Wirtschaftskonjunktur 2018: Prognose und Wirklichkeit - ifo Institut
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DATEN UND PROGNOSEN Wolfgang Nierhaus Wirtschaftskonjunktur 2018: Prognose und Wirklichkeit Das ifo Institut beleuchtet seit Jahren kritisch die Güte der eigenen Konjunkturprognosen, die jeweils im Dezember eines Jahres t für das darauffolgende Kalenderjahr t + 1 abgege- ben werden (vgl. Nierhaus 2018).1 Unter Einschluss der zum Prognosezeitpunkt noch unbe- kannten amtlichen Ergebnisse für das jeweilige Jahresendquartal umfasst der Prognose- zeitraum damit fünf Quartale. Im folgenden Beitrag wird die ifo Prognose vom Dezember 2017 für das Jahr 2018 vor dem Hintergrund der am 15. Januar 2019 veröffentlichten amtli- chen Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen diskutiert. Zudem wird auf die Prognosequalität des Instituts im langjährigen Durchschnitt eingegangen. Die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im Jahr ten im Prognosezeitraum nicht mehr ganz so kräf- 2018 verlief deutlich ungünstiger, als in der ifo Dezem- tig wie bisher steigen, wenngleich die konjunkturelle berprognose 2017 vorausgeschätzt worden war. In der Schlagzahl angesichts der großen weltwirtschaftli- damaligen Prognose des ifo Instituts hatte es unter chen Dynamik beachtlich hoch bleiben wird.« (Woll- dem Titel »Deutsche Wirtschaft auf dem Weg in die mershäuser et al. 2017, S. 39 und 42). Hochkonjunktur« geheißen: Die weltwirtschaftlichen Risiken, mit denen »Der Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirt- diese Prognose behaftet war, waren vom ifo Institut schaft seit nunmehr 2013 befindet, hat sich in diesem als weitgehend ausgeglichen erachtet worden. Ein Jahr merklich beschleunigt. In den ersten drei Quar- abwärts gerichtetes Prognoserisiko wurde in einem talen legte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt möglichen Scheitern der Brexit-Verhandlungen zwi- mit durchschnittlich 0,8% gegenüber dem Vorquartal schen Großbritannien und der EU gesehen. Käme es, zu. Damit weitet sich die gesamtwirtschaftliche Pro- anders als in der Prognose unterstellt, zu einem »har- duktion annähernd doppelt so stark aus, wie aktuelle ten Brexit«, so hätte dies vor allem für Großbritannien, Schätzungen der Potenzialrate nahelegen. Entspre- aber auch für die EU deutlich negative wirtschaftliche chend hat die Überauslastung der deutschen Wirt- Effekte. Würde der Handel in Zukunft auf Basis von schaft deutlich zugenommen … In den kommenden WTO-Regeln erfolgen, so wäre das Bruttoinlandspro- beiden Jahren wird sich der Aufschwung in Deutsch- dukt pro Kopf für das Vereinigte Königreich langfristig land fortsetzen, befördert von der Binnennachfrage um 1,4% niedriger, das Pro-Kopf-Produkt der EU um und den Exporten. Der private Konsum wird kräftig 0,25%. Ein weiteres Risiko für die Weltwirtschaft stelle expandieren, getrieben von steigenden Effektivlöh- die Entwicklung in China dar. Dort habe sich die Ver- nen, zunehmenden Transfereinkommen und stei- schuldung im Unternehmenssektor in den vergange- gender Beschäftigung. Deutlich schwächer als bis- nen Jahren massiv ausgeweitet und sei auf einem im her expandiert hingegen der öffentliche Konsum; hier internationalen Vergleich sehr hohen Niveau. Dadurch schlägt sich die deutlich verringerte Fluchtmigration erhöhe sich das Finanzstabilitätsrisiko in China, z.B. nieder. Angesichts des weiter zunehmenden Auslas- infolge einer unerwartet raschen Normalisierung der tungsgrads wird sich die kräftige Expansion der Unter- US-amerikanischen Geldpolitik, die zu einem ver- nehmensinvestitionen fortsetzen, wobei sich der stärkten Kapitalabfluss aus China führen könne. Ein konjunkturelle Anstieg der Investitionen in Ausrüs- schnelles Anheben der Leitzinsen in den USA könne tungen und in gewerbliche Bauten allmählich etwas etwa Folge der zwischen dem Senat und dem Reprä- abschwächen dürfe. Dies gilt auch für die Investitio- sentantenhaus verhandelten Steuerpläne der US-Re- nen in Wohnbauten; darauf deutet jedenfalls der zu gierung sein. Für sich genommen stellten diese Pläne beobachtende Rückgang der Auftragsbestände sowie für die Prognose ein signifikantes Aufwärtsrisiko dar, der Baugenehmigungen hin. Auch die Ausfuhren dürf- da die US-Konjunktur durch die beabsichtigten Steu- ersenkungen kurzfristig deutlich stimuliert werden 1 Auf unterjährige Prognosefehler und Prognoseanpasungen wird in den Sommer- und Winterprognosen des ifo Instituts gesondert könne. Gleichzeitig könnte aber hierdurch auch die eingegangen. Staatsverschuldung der USA stark zunehmen, was 22 ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN möglicherweise zu einem Abb. 1 Anstieg der weltweiten Kapi- ifo Geschäftsklima in der Gewerblichen Wirtschaftᵃ Saisonbereinigt talnachfrage und damit der Kapitalmarktzinsen führe. Indexwerte, 2005 = 100 130 Auch für den Euroraum wurden die konjunkturellen 120 Risiken weitgehend ausgegli- chen gesehen. Die durchweg 110 positiven Einschätzungen von Unternehmen, Haushalten 100 und Finanzmarktakteuren im 90 Hinblick auf die aktuelle Lage ifo Geschäftsklima und den Ausblick auf die kom- 80 Beurteilung der Geschäftslage menden Monate könnten sig- Geschäftserwartungen nalisieren, dass die Wirtschaft 70 im Euroraum noch stärker 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 expandiere als in der Prognose ᵃ Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel. Quelle: ifo Konjunkturumfragen, Dezember 2017. © ifo Institut unterstellt. Durch die erfolgrei- che Umsetzung weiterer struk- tureller Reformen in den Mitgliedstaaten könnte sich klimaindex für die Gewerbliche Wirtschaft2, nahezu die Arbeitsmarktlage noch schneller verbessern und das ganze Jahr 2017 hindurch deutlich gestiegen (vgl. eine höhere Inflationsdynamik mit sich bringen. Aller- Abb. 1). Die ifo Konjunkturampel, die in einem grün- dings stellten die fragile Situation im Bankensektor gelb-rot-Farbschema die Bewegung des Geschäftskli- einzelner Mitgliedstaaten sowie langfristig steigende maindex in Wahrscheinlichkeiten für die konjunktu- Zinssätze Abwärtsrisiken für die Prognose dar. Die relle Phase »Expansion« umsetzt (vgl. Abberger und Probleme im europäischen und insbesondere im ita- Nierhaus 2010), stand seit Februar 2017 auf Dauer- lienischen Bankensektor wären weiterhin vorhanden, grün. Die Wahrscheinlichkeit für eine expansive Wirt- wenn auch nun in geringerem Umfang als zuvor. So schaftsentwicklung lag in den letzten Monaten des wären einige italienische Banken inzwischen erfolg- Jahres 2017 im Schnitt bei 90% (vgl. Abb. 2). reich rekapitalisiert bzw. liquidiert worden. Auch Insgesamt sollte das reale Bruttoinlandspro- hätte sich der Anteil von notleidenden Krediten um dukt (BIP) saison- und kalenderbereinigt im Jahres- knapp 5 Prozentpunkte reduziert; mit zuletzt knapp verlauf 2018, d.h. vom vierten Quartal 2017 bis zum 12% wäre dieser Anteil aber weiterhin noch recht hoch vierten Quartal 2018, um 2,5% zulegen, nach 3,0% im und berge weiterhin eine Gefahr für die Finanzstabi- Jahr 2017. Die höchste Dynamik sollte dabei im ers- lität. Schließlich stellten abrupte Erwartungsände- ten Quartal 2018 zu verzeichnen sein, danach würde rungen bezüglich der Geldpolitik ein Risiko für Län- der mit hoher Staatsverschuldung dar. So würde eine 2 Das ifo Geschäftsklima für die Gewerbliche Wirtschaft ist inzwi- Anhebung der Leitzinsen und damit einhergehend der schen durch das ifo Geschäftsklima Deutschland abgelöst worden. Neben dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Bauhauptgewerbe und Kapitalmarktzinsen den Abbau der Staatschulden in den beiden Handelsstufen ist in dem neuen Index auch der Dienst- Italien erschweren. Dies schränke den Handlungs- leistungssektor enthalten. Überdies wurde das Aggregationsverfah- ren modifiziert und das Basisjahr für die Indexberechnung von 2005 spielraum der Geldpolitik ein und könne zu einem Wie- auf 2015 umgestellt (vgl. Sauer und Wohlrabe 2018). deraufflammen der Vertrau- Abb. 2 enskrise im Euroraum führen. ifo Konjunkturampel in der Gewerblichen Wirtschaftᵃ Für Deutschland schließlich wurde im Prognosezeitraum % 100 die Einschätzung des Ausrich- tungsgrades der Finanzpolitik aufgrund der noch ausstehen- den Regierungsbildung als mit 67 großer Unsicherheit behaftet gesehen. Eine Fortsetzung des Auf- schwungs in Deutschland hat- 33 ten zum Zeitpunkt der Progno- seerstellung viele prominente Konjunkturindikatoren signa- 0 lisiert. So war der wichtigste 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 ᵃ Monatliche Wahrscheinlichkeiten berechnet auf Basis der monatlichen Änderungen des ifo Geschäfts- Frühindikator für die deutsche klimaindex. Wahrscheinlichkeit für eine expansive Entwicklung: grün = hoch, gelb = mittel, rot = niedrig. Wirtschaft, der ifo Geschäfts- Quelle: ifo Konjunkturumfragen, Dezember 2017. © ifo Institut ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019 23
DATEN UND PROGNOSEN sich das Expansionstempo leicht verlangsamen. Im Zu einem großen Teil ist der Prognosefehler Jahresdurchschnitt 2018 sollte das reale BIP um 2,6% durch die zu hoch eingeschätzte Dynamik im unter- expandieren, nach schätzungsweise 2,3% im Jahr jährigen konjunkturellen Profil zu erklären. Das 2017, wobei für das höhere Anstiegstempo im Ver- ganze Jahr 2018 hindurch ist die Wirtschaftsdyna- gleich zu 2017 der größere Überhang maßgeblich sei. mik deutlich schwächer gewesen, als im Dezember Die zeitgleich veröffentlichte Intervallprognose für 2017 vom ifo Institut veranschlagt worden war. Zum die Rate des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahres- einen hatten sich die in der Risikoansprache aufge- durchschnitt 2018 reichte bei einer Vertrauenswahr- führten weltwirtschaftlichen Prognoserisiken »nach scheinlichkeit von 68% von 1,6% bis 3,6%. unten« zum Teil realisiert, zum anderen war es bin- Die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung wird wie nenwirtschaftlich zu zahlreichen nicht vorherge- in den vorangegangenen Prognosefehlerstudien des sehenen negativen Schocks gekommen. So haben ifo Instituts an den ersten vorläufigen Jahresergeb- zu Jahresbeginn 2018 Sonderfaktoren wie bun- nissen des Statistischen Bundesamts festgemacht, desweite Warnstreiks in der Metall- und Elektroin- die im Januar des jeweiligen Folgejahrs veröffentlicht dustrie sowie eine mehrwöchige grassierende Grip- werden. Dies geschieht deshalb, weil diese Ist-Ergeb- pewelle, die den Krankenstand in den Unternehmen nisse dem Informationsstand bei der Prognoseerstel- auf Rekordhöhe steigen ließ, negativ auf die Produk- lung am besten entsprechen. Zu diesem Zeitpunkt tionsentwicklung durchgeschlagen. In den Sommer- sind die Ergebnisse für die zurückliegenden Jahre monaten kam es dann in der Automobilindustrie auf- noch nicht grundlegend überarbeitet worden, die grund von Schwierigkeiten bei der Einführung des das statistische Fundament für die Prognose gebildet neuen Abgas-Zertifizierungsverfahrens WLTP (World haben. Spätere amtliche Rechenstände zeigen zwar wide harmonized Light vehicles Test Procedure) zu ein auf einer breiteren Zahlenbasis ruhendes Bild der einem massiven Produktionsrückgang, der aufgrund Konjunktur; eine Prognose kann sich aber immer nur des hohen Gewichts des Kfz-Sektors auf die Entwick- auf die bis zum Prognosezeitpunkt veröffentlichten lung des Bruttoinlandsprodukts durchgeschlagen Ergebnisse stützen. hat.3 Im Herbst haben schließlich niedrige Wasser- Nach den am 15. Januar 2019 vom Statistischen stände bei wichtigen Binnenwasserstraßen, verur- Bundesamt veröffentlichten Ergebnissen hat das sacht durch langanhaltende Trockenheit, die Produk- reale BIP im Jahresdurchschnitt 2018 lediglich um tion gedämpft. 1,5% zugenommen (vgl. Abb. 3) (vgl. Statistisches Zur Überschätzung der Jahreswachstumsrate Bundesamt 2018, S. 6). Für die Veränderung der sai- 2018 hat überdies die Überschätzung des statis son- und kalenderbereinigten Produktion im Jahres- tischen Überhangs beigetragen. Dieser war in der verlauf ergibt sich sogar nur eine Rate von 0,9%. Die im ifo Dezemberprognose 2017 auf 1,0% veranschlagt Dezember 2017 abgegebene Prognose des ifo Instituts worden; nach heutigem amtlichem Datenstand, der hinsichtlich des Wirtschaftswachstums im Jahr 2018 u.a. eine etwas verhaltenere konjunkturelle Entwick- war also zu »optimistisch« gewesen. lung im Sommerhalbjahr 2017 zeigt, beläuft sich der Überhang auf 0,8%. Als statis- tischer Überhang wird dieje- Abb. 3 nige jahresdurchschnittliche Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland Saison- und kalenderbereinigter Verlauf Veränderungsrate bezeich- net, die sich ergäbe, wenn das Bruttoinlandsprodukt Laufende Rate reale BIP saison- und kalen- 1. Quartal 2017 = 100 Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal (Linien linke Skala) (Balken rechte Skala) derbereinigt auf dem Stand 106 3 des vierten Quartals des Vor- jahres stagnieren würde.4 2,6 % 104 2 3 Im Verarbeitenden Gewerbe stellt 1,5 % der Fahrzeugbau mit einem Wert- 2,2 % schöpfungsanteil von rund 20% den 102 1 größten Wirtschaftszweig dar. Gemes- sen an seinem Anteil an der gesamten nominalen Bruttowertschöpfung, ran- 100 0 giert der Wirtschaftszweig »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« mit 4,7% unter den fünf wichtigsten Wirtschaftszweigen Deutschlands (vgl. 98 -1 Wollmershäuser et al. 2018, S. 43). 4 I. II. III. IV. I. II. III. IV. Mit Hilfe des Überhangs kann die 2017 2018 Jahresdurchschnittsrate für ein Jahr t zur Jahresverlaufsrate in Beziehung ifo Prognose im Dezember 2017 für das Jahr 2018 gesetzt werden. Nach einer aus der Ergebnisse im Januar 2019 für das Jahr 2018ᵃ Zeitreihenarithmetik hergeleiteten Faustformel gilt: Jahresdurchschnitts- ᵃ Ergebnisse für 2017 und Jahresergebnis 2018: Statistisches Bundesamt. rate (t) ≈ Überhang (t – 1) + 0,5 • Jah- Vierteljahresergebnisse für 2018: Schätzungen des ifo Instituts. resverlaufsrate (t) (vgl. Nierhaus 1999, Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts. © ifo Institut S. 16). 24 ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN Eine tiefergehende Analyse erlaubt die Gegen- 2017 des ifo Instituts ausgewiesen worden war (vgl. überstellung der Soll-Ist-Entwicklung nach den ein- Tab. 1). zelnen Verwendungskomponenten des realen BIP. Binnenwirtschaftlich kam im Jahr 2018 erwar- Nach der ifo Dezemberprognose 2017 sollte die inlän- tungsgemäß vom privaten Konsum der stärkste dische Verwendung die Haupttriebfeder der Konjunk- Wachstumsimpuls. Gleichwohl ist die Zunahme der tur 2018 bleiben. Anders als im Jahr 2017 würde aber privaten Konsumausgaben überschätzt worden; auch vom Außenbeitrag ein anregender Impuls auf trotz der kräftigen Ausweitung der Beschäftigung und das BIP-Wachstum ausgehen; insbesondere sollte hoher Tarifabschlüsse haben die verfügbaren Realein- massive Einkommensteuersenkungen in den USA kommen der privaten Haushalte aufgrund des Rück- und ein starker Aufschwung im Euroraum die Nach- gangs der empfangenen Gewinn- und Vermögens frage nach deutschen Waren und Dienstleistungen, einkommen langsamer als erwartet zugenommen. d.h. die heimischen Exporte, beflügeln. Zudem ist die Sparquote überraschend deutlich ge Dieses Prognoseszenario ist jedoch nur zum Teil stiegen. Dagegen ist die Prognose der Investitionen eingetreten (vgl. Tab. 1). Zwar war wie vorhergesehen in Ausrüstungen und Bauten grosso modo zutref- die Binnenwirtschaft der ausschlaggebende Kon- fend gewesen. Die Ausrüstungsinvestitionen soll- junkturmotor, die außenwirtschaftlichen Auftriebs- ten im Jahresdurchschnitt 2018 im Vergleich zu 2017 kräfte fielen dagegen schwächer aus als erwartet. So beschleunigt expandieren. Dies ist auch eingetre- haben die Verschärfung der handelspolitischen Kon- ten, wenngleich das Expansionstempo etwas zu hoch flikte, die Wirtschaftskrisen in einigen Schwellen- angesetzt worden ist. Vor dem Hintergrund der über- ländern, das zögerliche Voranschreiten der Bre- durchschnittlichen Auslastung der Produktionskapa- xit-Verhandlungen, die Haushaltspläne der italieni- zitäten stand im vergangenen Jahr wie auch schon im schen Regierung und nicht zuletzt auch die hausge- Jahr 2017 in allen Industriehauptgruppen das Erwei- machten Probleme in der deutschen Automobilin- terungsmotiv im Vordergrund. Vorrangig wollten die dustrie die Exportchancen deutlich verringert. Die Unternehmen in Änderungen bzw. Ausweitungen des Ausfuhren sind im Jahresdurchschnitt 2018 mit 2,4% Produktprogramms investieren, daneben sollten deutlich schwächer gestiegen, als im Dezember 2017 aber auch die Kapazitäten bestehender Produktions- veranschlagt worden war (5,6%); auch die Einfuh- programme erhöht werden (vgl. Weichselberger 2018, ren expandierten mit 3,4% langsamer als voraus S. 49 f.). Die amtliche Zuwachsrate der Bauinvesti- geschätzt (5,5%). Da der Anstieg der Exporte in grö- tionen in Höhe von 3,0% ist dagegen im Dezember ßerem Maße überschätzt wurde als die Zunahme der 2017 um 0,3 Prozentpunkte unterschätzt worden; ein Importe, ist der Veränderungsbeitrag des Außen Prognosefehler, in dem sich das durch mildes und handels Tab. 1 zum BIP im Jahr 2018 negativ und um 0,7 Pro- trockenes Winterwetter begünstigte Ergebnis des zentpunkte niedriger, als in der Dezemberprognose ersten Quartals 2018 niederschlägt. Leicht unter- Tab. 1 Prognosen und Prognosefehler für das Jahr 2018 Verwendung des realen Bruttoinlandsproduktsa ifo Dezemberprognose 2017 Statistisches Bundesamtb Prognosefehler für 2018 Prognosewerte für 2018 Istwerte für 2018 Differenz der Wachs- tumsraten bzw. -beiträge Veränderung in Wachstums- Veränderung in Wachstums- Spalte (3) Spalte (4) % gegenüber beitrag in Pro- % gegenüber beitrag in Pro- abzüglich abzüglich dem Vorjahr zentpunktenc dem Vorjahr zentpunktenc Spalte (1) Spalte (2) (1) (2) (3) (4) (5) (6) Inlandsnachfrage 2,3 2,2 1,8 1,7 – 0,5 – 0,5 Privater Konsum 1,7 0,9 1,0 0,5 – 0,7 – 0,4 Staatlicher Kon- 0,9 0,2 1,1 0,2 0,2 0,0 sum Ausrüstungen 5,8 0,4 4,5 0,3 – 1,3 – 0,1 Bauten 2,7 0,3 3,0 0,3 0,3 0,0 Sonstige Anlagein- 3,5 0,1 0,4 0,0 – 3,1 – 0,1 vestitionen Vorratsverände- – 0,3 – 0,4 – 0,1 rungen Außenbeitrag – 0,5 – – 0,2 – – 0,7 Ausfuhr 5,6 2,6 2,4 1,1 – 3,2 – 1,5 Einfuhr 5,5 – 2,2 3,4 –1,3 – 2,1 0,9 Bruttoinlands- 2,6 2,6 1,5 1,5 – 1,1 – 1,1 produkt a In Preisen des Vorjahrs. b Erste Ergebnisse der Inlandsproduktsberechnung (Januar 2019). c Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung des Bruttoin- landsprodukts (Lundberg-Komponenten). Der Wachstumsbeitrag einer Nachfragekomponente ergibt sich aus der Wachstumsrate gewichtet mit dem nominalen Anteil des Aggregats am Bruttoinlandsprodukt aus dem Vorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Angaben für das Bruttoinlandsprodukt: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %. Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019 25
DATEN UND PROGNOSEN schätzt wurden außerdem die Abb. 4 Zuwachsrate der staatlichen Prognosen und Prognosefehler für das reale Bruttoinlandsprodukt 1992‒2018 Konsumausgaben sowie der Expansionsbeitrag der Vor- Prognosewert für die Veränderungsrate des realen BIP Prognosefehler in Prozentpunkten ratsinvestitionen, der zuletzt (Positiver Wert: Unterschätzung Amtliches Ergebnis im Januar des Folgejahres negativer Wert: Überschätzung) auc h vom Lageraufbau an noc h % Prozentpunkte nicht WLTP-zertifizierten Neu- 4 4 wagen getrieben wurde. Über- 2 2 raschend schwach expandier- ten 2018 schließlich die Inves- 0 0 titionen in sonstige Anlagen; die amtliche Zuwachsrate in -2 -2 Höhe 0,4% wurde um mehr als 3 Prozentpunkte überschätzt. -4 -4 Erfahrungsgemäß können die -6 -6 aktuellen Ergebnisse für die- 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 ses Verwendungsaggregat je Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut doch noch stärkeren Revi sionen unterliegen, weil es für das jüngste Berichtsjahr nur wenige statistisch ge- LÄNGERFRISTIGE PROGNOSEBILANZ sicherte Informationen gibt, die in aller Regel aus Budgetangaben der öffentlichen Hand stammen.5 Im Folgenden wird auf die längerfristige Prognosebi- Trotz der Überschätzung der BIP-Expansion lanz des ifo Instituts eingegangen. Evaluiert werden 2018 wurde in der ifo Dezemberprognose 2017 die die Prognosen für die Veränderungsrate des realen Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Arbeits- Bruttoinlandsprodukts im Zeitraum 1992 bis 2018. Der volumens zu gering veranschlagt. Die geleisteten Prognosefehler Rt – P t ist definiert durch die Differenz Arbeitsstunden der Erwerbstätigen stiegen im ver- zwischen dem tatsächlichen BIP-Wert (Rt), gemessen gangenen Jahr mit 1,4% deutlich stärker, als es das an der ersten Veröffentlichung des Statistischen Bun- ifo Institut im Dezember 2017 erwartet hatte (1,1%). desamts im Januar des Folgejahrs, und der im Dezem- Zum einen war die Zunahme der Erwerbstätigkeit ber des jeweiligen Vorjahres abgegebenen BIP-Prog- mit 1,1% zu niedrig angesetzt worden, das amtli- nose P t. Ein positiver (negativer) Wert entspricht einer che Plus 2018 fiel mit 1,3% etwas höher aus. Zum Unterschätzung (Überschätzung) der tatsächlichen anderen ist der Fortschritt der Stundenproduk- Veränderungsrate des realen BIP (vgl. Abb. 4). tivität überschätzt worden. Den aktuellen Ergeb- Es zeigt sich, dass für immerhin 14 der insge- nissen der VGR zufolge hat der Output je geleis- samt 27 betrachteten Jahre der Prognosefehler dem tete Erwerbstätigenstunde im vergangenen Jahr Betrag nach kleiner ist als ein halber Prozentpunkt, mit einer Rate von 0,2% nahezu stagniert, in der ifo für vier Jahre (1992, 1998, 2004, und 2015) ist er ge Prognose von Dezember 2017 war hingegen eine ringer als ein Viertel Prozentpunkt. Für das Jahr 2016 deutliche Zunahme in Höhe von 1,5% erwartet war der Fehler sogar exakt null. Der durchschnitt worden. liche Prognosefehler (MF) ist mit – 0,20 Prozent- Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe ist punkten leicht negativ, d.h., im Mittel wurde die jähr – gemessen am Verbraucherpreisindex VPI – in der liche BIP-Rate im Zeitraum 1992 bis 2018 geringfügig ifo Dezemberprognose 2017 exakt getroffen wor- überschätzt. den: Den amtlichen Angaben zufolge nahmen die Allerdings können sich bei diesem Prüfmaß, das Lebenshaltungskosten im Jahresdurchschnitt 2018 auf die Verzerrung (Bias) von Prognosen abstellt, wie erwartet um 1,9% zu. Allerdings war die Kernin- positive und negative Abweichungen gegenseitig sal- flation (Inflation ohne Berücksichtigung der Preisän- dieren. Die Prognosequalität sollte deshalb an den derung von Energieträgern) im Dezember 2017 über- beiden Kennziffern mittlerer absoluter Fehler (MAF) schätzt worden; diese sollte im Jahresdurchschnitt bzw. Wurzel aus dem mittleren quadratischen Feh- 2018 ebenfalls 1,9% betragen, tatsächlich belief sie ler (WMQF) festgemacht werden. Je kleiner die ent- sich auf lediglich 1,6%. Vice versa ist der Inflations- sprechenden Werte sind, umso besser ist die Prog- beitrag der Energieträger im Jahr 2018 unterschätzt nosequalität. Für die BIP-Prognosen des ifo Instituts worden. beträgt der mittlere absolute Fehler 0,72 Prozent- punkte; die Wurzel aus dem mittleren quadratischen 5 Die »Sonstigen Anlagen« setzten sich im Jahr 2017 zu knapp drei Fehler, der größere Abweichungen der Prognosewerte Vierteln aus Investitionen in Forschung und Entwicklung, zu gut einem Fünftel aus Investitionen in Software und Datenbanken sowie von den späteren amtlichen Werten stärker gewich- zu ungefähr 5% aus Investitionen in Urheberrechte zusammen. Der tet, liegt bei 0,97 (vgl. Tab. 2). gemeinsame Anteil der Investitionen in Nutztiere und Nutzpflanzun- gen sowie der Suchbohrungen lag im Promillebereich (vgl. Hauf und Wird letztere Kennziffer ins Verhältnis gesetzt zur Schäfer 2018, S. 113). Wurzel aus dem mittleren quadratischen Fehler, der 26 ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN Tab. 2 Tab. 2 Zerlegung des mittleren qua- Ausgewählte Maße für die Güte der BIP-Prognosea dratischen Prognosefehlers Zeitraum Zeitraum Zeitraum (MQF) in die drei Beiträge Bias, 1992 bis 1992 bis 2005 bis Varianz und Kovarianz6 zeigt, 2018 2004 2018 dass die an Hand von WMQF Mittlerer Prognosefehler (BIAS)b – 0,20 – 0,40 – 0,02 gemessene Verschlechterung MF Mittlerer absoluter Prognosefehlerc der Prognosequalität für die 0,72 0,69 0,75 Jahre 2005 bis 2018 auf die MAF Wurzel aus dem mittleren in diesem Zeitraum deutlich quadratischen Prognosefehlerd 0,97 0,89 1,04 höhere BIP-Volatilität zurück- WMQF geht. Bereinigt man das Feh- nachrichtlich: lermaß WMQF um diesen Komponentenzerlegung des MQF - Anteil des BIAS 0,04 0,20 0,00 Effekt, indem durch die Stan- - Anteil der Varianz 0,38 0,16 0,56 dardabweichung σ der amtli- - Anteil der Kovarianz 0,58 0,64 0,44 chen Veränderungsraten des Theil‘scher Ungleichheitskoeffiziente BIP im jeweiligen Untersu- 0,39 0,49 0,35 U chungszeitraum dividiert wird, nachrichtlich: so signalisiert das standar- Standardisierte Wurzel aus dem mittleren f 0,59 0,72 0,53 disierte Fehlermaß WMQF/σ quadratischen Prognosefehler WMQF/σ keine Abnahme der Progno- Der Prognosefehler R – P wird definiert durch die Differenz der amtlichen BIP-Veränderungsrate R für das Jahr t següte, sondern eine Ver- a t t t und der im Dezember des jeweiligen Vorjahres t-1 prognostizierten Rate P . MF = 1/T ∑ t b (R – P ). MAF = 1/T ∑ t=1,.,T t t c t=1,.,T IR – P I. WMQF = √ MQF mit MQF = [1/T ∑ t t d (R – P ) ]. U = WMQF/WMQF . Bei der Berechnung von WMQF wurde t=1,.,T t t 2 e naiv besserung.7 Dies wird durch naiv als Prognosewert die amtliche Veränderungsrate des realen BIP aus dem jeweiligen Vorjahr eingestellt. σ bezeich- f net die Standardabweichung der amtlichen Veränderungsraten des realen BIP. das Theil‘sche Fehlermaß U Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.1, Inlandsproduktsberechnung, Erste Jahresergebnisse, Be- gestützt, das für den Teilzeit- rechnungen des ifo Instituts. raum 2005 bis 2018 gleich niedriger ist als im Teilzeit- sich ergibt, wenn als Prognosewert die BIP-Verände- raum 1992 bis 2004 (vgl. Tab. 2). rungsrate des jeweiligen Vorjahres eingestellt wird Mit Hilfe statistischer Tests kann ermittelt wer- (naive Prognose), so erhält man mit dem Theil`schen den, ob Prognosen systematisch verzerrt sind. Gibt Ungleichheitskoeffizienten U ein Maßstab für die rela- es systematische Verzerrungen, so existieren Zusam- tive Prognosegüte. Ist der Ungleichheitskoeffizient menhänge, die ausgenützt werden könnten, um die kleiner (größer) als 1, so sind die Prognosen besser Schätzungen zu verbessern. Es lässt sich zeigen, dass (schlechter) als die zum Vergleich herangezogenen der durchschnittliche Prognosefehler im Zeitraum naiven Prognosen. Für die BIP-Prognosen des ifo In- 1992 bis 2018 nicht signifikant von null verschieden stituts beträgt der Theil`sche Ungleichheitskoeffi ist. Hierzu wurde die Gleichung Rt – P t = μ+ ut geschätzt zient 0,39, was zeigt, dass die ifo Prognosen im und die Nullhypothese μ = 0 unter der Annahme nor- betrachteten Zeitraum erheblich besser waren als ein malverteilter Fehler mit einem t-Test überprüft. Fer- Schätzansatz, bei dem die Vorjahresrate des realen ner sind die Prognosen effizient in dem Sinne, dass BIP einfach fortgeschrieben wird (vgl. Tab. 2). sich die Prognosefehler Rt – P t nicht durch die Prog- Zur Evaluierung der Veränderung der Prognose- nosefehler des Vorjahres Rt-1 – P t-1 erklären lassen (die güte im Zeitablauf wird der gesamte Beobachtungs- Prognosefehler sind nicht autokorreliert). Dazu wurde zeitraum in zwei ähnlich große konsekutive Teilzeit- die Gleichung Rt – P t = α + ß(Rt-1 – P t-1) + εt geschätzt und räume zerlegt. Es zeigt sich, dass für die Jahre 2005 bis die gemeinsame Nullhypothese α = 0 und ß = 0 mit 2018 der mittlere Prognosefehler nahezu null beträgt, einem F-Test überprüft. Tabelle 3 gibt Aufschluss über d.h., im Schnitt wurde die jährliche BIP-Rate nahezu die Testergebnisse im Detail. getroffen. Der mittlere absolute Prognosefehler ist dagegen höher als im Teilzeitraum 1992 bis 2004, dies 6 Der Beitrag des Bias gibt an, wie stark der Mittelwert der Progno- gilt auch für die Wurzel aus dem mittleren quadrati- sen vom Mittelwert der amtlichen Zeitreihe abweicht, analog ist der Beitrag der Varianz zu interpretieren. Der Beitrag der Kovarianz ist Tab. 3 schen Prognosefehler (WMQF). Eine auf 1 normierte ein Maß für den unsystematischen Prognosefehler. Bei guten Prog- nosen sollten die Beiträge des Bias und der Varianz möglichst klein sein; d.h., Tab. 3 der unsystematische Kovarianzbeitrag Ausgewählte Tests zur Güte der BIP-Prognosea sollte nahe bei 1 liegen. 7 Die Standardabweichung σ stellt Nullhypothese Teststatistik (t-Wert bzw. in diesem Kontext eine Kennziffer für F-Wert) ) / p-Wert die Schwierigkeit dar, das reale BIP zu prognostizieren. Zudem entspricht Der Prognosefehler ist im Mittel null – 1,082 / 0,289 σ dem Fehlermaß WMQF von naiven Die Prognosefehler sind nicht autokorreliert 1,866 / 0,182 BIP-Prognosen, bei denen die durch- a Der Prognosefehler Rt – Pt wird definiert durch die Differenz der amtlichen BIP-Veränderungsrate Rt für das Jahr t schnittliche BIP-Rate im Beobachtungs- und der im Dezember des jeweiligen Vorjahres t – 1 prognostizierten Rate Pt. Der Beobachtungszeitraum umfasst zeitraum eingestellt wird. Damit kann die Jahre 1992 bis 2018. WMQF/σ als ein spezieller Theil‘scher Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.1, Inlandsproduktsberechnung, Erste Jahresergebnisse, Berechnungen Ungleichheitskoeffizient interpretiert des ifo Instituts. werden (vgl. McNees 1988). ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019 27
DATEN UND PROGNOSEN FAZIT Gesamtrechnungen erfassten wirtschaftlichen Tätig- keiten und sind eng verzahnt mit der Verwendungs- Die Prognose des ifo Instituts für die jahresdurch- und Verteilungsseite des Bruttoinlandsprodukts. Für schnittliche Veränderungsrate des realen Brutto- den Prognosezeitraum werden viele Positionen der inlandsprodukts im Jahr 2018 war offenkundig zu Sektorenrechnung der klassischen BIP-Prognose »optimistisch« gewesen. Im Dezember 2017 war eine entnommen, hinzukommen zahlreiche ergänzende Zuwachsrate in Höhe von 2,6% prognostiziert wor- Zuschätzungen sowie residual im Einkommenskreis- den, die erste vorläufige amtliche BIP-Schätzung für lauf bestimmte Positionen. Die sektorale Darstellung das Jahr 2018 beläuft sich auf 1,5%. Die in der Risiko- eröffnet dem Prognostiker vielfältige weitere Möglich- ansprache aufgeführten weltwirtschaftlichen Prog- keiten der Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung (vgl. noserisiken »nach unten« hatten sich teilweise mate- Carstensen et al. 2010, S. 65). rialisiert, zudem gab es binnenwirtschaftlich negativ Jede Konjunkturprognose hängt von bestimmten wirkende Sondereffekte. Seit dem Jahr 1992 waren Annahmen und Setzungen ab, die für den Prognose- größere Prognosefehler (dem Betrag nach) nur für zeitraum relevant, jedoch nicht vorher abschätzbar sechs Jahre zu verzeichnen, nämlich für die Jahre sind (bedingte Prognosen). Zu den außenwirtschaft- 1993, 1994, 2001, 2003, 2009 und 2010. lichen Rahmendaten für die Deutschlandprognose Maßgeblich für die Beurteilung der Prognose- zählen die Entwicklung von Weltkonjunktur und Welt- qualität ist aber längerfristige Prognosebilanz des handel, Rohstoffpreisen und Wechselkursen sowie Instituts. Hier zeigt sich, dass die Prognosen für das die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zu den reale Bruttoinlandsprodukt im Zeitraum 1992 bis 2018 binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehö- unverzerrt sind, zudem sind sie effizient. Darüber hin- ren die Annahmen über den Kurs der Wirtschafts- und aus hat sich die Güte der BIP-Prognosen in den ver- Finanzpolitik. Ändern sich wichtige Rahmendaten und gangenen Jahren tendenziell erhöht, sofern um die heben sich diese Änderungen in ihren konjunkturellen gestiegene BIP-Volatilität korrigiert wird. Wirkungen nicht zufällig auf, so werden Prognosen im Methodische Fortschritte gibt es etwa bei der Allgemeinen fehlerhaft. Kurzfristprognose (Nowcast). Die Einschätzung und Bei der Evaluation von Prognosefehlern sollte Vorhersage der Wirtschaftsentwicklung im laufenden stets im Auge behalten werden, dass die Veröffentli- und im jeweils darauffolgenden Quartal ist eine der chung von punktgenauen Schätzwerten lediglich aus zentralen Aufgaben jedweder Konjunkturprognose. Gründen der mathematisch-statistischen Nachvoll- Das ifo Institut stützt sich bei seiner Kurzfristprognose ziehbarkeit erfolgt. Transparenz und Nachvollzieh- für das reale vierteljährliche Bruttoinlandsprodukt barkeit zählen mit zu den wichtigsten Kriterien für auf einen dreistufigen Indikator-Ansatz (IFOCAST). In die Güte einer Prognose. Der mit Konjunkturprogno- der ersten Stufe werden monatlich verfügbare Indi- sen verbundenen Schätzunsicherheit wird In der heu- katoren extrapoliert und auf Quartalsebene aggre- tigen Prognosepraxis durch Prognoseintervalle sicht- giert. Besonderes Augenmerk gilt dabei naturgemäß bar gemacht, in die die Punktschätzungen als Mittel- der Industrieproduktion, die mit Hilfe disaggregier- werte eingebettet sind. Die Intervallgrenzen werden ter ifo-Umfragedaten fortgeschrieben wird. In einem aus den Schätzfehlern der Vergangenheit ermittelt, zweiten Schritt wird die reale Bruttowertschöpfung wobei angenommen wird, dass die Prognosefehler der einzelnen Wirtschaftsbereiche mit Hilfe von Brü- normalverteilt sind (vgl. Chatfield 1993). ckengleichungen prognostiziert. Im Rahmen eines Anders als in den Naturwissenschaften können Kombinationsansatzes (Pooling of Forecasts) wird Prognosefehler auch daraus resultieren, dass ver- eine Vielzahl von Modellen kombiniert, um der Model- öffentlichte Prognosen im Gefolge ihrer Rezeption lunsicherheit Rechnung zu tragen. In einem dritten durch die Marktakteure Eigendynamik bis hin zur Schritt werden die Quartalsprognosen der einzelnen Selbstzerstörung entfalten können. Denn Prognosen Wirtschaftsbereiche zu einer Prognose des realen beeinflussen die Erwartungen der Wirtschaftssub- Bruttoinlandsprodukts hochaggregiert (vgl. Carsten- jekte und können so Verhaltensänderungen bewir- sen et al. 2009; Lehmann 2019). Indikatorenbasierte ken. Dies gilt naturgemäß auch für Prognosen, die Kombinationsansätze werden vom ifo Institut heute derartige Rückkopplungseffekte von vornherein zu auch zum Nowcast einzelner BIP-Verwendungskom- berücksichtigen versuchen. Nicht zuletzt aus diesem ponenten (z.B. beim privaten Konsum) angewendet Grund vermutete Oskar Morgenstern, Mitbegründer (vgl. Lehmann, Nierhaus und Reif 2016). der modernen Spieltheorie, dass zutreffende Prog Seit einigen Jahren veröffentlicht das ifo Insti- nosen »mit den Mitteln der ökonomischen Theo- tut überdies gesonderte Konten für die fünf institu- rie und Statistik aus sachlichen Gründen grundsätz- tionellen Sektoren gesamte Volkswirtschaft, Kapital- lich unmöglich« sind (vgl. Morgenstern 1928). Grun- gesellschaften, Staat, private Haushalte (einschließ- berg und Modigliani (1954) vermochten allerdings in lich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) einem rigorosen theoretischen Existenzbeweis zu zei- sowie übrige Welt. Die Sektorkonten vermitteln in gen, dass es fehlerfreie Wirtschaftsprognosen selbst ihrer Gesamtheit einen systematischen Überblick in einem von Rückkopplungseffekten beeinflussten über die wichtigsten, in den Volkswirtschaftlichen Marktumfeld geben kann. Empirisch ist das Auftre- 28 ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN ten von Feedback-bedingten Prognosefehlern umso Lehmann, R., W. Nierhaus und M. Reif (2016), »Eine Flash-Schätzung für die privaten Konsumausgaben in Deutschland«, ifo Schnelldienst 69(21), wahrscheinlicher, je länger der Prognosehorizont ist 36–41. und je kürzer die wirtschaftspolitischen Entschei- Lehmann, R. (2019), »IFOCAST, Entstehungs-und Verwendungsseite«, dungs- und Wirkungsverzögerungen sind. in: S. Sauer und K. Wohlrabe (2019), Handbuch der ifo Umfragen und Kon- junkturindikatoren, ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung, ifo Insitut, Mün- Trotz aller Schwächen sind und bleiben Konjunk- chen, im Erscheinen. turprognosen zur Orientierung von Wirtschaft und McNees, S.K. (1988), »How Accurate are Macroeconomic Forecasts?«, New Politik unentbehrlich. Konjunkturprognosen sind England Economic Review, Juli/August 1988, 15–36. bedingte Wahrscheinlichkeitsaussagen. Auch wenn Morgenstern, O. (1928), »Wirtschaftsprognose: Eine Untersuchung ihrer Voraussetzungen und Möglichkeiten«, Wien 1928, zitiert nach: G. Betz damit die Unsicherheit über die Zukunft nicht besei- (2004), »Empirische und aprioristische Grenzen von Wirtschaftsprogno- tigt werden kann – Konjunkturforscher sind weder sen: Oskar Morgenstern nach 70 Jahren«, in: U. Frank (Hrsg.), Wissen- schaftstheorie in Ökonomie und Wirtschaftsinformatik, Deutscher Universi- Hellseher noch Propheten – so können die Prognosen täts-Verlag, Wiesbaden, 171–190. doch dazu beitragen, die Unsicherheit zu verringern. Nierhaus, W. (1999), »Aus dem Instrumentenkasten der Konjunkturana- Sie erleichtern damit die Planung der Unternehmen lyse: Veränderungsraten im Vergleich«, ifo Schnelldienst 52(2), 11–19. und helfen der Wirtschafts- und Finanzpolitik, sich auf Nierhaus, W. (2018), »Wirtschaftskonjunktur 2017: Prognose und Wirklich- keit«, ifo Schnelldienst 71(3), 2018, 35–42. die zukünftige Entwicklung besser einzustellen. Sauer, S. und K. Wohlrabe (2018), »Das neue ifo Geschäftsklima Deutsch- land«, ifo Schnelldienst 71(7), 2018, 54–60. LITERATUR Statistisches Bundesamt (2019), Bruttoinlandsprodukt 2018 für Deutsch- land, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 15. Januar 2019 in Ber- Abberger, K. und W. Nierhaus (2010), »Markov-Switching and the lin, verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/PresseService/ Ifo Business Climate: The Ifo Business Cycle Traffic Lights«, Journal of Presse/Pressekonferenzen/2019/BIP2018/Pressebroschuere_BIP2018. Business Cycle Measurement and Analysis 7(2), 1–13. pdf?__blob=publicationFile. Carstensen, K., St. Henzel, J. Mayr und K. Wohlrabe (2009), »IFOCAST: Weichselberger, A. (2018), Deutsche Industrie: Für 2018 spürbarer Investi- Methoden der ifo Kurzfristprognose«, ifo Schnelldienst 62(23), 15–28. tionsanstieg geplant, in: ifo Schnelldienst 71(16), S. 46–50, hier S. 49-50. Carstensen, K., W. Nierhaus, K. Abberger, T.O. Berg, T. Buchen, Chr. Breuer, Wollmershäuser, T., S. Delrio, C. Fuest, M. Göttert, Chr. Grimme, C. Krolage, St. Elstner, Chr. Grimme, St. Henzel, N. Hristov, M. Kleemann, J. Mayr, St. Lautenbacher, R. Lehmann, W. Nierhaus, A. Peichl, M. Reif, R. Šauer, W. Meister, G. Paula, J. Plenk, K. Wohlrabe und T. Wollmershäuser (2010), F. Schröter, T. Schuler, M. Stöckli, K. Wohlrabe, A. Wolf und Chr. Zeiner »ifo Konjunkturprognose 2011: Aufschwung setzt sich verlangsamt fort«, (2017b), »ifo Konjunkturprognose 2017–2019: Deutsche Wirtschaft auf ifo Schnelldienst 63(24), 18–68. dem Weg in die Hochkonjunktur«, ifo Schnelldienst 70(24), 28–81. Chatfield, C. (1993), »Calculating Interval Forecasts«, Journal of Business & Wollmershäuser, T., M. Göttert, Chr. Grimme, C. Krolage, St. Lautenbacher, Economic Statistics 11(2), 121–135. R. Lehmann, S. Link, W. Nierhaus, A.-Chr. Rathje, M. Reif, R. Šauer, T. Schu- Grunberg, E. und F. Modigliani (1954), »The Predictability of Social ler, M. Stöckli, K. Wohlrabe und A. Wolf, »ifo Konjunkturprognose Winter Events«, Journal of Political Economy 62, 465–478. 2018: Deutsche Konjunktur kühlt sich ab«, ifo Schnelldienst 71(24), 28–82. Hauf, S. und D. Schäfer (2018), »Bruttoinlandsprodukt in der ersten Jah- reshälfte 2018«, Wirtschaft und Statistik (5), 100–129. ifo Schnelldienst 3 / 2019 72. Jahrgang 7. Februar 2019 29
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