Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Bild: ZVG «Wenn der Bedarf vorhanden ist, kann man auch in der Schweiz ein ähnliches Anleihekaufprogramm einführen, wie es das Fed in den USA getan hat», sagt John Feigl, Gründungspartner des Beratungsunternehmens Pilfor. IN I N TE R VIE W «Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» Finanzierungs- und Ratingberater John Feigl erläutert, weshalb der drohende Verlust des Investment-Grade-Status viele Unternehmen sowie Investoren und Notenbanker aufschreckt. Andreas Kälin 21.04.2020, 02.58 Uhr https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 1 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Die Kreditratings «BBB+», «BBB» und «BBB-» bilden die untersten Stufen im Investment-Grade-Bereich, der anlagewürdige Anleihen markiert. Weltweit hat sich dieses BBB-Segment von 2001 bis 2019 enorm ausgeweitet, um den Faktor 14. Der Finanzierungs- und Ratingspezialist John Feigl vom unabhängigen Beratungsunternehmen Pilfor sagt, sehr viele Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren ihren Verschuldungsgrad erhöht und dabei ein BBB-Rating in Kauf genommen, «als Teil ihrer finanziellen Strategie». In der wirtschaftlichen Krise zeigt sich die Kehrseite solcher Strategien. Diverse Unternehmen haben das wichtige Investment-Grade-Rating bereits verloren und sind von den Ratingagenturen auf Non-Investment Grade (umgangssprachlich: Ramschniveau) abgestuft worden: Sie sind damit zu Fallen Angels geworden. Manch weiterem Unternehmen wie dem Chemiekonzern Clariant droht dasselbe Schicksal. Das aussergewöhnliche Ausmass von bereits erfolgten und erwarteten Herabstufungen auf Non-Investment Grade kann laut Feigl «zu enormen Verwerfungen» im Anleihemarkt führen und hat prompt die Notenbanker aufgeschreckt: Die US-Notenbank Fed hat bereits reagiert. Feigl kann sich vorstellen, dass auch für die Schweizerische Notenbank Handlungsbedarf entsteht. Das Fed kauft neu über die Primary Market Corporate Credit Facility (PMCCF) auch Anleihen von Fallen Angels, also von Unternehmen, deren Rating kürzlich vom anlagewürdigen in den spekulativen Bereich herabgestuft wurde. Damit hat die US-Zentralbank ein Tabu gebrochen, warum? Das Fed bricht dieses Tabu, weil es erkannt hat, dass die Gefahr eines systemischen Risikos in den USA enorm gross ist. Die Aussagen der Ratingagenturen lassen nämlich darauf schliessen, in welchem Ausmass nun Unternehmen ihr Rating im anlagewürdigen Bereich Investment Grade verlieren und zu Fallen Angels werden. Den Schätzungen zufolge kommt aufgrund solcher Ratingherabstufungen in diesem Jahr global ein Schuldenvolumen von 640 Mrd. $ neu auf den Markt für Hochzinsanleihen. Was von ihm nicht absorbiert werden kann? https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 2 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Das genannte Schuldenvolumen entspricht rund einem Drittel des globalen Marktes für Anleihen im BB-Segment. Das ist ausserordentlich viel und könnte zu enormen Verwerfungen in diesem Markt führen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, hat das Fed beschlossen, in ihre Kaufprogramme auch Anleihen von Fallen Angels aufzunehmen, mit Auflagen. Berücksichtigt werden etwa nur Anleihen von Unternehmen, die bis am 22. März noch auf Investment Grade eingestuft waren. Was macht die Schwelle zwischen Investment Grade und Non- Investment Grade, also zwischen einem BBB- und einem BB- Rating, so bedeutsam? Unterhalb der Schwelle wird von Hochzinsanleihen gesprochen. In diesem spekulativen Bereich weiten sich die Risikoaufschläge oder Renditedifferenzen gegenüber sicheren Staatsanleihen schnell aus. Das zeigt sich vor allem in Marktturbulenzen wie in den Jahren 2005, 2009 oder 2016, in denen die Risikoaufschläge für spekulative Anlagen in die Höhe schossen. Interessant ist, dass sich heute bei viele Anleihen im BBB-Segment die Risikoaufschläge ebenfalls massiv ausgeweitet haben. Das lässt darauf schliessen, dass die Investoren bei den betreffenden Emittenten nicht sicher sind, ob sie fundamental noch dem Investment Grade zuzurechnen sind oder doch eher dem spekulativen Bereich. Die Ratingskala https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 3 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Die Ratingskala S&P Moody's Investment Grade Prime AAA Aaa High Grade AA+ Aa1 AA Aa2 AA- Aa3 Upper Medium Grade A+ A1 A A2 A- A3 Lower Medium Grade BBB+ Baa1 BBB Baa2 BBB- Baa3 Non-Investment Grade Speculative BB+ Ba1 BB Ba2 BB- Ba3 Highly Speculative B+ B1 B B2 B- B3 Substantial Risks CCC+ Caa1 Extremely Speculative CCC Caa2 In Default with Little Prospect for Recovery CCC- Caa3 CC Ca C Selective Default SD C In Default D C Heisst das auch, die Investoren nehmen an, dass die Ratingagenturen ihre Aufgabe nicht richtig erledigt und Unternehmen zu viel Spielraum eingeräumt haben? Im Markt für Anleihen im BBB-Segment herrscht eine grosse Unsicherheit, weil dort der Durchblick für die Investoren immer schwieriger geworden ist. Das hat mit dem massiven Wachstum in diesem Markt zu tun. Anleihen aus dem BBB-Segment machen heute 54% des Investment-Grade-Spektrums aus, 2001 waren es erst 17%. In absoluten Zahlen wuchs das BBB-Marktsegment von 2001 bis Ende 2019 um den Faktor 14 von 400 auf 5700 Mrd. $. Aber ich widerspreche der Ansicht, dass die Ratingagenturen ihrer Aufgabe nicht nachgekommen sind. In den letzten drei Jahren haben sie mehr Ratings herabgestuft als erhöht. https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 4 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Wie ist es denn zu dieser massiven Ausweitung des BBB- Marktsegmentes gekommen? Der Treiber dafür war die Überschussliquidität im Markt. Sie ist auf die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken zurückzuführen. Die Tiefzinspolitik hat es den Unternehmen erlaubt, zu günstigsten Konditionen Investitionen und Übernahmen zu tätigen. Während sie Dividenden erhöhten und Aktien zurückkauften, substituierten sehr viele von ihnen in unterschiedlichem Ausmass Eigen- mit Fremdkapital. Als Folge davon stieg der durchschnittliche Verschuldungsgrad von Unternehmen aus dem Nicht-Finanzsektor massiv an. Ich denke, in über der Hälfte aller Fälle haben die Unternehmen ihr BBB-Rating freiwillig in Kauf genommen, es war Teil ihrer finanziellen Strategie. Das bedeutet aber auch, die Notenbanken, die heute als Feuerlöscher daherkommen, waren zuvor als Brandbeschleuniger tätig? Ja, ihre lockere Geldpolitik hat im Unternehmenssektor zu einer grundlegenden Änderungen der finanziellen Strategien geführt. Ist denn das gesamte BBB-Segment gleichermassen im Risiko von Herabstufungen? Früher wurde zwischen den Ratings BBB+, BBB und BBB- eine klare Unterscheidung gemacht. Heute sind die Grenzen zwischen diesen drei Notches viel schwammiger geworden. Das Segment BBB ist viel homogener geworden. Damit hat das Risiko deutlich zugenommen, dass auch ein Unternehmen mit einem Rating von BBB zu einem Fallen Angel wird. Wird ein Unternehmen in den spekulativen Bereich BB abgestuft, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalles deutlich. Heute geht man davon aus, dass sie viermal so hoch sein wird wie bei einem Unternehmen mit einem BBB-Rating. Wie viele Herabstufungen von Investment Grade zu Non- Investment Grade hat es seit Ausbruch der Pandemie gegeben? Im ersten Quartal dieses Jahre gab es weltweit rund zwanzig grössere pandemiebezogene Fälle mit einem Schuldenvolumen von total 260 Mrd.$. Davon entfielen 190 Mrd. $ allein auf drei US- https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 5 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Unternehmen, den Autohersteller Ford, den Lebensmittelkonzern Kraft Heinz und das Öl- und Gasunternehmen Occidental Petroleum. Zum Vergleich: Von 1995 bis 2019 lag das auf Fallen Angels entfallende Schuldenvolumen im Schnitt bei rund 190 Mrd. $. Man schätzt, dass es in diesem Jahr auf 640 Mrd. $ steigen wird. In welchen Unternehmenssektoren finden sich Kandidaten für einen Fall in den spekulativen Bereich? Besonderes exponiert ist der Automobilsektor mit mehr als 700 Mrd. $ an Schulden. Ford hat es bereits erwischt. Noch im Februar 2020 musste das Unternehmen einen Coupon von rund 3,5% für seine Anleihen bezahlen. Heute sind es rund 10%. Auch bei General Motors ist nicht auszuschliessen, dass das Investment-Grade- Rating verloren geht. Besonders gefährdet sind auch Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor oder aus den Sektoren Detailhandel, Logistik und Transport, sowie Kapitalgüter. Zu einem gewissen Grad bedroht ist auch das Bauwesen. Was kommen Ihnen mit Blick auf Europa für Namen in den Sinn? In Europa spielt die Automobilindustrie eine grosse Rolle. Es gibt keinen europäischen Autohersteller, der in diesem Jahr nicht eine negative Ratingaktion erlebt hat, bei dem das Rating herabgestuft oder mit einem negativen Ausblick versehen wurde. Es ist denkbar, dass Peugeot oder Renault ohne staatliche Unterstützung das Investment-Grade-Rating verlieren. Bei Volkswagen hat Standard & Poor’s den Ausblick auf negativ gesetzt. Schlecht für das Kreditprofil des VW-Konzerns ist, dass bei ihm der chinesische Produktionsanteil grösser ist als bei allen anderen Herstellern. Ein grosses Engagement in China galt lange als positiv. Das war vor der Pandemie so. Aber angesichts des Zusammenbruchs der Lieferketten wäre es heute vorteilhafter, wenn sich die Produktion in Kontinentaleuropa konzentrieren würde. Zumal der chinesische Automobilmarkt, weltweit der grösste, in diesem Jahr um rund einen Fünftel einzubrechen droht. Wird es auch in der Schweiz Fallen Angels geben? Ins Auge sticht der Fall Clariant aufgrund seines Ratings. Der https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 6 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Chemiekonzern hat ein Rating von BBB-, also nur einen Notch über Non-Investment Grade. Standard & Poor’s hat Ende März den Ausblick für das Rating auf stabil belassen, versehen mit dem Vermerk, dass die weitere Beurteilung von der Dauer und der Intensität der Pandemiefolgen abhänge. Ich halte es für möglich, dass Clariant das Investment-Grade-Rating verliert. Je nach Kundenstruktur und Produktportfolio ist der Chemiesektor für Herabstufungen anfällig. In der Schweiz gibt es viele Autozulieferer, die allerdings nicht über ein öffentliches Rating einer der grossen Agenturen verfügen. Ja, in der Schweiz verfügen rund 70% der Anleihen-Emittenten nicht über ein öffentliches Rating, sondern höchstens über ein Bankenrating. Wenn ich sehe, wie viele Ratinganpassungen die grossen US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch über die letzten zwei Monate vorgenommen haben, frage ich mich, ob es in der Schweiz bei den Bankenratings nicht Nachholbedarf gibt. Erstaunlich ist, wie tief die Ausfallraten von Emittenten lange Zeit waren. In den letzten Jahren lag die Ausfallrate unter dem langjährigen Durchschnitt von rund 3,5 bis 4%. Das war ausserordentlich tief, bedenkt man die kontinuierliche Verschlechterung der durchschnittlichen Kreditqualität und massive Anhäufung an „B“- Schuldnern. Anders ausgedrückt: Da hat sich etwas aufgestaut, das mit der Pandemie zum Ausbruch gekommen ist. Für Europa erwartet man, dass die Ausfallraten im spekulativen Bereich im Verlauf bis anfangs 2021 auf gegen 11% steigen werden. In den USA ist, je nach Szenario, sogar ein Anstieg bis auf 18% denkbar. Solche Niveaus haben wir noch selten gesehen. Mit der Pandemie ist die Risikobereitschaft der Investoren stark gesunken, was besonders bei den spekulativen Anlagen zu spüren ist. Inwieweit haben die Kaufprogramme der US- Notenbank nun die Investoren zu beruhigen vermocht? Im März haben sich die Risikoaufschläge für Anleihen im Segment BB versus Anleihen im Segment BBB massiv ausgeweitet. Nachdem das Fed am 9. April das PMCCF-Programm ankündigte, ist diese https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 7 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Spanne schnell wieder zusammengelaufen. Der Markt hat verstanden, dass die Fallen Angels in den USA mit Unterstützung rechnen können. Im europäischen Markt ist die Renditedifferenz zwischen dem Segment BBB und Anleihen im Bereich BB viel ausgeprägter. Das heisst, Unternehmen, die von Investment Grade zu Non-Investment Grade herabgestuft werden, wissen, dass die Risikoaufschläge für ihre Anleihen sofort massiv zunehmen werden. Das beeinträchtigt ihre Refinanzierungsmöglichkeiten stark. Mit wie vielen Fallen Angels ist in diesem Jahr in Europa zu rechnen? Der europäische Anleihenmarkt ist sehr viel kleiner als der amerikanische. Man rechnet, dass es in Europa in diesem Jahr Fallen Angels mit einem Schuldenvolumen von 170 Mrd. $ geben könnte. Das macht aktuell gegen einen Viertel des europäischen BB-Marktsegments aus. Rechnen Sie damit, dass die EZB ein ähnliches Programm auflegen wird, wie es das Fed mit dem PMCCF tat? Es ist wünschenswert, wenn nicht notwendig, dass die EZB ein ähnliches Programm wie das PMCCF auflegt, um Marktverwerfungen vorzubeugen. Das Fed kauft die Anleihen ja nicht direkt, sondern lässt sie via einer Zweckgesellschaft erwerben. In der Schweiz will man, wenn ein grösseres Unternehmen in Nöte geraten sollte, sich das «von Fall zu Fall anschauen», wie Thomas Jordan, der Direktor der Schweizerischen Nationalbank, im März meinte. Eine solcher Fall-zu-Fall-Ansatz bindet sehr viel Resourcen und ist sehr zeitaufwendig. Er wirft auch heikle Fragen auf: So sollen die Fluggesellschaften Swiss oder Easyjet Switzerland Staatshilfen erhalten. Aber es gibt wichtige Schweizer Unternehmen, die in diesem Jahr Anleihen zurückzahlen müssen und für die es schwer werden könnte, sich zu refinanzieren. Wo wollen die Behörden den Strich ziehen mit ihrem Fall-zu-Fall-Ansatz? Was schlagen Sie vor? Wenn der Bedarf vorhanden ist, kann man auch in der Schweiz ein https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 8 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 ähnliches Kaufprogramm einführen wie es das Fed in den USA mit dem PMCCF getan hat. Die Schweizerische Nationalbank kauft mit ihren Devisen ja bereits Aktien ausländischer Unternehmen. Sie könnte mit einem Teil dieses Betrages auch Anleihen kaufen, die Schweizer Unternehmen in Fremdwährungen wie dem Dollar oder dem Euro emittiert haben oder emittieren werden. So kann die SNB gleichzeitig den heimischen Unternehmen zu Hilfe kommen und, da sie Anleihen in Fremdwährungen erwirbt, der Aufwertung des Frankens entgegenhalten. Was hat eine Herabstufung in den Non-Investment Grade für Unternehmen in normalen Zeiten eigentlich zur Folge, mit Blick auf die Refinanzierung? Generell ist der Markt für Anleihen im Investment-Grade-Bereich viel tiefer und breiter als der für spekulative Anleihen. Unternehmen mit einem Investment Grade finanzieren sich im globalen Schnitt denn auch zu rund 90% über den Kapitalmarkt und zu 10% über Kreditfazilitäten der Banken. Unternehmen mit einem Non-Investment Grade finanzieren sich nur zu 65% über den Kapitalmarkt, während der Anteil der Bankenfinanzierung auf 35% steigt. Wenn bei den Unternehmen im spekulativen Bereich die Ausfallwahrscheinlichkeiten jetzt wie erwartet kräftig steigen, müssen die Banken für solche Kredite noch mehr Eigenkapital hinterlegen und noch höhere Risikoaufschläge verlangen. Das heisst, für Unternehmen mit einen Non-Investment Grade wird es jetzt sehr teuer sich zu refinanzieren. Was soll ein Unternehmen tun, damit es das Rating unbeschadet durch die Krise bringen kann? Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen einen klaren Plan ausgearbeitet haben, wie sie ihren Geldabfluss minimieren und ihre Liquidität optimieren können – sei das durch Kostensenkungen oder indem sie Dividenden und Aktienkäufe zurückfahren. Ein zentraler Punkt dabei ist, dass die Unternehmen ihren Fahrplan auch den Ratingagenturen mitteilen. Es ist erstaunlich, wie oft das nicht passiert und man die zuständigen Kreditanalysten im Dunkeln tappen lässt. Wird der Kreditanalyst nicht einbezogen, muss er in dieser Krise auf Basis veralteter Unternehmenszahlen von 2019 eigene Berechnungen anstellen. Das kann im Extremfall zu Ratinganpassungen führen, die gar nicht nötig wären. https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 9 von 11
«Im Markt für Anleihen im Segment BBB herrscht grosse Unsicherheit» | The Market 21.04.20, 10:10 Zur Person Bild: ZVG John M. Feigl, Gründungspartner von Pilfor John Feigl berät seit über zwanzig Jahren kleinere und grössere Unternehmen bei Finanzierungs- und Ratingthemen. Vor der Gründung von Pilfor, einem auf die Unternehmensfinanzierung fokussierten und unabhängigen Beratungsunternehmen, arbeitete er u.a. bei der Credit Suisse als Leiter Institutional Credit Research & Strategic Finance Advice, bei Holcim als Investor-Relations-Manager und Ratingberater, sowie bei Deloitte als Leiter Debt & Capital Advisory Schweiz. Seine Sektorerfahrung umfasst u.a. Baumaterialien, Industriegüter, Konsumgüter, Medizinaltechnik, Chemie, Transport, Automobil sowie Finanzdienstleister. Feigls Motto lautet: «Carpe diem noctemque», also «nutze den Tag und die Nacht»: Gerade im aktuellen Umfeld sei es zentral, für die Kunden innerhalb kurzer Zeit kritische Finanzierungs- und Ratinglösungen sicherzustellen. INTERVIEW https://themarket.ch/interview/im-markt-fuer-anleihen-im-segment-bbb-herrscht-grosse-unsicherheit-ld.1910 Seite 10 von 11
Sie können auch lesen