwa ab dem Jahr 2008 zurückgegangen (vgl. Abb. 1, links). In Sachsen-Anhalt bemerkbar macht. Eine solche Entwicklung ist in West- beispielsweise lebten im Jahr 2012 rund 2,3 Mill. Ein- deutschland nicht zu beobachten. Der Anteil der 18- bis wohner – über 12 % weniger als noch im Jahr 2001. 21-Jährigen an der Gesamtbevölkerung war in den Flä- Auch in den übrigen ostdeutschen Flächenländern kam chenländern West im Betrachtungszeitraum mit 4,8 % im es im selben Zeitraum zu einem deutlichen Bevölke- Jahr 2009 sogar am höchsten. Abbildung 1: Entwicklung der Bevölkerungsgröße (2001=100, links) und des Anteils 18- bis 21-Jähriger an der Gesamtbevölkerung (rechts) in den ostdeutschen Flächenländern und den Flächenländern West 105 7% 6% 100 5% 95 4% 3% 90 2% 85 1% 80 0% 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Brandenburg Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Thüringen Sachsen Flächenländer West Quellen: Statistisches Bundesamt (2015), Berechnungen und Darstellung des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2015
Aktuelle Forschungsergebnisse 9 Beide Entwicklungen, der Bevölkerungsrückgang und Anteil aller Schülerinnen und Schüler beschreiben, die in der Geburteneinbruch nach der Wiedervereinigung, re- dem jeweiligen Jahr eine Studienzugangsberechtigung duzieren die Zahl der Studienberechtigten in Ostdeutsch- für eine Hochschule oder Fachhochschule erworben ha- land erheblich (vgl. Abb. 2). Bei der Zahl der Studien- ben und später ein Studium aufnehmen. Die Anwendung berechtigten (also der Zahl der Schulabsolventen des der Übergangsquoten auf die Zahl der Studienberechtig- entsprechenden Jahres) mit allgemeiner und fachgebun- ten bestimmt, wie viele Studienanfänger tatsächlich aus dener Hochschulreife sowie mit Fachhochschulreife zeigt einem Land kommen. Desweiteren können diese Stu- sich ein deutlicher Rückgang in allen ostdeutschen dienanfänger das Studium auch in einem anderen Land Flächenländern etwa ab dem Jahr 2008. Bis zu diesem aufnehmen. Zeitpunkt war die Zahl der Studienberechtigten in den In Abbildung 3 sind die Übergangsquoten der jeweili- ostdeutschen Flächenländern mit wenigen Ausnahmen gen Entlassjahrgänge dargestellt. Werden die Übergangs- (doppelte Abiturjahrgänge in Sachsen-Anhalt 2007 und quoten mit der Zahl der Schulabsolventen multipliziert, Mecklenburg-Vorpommern 2008 sowie die Einführung ergibt sich direkt die Zahl der Studienanfänger aus einem des 13. Schuljahres in Sachsen-Anhalt 2001) weit- Bundesland. Die amtliche Statistik erfasst dabei auch all gehend konstant. In den Flächenländern West gab es jene, die sich erst einige Jahre nach dem Schulabschluss hingegen einen stetigen Anstieg der Studienberechtig- zu einem Hochschulstudium entschließen. Die Über- tenzahl seit dem Jahr 2001, welcher in den Jahren 2011 gangsquoten in Abbildung 3 lassen daher nicht direkt und 2012 durch doppelte Abiturjahrgänge in Bayern, Rückschlüsse auf die Studierendenzahl eines Jahres, Niedersachsen und Baden-Württemberg noch verstärkt sondern lediglich auf die Studienneigung bestimmter wurde. Kohorten zu. Aufgrund der Aggregation der Übergangs- Die Zahl der Studienanfänger in einem Land ist je- quoten für bis zu vier Jahre reicht die Zeitreihe lediglich doch neben der Zahl der Studienberechtigten noch von bis zum Jahr 2008. Hier kommt zum Tragen, dass ein weiteren Determinanten abhängig. Hier sind beispiels- signifikanter Anteil der Schülerinnen und Schüler erst mit weise die Übergangsquoten zu nennen, welche den einer gewissen Verzögerung ein Studium aufnimmt. Abbildung 2: Studienberechtigte in den ostdeutschen Flächenländern und den Flächenländern West (2002=100) 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Flächenländer West Quellen: Statistisches Bundesamt (2014), Berechnungen und Darstellung des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2015
10 Aktuelle Forschungsergebnisse Auffällig ist, dass die Übergangsquoten mit Ausnahme vergleichsweise moderate Verluste und im Jahr 2005 des Jahres 2001 zwischen den Flächenländern West, netto Wanderungsgewinne. Seit dem Jahr 2010 ver- Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und zeichnen die ostdeutschen Flächenländer insgesamt und Thüringen nur vergleichsweise gering, meist in einem mit Ausnahme Brandenburgs auch einzeln deutliche Band von zwei bis drei Prozentpunkten, streuen. Von Wanderungsgewinne, wohingegen der Wanderungssaldo den Studienberechtigten entscheiden sich rund 70 %, der Flächenländer West sich deutlich verschlechtert hat. ein Studium aufzunehmen. Die Übergangsquoten in Bran- Verließen im Jahr 2008 netto noch knapp 3.000 Studien- denburg liegen im gesamten Zeitraum deutlich unter de- anfänger die Flächenländer West, erhöhte sich diese nen der sonstigen Vergleichsregionen. Von den Studien- Zahl im Jahr 2011 auf 16.500. In den Flächenländern Ost berechtigten in Brandenburg nehmen nur rund 62 % bis verbesserte sich der Wanderungssaldo im selben Zeit- 65 % ein Studium auf. Aus der Betrachtung der Über- raum von gut –4.500 auf rund +7.500. Damit kann gefol- gangsquoten kann aufgrund der Begrenzung der Daten gert werden, dass durch innerdeutsche Wanderung der auf den Zeitraum bis zum Jahr 2008 keine Auskunft über Geburteneinbruch tatsächlich zumindest teilweise in den eine gegebenenfalls veränderte Studienneigung der ge- ostdeutschen Flächenländern kompensiert werden kann. burtsschwachen Kohorten seit dem Jahr 1990 gegeben Lediglich Brandenburg verzeichnete im gesamten Be- werden. trachtungszeitraum netto Wanderungsverluste. In Abbildung 4 ist schließlich der innerdeutsche Wan- Die demographischen Rahmenbedingungen deuten derungssaldo der Studienanfänger dargestellt. Es ist da- daher an, dass sich die Ausgangslage in den ostdeut- bei deutlich eine Veränderung der Wanderungsströme schen Flächenländern zwar verändert hat, dies jedoch seit dem Jahr 2008 zu erkennen. Die ostdeutschen Flä- nicht unbedingt Auswirkungen auf die Hochschulen ha- chenländer haben insgesamt und mit Ausnahme Sach- ben muss. Diese werden anhand einer Betrachtung der sens auch einzeln bis zum Jahr 2008 netto Studien- Studienanfängerzahlen, Studierendenzahlen und der Her- anfänger an andere Länder verloren. Die Flächenländer kunft der Studierenden im folgenden Beitrag genauer West verzeichneten im selben Zeitraum überwiegend untersucht [vgl. ECK et al. (2015)]. Abbildung 3: Übergangsquoten in den ostdeutschen Flächenländern und den Flächenländern West 76 74 72 70 68 66 64 62 60 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Flächenländer West Quellen: Statistisches Bundesamt (2014), Berechnungen und Darstellung des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2015
Aktuelle Forschungsergebnisse 11 Abbildung 4: Innerdeutscher Wanderungssaldo der Studienanfänger in den ostdeutschen Flächenländern und den Flächenländern West 10.000 5.000 0 –5.000 –10.000 –15.000 –20.000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Flächenländer West Flächenländer Ost Quellen: Statistisches Bundesamt (2014), Berechnungen und Darstellung des ifo Instituts. Rechtliche Rahmenbedingungen der Im Folgenden werden die eingeführten leistungsorientier- Hochschulfinanzierung ten Finanzierungs- und Steuerungselemente im Länder- vergleich dargestellt. Der besondere Fokus liegt dabei Mit der Föderalismusreform 2006 wurde die Weisungs- auf der Einführung von Globalhaushalten sowie der leis- kompetenz für den Hochschulbereich den Ländern zu- tungsorientierten Mittelvergabe durch Formelzuweisun- geordnet und damit auch in Bezug auf die Finanzierung gen und Zielvereinbarungen. deutlich geregelt. So wurde im Zuge der Reform einer- seits die Abschaffung der Rahmengesetzgebungskom- petenz des Bundes beschlossen, wodurch die Hoch- Einführung von Globalhaushalten schulen dem alleinigen Aufgabenbereich der Länder zugeordnet werden. Dazu zählen neben der Steuerung Es gehört zu den Aufgaben der Länder, die Finanzierung und Organisation der Hochschulen auch deren Finanzie- der Hochschulen zu sichern, wobei die Art der Mittel- rung und damit die Sicherstellung des Grundbedarfs für vergabe auf Landesebene in den jeweiligen Gesetzes- Lehre und Forschung. Anderseits besteht für den Bund vorschriften festgelegt ist. In den vergangenen Jahren durch die Änderung des Art. 91b GG die Möglichkeit, zeigte sich bei der Vergabe der Finanzierungsmittel mit durch leistungsorientierte Kooperationsprojekte zusam- der Einführung von Globalhaushalten (vgl. Tab. 1) ein suk- men mit den Landesregierungen einen Einfluss auf die zessives Umdenken von einem ausgabenorientierten hin Hochschulsteuerung zu nehmen. Hierzu zählen u. a. die zu einem ergebnisorientierten Wirtschaften. Ausgehend Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt 2020 sowie der von einer kontrollierten Zuteilung der finanziellen Mittel Qualitätspakt Lehre. Somit tragen nicht nur die Länder, mit einer staatlichen Detailsteuerung werden den Hoch- sondern auch der Bund zu einer erhöhten Wettbewerbs- schulen durch die Einführung der Globalhaushalte nun mentalität unter den Hochschulen bei, um möglichst mehr Spielräume überlassen, damit sie die ihnen oblie- große Anreize für neue und innovative Ideen zu geben. genden Zielvorgaben effizienter und effektiv erfüllen kön- ifo Dresden berichtet 2/2015
12 Aktuelle Forschungsergebnisse nen [vgl. KAMM und KREMPKOW (2010)]. Mit der Einfüh- renz bei der Aufgabenerfüllung erreicht werden können rung verfolgen die Landesparlamente einerseits das Ziel, [vgl. KAMM und KREMPKOW (2010)]. den Hochschulen neue Freiheiten hinsichtlich der Auftei- Das INSTITUT FÜR HOCHSCHULFORSCHUNG (HoF) verweist lung der Landesmittel nach Bewirtschaftungsbereichen auf erste Modellversuche in einem Großteil der Bundes- zu gewährleisten. Andererseits können die Hochschulen länder bereits in den 1990er Jahren [vgl. PASTERNACK geplante Haushaltsmittel in das nächste Haushaltsjahr (2011)]. In den meisten Fällen wurden die Globalhaushal- übertragen, wodurch ihnen eine verbesserte Planungs- te zunächst an einzelnen Hochschulen als Feldversuch sicherheit gewährt wird. Den Hochschulen wird somit eingeführt, wobei sich die konkrete Ausgestaltung in Be- eine höhere Finanzautonomie zugesprochen, welche mit zug auf die einbezogenen Titel und die Übertragbarkeit der Notwendigkeit einhergeht, durch geeignete Steue- der Gelder unterschied. Tabelle 1 zeigt einen Überblick rungsmechanismen die interne Mittelaufteilung derart zu über die zeitliche Entwicklung bei der Einführung der gestalten, dass Ressourcen effizient und mit einer hohen Globalhaushalte der deutschen Hochschulen im Länder- Wirtschaftlichkeit eingesetzt werden können [vgl. IHF vergleich. Zu erkennen ist, dass seit dem Jahr 2008 eine (2010), CHE (2001)]. Eventuelle Einsparpotenziale sollen Mittelvergabe durch Globalhaushalte in fast allen Bun- besser identifiziert und eine höhere Qualität und Transpa- desländern weitgehend eingeführt ist. Tabelle 1: Einführung der Globalhaushalte in den Bundesländern Land seit 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 ab 2008 Ostdeutschland Berlin 1997 Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern k. A. k. A. Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Westdeutschland Baden-Württemberg 1998 Bayern Hansestadt Bremen 1994 Hansestadt Hamburg 1996 Hessen 1993 Niedersachsen 1995 Nordrhein-Westfalen 1992 Rheinland-Pfalz k. A. k. A. Saarland k. A. Schleswig-Holstein 1995 Keine Globalhaushalte Einführungsphase/Modellversuche Weitgehend eingeführt Quellen: Pasternack (2011), Landtag Brandenburg (2009), Wissenschaftsrat (2014), Darstellung des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2015
Aktuelle Forschungsergebnisse 13 In Sachsen starteten das SÄCHSISCHE MINISTERIUM FÜR lichst hohe kennzahlengestützte Bemessung der staat- WISSENSCHAFT UND KUNST und die TECHNISCHE UNIVERSITÄT lichen Zuschüsse wird bspw. in Brandenburg (bis zu DRESDEN im Jahr 2000 mit einem Modellversuch „Ergeb- 100 %) verfolgt. Dabei werden zumeist auch Kennzahlen nisorientierte Selbststeuerung“. In einer Evaluation vom herangezogen, die nicht im engeren Sinne leistungs- CENTRUM FÜR HOCHSCHULFORSCHUNG (CHE) wurde der orientiert sind (z. B. die Zahl der Professoren). In anderen Modellversuch im Jahr 2007 als insgesamt erfolgreich Ländern bildet die formelgebundene Mittelvergabe ledig- bewertet und eine Übernahme in den „zeitlich unbe- lich einen vergleichsweise geringen Anteil an der gesam- grenzten Dauerbetrieb“ empfohlen [vgl. CHE (2007)]. Mit ten Mittelausstattung und tritt als zusätzliche Kompo- der Änderung des Sächsischen Hochschulgesetzes im nente zur Hochschulsteuerung auf. Dezember 2008 erfolgte anschließend die Einführung Ein weiteres an die leistungsorientierte Mittelverga- einer staatlichen Mittelvergabe in Form von Globalhaus- be gekoppeltes Instrument zur Hochschulsteuerung und halten. Das zur Verfügung gestellte Budget umfasst da- -finanzierung bilden Ziel- und Leistungsvereinbarungen. bei die drei Säulen des Grund-, Leistungs- und Investi- Hierbei werden zwischen Staat und Hochschule Ziele tionsbudgets (vgl. SächsHSFG § 11 Abs. 7). vereinbart, für deren Erfüllung sowohl finanzielle als auch nicht-monetäre Anreize und Unterstützungen geschaffen werden [vgl. IN DER SMITTEN und JÄGER (2012)]. Im Gegen- Leistungsorientierte Mittelvergabe durch satz zur formelgebundenen Mittelvergabe werden bei Formelzuweisungen und Zielvereinbarungen den Ziel- und Leistungsvereinbarungen die Regelungen zumeist nicht einseitig vom Ministerium festgelegt, son- Im Zuge der Einführung der Globalhaushalte erfuhr die dern in Verhandlungen gemeinsam zwischen Mittelemp- Festlegung der Höhe der zugewiesenen Finanzmittel für fänger und -geber getroffen. Die Zielverfolgung ist dann die Hochschulen ebenfalls eine Neugestaltung. Alternativ Aufgabe der Hochschulen, die Zielerreichung wird zu zur traditionellen Mittelverteilung durch Fortschreibung einem festgelegten späteren Zeitpunkt überprüft. Somit des Haushalts mit einer sehr detaillierten Titelstrukturie- wird das Informationsdefizit der Länder hinsichtlich der rung ist nun zunehmend eine Entwicklung von Modellen effektiven Aufgabenerfüllung der Hochschulen verringert für eine leistungsorientierte Mittelvergabe zu beobachten [vgl. IHF (2010)]. [vgl. HÜTHER (2012)]. Dabei wird die Höhe eines Teils Durch diesen direkten Zusammenhang zwischen der der vom Staat zugewiesenen Mittel nicht mehr anhand Aufgabenerfüllung und der Finanzmittelausstattung wird der historisch gewachsenen Haushaltsstruktur bestimmt, eine neue Form der Bewertung und Honorierung der im sondern mit Hilfe neuer Steuerungsinstrumente output- Hochschulsystem erbrachten Leistungen geschaffen und orientiert ermittelt. Die Steuerungsinstrumente umfassen somit das Leistungsprinzip verstärkt [vgl. KAMM und den Gebrauch einer formelgebundenen (auch: indikator- KREMPKOW (2010)]. Gleichzeitig werden die Hochschulen gestützten) Mittelvergabe und/oder Ziel- und Leistungs- in die Lage versetzt, über Mittelverschiebungen und Um- vereinbarungen mit den Hochschulen. schichtungen die Plangrößen auch tatsächlich zu errei- Bei der formelgebundenen Mittelvergabe erfolgt die chen [vgl. HÜTHER (2012)]. Es ist nicht mehr von zentraler Ressourcenvergabe nach einem indikatorgestützten Bud- Bedeutung, welche Maßnahmen ergriffen werden, um getierungsverfahren, bei dem die Zuweisung von Mitteln die Ziele zu erreichen, sondern nur, ob die Ziele schließ- an die erbrachten Leistungen geknüpft ist [vgl. IHF (2010)]. lich erreicht werden. Weiterhin ist eine Berücksichtigung Dabei werden zunehmend Verfahren eingesetzt, bei de- zukünftiger Vorhaben umsetzbar, welche bei der vergan- nen die Allokation finanzieller Ressourcen automatisiert genheitsorientierten formelgebundenen Mittelvergabe nicht anhand der durch Kennzahlen (z. B. Studierenden- und möglich ist [vgl. HIS (2005)]. Hinsichtlich der Ausgestal- Absolventenzahlen, Drittmittelvolumen) abgebildeten Leis- tungsmöglichkeiten erstrecken sich die Ziel- und Leis- tungen in Lehre und Forschung erfolgt [vgl. JÄGER (2008)]. tungsvereinbarungen ähnlich wie die Kriterien bei der for- Auf diese Weise sollen für die Adressaten der Mittel- melgebundenen Mittelvergabe über ein breites Spektrum. zuweisung Leistungsanreize gesetzt sowie die Trans- Zu den Unterschieden bei den vereinbarten Inhalten tre- parenz und Prognostizierbarkeit der Mittelverteilung ver- ten bzgl. des staatlichen Steuerungseinflusses ebenfalls bessert werden. Die Ziele der Länder spiegeln sich in den Unterschiede in den Angaben zur grundsätzlichen Über- ausgewählten Indikatoren und deren Gewichtungen wider. prüfbarkeit der Zielerreichung, zur Vorgabe eines kon- Der Einsatz der formelgebundenen Mittelvergabe wird kreten Zeitraumes für die Zielerreichung, zu eventuellen mittlerweile flächendeckend in allen Bundesländern ver- Regelungen zum Berichtswesen sowie möglicher Kon- folgt (vgl. Tab. 2). Die Höhe der nach einer Formel verge- sequenzen bei einer Nichterfüllung der vereinbarten Ziele benen Haushaltsmittel unterscheidet sich zwischen den auf. Letztere können ebenfalls finanzielle Auswirkungen Ländern jedoch deutlich [vgl. JÄGER (2008)]. Eine mög- beinhalten [vgl. IN DER SMITTEN und JÄGER (2012)]. ifo Dresden berichtet 2/2015
14 Aktuelle Forschungsergebnisse Tabelle 2: Regelungen der Landeshochschulgesetze zur leistungsorientierten Mittelvergabe Formelgebundene Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) Mittelvergabe Konse- Orientierung d. Anteil am Ge- Verein- quenzen Finanzierung Land Einführung samtbudget barung Berichterstattung nach an der im Jahr 2011 von ZLV Prüfung Zielerreichung Baden- Regelmäßig und 1999 15 % Ja Implizita Ja Württemberg auf Anforderung Auf Anforderung Bayern 1999 60 % Ja Ja – (ohne ZLV-Bezug) Regelmäßig Berlin 2002 30 % – – – (ohne ZLV-Bezug) Regelmäßig und Branden- 2004 100 % Ja Ja – auf Anforderung burg (ohne ZLV-Bezug) Hansestadt Regelmäßig und 2003 10 % Ja Ja – Bremen auf Anforderung Hansestadt Regelmäßig und 2002 60 % Ja Ja Ja Hamburg auf Anforderung Nicht eindeut. Hessen 2003 Ja – – Regelmäßig ermittelbar Regelmäßig und Mecklenburg- 2001 10 % Ja Implizita,b Ja auf Anforderung Vorpommern (ohne ZLV Bezug) Nieder- Regelmäßig und 2000 10 % Ja – – sachsen auf Anforderung Regelmäßig und Nordrhein- 1993 23 % Ja Ja Ja auf Anforderung Westfalen (ohne ZLV-Bezug) Rheinland- Nicht eindeut. Auf Anforderung 1991 Ja – – Pfalz ermittelbar (ohne ZLV-Bezug) Saarland Regelmäßig und 2011 ca. 5 % Ja Ja Ja (Uni) auf Anforderung Saarland Regelmäßig und ca. 5 % Ja – – (FH) auf Anforderung Regelmäßig und Sachsen 2002 1,4 % Ja Ja Ja auf Anforderung 2000–2002 Sachsen- Regelmäßig und u. wieder 15 % Ja Implizita Ja Anhalt auf Anforderung ab 2011 Schleswig- Regelmäßig und 2005 5% Ja Ja – Holstein auf Anforderung Nicht eindeut. Regelmäßig und Thüringen 2004 Ja Ja Ja ermittelbar auf Anforderung a) Implizite Konsequenzen nach der Überprüfung der Zielerreichung ergeben sich aus der Tatsache, dass die Finanzierung an den Grad der Zielerreichung gekoppelt ist. – b) In Mecklenburg-Vorpommern hat eine mangelnde Zielerreichung noch nicht zu einer absinkenden Finanzierung geführt. Quellen: HoF (2014), In der Smitten und Jäger (2012), König et al. (2012), Hochschulgesetze der Länder; Darstellung des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2015
Aktuelle Forschungsergebnisse 15 In Tabelle 2 ist zu erkennen, dass mit Ausnahme von den ostdeutschen Flächenländern genauer untersucht, Berlin der Großteil der Bundesländer Zielvereinbarungen inwiefern die veränderten demographischen Rahmen- in den entsprechenden Gesetzestexten vorsieht. Die un- bedingungen am Ende des Betrachtungszeitraums Aus- terschiedlichen Inhalte bzgl. der Zielvereinbarungen er- wirkungen auf die Hochschulen Ostdeutschlands hatten. strecken sich dabei von allgemeinen Vorgaben in den Um den demographischen Herausforderungen diffe- jeweiligen Landeshochschulgesetzen (wie bspw. in Bay- renziert begegnen zu können, wurden den Hochschulen ern und Bremen) bis hin zu einer detaillierten Auflistung in den vergangenen Jahren größere Entscheidungs- der vereinbarten Inhalte (wie bspw. in Mecklenburg-Vor- spielräume für die Erfüllung etwaiger Zielvorgaben über- pommern und dem Saarland) [vgl. HÜTHER (2012)]. In acht lassen. Durch die bundesweite Einführung von Global- Bundesländern ist zusätzlich eine Kopplung zwischen haushalten erfahren die Hochschulen eine gesteigerte den tatsächlich erbrachten Leistungen und der Finanzie- Autonomie, wodurch ihnen mehr Freiheiten, aber auch rung der Hochschulen rechtlich vorgeschrieben. Die Be- mehr Verantwortung hinsichtlich der Strategie- und Ziel- messung der finanziellen Mittel von Hochschulen am verfolgung gegeben werden. Gleichzeitig werden die zur Grad der Zielerreichung erfolgt dabei in Form einer be- Verfügung gestellten Mittel zunehmend leistungsorien- lohnenden Zuweisung zusätzlicher Gelder oder aber in tiert an die Hochschulen vergeben, sodass ein zuneh- Form sanktionierender Rückzahlungen bei einer unzurei- mendes Wettbewerbsdenken zwischen und in den Hoch- chenden Erfüllung der Zielvorgaben [vgl. IN DER SMITTEN schulen zu konstatieren ist. Diese zwei Trends finden und JÄGER (2012)]. In drei weiteren Bundesländern (Ba- sich gleichermaßen in den Flächenländern Ost und West. den-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen- Die in diesem Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse bil- Anhalt) werden zwar Konsequenzen bei einer unzurei- den die Grundlage für den Ländervergleich der Einnah- chenden Erfüllung der Zielvorgaben angekündigt, jedoch men und Ausgaben der Hochschulen im nachfolgenden beziehen sich diese nicht notwendigerweise auf finanzi- Artikel. elle Auswirkungen. Für die Überprüfung der verankerten Leistungs- und Zielvereinbarungen unterliegen die Hoch- schulen in allen Ländern (mindestens) einer regelmäßi- Literatur gen Auskunftspflicht oder aber auch einer Auskunfts- pflicht per Anforderung (vgl. Tab. 2). CHE – CENTRUM FÜR HOCHSCHULENTWICKLUNG (Hrsg.) (2001): Globalhaushalte an Hochschulen in Deutschland: Entwicklungsstand und Empfehlungen, Gutachten im Fazit Auftrag der CDU-Fraktion des sächsischen Landtags, Gütersloh. Die Rahmenbedingungen der Leistungserstellung haben CHE – CENTRUM FÜR HOCHSCHULENTWICKLUNG (Hrsg.) (2007): sich für die Hochschulen in den letzten Jahren deutlich Evaluierung des Modellversuchs „Ergebnisorientierte verändert. Dies wurde anhand einer Analyse der demo- Selbststeuerung“ an der Technischen Universität Dres- graphischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen ver- den, Arbeitspapier 184, Gütersloh. deutlicht. Die demographischen Rahmenbedingungen ECK, A.; GRALKA, S und J. HELLER (2015): Immer weniger für die Hochschulen Ostdeutschlands haben sich seit Studierende? Immer weniger Geld? Eine Bestands- dem Jahr 2008 stark verändert. Der Geburteneinbruch aufnahme monetärer und nichtmonetärer Kennzahlen der Nachwendezeit machte sich deutlich bemerkbar, für ostdeutsche Hochschulen, ifo Dresden berichtet das Studierendenpotenzial sank. Diese Entwicklung zeig- 2/2015, S. 17–32. te sich in den Flächenländern West nicht. Die Verände- HIS – HOCHSCHULINFORMATIONSSYSTEM (Hrsg.) (2005): For- rungen beim Studierendenpotenzial führten zu Verände- melgebundene Mittelvergabe und Zielvereinbarungen rungen beim Wanderungssaldo der Studienanfänger. als Instrumente der Budgetierung an deutschen Uni- Während bis zum Jahr 2009 netto Studienanfänger aus versitäten: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung, den ostdeutschen Flächenländern abwanderten, kam es Hannover. ab dem Jahr 2010 zu einer Nettozuwanderung von Stu- HOF – INSTITUT FÜR HOCHSCHULFORSCHUNG WITTENBERG (Hrsg.) dienanfängern. Der Wanderungssaldo der Flächenländer (2014): Übersicht über die aktuellen Modelle der Leis- West reduzierte sich dabei fast im gleichen Maße. Es tungsorientierte Mittelvergabe zwischen Staat und scheint daher möglich, dass Ostdeutschland die Folgen Hochschule, http://www.hof.uni-halle.de/steuerung/ des demographischen Wandels im Hochschulbereich vertrag2012.htm, abgerufen am 01. 08. 2014. durch verstärkte Zuwanderung kompensieren kann. Im HÜTHER, O. (2012): Wandelbarkeit von Forschungsstruk- nachfolgenden Artikel [ECK et al. (2015)] wird daher an- turen in deutschen Universitäten. Eine Analyse der hand von Studienanfänger- und Studierendenzahlen in Landeshochschulgesetze, in: HEINZE, T. und G. KRÜCKEN ifo Dresden berichtet 2/2015
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