Fachkräfteengpässe in Unternehmen- KOFA-STUDIE 1/2021
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
KOFA-STUDIE 1/2021 Fachkräfteengpässe in Unternehmen – Fachkräftemangel und Nachwuchsqualifizierung im Handwerk
Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft und wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das KOFA unterstützt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden und zu qualifizieren. Folgende Angebote bietet das KOFA: Studien: Analysen zur Fachkräftesituation Vorträge und Netzwerke: Austausch mit den in Deutschland Expertinnen und Experten vor Ort Handlungsempfehlungen und Checklisten: Webinare: Weiterbildung und Austausch vom Tipps für Ihre Personalarbeit Schreibtisch aus Praxisbeispiele: Best Practice zum Nachahmen Newsletter: regelmäßige Infos über aktuelle und Weiterdenken Trends im Themenfeld Trends: Zukunftsthemen wie digitale Bildung und Führung 4.0 Mehr Informationen auf www.kofa.de E-Mail: fachkraefte@iwkoeln.de Telefon: 0221-4981-543 twitter.com/KOFA_de facebook.com/Personalarbeit linkedin.com/company/kofa-kompetenzzentrum-fachkräftesicherung
FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Inhalt Zentrale Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Begriffe und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Abgrenzung der Handwerksberufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Die Bestimmung von Fachkräfteengpässen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Der Fachkräftemangel in Handwerksberufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.1 Die Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage vor und während der Corona-Krise. . . . . . . . . . 10 3.2 Die Entwicklung des Fachkräftemangels vor und während der Corona-Krise. . . . . . . . . . . . . 14 3.3 Es fehlen sehr viele Gesellen, aber Meister sind noch schwerer zu finden. . . . . . . . . . . . . . 16 3.4 Im Süden und Nordwesten sind Handwerker besonders schwer zu finden. . . . . . . . . . . . . . 18 3.5 Handwerker fehlen besonders in den Bereichen Produktion, Fertigung und Bau. . . . . . . . . 19 4 Die Nachwuchsqualifizierung in Handwerksberufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4.1 Die Entwicklungen am Ausbildungsmarkt im Handwerk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4.2 Die Meisterausbildung in überwiegend handwerklichen Engpassberufen . . . . . . . . . . . . . . 25 5 Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5.1 Handwerksunternehmen brauchen eine vorausschauende Personalbedarfsplanung . . . . . 27 5.2 Die duale Ausbildung: der zentrale Pfeiler der Fachkräftesicherung im Handwerk. . . . . . . . 28 5.3 Geflüchtete weiter für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.4 Zeit für (digitale) betriebliche Weiterbildung nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Zentrale Ergebnisse Das Handwerk ist besonders stark vom Fachkräf- Handwerker in allen Regionen tätig sind und es anders als temangel betroffen. in einigen anderen Berufsfeldern keine starken regionalen Schwerpunkte gibt. Dennoch ist der Fachkräftemangel im Bis in das Jahr 2018 war die Arbeitskräftenachfrage im Handwerk in Bayern und Baden-Württemberg besonders Handwerk aufgrund der guten Konjunktur kontinuierlich stark ausgeprägt, beispielsweise in den bayerischen Ar- gestiegen, sodass die Zahl der Arbeitslosen immer weniger beitsagenturbezirken Ansbach-Weißenburg, Würzburg und ausreichte, um rechnerisch alle offenen Stellen besetzen Schweinfurt. In diesen Bezirken gab es im Jahr 2020 – trotz zu können. Der Anteil der offenen Stellen, für die es keine schwächelnder Konjunktur und Corona-Krise – für mehr als passend qualifizierten Arbeitslosen gibt (Stellenüber- 70 Prozent aller offenen Stellen in überwiegend handwerk- hangsquote), war dadurch deutlich gestiegen und lag in lichen Berufen keine passend qualifizierten Arbeitslosen. den überwiegend handwerklichen Berufen deutlich höher Ähnlich hohe Werte wiesen auch die niedersächsischen als in der Gesamtwirtschaft. Auch wenn die schwächere Arbeitsagenturbezirke Nordhorn und Vechta auf. Die nord- Konjunktur im Jahr 2019 und im Jahr 2020 – dann insbe- rhein-westfälischen Ballungszentren wie das Ruhrgebiet sondere die Corona-Krise – die Arbeitskräftenachfrage in und Köln sind ebenso wie Berlin oder die mitteldeutschen den meisten Berufen und auch in den Handwerksberufen Arbeitsagenturbezirke Kassel, Nordhausen, Halle und leicht hat sinken lassen, bestehen weiterhin Fachkräf- Bernburg in deutlich geringerem Maße von Engpässen im teengpässe: So lag die Stellenüberhangsquote in den Handwerk betroffen. überwiegend handwerklichen Berufen im Jahr 2020 mit durchschnittlich 35,9 Prozent deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft mit 27,4 Prozent. Insgesamt fehlten in Die meisten Handwerkerinnen und Handwerker diesen Berufen bundesweit knapp 65.000 Handwerkerin- fehlen in den Bereichen Bau sowie Produktion nen und Handwerker. Zusätzlich fehlten in den Berufen und Fertigung. mit Handwerksanteilen weitere 12.000 Fachkräfte. Dort lag Von den 26 Handwerksberufen, in denen besonders viele die Stellenüberhangsquote allerdings bei lediglich 22,3 Fachkräfte fehlen, sind 17 Berufe in den Bereichen Pro- Prozent. duktion und Fertigung sowie Bau zu verorten. Hierzu zählt beispielsweise auf der Gesellenebene die Bauelektrik, Die Fachkräftelücke ist bei Gesellinnen und die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie die Kraft- Gesellen zahlenmäßig am größten, aber Meiste- fahrzeugtechnik. Betroffen ist aber auch der Verkauf von rinnen und Meister sind noch schwerer zu finden. Fleischwaren. Meisterinnen und Meister sind beispielswei- se in der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik sowie im Betrachtet man die absoluten Zahlen, so fehlen im Hand- Hoch- und im Tiefbau besonders knapp. Im Fortbildungsbe- werk insbesondere Fachkräfte mit einer abgeschlossenen reich sind ebenfalls der Verkauf, aber auch der Metallbau Berufsausbildung. Hier ist die Fachkräftelücke, gemessen betroffen. als absolute Anzahl der offenen Stellen, für die es in ganz Deutschland keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, am größten. Bezogen auf die Stellenüberhangsquote, Das Handwerk kommt etwas besser durch die den Anteil an Stellen, für die es keine passend qualifizier- Corona-Krise als andere Berufsbereiche. ten Arbeitslosen gibt, ist der Fachkräftemangel jedoch Insgesamt fiel der Rückgang bei den offenen Stellen im bei Handwerksmeisterinnen und -meistern am stärksten Handwerk etwas schwächer aus als in der Gesamtwirt- ausgeprägt. Diese werden zwar seltener gesucht als Ge- schaft. Wie in allen Bereichen der Wirtschaft sank die sellinnen und Gesellen, sind dann aber besonders schwer Arbeitskräftenachfrage im Handwerk besonders von März zu finden. bis Mai 2020 stark. Ab Juli 2020 stieg die Zahl der offenen Stellen wieder sichtbar an, lag aber im Dezember 2020 Fachkräftemangel besteht im Handwerk in allen immer noch gut 10 Prozent unterhalb des Ausgangsniveaus Regionen deutschlandweit, aber im Süden und vom Januar 2020. Nordwesten sind Handwerkerinnen und Handwer- Die Auswirkungen der Krise unterscheiden sich dabei ker besonders knapp. deutlich zwischen den Berufsbereichen. Die Arbeitsnach- Fachkräftemangel ist im Handwerk grundsätzlich ein frage der Unternehmen ist stets Ausdruck ihrer wirtschaft- flächendeckendes Problem, da Handwerkerinnen und lichen Lage: Unternehmen, die mit Einbrüchen bei ihrer 4
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Auftragslage zu kämpfen haben, suchen grundsätzlich Die große Zahl an unbesetzten Lehrstellen zeigt weniger neue Mitarbeitende als wachsende Unternehmen. Handlungsbedarf auf, damit das Handwerk wei- Viele Unternehmen aus dem Bauhandwerk haben sich terhin zukunftsfähig bleibt. vergleichsweise schnell von der Krise erholt, sodass die Generell liegt im Handwerk der Anteil der unbesetzten Arbeitskräftenachfrage im Bauhandwerk bereits im Dezem- Ausbildungsstellen an allen gemeldeten Ausbildungsstel- ber 2020 wieder über dem Vorkrisenniveau lag. len höher als in anderen Ausbildungsbereichen. Hier gilt Anders gestaltete sich die Situation in den überwiegend es künftig, unter anderem durch eine verbesserte Berufs- handwerklichen Berufen aus dem Bereich Gesundheit, orientierung an Schulen sowie eine breitere Aufklärung von Soziales, Lehre und Erziehung. Zu diesen zählen beispiels- Eltern, Lehrkräften sowie Multiplikatorinnen und Multi- weise das Friseurgewerbe, die Augenoptik und die Hörgerä- plikatoren, über die Vorteile einer dualen Ausbildung mehr teakustik. Da diese Berufe stark durch die Lockdowns und junge Menschen für eine eben solche im Handwerk zu die damit einhergehende Einschränkung ihrer Geschäfts- begeistern. Die Politik könnte hier durch die Förderung von tätigkeit beeinträchtigt waren, sind hier starke Umsatzein- digitalen Angeboten in der Berufsorientierung wirkungsvoll bußen zu verzeichnen. Diese führen zu ebenfalls starken unterstützen. Handwerksbetriebe sollten dies durch eine Einbrüchen bei der Arbeitskräftenachfrage und damit zu vorausschauende Personalbedarfsplanung, verlässliche einem Rückgang bei den Fachkräfteengpässen. Allerdings Angebote zur Berufswahlorientierung sowie die Nutzung ist damit zu rechnen, dass die Arbeitskräftenachfrage nach der Potenziale digitaler Qualifizierung begleiten. der Corona-Pandemie wieder deutlich anziehen wird, da Da die meisten Handwerksbetriebe klein und mittelstän- der Bedarf an diesen personennahen Dienstleistungen in disch geprägt sind, verfügen sie häufig über keine eigenen der Bevölkerung weiterhin besteht. Personalexpertinnen und -experten oder gar eine geson- derte Abteilung, die sich strategisch mit der Personalent- Das Ausbildungsplatzangebot ist im Hand- wicklung und der Stellenbesetzung beschäftigt. Dabei wird werk weniger stark zurückgegangen als in der eine vorausschauende Personalbedarfsplanung in Zeiten Gesamtwirtschaft. des Fachkräftemangels immer wichtiger, um erfolgreich zu wirtschaften und wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie Die duale Ausbildung bleibt zentraler Ansatzpunkt zur zeigt auf, welche Fachkräftepotenziale im Unternehmen Bekämpfung von Fachkräfteengpässen im Handwerk. Die bestehen und durch einen veränderten Personaleinsatz vorliegende Studie zeigt, dass bis zum Jahr 2018 neben der oder eine gezielte Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Arbeitskräftenachfrage auch das Ausbildungsplatzangebot Mitarbeiter erschlossen werden können, welcher Fachkräf- gestiegen ist. Seither lässt sich im Bereich der Ausbildung tebedarf über die eigene Nachwuchsqualifizierung gedeckt zunächst ein leichter Rückgang durch die schwächelnde werden sollte und in welchen Bereichen es einer möglichst Konjunktur und dann ein stärkerer Rückgang durch die frühzeitigen Rekrutierung neuer Fachkräfte bedarf. Corona-Pandemie beobachten. Dennoch ist der Rückgang des Ausbildungsstellenangebots in überwiegend hand- Im Handwerk kommt der betrieblichen Aus- und Weiter- werklichen Berufen weniger stark ausgeprägt als in der bildung eine zentrale Rolle bei der Fachkräftesicherung zu. Gesamtwirtschaft. Hier ist es wichtig, durch einen noch stärkeren Einsatz bei der Berufsorientierung, Schulabsolventinnen und Schulab- In einigen Bereichen konnten sogar mehr Ausbildungs- solventen von den Vorteilen einer Ausbildung im Handwerk verträge abgeschlossen werden. Insbesondere in einigen im Vergleich zu anderen dualen oder schulischen Ausbil- Handwerksberufen mit einer großen Fachkräftelücke wurde dungen oder einem Studium zu überzeugen. Während der das Ausbildungsplatzangebot trotz schwächerer Konjunk- Corona-Pandemie konnten Schulkooperationen und Mes- tur und Corona-Pandemie weiter ausgebaut. Dies betrifft sen hierfür kaum genutzt werden. Daher sind neue Formen überwiegend das Bauhandwerk, da die Auswirkungen der und Wege der digitalen Berufsorientierung erforderlich, die Krise hier gering waren, aber auch die Fleischerei und den zunächst einmal zusätzlichen Aufwand für alle Beteiligten Verkauf im Lebensmittelhandwerk. Da es dem Handwerk bedeuten. Auch die intensive Integration von internationa- unter anderem gelingt, Geflüchtete gut in die Ausbildung len und förderbedürftigen Auszubildenden sollte im Hand- zu integrieren, konnten viele der zusätzlich angebotenen werk als Potenzial weiterhin genutzt werden. Ausbildungsstellen auch besetzt werden. In anderen Berufen im Handwerk ist das Ausbildungsplatz- angebot hingegen gesunken. Dazu zählen einige der am stärksten von Fachkräftemangel betroffenen überwiegend handwerklichen Berufe, etwa in der Bauelektrik, in der Kraftfahrzeugtechnik oder im Metallbau. 5
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN 1. Einleitung Seit einigen Jahren nehmen Fachkräfteengpässe in ver- Handwerk in besonderem Maße, da die duale Ausbildung schiedenen Bereichen der deutschen Wirtschaft deutlich der zentrale Mechanismus zur Nachwuchsqualifizierung im zu und stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Handwerk ist. Auch das Handwerk ist zunehmend vom Fachkräftemangel Dazu kommt, dass der Großteil der Handwerksbetriebe betroffen. Laut einer Umfrage des ZDH (2019) hatten 38 zu den kleinen oder mittleren Unternehmen gehört. Diese Prozent der befragten Unternehmen mit Problemen bei der haben es bei der Fachkräftesicherung in manchen Berufen Fachkräftesuche zu kämpfen oder mussten diese erfolg- schwerer als Großunternehmen der Industrie, mit denen los abbrechen. Das hat vielfältige negative Auswirkungen sie sowohl um Fachkräfte wie auch um Auszubildende etwa auf Kundinnen und Kunden, die lange Wartezeiten konkurrieren (Risius et al., 2018). Daher kommt einer oder fehlende Leistungen hinnehmen müssen, und auf strategischen Personalarbeit eine immer wichtigere Rolle Unternehmen aus anderen Branchen, die in Wertschöp- zu, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (Stippler fungsketten eng mit dem Handwerk verbunden sind. et al., 2019). Um eine individuelle Strategie zur Fachkräf- Diese Probleme können sich noch verschärfen, wenn der tesicherung zu entwickeln, ist es hilfreich, zunächst die bevorstehende Generationswechsel nicht gelingt und Eckdaten des Arbeitsmarkts zu kennen. Wie ist die Arbeits- damit die Zukunftssicherung des Handwerks gefährdet ist. marktsituation in der jeweiligen Region für die berufliche Um passgenaue Lösungsansätze zur Fachkräftesicherung Qualifikation, die der Betrieb braucht? Lohnt sich überre- zu identifizieren, ist es notwendig, zu analysieren, wie gionale Rekrutierung oder ist es erfolgversprechender, den groß vorhandene Engpässe sind und in welchen Berufen, Fachkräftebedarf über die eigene Nachwuchsqualifizierung Qualifikationsniveaus und Regionen sie auftreten. Ebenso zu decken? ist die zeitliche Entwicklung von Fachkräfteengpässen zu betrachten. Die vorliegende Studie nimmt diese Analyse Mit der vorliegenden Studie erhalten insbesondere klein- auf Basis einer eigens dafür entwickelten Abgrenzung des und mittelständische Handwerksunternehmen einen Über- Handwerks in der Klassifikation der Berufe vor. blick über diese Rahmenbedingungen. Diese Grundlage soll dazu dienen, die jeweils bestmögliche Strategie zur Im Handwerk, wie auch in anderen Branchen und Berufs- Fachkräftesicherung zu entwickeln. Hierzu werden sowohl gruppen, gibt es zum einen konjunkturelle Gründe für den die langfristige Entwicklung des Arbeitsmarkts (Kapitel Fachkräftemangel. Diese sind zu einem großen Teil im 3) als auch die sehr unterschiedlichen Veränderungen, konjunkturellen Aufschwung bis zum Ende des Jahres 2018 die durch die Corona-Pandemie in den verschiedenen begründet, durch den die Arbeitskräftenachfrage sowie die Handwerksbereichen zu sehen sind, aufgezeigt. Da der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten konti- Berufsausbildung im Handwerk eine zentrale Rolle für die nuierlich gestiegen waren. Zum anderen gibt es strukturelle Gewinnung von Nachwuchsfachkräften zukommt, liegt ein Ursachen für den Fachkräftemangel, wie den demografi- weiterer Fokus dieser Studie auf der Analyse des Ausbil- schen Wandel, die Digitalisierung und die Dekarboni- dungsmarkts (Kapitel 4). In Kapitel 5 werden abschließend sierung, die das Handwerk ebenso betreffen wie andere Handlungsempfehlungen für die Fachkräftesicherung in Arbeitsmarktbereiche sowie den Trend zu Akademisierung Handwerksunternehmen gegeben. und schulischen Ausbildungen. Diese Trends betreffen das 6
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN 2. Begriffe und Methodik 2.1 Abgrenzung der Handwerksberufe Für die Analyse des Arbeits- und Ausbildungsmarkts hat levant sein können. Viele dieser Berufe sind jedoch auch in das KOFA eine eigene Systematik der Handwerksberufe er- der Industrie gefragt, wie beispielsweise Malerinnen/Maler stellt, da die Klassifikation der Berufe von 2010 (KldB 2010) und Lackiererinnen/Lackierer. Für die vorliegende Engpass- nicht zwischen Handwerks- und Industrieberufen unter- analyse soll jedoch differenziert werden zwischen Berufen, scheidet. Durch die im Folgenden erläuterte KOFA-Metho- die zahlenmäßig im Handwerk eine größere Relevanz ha- dik wurden zwei Berufsaggregate für die Handwerksberufe ben als in der Industrie, und Berufen, die zwar auch, aber gebildet, die die Vielfalt der Aus- und Fortbildungsberufe nicht überwiegend im Handwerk zu verorten sind. Um dies abbilden: überwiegend handwerkliche Berufe und Berufe zu prüfen, wird auf weitere Daten zurückgegriffen, die – mit Handwerksanteilen. anders als die KldB 2010 – eine Unterscheidung zwischen Industrie und Handwerk erlauben. Die Einteilung der Berufe stützt sich auf zwei Säulen: Die erste Säule für diese Berufsabgrenzung bildet die Hand- Als zweite Säule der Handwerksabgrenzung dienen werksordnung (HwO). Die Anlage A der Handwerksordnung Statistiken zu Aus- und Fortbildungsabschlüssen, bei beinhaltet zulassungspflichtige Handwerksberufe und denen zwischen Industrie und Handwerk unterschieden Gewerke, die eine Meisterprüfung voraussetzen, beispiels- wird. Bei den Ausbildungsberufen erfasst das Bundes- weise Tischlerin/Tischler, Bäckerin/Bäcker oder Friseurin/ institut für Berufsbildung (BIBB) die neu abgeschlossenen Friseur. Die Anlage B1 umfasst dagegen Gewerke, welche Ausbildungsverträge nach Zuständigkeitsbereich (BIBB, ohne Meisterprüfung ausgeübt werden können, wie bei- 2019). Diese unterscheidet zwischen neu abgeschlosse- spielsweise Gebäudereinigerin/Gebäudereiniger, Holzbild- nen Ausbildungsverträgen, die durch Handwerkskammern hauerin/Holzbildhauer oder Geigenbauerin/Geigenbauer, oder Industrie- und Handelskammern eingetragen wurden. aber dennoch zu den Handwerksberufen zählen. Anlage B2 Werden neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in einem enthält handwerksähnliche Gewerke wie beispielsweise Beruf mehrheitlich bei Handwerkskammern erfasst (über Maskenbildnerin/Maskenbildner oder Kosmetikerin/Kos- 50 Prozent), werden die dazugehörigen Berufe als eher metiker. Für die Zuordnung zu den entsprechenden Berufen „handwerkstypisch“ klassifiziert. Ähnlich wurde bei den der KldB 2010 hat der Zentralverband des Deutschen Hand- Fortbildungsberufen vorgegangen. Hier stellt das Statisti- werks Zuordnungslisten erstellt (ZDH, 2020)1. Diese wei- sche Bundesamt die entsprechenden Zahlen zur Verfügung chen vom Berufsaggregat „Handwerk“ der Bundesagentur (Destatis, 2020). für Arbeit (BA) ab (Paulus et al., 2014). Im BA-Berufsaggre- Basierend auf der Handwerksordnung (HwO) und den gat fehlen einige Berufe, wie beispielsweise die Fachkräfte Daten des BIBB sowie des Statistischen Bundesamtes wer- für Stuckateurarbeiten, die in der Handwerksordnung in den die Berufe der KldB 2010 wie folgt zugeordnet: Anlage A gelistet sind. Weiterhin sind Spezialistinnen und Spezialisten, also Personen mit einem Meisterinnen-/Meis- • Überwiegend handwerkliche Berufe sind alle Berufs- ter-, Technikerinnen-/Techniker-, Fachwirtinnen-/Fachwirt- gattungen der KldB, die in der HwO Anlage A und B zu oder Bachelor-Abschluss, in der BA-Liste nur unzureichend finden sind und bei denen die Ausbildung mehrheitlich erfasst (Haverkamp et al., 2019). Nicht enthalten sind dort im Handwerk erfolgt, das heißt, bei denen der Anteil der zudem Fortbildungsberufe, die keine primär handwerkli- neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Zuständig- chen Tätigkeiten umfassen, die jedoch für viele Handwerks- keit der Handwerkskammern größer als 50 Prozent ist. unternehmen von großer Bedeutung sind. Dazu zählen zum Gleiches gilt für Meisterberufe und weitere Fortbildungs- Beispiel die Betriebswirtinnen und Betriebswirte nach der berufe wie Technikerinnen/Techniker und Fachwirtinnen/ HwO und die geprüften Wirtschaftsinformatikerinnen und Fachwirte. Sie zählen zu den überwiegend handwerk- Wirtschaftsinformatiker. lichen Berufen, wenn sie in der Liste der Meister- und Fortbildungsberufe im Handwerk des ZDH enthalten sind Nach diesem ersten Schritt liegt eine Liste aller Berufe vor, und über 50 Prozent der Fortbildungsabschlüsse bei die laut Handwerksordnung und ZDH für das Handwerk re- Handwerkskammern erfolgen. ¹ Stand der Listen des ZDH: Mai 2020 7
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN • Berufe mit Handwerksanteilen sind in Abgrenzung zum ersten Berufsaggregat alle Berufsgattungen, in denen die Aus- oder Fortbildung zwar auch, aber nicht mehr- HINWEIS: Vollständige Listen der überwiegend heitlich im Handwerk erfolgt. Einen Sonderfall bilden vier handwerklichen Berufe und der Berufe mit Hand- Berufsgattungen, die zwar nicht in den Bereichen A oder werksanteilen finden sich im Anhang 1 und 2. B der HwO erfasst sind, aber mehrheitlich im Handwerk Helfer- und Anlerntätigkeiten, für die keine forma- ausgebildet werden. Diese sind: Hochbau, Aus- und le Qualifikation erforderlich ist, können anhand Trockenbau, Verkauf von Fleischwaren und Verkauf von dieser Abgrenzung keinem der beiden Handwerks- Back- und Konditoreiwaren. Diese vier Berufsgattungen aggregate zugeordnet werden. Da Fachkräfteeng- werden den überwiegend handwerklichen Berufen zu- pässe jedoch per Definition nur bei Personen mit geordnet. mindestens einer abgeschlossenen Berufsausbil- dung bestehen können, werden Helferinnen und Helfer in der folgenden Analyse nicht betrachtet. 2.2 Die Bestimmung von Fachkräfteengpässen Für die Analyse des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts im Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber“ (Burstedde et al., 2020, Handwerk wird die von Burstedde et al. (2020) vorgestellte 6). Die passende Qualifikation umfasst dabei sowohl die Methodik zur Hochrechnung der offenen Stellen und der Berufsfachlichkeit als auch das Anforderungsniveau der Bestimmung von Fachkräfteengpässen verwendet. „Ein Stelle. Das Anforderungsniveau einer Stelle beschreibt die Fachkräftemangel liegt dann vor, wenn das Angebot an Qualifikation, die zur Ausübung der Tätigkeit typischerwei- passend qualifizierten Arbeitskräften in einem bestimm- se erforderlich ist (Tabelle 1). ten Beruf in einer bestimmten Region kleiner ist als die Tabelle 1: Anforderungsniveaus Anforderungsniveau Bezeichnung Typische Qualifikation 1 Helfer ohne formale Berufsqualifikation 2 Fachkräfte Berufsausbildung (mindestens zweijährig) 3 Spezialisten Fortbildungsabschluss (z. B. Meister, Techniker, Fachwirt) oder Bachelor 4 Experten Diplom, Master oder Promotion Quelle: KOFA-Darstellung auf Basis von BA (2011) 8
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Aufgrund der großen Bedeutung der Meisterfortbildungen werden getrennt von den weiteren Berufen auf dem Niveau im Handwerk wird in dieser Studie von der üblichen Tren- der Spezialistinnen/Spezialisten und Expertinnen/Exper- nung in die Anforderungsniveaus Fachkraft, Spezialistin/ ten betrachtet. Diese weiteren Berufe werden im Folgenden Spezialist und Expertin/Experte abgewichen. Die 38 Meis- als Fortbildungsberufe bezeichnet. Daraus ergibt sich terberufsgattungen in den beiden Handwerksaggregaten folgende Aufteilung: Tabelle 2: Übersicht über die Handwerksberufe Anzahl überwiegend handwerkliche Berufe Anzahl der Berufe mit Handwerksanteilen Fachkräfte 70 35 Meister 29 9 Fortbildungsberufe 17 16 Hinweis: Ein Meisterberuf nach der KldB2010 (Berufsgattungen) kann mehrere Meisterabschlüsse beinhalten, eine Zuordnung der Meis- terprüfungen zu den Berufsgattungen der KldB 2010 findet sich in Anhang 3. Quelle: KOFA-Darstellung auf Basis von Sonderauswertungen der BA, 2021 Die Analyse zur Fachkräftesituation beruht auf Daten zu ge- an, wie viele passend qualifizierte Arbeitslose in einem meldeten offenen Stellen und registrierten Arbeitslosen der Beruf rechnerisch fehlen, um alle offenen Stellen besetzen Bundesagentur für Arbeit (BA) auf der Ebene der Berufsgat- zu können. Sie ist die Differenz aus offenen Stellen und tungen nach der Klassifikation der Berufe 2010 (BA, 2011). Arbeitslosen. Gibt es mehr Arbeitslose als Stellen, ist die Während bei den Arbeitslosen eine Vollerhebung vorliegt, Fachkräftelücke Null. Wird die Fachkräftelücke in Relation werden nicht alle offenen Stellen bei der BA gemeldet. Zur zu den offenen Stellen gesetzt, erhält man die Stellenüber- Berechnung der offenen Stellen werden deshalb Informa- hangsquote. Sie beschreibt damit den Anteil der offenen tionen zu Meldequoten, das heißt, dem Anteil der gemel- Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslo- deten Stellen an allen offenen Stellen, aus der IAB-Stellen- sen gibt, an allen offenen Stellen. erhebung einbezogen. Die Meldequote für Fachkräfte und Es sei zudem darauf hingewiesen, dass sich die Berufsgat- Spezialistinnen/Spezialisten liegt bei etwa 50 Prozent, die tungen der Klassifikation der Berufe aus mehreren Einzel- für Expertinnen/Experten bei etwa 30 Prozent. Gemeldete berufen und Tätigkeiten zusammensetzen, für die jedoch Zeitarbeitsstellen werden nur etwa zur Hälfte berücksich- keine differenzierten Informationen vorliegen. So umfasst tigt, da diesen nicht immer eine reale Arbeitskräftenach- beispielsweise der Meisterberuf „Aufsicht und Führung frage gegenübersteht. Die so hochgerechneten offenen – Lebensmittel und Genussmittelherstellung“ nach KldB Stellen bilden die Grundlage für die folgenden Indikatoren. 2010 sowohl das Konditoren- als auch das Müller-Hand- Die Engpassrelation (EPR) gibt an, wie viele passend werk nach Meisterprüfung. Eine Übersichtstabelle der qualifizierte Arbeitslose je 100 offenen Stellen gegenüber- Meisterberufe nach KldB und den beinhalteten Meisterprü- stehen. Liegt die EPR unter 100, ist der Beruf ein Eng- fungen befindet sich in Anhang 3. passberuf. Die Fachkräftelücke gibt in absoluten Zahlen 9
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN 3. Der Fachkräftemangel in Handwerksberufen 3.1 Die Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage vor und während der Corona-Krise In den Jahren vor der Corona-Krise ist die Zahl der offenen (Fachkräfte, Spezialistinnen/Spezialisten und Expertin- Stellen in beiden Handwerksaggregaten insgesamt ange- nen/Experten) hinweg, bei denen die Zahl der offenen stiegen (Abbildung 1). Nach einer Zunahme zu Beginn des Stellen von 2019 nach 2020 um 16,2 Prozent zurückgegan- Beobachtungszeitraums 2010 ist sie von 2012 bis 2013 kon- gen ist. Bei den Berufen mit Handwerksanteilen gingen junkturbedingt leicht gesunken, stieg dann aber von 2013 die offenen Stellen von 2019 nach 2020 um 16,5 Prozent bis 2018 wieder kontinuierlich an. Ab der Jahresmitte 2019 zurück. Trotz allem liegt die Zahl der offenen Stellen in bei- zeichnete sich wiederum ein leichter konjunkturbedingter den Aggregaten der Handwerksberufe immer noch deutlich Rückgang ab, der 2020 durch die Corona-Krise dann deut- über dem Wert zu Beginn des Beobachtungszeitraums im lich verstärkt wurde. Jahr 2010. In den überwiegend handwerklichen Berufen ist die Zahl der offenen Stellen im Jahresdurchschnitt 2020 Bei den überwiegend handwerklichen Berufen belief sich um 60.000 offene Stellen oder rund 50 Prozent höher als der Stellenrückgang von 2019 nach 2020 im Jahresdurch- noch zehn Jahre zuvor. schnitt auf 14,4 Prozent und war somit etwas schwächer ausgeprägt als über alle Berufe für qualifizierte Tätigkeiten Abbildung 1: Offene Stellen und Arbeitslose im Zeitverlauf (gleitende) Jahresdurchschnitte, absolut a) Überwiegend handwerkliche Berufe b) Berufe mit Handwerksanteilen 300.000 300.000 300.000 283.751 283.751 250.000 250.000 250.000 200.000 200.000 200.000 180.863 180.863 150.000 150.000 150.000 120.962 120.962 147.212 147.212 100.000 100.000 100.000 89.479 57.111 50.000 50.000 50.000 36.172 53.237 0 0 0 0210 2020 20 0 6 0118 0 2016 2018 0119 20 9 2 2 14 14 20 0 16 18 19 20 2 13 13 15 20 15 20 4 17 20 17 20 3 15 17 11 1 20 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 220 20 20 220 20 20 20 220 20 offene Stellen Arbeitslose offene Stellen Arbeitsloseoffene Stellen Arbeitslose Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 10
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Bei den Arbeitslosen in den Handwerksberufen zeigt sich Der leicht rückläufige Trend des Jahres 2019 hat sich somit eine gegenteilige Entwicklung. Zu Beginn des Beobach- fortgesetzt. Dieser Trend ist auch in der Gesamtwirtschaft tungszeitraums sank die Zahl der Arbeitslosen in beiden zu beobachten. Lediglich in den Berufen mit Handwerks- Aggregaten von 2010 bis 2012 deutlich und stieg dann anteilen ist zunächst ein geringfügiger Zuwachs bei den of- bis 2013 konjunkturbedingt leicht an. Von 2013 bis 2019 fenen Stellen im Februar 2020 zu beobachten (Abbildung sank sie dann kontinuierlich. Erst im Jahresdurchschnitt 2). Von März bis Mai erfolgte dann ein starker Rückgang 2020 lässt sich konjunktur- und Corona-bedingt wieder an offenen Stellen im Zuge der Corona-Pandemie und des ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen beobachten. In den ersten Lockdowns, sowohl bei beiden Handwerksaggre- überwiegend handwerklichen Berufen stieg die Zahl der gaten als auch über alle Berufe hinweg. Zwar sinkt die Arbeitslosen von 2019 nach 2020 um 19,5 Prozent, in den Arbeitskräftenachfrage in überwiegend handwerklichen Berufen mit Handwerksanteilen sogar um 25,3 Prozent. Da Berufen zu Beginn der Pandemie deutlicher, anteilig fallen die deutliche Gegenbewegung zum Trend der Vorjahre im die Stellenverluste in beiden Handwerksaggregaten im Jahr 2020 vornehmlich durch die Krise bedingt ist, ist bei Vergleich zur Gesamtwirtschaft jedoch etwas geringer aus. einer wirtschaftlichen Erholung jedoch wieder mit sinken- Während die offenen Stellen in den Handwerksaggregaten der Arbeitslosigkeit und steigendem Fachkräftemangel zu im Dezember 2020 noch knapp 12 Prozent beziehungs- rechnen. weise knapp 11 Prozent unter dem Wert zum Jahresbeginn 2020 lagen, betrug dieser Wert über alle Berufe hinweg Ein Blick auf die Entwicklung der offenen Stellen im Jah- noch 14,0 Prozent. Der Fachkräftebedarf hat sich in den resverlauf 2020 zeigt insbesondere für die überwiegend Handwerksberufen somit etwas schneller erholt als im handwerklichen Berufe einen leichten Stellenrückgang Durchschnitt über alle Berufe. bereits vor Beginn der Pandemie, also von Januar bis März. Abbildung 2: Die Entwicklung der offenen Stellen im Jahresverlauf 2020 5 Saisonbereinigte Monatswerte, Veränderung zum Januar, in Prozent 0 -5 -10 -10,8 -11,9 -14,0 -15 -20 0 0 0 0 20 20 0 0 0 0 0 0 02 02 02 02 02 02 02 02 02 02 20 20 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 / / 06 08 09 02 04 03 05 07 01 10 12 11 überwiegend handwerkliche Berufe Berufe mit Handwerksanteilen alle Berufe Hinweis: Für die Saisonbereinigung der Monatsdaten wurden fehlende Werte von 1 oder 2 mit 1,5 imputiert. Die Saisonbereinigung erfolgte nach der Methode TRAMO SEATS mit JDemetra+. Helfertätigkeiten können keinem der beiden Handwerksaggregate zugeordnet werden, daher sind Helfertätigkeiten auch beim gesamtwirtschaftlichen Referenzwert (alle Berufe) nicht enthalten. Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Auch wenn die Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage in überwiegend handwerklichen Berufen sind beispielsweise den beiden Handwerksaggregaten insgesamt der allgemei- die Bauberufe besonders gut durch die Krise gekommen. nen Arbeitsmarktentwicklung ähnelt, zeigen sich deutliche Die Zahl der offenen Stellen liegt dort im Dezember 2020 Unterschiede zwischen verschiedenen Berufsbereichen. saisonbereinigt sogar über der vom Januar 2020. Anders Abbildung 3 zeigt daher, wie groß die Unterschiede in gestaltet sich die Situation in überwiegend handwerklichen der Betroffenheit durch die Corona-Krise sind. Bei den Berufen aus dem Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und 11
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Erziehung. Diese haben sich nach dem ersten Lockdown Auch bei den Berufen mit Handwerksanteilen sind in allen kaum erholt und verzeichneten im Rahmen des zweiten Berufsbereichen die Stellen zunächst zurückgegangen. Lockdowns einen erneuten Rückgang bei den offenen Am besten durch die Krise gekommen sind hier Berufe Stellen. Besonders betroffen in diesem Bereich waren bei- im Bereich Unternehmensführung, Buchhaltung, Recht spielsweise Friseurinnen/Friseure und Kosmetikerinnen/ und Verwaltung. Das Niveau der offenen Stellen liegt dort Kosmetiker ebenso wie Spezialistinnen/Spezialisten der saisonbereinigt im Dezember 2020 nur noch knapp unter Körperpflege. dem Januarwert. Berufe mit Handwerksanteilen im Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung verzeichne- ten hingegen den stärksten Stellenrückgang. Abbildung 3: Offene Stellen über das Jahr 2020 nach verschiedenen Berufsbereichen Veränderung zum Januar in Prozent, abgebildet sind die beiden Berufsbereiche, die am aktuellen Rand am meisten und am wenigsten offene Stellen relativ zum Januar 2020 verzeichnen, saisonbereinigte Monatswerte a) Überwiegend handwerkliche Berufe b) Berufe mit Handwerksanteilen 5 5 3,7 0 0 -1,3 -5 -5 -10 -10 -10,8 -11,9 -14,0 -14,0 -15 -15 -18,1 -20 -20 -25 -25 -27,5 -30 -30 0 0 0 11 0 0 08 20 0 0 03 0 10 0 07 0 09 20 0 0 0 11 0 0 08 20 0 0 03 0 10 0 07 0 09 20 02 02 02 02 02 02 02 2 02 02 02 02 02 02 02 02 02 2 02 02 0 20 0 0 20 0 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 / / 12 01 05 04 02 06 12 01 05 04 02 06 überwiegend handwerkliche Berufe im Bereich Bau, Berufe mit Handwerksanteilen im Bereich Unternehmens- Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik organisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung überwiegend handwerkliche Berufe im Bereich Gesundheit, Berufe mit Handwerksanteilen im Bereich Rohstoff- Soziales, Lehre und Erziehung gewinnung, Produktion und Fertigung überwiegend handwerkliche Berufe insgesamt Berufe mit Handwerksanteilen gesamt alle Berufe alle Berufe Hinweis: Für die Saisonbereinigung der Monatsdaten wurden fehlende Werte von 1 oder 2 mit 1,5 imputiert. Die Saisonbereinigung erfolg- te nach der Methode TRAMO SEATS mit JDemetra+. Helfertätigkeiten können keinem der beiden Handwerksaggregate zugeordnet werden, daher sind Helfertätigkeiten auch beim gesamtwirtschaftlichen Referenzwert (alle Berufe) nicht enthalten. Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Um einen detaillierteren Blick auf die Auswirkungen der Co- um Berufe aus dem Bauhandwerk. Dazu zählen beispiels- rona-Krise zu erhalten, wird im Folgenden die Veränderung weise die Fachkräfte im Hochbau, die Fachkräfte des Rollla- der offenen Stellen zwischen dem Beginn der Corona-Krise den- und Jalousiebaus sowie Fachkräfte der Dachdeckerei. im März 2020 und dem Dezember 2020 verglichen. Dabei Bei den Meisterberufen verzeichneten die Aufsichtskräfte zeigen sich auch innerhalb der jeweiligen Berufsberei- der Bodenverlegung den größten Stellenzuwachs während che Unterschiede in den Auswirkungen der Corona-Krise. der Corona-Pandemie. Es gab keine überwiegend hand- Tabelle 3 zeigt die überwiegend handwerklichen Berufe, werklichen Fortbildungsberufe, die sowohl einen Zuwachs die während der Corona-Krise, also zwischen Beginn der an offenen Stellen und zugleich bundesweit mindestens Corona-Pandemie im März 2020 und dem Jahresendwert 100 offene Stellen aufweisen (Relevanzkriterium in dieser im Dezember 2020, den größten Zuwachs bei den offenen Studie). Stellen verzeichnen. Dabei handelt es sich in erster Linie 12
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Tabelle 3: Top-Berufe mit dem größten Stellenzuwachs von März 2020 bis Dezember 2020 – überwiegend handwerkliche Berufe Saisonbereinigte Monatswerte Veränderung der offenen Offene Stellen im Berufsgattung Stellen zum März 2020 Dezember 2020 (in Prozent) Hochbau 26,5 385 Fachkräfte Rollladen- und Jalousiebau 25,9 574 Dachdeckerei 14,8 4.844 Fliesen-, Platten- und Mosaikverlegung 13,3 2.970 Aus- und Trockenbau 11,8 2.788 Aufsicht – Bodenverlegung 103,3 126 Meisterberufe Aufsicht – Tiefbau 16,9 957 Aufsicht – Maler- und Lackierer-, Stuckateurarbeiten, 15,7 680 Bauwerksabdichtung, Holz- und Bautenschutz Aufsicht – Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik 13,8 1.358 Aufsicht – Hochbau 3,7 1.698 Hinweis: Für die Saisonbereinigung der Monatsdaten wurden fehlende Werte von 1 oder 2 mit 1,5 imputiert. Die Saisonbereinigung erfolgte nach der Methode TRAMO SEATS mit JDemetra+. Es werden nur Berufe mit bundesweit mindestens 100 offenen Stellen dargestellt (Relevanzkriterium). Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Unter den Berufen mit Handwerksanteilen gibt es deutlich rufe des Aggregats der Berufe mit Handwerksanteilen, die weniger Berufe mit einem Anstieg an offenen Stellen seit sowohl einen Zuwachs an offenen Stellen verzeichnen als dem Beginn der Corona-Pandemie (Tabelle 4). Der größte auch das Relevanzkriterium von bundesweit mindestens Zuwachs zwischen März und Dezember 2020 ist mit 40,7 100 offenen Stellen erfüllen. Dasselbe gilt für die Fortbil- Prozent für Fachkräfte der Glasveredelung zu verzeichnen. dungsberufe mit Handwerksanteilen, mit Ausnahme der An zweiter Stelle folgt der Bedarf an Fachkräften der Bau- Spezialistinnen/Spezialisten der IT-Systemadministration. stoffherstellung mit einem Plus von knapp 15 Prozent. Es Dieser Beruf verzeichnete einen leichten Stellenzuwachs gibt keine anderen Fachkraftberufe und keine Meisterbe- von 0,6 Prozent von März bis Dezember 2020. Tabelle 4: Top-Berufe mit dem größten Zuwachs an Stellen von März bis Dezember 2020 – Berufe mit Handwerksanteilen Saisonbereinigte Monatswerte Veränderung der offenen Offene Stellen im Berufsgattung Stellen zum März 2020 Dezember 2020 (in Prozent) Fachkräfte Glasveredelung 40,7 131 Baustoffherstellung 14,9 427 Meister berufe IT-Systemadministration 0,6 3.426 Hinweis: Für die Saisonbereinigung der Monatsdaten wurden fehlende Werte von 1 oder 2 mit 1,5 imputiert. Die Saisonbereinigung erfolgte nach der Methode TRAMO SEATS mit JDemetra+. Es werden nur Berufe mit bundesweit mindestens 100 offenen Stellen dargestellt (Relevanzkriterium). Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 13
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN 3.2 Die Entwicklung des Fachkräftemangels vor und während der Corona-Krise Ähnlich wie auch in anderen Arbeitsmarktbereichen haben schiede zwischen einzelnen Berufen (vgl. Tabelle 5 und Fachkräfteengpässe im Handwerk in den vergangenen zehn Tabelle 6). Jahren deutlich zugenommen. Dabei ist zu beobachten, Ein Blick auf die Entwicklung des Fachkräftemangels seit dass der Fachkräftemangel in den überwiegend hand- 2010 zeigt, dass die Engpässe in Handwerksberufen beider werklichen Berufen insgesamt stärker ausgeprägt ist als in Aggregate nach einer geringfügigen Abnahme zwischen manch anderen Berufsgruppen (Abbildung 4 und Abbil- 2012 und 2013 bis zur zweiten Jahreshälfte 2018 kontinu- dung 5). Jedoch gibt es auch innerhalb der Handwerksbe- ierlich zugenommen haben. Seither nimmt der Mangel an rufe deutliche Unterschiede in der Intensität des Fach- Handwerkerinnen und Handwerkern zwar wieder etwas ab, kräftemangels. Dies betrifft zum einen die verschiedenen liegt aber immer noch deutlich über dem Ausgangsniveau Qualifikationsniveaus – Fachkräfte mit abgeschlossener des Beobachtungszeitraums und auch über dem Niveau Berufsausbildung; Meisterinnen und Meister sowie weitere aller Berufe. Fortbildungsabsolventinnen und -absolventen (Abbildung 6 und Abbildung 7) –, zum anderen bestehen große Unter- Abbildung 4: Die Stellenüberhangsquote im Zeitverlauf Anteil der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, (gleitende) Jahresdurch- schnitte, in Prozent 60 50 40 35,9 30 27,4 22,3 20 10 0 20 10 16 18 19 2 4 13 5 17 11 1 1 1 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 überwiegend handwerkliche Berufe Berufe mit Handwerksanteilen alle Berufe Hinweis: Helfertätigkeiten können keinem der beiden Handwerksaggregate zugeordnet werden, daher sind Helfertätigkeiten auch beim gesamtwirtschaftlichen Referenzwert (alle Berufe) nicht enthalten. Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 14
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Der Anteil der offenen Stellen, für die es keine passend beitslose Fachkräfte bundesweit mobil wären, um angebo- qualifizierten Arbeitslosen gibt, ist in überwiegend hand- tene offene Stellen zu besetzen. Da dies nicht der Fall ist, werklichen Berufen höher als in der Gesamtwirtschaft. wird der Fachkräftemangel für Handwerksbetriebe einiger Im Jahr 2020 lag dieser über alle überwiegend handwerk- Regionen sogar noch unterschätzt (siehe auch Abbildung lichen Berufe hinweg bei 35,9 Prozent. Somit gab es rein 8). In der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung gab es für rechnerisch für etwa jede dritte Stelle keine Möglichkeit, 27,4 Prozent der offenen Stellen rechnerisch keine passend diese durch arbeitslose inländische Fachkräfte zu beset- qualifizierten Arbeitslosen. Mit 22,3 Prozent ist dieser Wert zen. Diese Gegenüberstellung setzt zudem voraus, dass ar- bei Berufen mit Handwerksanteilen etwas niedriger. Abbildung 5: Die Entwicklung der Stellenüberhangsquote während der Corona-Krise Anteil der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, saisonbereinigte Monatswerte, in Prozent 50 48,7 40 37,5 34,7 34,6 30 26,8 20 18,8 10 0 0 0 20 20 20 20 0 20 0 0 0 0 02 02 02 02 02 02 02 20 20 20 20 20 /2 /2 /2 /2 /2 /2 /2 / / / / / 06 08 09 02 04 03 05 07 01 10 12 11 überwiegend handwerkliche Berufe Berufe mit Handwerksanteilen alle Berufe Hinweis: Für die Saisonbereinigung der Monatsdaten wurden fehlende Werte von 1 oder 2 mit 1,5 imputiert. Die Saisonbereinigung erfolgte nach der Methode TRAMO SEATS mit JDemetra+. Helfertätigkeiten können keinem der beiden Handwerksaggregate zugeordnet werden, daher sind Helfertätigkeiten auch beim gesamtwirtschaftlichen Referenzwert (alle Berufe) nicht enthalten. Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 lag die Im Dezember 2020 waren die überwiegend handwerk- Stellenüberhangsquote, also der Anteil an Stellen, die rein lichen Berufe nach wie vor stark von Engpässen betroffen, rechnerisch nicht besetzt werden können, in überwiegend über alle Berufe dieses Aggregats hinweg gab es für etwa handwerklichen Berufen noch bei knapp 50 Prozent. Das jede dritte offene Stelle (34,6 Prozent) bundesweit keine bedeutet, dass nur etwa jede zweite Stelle überhaupt mit passend qualifizierten Arbeitslosen. Bei den Berufen mit einer arbeitslosen inländischen Fachkraft hätte besetzt Handwerksanteilen ist dies für 18,8 Prozent der offenen werden können. In Berufen mit Handwerksanteilen lag die- Stellen der Fall, in der Gesamtwirtschaft über alle Berufe ser Wert mit 34,7 Prozent niedriger, das heißt, hier waren hinweg für ein gutes Viertel (26,8 Prozent). Das bedeutet, die Engpässe im Vergleich weniger stark ausgeprägt. Fachkräfteengpässe bestehen trotz der Corona-Pandemie fort, und es ist zu erwarten, dass der Mangel an passend Nach dem Beginn der Corona-Krise im März 2020 war zu- qualifizierten Fachkräften im Zuge der wirtschaftlichen Er- nächst ein Rückgang der Engpässe in beiden Handwerks- holung nach der Corona-Krise wieder zunimmt. aggregaten und über alle Berufe hinweg zu beobachten. In den überwiegend handwerklichen Berufen nahmen sie jedoch bereits ab Juni wieder zu; in den Berufen mit Hand- werksanteilen war dies erst ab September der Fall. 15
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN 3.3 Es fehlen sehr viele Gesellen, aber Meister sind noch schwerer zu finden Um passende Strategien für die Fachkräftesicherung entwi- stärksten gestiegen. Die Fachkräftelücke wuchs auch für ckeln zu können, lohnt sich eine differenzierte Betrachtung Meisterinnen und Meister sowie Fortbildungsabsolven- der Fachkräfteengpässe nach der Art der erforderlichen tinnen und Fortbildungsabsolventen, ist jedoch nach wie Qualifikation. Der Mangel an Personen mit einer abge- vor deutlich kleiner als bei Fachkraftberufen. Im Jahres- schlossenen Berufsausbildung ist in beiden Handwerks- durchschnitt 2020 zeichnete sich pandemiebedingt ein aggregaten quantitativ am größten (Abbildung 6). Seit starker Rückgang der Fachkräftelücke auf allen Niveaus 2010 ist die Fachkräftelücke, also die Zahl der Stellen, für und in beiden Aggregaten ab. Dabei nahmen die Engpässe die es rein rechnerisch bundesweit keine passend quali- anteilig für Fortbildungsberufe am stärksten ab, gefolgt fizierten Arbeitslosen gibt, insbesondere bei überwiegend von den Fachkraftberufen und am schwächsten bei den handwerklichen Berufen, für Gesellinnen und Gesellen am Meisterberufen. Abbildung 6: Die Anzahl fehlender Fachkräfte (Fachkräftelücke) Anzahl der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, (gleitende) Jahresdurchschnitte, absolut a) Überwiegend handwerkliche Berufe b) Berufe mit Handwerksanteilen 100 100.000 100 100.000 100 80 80.000 80 80.000 80 60 60.000 60 60.000 46,6 60 54.047 40 39,7 46,6 34,7 40.000 40 40.000 39,7 46,6 20 34,7 40 39,7 20 34,7 20.000 20.000 20 5.657 0 9.651 1.683 19 0 5.183 8 17 20 10 14 10 2 0 16 0 20 18 014 2 20 017 013 1 20 9 15 20 201015 01 01 19 202 20 016 201 0 0 20 18 20 2020 20 2 0 1 0 2 2 2 2 17 2 230 2 2105 2 20 2 0 272 2020 10 12 13 20 011 20 14 19 20 20 13 8 20 017 10 20 16 6 15 20 20 14 14 2 13 12 1 20 1 20 15 2 2 1 1 20 01 01 1 Fachkraftberufe 20 20 20 20 20 20 20 20 20 0 20 20 20 19 18 17 10 16 12 11 2 2 2 20 20 Fachkraftberufe Meisterberufe Fachkraftberufe Fachkraftberufe Fachkraftberufe Meisterberufe Fortbildungsberufe Meisterberufe Meisterberufe Meisterberufe Fortbildungsberufe Fortbildungsberufe Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Fortbildungsberufe Fortbildungsberufe 16
KOFA-STUDIE 1/2021 FACHKRÄFTEENGPÄSSE IN UNTERNEHMEN Bundesweit fehlten im Jahr 2020 in den überwiegend es für knapp die Hälfte aller offenen Stellen für Meiste- handwerklichen Berufen durchschnittlich etwa 65.000 Per- rinnen und Meister (46,6 Prozent) keine passend quali- sonen, um alle offenen Stellen besetzen zu können. Dabei fizierten Arbeitslosen. Bei überwiegend handwerklichen entfielen 54.000 Vakanzen auf Fachkräfte mit abgeschlos- Fortbildungsberufen, etwa Betriebswirtinnen/Betriebswir- sener Berufsausbildung und jeweils etwas mehr als 5.000 ten (HwO) oder geprüften Wirtschaftsinformatikerinnen/ auf Personen mit Meister- und mit Fortbildungsabschluss. Wirtschaftsinformatikern, traf dies auf 39,7 Prozent der Auch in den Berufen mit Handwerksanteilen fehlten über- offenen Stellen zu. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums wiegend Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsaus- im Jahr 2010 waren die Engpässe auch relativ gesehen bei bildung, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau Fachkräften am stärksten. In den vergangenen zehn Jahren als in den überwiegend handwerklichen Berufen. Hier hat die Intensität der Engpässe jedoch bei Handwerksmeis- fehlten im Jahr 2020 knapp 10.000 Fachkräfte, gut 1.600 terinnen-/Handwerksmeister- und Fortbildungsberufen Meisterinnen und Meister sowie lediglich 272 Fortbildungs- deutlich stärker zugenommen. Eine mögliche Erklärung absolventinnen und Fortbildungsabsolventen. Im Vergleich hierfür ist, dass in der Regel erst eine Berufsausbildung ab- zum Beginn des Beobachtungszeitraums ist die Fachkräf- geschlossen werden muss, bevor Fachkräfte zu Meisterin- telücke jedoch in beiden Handwerksaggregaten auf allen nen/Meistern, Technikerinnen/Technikern oder Betriebs- Niveaus – trotz des Corona-bedingten Rückgangs – im Jahr wirtinnen/Betriebswirten fortgebildet werden können. 2020 noch immer deutlich größer als im Jahr 2010. Fehlt es bereits an Gesellinnen und Gesellen, stehen auch weniger Fachkräfte für eine entsprechende Fortbildung zur Obwohl in absoluten Zahlen insbesondere Fachkräfte mit Verfügung. Von fehlenden Meisterinnen und Meistern ist abgeschlossener Berufsausbildung fehlten, waren relativ das Handwerk zudem doppelt betroffen, wenn es um die gesehen in beiden Aggregaten Handwerksmeisterinnen Unternehmensnachfolge geht, für die zunehmend geeigne- und Handwerksmeister im Jahr 2020 am schwersten zu te Personen fehlen. finden. In den überwiegend handwerklichen Berufen gab Abbildung 7: Die Stellenüberhangsquote im Zeitverlauf nach Niveau Anteil der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, (gleitende) Jahresdurchschnitte, in Prozent a) Überwiegend handwerkliche Berufe b) Berufe 100 mit Handwerksanteilen 100 100 100 10080 80 80 80 8060 60 46,6 66,8 60 60 6040 39,7 46,6 34,7 40 46,6 39,7 46,6 40 4020 34,7 40 39,7 39,7 20 34,7 34,7 32,0 20 20 20 0 19 0 18 17 20 0 14 010 6 20 4 2 3 1 5 20 1 015 01 17 1 18 1 20 1 19 1 16 1 20 20 13 20 20 20 14 20 20 1620 20 15 20 20 12 20 20 20 1,3 1 2 2 1 0 2 0 0 0 10 12 13 11 20 20 20 20 2 Fachkraftberufe 20 19 19 20 18 18 20 17 17 10 20 16 2020 20 14 12 13 11 15 2019 2018 17 20 0 16 2020 14 20 2 20 3 20 1 15 1 1 1 1 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Fachkraftberufe Meisterberufe Fachkraftberufe Fachkraftberufe Meisterberufe Fachkraftberufe Fortbildungsberufe Meisterberufe Meisterberufe Fortbildungsberufe Meisterberufe Quelle: KOFA-Berechnung auf Basis von Sonderauswertungen der BA und des IAB, 2021 Fortbildungsberufe Fortbildungsberufe Fortbildungsberufe In den Berufen mit Handwerksanteilen unterscheiden stehen, sind die Meisterberufe auch in dieser Gruppe sehr sich die relativen Engpässe zwischen den betrachteten stark von Engpässen betroffen. Hier gibt es für über zwei Gruppen besonders deutlich. Während die Fortbildungsbe- Drittel der offenen Stellen (66,8 Prozent) bundesweit keine rufe erst seit 2017 von Engpässen betroffen sind und dort passenden Arbeitslosen, um diese besetzen zu können. im Jahr 2020 für nur gut ein Prozent der offenen Stellen Bei Gesellinnen und Gesellen sind es mit 32 Prozent knapp keine passend qualifizierten Arbeitslosen zur Verfügung ein Drittel. 17
Sie können auch lesen