Extremwettersensibilität deutscher Unternehmen - Ergebnisse einer Unternehmens befragung - ifo Institut

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FORSCHUNGSERGEBNISSE

Michael Berlemann und Robert Lehmann*

Extremwettersensibilität deutscher
Unternehmen
Ergebnisse einer Unternehmens­befragung

Zwar hat sich das Erdklima über sehr lange Zeiträume                                                                                                   IN KÜRZE
schon immer verändert. Der starke Anstieg der durch­
schnittlichen Oberflächentemperatur der Erde seit
dem frühen 20. Jahrhundert und insbesondere seit                             Im Zuge der fortschreitenden globalen Erwärmung treten ei­
den 1970er Jahren (»globale Erwärmung«) kann hinge­                          nige Extremwetterereignisse häufiger auf oder gehen mit ei­
gen nach weit überwiegender Auffassung von Klima­                            ner höheren Intensität einher. Auch für Deutschland sind
wissenschaftlern nicht allein durch natürliche Variabi­
                                                                             derartige Trends entweder bereits erkennbar oder werden
lität erklärt werden, sondern ist zu einem großen Teil
durch menschliche Aktivität, vor allem die Emission                          für die Zukunft prognostiziert. Vor diesem Hintergrund stellt
von Treibhausgasen, verursacht. Auch wenn konkrete                           sich zunehmend die Frage, ob und wie Extremwetterereig­
Prognosen für die zukünftige Entwicklung der glo­                            nisse die Wertschöpfung von Unternehmen beeinflussen. In
balen Erwärmung eine gewisse Schwankungsbreite                               diesem Beitrag werden die Ergebnisse einer Befragung deut­
aufweisen, so gehen sie doch alle von einem weiteren                         scher Unternehmen vorgestellt. Dabei wird analysiert, wie
Anstieg der Oberflächentemperatur aus, selbst dann,
                                                                             die fünf besonders in Deutschland relevanten Typen von Ex­
wenn massive Reduktionen des Ausstoßes an Treib­
hausgasen erzielt werden könnten (vgl. IPCC 2013).                           tremwetterereignissen (Hitze- und Kältewellen, Trockenheit,
      Auch in Deutschland nimmt die Durchschnitts­                           Stürme und Starkregen) die Wirtschaftstätigkeit deutscher Un­
temperatur zu. So ist der Jahresdurchschnitt der                             ternehmen beeinflussen. Besonderes Augenmerk wird dabei
Lufttemperatur in Deutschland über den Zeitraum                              auf branchen- und regionenspezifische Effekte gelegt. Zudem
von 1881 bis 2018 um 1,5°C angestiegen. Dieser An­                           beleuchtet der Beitrag, wie gut deutsche Unternehmen auf Ex­
stieg liegt um 0,5°C höher als der Anstieg der globa­
                                                                             tremwetterereignisse vorbereitet sind. Die Ergebnisse zeigen,
len Durchschnittstemperatur über den gleichen Zeit­
raum (vgl. Umweltbundesamt 2019). Der Prozess der                            dass ein erheblicher Teil der Unternehmen durch Extremwet­
globalen Erwärmung geht weltweit mit einer Vielzahl                          terereignisse in seiner Wertschöpfung negativ beeinflusst wird
unterschiedlicher Effekte einher (vgl. hierzu z.B. Ber­                      und dieser Anteil über das letzte Jahrzehnt deutlich zugenom­
lemann und Steinhardt 2017). Auch in Deutschland                             men hat. Deutlich mehr als die Hälfte aller Unternehmen ha­
ist mit einer ganzen Reihe von Effekten zu rechnen                           ben allerdings bisher keine Vorsorgemaßnahmen getroffen,
(vgl. hierzu Umweltbundesamt 2019). Zunächst nimmt
                                                                             so dass noch ein erheblicher Anpassungsbedarf besteht.
mit dem Anstieg der Durchschnittstemperatur auch
der durchschnittliche Niederschlag zu. Dieser geht
mit einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität von
Starkregenereignissen einher. Häufiger ist auch mit                          In diesem Beitrag wird untersucht, welche Konse­
Hitze-Extrema, absinkenden Grundwasserständen und                       quenzen das Auftreten von Extremwetterereignissen
Quellschüttungen und daraus resultierenden Dürre­                       für deutsche Unternehmen haben, welche Erwartun­
perioden zu rechnen. Der Anstieg des Meeresspiegels                     gen die Unternehmen in Bezug auf das zukünftige Auf­
führt zudem zu einer höheren Intensität von Sturmflu­                   treten dieser Ereignisse haben und wie gut sie darauf
ten. Während Überschwemmungen durch Flüsse und                          vorbereitet sind. Hierzu verwenden wir eine Reihe von
Stürme bisher keine Aufwärtstendenz zeigen, ist mit                     Sonderfragen, die im Frühjahr 2019 im Rahmen der ifo
einem Anstieg der Intensität von Stürmen zu rech­                       Konjunkturumfrage gestellt wurden.
nen. Hinzu kommen unterschiedlichste ökologische                             Die Analyse des Einflusses von Extremwetterer­
Konsequenzen, die zu stärkeren Produktionsschwan­                       eignissen auf die Geschäftstätigkeit von deutschen
kungen in der Land-, Forstwirtschaft und Fischerei                      Unternehmen erfolgt im Rahmen des gemeinsamen
führen können.                                                          Forschungsprojekts »Implikationen des Klimawandels
                                                                        und klimainduzierter Naturkatastrophen für Indivi­
                                                                        duen, Firmen und den Versicherungssektor (CLIMATE_
*
   Prof. Dr. Michael Berlemann ist Inhaber des Lehrstuhls für Politi­
sche Ökonomie und Empirische Wirtschaftsforschung an der Helmut-
                                                                        AFFECT)«1, das von der Helmut-Schmidt-Universität
Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, und
                                                                        1
ifo-Forschungsprofessor.                                                   Detaillierte Informationen zu CLIMATE_AFFECT finden sich auf der
   Dr. Robert Lehmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am             Seite der Helmut-Schmidt-Universität:
ifo Zentrum für Makroökonomik und Befragungen.                          https://www.hsu-hh.de/empwifo/forschung/climate_affect.

                                                                                       ifo Schnelldienst   8 / 2020   73. Jahrgang   12. August 2020   45
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                   (HSU) und dem ifo Zentrum für Makroökonomik und                                         Auswirkungen verschiedener Extremwetterereignis-
                                   Befragungen bearbeitet wird. Das Projekt ist eines                                      se. Eindeutig negative Konsequenzen sehen die
                                   von 29 inter- und transdisziplinären Teilprojekten, das                                 Autoren vor allem für den Bereich der Land- und
                                   im Rahmen des Förderschwerpunktes »Ökonomie des                                         Forstwirtschaft sowie der Wasser- und Energie­
                                   Klimawandels (Phase II)« seit Ende 2018 vom Bun­                                        wirtschaft. Zudem agumentieren die Autoren, dass
                                   desministerium für Bildung und Forschung (BMBF)                                         häufigere auftretende und intensivere Stürme auch
                                   gefördert wird.2                                                                        negative Konsequenzen im Bereich der Immobilien­
                                                                                                                           wirtschaft und den Bereich Verkehr und Logistik
                                   LITERATURABRISS                                                                         haben könnten. Positive Effekte sehen Mahammad­
                                                                                                                           zadeh und Biebeler (2009) vorrangig in der Bau-
                                   Eine frühe Studie zur Anpassung deutscher Unterneh­                                     wirtschaft, dem Sommertourismus und der Phar-
                                   men an den Klimawandel stammt von Mahammad­                                             maindustrie.
                                   zadeh und Biebeler (2009). Die Autoren wählen einen                                          Die Studien von Auerswald und Vogt (2010) sowie
                                   rein argumentativen Ansatz und beleuchten dabei                                         von Frei und Kowalewski (2013) verfolgen einen ande­
                                   den Anpassungsbedarf der Produktion unterschied­                                        ren methodischen Ansatz, indem sie auf die indirekten
                                   licher Wirtschaftsbereiche an klimatische Veränderun­                                   Effekte des Klimawandels fokussieren, die aus Preis­
                                   gen. Dabei betrachten sie auch die wahrscheinlichen                                     veränderungen auf Faktormärkten resultieren können.
                                                                                                                           Dabei stehen die Preise von fossilen Rohstoffen wie
                                   2
                                      Auf der Plattform »Forschung und Nachhaltige Entwicklung«
                                   (FONA) des BMBF können die einzelnen Fördermaßnahmen eingese­
                                                                                                                           Öl, Gas und Kohle, aber auch die Preise von Elektri­
                                   hen werden. Der Schwerpunkt »Ökonomie des Klimawandels (Pha­                            zität, Fernwärme und Wasser im Mittelpunkt. Auf der
                                   se II)« ist unter folgender Adresse zu finden: https://www.fona.de/de/
                                   massnahmen/foerdermassnahmen/oekonomie-des-klimawan­
                                                                                                                           Basis von Input-Output-Tabellen, die die wirtschaft­
                                   dels-phase-2.php.                                                                       liche Verflechtung unterschiedlicher Wirtschaftsberei­
Abb. 1                                                                                                                     che dokumentieren, studieren die Autoren, auf wel­
Frage 1: Betroffenheit durch Extremwetterereignisse a,b                                                                     che Bereiche die prognostizierten Preisveränderungen
                                                                                                     ja
Betroffenheit in den vergangenen zehn Jahren                                                                                am stärksten durchschlagen würden. Die Studie von
                                                                                                     Ja
                                                                                                     nein                  Auerswald und Vogt (2010) für den Großraum Dresden
                                                                                                     Nein
                                                                                                                           kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich ein Anstieg
    Hitzewellen                                    Kältewellen                                                             der Energiepreise vor allem auf die Wirtschaftsberei­
                                                                                  13%                                      che Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, Teile des
                                                                                                                           Verarbeitenden Gewerbes (insb. Chemie, Glas, Kera­
             38%
                                                                                                                           mik, Steine und Erden, Kunststoff und Metallerzeug­
                                                                                                                           nisse), die Energie- und Wasserversorgung sowie den
                                       62%                                                                                 Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung auswir­
                                                                    87%                                                    ken würde. Ein Anstieg der Wasserpreise würde vor
                                                                                                                           allem die Wirtschaftsbereiche Land-, Forstwirtschaft
                                                                                                                           und Fischerei, Teile des Verarbeitenden Gewerbes (Er­
                                                                                                                           nährung und Tabak, Papier und Druck, Chemie, Glas,
                                                                                                                           Keramik, Steine und Erden), das Gastgewerbe sowie
    Trockenheit                                   Starkregen                                                               den Dienstleistungssektor treffen. Die Arbeit von Frei
                                                                                                                           und Kowalewski (2013) nutzt Input-Output-Tabellen,
             36%                                                                                                           um einen integrierten Betroffenheitsindex zu entwi­
                                                                                        49%                                ckeln. Neben Wasser- und Energiesensitivität nutzen
                                                             51%                                                           die Autoren hier zusätzlich noch Infrastrukturindika­
                                       64%                                                                                 toren, da auch die Infrastruktur als klimasensibel ein­
                                                                                                                           geschätzt wird.
                                                                                                                                Am engsten mit der vorliegenden Studie verwandt
                                                                                                                           ist die Arbeit von Auerswald und Lehmann (2011), die
Stürme                                                                                                                     auf den Ergebnissen von zwei Sonderfragen im Rah­
    Stürme
                                                                                                                           men der ifo Konjunkturumfrage deutscher Unterneh­
                                                                                                                           men aus dem Verarbeitenden Gewerbe beruht. Die
                                                                                                                           Autoren studieren den Einfluss fünf unterschiedli­cher
                                       49%                                                                                 Extremwetterereignisse auf die Wertschöpfung von
            51%
                                                                                                                           Unternehmen: Hitze- und Kältewellen, Trockenheit,
                                                                                                                           Starkniederschläge und Stürme. Sie kommen dabei
                                                                                                                           zu dem Ergebnis, dass vor allem Kältewellen nega­
                                                                                                                           tive Wertschöpfungseffekte erzeugen. Zudem finden
                                                                                                                           die Verfasser, dass durch Extremwetterereignisse vor
aAnzahl der Meldungen »keine Angabe«: rd. 1 500.
b Anteile an allen Unternehmen, die eine Angabe getätigt haben.
                                                                                                                           allem das Ernährungsgewerbe und die Tabakverarbei­
Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                            © ifo Institut   tung, das Holzgewerbe und das Glasgewerbe über­

                          46       ifo Schnelldienst    8 / 2020   73. Jahrgang    12. August 2020
FORSCHUNGSERGEBNISSE

 durchschnittlich stark von klimatischen Veränderun­                            nehmensgröße aufweist. Nahezu alle Wirtschafts-
 gen betroffen sind.                                                            abteilungen (sog. 2-Steller wie bspw. der Fahrzeug­
                                                                                bau) sind durch die Umfrage repräsentiert (vgl. Leh­
 DATENBASIS                                                                     mann 2020). Darüber hinaus lassen sich, aufgrund
                                                                                der vorhandenen Information zur Anzahl der Be­
 Ähnlich wie die Studie von Auerswald und Lehmann                               schäftigten, Auswertungen für verschiedene Unter­
 (2011) beruht die im Folgenden vorgestellte Analyse                            nehmensgrößen anstellen. Jedoch ist die ifo Kon­
 auf einer Reihe von Sonderfragen, die in die ifo Kon­                          junkturumfrage – im Vergleich zur Grundgesamtheit
 junkturumfrage integriert wurden. Die ifo Konjunk­                             der deutschen Unternehmen unter Maßgabe des
 turumfrage3 eignet sich ideal zur Analyse der Ein­                             Unternehmensregisters – etwas überrepräsentiert
 stellungen deutscher Unternehmen hinsichtlich des                              im Segment größerer Firmen (> 500 Beschäftigte).
 Klimawandels und dessen Konsequenzen. Erstens                                  Zweitens kann die Panelstruktur der ifo Konjunk-
 zeichnet sich die ifo Konjunkturumfrage durch eine                             turumfrage dafür genutzt werden, um sich verän­
 hohe fachliche und regionale Repräsentativität aus.                            dernde Einstellungen und Betroffenheit der Unter­
 Dabei bedeutet fachlich, dass die Umfrage sowohl                               nehmen über die Zeit zu analysieren. Hierfür ist ein
 einen sehr hohen Abdeckungsgrad bzgl. der einzel­                              relativ stabiler Befragungskreis notwendig, der bei
 nen Wirtschaftsbereiche als auch bzgl. der Unter­                              der ifo Konjunkturumfrage gewährleistet ist.
                                                                                    Die vier Sonderfragen, die im Folgenden ausge­
 3
    Umfangreiche und sehr detaillierte Informationen zu den Umfra­
 gen des ifo Instituts sind jüngst als ifo Handbuch der Konjunkturum­
                                                                                wertet werden, wurden im Mai 2019 in die ifo Kon­
 fragen erschienen (Sauer und Wohlrabe 2020).                                   junkturumfrage integriert. Sie zielen darauf ab, die

 Abb. 2
 Regionale Betroffenheit durch Extremwetterereignisse
 Anteil der Unternehmen, die auf Frage 1 mit »ja« geantwortet haben an allen Unternehmen mit Angabe, Betroffenheit in den vergangenen zehn Jahren

      Hitzewellen                                                                  Kältewellen

     Mitteldeutschland                                                         Mitteldeutschland
   Nordostdeutschland                                                                    Sachsen
                Hessen                                                       Nordostdeutschland
  Rheinl.-Pfalz, Saarland                                                       Norddeutschland
               Sachsen                                                                     Bayern
         Niedersachsen                                                       Baden-Württemberg
   Baden-Württemberg                                                               Niedersachsen
   Nordrhein-Westfalen                                                       Nordrhein-Westfalen
      Norddeutschland                                                                     Hessen
                 Bayern                                                     Rheinl.-Pfalz, Saarland

                              0    20      40       60       80      100 %                            0      20         40         60       80        100 %

       Trockenheit                                                                  Starkregen

    Mitteldeutschland                                                       Rheinl.-Pfalz, Saarland
  Nordostdeutschland                                                                     Sachsen
              Sachsen                                                          Mitteldeutschland
               Hessen                                                        Nordrhein-Westfalen
        Niedersachsen                                                        Baden-Württemberg
  Nordrhein-Westfalen                                                                     Hessen
     Norddeutschland                                                            Norddeutschland
 Rheinl.-Pfalz, Saarland                                                     Nordostdeutschland
  Baden-Württemberg                                                                Niedersachsen
                Bayern                                                                     Bayern

                              0    20      40       60       80      100 %                            0      20         40         60       80        100 %

       Stürme

   Mitteldeutschland
             Sachsen
 Nordrhein-Westfalen
 Nordostdeutschland
Rheinl.-Pfalz, Saarland
    Norddeutschland
              Hessen
       Niedersachsen
 Baden-Württemberg
               Bayern
                          0       20     40        60       80       100 %

 Norddeutschland: Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein; Nordostdeutschland: Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern;
 Mitteldeutschland: Sachsen-Anhalt und Thüringen.
 Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                                                                     © ifo Institut

                                                                                                  ifo Schnelldienst   8 / 2020   73. Jahrgang    12. August 2020     47
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                   regionale und unternehmerische Betroffenheit durch                                    Antwortmöglichkeiten: positiv, keine, negativ,
                                   Extremwetterereignisse, die Erwartungen der Unter­                                    keine Angabe
                                   nehmen bzgl. der Häufigkeit und Intensität von Ex­                                ‒   Frage 3: Erwartet Ihr Unternehmen eine Verände­
                                   tremwetterereignissen und die bereits seitens der Un­                                 rung in der Häufigkeit oder Intensität bestimmter
                                   ternehmen getroffenen Vorkehrungen zur Abmilderung                                    Extremwetterereignisse?
                                   der negativen Konsequenzen des Extremwetters zu                                       Ausprägungen: Hitzewellen, Kältewellen, Trocken­
                                   eruieren. Die Fragen, inkl. Antwortmöglichkeiten und                                  heit, Stürme, Starkregen
                                   Ausprägungen, lauten wie folgt:                                                       Antwortmöglichkeiten: Zunahme, keine Verände­
                                                                                                                         rung, Abnahme, keine Angabe
                                   ‒      Frage 1: War die Region, in der Ihr Unternehmen                            ‒   Frage 4: Ist Ihr Unternehmen aktuell auf mögliche
                                          angesiedelt ist, in den letzten zehn Jahren von                                negative Konsequenzen von Extremwetterereig­
                                          folgenden Extremwetterereignissen betroffen?                                   nissen vorbereitet (z.B. durch Zusatzversicherun­
                                          Ausprägungen: Hitzewellen, Kältewellen, Trocken­                               gen, Rückstellungen, technische Vorkehrungen
                                          heit, Stürme, Starkregen                                                       oder andere Maßnahmen)?
                                          Antwortmöglichkeiten: ja, nein, keine Angabe                                   Ausprägungen: Hitzewellen, Kältewellen, Trocken­
                                   ‒      Frage 2: Hatten diese Extremwetterereignisse                                   heit, Stürme, Starkregen
                                          eine Auswirkung auf die Wertschöpfung Ihres                                    Antwortmöglichkeiten: ja, nein, nicht nötig, keine
                                          Unternehmens?                                                                  Angabe
                                          Ausprägungen: Hitzewellen, Kältewellen, Trocken­
                                          heit, Stürme, Starkregen                                                   Den befragten Unternehmen wurden pro Frage fünf
                                                                                                                     Extremwetterereignisse (Hitzewellen, Kältewellen, Tro­
Abb. 3                                                                                                               ckenheit, Stürme, Starkregen) vorgegeben, auf die sie
Frage 2: Auswirkungen auf die Wertschöpfung durch Extremwetterereignisse a,b                                         mit zwei oder drei Antwortmöglichkeiten (zusätzlich
Auswirkungen durch die Betroffenheit in den vergangenen zehn Jahren
                                                                                                                     zur Möglichkeit »keine Angabe« zu tätigen) reagieren
                                                                                                     Positiv
                                                                                                     Keine
                                                                                                                     konnten. Die Antwortmöglichkeiten reichten dabei von
                                                                                                     Negativ         einfachen Entscheidungen (ja/nein), über Bewertun­
    Hitzewellen                                            Kältewellen                                               gen (positiv/negativ) hin zu zukünftigen Tendenzen
                            7%                                                   7%                                  (Zunahme/Abnahme). Die Fragestellungen orientieren
                                                                                                                     sich dabei teilweise an jenen, die bereits in Auerswald
            45%                                                                                                      und Lehmann (2011) im Verarbeitenden Gewerbe ge­
                                                                                          34%
                                                                                                                     stellt wurden.
                                       48%                        59%                                                     Die Sonderfragen wurden in allen Wirtschafts­
                                                                                                                     bereichen der ifo Konjunkturumfrage gestellt. Dabei
                                                                                                                     steht im Kern für unsere Analyse die folgende Anzahl
                                                                                                                     an Unternehmensmeldungen zur Verfügung: Verar­
                                                                                                                     beitendes Gewerbe (2 103 Meldungen), Bauhaupt­
    Trockenheit                                             Starkregen                                               gewerbe (1 801 Meldungen), Handel (1 905 Meldun­
                  17%
                            8%                                                   6%                                  gen) und Dienstleistungen (2 053 Meldungen). Für
                                                                                                                     Deutschland insgesamt ergibt dies eine Anzahl von
                                                                  38%                                                7 862 Unternehmensmeldungen im Mai 2019. Unter
                                                                                                                     Berücksichtigung jener Unternehmen, die nicht auf
                                                                                                                     die Fragen geantwortet haben, ergeben sich die fol­
                                                                                       56%
                                                                                                                     genden Antwortquoten auf die einzelnen Fragen: rund
                             75%
                                                                                                                     81% für Frage 1 und Frage 2, 57% für Frage 3 und
                                                                                                                     58% für Frage 4.

                               Stürme                                                                                GESAMTDEUTSCHE UND REGIONALE RELEVANZ
    Stürme
                          6%                                                                                         UNTERSCHIEDLICHER EXTREMWETTEREREIGNISSE
            31%
                                                                                                                     Zunächst ist interessant, wie stark deutsche Un­
                                                                                                                     ternehmen überhaupt von unterschiedlichen Arten
                                                                                                                     von Extremwetterereignissen betroffen sind. Hierzu
                                 63%                                                                                 wurde erfragt, inwiefern die jeweiligen Unternehmen
                                                                                                                     in einer Region beheimatet sind, die in den letzten
                                                                                                                     zehn Jahren Extremwetterereignisse erlebt hat. Die
                                                                                                                     Ergebnisse sind, aufgeschlüsselt nach den fünf un­
                                                                                                                     terschiedlichen Typen von Extremwetterereignissen,
aAnzahl der Meldungen »keine Angabe«: rd. 54.
b Angaben   der Firmen, die Frage 1 mit »ja« beantwortet haben.
                                                                                                                     in Abbildung 1 dargestellt, wobei sich die Anteile auf
Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                      © ifo Institut   jene Unternehmen beziehen, die Frage 1 beantwortet

                          48       ifo Schnelldienst   8 / 2020   73. Jahrgang    12. August 2020
FORSCHUNGSERGEBNISSE

haben. Eine sehr hohe Relevanz weisen den Ergeb-                          zeigt sich, dass es durchaus regionale Unterschiede
nissen zur Folge Trockenheit und Hitzewellen auf.                         in der Betroffenheit und auch systematische Muster
Etwa zwei Drittel aller antwortenden Unternehmen                          gibt. Auffällig ist zunächst, dass mitteldeutsche Unter-
geben an, in Regionen angesiedelt zu sein, die in den                     nehmen, also solche aus den Bundesländern Thü­
letzten zehn Jahren von diesen Extremwetterereig­                         ringen und Sachsen-Anhalt, besonders häufig ange­
nissen betroffen waren. Aber auch Stürme und Stark-                       ben, dass ihre Heimatregionen in den letzten zehn
regen scheinen hoch relevante Extremwetterereig­                          Jahren Extremwetterereignisse erlebt haben. Bei
nisse zu sein. Immerhin gibt jedes zweite Unter­                          vier von fünf Typen von Extremwetterereignissen
nehmen an, in einer Region beheimatet zu sein, die                        (Hitze- und Kältewellen, Trockenheit, Stürme) wei­
solche Extremwetterereignisse in den letzten zehn                         sen mitteldeutsche Unternehmen die höchste re­
Jahren erlebt hat. Weniger relevant sind dagegen                          gionale Betroffenheit auf. Und auch bei Starkrege­
Kältewellen. Nur 13% aller antwortenden Unterneh­                         nereignissen liegt Mitteldeutschland zumindest in
men haben in Ihrer Region im letzten Jahrzehnt eine                       der Gruppe der am stärksten betroffenen Regionen.
Kältewelle erlebt.                                                        Auch Nordostdeutschland (d.h. Berlin, Brandenburg
     In Abbildung 2 sind die Antworten nach Regionen                      und Mecklenburg-Vorpommern) sowie Sachsen sind
aufgeschlüsselt. Gezeigt wird hier für jeden Typ von                      fast durchgängig unter den am stärksten betroffenen
Extremwetterereignissen der Anteil der antworten­                         Regionen zu finden, so dass sich generell eine große
den Unternehmen, die angeben, dass die Heimat­                            Vulnerabilität ostdeutscher Regionen im Hinblick auf
region des Unternehmens das jeweilige Extremwet­                          Extremwetterereignisse aus den Daten ablesen lässt.
terereignis in den letzten zehn Jahren erlebt hat. Es                     Eine Ausnahme stellen hier allenfalls Starkregener­

Abb. 4
Vergleich des Antwortverhaltens im Verarbeitenden Gewerbe zu den Auswirkungen von Extremwetterereignissen
Vergleich der Befragung vom Mai 2019 mit Auerswald und Lehmann (2011)
                                                                                                  Befragung Mai 2019        Befragung November 2010
 Hitzewellen                                                              Kältewellen
      %                                                                        %
100                                                                      100

 80                                                                       80

 60                                                                       60

 40                                                                       40

 20                                                                       20

  0                                                                        0
               Positiv                 Keine                   Negativ                  Positiv                  Keine                      Negativ

  Trockenheit                                                               Starkregen
      %                                                                        %
100                                                                      100

 80                                                                       80

 60                                                                       60

 40                                                                       40

 20                                                                       20

  0                                                                        0
               Positiv                 Keine                   Negativ                  Positiv                  Keine                      Negativ

  Stürme
     %
100

 80

 60

 40

 20

  0
               Positiv                 Keine                   Negativ

Quelle: ifo Konjunkturumfrage; Auerswald und Lehmann (2011).                                                                                     © ifo Institut

                                                                                             ifo Schnelldienst   8 / 2020    73. Jahrgang    12. August 2020      49
FORSCHUNGSERGEBNISSE

     eignisse dar. Hier ist zumindest Nordostdeutschland                            die Wertschöpfung der Unternehmen positiv, negativ
     unterdurchschnittlich stark betroffen. Auffällig ist                           oder nicht beeinträchtigt wurde. Die diesbezüglichen
     zudem, dass Süddeutschland – und hier insbesondere                             Ergebnisse sind in Abbildung 3 zusammengestellt.
     Bayern – mit Ausnahme von den sowieso weniger                                       Zunächst einmal zeigt sich, dass das Auftreten
     relevanten Kältewellen weniger häufig von Extrem­                              von Extremwetterereignissen nicht für alle regional
     wetterereignissen betroffen zu sein scheint.                                   ansässigen Unternehmen negativ oder unbeachtlich
                                                                                    ist. Ganz im Gegenteil profitiert die Wertschöpfung
     EINFLUSS VON EXTREMWETTEREREIGNISSEN                                           von 6 bis 8% aller Unternehmen vom Auftreten sol­
     AUF DIE WERTSCHÖPFUNG DEUTSCHER                                                cher Ereignisse, wobei es kaum systematische Un­
     UNTERNEHMEN                                                                    terschiede zwischen den fünf Extremwettertypen zu
                                                                                    geben scheint.
     In einem nächsten Schritt wird untersucht, ob auftre­                               Eine sehr viel stärkere Variation ist dagegen im
     tende Extremwetterereignisse einen Einfluss auf die                            Hinblick auf die negativen Effekte zu diagnostizie­
     Wertschöpfung von Unternehmen hatten. Um diese                                 ren. Deutsche Unternehmen waren zwar, wie zuvor
     Frage zu beantworten, fokussieren wir auf diejeni­                             gezeigt, bisher eher selten von Kältewellen betrof­
     gen Unternehmen, die angegeben haben, dass die                                 fen; gleichwohl erzeugen Kältewellen, wenn sie denn
     Standortregion des Unternehmens im letzten Jahr­                               auftreten, bei immerhin beinahe 60% aller regional
     zehnt mindestens ein solches Extremwetterereignis                              ansässigen Unternehmen negative Effekte auf die
     erlebt hat (Antwort »ja« auf Frage 1). Für jedes der                           Wertschöpfung. Die sehr viel häufiger auftretenden
     fünf Extremwetterereignisse analysieren wir dann, ob                           Hitzewellen erzeugen seltener negative Wertschöp­

     Abb. 5
     Negative Auswirkungen auf die Wertschöpfung durch Extremwetterereignisse nach Wirtschaftsbereichen a
     Anteil der Unternehmen, die auf Frage 2 mit »negativ« geantwortet haben, Auswirkungen durch die Betroffenheit in den vergangenen zehn Jahren

             Hitzewellen                                                               Kältewellen

          Textilien, Bekleidung etc.                                                      Bauhauptgewerbe

                 Bauhauptgewerbe                                                        Verkehr und Lagerei

         Nahrung, Getränke, Tabak                                                              Einzelhandel

                        Einzelhandel                                                       Gummi, Glas etc.

                     DV-Geräte etc.                                                            Gastgewerbe

                                           0   20       40     60     80   100 %                              0   20    40      60      80        100 %

              Trockenheit                                                                Starkregen

     Nahrung, Getränke, Tabak                                                                  Gastgewerbe

          Chemie und Pharmazie                                                            Bauhauptgewerbe

                   Holzwaren etc.                                                              Einzelhandel

         Textilien, Bekleidung etc.                                                Nahrung, Getränke, Tabak

              Verkehr und Lagerei                                                       Verkehr und Lagerei

                                       0       20      40      60     80   100 %                              0   20    40      60     80         100 %

               Stürme

                     Gastgewerbe

              Verkehr und Lagerei

               Bauhauptgewerbe

     Nahrung, Getränke, Tabak

                     Einzelhandel

                                       0       20      40      60     80   100 %
     aAngaben der Firmen, die Frage 1 mit »ja« beantwortet haben.
     Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                                                          © ifo Institut

50   ifo Schnelldienst    8 / 2020   73. Jahrgang   12. August 2020
FORSCHUNGSERGEBNISSE

fungseffekte; immer noch geben aber immerhin 45%          zelhandel, der Bereich Nahrung, Getränke und Tabak
der betroffenen Unternehmen an, durch Hitzewellen         sowie der Bereich Verkehr und Lagerei. Diese vier
negativ in ihrer Wertschöpfung beeinflusst zu wer­        Bereiche tauchen gleich bei vier der fünf Typen von
den. Während Trockenheit ähnlich oft wie Hitzewel­        Extremwetterereignissen unter den fünf am stärks­
len auftrat, erzeugte sie sehr viel seltener negative     ten betroffenen Wirtschaftsbereichen auf. Auch das
Wertschöpfungseffekte. Nur 17% der Unternehmen,           Gastgewerbe ist stark betroffen und in drei Nega­
die im letzten Jahrzehnt eine Phase der Trockenheit       tiv-Rankings vertreten.
erlebt haben, geben an, hierdurch negativ beeinflusst          Beim Auftreten von Hitzewellen gibt es vier Wirt­
worden zu sein. Bei Starkregen und Stürmen liegt der      schaftsbereiche, in denen rund 60% aller Unterneh­
Anteil der negativ beeinflussten Unternehmen mit          men negative Wertschöpfungseffekte erleben: der
38 bzw. 31% sehr viel höher.                              Bereich Textilien und Bekleidung, das Bauhauptge­
     Interessanterweise gibt es Hinweise darauf, dass     werbe, der Bereich Nahrung, Getränke und Tabak so­
die Betroffenheit von Unternehmen durch Extrem­           wie der Einzelhandel. Mit einigem Abstand folgt der
wetter sich über die Zeit durchaus verändert hat.         Bereich der DV-Geräte. Der bei weitem am stärksten
Während die vorliegenden Sonderfragen im Mai 2019         negativ beeinflusste Bereich beim Auftreten von Käl­
gestellt wurden und insofern erst einmal nur eine         tewellen ist das Bauhauptgewerbe, in dem beinahe
zeitpunktbezogene Betrachtung zulassen, ermöglicht        80% aller Betriebe negative Wertschöpfungseffekte
ein Vergleich mit den Ergebnissen der bereits erwähn­     berichten. Mit etwas über 60% ist der Bereich Ver­
ten Studie von Auerswald und Lehmann (2011) auch          kehr und Lagerei am zweitstärksten betroffen. Auf
die Abschätzung eines (möglichen) Zeittrends. Be­         den weiteren Plätzen folgen mit um die 55% der Ein­
reits in der Arbeit von Auerswald und Lehmann (2011)
wurde mittels einer Sonderfrage im Rahmen der ifo         Abb. 6

Konjunkturumfrage nach der Betroffenheit deutscher        Frage 3: Erwartungen über zukünftige Extremwetterereignissea,b
                                                          Erwartungen über Häufigkeit oder Intensität
Unternehmen durch Extremwetterereignisse gefragt
und dabei exakt die gleiche Fragestellung verwen­                                                                                                    Zunahme
                                                                                                                                                     Keine Veränderung
det, wie in den vorliegenden Sonderfragen. Da sich                                 1%
                                                              Hitzewellen                                                                            Abnahme
die Vergleichsstudie allerdings ausschließlich auf das                                                         Kältewellen
                                                                                                                                 9%      13%
Verarbeitende Gewerbe bezieht, beschränken wir im
Folgenden den Vergleich ebenfalls auf diesen Wirt­
schaftsbereich. Die Ergebnisse sind in Abbildung 4                      45%
zusammengestellt.                                                                                 54%
     Wie zu erkennen ist, hat der Anteil der Industrie­
unternehmen, der angibt, durch Extremwetterereig­                                                                               78%
nisse in der Wertschöpfung unbeeinflusst zu bleiben,
für alle fünf Typen von Extremwetter seit 2010 spürbar
abgenommen. Besonders stark ist dieser Effekt bei
Hitzewellen ausgeprägt, wo ein Rückgang von etwa              Trockenheit
                                                                                   1%                                               1%
                                                                                                                Starkregen
20 Prozentpunkten zu verzeichnen ist. Bei allen ande­
ren Extremwettertypen liegt der Rückgang bei etwa
10 Prozentpunkten. In beinahe gleichem Ausmaß ge­
                                                                        43%
ben nun mehr Industriefirmen an, durch Extremwet-
                                                                                                                      49%                      50%
terereignisse negativ beeinflusst zu werden. Zumin­                                               56%
dest im Verarbeitenden Gewerbe ist also von einer
über die Zeit zunehmenden Betroffenheit der Wert­
schöpfung auszugehen. Zwar ist für die anderen Wirt­
schaftsbereiche ein ähnlicher Trend zu vermuten, eine
valide Aussage ist aber aufgrund fehlender Vergleichs­
                                                                                   0%
befragungen nicht möglich.                                     Stürme
     Da die Befragungsdaten auch nach unterschied­
lichen Branchen aufgeschlüsselt werden können,
lässt sich überprüfen, welche Wirtschaftsbereiche
                                                                                                  49%
am stärksten von den einzelnen Typen von Extrem­
                                                                        51%
wetterereignissen betroffen sind. In Abbildung 5 sind
für jeden Ereignistyp jeweils die fünf Wirtschaftsbe­
reiche aufgeführt, in denen der höchste Prozentsatz
von Unternehmen angibt, durch das jeweilige Er­
eignis negativ in seiner Wertschöpfung beeinflusst
                                                          aAnzahl der Meldungen »keine Angabe«: rd. 3 400.
worden zu sein. Zu den am stärksten betroffenen           b Anteil an allen Unternehmen, die eine Angabe getätigt haben.
Bereichen gehören das Bauhauptgewerbe, der Ein­           Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                     © ifo Institut

                                                                              ifo Schnelldienst    8 / 2020   73. Jahrgang   12. August 2020   51
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                zelhandel, der Bereich Gummi und Glas sowie das                                       etwas mehr als 40% negative Wertschöpfungseffekte,
                                Gastgewerbe. Am meisten unter Trockenheit leidet                                      der Einzelhandel etwas unter 40%.
                                der Bereich Nahrung, Getränke und Tabak, in dem
                                beinahe jeder zweite Betrieb von Wertschöpfungsver­                                   ERWARTUNGEN DEUTSCHER UNTERNEHMER
                                lusten berichtet. Mit erheblichem Abstand folgt der                                   IM HINBLICK AUF ZUKÜNFTIGE EXTREMWETTER-
                                Bereich Chemie und Pharmazie, die Holzwaren, der                                      EREIGNISSE
                                Bereich Textilien und Bekleidung sowie der Bereich
                                Verkehr und Lagerei.                                                                  Um abschätzen zu können, mit welchen zukünftigen
                                     Interessanterweise sind die am massivsten nega­                                  Effekten zu rechnen ist, wurden mit einer weiteren
                                tiv betroffenen Bereiche von Starkregen und Stürmen                                   Sonderfrage die zukünftigen Erwartungen im Hinblick
                                exakt die gleichen. Das Gastgewerbe führt mit um die                                  auf das Auftreten von Extremwetterereignissen eru­
                                60% der Unternehmen das Feld bei beiden Extrem­                                       iert. Dabei wurde erneut zwischen unterschiedlichen
                                wetterereignissen an. Starkregen beeinflusst zudem                                    Typen von Extremwetterereignissen unterschieden.
                                das Bauhauptgewerbe stark negativ; hier melden 60%                                    Zudem wurde die Bedeutung des jeweiligen Phäno­
                                aller Betriebe negative Wertschöpfungseffekte. Mit                                    mens insgesamt erfragt. Eine Veränderung kann sich
                                knapp unter 40% folgen gleichauf der Einzelhandel,                                    dabei also sowohl über eine veränderte Frequenz als
                                der Bereich Nahrung, Getränke und Tabak sowie der                                     auch über eine variierende Intensität ergeben. Die
                                Bereich Verkehr und Lagerei. Bei Stürmen melden die                                   Ergebnisse sind in Abbildung 6 visualisiert.
                                Bereiche Verkehr und Lagerei, das Bauhauptgewerbe                                          Im Hinblick auf das zukünftige Auftreten von Käl­
                                und der Bereich Nahrung, Getränke und Tabak jeweils                                   tewellen rechnen die deutschen Unternehmen mit
                                                                                                                      keiner großen Veränderung. 78% der antwortenden
Abb. 7                                                                                                                Unternehmen rechnen mit keiner Veränderung des
Frage 4: Vorkehrungen für Extremwetterereignisse a,b                                                                  Auftretens oder der Intensität dieses Extremwetter­
Vorbereitungen gegen negative Konsequenzen
                                                                                                                      typs. Diejenigen, die mit einer Zunahme der Bedeu­
                                                                                                  Ja                  tung von Kältewellen rechnen (13%), halten sich in
                                                                                                  Nein
                                                                                                                      etwa die Waage mit denen, die von einer rückläufigen
    Hitzewellen                                      Kältewellen                                  Nicht nötig
                                                                           10%
                                                                                                                      Bedeutung ausgehen (9%).
                             14%
                                                                                                                           Bei allen anderen vier Arten von Wetterextremen
                                                                                                                      rechnet in etwa die Hälfte aller Unternehmen mit ei­
           46%
                                                                                                                      ner Zunahme der Bedeutung. Dies gilt in noch etwas
                                                           53%                      37%                               stärkerem Maße für Trockenheit (56%) und Hitze-
                                   40%                                                                                wellen (54%). Klare räumliche Muster im Hinblick auf
                                                                                                                      die Zukunftserwartungen für Extremwetterereignisse
                                                                                                                      gibt es dagegen unter den deutschen Unternehmen
                                                                                                                      nicht.

    Trockenheit                                      Starkregen                                                       UNTERNEHMERISCHE VORKEHRUNGEN FÜR
                          9%
                                                                                                                      EXTREMWETTEREREIGNISSE
                                                                                  29%
                                                            36%
                                                                                                                      Die vorgestellten Ergebnisse der Unternehmensbefra­
          53%                       38%                                                                               gung haben gezeigt, dass viele deutsche Unterneh­
                                                                                                                      men damit rechnen, in Zukunft Extremwetterereig­
                                                                                                                      nissen ausgesetzt zu sein. Zudem hat sich gezeigt,
                                                                           34%
                                                                                                                      dass diese Extremwetterereignisse oft mit negativen
                                                                                                                      Konsequenzen für die Wertschöpfung einhergehen
                                                                                                                      dürften. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
     Stürme                                                                                                           ob, und gegebenenfalls wie gut, sich Unternehmen
                                                                                                                      auf das Auftreten von Ex­tremwetterereignissen vor­
           35%                     30%                                                                                bereitet haben. Auch hierzu wurde eine Sonderfrage
                                                                                                                      gestellt.
                                                                                                                           Abbildung 7 zeigt die Antworten auf die Frage,
                                                                                                                      wie gut deutsche Unternehmen auf unterschiedli­
                                                                                                                      che Typen von Extremwetterereignissen nach eige­
                         35%
                                                                                                                      ner Einschätzung vorbereitet sind. Es fällt zunächst
                                                                                                                      auf, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der
                                                                                                                      antwortenden Unternehmen eine Vorbereitung auf
                                                                                                                      das Auftreten von Extremwetterereignissen für nicht
aZusatzversicherungen, Rückstellungen, technische Vorkehrungen etc.
b Anzahl der Meldungen »keine Angabe«: rd. 3 300.
                                                                                                                      nötig hält. Besonders ausgeprägt ist diese Einstellung
Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                       © ifo Institut   bei Kältewellen und Trockenheit (jeweils 53%), aber

                        52       ifo Schnelldienst    8 / 2020   73. Jahrgang   12. August 2020
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Abb. 8
Vorbereitungen der Firmen auf Extremwetterereignisse, die keine oder negative Auswirkungen erfahren haben
Anteile der Firmen, die auf Frage 2 mit »keine« oder »negativ« geantwortet haben
                                                                                                                               Ja   Nein      Nicht nötig
  Hitzewellen                                                             Kältewellen
      %                                                                       %
100                                                                     100

 80                                                                      80

 60                                                                      60

 40                                                                      40

 20                                                                      20

  0                                                                        0
                      Keine                        Negativ                                   Keine                               Negativ

   Trockenheit                                                                 Starkregen
      %                                                                          %
100                                                                     100

 80                                                                      80

 60                                                                      60

 40                                                                      40

 20                                                                      20

  0                                                                        0
                      Keine                        Negativ                                   Keine                               Negativ

   Stürme
      %
100

 80

 60

 40

 20

  0
                      Keine                       Negativ

Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                                                                © ifo Institut

auch bei Hitzewellen (46%). Hingegen hält nur etwas                       wetter ist die Anzahl der Unternehmen mit Vorkeh­
mehr als ein Drittel der antwortenden Unternehmen                         rungen beinahe doppelt so groß wie die der unvor­
eine Vorbereitung auf Stürme und Starkregen für un­                       bereiteten Firmen. Gleichzeitig geben von den negativ
nötig. Unter denjenigen, die eine Vorbereitung auf                        betroffenen Firmen sehr viel weniger an, dass Vor-
Stürme und Starkregen für prinzipiell nötig halten,                       kehrungen für Extremwetterereignisse nicht nötig
sind etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen                         seien.
auch tatsächlich vorbereitet (jeweils 46%). Sehr viel                          Weiterhin sollten Firmen, die für die Zukunft ei­
ungünstiger fällt dieses Verhältnis bei den drei ande­                    nen Anstieg von Extremwetterereignissen erwarten,
ren Typen von Extremwetterereignissen aus. Während                        auch häufiger Vorkehrungen für solche Ereignisse ge­
immerhin noch 25% der Unternehmen, die eine Vor­                          troffen haben. Ein Vergleich von Firmen, die unver­
bereitung für nötig halten, auf Hitzewellen vorbereitet                   änderte Bedingungen erwarten, mit denen, die mit
sind, beträgt der Anteil bei Kältewellen nur 21% und                      häufigeren oder schwereren Extremwetterereignissen
bei Trockenheit sogar nur 19%.                                            rechnen, bestätigt diese Hypothese (vgl. Abb. 9). Un­
     Man sollte erwarten, dass Unternehmen umso                           ternehmen mit unveränderten Erwartungen sind im
eher auf einen bestimmten Typ von Extremwetter                            Durchschnitt nur halb so oft auf die entsprechenden
vorbereitet sind, desto eher sie erwarten, dass das                       Ereignisse vorbereitet wie die, die mit ansteigender
Wetterereignis negative Wertschöpfungseffekte mit                         Bedeutung rechnen. Auch sehen Unternehmen, die
sich bringt. Wie Abbildung 8 visualisiert, ist dies auch                  mit einer Verschärfung der Wetterbedingungen rech­
tatsächlich der Fall. Für alle fünf Typen von Extrem­                     nen, seltener keinen Handlungsbedarf.

                                                                                            ifo Schnelldienst   8 / 2020   73. Jahrgang    12. August 2020     53
FORSCHUNGSERGEBNISSE

     Abb. 9
     Vorbereitungen der Firmen auf Extremwetterereignisse, die eine Zunahme oder keine Veränderung erwarten
     Anteile der Firmen, die auf Frage 3 mit »Zunahme« oder »keine Veränderung« geantwortet haben
                                                                                                                              Ja   Nein   Nicht nötig
       Hitzewellen                                                            Kältewellen
            %                                                                     %
     100                                                                    100

      80                                                                     80

      60                                                                     60

      40                                                                     40

      20                                                                     20

       0                                                                      0
                         Zunahme                        Keine Veränderung                   Zunahme                      Keine Veränderung

       Trockenheit                                                             Starkregen
          %                                                                       %
     100                                                                    100

      80                                                                     80

      60                                                                     60

      40                                                                     40

      20                                                                     20

       0                                                                      0
                         Zunahme                        Keine Veränderung                   Zunahme                      Keine Veränderung

         Stürme
              %
     100

      80

      60

      40

      20

        0
                         Zunahme                        Keine Veränderung

     Quelle: ifo Konjunkturumfrage.                                                                                                        © ifo Institut

     FAZIT: STARKER NEGATIVER EINFLUSS                                       notwendig halten, haben allerdings bisher keine ent­
                                                                             sprechenden Maßnahmen getroffen, so dass noch ein
     Die in diesem Beitrag präsentierten Befragungser­                       erheblicher Anpassungsbedarf besteht. Das gilt umso
     gebnisse haben gezeigt, dass ein erheblicher Teil der                   mehr, als dass die meisten befragten Unternehmen
     deutschen Unternehmen durch Extremwetterereig­                          von einer in der Zukunft zunehmenden Bedeutung
     nisse in seiner Wertschöpfung negativ beeinflusst                       vieler Extremwetterereignisse ausgehen (eine Aus­
     wird. Besonders stark negativ beeinflusste Bereiche                     nahme stellen hier nur die Kältewellen dar, bei denen
     sind das Bauhauptgewerbe, der Einzelhandel, der Be­                     per saldo keine Veränderung erwartet wird), was sich
     reich Nahrung, Getränke und Tabak sowie der Bereich                     mit klimatologischen Prognosen deckt.
     Verkehr und Lagerei. Aber auch das Gastgewerbe ist
     stark negativ in seiner Wertschöpfung beeinflusst.                      LITERATUR
     Ein Vergleich mit früheren Befragungen für das Ver­                     Auerswald, H. und G. Vogt (2010), »Zur Klimasensibilität der Wirtschaft
     arbeitende Gewerbe zeigt, dass der Anteil der negativ                   in der Region Dresden«, ifo Dresden berichtet 17(3), 15–23.

     durch Extremwetterereignisse beeinflussten deut­                        Auerswald, H. und R. Lehmann (2011), »Auswirkungen des Klimawandels
                                                                             auf das Verarbeitende Gewerbe – Ergebnisse einer Unternehmensbefra­
     schen Industriefirmen über das letzte Jahrzehnt deut­                   gung«, ifo Dresden berichtet 18(2), 16–22.
     lich zugenommen hat. Zwar hat ein Teil dieser Un­                       Berlemann, M. und M. Steinhardt (2017), »Climate Change, Natural
     ternehmen auch Vorkehrungen zur Minderung dieser                        Disasters, and Migration – A Survey of the Empirical Evidence«, CESifo
                                                                             Economic Studies 63(4), 353–385.
     negativen Einflüsse getroffen; deutlich mehr als die
     Hälfte aller Unternehmen, die Vorsorge für prinzipiell

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FORSCHUNGSERGEBNISSE

Frei, X. und J. Kowalewski (2013), Sektorale und regionale Betroffenheit
durch den Klimawandel am Beispiel der Metropolregion Hamburg, HWWI
Research Paper 139, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, Hamburg.
IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change (2013), Climate
Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I
to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate
Change, Herausgeber: T. F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor,
S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P. M. Midgeley,
Cambridge University Press, Cambridge.
Lehmann, R. (2020), »The Forecasting Power of the ifo Business Survey«,
CESifo Working Paper No. 8291.
Mahammadzadeh, M. und H. Biebeler (2009), Anpassung an den Klima­
wandel, IW Analysen Nr. 37, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln.
Sauer, S. und K. Wohlrabe (Hrsg., 2020), ifo Handbuch der Konjunktur­
umfragen, ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung Nr. 88, ifo Institut,
München.
Umweltbundesamt (2019), Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpas­
sungsstrategie an den Klimawandel, Dessau-Roßlau.

                                                                           ifo Schnelldienst   8 / 2020   73. Jahrgang   12. August 2020   55
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