Wirtschaftskonjunktur 2018: Prognose und Wirklichkeit - ifo Institut

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DATEN UND PROGNOSEN

     Wolfgang Nierhaus

     Wirtschaftskonjunktur 2018:
     Prognose und Wirklichkeit

     Das ifo Institut beleuchtet seit Jahren kritisch die Güte der eigenen Konjunkturprognosen,
     die jeweils im Dezember eines Jahres t für das darauffolgende Kalenderjahr t + 1 abgege-
     ben werden (vgl. Nierhaus 2018).1 Unter Einschluss der zum Prognosezeitpunkt noch unbe-
     kannten amtlichen Ergebnisse für das jeweilige Jahresendquartal umfasst der Prognose-
     zeitraum damit fünf Quartale. Im folgenden Beitrag wird die ifo Prognose vom Dezember
     2017 für das Jahr 2018 vor dem Hintergrund der am 15. Januar 2019 veröffentlichten amtli-
     chen Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen diskutiert. Zudem wird auf
     die Prognosequalität des Instituts im langjährigen Durchschnitt eingegangen.

     Die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im Jahr                ten im Prognosezeitraum nicht mehr ganz so kräf-
     2018 verlief deutlich ungünstiger, als in der ifo Dezem-         tig wie bisher steigen, wenngleich die konjunkturelle
     berprognose 2017 vorausgeschätzt worden war. In der              Schlagzahl angesichts der großen weltwirtschaftli-
     damaligen Prognose des ifo Instituts hatte es unter              chen Dynamik beachtlich hoch bleiben wird.« (Woll-
     dem Titel »Deutsche Wirtschaft auf dem Weg in die                mershäuser et al. 2017, S. 39 und 42).
     Hochkonjunktur« geheißen:                                             Die weltwirtschaftlichen Risiken, mit denen
          »Der Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirt-             diese Prognose behaftet war, waren vom ifo Institut
     schaft seit nunmehr 2013 befindet, hat sich in diesem            als weitgehend ausgeglichen erachtet worden. Ein
     Jahr merklich beschleunigt. In den ersten drei Quar-             abwärts gerichtetes Prognoserisiko wurde in einem
     talen legte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt             möglichen Scheitern der Brexit-Verhandlungen zwi-
     mit durchschnittlich 0,8% gegenüber dem Vorquartal               schen Großbritannien und der EU gesehen. Käme es,
     zu. Damit weitet sich die gesamtwirtschaftliche Pro-             anders als in der Prognose unterstellt, zu einem »har-
     duktion annähernd doppelt so stark aus, wie aktuelle             ten Brexit«, so hätte dies vor allem für Großbritannien,
     Schätzungen der Potenzialrate nahelegen. Entspre-                aber auch für die EU deutlich negative wirtschaftliche
     chend hat die Überauslastung der deutschen Wirt-                 Effekte. Würde der Handel in Zukunft auf Basis von
     schaft deutlich zugenommen … In den kommenden                    WTO-Regeln erfolgen, so wäre das Bruttoinlandspro-
     beiden Jahren wird sich der Aufschwung in Deutsch-               dukt pro Kopf für das Vereinigte Königreich langfristig
     land fortsetzen, befördert von der Binnennachfrage               um 1,4% niedriger, das Pro-Kopf-Produkt der EU um
     und den Exporten. Der private Konsum wird kräftig                0,25%. Ein weiteres Risiko für die Weltwirtschaft stelle
     expandieren, getrieben von steigenden Effektivlöh-               die Entwicklung in China dar. Dort habe sich die Ver-
     nen, zunehmenden Transfereinkommen und stei-                     schuldung im Unternehmenssektor in den vergange-
     gender Beschäftigung. Deutlich schwächer als bis-                nen Jahren massiv ausgeweitet und sei auf einem im
     her expandiert hingegen der öffentliche Konsum; hier             internationalen Vergleich sehr hohen Niveau. Dadurch
     schlägt sich die deutlich verringerte Fluchtmigration            erhöhe sich das Finanzstabilitätsrisiko in China, z.B.
     nieder. Angesichts des weiter zunehmenden Auslas-                infolge einer unerwartet raschen Normalisierung der
     tungsgrads wird sich die kräftige Expansion der Unter-           US-amerikanischen Geldpolitik, die zu einem ver-
     nehmensinvestitionen fortsetzen, wobei sich der                  stärkten Kapitalabfluss aus China führen könne. Ein
     konjunkturelle Anstieg der Investitionen in Ausrüs-              schnelles Anheben der Leitzinsen in den USA könne
     tungen und in gewerbliche Bauten allmählich etwas                etwa Folge der zwischen dem Senat und dem Reprä-
     abschwächen dürfe. Dies gilt auch für die Investitio-            sentantenhaus verhandelten Steuerpläne der US-Re-
     nen in Wohnbauten; darauf deutet jedenfalls der zu               gierung sein. Für sich genommen stellten diese Pläne
     beobachtende Rückgang der Auftragsbestände sowie                 für die Prognose ein signifikantes Aufwärtsrisiko dar,
     der Baugenehmigungen hin. Auch die Ausfuhren dürf-               da die US-Konjunktur durch die beabsichtigten Steu-
                                                                      ersenkungen kurzfristig deutlich stimuliert werden
     1
        Auf unterjährige Prognosefehler und Prognoseanpasungen wird
     in den Sommer- und Winterprognosen des ifo Instituts gesondert
                                                                      könne. Gleichzeitig könnte aber hierdurch auch die
     eingegangen.                                                     Staatsverschuldung der USA stark zunehmen, was

22   ifo Schnelldienst   3 / 2019   72. Jahrgang   7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN

möglicherweise zu einem            Abb. 1
Anstieg der weltweiten Kapi-       ifo Geschäftsklima in der Gewerblichen Wirtschaftᵃ
                                   Saisonbereinigt
talnachfrage und damit der
Kapitalmarktzinsen führe.                  Indexwerte, 2005 = 100
                                   130
     Auch für den Euroraum
wurden die konjunkturellen         120
Risiken weitgehend ausgegli-
chen gesehen. Die durchweg         110
positiven Einschätzungen von
Unternehmen,        Haushalten     100
und Finanzmarktakteuren im
                                     90
Hinblick auf die aktuelle Lage                                                                              ifo Geschäftsklima
und den Ausblick auf die kom-        80
                                                                                                            Beurteilung der Geschäftslage
menden Monate könnten sig-                                                                                  Geschäftserwartungen
nalisieren, dass die Wirtschaft      70
im Euroraum noch stärker                      2008     2009     2010       2011     2012      2013      2014      2015        2016       2017
expandiere als in der Prognose     ᵃ Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.
                                   Quelle: ifo Konjunkturumfragen, Dezember 2017.                                                      © ifo Institut
unterstellt. Durch die erfolgrei-
che Umsetzung weiterer struk-
tureller Reformen in den Mitgliedstaaten könnte sich klimaindex für die Gewerbliche Wirtschaft2, nahezu
die Arbeitsmarktlage noch schneller verbessern und das ganze Jahr 2017 hindurch deutlich gestiegen (vgl.
eine höhere Inflationsdynamik mit sich bringen. Aller- Abb. 1). Die ifo Konjunkturampel, die in einem grün-
dings stellten die fragile Situation im Bankensektor gelb-rot-Farbschema die Bewegung des Geschäftskli-
einzelner Mitgliedstaaten sowie langfristig steigende maindex in Wahrscheinlichkeiten für die konjunktu-
Zinssätze Abwärtsrisiken für die Prognose dar. Die relle Phase »Expansion« umsetzt (vgl. Abberger und
Probleme im europäischen und insbesondere im ita- Nierhaus 2010), stand seit Februar 2017 auf Dauer-
lienischen Bankensektor wären weiterhin vorhanden, grün. Die Wahrscheinlichkeit für eine expansive Wirt-
wenn auch nun in geringerem Umfang als zuvor. So schaftsentwicklung lag in den letzten Monaten des
wären einige italienische Banken inzwischen erfolg- Jahres 2017 im Schnitt bei 90% (vgl. Abb. 2).
reich rekapitalisiert bzw. liquidiert worden. Auch                        Insgesamt sollte das reale Bruttoinlandspro-
hätte sich der Anteil von notleidenden Krediten um dukt (BIP) saison- und kalenderbereinigt im Jahres-
knapp 5 Prozentpunkte reduziert; mit zuletzt knapp verlauf 2018, d.h. vom vierten Quartal 2017 bis zum
12% wäre dieser Anteil aber weiterhin noch recht hoch vierten Quartal 2018, um 2,5% zulegen, nach 3,0% im
und berge weiterhin eine Gefahr für die Finanzstabi- Jahr 2017. Die höchste Dynamik sollte dabei im ers-
lität. Schließlich stellten abrupte Erwartungsände- ten Quartal 2018 zu verzeichnen sein, danach würde
rungen bezüglich der Geldpolitik ein Risiko für Län-
der mit hoher Staatsverschuldung dar. So würde eine 2 Das ifo Geschäftsklima für die Gewerbliche Wirtschaft ist inzwi-
Anhebung der Leitzinsen und damit einhergehend der schen durch das ifo Geschäftsklima Deutschland abgelöst worden.
                                                                   Neben dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Bauhauptgewerbe und
Kapitalmarktzinsen den Abbau der Staatschulden in den beiden Handelsstufen ist in dem neuen Index auch der Dienst-
Italien erschweren. Dies schränke den Handlungs- leistungssektor enthalten. Überdies wurde das Aggregationsverfah-
                                                                   ren modifiziert und das Basisjahr für die Indexberechnung von 2005
spielraum der Geldpolitik ein und könne zu einem Wie- auf 2015 umgestellt (vgl. Sauer und Wohlrabe 2018).
deraufflammen der Vertrau-
                                   Abb. 2
enskrise im Euroraum führen.
                                   ifo Konjunkturampel in der Gewerblichen Wirtschaftᵃ
Für Deutschland schließlich
wurde im Prognosezeitraum                 %
                                   100
die Einschätzung des Ausrich-
tungsgrades der Finanzpolitik
aufgrund der noch ausstehen-
den Regierungsbildung als mit        67
großer Unsicherheit behaftet
gesehen.
     Eine Fortsetzung des Auf-
schwungs in Deutschland hat-         33

ten zum Zeitpunkt der Progno-
seerstellung viele prominente
Konjunkturindikatoren signa-
                                      0
lisiert. So war der wichtigste                2008     2009     2010       2011     2012      2013      2014      2015        2016       2017
                                   ᵃ Monatliche Wahrscheinlichkeiten berechnet auf Basis der monatlichen Änderungen des ifo Geschäfts-
Frühindikator für die deutsche     klimaindex. Wahrscheinlichkeit für eine expansive Entwicklung: grün = hoch, gelb = mittel, rot = niedrig.
Wirtschaft, der ifo Geschäfts-     Quelle: ifo Konjunkturumfragen, Dezember 2017.                                                      © ifo Institut

                                                                                             ifo Schnelldienst   3 / 2019   72. Jahrgang   7. Februar 2019   23
DATEN UND PROGNOSEN

     sich das Expansionstempo leicht verlangsamen. Im                      Zu einem großen Teil ist der Prognosefehler
     Jahresdurchschnitt 2018 sollte das reale BIP um 2,6%           durch die zu hoch eingeschätzte Dynamik im unter-
     expandieren, nach schätzungsweise 2,3% im Jahr                 jährigen konjunkturellen Profil zu erklären. Das
     2017, wobei für das höhere Anstiegstempo im Ver-               ganze Jahr 2018 hindurch ist die Wirtschaftsdyna-
     gleich zu 2017 der größere Überhang maßgeblich sei.            mik deutlich schwächer gewesen, als im Dezember
     Die zeitgleich veröffentlichte Intervallprognose für           2017 vom ifo Institut veranschlagt worden war. Zum
     die Rate des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahres-           einen hatten sich die in der Risikoansprache aufge-
     durchschnitt 2018 reichte bei einer Vertrauenswahr-            führten weltwirtschaftlichen Prognoserisiken »nach
     scheinlichkeit von 68% von 1,6% bis 3,6%.                      unten« zum Teil realisiert, zum anderen war es bin-
          Die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung wird wie          nenwirtschaftlich zu zahlreichen nicht vorherge-
     in den vorangegangenen Prognosefehlerstudien des               sehenen negativen Schocks gekommen. So haben
     ifo Instituts an den ersten vorläufigen Jahresergeb-           zu Jahresbeginn 2018 Sonderfaktoren wie bun-
     nissen des Statistischen Bundesamts festgemacht,               desweite Warnstreiks in der Metall- und Elektroin-
     die im Januar des jeweiligen Folgejahrs veröffentlicht         dustrie sowie eine mehrwöchige grassierende Grip-
     werden. Dies geschieht deshalb, weil diese Ist-Ergeb-          pewelle, die den Krankenstand in den Unternehmen
     nisse dem Informationsstand bei der Prognoseerstel-            auf Rekordhöhe steigen ließ, negativ auf die Produk-
     lung am besten entsprechen. Zu diesem Zeitpunkt                tionsentwicklung durchgeschlagen. In den Sommer-
     sind die Ergebnisse für die zurückliegenden Jahre              monaten kam es dann in der Automobilindustrie auf-
     noch nicht grundlegend überarbeitet worden, die                grund von Schwierigkeiten bei der Einführung des
     das statistische Fundament für die Prognose gebildet           neuen Abgas-Zertifizierungsverfahrens WLTP (World­
     haben. Spätere amtliche Rechenstände zeigen zwar               wide harmonized Light vehicles Test Procedure) zu
     ein auf einer breiteren Zahlenbasis ruhendes Bild der          einem massiven Produktionsrückgang, der aufgrund
     Konjunktur; eine Prognose kann sich aber immer nur             des hohen Gewichts des Kfz-Sektors auf die Entwick-
     auf die bis zum Prognosezeitpunkt veröffentlichten             lung des Bruttoinlandsprodukts durchgeschlagen
     Ergebnisse stützen.                                            hat.3 Im Herbst haben schließlich niedrige Wasser-
          Nach den am 15. Januar 2019 vom Statistischen             stände bei wichtigen Binnenwasserstraßen, verur-
     Bundesamt veröffentlichten Ergebnissen hat das                 sacht durch langanhaltende Trockenheit, die Produk-
     reale BIP im Jahresdurchschnitt 2018 lediglich um              tion gedämpft.
     1,5% zugenommen (vgl. Abb. 3) (vgl. Statistisches                     Zur Überschätzung der Jahreswachstumsrate
     Bundesamt 2018, S. 6). Für die Veränderung der sai-            2018 hat überdies die Überschätzung des statis­
     son- und kalenderbereinigten Produktion im Jahres-             tischen Überhangs beigetragen. Dieser war in der
     verlauf ergibt sich sogar nur eine Rate von 0,9%. Die im       ifo Dezemberprognose 2017 auf 1,0% veranschlagt
     Dezember 2017 abgegebene Prognose des ifo Instituts            worden; nach heutigem amtlichem Datenstand, der
     hinsichtlich des Wirtschaftswachstums im Jahr 2018             u.a. eine etwas verhaltenere konjunkturelle Entwick-
     war also zu »optimistisch« gewesen.                            lung im Sommerhalbjahr 2017 zeigt, beläuft sich der
                                                                                              Überhang auf 0,8%. Als statis-
                                                                                              tischer Überhang wird dieje-
     Abb. 3
                                                                                              nige jahresdurchschnittliche
     Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
     Saison- und kalenderbereinigter Verlauf                                                  Veränderungsrate       bezeich-
                                                                                              net, die sich ergäbe, wenn das
           Bruttoinlandsprodukt                                             Laufende Rate     reale BIP saison- und kalen-
           1. Quartal 2017 = 100                Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal
           (Linien linke Skala)                                       (Balken rechte Skala)
                                                                                              derbereinigt auf dem Stand
     106                                                                                    3 des vierten Quartals des Vor-
                                                                                              jahres stagnieren würde.4
                                                                                         2,6 %
     104                                                                                                         2
                                                                                                                       3
                                                                                                                          Im Verarbeitenden Gewerbe stellt
                                                                                         1,5 %                         der Fahrzeugbau mit einem Wert-
                                    2,2 %                                                                              schöpfungsanteil von rund 20% den
     102                                                                                                         1
                                                                                                                       größten Wirtschaftszweig dar. Gemes-
                                                                                                                       sen an seinem Anteil an der gesamten
                                                                                                                       nominalen Bruttowertschöpfung, ran-
     100                                                                                                         0     giert der Wirtschaftszweig »Herstellung
                                                                                                                       von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«
                                                                                                                       mit 4,7% unter den fünf wichtigsten
                                                                                                                       Wirtschaftszweigen Deutschlands (vgl.
      98                                                                                                         -1    Wollmershäuser et al. 2018, S. 43).
                                                                                                                       4
                 I.           II.           III.       IV.           I.          II.           III.   IV.                 Mit Hilfe des Überhangs kann die
                                    2017                                                2018                           Jahresdurchschnittsrate für ein Jahr
                                                                                                                       t zur Jahresverlaufsrate in Beziehung
     ifo Prognose im Dezember 2017 für das Jahr 2018                                                                   gesetzt werden. Nach einer aus der
     Ergebnisse im Januar 2019 für das Jahr 2018ᵃ                                                                      Zeitreihenarithmetik hergeleiteten
                                                                                                                       Faustformel gilt: Jahresdurchschnitts-
     ᵃ Ergebnisse für 2017 und Jahresergebnis 2018: Statistisches Bundesamt.                                           rate (t) ≈ Überhang (t – 1) + 0,5 • Jah-
       Vierteljahresergebnisse für 2018: Schätzungen des ifo Instituts.                                                resverlaufsrate (t) (vgl. Nierhaus 1999,
     Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts.                 © ifo Institut   S. 16).

24   ifo Schnelldienst   3 / 2019   72. Jahrgang   7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN

     Eine tiefergehende Analyse erlaubt die Gegen-                                 2017 des ifo Instituts ausgewiesen worden war (vgl.
überstellung der Soll-Ist-Entwicklung nach den ein-                                Tab. 1).
zelnen Verwendungskomponenten des realen BIP.                                           Binnenwirtschaftlich kam im Jahr 2018 erwar-
Nach der ifo Dezemberprognose 2017 sollte die inlän-                               tungsgemäß vom privaten Konsum der stärkste
dische Verwendung die Haupttrieb­feder der Konjunk-                                Wachstumsimpuls. Gleichwohl ist die Zunahme der
tur 2018 bleiben. Anders als im Jahr 2017 würde aber                               privaten Konsumausgaben überschätzt worden;
auch vom Außenbeitrag ein anre­gender Impuls auf                                   trotz der kräftigen Ausweitung der Beschäftigung und
das BIP-Wachstum ausgehen; insbesondere sollte                                     hoher Tarifabschlüsse haben die verfügbaren Realein-
massive Einkommensteuersenkungen in den USA                                        kommen der privaten Haushalte aufgrund des Rück-
und ein starker Aufschwung im Euroraum die Nach-                                   gangs der empfangenen Gewinn- und Vermögens­
frage nach deutschen Waren und Dienstleistungen,                                   einkommen langsamer als erwartet zugenommen.
d.h. die heimischen Exporte, beflügeln.                                            Zudem ist die Sparquote überraschend deutlich ge­­
     Dieses Prognoseszenario ist jedoch nur zum Teil                               stiegen. Dagegen ist die Prognose der Investitionen
eingetreten (vgl. Tab. 1). Zwar war wie vorhergesehen                              in Ausrüstungen und Bauten grosso modo zutref-
die Binnenwirtschaft der ausschlaggebende Kon-                                     fend gewesen. Die Ausrüstungsinvestitionen soll-
junkturmotor, die außenwirtschaftlichen Auftriebs-                                 ten im Jahresdurchschnitt 2018 im Vergleich zu 2017
kräfte fielen dagegen schwächer aus als erwartet. So                               beschleunigt expandieren. Dies ist auch eingetre-
haben die Verschärfung der handelspolitischen Kon-                                 ten, wenngleich das Expansionstempo etwas zu hoch
flikte, die Wirtschaftskrisen in einigen Schwellen-                                angesetzt worden ist. Vor dem Hintergrund der über-
ländern, das zögerliche Voranschreiten der Bre-                                    durchschnittlichen Auslastung der Produktionskapa-
xit-Verhandlungen, die Haushaltspläne der italieni-                                zitäten stand im vergangenen Jahr wie auch schon im
schen Regierung und nicht zuletzt auch die hausge-                                 Jahr 2017 in allen Industriehauptgruppen das Erwei-
machten Probleme in der deutschen Automobilin-                                     terungsmotiv im Vordergrund. Vorrangig wollten die
dustrie die Exportchancen deutlich verringert. Die                                 Unternehmen in Änderungen bzw. Ausweitungen des
Ausfuhren sind im Jahresdurchschnitt 2018 mit 2,4%                                 Produktprogramms investieren, daneben sollten
deutlich schwächer gestiegen, als im Dezember 2017                                 aber auch die Kapazitäten bestehender Produktions-
veranschlagt worden war (5,6%); auch die Einfuh-                                   programme erhöht werden (vgl. Weichselberger 2018,
ren expandierten mit 3,4% langsamer als voraus­                                    S. 49 f.). Die amtliche Zuwachsrate der Bauinvesti-
geschätzt (5,5%). Da der Anstieg der Exporte in grö-                               tionen in Höhe von 3,0% ist dagegen im Dezember
ßerem Maße überschätzt wurde als die Zunahme der                                   2017 um 0,3 Prozentpunkte unterschätzt worden; ein
Importe, ist der Veränderungsbeitrag des Außen­                                    Prognosefehler, in dem sich das durch mildes und
handels
Tab. 1
          zum BIP im Jahr 2018 negativ und um 0,7 Pro-                             trockenes Winterwetter begünstigte Ergebnis des
zentpunkte niedriger, als in der Dezemberprognose                                  ersten Quartals 2018 niederschlägt. Leicht unter-

Tab. 1
Prognosen und Prognosefehler für das Jahr 2018
Verwendung des realen Bruttoinlandsproduktsa
                                    ifo Dezemberprognose 2017                      Statistisches Bundesamtb                    Prognosefehler für 2018
                                       Prognosewerte für 2018                           Istwerte für 2018                        Differenz der Wachs-
                                                                                                                               tumsraten bzw. -beiträge
                                  Veränderung in Wachstums-                    Veränderung in           Wachstums-              Spalte (3)     Spalte (4)
                                   % gegenüber beitrag in Pro-                  % gegenüber            beitrag in Pro-         abzüglich       abzüglich
                                   dem Vorjahr   zentpunktenc                   dem Vorjahr            zentpunktenc             Spalte (1)     Spalte (2)
                                       (1)            (2)                           (3)                      (4)                   (5)            (6)
   Inlandsnachfrage                    2,3           2,2                            1,8                     1,7                  – 0,5           – 0,5
   Privater Konsum                      1,7          0,9                            1,0                      0,5                  – 0,7          – 0,4
   Staatlicher Kon-                     0,9          0,2                            1,1                      0,2                    0,2            0,0
   sum
   Ausrüstungen                            5,8                     0,4                 4,5                    0,3                    – 1,3              – 0,1
   Bauten                                  2,7                     0,3                 3,0                    0,3                      0,3                0,0
   Sonstige Anlagein-                      3,5                     0,1                 0,4                    0,0                    – 3,1              – 0,1
   vestitionen
   Vorratsverände-                            –                    0,3                   –                    0,4                       –                 0,1
   rungen
   Außenbeitrag                              –                 0,5                       –                 – 0,2                         –             – 0,7
   Ausfuhr                                 5,6                  2,6                    2,4                   1,1                     – 3,2             – 1,5
   Einfuhr                                 5,5                – 2,2                    3,4                  –1,3                     – 2,1               0,9
   Bruttoinlands-                          2,6                 2,6                     1,5                   1,5                     – 1,1             – 1,1
   produkt
   a
    In Preisen des Vorjahrs. b Erste Ergebnisse der Inlandsproduktsberechnung (Januar 2019). c Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung des Bruttoin-
   landsprodukts (Lundberg-Komponenten). Der Wachstumsbeitrag einer Nachfragekomponente ergibt sich aus der Wachstumsrate gewichtet mit dem nominalen
   Anteil des Aggregats am Bruttoinlandsprodukt aus dem Vorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Angaben für das Bruttoinlandsprodukt:
   Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.

                                                                                                      ifo Schnelldienst   3 / 2019    72. Jahrgang   7. Februar 2019   25
DATEN UND PROGNOSEN

     schätzt wurden außerdem die                 Abb. 4
     Zuwachsrate der staatlichen                 Prognosen und Prognosefehler für das reale Bruttoinlandsprodukt
                                                 1992‒2018
     Konsumausgaben sowie der
     Expansionsbeitrag der Vor-                       Prognosewert für die Veränderungsrate des realen BIP        Prognosefehler in Prozentpunkten
     ratsinvestitionen, der zu­­letzt                                                                                 (Positiver Wert: Unterschätzung
                                                      Amtliches Ergebnis im Januar des Folgejahres
                                                                                                                      negativer Wert: Überschätzung)
     auc h vom Lageraufbau an noc h
                                                       %                                                                          Prozentpunkte
     nicht WLTP-zertifizierten Neu-               4                                                                                                    4
     wagen getrieben wurde. Über-
                                                  2                                                                                                    2
     raschend schwach expandier-
     ten 2018 schließlich die Inves-              0                                                                                                    0
     titionen in sonstige Anlagen;
     die amtliche Zuwachsrate in                 -2                                                                                                    -2
     Höhe 0,4% wurde um mehr als
     3 Prozentpunkte überschätzt.                -4                                                                                                    -4

     Erfahrungsgemäß können die
                                                 -6                                                                                                    -6
     aktuellen Ergebnisse für die-                  1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
     ses Verwendungsaggregat je­
                                                 Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.                          © ifo Institut
     doch noch stärkeren Revi­
     sionen unterliegen, weil es für
     das jüngste Berichtsjahr nur wenige statistisch ge- LÄNGERFRISTIGE PROGNOSEBILANZ
     sicherte Informationen gibt, die in aller Regel aus
     Budgetangaben der öffentlichen Hand stammen.5                                 Im Folgenden wird auf die längerfristige Prognosebi-
           Trotz der Überschätzung der BIP-Expansion lanz des ifo Instituts eingegangen. Evaluiert werden
     2018 wurde in der ifo Dezemberprognose 2017 die die Prognosen für die Veränderungsrate des realen
     Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Arbeits- Bruttoinlandsprodukts im Zeitraum 1992 bis 2018. Der
     volumens zu gering veranschlagt. Die geleisteten Prognosefehler Rt – P t ist definiert durch die Differenz
     Arbeitsstunden der Erwerbstätigen stiegen im ver- zwischen dem tatsächlichen BIP-Wert (Rt), gemessen
     gangenen Jahr mit 1,4% deutlich stärker, als es das an der ersten Veröffentlichung des Statistischen Bun-
     ifo Institut im Dezember 2017 erwartet hatte (1,1%). desamts im Januar des Folgejahrs, und der im Dezem-
     Zum einen war die Zunahme der Erwerbstä­tigkeit ber des jeweiligen Vorjahres abgegebenen BIP-Prog-
     mit 1,1% zu niedrig angesetzt worden, das amtli- nose P t. Ein positiver (negativer) Wert entspricht einer
     che Plus 2018 fiel mit 1,3% etwas höher aus. Zum Unterschätzung (Überschätzung) der tatsächlichen
     anderen ist der Fortschritt der Stundenproduk- Veränderungsrate des realen BIP (vgl. Abb. 4).
     tivität überschätzt worden. Den aktuellen Ergeb-                                    Es zeigt sich, dass für immerhin 14 der insge-
     nissen der VGR zufolge hat der Output je geleis- samt 27 betrachteten Jahre der Prognosefehler dem
     tete Erwerbstätigenstunde im vergangenen Jahr Betrag nach kleiner ist als ein halber Prozentpunkt,
     mit einer Rate von 0,2% nahezu stagniert, in der ifo für vier Jahre (1992, 1998, 2004, und 2015) ist er ge­­
     Prognose von Dezember 2017 war hingegen eine ringer als ein Viertel Prozentpunkt. Für das Jahr 2016
     deutliche Zunahme in Höhe von 1,5% erwartet war der Fehler sogar exakt null. Der durchschnitt­
     worden.                                                                       liche Prognosefehler (MF) ist mit – 0,20 Prozent-
           Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe ist punkten leicht negativ, d.h., im Mittel wurde die jähr­
     – gemessen am Verbraucherpreisindex VPI – in der liche BIP-Rate im Zeitraum 1992 bis 2018 geringfügig
     ifo Dezemberprognose 2017 exakt getroffen wor- überschätzt.
     den: Den amtlichen Angaben zufolge nahmen die                                       Allerdings können sich bei diesem Prüfmaß, das
     Lebenshaltungskosten im Jahresdurchschnitt 2018 auf die Verzerrung (Bias) von Prognosen abstellt,
     wie erwartet um 1,9% zu. Allerdings war die Kernin- positive und negative Abweichungen gegenseitig sal-
     flation (Inflation ohne Berücksichtigung der Preisän- dieren. Die Prognosequalität sollte deshalb an den
     derung von Energieträgern) im Dezember 2017 über- beiden Kennziffern mittlerer absoluter Fehler (MAF)
     schätzt worden; diese sollte im Jahresdurchschnitt bzw. Wurzel aus dem mittleren quadratischen Feh-
     2018 ebenfalls 1,9% betragen, tatsächlich belief sie ler (WMQF) festgemacht werden. Je kleiner die ent-
     sich auf lediglich 1,6%. Vice versa ist der Inflations- sprechenden Werte sind, umso besser ist die Prog-
     beitrag der Energieträger im Jahr 2018 unterschätzt nosequalität. Für die BIP-Prognosen des ifo Instituts
     worden.                                                                       beträgt der mittlere absolute Fehler 0,72 Prozent-
                                                                                   punkte; die Wurzel aus dem mittleren quadratischen
     5
        Die »Sonstigen Anlagen« setzten sich im Jahr 2017 zu knapp drei            Fehler, der größere Abweichungen der Prognosewerte
     Vierteln aus Investitionen in Forschung und Entwicklung, zu gut
     einem Fünftel aus Investitionen in Software und Datenbanken sowie
                                                                                   von den späteren amtlichen Werten stärker gewich-
     zu ungefähr 5% aus Investitionen in Urheberrechte zusammen. Der               tet, liegt bei 0,97 (vgl. Tab. 2).
     gemeinsame Anteil der Investitionen in Nutztiere und Nutzpflanzun-
     gen sowie der Suchbohrungen lag im Promillebereich (vgl. Hauf und
                                                                                         Wird letztere Kennziffer ins Verhältnis gesetzt zur
     Schäfer 2018, S. 113).                                                        Wurzel    aus dem mittleren quadratischen Fehler, der

26   ifo Schnelldienst   3 / 2019   72. Jahrgang   7. Februar 2019
DATEN UND PROGNOSEN

Tab. 2

Tab. 2                                                                                                                Zerlegung des mittleren qua-
Ausgewählte Maße für die Güte der BIP-Prognosea                                                                       dratischen Prognosefehlers
                                                                 Zeitraum          Zeitraum          Zeitraum         (MQF) in die drei Beiträge Bias,
                                                                 1992 bis           1992 bis         2005 bis         Varianz und Kovarianz6 zeigt,
                                                                    2018              2004              2018          dass die an Hand von WMQF
  Mittlerer Prognosefehler (BIAS)b
                                                                 – 0,20              – 0,40           – 0,02          gemessene Verschlechterung
  MF
  Mittlerer absoluter Prognosefehlerc
                                                                                                                      der Prognosequalität für die
                                                                    0,72               0,69             0,75          Jahre 2005 bis 2018 auf die
  MAF
  Wurzel aus dem mittleren                                                                                            in diesem Zeitraum deutlich
  quadratischen Prognosefehlerd                                     0,97               0,89             1,04          höhere BIP-Volatilität zurück-
  WMQF                                                                                                                geht. Bereinigt man das Feh-
  nachrichtlich:
                                                                                                                      lermaß WMQF um diesen
  Komponentenzerlegung des MQF
  - Anteil des BIAS                                                 0,04               0,20             0,00          Effekt, indem durch die Stan-
  - Anteil der Varianz                                              0,38               0,16             0,56          dardabweichung σ der amtli-
  - Anteil der Kovarianz                                            0,58               0,64             0,44          chen Veränderungsraten des
  Theil‘scher Ungleichheitskoeffiziente                                                                               BIP im jeweiligen Untersu-
                                                                    0,39               0,49             0,35
  U
                                                                                                                      chungszeitraum dividiert wird,
  nachrichtlich:
                                                                                                                      so signalisiert das standar-
  Standardisierte Wurzel aus dem mittleren
                                          f                         0,59               0,72             0,53          disierte Fehlermaß WMQF/σ
  quadratischen Prognosefehler
  WMQF/σ                                                                                                              keine Abnahme der Progno-
   Der Prognosefehler R – P wird definiert durch die Differenz der amtlichen BIP-Veränderungsrate R für das Jahr t    següte, sondern eine Ver-
  a
                        t   t                                                                                  t

  und der im Dezember des jeweiligen Vorjahres t-1 prognostizierten Rate P . MF = 1/T ∑
                                                                             t
                                                                                 b
                                                                                          (R – P ). MAF = 1/T ∑
                                                                                         t=1,.,T   t   t
                                                                                                           c
                                                                                                                              t=1,.,T

  IR – P I. WMQF = √ MQF mit MQF = [1/T ∑
      t   t
              d
                                             (R – P ) ]. U = WMQF/WMQF . Bei der Berechnung von WMQF wurde
                                          t=1,.,T   t   t
                                                            2   e
                                                                          naiv                                        besserung.7 Dies wird durch
                                                                                                                       naiv

  als Prognosewert die amtliche Veränderungsrate des realen BIP aus dem jeweiligen Vorjahr eingestellt. σ bezeich- f

  net die Standardabweichung der amtlichen Veränderungsraten des realen BIP.
                                                                                                                      das   Theil‘sche Fehlermaß U
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.1, Inlandsproduktsberechnung, Erste Jahresergebnisse, Be-       gestützt,    das für den Teilzeit-
rechnungen des ifo Instituts.
                                                                                                                      raum 2005 bis 2018 gleich
                                                                                                                      niedriger ist als im Teilzeit-
sich ergibt, wenn als Prognosewert die BIP-Verände-                                    raum    1992    bis   2004  (vgl. Tab. 2).
rungsrate des jeweiligen Vorjahres eingestellt wird                                          Mit Hilfe statistischer Tests kann ermittelt wer-
(naive Prognose), so erhält man mit dem Theil`schen den, ob Prognosen systematisch verzerrt sind. Gibt
Ungleichheitskoeffizienten U ein Maßstab für die rela- es systematische Verzerrungen, so existieren Zusam-
tive Prognosegüte. Ist der Ungleichheitskoeffizient menhänge, die ausgenützt werden könnten, um die
kleiner (größer) als 1, so sind die Prognosen besser Schätzungen zu verbessern. Es lässt sich zeigen, dass
(schlechter) als die zum Vergleich herangezogenen der durchschnittliche Prognosefehler im Zeitraum
naiven Prognosen. Für die BIP-Prognosen des ifo In­- 1992 bis 2018 nicht signifikant von null verschieden
stituts beträgt der Theil`sche Ungleichheitskoeffi­ ist. Hierzu wurde die Gleichung Rt – P t = μ+ ut geschätzt
zient 0,39, was zeigt, dass die ifo Prognosen im und die Nullhypothese μ = 0 unter der Annahme nor-
betrachteten Zeitraum erheblich besser waren als ein malverteilter Fehler mit einem t-Test überprüft. Fer-
Schätzansatz, bei dem die Vorjahresrate des realen ner sind die Prognosen effizient in dem Sinne, dass
BIP einfach fortgeschrieben wird (vgl. Tab. 2).                                        sich die Prognosefehler Rt – P t nicht durch die Prog-
       Zur Evaluierung der Veränderung der Prognose- nosefehler des Vorjahres Rt-1 – P t-1 erklären lassen (die
güte im Zeitablauf wird der gesamte Beobachtungs- Prognosefehler sind nicht autokorreliert). Dazu wurde
zeitraum in zwei ähnlich große konsekutive Teilzeit- die Gleichung Rt – P t = α + ß(Rt-1 – P t-1) + εt geschätzt und
räume zerlegt. Es zeigt sich, dass für die Jahre 2005 bis die gemeinsame Nullhypothese α = 0 und ß = 0 mit
2018 der mittlere Prognosefehler nahezu null beträgt, einem F-Test überprüft. Tabelle 3 gibt Aufschluss über
d.h., im Schnitt wurde die jährliche BIP-Rate nahezu die Testergebnisse im Detail.
getroffen. Der mittlere absolute Prognosefehler ist
dagegen höher als im Teilzeitraum 1992 bis 2004, dies 6 Der Beitrag des Bias gibt an, wie stark der Mittelwert der Progno-
gilt auch für die Wurzel aus dem mittleren quadrati- sen                                   vom Mittelwert der amtlichen Zeitreihe abweicht, analog ist der
                                                                                       Beitrag der Varianz zu interpretieren. Der Beitrag der Kovarianz ist
Tab. 3
schen Prognosefehler (WMQF). Eine auf 1 normierte ein Maß für den unsystematischen Prognosefehler. Bei guten Prog-
                                                                                                                                        nosen sollten die Beiträge des Bias und
                                                                                                                                        der Varianz möglichst klein sein; d.h.,
Tab. 3                                                                                                                                  der unsystematische Kovarianzbeitrag
Ausgewählte Tests zur Güte der BIP-Prognosea                                                                                            sollte nahe bei 1 liegen.
                                                                                                                                        7
                                                                                                                                           Die Standardabweichung σ stellt
  Nullhypothese                                                           Teststatistik (t-Wert bzw.                                    in diesem Kontext eine Kennziffer für
                                                                          F-Wert) ) / p-Wert                                            die Schwierigkeit dar, das reale BIP zu
                                                                                                                                        prog­nostizieren. Zudem entspricht
  Der Prognosefehler ist im Mittel null                                   – 1,082 / 0,289                                               σ dem Fehlermaß WMQF von naiven
  Die Prognosefehler sind nicht autokorreliert                              1,866 / 0,182                                               BIP-Prognosen, bei denen die durch-
  a
   Der Prognosefehler Rt – Pt wird definiert durch die Differenz der amtlichen BIP-Veränderungsrate Rt für das Jahr t                   schnittliche BIP-Rate im Beobachtungs-
  und der im Dezember des jeweiligen Vorjahres t – 1 prognostizierten Rate Pt. Der Beobachtungszeitraum umfasst                         zeitraum eingestellt wird. Damit kann
  die Jahre 1992 bis 2018.                                                                                                              WMQF/σ als ein spezieller Theil‘scher
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.1, Inlandsproduktsberechnung, Erste Jahresergebnisse, Berechnungen                Ungleichheitskoeffizient interpretiert
des ifo Instituts.                                                                                                                      werden (vgl. McNees 1988).

                                                                                                                        ifo Schnelldienst   3 / 2019   72. Jahrgang   7. Februar 2019   27
DATEN UND PROGNOSEN

     FAZIT                                                           Gesamtrechnungen erfassten wirtschaftlichen Tätig-
                                                                     keiten und sind eng verzahnt mit der Verwendungs-
     Die Prognose des ifo Instituts für die jahresdurch-             und Verteilungsseite des Bruttoinlandsprodukts. Für
     schnittliche Veränderungsrate des realen Brutto-                den Prog­nosezeitraum werden viele Positionen der
     inlandsprodukts im Jahr 2018 war offenkundig zu                 Sektorenrechnung der klassischen BIP-Prognose
     »optimistisch« gewesen. Im Dezember 2017 war eine               entnommen, hinzukommen zahlreiche ergänzende
     Zuwachsrate in Höhe von 2,6% prognostiziert wor-                Zuschätzungen sowie residual im Einkommenskreis-
     den, die erste vorläufige amtliche BIP-Schätzung für            lauf bestimmte Positionen. Die sektorale Darstellung
     das Jahr 2018 beläuft sich auf 1,5%. Die in der Risiko-         eröffnet dem Prognostiker vielfältige weitere Möglich-
     ansprache aufgeführten weltwirtschaftlichen Prog-               keiten der Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung (vgl.
     noserisiken »nach unten« hatten sich teilweise mate-            Carstensen et al. 2010, S. 65).
     rialisiert, zudem gab es binnenwirtschaftlich negativ                Jede Konjunkturprognose hängt von bestimmten
     wirkende Sondereffekte. Seit dem Jahr 1992 waren                Annahmen und Setzungen ab, die für den Prognose-
     größere Prognosefehler (dem Betrag nach) nur für                zeitraum relevant, jedoch nicht vorher abschätzbar
     sechs Jahre zu verzeichnen, nämlich für die Jahre               sind (bedingte Prognosen). Zu den außenwirtschaft-
     1993, 1994, 2001, 2003, 2009 und 2010.                          lichen Rahmendaten für die Deutschlandprognose
          Maßgeblich für die Beurteilung der Prognose-               zählen die Entwicklung von Weltkonjunktur und Welt-
     qualität ist aber längerfristige Prognosebilanz des             handel, Rohstoffpreisen und Wechselkursen sowie
     Instituts. Hier zeigt sich, dass die Prognosen für das          die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zu den
     reale Bruttoinlandsprodukt im Zeitraum 1992 bis 2018            binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehö-
     unverzerrt sind, zudem sind sie effizient. Darüber hin-         ren die Annahmen über den Kurs der Wirtschafts- und
     aus hat sich die Güte der BIP-Prognosen in den ver-             Finanzpolitik. Ändern sich wichtige Rahmendaten und
     gangenen Jahren tendenziell erhöht, sofern um die               heben sich diese Änderungen in ihren konjunkturellen
     gestiegene BIP-Volatilität korrigiert wird.                     Wirkungen nicht zufällig auf, so werden Prognosen im
          Methodische Fortschritte gibt es etwa bei der              Allgemeinen fehlerhaft.
     Kurzfristprognose (Nowcast). Die Einschätzung und                    Bei der Evaluation von Prognosefehlern sollte
     Vorhersage der Wirtschaftsentwicklung im laufenden              stets im Auge behalten werden, dass die Veröffentli-
     und im jeweils darauffolgenden Quartal ist eine der             chung von punktgenauen Schätzwerten lediglich aus
     zentralen Aufgaben jedweder Konjunkturprognose.                 Gründen der mathematisch-statistischen Nachvoll-
     Das ifo Institut stützt sich bei seiner Kurzfristprognose       ziehbarkeit erfolgt. Transparenz und Nachvollzieh-
     für das reale vierteljährliche Bruttoinlandsprodukt             barkeit zählen mit zu den wichtigsten Kriterien für
     auf einen dreistufigen Indikator-Ansatz (IFOCAST). In           die Güte einer Prognose. Der mit Konjunkturprogno-
     der ersten Stufe werden monatlich verfügbare Indi-              sen verbundenen Schätzunsicherheit wird In der heu-
     katoren extrapoliert und auf Quartalsebene aggre-               tigen Prognosepraxis durch Prognoseintervalle sicht-
     giert. Besonderes Augenmerk gilt dabei naturgemäß               bar gemacht, in die die Punktschätzungen als Mittel-
     der Industrieproduktion, die mit Hilfe disaggregier-            werte eingebettet sind. Die Intervallgrenzen werden
     ter ifo-Umfragedaten fortgeschrieben wird. In einem             aus den Schätzfehlern der Vergangenheit ermittelt,
     zweiten Schritt wird die reale Bruttowertschöpfung              wobei angenommen wird, dass die Prognosefehler
     der einzelnen Wirtschaftsbereiche mit Hilfe von Brü-            normalverteilt sind (vgl. Chatfield 1993).
     ckengleichungen prognostiziert. Im Rahmen eines                      Anders als in den Naturwissenschaften können
     Kombinationsansatzes (Pooling of Forecasts) wird                Prognosefehler auch daraus resultieren, dass ver-
     eine Vielzahl von Modellen kombiniert, um der Model-            öffentlichte Prognosen im Gefolge ihrer Rezeption
     lunsicherheit Rechnung zu tragen. In einem dritten              durch die Marktakteure Eigendynamik bis hin zur
     Schritt werden die Quartalsprognosen der einzelnen              Selbst­zerstörung entfalten können. Denn Prognosen
     Wirtschaftsbereiche zu einer Prognose des realen                beeinflussen die Erwartungen der Wirtschaftssub-
     Bruttoinlandsprodukts hochaggregiert (vgl. Carsten-             jekte und können so Verhaltensänderungen bewir-
     sen et al. 2009; Lehmann 2019). Indikatorenbasierte             ken. Dies gilt naturgemäß auch für Prognosen, die
     Kombinationsansätze werden vom ifo Institut heute               derartige Rückkopplungseffekte von vornherein zu
     auch zum Nowcast einzelner BIP-Verwendungskom-                  berück­sichtigen versuchen. Nicht zuletzt aus diesem
     ponenten (z.B. beim privaten Konsum) angewendet                 Grund vermutete Oskar Morgenstern, Mitbegründer
     (vgl. Lehmann, Nierhaus und Reif 2016).                         der modernen Spieltheorie, dass zutreffende Prog­
          Seit einigen Jahren veröffentlicht das ifo Insti-          nosen »mit den Mitteln der ökonomischen Theo-
     tut überdies gesonderte Konten für die fünf institu-            rie und Statistik aus sachlichen Gründen grundsätz-
     tionellen Sektoren gesamte Volkswirtschaft, Kapital-            lich unmöglich« sind (vgl. Morgenstern 1928). Grun-
     gesellschaften, Staat, private Haushalte (einschließ-           berg und Modigliani (1954) vermochten allerdings in
     lich privater Organisationen ohne Erwerbszweck)                 einem rigorosen theoretischen Existenzbeweis zu zei-
     sowie übrige Welt. Die Sektorkonten vermitteln in               gen, dass es fehlerfreie Wirtschaftsprognosen selbst
     ihrer Gesamtheit einen systematischen Überblick                 in einem von Rückkopplungseffekten beeinflussten
     über die wichtigsten, in den Volkswirtschaftlichen              Marktumfeld geben kann. Empirisch ist das Auftre-

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DATEN UND PROGNOSEN

ten von Feedback-bedingten Prognosefehlern umso                                 Lehmann, R., W. Nierhaus und M. Reif (2016), »Eine Flash-Schätzung für
                                                                                die privaten Konsumausgaben in Deutschland«, ifo Schnelldienst 69(21),
wahrscheinlicher, je länger der Prognosehorizont ist                            36–41.
und je kürzer die wirtschaftspolitischen Entschei-                              Lehmann, R. (2019), »IFOCAST, Entstehungs-und Verwendungsseite«,
dungs- und Wirkungsverzögerungen sind.                                          in: S. Sauer und K. Wohlrabe (2019), Handbuch der ifo Umfragen und Kon-
                                                                                junkturindikatoren, ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung, ifo Insitut, Mün-
     Trotz aller Schwächen sind und bleiben Konjunk-                            chen, im Erscheinen.
turprognosen zur Orientierung von Wirtschaft und                                McNees, S.K. (1988), »How Accurate are Macroeconomic Forecasts?«, New
Politik unentbehrlich. Konjunkturprognosen sind                                 England Economic Review, Juli/August 1988, 15–36.
bedingte Wahrscheinlichkeitsaussagen. Auch wenn                                 Morgenstern, O. (1928), »Wirtschaftsprognose: Eine Untersuchung ihrer
                                                                                Voraussetzungen und Möglichkeiten«, Wien 1928, zitiert nach: G. Betz
damit die Unsicherheit über die Zukunft nicht besei-                            (2004), »Empirische und aprioristische Grenzen von Wirtschaftsprogno-
tigt werden kann – Konjunkturforscher sind weder                                sen: Oskar Morgenstern nach 70 Jahren«, in: U. Frank (Hrsg.), Wissen-
                                                                                schaftstheorie in Ökonomie und Wirtschaftsinformatik, Deutscher Universi-
Hellseher noch Propheten – so können die Prognosen                              täts-Verlag, Wiesbaden, 171–190.
doch dazu beitragen, die Unsicherheit zu verringern.                            Nierhaus, W. (1999), »Aus dem Instrumentenkasten der Konjunkturana-
Sie erleichtern damit die Planung der Unternehmen                               lyse: Veränderungsraten im Vergleich«, ifo Schnelldienst 52(2), 11–19.
und helfen der Wirtschafts- und Finanzpolitik, sich auf                         Nierhaus, W. (2018), »Wirtschaftskonjunktur 2017: Prognose und Wirklich-
                                                                                keit«, ifo Schnelldienst 71(3), 2018, 35–42.
die zukünftige Entwicklung besser einzustellen.
                                                                                Sauer, S. und K. Wohlrabe (2018), »Das neue ifo Geschäftsklima Deutsch-
                                                                                land«, ifo Schnelldienst 71(7), 2018, 54–60.
LITERATUR
                                                                                Statistisches Bundesamt (2019), Bruttoinlandsprodukt 2018 für Deutsch-
                                                                                land, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 15. Januar 2019 in Ber-
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»ifo Konjunkturprognose 2011: Aufschwung setzt sich verlangsamt fort«,          (2017b), »ifo Konjunkturprognose 2017–2019: Deutsche Wirtschaft auf
ifo Schnelldienst 63(24), 18–68.                                                dem Weg in die Hochkonjunktur«, ifo Schnelldienst 70(24), 28–81.
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Grunberg, E. und F. Modigliani (1954), »The Predictability of Social            ler, M. Stöckli, K. Wohlrabe und A. Wolf, »ifo Konjunkturprognose Winter
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