Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit - Eidgenössische Volkszählung 1990
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Eidgenössische Volkszählung 1990 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit Bundesamt für Statistik Office federal de la statistique Ufficio federale di statistica Uffizi federal da statistica Bern, 1995
Statistik der Schweiz Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) herausgegebene Reihe «Statistik der Schweiz» gliedert sich in folgende Fachbereiche: 0 Bereichsübergreifende Themen 10 Tourismus 1 Bevölkerung 11 Verkehr und Nachrichtenwesen 2 Raum, Landschaft und Umwett 12 Geldmenge, Finanzmärkte und Banken 3 Erwerbsleben 13 Soziale Sicherheit und Versicherungen 4 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 14 Gesundheit 5 Preise 15 Bildung und Wissenschaft 6 Produktion, Handel und Verbrauch 16 Kultur, Lebensbedingungen und Sport 7 Land- und Forstwirtschaft 17 Politik 8 Energie 18 Öffentliche Finanzen 9 Bau- und Wohnungswesen 19 Rechtspflege
Eidgenössische Volkszählung 1990 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit George Sheldon Bundesamt für Statistik Office federal de la statistique Ufficio federale di statistica Uffizi federal da statistica Bern, 1995 BFS OFS UST
Herausgeben Bundesamt für Statistik (BFS) Autor George Sheldon Auskunft Auskunftsdienst Volkszählung, Tel. 031 / 322 88 79 Bearbeitung: Sektion Bevölkerungs- und Haushaltsstruktur, BFS Vertrieb: Bundesamt für Statistik CH-3003 Bern Tel. 031 / 323 60 60 Bestellnummer: 001-9071 Preis: Fr. 11- Reihe: Statistik der Schweiz Fachbereich: 15 Bildung und Wissenschaft Originaltext: Deutsch Copyright: BFS, Bern 1995 Abdruck - ausser für kommerzielle Nutzung - unter Angabe der Quelle gestattet. ISBN: 3-303-15129-6
Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 Biographie des Autors 6 Zusammenfassung 7 Nsumi. 9 Einleitung 11 Methodisches Vorgehen 15 Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen 25 Teilarbeitsmarktliche Ungleichgewichte 37 Ausmass der beruflichen Mobilität der Erwerbstätigen 43 Beziehung zwischen Qualifikation und Tätigkeit 51 Flexibilität der Ausbildungen und Berufe 55 Schlussbetrachtung 63 Literaturnachweis 67 Anhang 69
Vorwort Die Volkszählung ist seit ihrer Einführung 1850 das «kollektive Gedächt- nis» des Schweizerischen Bundesstaates. Allerdings wurden die Daten in früheren Jahren aufgrund ihrer grossen Menge und ihrer erschwerten Zugänglichkeit nicht immer genügend ausgewertet. Die modernen Informa- tikmittel erleichtern den Datenzugriff und die statistischen Auswertungen. Forscher und Statistiker haben sich im Anschluss an die Volkszählung 1990 zusammengeschlossen, um aus der Sicht verschiedener Disziplinen aktuelle Forschungsfragen zu untersuchen, die auch Impulse für die politische Dis- kussion zu leisten vermögen. Das Bundesamt für Statistik übernahm die Datenaufbereitung, es ist zuständig für die Koordination der Forschungen und die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Die Autoren zeichnen verantwortlich für Inhalt und Form der Beiträge, wobei Wert gelegt wird auf eine leicht verständliche Präsentation. Veröffentlicht werden Forschungsergebnisse zu den Themenbereichen Bevölkerungsstruktur, Haushalte und Familien, Wohnen, Sprachen, Konfessionen, Mobilität, Enverbsleben, Ausbildung und Beruf. Im vorliegenden Bericht über die berufliche Flexibilität wird der Zu- sammenhang zwischen erlerntem und ausgeübtem Beruf untersucht. Der Vergleich zwischen der Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen und der Berufsstruktur der von ihnen besetzten Arbeitsplätze ermöglicht eine Ana- lyse, wie weit die Ausbildungen den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ent- sprechen und welche Entwicklung in dieser Hinsicht von 1970 bis 1990 eingetreten ist. Die Eidgenössische Volkszählung, die Informationen zum erlernten und zum ausgeübten Beruf vermittelt, ist eine besonders interessante Quelle für Studien zur Erwerbstätigkeit, da sie den sozialen und wirtschaftlichen Wandel in den vergangenen Jahrzehnten detailliert nach- vollziehen lässt. Dem Autor, Herrn Dr. George Sheldon, gilt ein herzlicher Dank für die anregende und intensive Zusammenarbeit. Ein besonderer Dank geht an Herrn Urs Meier für die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit auf der Seite des BFS. Bundesamt für Statistik Abteilung Bevölkerung und Beschäftigung Dr. Werner Haug
Biographie des Autors George Sheldon wurde 1948 in den USA geboren. Studium am Dartmouth College (USA) und an der Albert-Ludwigs-Universität (Freiburg im Breisgau) im Fach Germanistik; Bachelor of Arts 1970. Studium an der Albert-Ludwigs-Universität im Fach Nationalökonomie; Diplom-Volkswirt 1975, Promotion 1983. Habilitation 1988 an der Universität Basel. Privatdozent und Stv. Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomik (FAI) an der Universität Basel. Verfasser zahlreicher wirtschaftswissenschaftlicher Studien über den Arbeitsmarkt der Schweiz.
Zusammenfassung Die berufliche Flexibilität handelt von der Möglichkeit und Bereit- schaft einerseits der Arbeitnehmer, mit gegebenen Qualifikationen unter- schiedliche Berufe auszuüben, sowie andererseits der Arbeitgeber, gege- bene berufliche Tätigkeiten von unterschiedlich Qualifizierten ausüben zu lassen. Ein hoher Grad der beruflichen Flexibilität unterstützt den Aus- gleich zwischen der Qualifikationsstruktur des Arbeitskräfteangebots und dem Anforderungsprofil des Arbeitsstellenangebots. Die vorliegende Studie beschreibt die seit 1970 eingetretenen Verände- rungen der Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen sowie der Berufs- struktur der von ihnen besetzten Arbeitsplätze. Sie untersucht, wie sich allfällige Veränderungen beider Strukturen auf den Grad ihrer Überein- stimmung ausgewirkt haben. Ferner analysiert die Untersuchung die Auswirkung wechselnder Grade der Übereinstimmung auf das Ausmass der beruflichen Flexibilität. Im weiteren erforscht sie, wie die berufliche Flexibilität die Strenge der Beziehung zwischen beruflichen Qualifikatio- nen und Tätigkeiten beeinflusst hat. Die Resultate weisen auf eine wachsende Diskrepanz zwischen der sek- toralen Orientierung der beruflichen Qualifikationen der Erwerbstätigen und der sektoralen Ausrichtung ihrer Beschäftigungen hin: Während 1970 der Anteil an Erwerbstätigen mit einer dienstleistungsorientierten Berufs- qualifikation dem Anteil an Erwerbstätigen mit einer Dienstleistungstätig- keit in etwa entsprach, unterschritt 1990 der Anteil der Dienstleistungs- qualifizierten den Anteil der Dienstleistungsbeschäftigten um fast 20%. Das wachsende Ungleichgewicht zwischen der sektoralen Ausrichtung der Qualifikationen und Tätigkeiten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt wird durch steigende berufliche Flexibilität aufgefangen: Knapp 40% aller Erwerbstätigen übten 1970 einen anderen als ihren erlernten Beruf aus. Demgegenüber traf dies 1990 auf rund die Hälfte aller Erwerbstätigen zu. Ein Abgang aus dem erlernten Beruf wird in der Regel vor dem Erreichen des 35. Lebensjahres vollzogen.
8 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen Das Ausmass der beruflichen Flexibilität variiert auch nach Ge- schlecht, Heimat und Wohnort. Doch dies ist eher die Folge einer unter- schiedlich «marktgerechten» Qualifikation als das Resultat einer unter- schiedlich hohen Flexibilitätsneigung. Die gestiegene berufliche Flexibilität der Erwerbstätigen hat die Bezie- hung zwischen der beruflichen Qualifikation eines Erwerbstätigen und dessen beruflicher Tätigkeit spürbar gelockert. Immer weniger bestimmt die formale Berufsausbildung das spätere Tätigkeitsfeld. Dies gilt vor allem hinsichtlich der fachspezifischen Bildungsinhalte und weniger in bezug auf das Niveau der Qualifikationen. Bestrebungen in der Bildungs- politik, verstärkt fachrichtungsübergreifende Qualifikationen zu vermit- teln, finden im Beitrag empirische Unterstützung. Insgesamt zeugen die Resultate von einer hohen und wachsenden be- ruflichen Flexibilität der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Schweiz. Das hohe Mass an Flexibilität hat sicherlich zum in der Vergangenheit niedrigen Niveau der Arbeitslosigkeit hierzulande beigetragen. Ob das Ausmass der beruflichen Flexibilität auch in Zukunft dazu ausreichen wird, lässt sich anhand der Ergebnisse nicht feststellen.
Rjsumj Selon que l'on considere le cas de l'employe ou celui de l'employeur, la mobilite professionnelle se definit difftremment: pour le premier, c'est 'etre capable, avec des qualifications donf'Wes, d'exercer des professions differentes et 'etre dispose ä le faire; pour le second, c'est confier des activit& professionnelles donnes ci des personnes ayant des qualifications differentes. Lorsque la mobilite professionnelle est elle contribue ä rüablir l'equilibre entre la structure des qualifications de la population active et les exigences attacUes aux emplois mis sur le marcN. La pr&ente etude decrit les changements structurels intervenus depuis 1970 dans la formation des actifs occup& et dans les caract&istiques professionnelles des emplois qu'ils occupent. Elle analyse les rel9ercussions de tels changements sur le degr d'ad4ziation qu ill peilt y avoir entre la formation et la profession exerce et montre les effets de degr& d'adquation diffrents sirr la mobilite professionnelle. Elle etudie encore dans quelle mesure la mobilite professionnelle a rendu la relation entre les qualifications professionnelles et les activit& exerces plus leiche ou, au contraire, plus rigide. 11 ressort de cette etude que les individus occupent de plus en plus des emplois dans des secteurs auxquels leur formation ne les predestinait pas: en 1970, la proportion d'actifs occup& ayant une formation relevant du tertiaire correspondait ci peu pr.s ä la proportion d'actifs occup& travaillant dans ce secteur; vingt ans plus tard, la premiere i•tait inftrieure de pr& de 20% ä la seconde. Le desequilibre croissant entre la formation acquise et l'activite exerdv est compense par une mobilite professionnelle plus grande. A peine 40% des actifs occupes exemaient en 1970 un autre melier que celui qu'ils avaient appris. En 1990, cette proportion est passe ä 50% environ. En regle gMerale, l'abandon du premier mMer appris se avant d'avoir atteint 35 ans.
10 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen 8F5 OFS OST La mobilite professionnelle varie aussi en fonction du sexe, de la nationalite et du domicile. Mais cela tient plus ä un niveau de qualification de l'individu plus ou moins adapte au marche qu'ä sa propension plus ou moins grande ä la mobilite. L'accroissement de la mobilite professionnelle a sensiblement distendu les liens qui existaient entre la formation acquise et l'activite professionnelle exercee. Cette formation tend de moins en moins ä conditionner le champ d'activite flattre. Cela vaut en particulier pour les specialisations, plus que pour le niveau m2me des qualifications. Les efforts qui sont entrepris, sur le plan politique, en faveur dune plus grande interdisciplinarite des formations se voient confirmes par les donnees empiriques presentees ici. Les resultats de cette etude revlent que la mobilite professionnelle est elevee en Suisse et quelle augmente encore. Cette forte mobilite a sarement contribue dans le passe ä maintenir le chömage ä un niveau bas, mais la presente etude ne pennet pas de dire si cela sera aussi possible ä l'avenir.
Einleitung Die berufliche Flexibilität befasst sich mit der Frage nach den unter- schiedlichen Zuordnungsmöglichkeiten zwischen beruflichen Qualifikatio- nen und beruflichen Tätigkeiten. Die Problematik lässt sich von zwei Seiten betrachten: einerseits vom Standpunkt einer Qualifikation (Aus- bildung) bzw. des Arbeitnehmers und andererseits aus dem Blickwinkel einer Tätigkeit (Beruf) bzw. des Arbeitgebers (Arbeitsstelle). Im ersten Fall spricht man nach dem Begriffsapparat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg von beruflicher Mobilität (Arbeitnehmeroptik) und im zweiten Fall von beruf- licher Substitution (Arbeitgebersicht). Die berufliche Mobilität behandelt die Frage nach der Möglichkeit bzw. Bereitschaft der Arbeitskräfte, bei fehlenden oder unattraktiven Anstellungsmöglichkeiten in ihrem ange- stammten Beruf auf andere Tätigkeiten auszuweichen, d.h. von einem Beruf auf einen anderen zu wechseln (daher berufliche Mobilität). Bei der beruflichen Substitution geht es dagegen um die Frage nach der Möglich- keit und der Bereitschaft der Arbeitgeber, im Falle eines auftretenden Mangels an Stellenbewerbern mit der gesuchten Qualifikation auf Arbeitskräfte anderer Fachrichtungen zurückzugreifen, d.h. eine Qualifi- kation gegen eine andere zu substituieren (deshalb berufliche Substitu- tion). Das Interesse am Umfang der Flexibilität hierzulande speist sich aus verschiedenen Quellen. Zum einen interessiert sich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitiker dafür. Ein rigides, von Gewohnheiten geprägtes Verhalten der Arbeitsmarktteilnehmer verzögert den wirtschaftlichen Erneuerungsprozess, hält die berufliche Strukturbereinigung auf und gefährdet das Wachstums- und Vollbeschäftigungsziel. Auch der Berufs- berater kann sich dieser Fragestellung kaum entziehen, denn er muss Jugendliche über die Beschäftigungsaussichten unterschiedlicher Bil- dungswege informieren. Ein wesentlicher Faktor, der über den späteren Anstellungserfolg des einzelnen entscheidet, dürfte die Anzahl von Tätig- keiten sein, zu denen eine bestimmte Berufsausbildung ihren Absolventen Zugang verschafft. Die berufliche Einmündungsbreite einer Berufsausbil- dung kann aber auch zum Anlass genommen werden, die Differenzierung
12 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen der Ausbildungsreglemente und Curricula kritisch zu überprüfen. Sowohl enge als auch sehr breite berufliche Einmündungsbereiche können pro- blematisch sein. Hier ist der Bildungspolitiker angesprochen. Der vorliegende Beitrag liefert Ergebnisse über das Ausmass und die Struktur der beruflichen Flexibilität in der Schweiz auf der Grundlage der Eidgenössischen Volkszählungen der Jahre 1970, 1980 und 1990.' Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Das zweite Kapitel skizziert das methodische Vorgehen bei der Untersuchung. Dabei werden sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen des gewählten Verfahrens aufgezeigt. Volkszählungsdaten eignen sich nicht in jeder Hinsicht für die empirische Analyse der beruflichen Flexibilität. Die Gründe, woran dies liegt, werden im zweiten Kapitel ebenfalls erläutert. Das dritte Kapitel untersucht die seit 1970 eingetretenen Verände- rungen der Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen und der Berufsstruk- tur der Arbeitsstellen. Verschiebungen der Ausbildungs- und Berufsstruk- turen können zu Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt führen, die den Bedarf an beruflicher Flexibilität erhöhen. Ob solche Diskrepanzen zwischen der Ausbildungsstruktur der Arbeitskräfte und den Qualifika- tionsanforderungen der Arbeitsstellen seit 1970 verstärkt in Erscheinung getreten sind., wird im Kapitel «Teilarbeitsmarktliche Ungleichgewichte» überprüft. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der beruflichen Mobilität. Es wird untersucht, wie sich allfällige Diskrepanzen zwischen den Qualifikationen der Erwerbstätigen und den Anforderungen der Arbeitsstellen in der Ver- gangenheit auf die berufliche Mobilität der Arbeitnehmer ausgewirkt haben. I Der Verfasser dankt Herrn Dipl. Vw. Roland Theiss, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der FAI die Datenharmonisierung und die Grossrechnerberechnungen, auf die sich die Studie stützt, vorgenommen hat. Für kritische Anmerkungen gebührt Herrn M. Buscher und Herrn U. Meier sowie Frau D. Spahn von der Sektion Bevölkerungs- und Haushaltsstruktur des Bundesamts für Statistik ebenfalls unser Dank. Verbleibende Mängel gehen zu Lasten des Verfassers.
Einleitung 13 Veränderungen der beruflichen Mobilität beeinflussen ihrerseits die Beziehung zwischen beruflicher Qualifikation und beruflicher Tätigkeit. Sie können den Zusammenhang stärken oder lockern. Im Kapitel «Beziehung zwischen Qualifikation und Tätigkeit» wird erforscht, ob die Berufsausbildung eines Individuums für seine spätere berufliche Lauf- bahn immer gleichermassen bestimmend war. Im Zuge des wirtschaftlichen und technologischen Wandels erweisen sich Ausbildungen und Tätigkeiten im Hinblick auf ihre Fähigkeit zur Anpassung an eine veränderte Arbeitsmarktlage als unterschiedlich gün- stig. Im Kapitel «Flexibilität der Ausbildungen und Berufe» wird geprüft, welche Ausbildungen und Berufe gute bzw. schlechte Voraussetzungen bieten, um einen Ausgleich zwischen Stellenangebot und Stellennachfrage herbeizuführen. Das Schlusskapitel fasst die Ergebnisse zusammen und zieht Bilanz.
Methodisches Vorgehen Ausbildungs-Berufs(AB)-Matrix Das methodische Instrumentarium zur empirischen Erforschung der beruflichen Flexibilität mit Hilfe von Volkszählungsdaten besteht aus der statistischen Auswertung sogenannter Ausbildungs-Berufs(AB)-Matrizen (Grafik 1), welche die höchsten erlernten Berufe (Ausbildung) und die zur Zeit der Volkszählung ausgeübten Berufe (Beruf) der Erwerbstätigen' kreuztabellieren. Die Auswertung von AB-Matrizen bildet seit Jahren den methodischen Mittelpunkt der empirischen Flexibilitätsforschung im deutschsprachigen Raum. Für die Schweiz haben früher Leibundgut (1986) und Sheldon (1985) umfassende Studien dieser Art vorgelegt. Grafik 1: Eine stilisierte AB-Matrix Berufskategorien c w • z._ o c o 0)) °) (-0 . E C» CA c 0 m w ZD 772 NI cr, z < Spaltensummen © Bundesamt für Statistik 2 Im folgenden werden Erwerbstätige als 15-64jährige Personen verstanden, die am Volkszählungs- stichtag in der Schweiz wohnhaft waren und folglich von der Volkszählung erfasst wurden. Grenz- gänger bleiben somit unberücksichtigt. Die Personen müssen zudem für mindestens sechs Stunden in der Woche einer bezahlten Arbeit nachgegangen sein und sich in keiner formalen Ausbildung (einschliesslich Lehre) befunden haben, um in der vorliegenden Studie als Erwerbstätige gezählt zu werden. Bei der Volkszählung 1990 umfasste die so definierte Erwerbstätigenzahl 3252'528 Perso- nen.
Adi %11111 16 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen SFS OFS UST Die Zeilen einer AB-Matrix stellen unterschiedliche Ausbildungen dar, die Spalten unterschiedliche Berufe. Aus der Zeilensicht der Matrix wird erkennbar, wieviele Erwerbstätige einer gegebenen Qualifikation welche Berufe am Stichtag der Eidgenössischen Volkszählung ausübten. Aus der Spaltensicht hingegen wird ersichtlich, mit wievielen Personen welcher Qualifikationen Arbeitsplätze einer gegebenen Berufskategorie besetzt waren. Die letzte Spalte der Matrix, die sich aus den Zeilensummen zu- sammensetzt, gibt die Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen wieder, während die unterste Zeile, welche Spaltensummen enthält, die Berufs- struktur der besetzten Arbeitsplätze' widerspiegelt. Messung der Flexibilität Die Messung der beruflichen Flexibilität auf der Basis einer AB-Ma- trix beruht im Grunde auf einer Analyse der Struktur der Feldbesetzungen in der Matrix. Bestünde z.B. eine starre, eindeutige Beziehung zwischen Ausbildung und Beruf, d.h. könnten Erwerbstätige einer gegebenen Be- rufsqualifikation nur einen einzigen Beruf ausüben, und liessen sich um- gekehrt alle Stellen ausschliesslich von Personen der entsprechenden Qualifikation besetzen, was dem Fall vollkommener Inflexibilität entsprä- che, würde sich dies in einer AB-Matrix dadurch äussern, dass jede Zeile und jede Spalte der Matrix nur ein einziges Nichtnullelement enthielte. In diesem Fall würde sich nach entsprechender Anordnung der Zeilen und Spalten eine Diagonalmatrix ergeben.4 Wäre die berufliche Flexibilität dagegen vollkommen, d.h. bestünde kein Zusammenhang zwischen dem erlernten und dem ausgeübten Beruf, müsste die grosse Mehrzahl der Matrixfelder besetzt sein. An dem Ausmass, in dem eine empirische AB-Matrix dem einen oder dem anderen Extremfall ähnelt, wird der Grad der beruflichen Flexibilität 3 Sieht man von Mehrfachbeschäftigungen, geringfügigen Beschäftigungen (unter sechs Wochen- • stunden), beschäftigten Rentnern und Grenzgängern ab, entspricht die Zahl der Erwerbstätigen gemäss Fussnote 2 der Gesamtzahl der besetzten Stellen. 4 Bei einer Diagonalmatrix sind nur die Felder auf der Hauptdiagonale, die sich vom oberen linken bis zum unteren rechten Feld der Matrix erstreckt, besetzt.
BFS OF, UST Methodisches rorgehen 17 gemessen. Die Optik kann sich auch auf eine einzelne Zeile bzw. Spalte der Matrix beschränken. In diesem Fall bezieht sich die gemessene beruf- liche Flexibilität auf eine einzelne Qualifikation (Zeile) bzw. Tätigkeit (Spalte). Auswirkungen der Kategorienabgrenzung Das Ausmass der auf diese Weise gemessenen beruflichen Flexibilität hängt naturgemäss von den Ausbildungs- und Berufskategorien ab, wel- che die AB-Matrix aufspannen. Im allgemeinen gilt: Je enger die Ausbil- dungs- bzw. Berufskategorien abgegrenzt werden, desto grösser ist das errechnete Ausmass der beruflichen Flexibilität, da ein enger Kategorien- raster mehr Zuordnungsmöglichkeiten zwischen Ausbildungen und Beru- fen bietet als ein breiter. Die Kategorienabgrenzung kann aber auch auf andere Weise einen Einfluss auf die Ergebnisse ausüben: Zum einen können die Kategorien so definiert werden, dass berufliche Flexibilität faktisch nicht vorkommen kann. Dies geschieht vor allem dann, wenn bei der Kategorienabgrenzung Ausbildungs- und Berufsele- mente vermischt werden. Berufe sind stellenbezogen. Demzufolge sollte sich ihre Abgrenzung ausschliesslich auf Charakteristiken von Tätigkeiten abstützen. Ausbildungen sind demgegenüber arbeitskräftegebunden. Dem- entsprechend sollte ihre Definition auf Qualifikationselementen beruhen.' Wenn dieser Grundsatz durchbrochen wird, wozu der gängige Begriff «erlernter Beruf» auch verleitet, besteht u.a. die Gefahr, beispielsweise Berufe abzugrenzen, die definitorisch nur Personen einer bestimmten Qualifikation ausüben können bzw. die von vornherein ausschliessen, dass anders Qualifizierte jemals in diese Berufe überwechseln. Die Bezeich- nung «Akademikerberuf» ist dafür ein Paradebeispiel. In diesem Fall wird eine Tätigkeit statt durch die Art der Beschäftigung durch die Qualifika- tion des Stelleninhabers definiert. 5 Aufgrund der Stellenverbundenheit von Berufen und der Arbeitskräfteverbundenheit von Ausbildun- gen wird die Verwendung des Begriffspaares «erlernter Beruf» und «ausgeübter Beruf» im folgenden möglichst vermieden. Statt dessen wird im ersten Fall von Ausbildung oder Qualifikation und im zweiten Fall von Beruf oder Tätigkeit gesprochen.
18 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen BFS OFS UST Die Systematik der persönlichen Berufe 1990 enthält einige Berufska- tegorien, die eine Vermischung von Ausbildungs- und Berufselementen andeuten. Die Kategorie «Berufe der Wirtschaftswissenschaften» bei- spielsweise signalisiert, dass es sich hierbei um Tätigkeiten handelt, die Volkswirte mit Hochschulabschluss ausüben. Streng angewandt hat eine solche Bezeichnung zur Folge, dass HVVV-Absolventen diesen Beruf schon definitorisch nicht ausüben können. Eine berufliche Substitution zwischen Erwerbstätigen dieser Qualifikationen wäre in diesem Fall nie zu beobachten. Andererseits kann die Kategorienabgrenzung das Ausmass der berufli- chen Flexibilität künstlich erhöhen. Werden sehr ungleiche Qualifikatio- nen und Tätigkeiten zu Ausbildungs- bzw. Berufskategorien zusammenge- fasst, hat dies zur Folge, dass sich alleine aufgrund der heterogenen Zu- sammensetzung der Kategorien eine Vielzahl von Zuordnungen bzw. Allokationsbeziehungen zwischen den Ausbildungen und Berufen ergibt. Völlig in sich homogene Ausbildungs- und Berufskategorien sind indes praktisch kaum erstellbar. Dies liegt vor allem darin begründet, dass sich Qualifikationen und Tätigkeiten prinzipiell nach einer Vielzahl verschie- dener Merkmalsdimensionen charakterisieren lassen. Ein objektives bzw. allgemein akzeptiertes Kriterium, das besagt, welche Merkmalsdimension mit welchem Gewicht bei der Kategorienabgrenzung zu berücksichtigen ist, kann es nicht geben. Berufe beispielsweise zeichnen sich u.a. durch den funktionalen Einsatzbereich (Forschung, Einkauf, Produktion, Ver- trieb usw.), die Funktionsstufe (Hilfsarbeiter, Facharbeiter, Meister, Ka- der usw.), die Art der Tätigkeit (Herstellen, Überwachen, Reparieren usw.) und das Arbeitsmittel (Handarbeit, Maschinen, Automat, Roboter usw.) aus. In der Praxis werden die verschiedenen Merkmalsdimensionen nicht gleichzeitig, sondern vielfach alternativ angewandt. So unterscheidet die Berufssystematik der Volkszählung 1990 gleichermassen (d.h. auf der
BFS OFS UST Methodisches Vorgehen 19 gleichen Aggregationsebene) 6 zwischen Einkäufern und Verkäufern (Unterscheidungskriterium: Einsatzbereich), Direktoren und mittlerem Kader (Funktionsstufe), Berufen der Metallerzeugung und solchen der Metallverarbeitung (Art der Tätigkeit) sowie zwischen Kranführern und Schiffsführern (Arbeitsmittel). Ein solches Vorgehen mag sachlich richtig sein. Es hat aber den Nach- teil, dass die Abgrenzung der Ausbildungen bzw. Berufe der amtlichen Systematik auf unterschiedlichen Merkmalsdimensionen beruht. Der Grad der Unähnlichkeit zwischen den Kategorien lässt sich aufgrund von deren Mehrdimensionalität nicht objektiv bestimmen. Aus diesem Grund muss im folgenden auf eine Unterscheidung zwischen ausbildungs- bzw. be- rufsnahen und -fernen Kategorienwechseln weitgehend verzichtet werden. Die berufliche Flexibilitätsforschung erfordert indes keineswegs merk- malshomogene Kategorien. Nach den Belangen der Flexibilitätsforschung kommt es nicht in erster Linie auf die innere Merkmalshomogenität der Kategorien an, sondern auf den relativen Grad der Bewegungsfreiheit in und zwischen den Kategorien. Im Idealfall sollten Wechsel beispielsweise zwischen Arbeitsstellen der gleichen Berufsgruppe (Dreistellerkategorie) einfacher zu vollziehen sein als solche zwischen Arbeitsplätzen unter- schiedlicher Berufsgruppen. Diesen Grundsatz befolgen die Kategorien der amtlichen Berufssystematik nur zum Teil. Beispielsweise werden die Stellen von Ärzten und Arztgehilfen einerseits und jene von Zahnärzten und Zahnarztgehilfen andererseits zu jeweils einer Berufsgruppe zusam- mengefasst, obwohl der Wechsel von einer Arztgehilfenstelle auf eine Zahnarztgehilfenstelle sich wesentlich einfacher gestalten dürfte als der Wechsel von einer Gehilfenstelle auf eine Arztstelle.' 6 Die amtliche Ausbildungs- und Berufssystematik («Systematik der persönlichen Berufe 1990») ist hierarchisch aufgebaut. Auf jeder Stufe werden die Kategorien der darunterliegenden Aggregations- ebene zu immer grösseren, heterogenen Klassen zusammengefasst. Bei den hier betrachteten Berufen handelt es sich um sogenannte Berufsarten, die aufgrund ihrer Codelänge auch Fünfsteller genannt werden. Die Berufssystematik unterscheidet zwischen 388 Berufsarten, die auf der darüberliegenden Aggregationsebene zu 87 sogenannten Berufsgruppen bzw. Dreistellern und auf der obersten Ebene zu drei sogenannten Berufsabteilungen bzw. Einstellern zusammengefasst werden. Vgl. hierzu den Anhang zu diesem Band. 7 Dank der weiteren Unterteilung der Berufsgruppen in Berufsarten liesse sich die im Rahmen der Berufssystematik vorgenommene Aggregation nachträglich korrigieren.
IuI 20 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen BFS OFS UST Alle Untersuchungen der beruflichen Flexibilität leiden unter Proble- men bei der Kategorienabgrenzung. Sie lassen sich auch kaum vermeiden. Im allgemeinen dominieren sie aber nicht derart, dass an der allgemeinen Aussagekraft solcher Studien zu zweifeln ist. Sie sollten bei der Betrach- tung von Einzelresultaten jedoch stets bedacht werden. Auswirkungen von Arbeitsmarktungleichgewichten Das auf der Basis einer AB-Matrixauswertung ermittelte Ausmass der beruflichen Flexibilität wird nicht nur vom verwendeten Kategoriensystem tangiert, sondern auch von den relativen Knappheitsverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt. Im allgemeinen ist davon auszugehen, dass Arbeitgeber erst dann auf Arbeitskräfte anderer Qualifikationen zurückgreifen, wenn Stel- lenbewerber der traditionell geforderten Qualifikation zu den herrschenden Marktbedingungen nicht zu finden sind, d.h. wenn ein Stellenüberhang auf dem betreffenden Teilmarkt herrscht. Umgekehrt werden Arbeitnehmer in der Regel erst dann auf andere Tätigkeitsfelder ausweichen, wenn Anstel- lungsmöglichkeiten in ihrem angestammten Beruf fehlen, d.h. wenn ein Stellenmangel besteht. Dies hat zur Folge, dass ein Stellenüberhang (Stellenmangel) das beobachtete Rekrutierungsfeld des betreffenden Berufs bzw. die entsprechende Spaltenverteilung in einer AB-Matrix ver- grössert (verkleinert). Gleichzeitig verkleinert (vergrössert) er das beobachtete berufliche Einmündungsgebiet der diesem Beruf nahestehen- den Ausbildung bzw. die entsprechende Zeilenverteilung in der AB-Ma- trix, da eine Abwanderung in ein anderes Tätigkeitsfeld aufgrund der in diesem Fall herrschenden relativen Knappheitsverhältnisse unattraktiv (attraktiv) erscheint. Sind auf einem beruflichen Teilmarkt jedoch seit langem keine starken Ungleichgewichte aufgetreten, könnte das auf der Grundlage einer AB- Matrix ermittelte Angebot an Flexibilitätsmöglichkeiten bei den betreffen- den Ausbildungen und Berufen kleiner erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. In diesem Fall verleiten fehlende Feldbesetzungen in der Matrix zu falschen Schlüssen über das wahre Ausmass des Flexibilitätspotentials.
Methodisches Vorgehen 21 Andererseits können beobachtete Zuordnungen zwischen Ausbildungen und Berufen das tatsächlich vorhandene Flexibilitätspotential überschät- zen, und zwar etwa dann, wenn die Allokationsbeziehungen vor langer Zeit entstanden sind und aufgrund inzwischen gestiegener Qualifikations- anforderungen für nachrückende Generationen nicht mehr gelten. Auf die Auswirkung arbeitsmarktlicher Knappheitsverhältnisse auf den Grad der Flexibilität wird später vertieft eingegangen. Harmonisierung der Daten der drei Volkszählungen Die vorliegende Arbeit strebt auch einen Vergleich mit Resultaten der Volkszählungen 1970 und 1980 an. Dem steht jedoch entgegen, dass sich die Ausbildungs- und Berufskategorien der amtlichen Systematik seit 1970 zum Teil stark verändert haben. Dies ist eine Folge des kontinuierli- chen Wandels der Bildungs- und Berufsinhalte, dem die Veränderungen der Klassifikation Rechnung tragen sollen. Um die Ausbildungs- bzw. Berufsangaben aus den drei Volkszählungen miteinander vergleichbar zu machen, ist es deshalb notwendig, eine Harmonisierung der Berufssyste- matiken der drei Volkszählungen vorzunehmen. Zu diesem Zweck haben wir die vom Bundesamt für Statistik dafür zur Verfügung gestellten Um- schlüsselungstabellen auf der Stufe der Fünfstellerkategorien (vgl. Fuss- note 6) der Klassifikationshierarchie der Volkszählung 1990 angewandt. Wenn die Verschiebungen der daraus resultierenden Kategorienbesetzun- gen jedoch grösser erschienen, als es aufgrund der innerhalb eines Jahr- zehnts zu erwartenden Umstrukturierung der Erwerbstätigen zu erwarten wäre, wurden Kategorien solange zusammengelegt, bis ein konsistent erscheinendes Gesamtbild der über drei Volkszählungen verlaufenden Entwicklung entstand. Fehlzuordnungen können nicht ganz ausgeschlos- sen werden. Sie dürften das Gesamtbild der Resultate jedoch nicht merk- lich verzerren. Datenbasis der Analyse Aus der von uns durchgeführten Datenharmonisierung ergab sich für jede Volkszählung eine AB-Matrix, bestehend aus 432 Ausbildungen
22 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Volkszählungen BFS OFS OST (Matrixzeilen) und 315 Berufen (Matrixspalten). Jede Matrix enthält so- mit über 120'000 Felder. Die Berufe entsprechen weitgehend den Berufs- arten (Fünfstellercodes) der Volkszählung 1990. Die Ausbildungen sind nach Niveau (Ausbildungsstufe) 8 und Fachrichtung (Fünfstellercode)9 geordnet. Sie setzen sich folgendermassen zusammen: Ausbildungsstufe 1, die Personen ohne eine abgeschlossene Schulbil- dung umfasst; Ausbildungsstufe 2, die einer obligatorischen Schulausbildung ent- spricht; 198 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 3, die in erster Linie Berufs- lehren umschliesst; 5 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 4, die neben Maturitätsab- schlüssen auch Lehrerpatente einschliesst; 122 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 5, die aus Ausbildungen besteht, die mit dem Meisterdiplom, einer Höheren Fachprüfung oder mit der Prüfung für den Eidg. Fähigkeitsausweis abgeschlossen wer- den; 15 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 6, die vornehmlich Höhere Fachschulen (HTL, HWV) einschliesst; 25 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 7, die Hochschulabschlüsse darstellt; 59 Fachrichtungen der Ausbildungsstufe 8, die Ausbildungen umfasst, die nicht in den gängigen Bildungsraster passen. Die AB-Matrizen auf der Fünfstellerebene wurden gemäss den ersten drei Ziffern sowie der ersten Ziffer ihres fünfstelligen Codes und im Ein- klang mit der amtlichen Systematik auf der Stufe von Dreistellerkatego- rien (Berufsgruppen) bzw. von Einstellerkategorien (Berufsabteilungen) aggregiert und ebenfalls ausgewertet. Die nachfolgenden Resultate beru- hen auf Auswertungen auf allen drei Aggregationsebenen. 8 Die Volkszählung 1990 unterscheidet acht Ausbildungsstufen, an denen sich die vorliegende Studie ebenfalls orientiert. Vgl. hierzu den Anhang zu diesem Band. 9 Die Volkszählung 1990 verwendet die gleichen Codes für Tätigkeiten (Berufe) und Fachrichtungen.
"Isdl OFS OFS UST Methodisches Vorgehen 23 Nicht berücksichtigt in der Analyse werden Erwerbstätige ohne ein- deutige Angaben zur Ausbildung (sowohl Ausbildungsstufe als auch Fachrichtung) und/oder zum Beruf. Die Zahl der auswertbaren Fälle re- duzierte sich 1970 und 1980 dadurch um etwa 7%, im Jahre 1990 dage- gen um fast 16%. Die höhere Ausfallquote 1990 ist vor allem auf unklare Angaben zum Beruf (vielfach Antworten wie «Angestellter» oder «Arbeiter») zurückzuführen. Welche Auswirkung die höhere Ausfallquote auf unsere Ergebnisse hat, bleibt unbekannt.
Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen Die berufliche Flexibilität kann zu einem Ausgleich zwischen der Ausbildungsstruktur der Erwerbstätigen und der Berufsstruktur der Ar- beitsstellen beitragen. In einer AB-Matrix (Grafik 1) wird die Ausbil- dungsstruktur der Erwerbstätigen in der Spalte abgebildet, welche die Zeilensummen enthält, und die Berufsstruktur der Arbeitsstellen in der Zeile, welche die Spaltensummen erfasst. Im folgenden wird untersucht, inwiefern sich beide Strukturen seit 1970 verändert haben. Derartige Ver- schiebungen können zur Folge haben, dass sich die Diskrepanz zwischen der Qualifikationsstruktur der Erwerbstätigen und den Anforderungspro- filen der Arbeitsplätze vergrössert und den Bedarf an beruflicher tät dadurch erhöht. Der Frage, ob strukturelle Ungleichgewichte dieser Art zugenommen haben, wird im nächsten Kapitel nachgegan g en. Im vor- liegenden Kapitel geht es zunächst darum, Ausmass und Richtung allfäl- liger Strukturverschiebungen zu erforschen. Dabei wird die Struktur von Ausbildungen und Berufen einerseits an ihrer sektoralen und andererseits an ihrer qualifikatorischen Ausrichtung gemessen. Wir betrachten zu- nächst die sektorale Dimension der Berufe und Ausbildungen. Sektorale Ausrichtung der Tätigkeiten Aufgrund des hierarchischen Aufbaus der amtlichen Berufssvstematik besteht die Möglichkeit, die Berufe nach ihrer sektoralen Orientierung in sogenannte Berufsabteilungen (Einstellercodes) zu g liedern. Das Ergebnis einer solchen Unterteilung erscheint in Grafik 2. Wie die Grafik zu erken- nen gibt, hat seit 1970 eine zunehmende Tertiarisierung der Berufe. d.h. eine Verschiebung der ausgeübten Tätigkeiten der Erwerbstäti g en in Richtung Dienstleistungsberufe, stattgefunden. Im Jahre 1970 übten fast 40% aller Erwerbstätigen einen Beruf des sekundären Sektors aus und rund 50% einen Dienstleistungsberuf. Demgegenüber gingen ,1990 nur noch knapp 28% aller Erwerbstätigen einem Beruf des verarbeitenden Gewerbes nach und mehr als zwei Drittel einem Dienstleistungsberuf. I ° Mit dem Begriff «Beruf des Sektors» sind sektorausgerichtete Tätigkeiten gemeint und nicht -Tätig- keiten im betreffenden Sektor, die auch «sektorfremd» sein können. Demzufcee umfassen Dienstlei- stungsberufe auch Dienstleistungstätigkeiten im sekundären Sektor.
Cd 26 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit SFS OFS OST Diese Zahlen sprechen für eine gewaltige Verschiebung der Berufsstruk- tur der Arbeitsstellen seit 1970. Grafik 2: Erwerbstätige nach der sektoralen Ausrichtung des ausgeübten Berufs, 1970-1990 Berufe des Pflanzenbaus Berufe der Industrie und Dienstleistungsberufe und der Tierzucht des Gewerbes 1970 giee 1980 RB 1990 © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen Innerhalb der Berufsabteilungen verlief die Stellenentwicklung weitge- hend einheitlich. Dementsprechend hat bei fast allen Berufen des sekundä- ren Sektors die Zahl der Erwerbstätigen seit 1970 abgenommen. Ausnah- men bilden lediglich folgende Berufsgruppen:" - Berufe der Lebens- und Genussmittelprüfung (214) 12, - Berufe des Ausbaugewerbes (232), wie Maler-, Dachdecker- und Spenglertätigkeiten, - Berufe des Maschinenbaus (254), 11 Die im Text verwendeten Bezeichnungen entsprechen aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nicht immer exakt den in der «Systematik der persönlichen Berufe 1990» erscheinenden Namen. 12 Die dreistelligen Ziffern in Klammern entsprechen den Codes der sogenannten Berufsgruppen der Volkszählung 1990. Vgl. hierzu noch Fussnote 6.
▪ OFS UST BFS Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen 27 - einige technische Berufe, wie Ingenieurberufe (292), technische Zeich- nerberufe (293) und Maschinistentätigkeiten (295), sowie Berufe des Fahrzeug- und Gerätebaus bzw. -unterhalts (257), die vor allem Automechaniker-Tätigkeiten einschliesst. Demgegenüber hat die Beschäftigung bei einem Grossteil der Dienst- leistungsberufe zugenommen. Nur bei vier Berufsgruppen war eine gegen- läufige Entwicklung festzustellen: - Berufe des Schienen- und Strassenverkehrs (341), - Berufe des Wasserverkehrs (343), - Hauswirtschaftsberufe (392) und - Berufe der öffentlichen Hygiene (412) . Dass die , Stellenentwicklung innerhalb der Berufsabteilungen (Grafik 2) weitgehend parallel verlief, ist auch daran zu erkennen, dass das Grös- senverhältnis der Berufsgruppen innerhalb der Berufsabteilungen zwi- schen den Volkszählungen praktisch unverändert blieb. Nach Massgabe der Rangkorrelationskoeffizienten'' hat sich die Grössenhierarchie der Berufsgruppen innerhalb der Berufsabteilungen seit 1970 lediglich um 10% verändert. Zu den am häufigsten ausgeübten Berufen der Industrie und des Ge- werbes (Tabelle 1) zählen nach wie vor die Bauberufe (231, 232) und die Berufe des Maschinenbaus (254) . Allein auf die fünf bedeutendsten Be- rufsgruppen des sekundären Sektors entfallen 14,9% aller Erwerbstätigen bzw. 53,4% (= 14,9/27,9) aller in dieser Berufsabteilung Erwerbstätigen. 13 Der Rangkorrelationskoeffizient vergleicht die Position von Objekten (hier Berufsgruppen) in zwei gleich langen Ranghierarchien (in diesem Fall jene von 1970 und 1990).
28 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit BFS CFS USI Tabelle 1: Erwerbstätige nach den am häufigsten ausgeübten Produktions- und Dienstleistungsberufen 1990, in Prozent Am häufigsten ausgeübte Produktions-Anteil an der und Dienstleistungsberufe Gesamtzahl der Erwerbs- tätigen Berufsabteilung 2 (Berufe der Industrie und des Gewerbes) 232 Berufe des Ausbaugewerbes 4,2 231 Berufe des Bauhauptgewerbes 3,3 254 Berufe des Maschinenbaus sowie -unterhalts 3,3 294 Technische Fachkräfte 2,1 291 Ingenieurberufe 2,0 Berufsabteilung 3 (Dienstleistungsberufe) 332 Kaufmännische und administrative Berufe 17,6 311 Einkäufer- und Verkäuferberufe 8,5 391 Berufe des Gastgewerbes und der Hotellerie 5,2 331 Unternehmer, Direktoren und leitende Beamte 4,2 425 Pflegeberufe 3,1 Im ganzen 53,5 Anmerkung: Erwerbstätige von 15-64 Jahren mit mindestens 6 Arbeitsstunden pro Woche, ohne Erwerbstätige in Ausbildung und ohne Arbeitskräfte mit nicht bestimmbarer Berufstätigkeit. Von den Personen mit berufsunabhängigen Ausbildungsab- schlüssen wurden einzig die Personen mit Matura erfasst. Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählung, eigene Datenharmonisierung und Berechnung Eine ähnlich hohe Konzentration ist auch unter den Dienstleistungsbe- rufen festzustellen (Tabelle 1). Dort vereinigen sich 38,6% aller besetzten Stellen bzw. 57,4% (= 38,6/67,2) aller Dienstleistungsstellen auf die fünf bedeutendsten Berufsgruppen der Dienstleistungsberufe, wobei die kauf- männischen und administrativen Berufe klar dominieren. Trotz der recht hohen Stabilität der Grössenhierarchie der Berufe ha- ben doch einige grössere Anteilsverschiebungen seit 1970 stattgefunden. Anteilsgewinne hatten unter den Berufen des sekundären Sektors (Grafik 3) einzig die Ingenieurberufe (291), Berufe des Ausbaugewerbes (232), Berufe des Maschinenbaus (254) sowie Berufe des Fahrzeug- und Gerä- tebaus bzw. -unterhalts (257) zu verzeichnen, d.h. Berufe, die 1990 oh- nehin hohe Anteile aufwiesen (Tabelle 1).
BFS OFS OST Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen 29 Grafik 3: Ausgeübte Berufe der Industrie und des Gewerbes mit einem gestiegenen bzw. stark gesunkenen Erwerbstätigen- anteil, 1970-1990 Veränderung 1970-1990 1,0 0,5 0,2 0,2 1 2 3 4 5 6 7 8 -4 Berufsgruppen: 1 Ingenieurberufe 5 Berufe der Uhrenindustrie 2 Berufe des Ausbaugewerbes 6 Berufe des Bauhauptgewerbes 3 Berufe des Maschinenbaus sowie -unterhalts 7 Berufe der Textilindustrie 4 Berufe des Fahrzeug- und Gerätebaus und -unterhalts 8 Berufe der Metallverarbeitung © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen Die Berufe des Bauhauptgewerbes (231), die ebenfalls zu den zahlen- mässig bedeutendsten des sekundären Sektors zählen, haben dagegen an Gewicht verloren (Grafik 3). Der Anteil der Stellen dieser Art an der Zahl aller besetzten Arbeitsplätze hat gegenüber 1970 um 1,7 Prozentpunkte abgenommen. Grössere Abnahmen hatten nur die Berufe der Metallverar- beitung (252, 253) und die Berufe der Textilindustrie (221, 222) vorzu- weisen. Zu den grösseren Verlierern zählen erwartungsgemäss auch die Berufe der Uhrenindustrie (256). Auch bei den Dienstleistungstätigkeiten sind deutliche Anteilsverschie- bungen zu erkennen. Zu den grössten Gewinnern (Grafik 4) zählen die kaufmännischen und administrativen Berufe (332), die Gesundheitsberufe (421-425), und bei diesen insbesondere Pflegeberufe (425), ferner die Lehrerberufe (441-447) und die Berufe der Informatik (333).
30 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit BFS OFS UST Grafik 4: Ausgeübte Dienstleistungsberufe mit einem gesunkenen bzw. stark gestiegenen Erwerbstätigenanteil, 1970-1990 5 4.1 Veränderung 1970-1990 4 • 3 O 2,1 E 2 19 2 0) 0,0 0 -0,1 -0,1 -0,4 •3 -1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 -2 Berufsgruppen: 1 Kaufmännische und administrative Berufe 7 Berufe des Wasserverkehrs 2 Unternehmer, Direktoren und leitende Beamte 8 Übrige Transport- und Verkehrsberufe, Kuriere 3 Pflegeberufe 9 Berufe des motorisierten Strassenverkehrs 4 Lehrerberufe 10 Schienen- und Seilbahnverkehr 5 Gesundheitsberufe (ausser Pflegeberufen) 11 Hauswirtschaftsberufe 6 Berufe der Informatik © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen Bei den Dienstleistungsberufen sind einzig bei den Hauswirtschaftsbe- rufen (392) und - bis auf den Luftverkehr (344) - bei allen Verkehrs- und Transportberufen (341-345) Stellenanteilsverluste zu verzeichnen. Sektorale Orientierung der Berufsqualifikationen Die Erwerbstätigen lassen sich - unabhängig von ihrer Ausbildungsstu- fe - ebenfalls nach der sektoralen Ausrichtung ihrer Berufsqualifikation gliedern (Grafik 5). Dabei ergibt sich aber ein anderes Bild als bei der Unterteilung der Erwerbstätigen nach ihrer ausgeübten Tätigkeit. Im Unterschied zur sektoralen Struktur der ausgeübten Berufe hat sich die sektorale Orientierung der höchsten abgeschlossenen Berufsausbildung seit 1970 kaum verändert. Nach wie vor weisen rund 50% aller Erwerbs- tätigen eine dienstleistungsorientierte und etwa 40% eine dem sekundären
BFS OFS UST Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen 31 Sektor zugewandte Berufsqualifikation auf. Dies deutet auf eine wach- sende Diskrepanz zwischen der sektoralen Ausrichtung der Qualifikatio- nen und Tätigkeiten hin. Grafik 5: Erwerbstätige nach der sektoralen Ausrichtung des erlernten Berufs, 1970-1990 70 60 50 0 40 ai 0) t; '2 30 c) 20 w 10 0 Fachrichtungen des Pflanzen- Fachrichtungen der Industrie Dienstleistungs- baus und der Tierzucht und des Gewerbes fachrichtungen 1970 M 1980 BI 1990 © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen Qualifikatorische Ausrichtung der Tätigkeiten Neben ihrer sektoralen Orientierung lassen sich die ausgeübten Berufe und die abgeschlossenen Ausbildungen der Erwerbstätigen auch nach dem Anforderungs- bzw. Qualifikationsniveau (Ausbildungsstufe) gliedern. Im Falle der Tätigkeiten erfolgt die Einteilung nach der höchsten
32 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit 8FS OFS UST abgeschlossenen Ausbildungsstufe, über welche die Mehrheit m der Stelleninhaber verfügt, bei den Ausbildungen gemäss der Ausbildungs- stufe des jeweiligen Abschlusses. Eine Unterteilung der Tätigkeiten nach der qualifikatorischen Orientie- rung führt zu Grafik 6. Demnach können drei grosse Gruppen von Tätig- keiten unterschieden werden: Tätigkeiten, die mehrheitlich von Ungelern- ten (Ausbildungsstufen 1 und 2) ausgeführt werden, Berufe, die haupt- sächlich Gelernte mit einer betrieblichen Berufsausbildung (Ausbildungs- stufe 3) ausüben, und schliesslich solche, denen Gelernte mit einer schu- lischen Berufsausbildung (Ausbildungsstufen 4-8) nachgehen. Die Berufe der letztgenannten Gruppe sind etwa zur Hälfte Akademi- kerberufe (Ausbildungsstufe 7). Dazu zählen nach Massgabe aller drei Volkszählungen Richter- und Rechtsanwaltsstellen (362), Medientätigkei- ten (371), Arzt- und Apothekerberufe (421-424), Lehrerstellen (441-445, 447) sowie Berufe der Sozial-(451), Geistes-(452) und Naturwissenschaf- ten (453). Zur Gruppe der Berufe, die vorwiegend Ungelernte ausüben, gehören nach Massgabe der drei Volkszählungen Berufe der Land-, Forstwirt- schaft und Tierzucht (111-115) sowie eine Vielzahl von Berufen des se- kundären Sektors, in erster Linie Berufe der Getränke- und Tabakindu- strie (212-214), der Textil- und Bekleidungsindustrie (221-223), des Bau- hauptgewerbes (231), des Bergbaus und der Stein- und Glasindustrie (241-244), der Metallindustrie (251-253), der Papier- und Holzindustrie (262-263) sowie der Kunststoffindustrie (282). Auch Maschinistentätig- keiten (295) zählen dazu. 14 Bei 87% der Berufsgruppen handelt es sich um die absolute Mehrheit, bei 13% um die relative Mehrheit.
I I BFS OFS UST Wandel der Ausbildungs- und Beru/Sstnikturen 33 Grafik 6: Erwerbstätige nach der qualifikatorischen Ausrichtung des ausgeübten Berufs, 1970-1990 70 60 50 O t-- 0 C 40 CIS 0) ZZ (13 30 Co 20 10 0 Keine Berufs- "Betriebliche" "Schulische" qualifikation Berufsausbildung Berufsausbildung 1970 en 1980 M 1990 Anmerkung: Unter der qualifikatorischen Ausrichtung des ausgeübten Berufs wird die Einteilung der beruflichen Tätigkeiten nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung der Mehrheit der Stelleninhaber in einer Berufsgruppe verstanden. Dabei werden folgende Kategorien unterschieden: Keine Berufsqualifikation : Höchste abgeschlossene Ausbildung auf den Stufen Obligatorische Schule und Keine Ausbildung "Betriebliche" Berufsausbildung: Höchste abgeschlossene Ausbildung auf der Stufe Berufsausbildung (Sekundar- stufe Il) "Schulische" Berufsausbildung : Höchste abgeschlossene Ausbildung auf den Stufen Maturitätsschule, Höhere Berufsausbildung, Höhere Fachschule, Hochschule, Universität, Andere Ausbildung © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen Die Berufe des Dienstleistungssektors sind unter den Ungelerntentätig- keiten verhältnismässig schwach vertreten. Zu nennen sind lediglich die Berufe des motorisierten Strassenverkehrs (342), des Transports (345), des Gastgewerbes (391), der Reinigung (411) und Entsorgung (412) so- wie die Hauswirtschaftsberufe (392). Da die Ungelerntentätigkeiten vielfach Branchen nahestehen, die in der Vergangenheit einen deutlichen Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen hatten (z.B. die Textil-, Metall- und Uhrenindustrien), überrascht es nicht, dass der Anteil dieser Tätigkeiten seit 1970 von 41,9% auf 26,4% stark
34 Die berufliche Flexibilität im Spiegel der Zeit BFS es UST abgenommen hat (Grafik 6). Im Gegenzug ist der Anteil der Berufe, die vornehmlich von Personen mit betrieblicher oder schulischer Berufsaus- bildung ausgeübt werden, angewachsen: von 51,8% auf 62,9% bzw. von 6,3% auf 10,7%. Dies deutet darauf hin, dass die Qualifikations- anforderungen der Arbeitsplätze in der Schweizer Wirtschaft seit 1970 deutlich angestiegen sind. Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen Die erhöhten Anforderungen der Arbeitsstellen spiegeln sich in einem gestiegenen Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen wider (Grafik 7). Seit 1970 ist der Anteil der Ungelernten (Ausbildungsstufen 1 und 2) an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von 35% auf 24,7% gefallen, während der Anteil der betrieblich (Ausbildungsstufe 3) und schulisch Ausgebilde- ten (Ausbildungsstufen 4-8) von 50,4% auf 54,7% bzw. von 14,6% auf 20,6% geklettert ist. Auffallend ist der starke Rückgang des Anteils der Ungelernten zwischen 1980 und 1990. Joye und Schuler (1995) schätzen, dass etwa die Hälfte der Abnahme auf entsprechende Veränderungen in der alters-, nationalitäten- und geschlechtsspezifischen Zusammensetzung des Erwerbstätigenbestands zurückzuführen ist. Bis auf die Ausbildungsstufen 3 und 4 vermittelt Grafik 7 ein Bild konstant ansteigender Berufsqualifikationen. Die Ausnahmen sind indes- sen vermutlich lediglich eine Folge der von uns vorgenommenen Harmo- nisierung der Angaben der drei Volkszählungen. Aufgrund einiger Um- schichtungen liegt der Anteil der Erwerbstätigen der Ausbildungsstufe 3 für das Jahr 1970 vermutlich zu hoch und für 1980 etwas zu tief. Zudem dürfte der Anteil der Erwerbstätigen der Ausbildungsstufe 4 für das Jahr 1980 etwas überschätzt sein. Vor der durchgeführten Datenharmonisie- rung nahm der Anteil der Erwerbstätigen mit Lehrabschluss von 48,6% (1970) auf zunächst 48,9% (1980) und schliesslich 53,5% (1990) konti- nuierlich zu. Demgegenüber entwickelte sich der Anteil der Erwerbstäti- gen der Ausbildungsstufe 4 unstetig: Zunächst nahm er von 3,7% (1970) auf 3,0% (1980) ab und dann wieder auf 3,5% (1990) zu.
BFS OFS UST Wandel der Ausbildungs- und Berufsstrukturen 35 Grafik 7: Erwerbstätige nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung, 1970-1990 0,5% Keine Ausbildung 0,7% 1,3% 34,5% Obligatorische :e4 34,6% Schule 23,4% "Berufslehre" ewmefer,--enem 47 19'50 4% 54,8% een: 3,7% Maturitätsschule 5,1% IM 3,5% Höhere 4,7% Berufsausbildung 7,1% Höhere 2,19'o 2,5% Fachschule 3,0% eeigi 3,6% Hochschule, Mb 4,9% Universität 1111111111111113 6,4% 1970 Andere 0,7% 1980 Ausbildung 10,5% 1111 1990 0 10 20 30 40 50 60 Erwerbstätige, in Prozent © Bundesamt für Statistik Quelle: BFS, Eidgenössische Volkszählungen
Teilarbeitsmarktliche Ungleichgewichte Die im vorigen Abschnitt dargestellten Veränderungen der Struktur der Qualifikationen und Berufstätigkeiten können zu Diskrepanzen zwischen dem Angebot an und der Nachfrage"' nach einzelnen Qualifikationen geführt haben. Im folgenden soll untersucht werden, ob die hier betrachte- ten AB-Matrizen Zeichen wachsender Ungleichgewichte der genannten Art enthalten. Entwicklung der Ausbildungs- und Berufsstrukturen der Erwerbstätigen Unterteilt man die höchsten abgeschlossenen Ausbildungen der Er- werbstätigen nach Fachrichtungen (Dreistellerniveau) und Ausbildungs- stufe, woraus sich 176 verschiedene Qualifikationskategorien ergeben, zeigt sich, dass sich die Qualifikationsstruktur der Erwerbstätigen zwi- schen 1970 und 1990 um 20,6% verändert hat bzw. dass sich die ausbil- dungsspezifischen Anteile um dieses Mass'' verschoben haben. In ähnlichem Umfang (18,2%) hat sich auch die Berufsstruktur der Arbeitsstellen auf der Dreistellerebene (85 Berufe) bewegt. Zieht man gleichzeitig in Betracht, dass beide Veränderungen in die gleiche Richtung gehen bzw. mit einem Anstieg des Qualifikationsniveaus der Erwerbstäti- gen und Arbeitsstellen verbunden sind (Grafiken 6 und 7), ist zu ver- muten, dass diese Strukturverschiebungen zu keinen gravierenden Unstimmigkeiten zwischen dem Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen und dem Anforderungsniveau der Arbeitsstellen führten. 15 Die Begriffe Angebot und Nachfrage werden nicht im streng ökonomischen Sinne als Verhaltenswei- sen verstanden, sondern als die von der Volkszählung jeweils erfasste Zahl der Erwerbstätigen (Angebot) bzw. der besetzten Arbeitsstellen (Nachfrage) verstanden. Demnach gilt global: Angebot = Nachfrage. 16 Das Mass ergibt sich aus dem Vergleich der relativen Verteilungen der Erwerbstätigen auf die 176 angesprochenen Ausbildungskategorien 1970 und 1990. Dabei werden die absoluten Veränderungen der relativen Besetzungen der Ausbildungskategorien aufsummiert und durch zwei dividiert. Das Mass gibt an, in welchem Umfang die Personen in einer der beiden Verteilungen umgeschichtet werden müssten, um eine Gleichheit zwischen beiden Verteilungen herzustellen. Unterscheiden sich zwei Verteilungen vollständig, ergibt sich ein Wert von 100%. Stimmen sie dagegen vollkommen überein, beträgt der Wert des Masses 0%. Vgl. als Zahlenbeispiel die nachfolgende Fussnote.
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